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Horst Eidenmüller SaR Seite 1, 09.02.2014 Ludwig-Maximilians-Universität München Vorlesung Sachenrecht Wintersemester 2013/2014 Prof. Dr. Horst Eidenmüller LL.M. (Cambr.) LMU München und Oxford University www.horst-eidenmueller.de www.law.ox.ac.uk/profile/horst.eidenmueller Diese Arbeitsunterlage ist unvollständig ohne den begleitenden mündlichen Vortrag. Arbeitsunterlage und Vortrag sind urheberrechtlich geschützt.

Vorlesung Sachenrecht Wintersemester 2013/2014 · Vorlesung Sachenrecht Wintersemester 2013/2014 Prof. Dr. Horst Eidenmüller LL.M. (Cambr.) ... –Anwendbarkeit der Regeln des BGB-AT

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Horst Eidenmüller SaR Seite 1, 09.02.2014

Ludwig-Maximilians-Universität München

Vorlesung SachenrechtWintersemester 2013/2014

Prof. Dr. Horst Eidenmüller LL.M. (Cambr.)

LMU München und Oxford Universitywww.horst-eidenmueller.de

www.law.ox.ac.uk/profile/horst.eidenmueller

Diese Arbeitsunterlage ist unvollständig ohne den begleitenden mündlichenVortrag. Arbeitsunterlage und Vortrag sind urheberrechtlich geschützt.

Horst Eidenmüller SaR Seite 2, 09.02.2014

Ziele und Methode Vorlesung Sachenrecht

• Vermittlung „dogmatisches Grundgerüst“ im Sachenrecht für (i) weiteres Lernen und später (ii) Wiederholung (→ Examen)

• Schwerpunkt auf Verzahnung Sachenrecht mit Schuldrecht und Stellenwert Sachenrecht in juristischer Fallbearbeitung

• Aufzeigen der ökonomischen Relevanz sachenrechtlicher Regeln

• Erarbeitung des Stoffes anhand von (vielen) Beispielsfällen

Horst Eidenmüller SaR Seite 3, 09.02.2014

Vorlesungsbegleitende Tutorien

• Übungsleiter: Dr. Peter Picht, LL.M. (Yale)

– Termin: Immer Donnerstags, 16.15-17.45 Uhr, beginnend mit dem 24.10.2013 (nächste Woche)

– Raum: S 003 (Schellingstraße)

– Fälle/Lösungen: Analog zur Vorlesung auf Homepage (http://www.horst-eidenmueller.de)

• Übungsleiter: Dr. Matthias Fervers

– Termin: Immer Montags, 18.15-19.45 Uhr, beginnend mit dem 21.10.2013 (nächste Woche)

– Raum: N020 (Hauptgebäude)

Horst Eidenmüller SaR Seite 4, 09.02.2014

Grobgliederung Vorlesung Sachenrecht

• Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

• Mobiliarsachenrecht

– Besitz und Besitzschutz

– Eigentum und Eigentumsschutz

– Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

– Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

• Immobiliarsachenrecht

– Grundbuch

– Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

– Vormerkung

– Grundpfandrechte

» Hypothek

» Grundschuld

Horst Eidenmüller SaR Seite 5, 09.02.2014

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

• Funktion des Sachenrechts, Abgrenzung zum Schuldrecht und ökonomische Relevanz

• Objekte des Sachenrechts– Sachen/Tiere/Rechte als Objekte des Sachenrechts

– Begriff der Sache und ihrer Bestandteile

– Zubehör

• Strukturprinzipien des Sachenrechts

• Das dingliche Rechtsgeschäft– Maßgeblichkeit der sachenrechtlichen Strukturprinzipien

– Anwendbarkeit der Regeln des BGB-AT über Rechtsgeschäfte

– Anwendbarkeit der Regeln des allgemeinen Schuldrechts

– Trennungs- und Abstraktionsprinzip sowie Ausnahmen

Horst Eidenmüller SaR Seite 6, 09.02.2014

Funktion des Sachenrechts und Abgrenzung zum Schuldrecht

• Das Sachenrecht regelt die rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer Sache

– Güterzuordnung in „Ruhelage“ (Bsp.: § 903*)

– Dynamik der Güterverteilung (Bsp.: §§ 929 ff.)

• Das Schuldrecht regelt Rechtsbeziehungen zwischen bestimmten Personen

• Achtung: Auch im Sachenrecht werden Rechtsbeziehungen zwischen bestimmten Personen geregelt → dingliche Ansprüche

– Ergeben sich aus der Verletzung einer dinglichen Rechtsposition

– Ggf. Anspruchskonkurrenz mit schuldrechtlichen Ansprüchen, z.B.: Herausgabeanspruch aus § 985 sowie aus § 546 I (Vermieter)

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

* §§ ohne Kennzeichnung sind solche des BGB.

Horst Eidenmüller SaR Seite 7, 09.02.2014

Ökonomische Relevanz des Sachenrechts: Warum Eigentum?

• Tragedy of the Commons (G. Hardin, Science 162 (1968), 1243-1248)

– Mehrere Viehzüchter nutzen eine Weide – jeder kann beliebig viele Kühe weiden lassen

→ Übernutzung, weil jeder Viehzüchter nur die ihm dabei entstehenden Kosten mit seinem Nutzen vergleicht

→ Zusätzliche (= externe) Kosten bei den anderen Viehzüchtern, deren Kühe weniger Futter finden

– Ineffizienz solcher Externalitäten, d.h. Verursachung gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrtsverluste

• Lösung: property rights

– Individuelle Rechte hinsichtlich der Nutzung knapper Güter, insbesondere Eigentum (vgl. § 903 S. 1)

– Internalisierung von Kosten und Nutzen → effizientes Verhalten des Eigentümers

– Beispiel: Ist Weide im Privateigentum, so kann der Eigentümer für das Weiderecht ein Entgelt verlangen, das die Höhe der externen Kosten widerspiegelt

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 8, 09.02.2014

Ökonomische Relevanz des Sachenrechts: Warum Eigentum?

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

http://www.youtube.com/watch?v=MLirNeu-A8I

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Ökonomische Relevanz des Sachenrechts: Kreditsicherungsrecht

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Quelle: Safavian/Sharma, When do Creditor Rights Work?, The World Bank Research Working Paper 4296, S. 26

Horst Eidenmüller SaR Seite 10, 09.02.2014

Objekte des Sachenrechts

• Objekte des Sachenrechts sind

– Sachen: bewegliche und unbewegliche (= Grundstücke)

– Tiere, § 90a S. 3

– Rechte, z. B. Pfandrecht an einer Forderung, § 1273 I

• Begriff der Sache und ihrer Bestandteile (§§ 90 ff.)

– Körperliche Gegenstände im Sinne des § 90 müssen räumlich abgrenzbar sein

– Letztlich entscheidet die Verkehrsanschauung

– Keine Sachen: fließendes Wasser, Luft, elektrischer Strom (vgl. RGZ 86, 12 [14]), Software (wohl aber Datenträger wie USB-Stick), Körper eines lebenden Menschen (anders Leichnam: Sache, die in niemandes Eigentum steht)

– Vermischung von Sachen → Neue Sache entsteht, bisherige Eigentümer werden grundsätzlich Miteigentümer (§§ 948 I iVm 947 I)

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 11, 09.02.2014

Objekte des Sachenrechts

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Fallbeispiel: V liefert K unter ET-Vorbehalt 10.000 Liter Heizöl, K hat noch 5.000 Liter im Tank . Eigentumsverhältnisse?

§§ 929 S. 1, 158 I

V K

§ 433

Ergebnis: Bis zur vollständigen Bezahlung steht V ein Miteigentumsanteil in Höhe von 2/3 an dem Öl zu, §§ 948 I iVm 947 I

Horst Eidenmüller SaR Seite 12, 09.02.2014

Objekte des Sachenrechts

• Einzelsachen: Unterfallen unproblematisch den Regeln des Sachenrechts

• Zusammengesetzte Sachen

– Sind wie eine Sache zu behandeln, wenn Teile = wesentliche Bestandteile im Sinne von § 93

– Ökonomische Logik: Verhinderung der (sinnlosen) Zerstörung wirtschaftlicher Werte

– Faustregel: Keine wesentlichen Bestandteile, wenn Wert der getrennten Teile zusammen in etwa = Wert der Gesamtsache vor Trennung

– Kreis der wesentlichen Bestandteile wird durch § 94 ausgedehnt und durch § 95 eingeschränkt, aber Achtung: § 95 (Scheinbestandteile) geht §§ 93, 94 vor!

• Sachmehrheiten (→ Spezialitätsgrundsatz): Jede Sache einer Sachmehrheit (z.B. Warenlager) behält eigene Sachqualität

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 13, 09.02.2014

Objekte des Sachenrechts

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Fallbeispiel 1: Ist ET-Vorbehalt an einem eingebauten, serienmäßigen Austausch-motor möglich (vgl. BGHZ 61, 80)?

Fallbeispiel 2: V verkauft und übereignet K ein Grundstück, beide Rechtsgeschäfte sind nichtig. Vor Kenntnis der Nichtigkeit hatte K eine Baracke errichtet. Herausgabeanspruch des V gemäß § 985 (Gegenansprüche des K bleiben außer Betracht)?

§§ 929 S. 1, 158 I

V K

§ 433

§§ 873, 925

V K

§§ 433, 311b I

§§ 104 Nr. 2, 105 I

Horst Eidenmüller SaR Seite 14, 09.02.2014

Objekte des Sachenrechts

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Fallbeispiel 3: V liefert dem Bauherrn B Herde und Kühlschränke unter ET-Vorbehalt, mit denen B eine Mietwohnung ausstattet. B gerät in Zahlungsverzug. V tritt gem. §§ 449 II, 323 I, 346 I zurück. Herausgabeanspruch des V gegen den Mieter M gem. § 985 (vgl. BGHZ 40, 272; BGH NJW-RR 1990, 586; BGH NJW 2009, 1078)?

Fallbeispiel 4: Bauunternehmer U zerstört aus Unachtsamkeit ein in einem Grundstück der Gemeinde G verlegtes Telefonkabel der Post P. P hatte das Kabel kraft einer öffentlich-rechtlichen Befugnis verlegt, diese Befugnis war später erloschen. Anspruch der P gegen U aus § 823 I (vgl. BGHZ 125, 56)?

§§ 929 S. 1, 158 I

V B

§ 433

Rücktritt des V

Einbau

Horst Eidenmüller SaR Seite 15, 09.02.2014

Objekte des Sachenrechts

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Zusammenfassender Fall: M mietet von V ein Grundstück und baut darauf eine unterkellerte Baracke. K erwirbt das Grundstück von V, kündigt dem M und verlangt nach Ablauf der Kündigungsfrist von M die Räumung (vgl. BGHZ 92, 70)

V M§ 535

K

§§ 433, 311b

§§ 873,925

Kann sich M auf § 573 I 1 berufen?

Horst Eidenmüller SaR Seite 16, 09.02.2014

Objekte des Sachenrechts

• Zubehör (§ 97)

– Definitionsmerkmale in § 97 I und II

– Wichtig: Zubehör kann nur sein, was nicht (wesentlicher) Bestandteil der Hauptsache ist (vgl. § 97 I 1)

– Durch Sonderregeln wird der engen wirtschaftlichen Verbindung von Hauptsache und Zubehör Rechnung getragen, vgl. etwa §§ 311c, 926 sowie § 1120

• Beispiel: Übereignung einer Fabrik

– Übereignung Grundstück → Gebäude wegen § 94 I mitübereignet

– Maschinen: Regelmäßig weder § 94 noch § 93, sondern § 97 → Mitübereignung gem. § 926

– Fuhrpark: Regelmäßig ebenfalls § 97 → Mitübereignung gem. § 926

– Rohstoffe und Endprodukte: Nicht § 97, da nicht dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache (Betriebsgrundstück) dienend → gesonderte Übereignung nach §§929 ff. erforderlich

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 17, 09.02.2014

Objekte des Sachenrechts: Zusammenfassung

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Sachen (§ 90), Tiere (§ 90a ), Rechte (z.B. § 1273)

Körperliche Gegenstände:Räumliche Abgrenzbarkeit

EinzelsachenZusammengesetzte Sachen

Sachmehrheiten

Sonderfall Zubehör

(§ 97)

Wesentliche Bestandteile iSd§§ 93 ff.?

ja nein

Grundnorm: § 93Erweitert durch: § 94Eingeschränkt durch: § 95 (vorrangig)

Horst Eidenmüller SaR Seite 18, 09.02.2014

Strukturprinzipien des Sachenrechts

• Absolutheit (Allgemeinverbindlichkeit)

– Bsp.: § 903

• Publizität (Offenkundigkeit)

– Bsp.: § 1205

– Bedeutung der Publizität:

» Übertragungswirkung (Bsp.: §§ 929 S. 1, 873 I)

» Gutglaubenswirkung (Bsp.: §§ 932 I 1, 892 I)

» Vermutungswirkung (Bsp.: §§ 1006 I 1, 891)

• Spezialität (Bestimmtheit)

• Typisierung (Typenzwang)

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 19, 09.02.2014

Rechtsökonomische Bedeutung

• Transaktionskosten behindern Markttransaktionen / Handel

– Ökonomischer erwünschter Austausch unterbleibt, wenn TAK ≥ kooperativer Überschuss

– Bsp.: A gehört ein Kfz, das für ihn einen Wert von EUR 2.000 hat; B hat Interesse an dem Kfz, das für ihn einen Wert von EUR 2.500 besitzt; kooperativer Überschuss = EUR 500; Austausch unterbleibt, wenn TAK ≥ EUR 500

• Minimierung der Transaktionskosten durch

– Absolutheitsgrundsatz: Wer Ressource (ausschließlich) nutzen oder auf sie einwirken will, muss nur mit einem Berechtigten (z.B. Eigentümer) kontrahieren

– Publizitätsgrundsatz: Informationsasymmetrie führt zu hohen Überprüfungskosten oder verhindert sogar die Übertragung von Rechten → Publizität senkt Informationskosten (z.B. Registerpublizität; Besitz)

– Spezialität: Prüfungskosten für Rechtsverkehr kleiner, wenn äußerlich erkennbar, was von einer sachenrechtlichen Gestaltung erfasst ist (und was nicht)

– Typenzwang: Standardisierung von Rechten („Produkt im Regal“) reduziert Aufwand für Vertragsgestaltung

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 20, 09.02.2014

Das dingliche Rechtsgeschäft

• Maßgeblichkeit der sachenrechtlichen Strukturprinzipien

– Bsp. (nach BGH NJW 1986, 1985): Darlehensnehmer D übereignet zur Sicherheit sein Warenlager an die Bank B mit Ausnahme derjenigen Waren, die ihm von V unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurden

– Was fordert der Publizitätsgrundsatz?

– Was fordert der Spezialitätsgrundsatz?

• Anwendbarkeit der Regeln des BGB-AT über Rechtsgeschäfte

– Grundsätzlich anwendbar, z.B. bzgl. Geschäftsfähigkeit, Stellvertretung, Willensmängel, Zustandekommen und Auslegung des Vertrages

– Ausnahmen sind gesetzlich angeordnet, z.B. Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung (§ 925 II) oder (nur) beschränkte Bindungswirkung der Einigung gem. § 873 II

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 21, 09.02.2014

Das dingliche Rechtsgeschäft

• Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln des Schuldrechts

– Grundsätzlich unanwendbar, da kein verpflichtendes Element, z.B. kein dingliches Rechtsgeschäft zugunsten Dritter (§§ 328 ff.)

– Anwendbar dagegen AGB-Kontrolle (§§ 305 ff.), ferner § 241a

– Achtung: Die Anwendung des allgemeinen Schuldrechts auf dingliche Ansprüche(z.B. §§ 985, 1004) ist dagegen grds. möglich, soweit nicht die Eigenart sachenrechtlicher Beziehungen entgegensteht

• Fallbeispiele

– D veräußert das gestohlene Rad des E an B. Als B, der sich auf gutgläubigen Erwerb beruft, trotz einer ihm von E gesetzten Frist das Rad nicht herausgibt, verlangt E statt Herausgabe Schadensersatz in Höhe von EUR 1.000. Zu Recht?

– V (=Eigentümer ) kündigt wirksam den Wohnraummietvertrag mit M. Als dieser trotz Ablaufs einer ihm gesetzten Frist noch immer nicht ausgezogen ist, verlangt V nunmehr statt Räumung Schadensersatz in Höhe von EUR 500.000. Zu Recht?

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 22, 09.02.2014

Das dingliche Rechtsgeschäft• Trennungs- und Abstraktionsprinzip

– Schuldrechtliches und dingliches Rechtsgeschäft sind voneinander getrennt… (Trennungsprinzip)

– …und in ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig (Abstraktionsprinzip)

• Ausnahmen vom Abstraktionsprinzip:

– Fehleridentität: Grund- und Verfügungsgeschäft leiden an demselben Fehler, z.B. fehlende Geschäftsfähigkeit, Nichtigkeit nach § 134 oder § 138 II (anders grds. bei §138 I), Anfechtbarkeit nach § 123 BGB oder § 119 II (anders wieder § 119 I)

– Bedingungszusammenhang: dingliches Rechtsgeschäft über § 158 von Wirksamkeit des schuldrechtlichen Geschäfts abhängig

– Geschäftseinheit (§ 139): Entgegen dem (engen) Wortlaut des § 139 kann eine Geschäftseinheit auch zwischen mehreren Rechtsgeschäften vorliegen

» Hierfür genügt aber regelmäßig nicht die bloße Verbindung in einer Urkunde

» Auflassung: wegen § 925 II weder Bedingung, noch Geschäftseinheit möglich

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 23, 09.02.2014

Das dingliche Rechtsgeschäft

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Fallbeispiel zu § 138 II: Ahnungsloser Klosterbruder (V) verkauft einen herrlichen Oldtimer, den er von seinem Bruder geerbt hat, zum Schrottwert an den gerissenen Händler K. Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte?

Fallbeispiel zu § 123: Juwelier J verkauft und übereignet seinen wertvollen Schmuck an Hochstaplerin F, die sich als Adelige ausgegeben hatte. Diese übereignet den Schmuck weiter an Hehler H. Ansprüche des J gegen H aus § 985?

§ 929

V K

§ 433

§ 929

J F

§ 433

H

§ 433 § 929

§ 985?

§ 138 II

§§ 142 I, 123 I

Horst Eidenmüller SaR Seite 24, 09.02.2014

Grundprinzipien: Zusammenfassung

• Strukturprinzipien und ihre rechtsökonomische Bedeutung

– Absolutheit, Publizität, Spezialität, Typisierung

– Senkung von Transaktionskosten

• Trennungs- und Abstraktionsprinzip sowie Durchbrechungen

– Fehleridentität

– Bedingungszusammenhang

– Geschäftseinheit

• Anwendbarkeit des BGB-AT auf dingliche Rechtsgeschäfte

• Unanwendbarkeit des Schuldrechts auf dingliche Rechtsgeschäfte

– Ausnahmen: AGB-Kontrolle, § 241a

– Dagegen Anwendbarkeit auf dingliche Ansprüche (z.B. §§ 985, 1004), soweit nicht sachenrechtliche Eigenart entgegensteht

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 25, 09.02.2014

Aufbau des Sachenrechts

• Grundsätzlich getrennte Behandlung von

– Liegenschaftsrecht (Immobiliarsachenrecht)

– und Recht der beweglichen Sachen (Mobiliarsachenrecht) im dritten Buch des BGB

• Allerdings gelten bestimmte „allgemeine“ Regeln für unbewegliche und bewegliche Sachen gleichermaßen, z.B.

– das Recht des Besitzes (§§ 854 ff.)

– die Vorschriften über den Inhalt des Eigentums (§§ 903 ff.)

– sowie die Ansprüche aus dem Eigentum (§§ 985 ff.)

Gegenstand, Grundbegriffe und Grundprinzipien des Sachenrechts

Horst Eidenmüller SaR Seite 26, 09.02.2014

Besitz

• Begriff und Funktion

• Unmittelbarer Besitz, §§ 854 – 856

– Unmittelbarer Besitz gem. § 854 I

– Besitzdienerschaft, § 855

• Mittelbarer Besitz, §§ 868 - 871

– Begriff und Voraussetzungen

– Voraussetzungen eines Besitzmittlungsverhältnisses, § 868

– Erwerb und Verlust des mittelbaren Besitzes

• Teilbesitz und Mitbesitz, §§ 865, 866

• Eigenbesitz und Fremdbesitz, vgl. § 872

• Besitzvererbung, § 857

• Besitzschutz(-ansprüche), §§ 854 – 864, 869

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 27, 09.02.2014

Begriff und Funktion des Besitzes

• Besitz = Tatsächliche Herrschaft über Sachen, unabhängig von einem Recht zur Sachherrschaft

• Funktion der §§ 854 ff.

– Definierende Funktion: Definition der verschiedenen Erscheinungsformen des Besitzes

– Konservierende Funktion: Besitzschutz/Unterdrückung des Faustrechts/Friedenssicherung

– Publizitätsfunktion: Übertragungswirkung (§§ 929 ff.), Vermutungswirkung (§1006), Gutglaubenswirkung (§§ 932 ff.)

• Kriterien zur Unterscheidung verschiedener Besitzarten

– Nähe zur Sache: unmittelbarer Besitz (§§ 854 ff.) ↔ mittelbarer Besitz (§§ 868 ff.)

– Zahl der Besitzenden: Alleinbesitz ↔ Mitbesitz (§ 866)

– Willensrichtung des Besitzers: Eigenbesitz (§ 872) ↔ Fremdbesitz

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 28, 09.02.2014

Begriff und Funktion des Besitzes

Fallbeispiel: Ehefrau F (Box-Europameisterin im Federgewicht) stellt sich in eine Parklücke, um diese für ihren Ehemann E freizuhalten. Rowdy R fährt in die Lücke und drängt F mit Motorhaube zur Seite. F schlägt R bewusstlos und fährt seinen Wagen aus der Lücke. R verlangt Schadensersatz nach § 823 I. F wendet ein, es hätten die Voraussetzungen des § 859 III vorgelegen und sie sei gerechtfertigt (vgl. dazu OLG Hamburg MDR 1962, 407).

Besitz

RF

Kann R von F Schadensersatz nach § 823 I verlangen?

Horst Eidenmüller SaR Seite 29, 09.02.2014

Unmittelbarer Besitz (§§ 854 – 856)

• Definition: die von einem Besitzwillen getragene, tatsächliche Gewalt über eine Sache (§ 854 I)

• Besitzwille = subjektives Merkmal

– In § 854 I nicht explizit erwähnt!

– Geschäftsfähigkeit nicht erforderlich, „natürlicher“ Wille reicht

• Tatsächliche Gewalt = objektives Merkmal

– Nach Umständen des Einzelfalles und Verkehrsanschauung zu beurteilen

– Erforderlich sind eine gewisse Dauer, eine gewisse „Festigkeit“ und jederzeitige Zugriffsmöglichkeit

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 30, 09.02.2014

Unmittelbarer Besitz (§§ 854 – 856)

Besitz

Fallbeispiel nach BGHZ 101, 186: K findet beim Einkauf in einem Großmarkt zwischen Waren unter einem Regal einen 1.000 DM-Schein und übergibt diesen dem Geschäftsleiter G, der den Schein zu den Tageseinnahmen legt. Der Verlierer meldet sich nicht. Nach einem Jahr fordert K den Schein nach §§ 985, 973 I heraus. Zu Recht?

Fallbeispiel nach BGH NJW 1979, 714: R liegt im Krankenhaus und schenkt, bevor er stirbt, seiner Nichte N Bilder, die in seiner Wohnung hängen. N hat, ebenso wie R, einen Wohnungsschlüssel und könnte die Bilder holen. Sie tut das aber nicht. R stirbt, und N verlangt von der Alleinerbin E die Herausgabe der Bilder. Zu Recht?

G KVerlust

V

E§ 1922

N

§ 516 § 929

R

Horst Eidenmüller SaR Seite 31, 09.02.2014

Unmittelbarer Besitz (§§ 854 – 856)

• Besitzdienerschaft gem. § 855 = tatsächliche Sachherrschaft im Rahmen eines Weisungsverhältnisses

– Unmittelbarer Besitzer = derjenige, der weisungsberechtigt ist; Besitzdiener ist kein Besitzer

– Voraussetzung: soziales Abhängigkeitsverhältnis des Besitzdieners mit Weisungsgebundenheit bezüglich der Sache

– Große praktische Bedeutung (Arbeitnehmer, Angestellte, Beamte etc.)

• Fallbeispiel nach BGHZ 8, 130 (Filmtheater-Fall): Kino-Angestellte D findet einen Ring, den sie weisungsgemäß ihrer Chefin F übergibt. Diese bringt ihn zum Fundbüro. Der Eigentümer meldet sich nicht. Wer hat gem. §§ 965 I, 973 I Eigentum erworben?

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 32, 09.02.2014

Unmittelbarer Besitz (§§ 854 – 856)

Besitz

Fallbeispiel nach RGZ 71, 248: N behaup-tet gegenüber der Juwelierin E, in einer anderen Stadt einen Kaufinteressenten für ein bestimmtes Schmuckstück an der Hand zu haben. Da E den N nicht mit ihren Preziosen ziehen lassen will, beauf-tragt sie ihre Tochter T (hilft E regel-mäßig in dem Geschäft), mit N zu reisen und den Schmuck, den sie ihr gibt, keinesfalls N auszuhändigen. T gibt den Schmuck aber doch heraus, und N verpfändet ihn an P. Anspruch der E gegen P gem. § 985?

Fallbeispiel nach BGHZ 103, 101 (Lübecker Schatzfund): Der bei U angestellte Baggerführer B findet beim Abbruch eines Hauses zufällig einen Schatz. Eigentumslage am Schatz?

N

T§ 662

E

P§ 1205

B

§ 611

U

Horst Eidenmüller SaR Seite 33, 09.02.2014

Death Star Canteen

Besitz

Wer hat wann unmittelbaren Besitz an den Tabletts?

http://www.youtube.com/watch?v=Sv5iEK-IEzw

Horst Eidenmüller SaR Seite 34, 09.02.2014

Unmittelbarer Besitz: Zusammenfassung

• Unmittelbarer Besitz gem. § 854 I = die von einem Besitzwillen getragene, tatsächliche Gewalt über eine Sache

• Besitzdienerschaft gem. § 855 = tatsächliche Sachherrschaft im Rahmen eines Weisungsverhältnisses

Besitz

Folge: Besitzherr ist unmittelbarer BesitzerBesitzdiener hat keinen Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 35, 09.02.2014

Mittelbarer Besitz (§§ 868 – 871)

• Begriff: durch die unmittelbare Sachherrschaft eines Dritten (= Besitzmittler) vermittelte, tatsächliche Beziehung einer Person (= mittelbarer Besitzer) zur Sache

• Voraussetzungen

– Unmittelbarer Besitz einer Person

– Besitzmittlungsverhältnis (BMV) iSv § 868 mit einer anderen Person

• Folge: Die andere Person ist mittelbarer Besitzer

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 36, 09.02.2014

Mittelbarer Besitz (§§ 868 – 871)

• Voraussetzungen eines Besitzmittlungsverhältnisses iSv § 868:

– Konkret: bestimmtes Objekt (Spezialitätsgrundsatz!) und bestimmter Inhalt, d.h. Festlegung konkreter Rechte und Pflichten (z.B. Leihe, Verwahrung, (P) „zur Sicherheit“)

– Zeitlich begrenzt: Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers – ggf. bedingt, betagt oder von der Ausübung eines Gestaltungsrechts abhängig (vgl. auch § 870)

– Besitzmittlungswille des unmittelbaren Besitzers / Besitzbegründungswille des mittelbaren Besitzers

– Zeitpunkt: vorweggenommene Vereinbarung möglich

• Achtung: Wirksamkeit nicht erforderlich, sofern nur irgendein Herausgabeanspruch (z.B. § 812) gegeben und Besitzmittlungswille vorhanden

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 37, 09.02.2014

Mittelbarer Besitz (§§ 868 – 871)

Besitz

Fallbeispiel nach BGH NJW 1953, 217 (für konkretes Besitzmittlungsverhältnis): V verkauft und übereignet (unbedingt) ein Auto an K. Dieser zahlt nicht, verspricht aber Bezahlung für später. V und K vereinbaren deshalb nachträglich, dass K das Auto nur unter EV in Besitz halten soll. Dieser zahlt weiterhin nicht. Herausgabeanspruch des V gem. § 985?

Fallbeispiel „Der geisteskranke Autodieb“ (für Bestehen eines Herausgabeanspruchs): Der geisteskranke D stiehlt Autos. D gibt dem Hehler H ein Auto in Verwahrung (§ 688). D findet G als Käufer und übereignet ihm das Fahrzeug gem. §§ 929 S. 1, 931. Hat G Eigentum erworben?

G

§ 433 §§ 929,931

§§ 105 I, 104 Nr. 2

§ 929

V K

§ 433

§§ 929, 930

D H§ 688

Horst Eidenmüller SaR Seite 38, 09.02.2014

Mittelbarer Besitz (§§ 868 – 871)

• Originärer Erwerb des mittelbaren Besitzes

– Übertragung des unmittelbaren Besitzes von dem bisherigen unmittelbaren Besitzer auf einen neuen im Rahmen eines BMV (z.B. EV-Kauf)

– Bisheriger unmittelbarer Besitzer behält unmittelbaren Besitz und vereinbart ein BMV mit dem (dann) mittelbaren Besitzer (z.B. Sicherungsübereignung)

– Keiner der Beteiligten hat unmittelbaren Besitz, für den Fall der unmittelbaren Besitzerlangung durch einen Beteiligten wird ein vorweggenommenes (antizipiertes) BMV vereinbart, so dass bei Erwerb des unmittelbaren Besitzes des einen der andere mittelbarer Besitzer wird (z.B. Sicherungsübereignung von Warenlager mit wechselndem Bestand)

• Derivativer Erwerb des mittelbaren Besitzes (= Übertragung): Abtretung des Herausgabeanspruches, § 870

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 39, 09.02.2014

Mittelbarer Besitz (§§ 868 – 871)

Fallbeispiel (mittelbare Stellvertretung): K kauft – nicht weisungsgebunden – für S (Salamifabrikant) Pferde des P. P erfährt nicht, dass K für S handelt und dass die Pferde zu Salamis verarbeitet werden. Ist S Eigentümer der Pferde geworden bzw. wie erwirbt S Eigentum?

Besitz

§ 433

P

§ 929 S. 1

Eigentumserwerb eine juristischeSekunde später

SK

§§ 868, 662

§§ 929 S. 1, 930

antizipierte dingliche Einigung + antizipiertesBesitzkonstitut

Horst Eidenmüller SaR Seite 40, 09.02.2014

Mittelbarer Besitz (§§ 868 – 871)

• Verlust des mittelbaren Besitzes

– Besitzmittler verliert den unmittelbaren Besitz, ohne mit dem neuen unmittelbaren Besitzer ein weiteres BMV zu begründen (sonst: § 871 → mehrstufiger mittelbarer Besitz)

– Der aus dem BMV resultierende Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers erlischt

– Der Besitzmittler löst sich einseitig vom Besitzmittlungswillen (Achtung: „Gesinnungswandel“ muss für Dritte erkennbar werden (Bsp.: Entleiher veräußert die geliehene Sache an einen Dritten))

– Übertragung gem. § 870

• Bedeutung des mittelbaren Besitzes

– Besitzschutz zugunsten des unmittelbaren Besitzers, § 869

– Publizitätsfunktion, vgl. §§ 930, 931, 934 Fall 1, 1006 III

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 41, 09.02.2014

Mittelbarer Besitz: Zusammenfassung

• Unmittelbarer Besitz einer Person (Besitzmittler)

• Besitzmittlungsverhältnis zwischen dieser und einer anderen Person

– Konkret

– Zeitlich begrenzt (Existenz eines Herausgabeanspruchs)

– Wirklich oder vermeintlich

– Besitzmittlungswille des unmittelbaren Besitzers

Besitz

Folge: Die andere Person ist mittelbarer Besitzer

Horst Eidenmüller SaR Seite 42, 09.02.2014

• Teilbesitz (§ 865): Möglich, sofern Sachherrschaft hinsichtlich Sachteilen möglich

– Bsp.: Zimmer in WG

– Folge: Anwendung der Besitzschutzvorschriften

• Mitbesitz (§ 866): Mehrere besitzen eine Sache gemeinschaftlich

– Bsp.: Gemeinschaftsräume in WG (hier Kombination aus Teil- und Mitbesitz = Teilmitbesitz)

– Folge: Kein Besitzschutz bzgl. der Reichweite (Grenzen) des jedem zustehenden Gebrauchs

– Fallbeispiel „Der aufdringliche Vermieter“: Ehepaar M und F leben gemeinsam in einer Mietwohnung. Vermieter V will mit Kammerjäger K die Wohnung durchsuchen. Obwohl M dies nicht will, dringen V und K in die Wohnung ein. Daraufhin schlägt M dem V eine Bratpfanne über den Kopf. Zu Recht?

Besitz

Teilbesitz- und Mitbesitz (§§ 865, 866)

Horst Eidenmüller SaR Seite 43, 09.02.2014

Eigenbesitz und Fremdbesitz (vgl. § 872)

• Eigenbesitzer

– derjenige, der eine Sache als ihm gehörend besitzt

– → Entscheidend ist Richtung des Besitzwillens

• Fremdbesitzer

– derjenige, der nicht Eigenbesitzer ist

– Beispiel: Besitzmittler im Rahmen eines BMV

• Fallbeispiel „Der selbstbewusste Eigenbesitzer“

– D bietet das von ihm vor 15 Jahren dem E gestohlene Bild einem Dritten zum Kauf an. Der benachrichtigt den E. E verlangt das Bild von D heraus, der sich auf Ersitzung und Eigentumserwerb beruft. Zu Recht?

– Hinweis: Ersitzung ist in §§ 937 ff. geregelt

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 44, 09.02.2014

Eigenbesitz und Eigentumserwerb

Sie klettern am 27.10.2013 in der Mauk Westwand in der „Buhl“ (http://www.stadler-markus.de/files/alpinklettern/kaiserrouten/maukspitze_buhl.htm)

und finden einen „Friend“, den irgendjemand nicht mehr

herausgebracht hat.

(1) Wer ist unmittelbarer Besitzer?

(2) Sie rütteln an dem Ding rum und bringen ihn raus. Wer ist

unmittelbarer Besitzer? Wer ist Eigentümer?

(3) Sie rütteln an dem Ding rum und bringen ihn raus. Leider

fliegen Sie zusammen mit dem Ding aus der Wand. Die Sache

geht nicht gut aus (†). Wer ist unmittelbarer Besitzer? Wer ist

Eigentümer?

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 45, 09.02.2014

• Erbe erlangt Besitz unabhängig von Sachherrschaft, Besitzwille und Kenntnis vom Erbfall in der Form, in der der Erblasser ihn hatte (= Erbenbesitz)

• Bedeutung

– Erbe gegen Besitzverlust durch § 858

– und gegen Eigentumsverlust durch § 935 geschützt

– Beachte aber Überwindung durch § 2366!

• Fallbeispiel „Die lachende Haushälterin“: M kränkelt und setzt seine

langjährige Haushälterin H, der er eng verbunden ist, testamentarisch zur Alleinerbin ein. M stirbt. F, die Ehefrau des M, „nimmt den Nachlass in Besitz“ und veräußert ein wertvolles Ölgemälde an D. Einige Tage später erfährt H von dem Testament und verlangt das Gemälde von D heraus. Herausgabeanspruch gem. § 985?

Besitz

Besitzvererbung (§ 857)

H

§ 1922

F

M

§ 985?

D§ 433

§ 929

Horst Eidenmüller SaR Seite 46, 09.02.2014

Besitzschutz (§§ 858 - 864, 869)

• Besitzwehr (§ 859 I)

– Verteidigung des bestehenden Besitzes

– gegen Entziehung/Störung in verbotener Eigenmacht = § 858 I

– Besitzwehr nur im Rahmen der Erforderlichkeit (mildestes, gleich geeignetes Mittel), aber keine Güterabwägung (allerdings: Schranke des Rechtsmissbrauchs gem. § 242)

• Besitzkehr (§ 859 II, III)

– Wiederabnahme bei Betreffen/Verfolgen auf frischer Tat

– gegen erfolgte Wegnahme/Entsetzung in verbotener Eigenmacht

• Besitzwehr/-kehr auch durch mittelbare Besitzer? Fallbeispiel: Mieter M wird Auto von D gestohlen. Vermieter V holt es sich ein paar Tage später von D gewaltsam zurück.

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 47, 09.02.2014

Besitzschutz (§§ 858 - 864, 869)

Besitz

Fallbeispiel nach BayObLG NJW 1965, 163: Durch das Grundstück des E führt ein Weg, der in einer Wanderkarte als Wanderweg ausgewiesen ist. E fühlt sich durch Wanderer belästigt: Nach erfolglosen Hinweisen droht E mit Hunden und Peitschen, schließlich sogar mit der Flinte. Wanderer stellen Strafanzeige wegen § 240 StGB. Hat E widerrechtlich gehandelt?

Fallbeispiel nach BGHZ 181, 233 (s. auch St. Lorenz, NJW 2009, 1025): E ist Inhaber eines Supermarktes. Auf dem Kundenparkplatz steht ein gut sichtbares Schild: „Nur für Kunden und Mitarbeiter. Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt.“ K stellt seinen PKW unbefugt ab. E lässt ihn abschleppen und verlangt die Kosten von K. Zu Recht?

Horst Eidenmüller SaR Seite 48, 09.02.2014

Mein BGB!

Besitz

Von: Charlotte WeschlerGesendet: Montag, 4. November 2013 12:45An: [email protected]: BGB

Sehr geehrter Herr Professor Eidenmüller,

mich persönlich kennen Sie zwar nicht, aber mein Name ist Ihnen wohl bekannt.

Aus diesem Grunde dachte sich die Eigentümerin einer längst verschollen geglaubten BGB Textausgabe mit dem "charmanten Namen Charlotte Weschler" Sie zu kontaktieren, nachdem Sie ihren Namen völlig überraschend in einem Ihrer Podcasts gehört hat. Kurz darauf hat mich auch einer Ihrer Studenten, der Ihre Vorlesung in Sachenrecht besucht, darauf angesprochen.

Tatsächlich habe ich bereits zu Beginn meines Studiums im 1. Semester mein BGB verloren. Aber schon eine Stunde nachdem mir der Verlust aufgefallen ist und ich nochmal in den Hörsaal zurück bin, war keine Spur mehr von dem Gesetz vorhanden. Nach einer Woche vergeblichen Suchens und ohne jegliche Hoffnung es wieder zu finden, habe ich mir dann ein neues BGB gekauft, denn Jura studieren ohne Gesetz wäre recht sinnlos!?Also habe ich in der Tat mein Eigentum schon längst aufgegeben. Inzwischen bin ich auch im 5. Semester und Eigentümerin eines Schönfelders.

Gerne bin ich bereit Ihnen (auch offiziell) das Exemplar in Ihrem Besitz zu überlassen, sozusagen als Andenken an pädagogisch verfolgte Zwecke. Denn ich muss zugeben, dass, so überrascht ich auch war, dieses BGB wohl dazu beigetragen hat, die Besitzer- & Eigentümerverhältnisse beispielhaft und lehrreichdarzustellen. Damit wäre das Geheimnis der unbekannten und inzwischen fast schon prominenten Eigentümerin hoffentlich gelüftet.

Mit freundlichen Grüßen,Charlotte Weschler

Horst Eidenmüller SaR Seite 49, 09.02.2014

Besitzschutzansprüche (§§ 861, 862)

• §§ 861 I, 862 I 1 und 862 I 2 sind Anspruchsgrundlagen (sog. possessorische Ansprüche)

• Fallbeispiel: V verkauft K ein Kfz, K bezahlt Kaufpreis, V liefert (noch) nicht, K holt sich Kfz eigenmächtig mit Gewalt ab. Herausgabeanspruch des V?

• Fallbeispiel: M wird von D ein Kfz gestohlen, das er von V gemietet hat. M findet Kfz und fordert von D Herausgabe. Anspruchsgrundlagen?

– Abwandlung: D veräußert das Kfz an K. Herausgabeanspr. M → K gem. § 861 I?

– Abwandlung: M nimmt dem D zwei Tage nach dem Kfz-Diebstahl die Kfz-Schlüssel weg. D wehrt sich. Mit Recht?

Besitz

V M

§ 535 § 242 StGB

D K

§ 433

§ 929 S. 1

Horst Eidenmüller SaR Seite 50, 09.02.2014

Besitzschutzansprüche (§§ 861, 862)

Besitz

Fallbeispiel nach LG Augsburg NJW 1985, 499: M ist Mieter eines Hauses. Im Garten befindet sich eine vielfrequentierte Vogeltränke. E ist Eigentümer eines Nachbarhauses und Katzenbesitzer. Die Katze jagt im Garten des M Vögel und dringt sogar in dessen Haus ein. Anspruch des M gegen E auf Unterlassung gem. §862 I 2?

Fallbeispiel nach BGHZ 106, 229: M ist Mieter einer Wohnung. Er wird von der Werbung einer Supermarktkette belästigt. Deshalb bringt er den Aufkleber „Keine Werbung einwerfen“ am Briefkasten an. Der Supermarkt tut dies aber trotzdem. Kann M gem. § 862 I 2 Unterlassung verlangen?

Horst Eidenmüller SaR Seite 51, 09.02.2014

Besitzschutz: Zusammenfassung

• Selbsthilfe gegen verbotene Eigenmacht durch

– Besitzwehr, § 859 I

– Besitzkehr, § 859 II/III

• Besitzschutzansprüche (= possessorische Ansprüche)

– Wiedereinräumung, § 861 I

– Beseitigung, § 862 I 1

– Unterlassung, § 862 I 2

– Beachte: Ausschluss petitorischer Einwendungen, § 863

• Deliktischer Schutz

– Berechtigter Besitz als sonstiges Recht iSv § 823 I

– § 858 I als Schutzgesetz iSv § 823 II

Besitz

Horst Eidenmüller SaR Seite 52, 09.02.2014

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

• Inhalt und Grenzen des Eigentums (§§ 903 ff.) sowie ökonomische Bedeutung

• Der Herausgabeanspruch des Eigentümers (§§ 985, 986)

• Nebenansprüche des Eigentümers aus dem EBV (§§ 987 ff.)

– Voraussetzungen und Anspruchsziele

– Verhältnis der §§ 987 ff. zu den allgemeinen Vorschriften

– Schadensersatzpflicht des unrechtmäßigen Besitzers nach §§ 989, 990

– Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe von Nutzungen gemäß §§ 987, 988, 990

– Gegenansprüche des Besitzers auf Verwendungsersatz (§§ 994 – 1003)

– Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (§ 1004)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 53, 09.02.2014

Inhalt und Grenzen des Eigentums (§§ 903 ff.)

• Eigentum = das umfassendste dingliche Recht (vgl. § 903)

• Grenzen:

– Gesetz (z.B. öffentlich-rechtliche Bauvorschriften, § 226, § 228 [Defensivnotstand], § 904 [Aggressivnotstand])

– Rechte Dritter (z.B. Grunddienstbarkeit gem. § 1018)

• Ökonomisch bedeutsam ist, dass jemand Eigentümer ist und nicht, wem die Rechtsordnung eine Eigentümerstellung einräumt

– R. Coase (1910-2013; Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1991) → „Coase-Theorem“ (vgl. dazu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl.

2005, S. 59 ff.)

– Bei Abwesenheit von Transaktionskosten ist die Endallokation von Eigentum(srechten) immer

» effizient (Effizienzthese)

» invariant = unabhängig von der Anfangsallokation (Invarianzthese)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 54, 09.02.2014

Coase-Theorem

Beispiel zu Coase-Theorem: X ist passionierter Schlagersänger und übt zuhause. Für 200 € könnte er sich einen Übungsraum anmieten. Nachbar Y ist von den Schlagern genervt, aber bereit, für wenigstens 100 € das Singen des X hinzunehmen (so könnte er sich damit etwa Schallschutzfenster anschaffen).

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

X singt, gleichviel, wem das Recht ursprünglich zusteht

Recht des X auf Aktivität, also Schlager zu singen

Recht des Y auf Ungestörtheit, also das Singen zu unterbinden

Y ist bereit, bis zu 100 € zu zahlen, um das Singen zu unterbinden; dies genügt X jedoch nicht

X kauft für 100-200 € dem Y das Recht, zu singen, ab

Horst Eidenmüller SaR Seite 55, 09.02.2014

Coase-Theorem

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

http://www.youtube.com/watch?v=zcPRmh5AIrI

[Negative Externalities and the Coase Theorem]

http://www.youtube.com/watch?v=pKJiXZKIh_U

[Die ersten Minuten geben einen guten Eindruck von R. Coase als Person und seinem Humor]

http://www.youtube.com/watch?v=2RRzOvMIlRY&feature=related

[Ab Minute 4:45 erläutert er das Coase-Theorem]

Horst Eidenmüller SaR Seite 56, 09.02.2014

Der Herausgabeanspruch des Eigentümers (§§ 985, 986)

• Vorbemerkung: Eigentumsschutz vor allem durch

– § 985 → Herausgabe (Vindikation)

– § 1004 → Beseitigung/Unterlassung von Störungen

– § 894 → Grundbuchberichtigung

• Voraussetzung eines Herausgabeanspruches (HGA) gemäß §985 ist eine Vindikationslage:

– Eigentum des Anspruchsstellers (§ 985)

– Besitz des Anspruchsgegners, gleich ob unmittelbarer oder mittelbarer (§ 985)

– Kein Recht zum Besitz des Anspruchsgegners (§ 986)

» Eigenes (§ 986 I 1 Alt. 1) oder abgeleitetes Besitzrecht (§ 986 I 1 Alt. 2)

• HGA aus § 985 und andere sachenrechtliche (z.B. §§ 861, 1007) oder schuldrechtliche HGA (z.B. aus § 546 I oder aus §§823 I, 812 I) können nebeneinander bestehen

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 57, 09.02.2014

„Beute-Kunst“

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

http://www.br.de/nachrichten/nazi-raubkunst-muenchen-100.html

Nehmen wir an, die Gemälde seien in den 30er und 40er Jahrenin Deutschland von ihren Eigentümern „verkauft“ worden – wer

kann jetzt vom Zoll Herausgabe verlangen?

Horst Eidenmüller SaR Seite 58, 09.02.2014

Der Herausgabeanspruch des Eigentümers (§§ 985, 986)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Fallbeispiel nach BGHZ 70, 96: V veräußert sein Kfz unter EV an K. Trotz mehrfacher Mahnung zahlt K nicht. Schließlich beruft sich K – zu Recht – auf Verjährung der Kaufpreisforderung. Herausgabeanspruch des V gem. § 985?

Fallbeispiel nach RGZ 105, 19: A verkauft und übergibt Grundstück an B, B verkauft und übergibt es wiederum an C. In keinem Verhältnis wird übereignet. A verlangt Herausgabe von der unmittelbar besitzenden C nach § 985. Zu Recht?

§§ 929 S. 1, 158 I

V K

§ 433Verjährung!

§§ 433, 311b I 1A B

C

§§ 433, 311b I 1

§ 985?

Horst Eidenmüller SaR Seite 59, 09.02.2014

Der Herausgabeanspruch des Eigentümers (§§ 985, 986)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Fallbeispiel nach BGHZ 53, 29 – „Kegel-bahnfall“: P1 ist Hotelpächter. Er kauft eine Kegelbahn unter EV von E. P1 bezahlt weder die Pacht noch die Kegelbahn. Verpächter V kündigt den Pachtvertrag und verpachtet das Hotel für 10 Jahre an P2. Was kann E von V gem. § 985 verlangen?

Fallbeispiel nach BGHZ 54, 214: V veräußert sein Kfz unter EV an K. Nunmehr kommen ihm Bedenken bzgl. der Zahlungsmoral des K. V möchte das Kfz bis zur Begleichung des Kaufpreises wieder an sich nehmen. Herausgabeanspruch nach § 985?

§ 581V P1

§§ 929 S. 1,158 I

E

§ 433

§ 985P2

§ 581

Kündigung

§§ 929 S. 1, 158 I

V K

§ 433

Horst Eidenmüller SaR Seite 60, 09.02.2014

Nebenansprüche des Eigentümers aus dem EBV (§§ 987 ff.)

• Grundsatz: Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 987 ff. ist eine Vindikationslage gem. §§ 985, 986

• Anspruchsziele: Herausgabe von Nutzungen (vgl. etwa § 987) sowie Schadensersatz (vgl. etwa § 989)

• Übersicht bzgl. wichtiger Ansprüche

– Herausgabe von Nutzungen

» § 987: nach Rechtshängigkeit

» §§ 987, 990: bei Bösgläubigkeit

» § 988: des unentgeltlichen Besitzers

– Schadensersatz

» § 989: nach Rechtshängigkeit

» §§ 989, 990: bei Bösgläubigkeit

» §§ 992, 823: bei verbotener Eigenmacht/Besitzerlangung durch Straftat

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 61, 09.02.2014

Verhältnis der §§ 987 ff. zu den allgemeinen Vorschriften

• Grundsatz: §§ 987 – 993 enthalten in ihrem Anwendungs-bereich (Nutzungsherausgabe, Schadensersatz) eine abschließende Sonderregelung

– arg. §§ 993 I a.E., 992 e.c.

– Fallbeispiel: V verkauft dem K eine Sache, die er von E gestohlen hatte. K beschädigt die Sache. Ansprüche E → K?

• Zweck des EBV

– Privilegierung des unverklagten, gutgläubigen Eigenbesitzers

– → Daraus ergeben sich Ausnahmen (dazu sogleich)

• Unterschied zur Haftung aus Delikt

– Ersatz des Vorenthaltungsschadens

– sowie Zufallshaftung nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 990 II, 286, 287 (Verzug)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 62, 09.02.2014

Verhältnis der §§ 987 ff. zu den allgemeinen Vorschriften

• Voraussetzung der Haftung aus §§ 987 ff.: Vindikationslage zum Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung

– Folge: Der berechtigte Besitzer haftet nur nach Vertrags- und Deliktsrecht

– Fallbeispiel: E leiht B einen Fernseher für einen Monat, den B aus Fahrlässigkeit zerstört (Fall des „nicht so berechtigten Besitzers“) –Schadensersatzansprüche des E?

• Nach Beendigung der Besitzberechtigung, im sogenannten Abwicklungsverhältnis („nicht mehr berechtigter Besitzer“), sind §§ 987 ff. nach BGH anwendbar (str.)

– arg.: Bestehen einer Vindikationslage (a.A.: Vorrang vertraglicher Rückabwicklung)

– Achtung: Abwicklungsrecht bleibt anwendbar (keine Sperrwirkung des EBV)

– Fallbeispiel: E hat Mietvertrag mit M zum 30.4. wirksam gekündigt; M glaubt aber leicht fahrlässig, die Kündigung wirke erst zum 31.5. Ansprüche des E?

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 63, 09.02.2014

Verhältnis der §§ 987 ff. zu den allgemeinen Vorschriften

• Ausnahme Fremdbesitzerexzess

– Der unberechtigte Fremdbesitzer darf nicht besser gestellt werden als der berechtigte → Haftung auch nach Delikt

– Beispiel: Der unerkannt geisteskranke V verpachtet P seinen Hof mit 90 Kühen; durch Verschulden des P sterben die Kühe. Ansprüche des V?

• Weitere Ausnahme: § 826 und § 687 II (angemaßte Eigengeschäftsführung) stets anwendbar

• Dagegen keine Ausnahme beim bloß bösgläubigen Besitzer

• Unberührt bleiben Ansprüche, die nicht auf SE oder Nutzungsherausgabe gerichtet sind

– z.B. Wertersatz bei Verarbeitung fremder Sachen (§§ 951 I, 812 I 1 Alt. 2)

– oder Erlösherausgabe (§ 816 I 1)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 64, 09.02.2014

Verhältnis der §§ 987 ff. zu den allgemeinen Vorschriften

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Ansprüche?

1. § 985?2. §§ 989, 990?3. §§ 951 I 1, 812 I 1 Alt. 2, 818 II?

Ansprüche?

1. E → GHerausgabe?

2. E → BSchadensersatzansprüche?Ansprüche auf Erlösherausgabe?

Fallbeispiel nach BGHZ 55, 176 –Jungbullenfall: D stiehlt von der Weide des Eigentümers E zwei Jungbullen und verkauft diese an den B, der sie sogleich zu Fleisch weiterverarbeitet. Ansprüche des E gegen B?

D E§ 242 StGB

B

§ 433§ 929 S. 1

Fallbeispiel: B nimmt grob fahrlässig Ski mit, die E vor einer Hütte in den Schnee gesteckt hatte, und verkauft sie für einen überhöhten Preis (€ 500, Marktwert: €250) an den gutgläubigen G; Ansprüche des E gegen G und B? [vgl. BGHZ 32, 53 für einen ähnlichen Fall]

B E§ 858

G

§ 433§ 929 S. 1

Horst Eidenmüller SaR Seite 65, 09.02.2014

Verhältnis der §§ 987 ff. zu den allgemeinen Vorschriften: Zusammenfassung

• Grundsatz: § 993 I HS. 2 → abschließende Sonderregelung bei Vorliegen einer Vindikationslage für SE / Nutzungsherausgabe

• Überblick über Ausnahmen

(1) Ansprüche auf Wertersatz / Erlösherausgabe

(2) Haftung bei Beendigung eines Besitzrechts („nicht mehr berechtigter Besitzer“)

(3) Fremdbesitzerexzess (unberechtigter FB darf nicht besser stehen als der berechtigte)

(4) Bei Vorsatz: § 826 und § 687 II (angemaßte Eigengeschäftsführung) stets anwendbar (→ rechtsethischer Durchbruch) [aber nicht schon bei jedem bösgläubigen Besitzer]

(5) Nutzungsersatz bei doppelnichtigem Erwerb (aber BGH löst über § 988 analog) [wird noch ausführlich behandelt!]

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 66, 09.02.2014

Prüfungsschema

auf SE:

- §§ 989, 990

- §§ 992, 823

- § 823 grds. (-), § 993 I HS. 2

- §§ 687 II, 678

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

auf Erlösherausgabe:

- § 816 I 1

- §§ 687 II, 681 S. 2, 667

- §§ 985, 285 (-)

Aus dem Vorrang des EBV ergibt sich folgendes Prüfungsschema bei der unberechtigten Veräußerung einer dem Veräußerer nicht gehörenden Sache:

Horst Eidenmüller SaR Seite 67, 09.02.2014

Schadensersatzpflicht des unrechtmäßigen Besitzers nach §§ 989, 990

• Voraussetzungen eines SE-Anspruches des Eigentümers

– Vindikationslage zur Zeit der schädigenden Handlung (§§ 985, 986)

– Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs (§ 989 iVm §§ 261 I, 253 I ZPO) oder Bösgläubigkeit bzgl. der Besitzberechtigung bei Besitzerwerb (§§ 990 I 1 iVm 932 II) oder – später – positive Kenntnis von fehlendem Besitzrecht (§ 990 I 2)

– Unmöglichkeit/Verschlechterung der Herausgabe

– diesbezüglich Verschulden (§ 276; beachte: EBV ist Sonderbeziehung iSv § 278)

• Rechtsfolge: Schadensersatz nach Maßgabe §§ 249 ff.

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 68, 09.02.2014

Schadensersatzpflicht des unrechtmäßigen Besitzers nach §§ 989, 990

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

K

§ 433Kaufpreis: 100 TDMWert: 1 Mio. DM

§§ 929 S. 1,932

RB E

1944: berechtigte GoA

Fallbeispiel nach BGHZ 31, 129 –Feldbahnlokomotive: Reichsbahn transportiert 1944 Feldbahnlokomotiven, die dem E gehörten, von der Front nach Hause. Dort werden sie 1945 für Reichseigentum gehalten und an den gutgläubigen K verkauft. Ansprüche des E gegen die Reichsbahn?

1945: § 687 I

Fallbeispiel nach BGHZ 32, 53: N nimmt bei Arbeitgeber E unbefugt Geräte mit, die er dann an G verkauft. Für G handelt dessen bösgläubiger Angestellter A. G veräußert die Geräte weiter an D. Ansprüche des E gegen den G?

1. §§ 989, 990?2. § 816 I 1?3. §§ 687 II, 681 S. 2, 667?

Ansprüche?

N§ 242 StGB

E

G

§ 433§ 929 S. 1

A§ 164

Bösgläubig!

D

§ 433§ 929 S. 1

Horst Eidenmüller SaR Seite 69, 09.02.2014

Schadensersatzpflicht des unrechtmäßigen Besitzers nach §§ 989, 990

• Gutgläubiger und unverklagter Besitzer

– Grundsatz: keine Haftung

– Ausnahmen: Fremdbesitzerexzess (Haftung gemäß §§ 823 ff.) und Haftung im Abwicklungsverhältnis (Haftung nach Vertrags- und Deliktsrecht)

• Bösgläubiger oder verklagter Besitzer

– Haftung für schuldhaft verursachte Schäden gem. §§ 989, 990 I

– im Verzug weitergehende Haftung (Vorenthaltungsschaden, Zufallshaftung) nach § 990 II gem. §§ 286, 287

• Deliktischer Besitzer

– Haftung für schuldhaft verursachte Schäden nach §§ 989, 990 I und § 823 (arg. § 992)

– damit Haftung auch für Zufallsschäden gem. § 848 und für Vorenthaltungsschaden (ergibt sich ohne weiteres aus §§ 249 ff.)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 70, 09.02.2014

Schadensersatzpflicht des unrechtmäßigen Besitzers nach §§ 989, 990

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Zusammenfassendes Fallbeispiel: Die unerkannt geisteskranke E verkauft ihren Nerzmantel an B. Dieser wird B von U gestohlen. Ansprüche der E gegen B?

§ 242 StGB

U

Variante: In das Geschäft der auf Herausgabe verklagten B schlägt der Blitz ein. Dabei wird der Mantel zerstört.

B E§ 929 S. 1

§ 433 B E§ 929 S. 1

§ 433

Klage

Weitere Variante: B verschafft sich den Mantel von E durch Betrug. Nach Klage auf Herausgabe schlägt wieder der Blitz ein.

Horst Eidenmüller SaR Seite 71, 09.02.2014

Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe von Nutzungen gemäß §§ 987, 988, 990

• Gutgläubiger und unverklagter Besitzer

– Gezogene Nutzungen (→ § 100) müssen nicht herausgegeben werden, für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen muss kein Ersatz geleistet werden (arg. §993 I a.E.)

– Ausnahmen

» Übermaßfrüchte (§ 993 I HS. 1) → Rechtsfolgenverweisung auf § 818

» Unentgeltl. Besitzerlangung (§ 988) → Rechtsfolgenverweisung auf § 818

• Bösgläubiger oder verklagter Besitzer

– Herausgabe der gezogenen Nutzungen (§§ 987 I, 990 I)

– Ersatz der schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen (§§ 987 II, 990 I)

– im Verzug Haftung gemäß §§ 990 II, 280 I, II, 286 auch für Nutzungen, die nur der Eigentümer hätte ziehen können

• Deliktischer Besitzer: Haftet auch nach §§ 823 ff. (arg. § 992)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 72, 09.02.2014

Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe von Nutzungen gemäß §§ 987, 988, 990

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Fallbeispiel: B findet das verlorene Auto des E und fährt es in dem Willen, es beim Fundbüro abzugeben, nach Hause. Anspruch des E auf Nutzungsheraus-gabe?

Variante: B beschließt zu Hause, den Wagen zu behalten, und lässt ihn 4 Wochen auf seinem Hof stehen. Anspruch des E auf Nutzungsherausgabe?

Ende der ber. GoA

E

berechtigte GoA

B§§ 965 ff.

§§ 965 ff.

E

berechtigte GoA

B

Horst Eidenmüller SaR Seite 73, 09.02.2014

Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe von Nutzungen gemäß §§ 987, 988, 990

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

1. § 985? 2. §§ 987 I, 990 I?3. §§ 812 I 1 Alt. 1, 818 I/II?4. § 988?

1. §§ 987 I, 990 I?2. § 812 I 1 Alt. 2?

Ansprüche?

Fallbeispiel nach RGZ 163, 348: Der unerkannt Geisteskranke V verkauft sein Rittergut an K. Nach einem Jahr fordert er, vertreten durch seinen Betreuer (§1902) das Grundstück, von dem inzwischen eine Ernte eingebracht ist, zurück. Ansprüche des V?

Ernte

V K

§§ 433, 311b

§§ 873, 925

Herausgabeverlangen

Fallbeispiel nach BGHZ 14, 7: D entwendet dem E Treibstoff, den der redliche G, an den D ihn verkauft, verbraucht. Ansprüche des E gegen G?

G

§ 433§ 929 S. 1

Verbrauch

D§ 242 StGB

E

Horst Eidenmüller SaR Seite 74, 09.02.2014

Gegenansprüche des Besitzers auf Verwendungsersatz (§§ 994 - 1003)

• Grundsätze

– Verwendungsersatzansprüche setzen Vindikationslage voraus (vgl. etwa BGH NJW 1958, 1345)

– Verwendungen (= Gegenstandsbezogene Aufwendungen, die die Sache erhalten, wiederherstellen oder verbessern [anders Umgestaltungsaufwendungen = grundlegende Veränderungen]) vor oder nach Eintritt der Vindikationslage (ersteres str., dazu später)

– Sperrwirkung für andere Ansprüche: §§ 994 ff. als leges speciales (str.)

• Differenzierungen

– Verwendungen vor Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit iSv § 990 I: Ersatz für notwendige (§§ 994 I, 995) und nützliche Verwendungen (§ 996)

– Nach Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit iSv § 990 I: Gem. § 994 II Ersatz für notwendige Verwendungen unter den Voraussetzungen der §§ 683, 670 bzw. §§684, 818

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 75, 09.02.2014

Gegenansprüche des Besitzers auf Verwendungsersatz (§§ 994 - 1003)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Fallbeispiel nach BGHZ 34, 122: V verkauft seinen Kleinbus unter EV an K. K gibt den Bus zur Reparatur in die Werkstatt des W. Da K den Werklohn nicht zahlt, behält W den Bus. V erklärt den Rücktritt und verlangt den Wagen heraus. Herausgabeanspruch aus § 985?

§§ 929 S. 1, 158 I

V K

§ 433

W

§ 631Rücktritt

Fallbeispiel nach BGHZ 41, 157:Wohnungsbaugesellschaft W benötigt zur Realisierung eines ihrer Vorhaben das (an ihren eigenen Grund anschließende) Grundstück der E, kann es jedoch nicht bekommen. W baut trotzdem ihre Hochhäuser, zum Teil auf das Grundstück der E.

W E

E → W W → E§ 985? §§ 994, 996?§§ 990 I, 987? §§ 951 I, 812 I 1 Alt. 2?

§ 997?

Horst Eidenmüller SaR Seite 76, 09.02.2014

Gegenansprüche des Besitzers auf Verwendungsersatz (§§ 994 - 1003)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Nehmen wir an, im Fall BGHZ 41, 157 gewinnt E den Prozess: W muss den „besetzten“ Grundstücksteil an E herausgeben und hat wegen des verschuldeten Überbaus keine Ersatzansprüche gegen E.

Analysieren Sie dieses Ergebnis im Lichte des Coase-Theorems (Folie 54) – Was wird voraussichtlich passieren?Genauer: Wird das Hochhaus (teilweise) abgerissen werden?

Horst Eidenmüller SaR Seite 77, 09.02.2014

Gegenansprüche des Besitzers auf Verwendungsersatz (§§ 994 - 1003)

• Geltendmachung des Verwendungsersatzanspruchs (§§ 1000 ff.)

– durch Zurückbehaltungsrecht (§ 1000), Befriedigungsrecht (§ 1003) sowie

– ggf. auch durch Klage (§§ 1001, 1002)

• Fallbeispiel nach BGHZ 51, 250: S übereignet seinen Lkw zur Sicherheit

für ein Darlehen der Bank B. Weil S durch die Sicherungsabrede mit B dazu verpflichtet ist, lässt er den Wagen beim Werkunternehmer W reparieren, zahlt aber nicht. Auch das Darlehen bedient S nicht. W erhält den Lkw erneut zur Reparatur, führt diese aber nicht durch und macht jetzt ein ZBR geltend. B verlangt Herausgabe nach § 985.

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

W

§ 631

§§ 929 S. 1, 930B S

§ 488 I 2

§ 631

§ 985?

Horst Eidenmüller SaR Seite 78, 09.02.2014

Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (§ 1004)

• Beseitigungsanspruch (§ 1004 I 1, II)

– Anwendbarkeit: direkt oder analog (dazu sogleich), keine Verdrängung (z.B. durch § 541 oder § 894)

– Beeinträchtigung des Eigentums in anderer Weise als durch Besitzentziehung oder -vorenthaltung (dafür § 985) durch Einwirkung auf die Sache selbst

– Keine Duldungspflicht, § 1004 II

– Anspruchsberechtigter: Eigentümer

– Anspruchsgegner: Handlungs- oder Zustandsstörer

– Rechtsfolge: Beseitigung der Beeinträchtigung (nicht Schadensersatz!)

• Unterlassungsanspruch (§ 1004 I 1, I 2, II) bei Wiederholungsgefahr

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Horst Eidenmüller SaR Seite 79, 09.02.2014

Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (§ 1004)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Fallbeispiel nach BGH NJW 2005, 1366: S lagert auf seinem Grundstück unsachgemäß Ölfässer. Das Öl tritt aus, verunreinigt das Erdreich und zerstört die Blumen auf dem Nachbargrundstück des N. N verlangt von S das Abtragen und Entsorgen des kontaminierten Erdreichs, wodurch der Zaun abgebaut werden muss, sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Beetes. Zu Recht?

Variante: N lässt die Maßnahmen nach erfolgloser Fristsetzung selbst durchführen. Kann er von S Kostenersatz verlangen?

S N

Horst Eidenmüller SaR Seite 80, 09.02.2014

Unterlassungsansprüche: Zusammenfassung

• Merke: entsprechende Anwendung des § 1004 auf

– bestimmte beschränkte dingliche Rechte kraft gesetzlicher Anordnung (§§ 1027, 1065, 1090 II und 1227)

– die sonstigen Rechte des § 823 I

– die benannten Rechtsgüter des § 823 I und die Schutzpositionen der §§ 823 II und 824

• Kategorien von Unterlassungsansprüchen

– aufgrund Vertrages, z.B. § 541

– aufgrund Gesetzes, z.B. §§ 1004, 862, 12

– aufgrund Analogie zu §§ 1004, 862, 12 (s. oben)

Sachenrechtlicher Schutz des Eigentums

Actio quasinegatoria

(§ 1004: actio negatoria)

Horst Eidenmüller SaR Seite 81, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

• Erwerb vom Berechtigten, §§ 929 ff.

– Dingliche Einigung, § 929 S. 1

– Übergabe, § 929 S. 1

– Übergabesurrogate

» Besitzkonstitut, § 930

» Abtretung des Herausgabeanspruches, § 931

• Anwartschaftsrecht auf Erwerb des Eigentums

– Entstehung und Bedeutung

– Übertragung

• Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 932 ff.

– Objektiver Rechtscheintatbestand, §§ 932 I, 933, 934

– Subjektiver Rechtscheintatbestand, § 932 II (ggf. iVm § 142 II)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 82, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Wiederholung: Rechtsökonomische Bedeutung von Transaktionskosten

Quelle: Krimphove, Das europäische Sachenrecht: eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006, S. 57

Horst Eidenmüller SaR Seite 83, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Veräußerungsverbote zum Schutz unverfügbarer Rechtsgüter

SHYLOCK This kindness will I show.

Go with me to a notary, seal me there

Your single bond; and, in a merry sport,

If you repay me not on such a day,

In such a place, such sum or sums as are

Express'd in the condition, let the forfeit

Be nominated for an equal pound

Of your fair flesh, to be cut off and taken

In what part of your body pleaseth me.

ANTONIO Content, i' faith: I'll seal to such a bond

And say there is much kindness in the Jew.

(Shakespeare, The Merchant of Venice, Act 1, Scene 3)

Diese Sicherungsabredewäre nach deutschem Recht (und sicher auch nach englischem) unwirksam: § 138 Abs. 1 BGB

Horst Eidenmüller SaR Seite 84, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Wiederholung: Rechtsökonomische Bedeutung von Transaktionskosten

Quelle: Krimphove, Das europäische Sachenrecht: eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006, S. 77

Horst Eidenmüller SaR Seite 85, 09.02.2014

Einigung als Voraussetzung für die Übereignung beweglicher Sachen (vgl. § 929 S. 1)

• Grundsätze

– Einigungserklärung = Willenserklärung → Anwendbarkeit der Vorschriften des AT über Willenserklärungen (z.B. Zugang, Auslegung, Anfechtbarkeit, Stellvertretung, Bedingung)

– Einigungserklärung daher auch konkludent und unter Bedingung möglich (z.B. Eigentumsvorbehalt)

– Einigungserklärung grds. formlos gültig

• Zeitliche Reihenfolge von Einigung und Besitzverschaffung

– Einigung kann Besitzverschaffung vorausgehen („antizipierte Einigung“) oder nachfolgen

– Allerdings soll Einigungserklärung bis zur Übergabe frei widerruflich sein (str.), arg. § 873 II e.c. und Wortlaut § 929 S. 1 („einig sind“)

– Relevanz des Übergabezeitpunktes für den gutgläubigen Erwerb

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 86, 09.02.2014

Einigung als Voraussetzung für die Übereignung beweglicher Sachen (vgl. § 929 S. 1)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Fallbeispiel nach RGZ 83, 223 – Bonifatius: Pfarrer E liegt im Sterben und möchte seine Wertpapiere dem Weihbischof W für den Bonifatius-Verein V zukommen lassen. Mit der Überbringung beauftragt er den Pfarrkurat B. Während dieser zu W unterwegs ist, verstirbt E. Seine Alleinerbin S verlangt später die Wertpapiere von V nach § 985 heraus. Zu Recht?

§ 985?

S

§ 1922

V W§ 26

§ 662E B

Horst Eidenmüller SaR Seite 87, 09.02.2014

Übergabe als Voraussetzung für die Übereignung beweglicher Sachen (vgl. § 929 S. 1)

• Vollständiger Besitzverlust auf Seiten des Veräußerers

– Das gilt auch im Falle des § 929 S. 2 (Beispiel: Eigentümer will an seinen Besitzmittler übereignen)

– Bleibt der Veräußerer im unmittelbaren Besitz, kommt nur eine Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 in Betracht

• Besitzerwerb auf Seiten des Erwerbers, gleich welcher Art

– Wegen § 855 „Besitz“-Erwerb des Besitzdieners ausreichend

– Ausreichend auch Erwerb des mittelbaren Besitzes über Besitzmittler

– Dem Besitzerwerb des Erwerbers gleichgestellt ist die Übergabe an eine dritte Person auf Geheiß des Erwerbers (Geheißperson auf Erwerberseite)

• Auf Veranlassung des Veräußerers und zum Zwecke des Eigentumserwerbs

– Ausreichend, wenn dritte Person auf Geheiß des Veräußerers übergibt (Geheißperson auf Veräußererseite)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 88, 09.02.2014

Übergabe als Voraussetzung für die Übereignung beweglicher Sachen (vgl. § 929 S. 1)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Fallbeispiel Leasingvertrag: Hersteller übereignet gem. § 929 S. 1 an Leasinggeber durch Auslieferung des Leasingguts an den Leasingnehmer, der dem Leasinggeber den Besitz vermittelt (§ 535 I). Wie vollzieht sich der Eigentumserwerb?

Fallbeispiel: F soll für K, der ungenannt bleiben möchte, bei V ein Bild kaufen. Das Bild möchte sich K später bei F abholen. F, der das Geld bereits von K erhalten hat, führt das Geschäft gegen Barzahlung aus. Vor Übergabe an K wird das Bild der F von D gestohlen. Kann K von D gem. § 985 Herausgabe verlangen?

K F§§ 662, 868

V

§ 433

§ 929 S. 1

Aushändigung

§ 985?

D§ 242 StGB

LG

LN

§ 535

H

§ 433

§ 929 S. 1

Lieferung

Horst Eidenmüller SaR Seite 89, 09.02.2014

Übergabe als Voraussetzung für die Übereignung beweglicher Sachen (vgl. § 929 S. 1)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Fallbeispiel: V verkauft K einen Fernseher unter EV auf Raten. Da er das Gerät nicht vorrätig hat, bestellt er es bei Händler H, der es direkt an K liefern soll (dies geschieht). K zahlt nicht. V tritt zurück und verlangt gem. § 985 Herausgabe des Fernsehers. Zu Recht?

Fallbeispiel: V verkauft K ein Gemälde für € 10.000, K zahlt € 1.000 an und soll den Rest bei Übergabe zahlen. Gehilfe G des V überbringt das Gemälde. Auf der Rechnung steht, dass das Gemälde unter EV veräußert wird. G vergisst, zu kassieren. Wer ist Eigentümer?

H

§ 433

Lieferung

KV

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I

Rücktritt

§ 929 S. 1

KV§ 433

§ 855

Lieferung „unter EV“

G

Horst Eidenmüller SaR Seite 90, 09.02.2014

Übergabe als Voraussetzung für die Übereignung beweglicher Sachen (vgl. § 929 S. 1)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Fallbeispiel nach BGH NJW 1995, 953: E und W sind verheiratet, leben aber getrennt. Freundin F des E lebt in dessen Wohnung, dort früher Wertpapiere. E begeht Selbstmord. W (Alleinerbin) sucht erfolglos nach den Wertpapieren. Später bringt Tante T die Papiere, die ihr E kurz vor seinem Tod übergeben hatte, im Auftrag des E der F „als Geschenk“. Kann W Herausgabe gem. § 985 verlangen?

§ 985?

§ 1922

T

E W

§ 662

FÜbergabe

Horst Eidenmüller SaR Seite 91, 09.02.2014

Besitzkonstitut als Übergabesurrogat (§ 930)

• Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 erfordert

– dingliche Einigung gemäß § 929 S. 1

– Voraussetzungen des § 930

» Veräußerer im Besitz der Sache, gleich welcher Art (auch mittelbar)

» Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses (vgl. Folie 36)

• Konkretes Rechtsverhältnis, z.B. § 598

• Durchsetzbarer Herausgabeanspruch, z.B. § 604 I

• Fremdbesitzerwille

• Antizipiert möglich

– Zur Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes (Folie 18) muss bereits bei Vertragsschluss klar sein (einfache und leicht erkennbare Kriterien), was übereignet werden soll

– Achtung: Bis zur Begründung des BMV Widerruf möglich (Folie 85)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 92, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Besitzkonstitut als Übergabesurrogat (Rechtsökonomik)

Quelle: Krimphove, Das europäische Sachenrecht: eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006, S. 184

Horst Eidenmüller SaR Seite 93, 09.02.2014

Wichtigster Fall: Sicherungsübereignung

• Sicherungstreuhand

– Gewöhnliche Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930, so dass Sicherungsnehmer vollwertiges Eigentum erlangt

– Gleichzeitig aber Bindung des Sicherungsnehmers im Innenverhältnis durch Sicherungsabrede, so dass Verwertung des Sicherungsguts erst nach Eintritt des Sicherungsfalls zulässig ist

• Problematische Umgehung des Faustpfandrechts (§§ 1204 ff.)

• Wirtschaftliche Bedeutung als Kreditsicherungsmittel

– Sicherungsgeber bleibt im unmittelbaren Besitz der Produktionsmittel und kann damit wirtschaften (anders § 1205)

– Für Sicherungsnehmer in Verwertung freier (anders §§ 1233 ff.); im Insolvenzfall dagegen Gleichstellung mit Pfandrecht: § 51 Nr. 1 InsO gewährt lediglich Recht auf abgesonderte Befriedigung

– Bedeutung für EV: SiÜ nach §§ 929, 930 ermöglicht „Verlängerung“ des EV bei Verarbeitung gelieferter Rohstoffe

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 94, 09.02.2014

Problempunkte bei der Sicherungsübereignung

• Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. auch Folien 18-20)

– SiÜ einer Sachgesamtheit durch „Alles-Formeln“ (z.B. Raumsicherungsvertrag) ist wirksam (vgl. auch BGH NJW 1994, 133)

– Unwirksam dagegen SiÜ von Gegenständen, „soweit sie ET des SiGebers sind und ihm nicht unter EV geliefert wurden“ → wirksam nur dann, wenn bzgl. der unter EV gelieferten Gegenstände das Anwartschaftsrecht zur Sicherheit übertragen werden soll

• Wirksamkeit der dinglichen Einigung ist von Wirksamkeit der Sicherungsabrede unabhängig (Abstraktionsprinzip)

• Verknüpfung mit gesicherter Forderung gemäß § 158?

– Im Zweifel ist die dingliche Einigung nicht aufschiebend bedingt durch das Entstehen bzw. auflösend bedingt durch das Erlöschen der zu sichernden Forderung (vgl. BGH NJW 1991, 353)

– Bei Nichtbestehen oder Erlöschen der gesicherten Forderung → Anspruch auf Rückübertragung der Sicherheit aus der Sicherungsabrede

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 95, 09.02.2014

Problempunkte bei der Sicherungsübereignung

• Sittenwidrigkeit der dinglichen Einigung gemäß § 138 I?

– Gläubigergefährdung (Kredittäuschung)

– Knebelung des Sicherungsgebers

– Übersicherung: BGHZ 137, 212 zu revolvierenden Globalsicherungen

» Anfängliche Übersicherung grds. denkbar – Grenze wohl ca. 150 % der ges. Forderung (vgl. auch § 237 S. 1)

» Nachträgliche Übersicherung: SiGeber hat einen ermessensunabhängigen Freigabeanspruch aus der Sicherungsabrede. Entgegenstehende Regelungen in der Sicherungsabrede sind gemäß § 138 I bzw. § 307 unwirksam. Aufgrund des Freigabeanspruches ist die dingliche Einigung nicht gemäß § 138 I nichtig.

• Wirksamkeit des BMV

– Abrede „zur Sicherheit“ als konkretes Rechtsverhältnis iSv. § 868 anerkannt

– Antizipiertes BMV zulässig, vgl. Folie 91, aber Bestimmtheitsgrundsatz ist zu beachten

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 96, 09.02.2014

Exkurs: Sinn der AGB-Kontrolle

• G. Akerlof, The Market for Lemons: Quality Uncertainty and the Market Mechanism (Q. J. E 84 (1970) 488)

– Ausgangspunkt: Informationsasymmetrie zwischen Käufer und Verkäufer (Verkäufer weiß mehr als Käufer)

– „Lemon“: Slang für Auto, das sich erst nach dem Kauf als defekt herausstellt

• AGB-„Qualität“ umso höher, je mehr Rechte Klauselgegner besitzt

• Aber hohe Informationskosten für Klauselgegner bei kleinem Nutzen

– AGB treffen Regelungen für häufig sehr unwahrscheinliche Eventualfälle

– Kaufentscheidung deshalb nicht von AGB-„Qualität“ abhängig

– Anbieter „besserer“ AGB hat Kostennachteil bei gleichen Umsätzen → aus Markt verdrängt oder „Qualitäts“-Verringerung

• Lösungsmöglichkeit: Staatliche Regulierung der AGB-„Qualität“

– Vorzüge gegenüber Reputationsmechanismus: verzögerungsfrei, generelle Geltung (vgl. auch §§ 1 ff. UKlaG), geringere Informationskosten

– Problem: Konkrete Maßstäbe für Kontrolle konkreter Klauseln?

Exkurs: Adverse Selektion und AGB-Kontrolle

Horst Eidenmüller SaR Seite 97, 09.02.2014

Besitzkonstitut als Übergabesurrogat (§ 930)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Zusammenfassendes Fallbeispiel nach BGHZ 28, 16: K übereignet der B alle Waren auf einem genau bezeichneten Fabrikgrundstück in ihrem gegenwärtigen und zukünftigen Bestand. Soweit Waren unter EV geliefert wurden/werden, überträgt er der B sein Anwartschaftsrecht. Eigentumslage an den eingelagerten Waren?

KB

SiAbrede

§§ 929 S. 1, 930

L1

§ 433

L2 L3

§ 929 S. 1 (+ § 158 I)

Horst Eidenmüller SaR Seite 98, 09.02.2014

Abtretung des Herausgabeanspruches als Übergabesurrogat (§ 931)

• Erforderlich dingliche Einigung nach § 929 S. 1 und

• Voraussetzungen des § 931

– Dritter im Besitz der Sache, gleich welcher Art

– Abtretung eines Herausgabeanspruches gegen den (unmittelbar oder mittelbar besitzenden) Dritten

» aus einem bestimmten Besitzmittlungsverhältnis (s. Fallbeispiel 1, nächste Folie)

» oder Abtretung eines anderweitig begründeten Herausgabeanspruches (s. Fallbeispiel 2, nächste Folie)

• Abgrenzung zu anderen Übereignungstatbeständen

– Veräußerer löst sich vollständig von besitzrechtlicher Position (anders § 930)

– Erwerber tritt als Zessionar Rechtsnachfolge bzgl. Herausgabeanspruch an (anders Besitzanweisung, § 929 S. 1)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 99, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Fallbeispiel 1: E gibt sein Kfz zur Verwahrung in die Parkgarage des M. Er möchte das Kfz gem. §§ 929 S. 1, 931 an K übereignen.

Fallbeispiel 2: Das Kfz war zum Zeitpunkt der Abtretung bereits von D gestohlen. E möchte das Kfz wieder an K gem. §§ 929 S. 1, 931 übereignen.

K

§§ 929 S. 1,931

ME

§ 688

§ 695, 398 S. 2§ 985

Abtretung des Herausgabeanspruches als Übergabesurrogat (§ 931)

§ 695

§ 985

§ 398 S. 1

Eigentum

DE

§ 242 StGB

§ 861 I, § 1007 I /II, § 812 I 1 Alt. 2, § 823 I iVm. 249 I

§ 985

K

§§ 929 S. 1,931

§ 398 S. 1

Merke: Der Anspruch aus § 985 ist nicht selbständig abtretbar!

§ 695

Eigentum

§§ 861 I, 398 S. 2§§ 1007 I /II, 398 S. 2§§ 812 I 1 Alt. 2, 398 S. 2§§ 823 I iVm. 249 I, 398 S. 2§ 985

§ 861 I, § 1007 I /II, § 812 I 1 Alt. 2, § 823 I iVm. 249 I

Horst Eidenmüller SaR Seite 100, 09.02.2014

Eigentumserwerb bei mittelbarem Besitz des Veräußerers

• Nach § 929 S. 1 (Besitzanweisung)

– Veräußerer weist Besitzmittler an, bestehendes Besitzmittlungsverhältnis zu beenden und neues mit Erwerber zu begründen

– = Übergabe iSv. § 929 S. 1

• Nach §§ 929 S. 1, 930

– Veräußerer vermittelt seinerseits dem Erwerber den Besitz

– → Besitzrechtskette

» Besitzmittler = unmittelbarer Fremdbesitzer

» Veräußerer = mittelbarer Fremdbesitzer 1. Grades

» Erwerber = mittelbarer Eigenbesitzer 2. Grades)

• Nach §§ 929 S. 1, 931: Abtretung des Herausgabeanspruches gegen Besitzmittler an Erwerber

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 101, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen: Zusammenfassung

• § 929 S. 1 → Einigung und Übergabe

• § 929 S. 2 → Bloße Einigung (brevi manu traditio)

• §§ 929 S. 1, 930 → Einigung und Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses

• §§ 929 S. 1, 931 → Einigung und Abtretung eines Herausgabeanspruches

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Andere Arten des Eigentumserwerbs:- gesetzlich, z.B. § 1922 (Erbfolge) oder § 937 (Ersitzung)- kraft Hoheitsaktes, z.B. § 817 II ZPO (Ablieferung der

versteigerten Sache durch GVZ)

Horst Eidenmüller SaR Seite 102, 09.02.2014

Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers

Ausgangsfall: K erwirbt von V einen Fernseher unter EV. K verkauft den Fernseher weiter an D und überträgt diesem seine „dingliche Rechtsstellung“ aus dem KV mit V (D kennt den EV). Wegen Zahlungsverzugs des K droht V mit Rücktritt. D zahlt die ausstehenden Raten an V. Hat D Eigentum erworben?

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

VK

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I

D

§ 433 § 929 S. 1 ~

Zahlung

1. AnwR entstanden2. AnwR auf D übertragen3. Zum Vollrecht erstarkt

Horst Eidenmüller SaR Seite 103, 09.02.2014

• Definition: Ein AnwR besteht, wenn

– von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtes schon so viele Erfordernisse erfüllt sind,

– dass der Erwerber eine unabhängige, gesicherte Rechtsposition erlangt hat.

• AnwR auf Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen entsteht

– durch Übergabe und

– (aufschiebend) bedingte dingliche Einigung, weil dann insbesondere

» Schutz vor Zwischenverfügungen des Veräußerers, § 161 I 1

» Schutz vor Zwangsvollstreckung, § 161 I 2

» Schutz vor nachträglicher Verfügungsbeschränkung (insbes. § 80 I InsO), § 161 I 2

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers

Horst Eidenmüller SaR Seite 104, 09.02.2014

• AnwR erlischt

– mit Bedingungseintritt: AnwR erstarkt zum Vollrecht (Direkterwerb, kein Durchgangserwerb, falls AnwR übertragen)

– mit Unmöglichkeit des Bedingungseintritts, da AnwR in Entstehung und Fortbestand von Bedingung abhängig (Akzessorietät)

• Funktion

– Übertragungsfunktion: AnwR analog §§ 929 ff. übertragbar (nicht §§ 413, 398 ff., da dann Eigentum unter Umgehung Publizitätsgrundsatz übergehen könnte)

– Gewährung deliktischen Schutzes: AnwR als sonstiges Recht iSv. § 823 I; ferner § 985 analog (beachte auch § 861 und § 1007) und § 1004 analog

– Kreditsicherungsfunktion: Refinanzierung des EV-Käufers

• Nach h.M. gewährt AnwR selbst kein Recht zum Besitz (meist aber Besitzrecht aus § 433 I, ggf. iVm. § 986 II)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers

Horst Eidenmüller SaR Seite 105, 09.02.2014

• Entstehung

– Übergabe und

– aufschiebend bedingte dingliche Einigung

• Übertragung analog §§ 929 ff.

• Erlöschen mit

– Bedingungseintritt → Erstarken zum Vollrecht

– Unmöglichkeit des Bedingungseintritts

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Merke: Anwartschaftsrecht folgt als „wesensgleiches Minus“ den Regeln des Vollrechts

Das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers:Zusammenfassung

Horst Eidenmüller SaR Seite 106, 09.02.2014

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

• Vorüberlegungen zum Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten– Eigentumserwerb gem. §§ 929 - 931 setzt Eigentum des Veräußerers voraus

– Nicht-Eigentümer kann mit Einwilligung/Genehmigung des Eigentümers verfügen (§ 185)

» Bei Veräußerung unter EV im Handel konkludente Einwilligung in Weiterveräußerung im normalen Geschäftsgang

– Bei deren Fehlen kommt gutgl. Erwerb gem. §§ 932 ff. in Betracht, sofern der Eigentümer freiwillig den Rechtscheintatbestand des Besitzes geschaffen hat (arg. § 935)

• Allgemeine Voraussetzungen eines Eigentumserwerbes vom Nichtberechtigten– Erwerb durch Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes (§§ 929 - 931)

– Objektiver Rechtscheintatbestand: Besitzlage des Veräußerers (§§ 932 - 934)

– Subjektiver Rechtscheintatbestand: guter Glaube des Erwerbers (§ 932 II)

– Kein Abhandenkommen der veräußerten Sache (§ 935)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 107, 09.02.2014

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Quelle: Krimphove, Das europäische Sachenrecht: eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006, S. 233

Horst Eidenmüller SaR Seite 108, 09.02.2014

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Quelle: Krimphove, Das europäische Sachenrecht: eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006, S. 235

Horst Eidenmüller SaR Seite 109, 09.02.2014

• Erwerb durch Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts

– also nicht bei Erwerb kraft Gesetzes oder kraft Hoheitsaktes

– nicht bei wirtschaftlicher Personenidentität

– nicht bei vorweggenommener Erbfolge

• Objektiver Rechtscheintatbestand: Besitzlage

– Eigentumserwerb gem. § 929 S. 1 → § 932 I 1: keine weitere Voraussetzungen

– Eigentumserwerb gem. § 929 S. 2 → § 932 I 2: Besitzerlangung von Veräußerer

– Eigentumserwerb gem. §§ 929 S. 1, 930 → § 933: Übergabe

– Eigentumserwerb gem. §§ 929 S. 1, 931 → § 934 F. 1: Abtretung HGA

→ § 934 F. 2: Besitzerlangung von Drittem

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Horst Eidenmüller SaR Seite 110, 09.02.2014

• Subjektiver Rechtscheintatbestand: guter Glaube, § 932 II

– Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit schädlich

– Beweislast für Bösgläubigkeit bei rechtsverlierendem Eigentümer („es sei

denn“)

– Bezugspunkt des guten Glaubens: Eigentümerstellung des Veräußerers

(nicht: Verfügungsberechtigung des Nicht-Eigentümers, dafür § 366 HGB)

– Zeitpunkt: Vollendung des Rechtserwerbs (Ausnahme bei (aufschiebend)

bedingten Erwerb: Übergabezeitpunkt maßgeblich, vgl. Folie 85)

• Kein Abhandenkommen, § 935

– Abhandenkommen = unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes, vgl. §

935 I 2

– § 935 findet keine Anwendung bei Geld oder Inhaberpapieren, ferner nicht bei

öffentlicher Versteigerung, § 935 II

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Horst Eidenmüller SaR Seite 111, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Fallbeispiel 1: V verkauft seinen PKW an den Straßenhändler K unter EV. Dieser leistet einen kleinen Teil des Kaufpreises bar, den Rest per Scheck. V übergibt K den Kfz-Brief, damit dieser den Wagen schon einmal umschreiben kann. K veräußert sofort weiter an G und übergibt diesem auch den Brief, in dem noch V eingetragen ist (was G auffällt). Hat G Eigentum erworben?

Fallbeispiel 2 nach BGHZ 10, 69: V über-eignet eine Maschine zur Sicherheit an Bank B. Dann übereignet V sie unter Vereinbarung eines EV an K und übergibt sie diesem. K erfährt von dem Sicherungs-eigentum der B und zahlt die letzten Ra-ten. Hat er Eigentum erworben? Besteht vor Zahlung ein Besitzrecht gegenüber B, wenn der Sicherungsfall eingetreten ist?

KV

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I

G

§ 433 § 929 S. 1

BV

SiAbrede

§§ 929 S. 1, 930

§§ 929 S. 1,158 I

K

§ 433

Zahlung der letzten Rate

bösgläubig

Horst Eidenmüller SaR Seite 112, 09.02.2014

• Wirkungen eines Eigentumserwerbes vom Nichtberechtigten

– Beim Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten erhält der Gutgläubige vollgültiges Eigentum (s. nächste Folie, Fallbeispiel 1)

– Bei einer Weiterveräußerung durch den Gutgläubigen ist der gute Glaube des Zweiterwerbers deshalb unerheblich

– Problem: Rückerwerb des Nichtberechtigten (s. nächste Folie, Fallbeispiel 2)

• Folgeansprüche des rechtsverlierenden Eigentümers (vgl. Folie 66) gegen den Veräußerer: Beachte insbesondere Vorrang des EBV!

– auf Schadensersatz (z.B. §§ 989, 990)

– auf Erlösherausgabe, v.a. § 816 I 1

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Horst Eidenmüller SaR Seite 113, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Fallbeispiel 1: E übergibt dem Tankstel-lenpächter N sein Auto zum Waschen. N veräußert es unter Vorlage eines gefälsch-ten Kfz-Briefes an den gutgläubigen G. Auf das Herausgabeverlangen des E hin überlässt G diesem den Wagen, da er sich zur Rückgabe verpflichtet glaubt. Nun möchte er von N seinen Kaufpreis zurück. Zu Recht?

Fallbeispiel 2: N mietet von E ein Segelboot und schenkt es der G. Später verlangt er das Boot wegen groben Undanks (§ 531 II) zurück. Die G gibt das Boot heraus, indem sie N beschreibt, wo er es findet, und ihm mitteilt, er könne es gerne wieder haben. Nun verlangt E das Boot von N gem. § 985 zurück. Zu Recht?

NE§ 631

G

§ 433 § 929 S. 1

EN§ 535

§ 929 S. 1

G

§ 516

Rückübereignung

§ 531 II

Horst Eidenmüller SaR Seite 114, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Das juristische Adventspuzzlehttp://www.mama-tipps.de/tipp/Adventspuzzle.html

Ausgangsfall: A verkauft und übereignet B eine von E gemietete und diesem gehörende Maschine unter Eigentumsvorbehalt. Die (vollständige) Kaufpreiszahlung ist noch nicht erfolgt. B wiederum verkauft und überträgt C seine Rechtsposition aus dem Geschäft mit A seinerseits unter dem Vorbehalt der vollständigen Kaufpreiszahlung (noch nicht erfolgt). Welche Rechtsposition hat C?

Abwandlung 1: Was passiert, wenn B den von ihm geschuldeten Kaufpreis bezahlt?

B

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I

C

§§ 929 S. 1,158 I

§ 433

AE§ 535

B

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I

C

§§ 929 S. 1,158 I

§ 433

AE§ 535

Zahlung der letzten Rate

Horst Eidenmüller SaR Seite 115, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Das juristische Adventspuzzlehttp://www.mama-tipps.de/tipp/Adventspuzzle.html

Abwandlung 2: Was passiert, wenn nunmehr auch C den von ihm geschuldeten Kaufpreis an B bezahlt (nachdem also bereits B vollständig an A bezahlt hatte)?

Abwandlung 3: Was passiert, wenn nur C den Kaufpreis vollständig an B zahlt?

B

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I

C

§§ 929 S. 1,158 I

§ 433

AE§ 535

Zahlung der letzten Rate

Zahlung der letzten Rate

Zahlung der letzten Rate

B

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I

C

§§ 929 S. 1,158 I

§ 433

AE§ 535

Abwandlung 4: Was ist, wenn B und/oder C vor/nach Besitzübergabe Kenntnis vom Eigentum des E erlangen?

Horst Eidenmüller SaR Seite 116, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Das juristische Adventspuzzlehttp://www.mama-tipps.de/tipp/Adventspuzzle.html

http://www.youtube.com/watch?v=_XJfRzNOJNE

Horst Eidenmüller SaR Seite 117, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Fallbeispiel zu § 932 nach BGHZ 36, 56 –Koks-Fall (Scheingeheißerwerb): K bestellt bei V Kohle und bezahlt sie auch im voraus. Die Kohle soll auf Abruf geliefert werden. Noch vor der Lieferung überträgt V seinen Kohlehandel auf D. Als K abruft, veranlasst V den D durch Täuschung zur Lieferung an K. Eigentumserwerb des K?

Fallbeispiel zu § 933 nach BGHZ 67, 207:S übereignet B Maschinen zur Sicherheit. In der Folgezeit übereignet S die Maschi-nen erneut zur Sicherheit an N, wobei vereinbart wird: „Im Sicherungsfall ist N berechtigt, die Geräte in unmittelbaren Besitz zu übernehmen.“ Nach Eintritt des Sicherungsfalls holt N die Maschinen ohne Wissen des S von der Baustelle ab. Herausgabeanspruch der B nach § 985?

D

§§ 929 S. 1,930

N

SiAbrede

VK§ 433

§ 929 S. 1

Lieferung

BS

§§ 929 S. 1, 930

Holt Maschinen ab

SiAbrede

Horst Eidenmüller SaR Seite 118, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Fallbeispiel zu § 934 nach BGHZ 50, 45: A veräußert an B unter EV eine Fräsmaschine. B übereignet diese zur Sicherheit an den gutgläubigen C. C, der sich seinerseits refinanzieren muss, übereignet unter Abtretung seines Herausgabeanspruches gegen B die Fräsmaschine zur Sicherheit an den gutgläubigen D. Eigentumslage?

§§ 929 S. 1,930

C

SiAbrede

AB

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I

D

§§ 929 S. 1,931

SiAbrede

Horst Eidenmüller SaR Seite 119, 09.02.2014

• Gutgläubig lastenfreier Erwerb (§ 936)

– § 936 ermöglicht bei Gutgläubigkeit (§§ 936 II, 932 II) den Erwerb einer Sache frei von Lasten Dritter (z.B. Pfandrecht)

– Dabei gilt

» § 929 S. 1 → § 936 I 1 ≙ § 932 I 1

» § 929 S. 2 → § 936 I 2 ≙ § 932 I 2

» §§ 929 S. 1, 930 → § 936 I 3 ≙ § 933

» §§ 929 S. 1, 931 → § 936 I 1 ≙ § 934 F. 1 (Beachte § 936 III!)

→ § 936 I 3 ≙ § 934 F. 2 (Beachte § 936 III!)

– § 935 gilt entgegen seiner systematischen Stellung bei § 936 analog

• Gutgläubiger Erwerb des Anwartschaftsrechts?

– Ersterwerb (§§ 929 S. 1, 158 I, 932 ff.) unproblematisch möglich

– Zweiterwerb (§§ 932 ff. analog) nach h.M. möglich, wenn das AnwR besteht (nur nicht beim Veräußerer)

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Horst Eidenmüller SaR Seite 120, 09.02.2014

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten

Fallbeispiel 1: S, der bei W zur Miete wohnt, steckt in Geldnöten. Er fährt seinen Pkw aus der mitvermieteten Garage und veräußert ihn an K, der denkt, S wohne noch bei den Eltern. Nachdem S seine aufgelaufenen Mietschulden nicht zahlen kann, besteht Vermieter W auf Herausgabe des Pkw zur Verwertung. Zu Recht?

Fallbeispiel 2: V veräußert an K unter EV seinen Pkw und übergibt ihn. Anschließend spiegelt er G vor, den Wagen habe er K lediglich geliehen, und veräußert ihn an den gutgläubigen G. Schließlich zahlt K die letzte Rate an V. G verlangt nun von K den Pkw heraus. Zu Recht?

WS§ 535

Herausgabe?

§ 929 S. 1

K

§ 433

G

§ 433 §§ 929 S. 1, 931

KV

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I

Zahlt letzte Rate

Horst Eidenmüller SaR Seite 121, 09.02.2014

• Rechtfertigende Besitzlage

– § 929 S. 1 → § 932 I 1: keine weitere Voraussetzungen

– § 929 S. 2 → § 932 I 2: Besitzerlangung von Veräußerer

– §§ 929 S. 1, 930 → § 933: Übergabe

– §§ 929 S. 1, 931 → § 934 F. 1: Abtretung HGA

→ § 934 F. 2: Besitzerlangung von Drittem

• Bezugspunkt des guten Glaubens

– §§ 932 ff.: Guter Glaube an das Eigentum

– § 366 HGB, auch § 1244 BGB: Guter Glaube an die Verfügungsbefugnis

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten:Zusammenfassung

Horst Eidenmüller SaR Seite 122, 09.02.2014

Übungsklausur

• Termin: Montag, 13.01.2014, 14:15 Uhr (wie Vorlesung)

• Raum: A 240 HGB (wie Vorlesung)

• Thema aus dem Mobiliarsachenrecht

• Registrierung/Rückmeldung bei der vhb erforderlich– Online möglich (www.vhb.org )

– Formular wird auch mit der Klausur ausgeteilt und kann mit der Klausur abgegeben werden

• Rückgabe der korrigierten Klausuren voraussichtlich in der vorletzten Semesterwoche in der Vorlesung

• Besprechung in den Tutorien, voraussichtlich in der letzten Semesterwoche

• Alle Infos auch auf der Lehrstuhlhomepage

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 123, 09.02.2014

Kreditsicherungsrecht

• Überblick über Kreditsicherungsmittel– Personalsicherheiten

– Realsicherheiten

• Ökonomische Bedeutung– Sortierungseffekt

– Anreizeffekt

• Eigentumsvorbehalt– Einfacher Eigentumsvorbehalt

– Erweiterter Eigentumsvorbehalt

– Verlängerter Eigentumsvorbehalt

• Grundfragen– Rechtsgrund

– Bestellung

– Kollision mehrerer Sicherungsnehmer

• Behandlung in der Insolvenz des Sicherungsgebers

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 124, 09.02.2014

Kreditsicherungsrecht

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

http://www.youtube.com/watch?v=_R0FBmHVDVk

Horst Eidenmüller SaR Seite 125, 09.02.2014

Überblick über Kreditsicherungsmittel

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Grundlage entnommen aus Rudolph, Kreditsicherheiten als Instrument zur Umverteilung und Begrenzung von Kreditrisiken, ZfbF 36 (1984), 16 (19)

Horst Eidenmüller SaR Seite 126, 09.02.2014

Überblick über Kreditsicherungsmittel

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

http://www.youtube.com/watch?v=qqUGoVez8xg

Horst Eidenmüller SaR Seite 127, 09.02.2014

Überblick über Kreditsicherungsmittel

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Quelle: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/kreditsicherheiten.html

Horst Eidenmüller SaR Seite 128, 09.02.2014

Überblick über Kreditsicherungsmittel

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

• Ferner: Sicherungsmittel durch stufenweise Vertragsabwicklung– Bedingungen

– Eigentumsvorbehalt

– Auflassungsvormerkung

– Zurückbehaltungsrecht, z.B. § 273 I

– Leistungen Zug um Zug, z.B. § 320

• Ökonomische Bedeutung von Kreditsicherheiten (vgl. auch F. 132)– Symmetrische Informationsverteilung → Kreditbesicherung irrelevant, da

besicherte und unbesicherte Kredite gleichermaßen im Erwartungswert den sicheren Kapitalmarktzins erzielen

– Asymmetrische Informationsverteilung (Realität!)

» Sortierungseffekt: Signal für hohe Kreditwürdigkeit

» Anreizeffekt: keine Schädigung des Gläubigers

Horst Eidenmüller SaR Seite 129, 09.02.2014

Eigentumsvorbehalt

• Einfacher Eigentumsvorbehalt, §§ 929, 158 Abs. 1 Eigentumsübergang erst bei Kaufpreiszahlung

• Erweiterter Eigentumsvorbehalt, §§ 929, 158 Abs. 1 Eigentumsübergang erst bei Begleichung weiterer Forderungen– Achtung: Sog. Konzernvorbehalt schuldrechtlich und dinglich gem. § 449

Abs. 3 nichtig, nicht aber Kaufvertrag, dingliche Einigung und einfacher EV (BGHZ 176, 86)

• Verlängerter Eigentumsvorbehalt– Hersteller- bzw. Verarbeitungsklausel, wonach Lieferant unter Ausschluss

von § 950 Eigentümer werden soll (Rspr.: kein Durchgangserwerb)

– Einwilligung gem. § 185 Abs. 1 in Weiterveräußerung mit Vorausabtretungsklausel (§ 398 S. 1) sowie Einziehungsermächtigung bzgl. Forderung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§§ 362 II, 185 I)

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 130, 09.02.2014

Eigentumsvorbehalt

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Fallbeispiel zu verlängertem EV: V veräußert an Bäcker B Mehl unter

Vereinbarung eines „verlängerten EV“. B stellt daraus Semmeln her und veräußert diese auf Rechnung an den Großkunden K. Nachdem B in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist und trotz mehrfacher Fristsetzung durch V nicht bezahlt hat, tritt V an K heran und verlangt Zahlung unmittelbar an ihn. Zu Recht? Wer war jeweils Eigentümer des Mehls/der Semmeln?

Verarbeitung

VB

§ 433

§§ 929 S. 1, 158 I – verlängerter EV

§ 929 S. 1 § 433

K

Horst Eidenmüller SaR Seite 131, 09.02.2014

Mobiliarsicherheiten: Grundfragen

• Rechtsgrund von Mobiliarsicherheiten: Sicherungsabrede (ähnliches Verhältnis im Sinne von § 868)

• Bestellung des Sicherungsrechts– Bestimmtheitsgrundsatz und Abstraktionsprinzip zu beachten (vgl. Folie 94)

– Mögliche Unwirksamkeit (Sittenwidrigkeit) wegen Übersicherung (vgl. Folie 95)

• Kollision von Sicherungsrechten– Wichtig vor allem Kollision von Sicherungszession (→ Bank) mit verlängertem

Eigentumsvorbehalt (→ Lieferant)

– Antizipierte Zession: Auch hier greift Prioritätsprinzip

– Rspr.: Vorrang des verlängertem Eigentumsvorbehalts (Nichtigkeit der Sicherungsglobalzession nach § 138 I, „Verleitung zum Vertragsbruch“), vgl. grundlegend BGHZ 30, 149

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 132, 09.02.2014

Kreditsicherungen in der Insolvenz: Theorie

• Effizienzeffekte von Kreditsicherungen

– Verhältnis SiG – SiN: Verringerung

» des Ausfallrisikos des SiN (und damit auch der Informations- und Kontrollkosten des SiN)

» der Durchsetzungskosten für den SiN

» der Wahrscheinlichkeit gläubigerschädigender Investitionsstrategien des SiG

– Verhältnis zu Dritten: Vergrößerung

» des Ausfallrisikos

» der Informations- und Kontrollkosten, sofern bei Kreditgewährung nicht zutreffend über Sicherungsvolumen informiert bzw. spätere Erhöhung nicht antizipiert wurde ( dann aber kein „Selbstschutz“ über Preis möglich)

• Gesamtwirtschaftliche Effizienzeffekte deshalb unklar

– Zweifelhaft, ob vorrangige Befriedigung im Insolvenzverfahren gerechtfertigt (Bebchuk/Fried, 105 Yale L. J. 857 ff. (1996))

– Ein entsprechender Verwertungsstopp ist zum Schutz des betriebsnotwendigen Vermögens aber gerechtfertigt liegt im Interesse aller Beteiligten

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 133, 09.02.2014

Kreditsicherungen in der Insolvenz: Praxis

• InsO: vorrangige Befriedigung von Sicherungsnehmern, allerdings unterschiedliche „Formen“

– Aussonderung – Absonderung

– mit Sicherungen für betriebsnotwendiges Vermögen

• Einfacher Eigentumsvorbehalt: Aussonderungsrecht (§ 47 InsO)

– Beachte: Herausgabeanspruch aus § 985 setzt voraus, dass der insolvente Käufer nicht mehr zum Besitz berechtigt ist

– § 107 II 1 InsO Schutz betriebsnotwendigen Vermögens bis zum Berichtstermin

• Sicherungseigentum, Sicherungszession, verlängerter Eigentumsvorbehalt: Absonderungsrecht (§§ 49, 51 Nr. 1 InsO)

– Schutz betriebsnotwendigen Vermögens: Verwertungsrecht des Verwalters gem. § 166 I InsO sofern (unmittelbarer, str.) Besitz

– Kostenbeiträge mobiliargesicherter Gläubiger (vgl. §§ 170, 171 InsO) vor Auskehrung des Erlöses

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 134, 09.02.2014

Kreditsicherungsrecht: Zusammenfassung

• Einfacher Eigentumsvorbehalt, §§ 929 S. 1, 158 I– Bedingung: Vollständige Zahlung Kaufpreisforderung

– → Aussonderungsrecht nach § 47 InsO

• Erweiterter Eigentumsvorbehalt, §§ 929 S. 1, 158 I– Bedingung: Einbezug weiterer Forderungen (nichtig: Konzernvorbehalt)

– → Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO, wenn nur noch Zahlung weiterer Forderungen aussteht, weil wirtschaftlich dann SiÜbereignung gleichzustellen

• Verlängerter Eigentumsvorbehalt– Verarbeitungsklausel, § 950: Lieferant erwirbt Eigentum

– Ermächtigung zur Weiterveräußerung im ordnungsgem. Geschäftsgang, § 185 I

– Vorausabtretung der daraus begründeten Forderungen, § 398 S. 1

– Einziehungsermächtigung bzgl. dieser Forderungen, §§ 362 II, 185 I

– → Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO nach Verarbeitung

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 135, 09.02.2014

Grobgliederung Immobiliarsachenrecht

• Grundbuch

– Funktion

– Arbeitsweise

– Unrichtigkeit

• Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

– Erwerb vom Berechtigten

– Erwerb vom Nichtberechtigten

• Vormerkung

• Grundpfandrechte

– Ökonomische Bedeutung

– Hypothek

– Grundschuld

Immobiliarsachenrecht

Horst Eidenmüller SaR Seite 136, 09.02.2014

Grundbuch

• Funktion

– Vermutungswirkung

– Übertragungswirkung

– Gutglaubenswirkung

• „Arbeitsweise“ des Grundbuchamtes

– Aufbau des Grundbuches

– Eintragungsverfahren

• Unrichtigkeit des Grundbuchs

– Entstehungsgründe

– Bedeutung

– Schutz des Berechtigten: der Grundbuchberichtigungsanspruch

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 137, 09.02.2014

Funktion des Grundbuchs

• Vermutungswirkung (§ 891)

– Vgl. auch § 1006 für bewegliche Sachen

– und in diesem Zshg. auch bereits § 2365 für Erbschein

• Übertragungswirkung (§ 873 I) → Jede Veränderung der dinglichen Rechtslage muss eingetragen werden

• Gutglaubenswirkung (§ 892)

– Bewirkt Schutz des rechtsgeschäftlichen Verkehrs

– Schutz gerechtfertigt, da der von einer unrichtigen Eintragung Betroffene die Unrichtigkeit idR zu geringeren Kosten feststellen und korrigieren kann als der Erwerber (→ Effizienz)

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 138, 09.02.2014

Funktion des Grundbuchs

GrundbuchGrundbuch

Quelle: Krimphove, Das europäische Sachenrecht: eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006, S. 77

Horst Eidenmüller SaR Seite 139, 09.02.2014

Funktion des Grundbuchs

GrundbuchGrundbuch

Quelle: Krimphove, Das europäische Sachenrecht: eine rechtsvergleichende Analyse nach der Komparativen Institutionenökonomik, 2006, S. 60

Horst Eidenmüller SaR Seite 140, 09.02.2014

„Arbeitsweise“ des Grundbuchs

• Geregelt in der Grundbuchordnung (GBO)

• Zuständige Behörde: AG als Grundbuchamt (§ 1 I 1 GBO)

• Grundstück = abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes als besonderes Grundstück geführt wird

• Inhalt des Grundbuchblattes:

– Bestandsverzeichnis: Grundstücksbezeichnung (bzw. Wohneigentum, Erbbaurecht als grundstücksgleiche Rechte)

– 1. Abteilung: Eigentümer(in) und Erwerbsgrund

– 2. Abteilung: Alle sonstigen Eintragungen (z.B. Auflassungsvormerkung, Verfügungsbeschränkungen, Grunddienstbarkeiten, Widerspruch etc.)

– 3. Abteilung: Grundpfandrechte (Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden)

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 141, 09.02.2014

Beispiel eines Grundbuchblattes

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 142, 09.02.2014

Beispiel eines Grundbuchblattes

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 143, 09.02.2014

Beispiel eines Grundbuchblattes

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 144, 09.02.2014

Beispiel eines Grundbuchblattes

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 145, 09.02.2014

Beispiel eines Grundbuchblattes

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 146, 09.02.2014

Beispiel eines Grundbuchblattes

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 147, 09.02.2014

Eintragungsverfahren (§§ 13 ff. GBO)

• Antragsgrundsatz (§ 13 I 1 GBO)

• Bewilligungsgrundsatz (§ 19 GBO) → Eintragungen setzen eine

Bewilligung (= einseitige Erklärung) desjenigen voraus, dessen

Recht betroffen ist (sog. formelles Konsensprinzip)

– Diese Bewilligung genügt auch dann, wenn materiell-rechtlich für die Änderung

der dinglichen Rechtslage mehr erforderlich ist als eine einseitige Erklärung (wie

meist → § 873)

– Anderes gilt nur bei Auflassung eines Grundstücks sowie bei Verfügungen

betreffend Erbbaurechte: Hier muss gemäß § 20 GBO die Einigung der

Beteiligten nachgewiesen werden (sog. materielles Konsensprinzip)

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 148, 09.02.2014

Eintragungsverfahren (§§ 13 ff. GBO)

• Formbedürftigkeit (§ 29 GBO)

– Alle Eintragungsunterlagen müssen grds. durch öffentliche Urkunden (vgl. § 415 ZPO)

– oder öffentlich beglaubigte Urkunden (vgl. § 129) nachgewiesen werden

• Voreintragung des Betroffenen (§ 39 GBO)

– Der durch die Eintragung Betroffene muss grds. als Berechtigter eingetragen sein

– Materielle Berechtigung nicht erforderlich!

GrundbuchGrundbuch

Merke: §§ 13, 19, 29, 39 GBO

Horst Eidenmüller SaR Seite 149, 09.02.2014

Erinnerung: Übungsklausur

• Termin: Montag, 13.01.2014, 14:15 Uhr (wie Vorlesung)

• Raum: A 240 HGB (wie Vorlesung)

• Thema aus dem Mobiliarsachenrecht

• Registrierung/Rückmeldung bei der vhb erforderlich– Online möglich (www.vhb.org )

– Formular wird auch mit der Klausur ausgeteilt und kann mit der Klausur abgegeben werden

• Rückgabe der korrigierten Klausuren voraussichtlich in der vorletzten Semesterwoche in der Vorlesung

• Besprechung in den Tutorien, voraussichtlich in der letzten Semesterwoche

• Alle Infos auch auf der Lehrstuhlhomepage

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Horst Eidenmüller SaR Seite 150, 09.02.2014

Unrichtigkeit des Grundbuchs

• Entstehungsgründe, z.B.– Unrichtigkeit infolge nichtiger Verfügungen, z.B. Geschäftsunfähigkeit des

Verfügenden (§ 105 I), Anfechtung der dinglichen Einigung (§ 142 I)

– Unrichtigkeit kraft Gesetzes, z.B. Erbfall (§ 1922 I)

– Bei Übertragung von Grundpfandrechten außerhalb des Grundbuches (z.B. Briefhypothek durch schriftliche Forderungsabtretung und Briefübergabe, §§ 1153, 1154 I)

– Bei Zahlung auf Grundpfandrecht (z.B. §§ 1143 I, 1153 I, 1177 II: Entstehung Eigentümerhypothek) oder hypothekarisch gesicherte Forderung

• Bedeutung: Wegen der Vermutungs-/Gutglaubenswirkung des Grundbuchs (§§ 891, 892) kann seine Unrichtigkeit „schwerwiegende“ Folgen haben

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 151, 09.02.2014

Unrichtigkeit des Grundbuchs

GrundbuchGrundbuch

Fallbeispiel (Parzellenverwechslung): V möchte an K Ackerland mit der Flur-Nr. 105 veräußern. Beide sind sich einig, dass es um die Flur-Nr. 105 gehen soll, schreiben aber versehentlich Flur-Nr. 106. Da V auch Eigentümer der Flur-Nr. 106 ist, trägt das GBA K als neuen Eigentümer dieser Flur-Nr. ein (wertvolles Bauland). Später veräußert K die Flur-Nr. 106 weiter an den ahnungslosen G. G wird als neuer Eigentümer eingetragen. Rechtslage?

G

§§ 873, 925

§§ 433,311b I 1

KV§§ 433, 311 b I 1

§§ 873, 925

Flur-Nr. 106

Horst Eidenmüller SaR Seite 152, 09.02.2014

Grundbuchberichtigungsanspruch, § 894

• Grund: GBA berichtigt nur– bei Nachweis der Unrichtigkeit (§ 22 GBO) in der Form des § 29 GBO oder

– nach Bewilligung durch den formell Berichtigten (Bewilligungsgrundsatz, § 19 GBO)

→ § 894 ist materielle Reaktion auf den formellen Bewilligungsgrundsatz des § 19 GBO

• Voraussetzungen– Unrichtigkeit des Grundbuchs: Divergenz von Grundbuchinhalt und wirklicher Rechtslage

– Materielle Berechtigung des Anspruchstellers (= Aktivlegitimation)

– Formelle Berechtigung (Buchposition) des Anspruchsgegners (= Passivlegitimation)

• Inhalt des Anspruchs– Abgabe der Berichtigungsbewilligung nach § 19 GBO

– Zwangsvollstreckung: § 894 ZPO

• Beachte – den ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand des § 24 ZPO

– Verdrängung des § 1004 I 1 durch § 894 (andernfalls Umgehung Kostenregelung § 897)

– Dagegen §§ 823 I, 249 I bei deliktischer Erlangung der GB-Position möglich

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 153, 09.02.2014

Grundbuchberichtigungsanspruch, § 894

GrundbuchGrundbuch

Fallbeispiel 1: Der unerkannt Geistes-kranke V verkauft und übereignet sein Grundstück samt Haus an K. K moder-nisiert das Haus. Vs Geisteskrankheit wird bekannt. Sein Betreuer B fordert von K Herausgabe des Grundstücks gem. § 985 und Grundbuchberichtigung gem. §894. K beruft sich auf ein ZBR wegen der Modernisierungsarbeiten. Rechtslage?

Fallbeispiel 2: Der unerkannt Geistes-kranke K erwirbt von V ein Grundstück. K wird im Grundbuch als neuer Eigen-tümer eingetragen. K bestellt H zur Siche-rung einer Forderung eine Buchhypothek. Grundbuchberichtigungsansprüche (i) des V (ii) des K?

K

ZBR!

B

§ 1902

Herausgabe und Berichtigung!

V§§ 433, 311 b I 1

§§ 873, 925

KV§§ 433, 311 b I 1

§§ 873, 925

H

§§ 873, 1113

§ 488 I 2

Horst Eidenmüller SaR Seite 154, 09.02.2014

Widerspruch, § 899

• Bedeutung: Ausschluss der Gutglaubenswirkung, § 892 I 1

– Maßgeblicher Zeitpunkt: Rechtserwerb (anders bzgl. Kenntnis → § 892 II)

– Beachte: Widerspruch bewirkt keine „Verfügungssperre“

• Voraussetzung für die Eintragung eines Widerspruchs: Fall des § 894 (vgl. § 899 I)

• Verfahren der Widerspruchseintragung (§ 899 II):

– Eintragungsbewilligung des Buchberechtigten oder

– Einstweilige Verfügung (→ §§ 935 ff. ZPO mit Besonderheit § 899 II 2)

– Ferner: § 895 ZPO, wenn der Schuldner vorläufig vollstreckbar zur Grundbuchberichtigung selbst verurteilt ist

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 155, 09.02.2014

Grundbuch: Zusammenfassung

• Bedeutung

– Übertragungswirkung der Eintragung, § 873 I

– Vermutungs-/Gutglaubenswirkung, §§ 891, 892

• Eintragungsgrundsätze: §§ 13, 19, 29, 39 GBO

• Schema § 894

– GB-Unrichtigkeit

– Aktivlegitimation des Anspruchstellers

– Passivlegitimation des Anspruchgegners

GrundbuchGrundbuch

Horst Eidenmüller SaR Seite 156, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

• Dingliche Einigung

• Anwartschaftsrecht auf Erwerb des Eigentums an Grundstücken

– Entstehung

– Bedeutung

• Eintragung

• Besonderheiten der Auflassung

– Bedingungsfeindlichkeit

– Formzwang, § 925

– Genehmigungserfordernisse

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Horst Eidenmüller SaR Seite 157, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken: Einigung

• Doppeltatbestand der Einigung und Eintragung

– Übertragung des Eigentums, Belastung eines Grundstücks und Übertragung der Belastung sowie Änderungen eines Rechts: §§ 873, 877

– Ausnahme (Einseitige Erklärung genügt für Aufgabe eines Rechts): §§ 875, 876

• Dingliche Einigung

– dinglicher Vertrag, für den die Regeln des BGB AT gelten

– wird bei Übertragung des Eigentums als „Auflassung“ bezeichnet (§ 925 I)

– grundsätzlich formlos möglich und bedingungsfreundlich (Ausnahme: § 925)

– grundsätzlich bis zur Eintragung frei widerruflich (arg. § 873 II e.c.)

Horst Eidenmüller SaR Seite 158, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken: Einigung

Fallbeispiel nach BGHZ 46, 398: Zur Sicherung eines dem S gewährten Darle-hens bestellt E der G-Bank in notarieller Urkunde „unwiderruflich“ eine Hypothek und ermächtigt den Notar, der G eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen. E widerruft noch vor Erteilung der Ausfer-tigung und Stellung des Eintragungsan-trags die Bestellung der Hypothek. Wirk-samkeit des Widerrufs?

Fallbeispiel 2: V verkauft K ein Grundstück. Die Auflassung wird notariell beurkundet, V beantragt die Eintragung des K gem. § 13 GBO. Anschließend verkauft V das Grundstück dem G und lässt es diesem auf. Den Eintragungsantrag bzgl. K nimmt er zurück. Auf Antrag des V wird G als Eigentümer eingetragen. Rechtslage?

Widerruf

E

§§ 873, 1113

SG§ 488 I 2 KV

§§ 433, 311b I 1

§§ 873, 925

Eintragungsantrag

G

§§ 873, 925

§§ 433,311b I 1

Rücknahme Antrag K, Antrag G

Horst Eidenmüller SaR Seite 159, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken: Anwartschaftsrecht

• Anwartschaftsrecht auf Erwerb des Eigentums besteht (hM, vgl. etwa BGHZ 106, 108 [111 f.]), wenn

– von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts (§§ 873, 925)

– so viele Erfordernisse erfüllt sind (bindende Einigung und Einigungsantrag durch Erwerber)

– dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere Beteiligte einseitig nicht mehr zu zerstören vermag (Einigung bindend, Antrag kann nur Erwerber zurücknehmen, Antrag ist vor anderen Anträgen zu erledigen, § 17 GBO)

• Ferner, bei bindender Auflassung und Auflassungsvormerkung (→ §§ 883, 888), dazu später

Horst Eidenmüller SaR Seite 160, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken: Anwartschaftsrecht

• Grund: Auflassungsempfänger hat eine dem aufschiebend bedingten Mobiliar-Erwerber vergleichbare Rechtsposition

– Bindende Auflassung → § 873 II: Schutz vor Widerruf durch Veräußerer (≙ Übergabe)

– Stellung Eintragungsantrag, gleich von wem → § 878: Schutz vor nachträglichen Verfügungsbeschränkungen (≙ § 161 I 2)

– Stellung Eintragungsantrag durch Erwerber → § 17 GBO: Schutz vor Zwischenverfügungen des Veräußerers (≙ § 161 I 1)

• Übertragung (Zweiterwerb): §§ 873, 925 analog (minus zum Vollrecht), aber ohne Eintragung, denn das Anwartschaftsrecht ist kein eintragungsfähiges dingliches Recht

– Erstarken zum Vollrecht durch Eintragung des Zweiterwerbers ins Grundbuch (Direkterwerb, kein Durchgangserwerb)

– Praktisch bedeutsam für Kettenauflassung (→ Gebührenersparnis)

Horst Eidenmüller SaR Seite 161, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken: Eintragung

• Eingetragen werden Rechte nach der

– Person des Berechtigten,

– nach ihrer Art und ihrem Inhalt,

– Ggf. kann auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden (§ 874)

• Einigung und Eintragung müssen sich decken

– Bei Divergenzfällen entsteht (nach Maßgabe des § 139) das dingliche Recht, soweit sich Einigung und Eintragung decken

– Beispiel: Einigung Hypothek 20.000, GBA trägt 30.000 ein; Hypothek ist in Höhe von 20.000 entstanden

• Einigung und Eintragung in beliebiger Reihenfolge möglich

– Zum Zeitpunkt der Eintragung muss die Einigung allerdings noch wirksam und der Veräußerer verfügungsbefugt sein (beachte aber § 878)

Horst Eidenmüller SaR Seite 162, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Besonderheiten der Auflassung

• Bedingungen/Zeitbestimmungen sind unzulässig (§ 925 II)

– Damit Auflassung in einem gerichtlichen Vergleich mit Widerrufsvorbehalt unwirksam

– Unwirksam auch Vergleich nach § 278 VI ZPO (keine gleichzeitige Anwesenheit!)

• Erklärung vor einer zuständigen Stelle, insbesondere Notar, oder in Vergleich/Insolvenzplan (§ 925 I)

– Bei Erklärung vor Notar Errichtung einer öffentlichen Urkunde nicht zwingend, aber wegen § 29 GBO üblich

– Gleichzeitige Anwesenheit auch bei Stellvertretung gegeben; lediglich Ausschluss Stufenbeurkundung (vgl. § 128) bezweckt

• Genehmigungspflicht

– In manchen Fällen ist für die Eigentumsübertragung eine behördliche Genehmigung erforderlich (z.B. § 2 I GrdstVG oder § 2 I Nr. 1 GVO)

– Auflassung bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam

Horst Eidenmüller SaR Seite 163, 09.02.2014

• Wirksame dingliche Einigung

– Dingliche Einigung, § 873 I

– Wirksamkeitshindernisse (z.B. § 925)

• Eintragung

• Kein Widerruf zur Zeit der Eintragung/bindende Einigung (nur wenn problematisch)

• Verfügungsberechtigung

• Ggf. gutgläubiger Erwerb, § 892

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken: zusammenfassendes Schema

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Horst Eidenmüller SaR Seite 164, 09.02.2014

Gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten

• Grund: Vermutungswirkung, § 891

• Voraussetzungen, § 892

– Rechtsgeschäftlicher Erwerb iSe Verkehrsgeschäftes

– Unrichtigkeit des Grundbuchs → Legitimation des Veräußerers

– Guter Glaube

» Gutglaubensmaßstab: positive Kenntnis

» Zeitpunkt: Vollendung Rechtserwerb; Vorverlagerung durch § 892 II

– Kein Widerspruch

• Verhältnis zu § 2366

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Horst Eidenmüller SaR Seite 165, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten

• Grund: Vermutungswirkung, § 891

• Voraussetzungen

– Rechtsgeschäftlicher Erwerb iSe Verkehrsgeschäftes, s. Folie 109

– Unrichtigkeit des Grundbuchs: Auseinanderfallen von Grundbuchinhalt und materieller Rechtslage, vgl. Folie 150

» positive Publizität, § 892 I 1: Ein nicht bestehendes Recht ist eingetragen

» negative Publizität, § 892 I 1: Ein bestehendes Recht ist nicht eingetragen

» negative Publizität, § 892 I 2: Eine bestehende relative Verfügungsbe-schränkung ist nicht eingetragen; für absolute Verfügungsbeschränkungen gilt § 892 I 2 nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung, z.B. § 81 I InsO, § 2113 III, § 2211 II

– Voraussetzung ist aber eine wirksame Verlautbarung durch das Grundbuch

» Grundbucheintragung = privatrechtsgestaltender Hoheitsakt

» Grundbucheintragung darf daher kein nichtiger Verwaltungsakt sein

Horst Eidenmüller SaR Seite 166, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten

Fallbeispiel nach BGHZ 7, 64: Ein Besat-zungsoberst veranlasst das Grundbuch-amt durch massive Drohungen zur Ein-tragung seiner Geliebten als Eigentümerin „kraft staatlichen Hoheitsaktes“. N (Ge-liebte) veräußert das Grundstück an den gutgläubigen G weiter. Der ursprüngliche Eigentümer E macht § 894 gegen G geltend. Zu Recht?

Fallbeispiel 2: M ist mit E verheiratet. Die beiden leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363). E veräußert ein Grundstück, das nahezu ihren einzigen Vermögensgegenstand darstellt, an den G, der zwar ihre Vermögensverhältnisse kennt, aber nicht weiß, dass sie verheiratet ist. G wird ins Grundbuch eingetragen. Hat M einen Anspruch gegen G aus § 894?

GBAOberstDrohung

E

M

G

§§ 433, 311b I 1

§§ 873, 925N

Eigentum kraft staatlichen Hoheitsaktes

G

§§ 433, 311b I 1

§§ 873, 925

§ 894

Horst Eidenmüller SaR Seite 167, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten

• Beachte

– die Erweiterung des § 1155 (ggf. iVm. § 1192 I): Verfügender kann auch durch Brief legitimiert sein

– sowie die Einschränkung des § 1140 S. 1 (ggf. iVm. § 1192 I), wenn Unrichtigkeit des Grundbuchs aus Brief ersichtlich ist

• Gutgläubigkeit des Erwerbers

– Es schadet nur positive Kenntnis (anders § 932 II!)

– Gutgläubigkeit wird vermutet („es sei denn“) → Beweislast also bei dem, der Bösgläubigkeit behauptet

– Erwerber braucht das Grundbuch nicht eingesehen zu haben (also kein konkretes Vertrauen auf den Grundbuchinhalt erforderlich)!

– Maßgeblicher Zeitpunkt: Vollendung des Rechtserwerbes, im Falle des § 892 II Stellung des Eintragungsantrages (gleich durch wen) bzw. Einigung (falls diese nachfolgt)

Horst Eidenmüller SaR Seite 168, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten

• Kein Widerspruch (s. hierzu Folie 154)

– im Grundbuch

– oder im Brief, § 1140 S. 2 (ggf. iVm. § 1192 I)

– Maßgeblicher Zeitpunkt: Vollendung des Rechtserwerbs; wegen § 17 GBO kommt es faktisch aber auf die Stellung des Eintragungsantrages an

• Verhältnis zu § 2366

– Ist der Scheinerbe im Grundbuch eingetragen (Fall der Grundbuchberichtigung, vgl. Folie 152), so ist das Grundbuch der speziellere Rechtscheinträger und damit § 892 vorrangig

– Ist noch der Erblasser eingetragen,

» so gilt § 2366, d.h. Legitimation durch den Erbschein, falls das Grundstück tatsächlich zum Nachlass gehört

» War dagegen auch der Erblasser selbst zu Unrecht eingetragen, so kommen sowohl § 892 als auch § 2366 zur Anwendung (Doppelmangel)

Horst Eidenmüller SaR Seite 169, 09.02.2014

Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken

Gutgläubiger Erwerb von Grundstücksrechten: Zusammenfassendes Schema

• Rechtsgeschäftlicher Erwerb iSe Verkehrsgeschäftes

• Unrichtigkeit des Grundbuchs → Legitimation des Veräußerers

• Guter Glaube

– Gutglaubensmaßstab: positive Kenntnis

– Zeitpunkt: Vollendung Rechtserwerb; Vorverlagerung durch § 892 II

• Kein Widerspruch

Horst Eidenmüller SaR Seite 170, 09.02.2014

Vormerkung

• Begriff und Bedeutung

• Entstehungsvoraussetzungen, §§ 883, 885

– Vormerkungsfähiger Anspruch

– Bewilligung

– Eintragung

– Verfügungsberechtigung

• Übertragung (= Zweiterwerb) und Erlöschen

• Gutgläubiger (Erst- und Zweit-)Erwerb

• Wirkungen

– Sicherungswirkung

– Rangwirkung

– Behandlung im Insolvenzverfahren

Vormerkung

Horst Eidenmüller SaR Seite 171, 09.02.2014

Vormerkung

• Der zeitlich „gestreckte“ Erwerbstatbestand des § 873 (Einigung und Eintragung) birgt Risiken für den Erwerber, insbesondere

– will der Käufer ohne sichere Erwartung des Eigentumserwerbs nicht zahlen, andererseits der Verkäufer ohne Zahlung sein Eigentum nicht aus der Hand geben, also auflassen

– wegen der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung (§ 925 II) ist die Konstruktion eines Eigentumsvorbehalts aber nicht möglich

• Das Erwerbsinteresse kann durch Eintragung einer Vormerkung (§§ 883 I, 885 I) geschützt werden

– Wesen der VM: sichert einen obligatorischen Anspruch auf eine dinglicheRechtsänderung

– Wirkung der VM: §§ 883 II, 888 I (s. auch Folie 176)

– Arten der VM: § 883 I 1 (wichtig vor allem Auflassungsvormerkung und Löschungsvormerkung [vgl. dazu auch § 1179a])

Begriff und Bedeutung der Vormerkung

Horst Eidenmüller SaR Seite 172, 09.02.2014

Vormerkung

Begriff und Bedeutung der Vormerkung

Fallbeispiel: K kauft von V eine Wiese. Diese Wiese ist als Baugebiet ausgewiesen; darüber täuscht K den V. K wird als Eigentümer eingetragen. V ficht Kauf und Auflassung an und lässt sich nach Bewilligung durch K eine Vormerkung eintragen. K veräußert an den gutgläubigen G, der als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird. Anspruch des V gegen G gem. § 894?

KV§§ 433, 311 b I 1

§§ 873, 925

Anfechtung!

Merke: Widerspruch schützt gegen Verfügungen eines Nichtberechtigten durch Protest gegen die deklarierte Rechtslage, Vormerkung schützt gegen Verfügungen eines Berech-tigten durch „Vorwegnahme“ der zukünftigen Rechtslage („Widerspruch protestiert, Vormerkung prophezeit“)

G

§§ 873, 925

§§ 433,311b I 1

Vormerkung für V

§§ 883 I, 885 I

Horst Eidenmüller SaR Seite 173, 09.02.2014

Vormerkung

Wirksamkeitsvoraussetzungen der Vormerkung (Ersterwerb)

• Vormerkungsfähiger Anspruch, § 883 I

– Schuldrechtlicher Anspruch auf dingliche Rechtsänderung am Grundstück, z.B. Eigentumsverschaffungsanspruch aus § 433 I

– Künftiger Anspruch iSv. § 883 I 2 → Entstehung muss allein vom Willen des zukünftigen Berechtigten abhängen

– Vormerkung ist streng akzessorisch

• Bewilligung des Betroffenen/einstweilige Verfügung, § 885 I

– Unterscheide materiell-rechtliche Bewilligung nach § 885 I

– und die verfahrensrechtliche Bewilligung nach § 19 GBO, die allerdings in einer Erklärung zusammenfallen können

– Beachte bzgl. der einstweiligen Verfügung (→ §§ 935 ff. ZPO) die Besonderheit des §885 I 2 (≙ § 899 II 2 für Widerspruch)

• Eintragung, § 883 I

Horst Eidenmüller SaR Seite 174, 09.02.2014

Vormerkung

Wirksamkeitsvoraussetzungen der Vormerkung (Ersterwerb)

• Fortbestand der Bewilligung, d.h. kein Widerruf zum Zeitpunkt der Eintragung bzw. vorherige Bindung, § 875 II analog (hM)

• Berechtigung des Bewilligenden, § 885 I 1

– „desjenigen, dessen Grundstück oder dessen Recht (…) betroffen wird“, § 885 I 1

– Verfügungsberechtigt ist demnach der Inhaber des von der Vormerkung betroffenen dinglichen Rechtes, der nicht in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist

– § 878 findet auf die Bewilligung entsprechende Anwendung (BGHZ 28, 182)

• Ggf. gutgläubiger Erwerb, § 893 bzw. § 2367 (analog)

– Da die Vormerkung kein dingliches Recht ist, richtet sich der gutgl. Erwerb nicht nach § 892 bzw. § 2366, sondern – wegen ihrer verfügungsähnlichen Wirkung – nach § 893 bzw. § 2367, zumindest analog

– Folgerichtig findet auch § 892 II entsprechende Anwendung; dies soll nach BGHZ 57, 341 auch im Rahmen von § 2367 gelten (a.A. insoweit die hLit)

Horst Eidenmüller SaR Seite 175, 09.02.2014

Vormerkung

Fallbeispiel nach BGHZ 54, 56: V verkauft an K ein Grundstück, wobei nur die Hälfte des Kaufpreises angegeben wird (Unterverbriefung). V bewilligt K eine Auflassungsvormerkung, die auch eingetragen wird. Später bestellt V dem D zur Sicherung eines Darlehens eine Hypothek, die ebenfalls eingetragen wird. Danach lässt V das Grundstück an K auf, der eingetragen wird. K verlangt nun von D Zustimmung zur Löschung der Hypothek. Zu Recht?

KV§§ 433, 311b I 1

§§ 883 I, 885 I

D

§§ 873,1113

§ 488 I 2

§§ 873, 925

Bewilligung der Löschung!

Wirksamkeitsvoraussetzungen der Vormerkung (Ersterwerb)

Horst Eidenmüller SaR Seite 176, 09.02.2014

Vormerkung

Rechtswirkungen der Vormerkung

• Sicherungswirkung, §§ 883 II, 888

– Durch § 883 II personell begrenzt auf den Vormerkungsberechtigten und

– sachlich begrenzt auf die Beeinträchtigung/Vereitelung von dessen Anspruch

• Rangwirkung, § 883 III

– Betrifft nur rangfähige dingliche Rechte, insbesondere Grundpfandrechte

– Abweichend von § 879 I kommt es für den Rang dann auf die Eintragung der Vormerkung an

• Vollwirkung, §§ 106 InsO, 48 ZVG

– Gleichstellung Vormerkung mit Vollrecht

– Dadurch Einschränkung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO bei durch eine Vormerkung gesicherten Ansprüchen

Horst Eidenmüller SaR Seite 177, 09.02.2014

Vormerkung

Rechtswirkungen der Vormerkung

• Vorwirkung, § 883 II analog (hM)

– Sonstige nach Eintragung der Vormerkung eingetretene Erwerbshindernisse (z.B. nachträgliche Berichtigung des Grundbuchs, Eintragung Widerspruch) schaden entgegen § 892 einem gutgläubigen Erwerb nicht mehr

– Insbesondere schadet auch spätere Bösgläubigkeit dem gutgläubigen Erwerb des Vollrechts nicht mehr (später als Stellung des Antrags auf Eintragung der Vormerkung, § 892 II), vgl. etwa BGH NJW 1981, 446

• Achtung: Die Vormerkung bewirkt keine Grundbuchsperre

– Der Inhaber des von der Vormerkung betroffenen Rechts bleibt voll verfügungsbefugt (Aufhebung allerdings analog § 876 nur mit Zustimmung des Vormerkungsberechtigten möglich) und das Recht damit verkehrsfähig

– Das GBA hat die vormerkungswidrige Zwischenverfügung demnach einzutragen

• Vormerkung erlischt,– wenn der vorgemerkte Anspruch erlischt (→ Akzessorietät)

– Aufgabeerklärung, § 875 analog

– bei gutgläubig lastenfreiem Erwerb, § 892 I 1

Horst Eidenmüller SaR Seite 178, 09.02.2014

Vormerkung

Rechtswirkungen der Vormerkung

• Entstehen eines Anwartschaftsrechts

– Bei bindender Auflassung (andernfalls fehlt vom mehraktigen Erwerbstatbestand schon der erste Teilakt, vgl. BGHZ 89, 41)

– plus Auflassungsvormerkung (vgl. etwa BGHZ 83, 395)

» Bindende Auflassung → § 873 II: Schutz vor Widerruf durch Veräußerer (≙ Übergabe)

» Auflassungsvormerkung → § 883 II 2: Schutz vor nachträglichen Verfügungsbeschränkungen (≙ § 161 I 2)

» Auflassungsvormerkung → § 883 II 1: Schutz vor Zwischenverfügungen des Veräußerers (≙ § 161 I 1)

– Letztlich auch schon mit Stellung des Antrags auf Eintragung der Auflassungsvormerkung durch Erwerber (arg. § 878 analog, § 17 GBO, vgl. OLG Düsseldorf RPfleger 1981, 199)

• §§ 987 ff. (EBV) finden auf den Vormerkungsberechtigten (≙ Eigentümer) entsprechende Anwendung

Horst Eidenmüller SaR Seite 179, 09.02.2014

Vormerkung

Rechtswirkungen der Vormerkung

Fallbeispiel nach RGZ 121, 44: V ver-äußert an K ein Grundstück. Die Auflas-sung ist wegen einer fehlenden Genehmi-gung nichtig. K verkauft das Grundstück dem gutgläubigen G und bewilligt G eine Auflassungsvormerkung. V lässt durch einstweilige Verfügung einen Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eintragen. Danach lässt K dem G das Grundstück auf und G (weiter gutgläu-big) wird eingetragen. Eigentumslage?

G

§§ 433, 311b I 1

§§ 883 I,885 I

Widerspruch

KV

§§ 433, 311b I 1

§§ 873, 925

§§ 873,925

Fallbeispiel nach BGHZ 13, 1: V verkauft K ein Hausgrundstück und bewilligt ihm eine Auflassungsvormerkung, die auch eingetragen wird. V vermietet schließlich für 25 Jahre an M. Später lässt er das Grundstück an K auf, der als Eigentümer eingetragen wird. Ist K gem. § 566 in den Mietvertrag eingetreten?

K

M

§ 535

V§§ 433, 311 b I 1

§§ 883 I, 885 I

§§ 873, 925

Horst Eidenmüller SaR Seite 180, 09.02.2014

Vormerkung

Übertragung der Vormerkung (Zweiterwerb)

• Übertragung = Zweiterwerb, §§ 401, 413 analog– durch Abtretung der gesicherten Forderung

– dadurch geht die Vormerkung als akzessorisches Sicherungsmittel analog § 401 über

• Gutgläubiger Zweiterwerb– Besteht die gesicherte Forderung überhaupt nicht oder ist sie nicht abtretbar (§ 399)

oder steht dem Zedenten nicht zu, so scheidet ein gutgläubiger Forderungserwerb (abgesehen von §§ 405, 2366) und damit auch ein gutgläubiger Vormerkungserwerb aus

– Besteht dagegen die Forderung (und ist sie abtretbar und steht auch dem Zedenten zu), zu deren Sicherung eine in Wahrheit nicht bestehende Vormerkung eingetragen ist, ist nach BGHZ 25, 16 (sehr str.) ein gutgläubiger Vormerkungserwerb möglich

» Problem: Nur mittelbarer rechtsgeschäftlicher Erwerb (an sich gesetzlicher Erwerb gem. § 401) genügend?

» Argumente: Parallele zum Zweiterwerb der Hypothek, wo nach allg. Auffassung ein mittelbarer Erwerb ebenfalls genügt; mit Grundbucheintragung hinreichender Rechtscheintatbestand für Vormerkungserwerb gegeben

Horst Eidenmüller SaR Seite 181, 09.02.2014

Vormerkung

Fallbeispiel: Bucheigentümer B verkauft ein Grundstück an den unredlichen K und lässt diesem eine Auflassungsvormerkung eintragen. K tritt seinen Übereignungsanspruch an den redlichen D ab. Danach erwirkt Eigentümer E einen Widerspruch gegen die Eintragung des B. Endlich wird D als Eigentümer eingetragen. E macht gegen D Ansprüche aus §§ 894 und 985 geltend. Zu Recht?

KB§§ 433, 311 b I 1

§§ 883 I, 885 I

D

§ 398

Widerspruch gegen Eintragung B

E

§ 894§ 985 Eintragung Eigentum D

Übertragung der Vormerkung (Zweiterwerb)

Horst Eidenmüller SaR Seite 182, 09.02.2014

Vormerkung

Vormerkung: zusammenfassendes Schema

• Ersterwerb, §§ 883 I, 885 I

– Vormerkungsfähiger Anspruch

– Bewilligung/einstweilige Verfügung

– Eintragung

– Fortdauer der Bewilligung (hM)

– Berechtigung des Bewilligenden

– Ggf. gutgläubiger Ersterwerb, §§ 892, 893 analog

• Zweiterwerb, §§ 401, 413 analog

– Wirksamer Abtretungsvertrag bzgl. Forderung, § 398 S. 1

– Abtretbarkeit der Forderung, § 399

– Verfügungsberechtigung des Zedenten bzgl. Forderung

– Rechtsfolge: Vormerkung geht über, falls Zedent Inhaber einer Vormerkung (→ Ersterwerb inkl. gutgl. Ersterwerb)

– andernfalls gutgläubiger Zweiterwerb (BGH), §§ 892, 893 analog

Horst Eidenmüller SaR Seite 183, 09.02.2014

Grundpfandrechte

Grundpfandrechte

• Begriff und wirtschaftliche Bedeutung

– Hypothek

– Grundschuld

– Rentenschuld

– Zweck: Kreditsicherungsmittel

• Eurohypothek

• Unterteilung in

– akzessorisch/abstrakt

– Brief-/Buchgrundpfandrechte

– Fremd-/Eigentümergrundpfandrechte

Horst Eidenmüller SaR Seite 184, 09.02.2014

Grundpfandrechte

Begriff und wirtschaftliche Bedeutung von Grundpfandrechten

• Begriff („Pfandrecht“) irreführend, da er Akzessorietät impliziert, was aber nur auf die Hypothek zutrifft

• Arten

– Hypothek (§§ 1113 ff.)

– Grundschuld (§§ 1191 ff.)

– Rentenschuld (§ 1199 ff.)

• Zweck: Kreditsicherung → vorrangiges Befriedigungsrecht in der Insolvenz des Sicherungsgebers durch Absonderungsrecht, § 49 InsO (vgl. Folie 133)

• Größte praktische Bedeutung: Grundschuld

– Grund: nicht akzessorisch (anders Hypothek: § 1113)

– Auf Grundschuld sind die Vorschriften über die Hypothek gem. § 1192 ansonsten entsprechend anwendbar

Horst Eidenmüller SaR Seite 185, 09.02.2014

Grundpfandrechte

Begriff und wirtschaftliche Bedeutung von Grundpfandrechten

Quelle: http://www.macrobusiness.com.au/2011/05/australian-banks-paint-themselves-into-a-corner/imf-mortgage-debt-to-gdp-3/

Horst Eidenmüller SaR Seite 186, 09.02.2014

Grundpfandrechte

Begriff und wirtschaftliche Bedeutung von Grundpfandrechten

Quelle: Bundesverband deutscher Banken e.V.,, Zahlen, Daten, Fakten der Kreditwirtschaft, 11/2013, S. 17

Horst Eidenmüller SaR Seite 187, 09.02.2014

Grundpfandrechte

Begriff und wirtschaftliche Bedeutung von Grundpfandrechten

Quelle: Bundesverband deutscher Banken e.V.,, Zahlen, Daten, Fakten der Kreditwirtschaft, 11/2013, S. 17

Horst Eidenmüller SaR Seite 188, 09.02.2014

Grundpfandrechte

Begriff und wirtschaftliche Bedeutung von Grundpfandrechten

Quelle: Bundesverband deutscher Banken e.V.,, Bankenbericht 2010, Fakten, Meinungen , Perspektiven, 09/2010, S. 43

Horst Eidenmüller SaR Seite 189, 09.02.2014

Grundpfandrechte

Eurohypothek

• Modell eines europaeinheitlichen Grundpfandrechtes,

– welches den Gläubiger berechtigen soll, die nach dem jeweiligen Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union vorgesehenen Verwertungsrechte zu nutzen

– Zweck: Erleichterung grenzüberschreitender Vergabe und Refinanzierung von Hypothekarkrediten

• Derzeitiger Stand

– Weißbuch der Kommission zur Integration der EU Hypothekarkreditmärkte

– S. hierzu auch die Informationsseite der Kommission

• Ökonomischer Nutzen der „Eurohypothek“

– bisher nicht belegt

– Vgl. hierzu etwa Stöcker, Die Eurohypothek – Struktur einer ökonomischen Analyse, I&F 21 (2005), 766)

Horst Eidenmüller SaR Seite 190, 09.02.2014

Grundpfandrechte

Arten von Grundpfandrechten

• Einteilung nach der Verknüpfung mit der zu sichernden Forderung

– Hypothek ist streng akzessorisch, d.h. sie kann ohne die zu sichernde Forderung nicht bestehen/übertragen werden (vgl. § 1153 II)

– Grundschuld und Rentenschuld sind abstrakt (vgl. § 1192 I)

• Einteilung nach der Umlauffähigkeit

– Bei Briefgrundpfandrechten (vgl. § 1116 f.) ist Übertragung außerhalb des Grundbuchs möglich (§ 1154 I)

– Anders Buchgrundpfandrechte (§ 1154 III)

• Einteilung nach der Person des Berechtigten

– „Normalfall“: Fremdgrundpfandrecht (Fremdhypothek/Fremdgrundschuld)

– Aber auch Eigentümergrundpfandrecht (Eigentümerhypothek/Eigentümergrundschuld, vgl. § 1177) möglich; Zweck: Rangwahrung (aber § 1179a)

Horst Eidenmüller SaR Seite 191, 09.02.2014

Grundpfandrechte

Grundpfandrechte: Zusammenfassung

• Hypothek: akzessorisch ↔ Grundschuld: abstrakt

• Briefgrundpfandrecht ↔ Buchgrundpfandrecht

• § 1147: Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung

Horst Eidenmüller SaR Seite 192, 09.02.2014

Die Hypothek

Die Hypothek

• Ersterwerb, §§ 873, 1113– Normalerwerbstatbestand

– Gutgläubiger Ersterwerb

• Zweiterwerb, §§ 1153, 1154– Normalerwerbstatbestand

– Gutgläubiger Zweiterwerb

» Forderungsentkleidete Hypothek

» Mitlauf der Forderung

• Einreden gegen die Hypothek und gutgläubig einredefreier Erwerb

• Tilgungsproblematik– Zahlung auf die Forderung

– Zahlung auf die Hypothek

– Im 2-gliedrigen Verhältnis

– Im 3-gliedrigen Verhältnis (Eigentümer ≠ Schuldner)

Horst Eidenmüller SaR Seite 193, 09.02.2014

Die Hypothek

Begründung einer Hypothek (Ersterwerb)

• Dingliche Einigung über die Merkmale einer Hypothek (§ 1113), insbesondere Festlegung der gesicherten Forderung, § 873 I– Drittsicherung ist möglich, d.h. der Eigentümer des belasteten Grundstückes muss nicht

identisch mit dem persönlich haftenden Schuldner sein

– Dagegen muss der Inhaber der Hypothek auch Gläubiger der Forderung sein

– Formfrei möglich, § 925 e.c. (aber mittelbarer „Formzwang“, § 29 GBO)

• Eintragung, §§ 873 I, 1115

• Kein Widerruf zur Zeit der Eintragung bzw. Bindung, § 873 II

• Bestehen einer zu sichernden Forderung, § 1163 I– Zwar kann Hypothek auch zur Sicherung künftiger Ford. bestellt werden, § 1113 II,

– doch besteht vor Forderungsentstehung keine Hypothek, sondern eine Eigentümergrundschuld, §§ 1163 I 1, 1177 I (Grund: Rangwahrung!)

– Achtung: Entstehen der Forderung nicht verwechseln mit Fälligkeit! Der Anspruch aus § 488 I 2 entsteht bereits mit wirksamem Darlehensvertrag und Auszahlung der Darlehensvaluta; lediglich die Fälligkeit ist von der Laufzeit/Kündigung abhängig

Horst Eidenmüller SaR Seite 194, 09.02.2014

Die Hypothek

Begründung einer Hypothek (Ersterwerb)

• Briefübergabe oder Übergabesurrogat bei der Briefhypothek (§§ 1116, 1117 – anders bei der Buchhypothek)– Ist im Sachverhalt nichts angegeben, gilt der gesetzliche Normalfall der Briefhypothek

– Übergabe, § 1117 I 1 (≙ Übergabe iSv. § 929 S. 1)

– Übergabe kurzer Hand, § 1117 I 2 iVm. § 929 S. 2

– Besitzkonstitut, § 1117 I 2 iVm. § 930

– Abtretung des Herausgabeanspruches, § 1117 I 2 iVm. § 931

– Aushändigungsvereinbarung, § 1117 II (bereits die bloße Vereinbarung ersetzt die Übergabe; Aushändigung des Briefes durch GBA an Erwerber nicht erforderlich)

• Verfügungsberechtigung des Bestellers (Beachte ggf. § 878)

• Ggf. Gutgläubiger Ersterwerb, § 892

• Beachte § 952 II– Das Recht am Brief (Eigentum) folgt dem Recht aus dem Brief (Hypothek)

– Das Eigentum am Brief wird also nicht nach §§ 929 ff. übertragen

Horst Eidenmüller SaR Seite 195, 09.02.2014

Die Hypothek

Begründung einer Hypothek (Ersterwerb)

Fallbeispiel 2: V verkauft K in volltrunkenem Zustand ein Grundstück und lässt es diesem auf. K wird eingetragen. K bestellt daraufhin der Bank B, für die der gutgläubige Prokurist P handelt, zur Sicherung eines Darlehens eine Buchhypothek, die eingetragen wird. Da K nicht zahlt, will B die Zwangsvollstreckung betreiben. Zu Recht?

B

§§ 873, 1113

§ 488 I 2

KV

§§ 433, 311b I 1

§§ 873, 925

Fallbeispiel 1: E bestellt G zur Sicherung eines ihm gewährten Darlehens iHv. 50.000 € an seinem Grundstück eine Hypothek, wobei vereinbart wird, dass G berechtigt ist, sich den Brief direkt vom GBA aushändigen zu lassen. Die Hypothek wird eingetragen.Ansprüche des G bei Fälligkeit des Darlehens?Abwandlung: Das GBA händigt nicht G, sondern E den Brief aus. Kann G von E Herausgabe des Briefes verlangen?

EG§§ 873, 1113

§ 488 I 2

§ 105 II

P§ 49 HGB

Horst Eidenmüller SaR Seite 196, 09.02.2014

Die Hypothek

Übertragung einer Hypothek (Zweiterwerb)

• Grundregeln

– Forderung kann nicht ohne Hypothek, Hypothek kann nicht ohne Forderung übertragen werden (§ 1153 II)

– Übertragung der Hypothek: Forderung wird übertragen, damit geht die Hypothek kraft Gesetzes auf den neuen Gläubiger über (§ 1153 I)

– Vereinbaren die Parteien die Abtretung der „Hypothek“, so ist dies gem. §§ 133, 157 regelmäßig als Abtretung der Forderung auszulegen

• Ansonsten unterscheide

– Briefhypothek: §§ 398, 1154 I und II (Schriftform bzw. Eintragung im Grundbuch und Briefübergabe)

– Buchhypothek: §§ 398, 1154 III, 873 (Eintragung im Grundbuch)

Horst Eidenmüller SaR Seite 197, 09.02.2014

Die Hypothek

Übertragung einer Hypothek (Zweiterwerb)

• Wirksamer Abtretungsvertrag über die Forderung, § 398 S. 1

• in der Form des § 1154

– Beachte § 1154 I und II bei der Briefhypothek und § 1154 III bei der Buchhypothek

– Über § 1154 I 1 HS. 2 finden die Übergabesurrogate des § 1117 Anwendung

– Abtretung und Wahrung der Publizitätsvorschriften des § 1154 bilden einen sachenrechtlichen Doppeltatbestand für die wirksame Übertragung der Forderung

• Abtretbarkeit der Forderung, § 399

• Verfügungsberechtigung bzgl. Forderung

– Gegeben, wenn Forderung besteht und auch dem Zedenten zusteht (und dieser in Verfügungsmacht nicht beschränkt ist)

– Fehlt es an der Abtretbarkeit der Forderung oder an der Verfügungsberechtigung bzgl. der Forderung, ist ein gutgläubiger (fingierter) Forderungserwerb nach §§ 1138, 892 zu prüfen (vgl. Folie 199)

Horst Eidenmüller SaR Seite 198, 09.02.2014

Die Hypothek

Übertragung einer Hypothek (Zweiterwerb)

• Rechtsfolge, § 1153 I

– Die Hypothek geht über, falls sie tatsächlich besteht und auch dem Zedenten zusteht (Hier wirksamer (ggf. gutgläubiger) Ersterwerb inzident zu prüfen!)

– § 401 ist inhaltsgleich, braucht aber nicht mit zitiert zu werden

• Ggf. gutgläubiger Zweiterwerb, § 892

– Rechtsgeschäftlicher Erwerb der Hypothek im Sinne eines Verkehrsgeschäftes

» An sich (-), weil nur gesetzlicher Erwerb der Hypothek als Folge der Forderungsabtretung (§ 1153 I)

» Nach ganz h.M. genügt hier aber (ausnahmsweise) ein bloß mittelbarer rechtsgeschäftlicher Erwerb, weil andernfalls die Verkehrsfähigkeit der Hypothek beeinträchtigt wäre

– Unrichtigkeit des Grundbuches oder Briefes (§§ 1155, 1140 S. 1) bzgl. Hypothek

– Guter Glaube bzgl. Hypothek, § 892 I, II

– Kein Widerspruch in Grundbuch oder Brief (§ 1140 S. 2) bzgl. Hypothek

Horst Eidenmüller SaR Seite 199, 09.02.2014

Die Hypothek

Übertragung einer Hypothek (Zweiterwerb)

• Gutgläubiger (fingierter) Forderungserwerb, §§ 1138, 892

– § 1138 ermöglicht einen gutgläubigen Forderungserwerb, damit kraft Gesetzes die Hypothek nachfolgen kann (§ 1153 I)

– Dieser Forderungserwerb ist aber kein tatsächlicher, sondern wird nur für den Erwerb der Hypothek fingiert („für die Hypothek“)

• Im Einzelnen

– Anwendbarkeit § 1138 (-) bei Sicherungshypothek, § 1185 II

– Rechtsgeschäftlicher Erwerb der Forderung im Sinne eines Verkehrsgeschäftes (+), und zwar unmittelbar (Gegenstand der Abtretung!)

– Unrichtigkeit des Grundbuches oder Briefes (§§ 1155, 1140 S. 1) bzgl. Forderung

– Guter Glaube bzgl. Forderung, § 892 I, II

– Kein Widerspruch in Grundbuch oder Brief (§ 1140 S. 2) bzgl. Forderung

– Rechtsfolge: Mit dem fingierten Forderungserwerb erwirbt der Zessionar eine Hypothek, falls wenigstens ein Grundpfandrecht (in Form der Eigentümergrund-schuld) besteht (andernfalls Doppelmangel: Prüfung § 892 direkt bzgl. Hypothek)

Horst Eidenmüller SaR Seite 200, 09.02.2014

Die Hypothek

Übertragung (Verbriefung) von Hypothekarkrediten und Finanzkrise

• Fragen…

– Welche wirtschaftliche Relevanz hat die Übertragung von hypothekarisch gesicherten Krediten?

– Was bedeutet „Verbriefung“, „Leverage“, „CDO“, „CDS“, „ABS“, etc.?

– Wie entstand die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008?

• … hier sind einige Erklärungen und Antworten

– http://www.youtube.com/watch?v=bx_LWm6_6tA&feature=relmfu

– Siehe auch Eidenmüller, Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, 2009, S. 9 ff.

Horst Eidenmüller SaR Seite 201, 09.02.2014

Die Hypothek

Gutgläubiger Zweiterwerb einer Hypothek

Fallbeispiel 2 (zu §§ 1138, 892): V verkauft K in betrunkenem Zustand ein Grundstück, die Auflassung erfolgt später bei Nüchternheit. K wird als Eigentümer eingetragen. Zur Sicherung des Restkaufpreises bestellt K dem V an dem Grundstück eine Buchhypothek. V tritt die Restkaufpreisforderung formgerecht an den gutgläubigen G ab. Ansprüche des G gegen K?

G

§§ 398 S. 1, 1154

Fallbeispiel 1 (zu § 892): Der nunmehr unerkannt geisteskranke E bestellt dem N zur Sicherung eines ihm gewährten Darlehens (50.000 €) eine Buchhypothek an seinem Grundstück. N tritt die Darlehensforderung formgerecht an den gutgläubigen G ab. Ansprüche des G gegen E?

§§ 104 Nr. 2, 105 I

EN§§ 873, 1113

§ 488 I 2KV

§§ 433, 311b I 1§ 105 II

§§ 873, 925

§§ 873, 1113

§ 433 IIG

§§ 398 S. 1, 1154

→ ForderungsentkleideteHypothek

Horst Eidenmüller SaR Seite 202, 09.02.2014

Die Hypothek

Gutgläubiger Zweiterwerb einer Hypothek

Fallbeispiel 4 (zu §§ 1155, 1140): E bestellt A zur Sicherung eines ihm gewährten Dar-lehens (50.000 €) eine Hypothek. A tritt die Forderung mittels öffentlich beglaubigter Abtretungserklärung und Briefübergabe an B ab. Nachdem E den Darlehensvertrag wirksam angefochten hat, tritt B die Forde-rung privatschriftlich und durch Briefüber-gabe an den gutgläubigen C ab. Ansprüche des C gegen E?

Fallbeispiel 3 (zu §§ 1138, 892): Der unerkannt geisteskranke H erbt von seinem Vater V eine Buchhypothek am Grundstück des E sowie die damit gesicherte Darlehensforderung (50.000 €). Er tritt die Forderung formgerecht an D und dieser tritt sie formgerecht an den gutgläubigen G ab. Ansprüche des G gegen E?

EA

§§ 873, 1113

§ 488 I 2

B

§§ 398 S. 1, 1154

G§§ 398 S. 1, 1154

D

§§ 398 S. 1, 1154

§§ 104 Nr. 2, 105 I

E§§ 873, 1113

§ 488 I 2

V

H

§ 1922

→ Mitreißtheorie: Hypothek zieht Forderung zu sich

§§ 398 S. 1, 1154C

§ 142 I

Horst Eidenmüller SaR Seite 203, 09.02.2014

Die Hypothek

Einreden des Eigentümers und gutgläubig einredefreier Erwerb (§§ 1137, 1138, 1157)

• Der Eigentümer kann gegen die Hypothek die dem persönlichen Schuldner zustehenden Einreden geltend machen (§ 1137) → Ausfluss der Akzessorietät der Hypothek

– Beispiele: Stundung der Forderung, Einrede des nichterfüllten Vertrages (§ 320)

– Wichtige Ausnahme: § 216 I bei verjährter Forderung

– Zusätzlich Bürgeneinreden, § 1137 I 1 F. 2 iVm. § 770

– Gutgläubig einredefreier Erwerb: §§ 1138, 892

• Ferner kann der Eigentümer die unmittelbar gegen die Hypothek bestehenden Einreden geltend machen, und zwar (bei Abtretung der Forderung) auch gegenüber dem neuen Hypothekengläubiger, § 1157

– Beispiele: Stundung der Hypothek, Bereicherungseinrede (§ 821) bei nichtigem Sicherungsvertrag

– Gutgläubiger einredefreier Erwerb: §§ 1157 S. 2, 892

Horst Eidenmüller SaR Seite 204, 09.02.2014

Die Hypothek

Einreden des Eigentümers und gutgläubig einredefreier Erwerb (§§ 1137, 1138, 1157)

Fallbeispiel 2 (zu § 1157): Wie Fallbeispiel 1. Der Kaufpreisanspruch ist zwar nicht verjährt, jedoch hat V dem E die Hypothek für 1 Jahr gestundet. G ist dies nicht bekannt. Anspruch des G gegen E aus §1147?

Fallbeispiel 1 (zu §§ 1137, 1138): E bestellt V eine Hypothek zur Sicherung eines Kaufpreisanspruches des V gegen K. V tritt den Kaufpreisanspruch formgerecht an G ab, obwohl der Anspruch – wie G weiß – verjährt ist. Anspruch des G gegen E aus § 1147?Abwandlung: Forderung ist nicht verjährt, aber V hatte dem K vor Abtretung die Forderung gestundet. §1147?

EV§§ 873, 1113

§ 433 II

G§§ 398 S. 1, 1154 Verjährung

KEV

§§ 873, 1113§ 433 II

G§§ 398 S. 1, 1154

K

Stundung

Horst Eidenmüller SaR Seite 205, 09.02.2014

Die Hypothek

Erfüllung bei der Hypothek

• Leistung durch persönlichen Schuldner: Zahlung regelmäßig auf Forderung (→ Auslegung Tilgungsbestimmung, §§ 133, 157 analog)

– Forderung erlischt, § 362 I

– Hypothek wird zur Eigentümergrundschuld, §§ 1163 I 2, 1177 I

– Ausnahme: Ist im Innenverhältnis der zahlende Schuldner gegenüber dem Eigentümer rückgriffsberechtigt (z.B. Erfüllungsübernahme, §§ 415 III, 329), geht die Hypothek auf den Schuldner über und sichert nun den Rückgriffsanspruch (Fall der gesetzlichen Forderungsauswechslung), § 1164 I 1

• Leistung durch (personenverschiedenen) Eigentümer: Zahlung regelmäßig auf die Hypothek

– Forderung geht auf Eigentümer über, § 1143 I 1

– Hypothek folgt und wird zur Eigentümerhypothek, §§ 401, 412, 1153 I, 1177 II

Horst Eidenmüller SaR Seite 206, 09.02.2014

Die Hypothek

Erfüllung bei der Hypothek

• Leistung durch Dritte: Diese können nur auf Forderung leisten

– Ablösungsberechtigter Dritter: Gem. §§ 1150, 268 III geht die Forderung auf den Dritten über, die Hypothek folgt gem. §§ 401, 412, 1153 I

– Beliebiger Dritter: Gem. §§ 267, 362 I erlischt die Forderung, die Hypothek wird zur Eigentümergrundschuld, §§ 1163 I 2, 1177 I

• Leistung an Nichtberechtigten, insbesondere nach Übertragung der hypothekarisch gesicherten Forderung

– Bei Zahlung an den Zedenten schützen zwar §§ 406 ff. bzgl. der Forderung; gem. §1156 S. 1 gelten diese aber nicht in Ansehung der Hypothek (Ausnahme: § 1185 II)

– Der Eigentümer sollte daher gem. §§ 1160, 1161 stets die Vorlage des Hypothekenbriefes verlangen, da er dann gem. §§ 893, 892, 1140, 1155 mit befreiender Wirkung leisten kann

Horst Eidenmüller SaR Seite 207, 09.02.2014

Die Hypothek

Hypothek: zusammenfassendes Schema

• Ersterwerb einer Hypothek

– Bei Berechtigung des Verfügenden: §§ 873, 1113

– Bei Nichtberechtigung des Verfügenden: §§ 873, 1113, 892

• Zweiterwerb einer Hypothek

– Bei Berechtigung des Verfügenden: §§ 398 S. 1, 1154, 1153 I

– Bei Nichtberechtigung des Verfügenden

» Nichtberechtigung aus anderen Gründen als Fehlen der Forderung: §§ 398, 1154, 1153 I, 892 (Beachte §§ 1140, 1155)

» Nichtberechtigung weil Forderung fehlt: §§ 398, 1154, 1153 I, 892, 1138 (Beachte §§ 1140, 1155)

» Doppelmangel: §§ 892, 1138 (bzgl. Forderung) und § 892 (bzgl. Hypothek)

Horst Eidenmüller SaR Seite 208, 09.02.2014

Die Grundschuld

Die Grundschuld

• Allgemeine Merkmale

– Nicht-akzessorisch

– Anwendbare Vorschriften, § 1192 I

– Vorteile der Grundschuld

• Ersterwerb, §§ 873, 1191

• Zweiterwerb

– Briefgrundschuld

– Buchgrundschuld

– Gutgläubiger Erwerb

• Einreden

– gegen das dingliche Recht selbst

– aus dem Sicherungsvertrag

• Erfüllung bei der Grundschuld

Horst Eidenmüller SaR Seite 209, 09.02.2014

Die Grundschuld

Allgemeine Merkmale der Grundschuld

• Nicht akzessorisch, d.h. sie setzt hinsichtlich Begründung und Bestand keine Forderung voraus (vgl. § 1192 I)

• Obwohl die Hypothek nach dem gesetzlichen Modell der Regelfall ist, dominiert in der Rechtspraxis (deshalb) die Grundschuld

• Auf die Grundschuld finden gem. § 1192 I grundsätzlich die Vorschriften über die Hypothek entsprechende Anwendung, soweit

– sich nichts anderes daraus ergibt, dass die Grundschuld keine Forderung voraussetzt (§ 1192 I)

– in den §§ 1191 ff. nichts anderes bestimmt ist

– Nicht entsprechend anwendbar insbesondere §§ 1113, 1137-1139, 1153, 1163 I, 1164-1166, 1177

Horst Eidenmüller SaR Seite 210, 09.02.2014

Die Grundschuld

Vorteile der Grundschuld für den Gläubiger

• Grundschuld entsteht mit wirksamer Bestellung ohne Rücksicht darauf, ob die gesicherte Forderung schon entstanden ist…

– „Umweg“ über das Eigentümergrundpfandrecht (wie bei der Hypothek) für eine noch nicht valutierte Forderung (§§ 1163 I 1, 1177 I) entfällt

– … und verbleibt dem Gläubiger als Grundstücksrecht (zunächst) auch dann, wenn die Forderung erlischt

• Forderung kann formlos „ausgewechselt“ werden

– durch bloße Änderung der schuldrechtlichen Sicherungsabrede

– Spart Notar- und Grundbuchkosten gegenüber Hypothek, was etwa bei Umschuldungen relevant wird

Horst Eidenmüller SaR Seite 211, 09.02.2014

Die Grundschuld

Sicherungsgrundschuld

• Praktisch dient auch die Grundschuld im Regelfall der Sicherung einer Forderung (sog. Sicherungsgrundschuld)

• Sicherungsgrundschuld ist dinglich keine besondere Form der Grundschuld, der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Forderung und Sicherungsgrundschuld wirkt sich aber schuldrechtlich aus:

– Kausale Verknüpfung, sog. Sicherungsvertrag als causa iSv. § 812 der Sicherungsgrundschuld

– Rechtsbeziehungen bei der Sicherungsgrundschuld also auf drei Ebenen

» Gesicherte Forderung (idR. § 488 I 2)

» Sicherungsvertrag als schuldrechtliche Zweckabrede der Grundschuld (Was sichert die Grundschuld?, Rückübertragungsansprüche etc.)

» Grundschuld als dingliches Sicherungsrecht

Horst Eidenmüller SaR Seite 212, 09.02.2014

Die Grundschuld

Begründung einer Grundschuld (Ersterwerb)

• Dingliche Einigung über die Merkmale der Grundschuld, §§873, 1191– Formfrei, § 925 I e contrario (mittelbarer Formzwang aber über § 29 GBO)

– Bedingungszusammenhang zwischen Grundschuld und Bestand der Forderung nach hM trotz Abstraktheit möglich, § 925 II e contrario, aber praxisfern

• Eintragung im Grundbuch, § 873 I

• Kein Widerruf zur Zeit der Eintragung bzw. vorherige Bindung, § 873 II

• Briefübergabe bzw. Übergabesurrogat, §§ 1117, 1192 I (andernfalls entsteht nur Eigentümergrundschuld, §§ 1163 II, 1192 I), falls keine Buchgrundschuld (§§ 1116 II, 1192 I)

• Verfügungsberechtigung

• Ggf. gutgläubiger Erwerb, § 892

Horst Eidenmüller SaR Seite 213, 09.02.2014

Die Grundschuld

Übertragung der Grundschuld (Zweiterwerb)

• Wirksamer Abtretungsvertrag bzgl. Grundschuld, §§ 413, 398 S. 1

• Form, §§ 1154, 1192 I (wobei das in § 1154 für die Forderung Geregelte wegen § 1192 I unmittelbar für die Grundschuld gilt)

– Briefübergabe bzw. Übergabesurrogat bei Briefgrundschuld, §§ 1154 I/II, 1192 I

– Eintragung im Grundbuch bei Buchgrundschuld, §§ 1154 III, 1192 I

• Abtretbarkeit der Grundschuld, §§ 413, 399

• Verfügungsberechtigung → Ersterwerb

• Ggf. gutgläubiger Zweiterwerb

– Bei Buchgrundschuld nach § 892

– Bei Briefgrundschuld beachte zusätzlich §§ 1140, 1155, 1192 I

Horst Eidenmüller SaR Seite 214, 09.02.2014

Die Grundschuld

Einreden gegen die (Sicherungs-)Grundschuld

• Einreden gegen das dingliche Recht selbst iSv. §§ 1157 S. 1, 1192 I– Beispiel: Stundung der Grundschuld

– Diese können gem. §§ 1157 S. 1, 1192 I auch nach Übertragung der Grundschuld dem neuen Gläubiger entgegengehalten werden

– Gutgläubiger einredefreier Erwerb aber möglich, §§ 1157 S. 2, 1192 I, Ia 2

• Einreden aus dem Sicherungsvertrag iSv. § 1192 Ia 1– Beispiele: Unwirksamkeit des Sicherungsvertrages (§ 821), Nicht-Valutierung der

Grundschuld (infolge Erfüllung der Forderung), Stundung der Forderung, Zahlung in Unkenntnis der Abtretung auf Forderung (§ 407)

– Gem. § 1192 Ia können auch diese Einreden der Grundschuld entgegengehalten werden

– Anwendungsbereich § 1192 Ia: Erwerb der Grundschuld nach dem 19.08.2008, Art. 229 § 18 II EGBGB

– Bedeutung § 1192 Ia gegenüber früherer Rechtslage

» Auch Vorgänge nach der Zession können Einreden begründen („aus dem Sicherungsvertrag ergeben“, d.h. wenigstens angelegt sind)

» Nunmehr insoweit (Einreden aus dem Sicherungsvertrag) Ausschluss eines gutgläubigen einredefreien Erwerbs, § 1192 Ia 1 HS. 2

Horst Eidenmüller SaR Seite 215, 09.02.2014

Die Grundschuld

Einreden gegen die (Sicherungs-)Grundschuld

Fallbeispiel: E bestellt G zur Sicherung eines dem S gewährten Darlehens über 50.000 € eine Briefgrundschuld in gleicher Höhe. S zahlt eine Darlehensrate in Höhe von 10.000 € an G. Nachdem S eine weitere Darlehensrate nicht bedienen kann, zahlt E 10.000 € an G, wobei in Grundbuch oder Brief nichts eingetragen wird. Danach überträgt G Forderung und Grundschuld formgerecht an A. Ansprüche des A gegen S und E?

G

Zahlung 10.000 €

Zahlung 10.000 €

A

§§ 413, 398 S. 1, 1154 I, 1192 I

§ 398 S. 1

§ 488 I 2

S

E§§ 873, 1191

SicherungsV

Horst Eidenmüller SaR Seite 216, 09.02.2014

Die Grundschuld

Erfüllung bei der Grundschuld

• Leistung durch persönlichen Schuldner,

– der nicht zugleich Eigentümer ist: Dieser zahlt regelmäßig auf die Forderung

» Forderung erlischt, § 362 I

» Grundschuld bleibt bestehen (abstrakt!); aber schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch des Eigentümers aus Sicherungsvertrag

» Ist im Innenverhältnis der zahlende Schuldner gegenüber dem Eigentümer rückgriffsberechtigt (vgl. F. 205), gilt dafür nicht § 1164 I 1, weil Ausdruck der Akzessorietät, aber Schuldner kann vom Eigentümer Abtretung der Grundschuld bzw. des Rückübertragungsanspruches verlangen

– der zugleich Eigentümer ist: Dieser trifft regelmäßig eine doppelte Tilgungsbestimmung (Zahlung auf Forderung und Grundschuld)

» Forderung erlischt, § 362 I (Wird nur auf die Grundschuld gezahlt, erlischt die Forderung gleichwohl nach Rechtsgedanken § 364 II, weil die Grundschuld gleichsam erfüllungshalber zur Forderung gegeben wird)

» Grundschuld wird zur Eigentümergrundschuld nach Rechtsgedanken §§ 1142, 1143 (hM)

Horst Eidenmüller SaR Seite 217, 09.02.2014

Die Grundschuld

Erfüllung bei der Grundschuld

• Leistung durch personenverschiedenen Eigentümer: Zahlung regelmäßig auf die Grundschuld

– Forderung besteht fort, ist aber vom Gläubiger an den Eigentümer abzutreten

– Grundschuld wird zur Eigentümergrundschuld, §§ 1143 I 1, 1192 I

• Leistung an Nichtberechtigten, insbesondere nach Übertragung der Grundschuld

– Wie bei der Hypothek gelten bei Zahlung auf die Grundschuld §§ 893, 892, 1140, 1155, 1192 I

– Bei Zahlung auf die Forderung greift bei der Sicherungsgrundschuld § 1192 Ia 1: Das Nicht-Valutieren der Grundschuld bedeutet eine Einrede aus dem Sicherungsvertrag, die auch dem neuen Inhaber der Grundschuld entgegengehalten werden kann; war mit der Grundschuld auch die Forderung abgetreten, greift § 407 und führt damit ebenfalls zu derselben Einrede aus dem Sicherungsvertrag (Nicht-Valutieren)

Horst Eidenmüller SaR Seite 218, 09.02.2014

Die Grundschuld

Grundschuld: Zusammenfassung

• Grundschuld = abstraktes Sicherungsmittel

• Gem. § 1192 I finden die Vorschriften über die Hypothek entsprechende Anwendung, soweit diese nicht gerade Ausdruck der Akzessorietät sind

• Ersterwerb

– §§ 873, 1191

– Gutgläubiger Ersterwerb: § 892

• Zweiterwerb

– §§ 413, 398 S. 1, 1154, 1192 I

– Gutgläubiger Zweiterwerb: §§ 892, 1140, 1155, 1192 I

• Beachte bei der Sicherungsgrundschuld (Regelfall) § 1192 Ia