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werte und wort halten. JAHRBUCH 2018 fact fulness

factfulness - Privatstiftung - B&C · 2020. 7. 29. · unter das Thema Factfulness gestellt, denn wir sehen in der Besinnung auf das, was Tatsache ist, einen wesentlichen Wert. Auf

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werte und wort halten.

JAHRBUCH 2018

factfulness

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werte und wort halten.factfulness

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INHALT

Factfulness ...............................................................................................................04Vorwort des Vorsitzenden des Stiftungsvorstandes / Erich Hampel ............................. 05Jahresbrief des Stiftungsvorstandes / Stiftungsvorstand Wolfgang Hofer ....................06Standort mit Bestimmung / Wertelandkarte .............................................................. 10B&C Team .............................................................................................................. 12Mit Kongruenz und Vertrauen zum Erfolg / Peter Edelmann, CEO ............................ 16Die Realität der Fakten – ein komplexes Puzzle / Patrick Prügger, CFO .....................20Zielgerichtet und nachhaltig fördern / Mariella Schurz .............................................. 23Investments im Sinne des Standortes Österreich / Thomas Zimpfer ............................26

Die Entwicklung der Werte Europas / Matthias Beck ................................................ 30Dem Denken auf der Spur / Christopfer Weyrer ........................................................ 32Digitale Ethik / Sarah Spiekermann-Hoff .................................................................. 33Bildung ist der beste Anlegerschutz / Christoph Boschan ...........................................34Investieren mit Impact / Michael Altrichter .............................................................. 36Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit / Susanne Kalss ....................................... 38

Houskapreis 2018 .....................................................................................................40Houska-Talk: Energie, die verändert / Michael Stadler ...............................................42Club der Houskapreisträger ......................................................................................44Was bewirkte der Houskapreis? ................................................................................46Wiener Unternehmensrechtstag ................................................................................. 48

B&C PRIVATSTIFTUNG UND

B&C INDUSTRIEHOLDING

B&C KERNBETEIL IGUNGEN UND

B&C INNOVATION INVESTMENTS

52 – 106

Wertschöpfung für Österreich 2018 .......................................................................... 52

B&C Kernbeteiligungen / Globale Präsenz ................................................................ 56Ein Tag mit AMAG / Lenzing / Semperit .................................................................. 58

AMAG .....................................................................................................................64Facts & Figures ........................................................................................................ 70LENZING ............................................................................................................... 72Facts & Figures ........................................................................................................ 78SEMPERIT .............................................................................................................80Facts & Figures ........................................................................................................ 86

B&C Innovation InvestmentsDie Chancen der Technologie nutzen / Petra Preining, Thomas Zimpfer ....................90Flightkeys: Flugmanagement im digitalen Zeitalter ................................................... 94KINEXON: Echtzeit-Intelligenz für das Internet der Dinge ...................................... 97TTTech: Digitale Plattformen für eine vernetzte Welt ............................................. 100Citrine: Materialien, aus denen unsere Zukunft gebaut wird .................................... 103

Impressum ............................................................................................................. 106

04 – 51

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ERICH HAMPEL Vorsitzender des Stiftungsvorstandes

Rosling kritisiert in seinem Buch „Factfulness“, dass Medien häufig durch emotionale Botschaften, dramatische Berichte oder Dringlichkeitsapelle bewusst unsere Urinstinkte ansprechen. Die Tendenz zu permanentem, oberf lächlichem Verallgemeinern, Dramatisieren und Angstschüren hindert uns, Informationen systematisch einem Faktencheck zu unter-ziehen. Stattdessen zementieren wir unsere Vorurteile ein und verzichten darauf, veraltetes Wissen aufzufrischen. Wer nüchtern und sachlich Fakten und Daten vermittelt, droht heute in der Informationsf lut unterzugehen.

Roslings Botschaft lautet: Faktencheck ist besser als blindes Vertrauen – und die Welt ist nicht so schlecht, wie sie scheint.

Erich HampelVorsitzender des Stiftungsvorstandes

Sehr geehrte Damen und Herren,wirtschaftliche Entscheidungen, vor allem jene mit langfristigen Auswirkungen, erfordern stets einen sorg-fältigen Faktencheck und Berechenbarkeit in jedem Sinn des Wortes.

Der Titel des B&C-Jahrbuchs 2018 „Factfulness – Werte und Wort halten“ passt daher sehr gut zu den Aufgaben, Leistungen und Herausforderungen der B&C-Gruppe.

Seit vielen Jahren fördern wir Großinvestitionen unserer Kernbeteiligungen Lenzing AG, AMAG Austria Metall AG und Semperit AG Holding und sichern dadurch deren internationale Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklung.

In den letzten 10 Jahren wurde über 1 Milliarde Euro in der AMAG investiert, wodurch in Ranshofen das modernste Alu-Werk Europas entstand. Die Lenzing AG investierte zuletzt in eine neue Produktionslinie am Standort Heiligenkreuz. Bei Semperit konnte durch den Werksausbau für Hydraulikschläuche in Odry, Tsche-chien die international führende Wettbewerbsposition des Bereiches Semperf lex gefestigt werden. Die B&C Innovation Investments GmbH hat sich 2018 erfolgreich an zwei weiteren Wachstumsunternehmen im Technolo-giebereich beteiligt.

Der Blick auf die Fakten und Kennzahlen der B&C-Gruppe in diesem Jahrbuch zeigt auch, dass wir heute und für die Zukunft gut aufgestellt sind – stra-tegisch, organisatorisch und auch personell. Weichen-stellungen im Stiftungsvorstand wurden zuletzt ebenso umgesetzt, wie die Neuformierung der Geschäftsfüh-rung der B&C Industrieholding.

Wir haben also vorgesorgt und sind auch in Zukunft da, wenn wir gebraucht werden – speziell dann, wenn es gilt, heimische Vorzeigeunternehmen und exzellentes techno-logisches Know-how in Österreich zu halten.

Gemeinsam sind wir stets auf der Suche nach den besten Ideen für unseren Wirtschaftsstandort. Das macht die B&C-Gruppe auch zu einem geschätzten Partner im Forschungs- und Bildungsbereich, wie zahlreiche erfolg-reiche Projekte und Kooperationen mit verschiedenen Organisationen und Institutionen belegen.

Zu allen diesen Themen finden Sie Beiträge in diesem Jahrbuch. Interviews und Gastbeiträge hochkarätiger Experten – sowie der eine oder andere philosophische Gedankenanstoß – runden dieses Buch ab. Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre und freuen uns auf Ihr Feedback!

Ist die Welt heute wirklich so, wie wir sie sehen? Menschen nehmen bei relevanten Themen wie zum Beispiel Armut, Bildung, Bevölkerungswachstum oder Klimawandel die globale Situation viel schlechter wahr, als sie tatsächlich ist. Dies hat der 2017 verstorbene schwedische Wissenschafter Hans Rosling festgestellt.

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Das Jahr 2018 brachte für uns erneut manchen Erfolg, aber auch ganz unerwartet, große He-rausforderungen. Getreu der Satzung unserer Stiftung galt unsere Aufmerksamkeit zuvor-derst der Förderung und Weiterentwicklung unserer Kernbeteiligungen. Bei der AMAG steht derzeit das Hochlaufen der beiden großen neuen Walzwerke ganz oben auf der Agenda. Daneben werden bereits jetzt die nächsten Schritte bedacht, denn die Welt bleibt nicht stehen, sondern dreht sich höchs-tens schneller.

Semperit hat den aufgezwungenen Abschied vom thailändischen Joint Venture zu verdauen und baut die sehr erfolgreichen Industrie- sektoren Semperf lex, Sempertrans und Semperform weiter aus. Lenzing steht vor der Herausforderung, auch im Ausland näher an die Kunden zu rücken. Die Strategie lautet insgesamt: weg von Commodities, hin zu Spezialitäten.

Die Geschäftstätigkeit unserer drei Kern-beteiligungen generiert insgesamt 1,5 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung in Österreich. Dies entspricht fast 0,5 % der heimischen Wirtschaftsleistung und sichert mehr als 13.500 Arbeitsplätze. Damit tragen unsere Kernbeteiligungen nicht un-erheblich zu Wohlstand und Beschäftigung in Österreich bei.

Unser jüngstes Segment, die Beteiligung an Wachstumsunternehmen entwickelt sich erfreulich. Es ist wirklich erfrischend, mit wel-cher Einsatzbereitschaft und Ernsthaftigkeit sich Jungunternehmer ihren Ideen widmen. Wir begleiten diese Unternehmen in der Wachstumsphase gerne dabei, ihr Geschäfts-modell und ihre Standfestigkeit weiterzuent-wickeln und damit zu wichtigen Säulen der Wirtschaft von morgen zu werden. Darüber hinaus planen wir die Kooperation mit öffent-lichen Fördereinrichtungen zu intensivieren.

Durch die Nutzung vorhandener Strukturen werden Ressourcen effizienter eingesetzt und begrenzte öffentliche Gelder werden um zusätzliche Mittel erweitert. So können mehr förderwürdige Projekte in den Genuss einer Unterstützung kommen. Selbstverständlich setzen wir auch den 2005 initiierten Houskapreis fort, der wirtschaftsnahe, anwendungsorientierte Forschung fördert.

Zwischen 2006 und 2019 wurden zahlreiche Pro-jekte aus der universitären Forschung sowie inno-vative Forschungsleistungen von KMUs prämiert. Die B&C gehört damit zu den größten nicht aus Steuergeld finanzierten Initiativen im Land.

Im Rahmen des Stiftungszwecks realisieren wir damit auf mehreren Ebenen sinnvolle Aktivitäten für Österreich.

In unserem Akquisitionsfokus stehen weiterhin große Unternehmen mit einer vielversprechen-

den bzw. entwicklungsfähigen Marktposition, insbesondere im internationalen Wettbewerb. Das Familienunternehmen ist für uns die inter-national erfolgreichste Eigentümervariante – wo immer diese nicht möglich ist, sehen wir unser Stiftungsmodell als eine gute Wahl.

Das öffentliche Interesse an der B&C und ihrer weiteren Entwicklung ist derzeit besonders hoch. Dabei stellen sich aktuell eine Reihe von Fragen, für die es von Seiten der Legislative, respekti-ve der Judikatur Klärungen braucht. Vor dem Hintergrund unserer erfolgreichen Entwicklung ist es in der Tat nicht verwunderlich, dass unsere Stiftung auch in den Blickpunkt von ausgewiese-nen Chancen-Findern und Chancen-Verwertern gerät. Es ist die Aufgabe des Stiftungsvorstandes, derartige Ansätze am Stiftungszweck zu messen.

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzu-halten: Der klare Zweck unserer Stiftung ist, das österreichische Unternehmertum zu fördern.

Wolfgang Hofer ist Vorstands-mitglied der B&C Privatstiftung, Vorsitzender des Aufsichtsrates der B&C Industrieholding GmbH und Partner bei Grohs Hofer Rechtsanwälte GmbH.

JAHRESBRIEF DES STIFTUNGSVORSTANDES

Inmitten einer Welt, die von mancherort zunehmenden Unsicherheiten und einem oft fragwürdigen Faktenverständnis geprägt ist, haben wir dieses Jahrbuch

unter das Thema Factfulness gestellt, denn wir sehen in der Besinnung auf das, was Tatsache ist, einen wesentlichen Wert. Auf den folgenden Seiten wollen wir

daher dem Prinzip Factfulness sowie anderen aktuellen Themen Raum geben und die wesentlichen Entwicklungen und Meilensteine in unserer Stiftung sowie unseren

Beteiligungen darstellen.

Wolfgang HoferVorstandsmitglied der B&C Privatstiftung

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Wir tun dies insbesonders im Hinblick auf unsere Kernbeteiligungen und halten so die Entscheidungszentralen bedeutender Unter-nehmen in Österreich. Alleine in den Jahren 2016 bis 2018 haben die Kernbeteiligungen der B&C fast EUR 800 Mio. in Österreich investiert. Diese Unternehmen werden nach streng ökonomischen Grundsätzen geführt, damit sie sich auf Dauer im internationalen Wettbewerb behaupten können. Durch die Besetzung der Aufsichtsräte auch mit externen Fachleuten geben wir unseren Beteiligungen Hilfestellung und Leitlinien für eine unge-störte Entwicklung.

Weiters hält die Stiftungsurkunde klar und deutlich fest, dass Begünstigten kein Recht auf Zuwendungen zukommt. Alle Erträge der Stiftung sind primär in neue Unternehmen oder in bestehende Beteiligungen zu reinves-tieren. Im Einklang mit diesem Prinzip haben wir zum Beispiel Semperit in den vergangenen beiden Jahren Hybridkapital zur Verfügung gestellt. Ein Handel mit Begünstigten-

rechten wäre natürlich mit der Erwartung eines Returns auf das für den Erwerb einge-setzte Kapital verbunden, was regelmäßige Kapitalabf lüsse bedeuten würde, was wiederum dem Stiftungszweck widerspricht.

Das österreichische Stiftungsrecht ist ein noch junges Rechtsgebiet, das sich in der derzeitigen Form allerdings einigermaßen anpassungs-resistent darstellt. Das ziemlich unf lexible Abstellen auf den ursprünglichen Willen des Stifters berücksichtigt nicht, dass sich die Welt weiterentwickelt – die richtige Entscheidung eines Stifters von vor 25 Jahren kann sich in der Gegenwart als nicht mehr zeitgemäß darstellen. Für das Bestehen im Wettbewerb braucht es heute Flexibilität und Anpassung, nicht jedoch Beharren und Versteinerung.

Es stellt sich die Frage, ob es dem Gesetzgeber gelingt, nach dem Wegfall der Generation der Stifter einer gewissen Dynamik in den weiteren Gestaltungs- und Entscheidungsmög-lichkeiten Raum zu geben, ohne die wirklich

tragenden Säulen jeder Stiftung zu schleifen. Derzeit sind Änderungsrechte nur den Stiftern vorbehalten, in der Folge entfallen die Mög-lichkeiten für Änderungen de facto –die Anwendung des bestehenden Gesetzes durch die Gerichte ist oft starr und stellt un-praktische Hürden auf. Selbstverständlich steht es dabei außer Streit, dass der Stiftungszweck an sich sakrosankt bleiben muss, bedenkens-wert ist allerdings eine größere Offenheit in der Umsetzung desselben. Es wäre unser Wunsch, dass sich der Gesetzgeber dieser Herausfor- derung stellt und sie erfolgreich bewältigt.

Für uns im Stiftungsvorstand ist es im laufen-den Jahr eine zentrale Aufgabe, die gegenwärti-gen Turbulenzen, die von unseren eigentlichen Kernthemen ablenken, zu klären und zu lösen. Wir werden uns diesem Vorhaben mit voller Kraft widmen. Darüber hinaus geht 2019 eine neue Initiative zum Thema Wirtschaftsbildung an den Start: Mit unserem Partner Berndorf- Privatstiftung gründen wir die Bildungs-stiftung. Wir können so unsere finanziellen

Ressourcen und unsere fachliche Expertise bündeln und wollen unterschiedliche Projek-te, die nachhaltig wirksam sind, gemeinsam realisieren.

Diese Jahr wirft auch aufgrund des drohenden Brexits große Fragen auf. Der EU-Ausstieg Großbritanniens ist bereits aus wirtschaftlicher Sicht nachteilig, aus politischer Perspektive aber ein Desaster. Die Einigkeit Europas wäre heute dringlicher denn je. Im Kontext globaler Entwicklungen stellen separatistische Ten-denzen in der EU eine ernste Bedrohung dar – inmitten der Vielfalt Europas ist es entschei-dend, gemeinsame, verbindende Standpunkte zu finden.

Die wirtschaftliche Union Europas wird ohne einem Bewusstsein der Einigkeit und Zusam-mengehörigkeit nicht möglich sein. Daher braucht es gerade heute, neben der wirtschaft- lichen wohl auch mehr politische Bildung, um in der Gesellschaft ein solides Grundverständ-nis für diese Werte zu verankern.

„Für das Bestehen im Wettbewerb braucht es heute Flexibilität und Anpassung, nicht jedoch Beharren und Versteinerung.“

Wolfgang HoferVorstandsmitglied der B&C Privatstiftung

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STANDORT MIT BESTIMMUNG

Glaubwürdigkeit

Komplexität

N A C H H A LT I G K E I T

W E R T S C H Ä T Z U N G

Verlässlichkeit

Aufm

erks

amke

it

Reflexion

Stabilität

Resilienz

Verbundenheit

V E R T R A U E N

Talente

Ressource

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Berechenbarkeit

Unabhängigkeit

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S E M P E R I T

L E N Z I N GIm Zentrum der B&C Privatstiftung steht ein ebenso knappes wie klares Ziel: die Förderung des österreichischen Unternehmertums. Diese Mission wurde anlässlich der Gründung der Privatstiftung im Jahr 2000 in der Satzung festgehalten und leitet seither das strategische wie das operative Tun sämtlicher Gesellschaf-ten der Gruppe.

Mit langfristig orientierten Beteiligungen bietet die B&C stabile Eigentumsverhältnisse, Vermögen wird im Land gehalten, Know-how und Unternehmenszentralen bleiben in Öster-reich. Als aktiver Kernaktionär industrieller Leitbetriebe unterstützen wir die Entwicklung von nachhaltigen Wachstumsstrategien sowie die Expansion auf den Weltmärkten.

Die B&C gibt ihren Kernbeteiligungen Pla-nungssicherheit und übt ihre Aktionärsrech-te verantwortungsbewusst im Interesse des jeweiligen Unternehmens aus. Damit wird nicht nur ein wesentlicher Beitrag zum Erfolg der Unternehmen geleistet, sondern auch der Industriestandort Österreich gefördert.

Vor dem Hintergrund des digitalen Wandels investiert die B&C darüber hinaus in techni-sche Wachstumsunternehmen, die zukunfts- orientierte Lösungen entwickeln. Aufstrebende Betriebe werden hierdurch in ihrer Entwick-lung unterstützt und mit etablierten Unterneh-men vernetzt. Essenzielle Schlüsseltechnologien werden so für den österreichischen Wirt-schaftsstandort erschlossen.

Neben der konkreten Beteiligungstätigkeit för-dert die B&C-Gruppe über mehrere Initiativen auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Rah-menbedingungen. Mit dem Houskapreis werden wirtschaftsnahe und damit unternehmensre-levante Forschungsprojekte prämiert. Weitere Initiativen sind beispielsweise Stiftungsprofes-suren sowie der Wiener Unternehmensrechts-tag, der sich mit aktuellen Unternehmens- und Kapitalmarktrechtsthemen beschäftigt. Die Tätigkeit der B&C-Gruppe reicht damit weit über die strategischen Beteiligungen hinaus – wodurch ein wichtiger Beitrag für die österreichische Volkswirtschaft und die Allgemeinheit in Österreich geleistet wird.

STANDORT

B&C WERTEL ANDKARTE

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THOMASZIMPFER

Geschäftsführer

PATRICK PRÜGGER

Geschäftsführer CFO

PETER EDELMANN

Geschäftsführer CEO

MARIELLASCHURZ

Geschäftsführerin

B&C JAHRBUC H 2018

I N D U S T R I E B E T E I L I G U N G E N T E C H N O LO G I E B E T E I L I G U N G E N

K E R N -B E T E I L I G U N G E N

Vorstand:

Erich Hampel, VorsitzenderWolfgang HoferHerbert Ortner

Stiftungszweck:

„Förderung des österreichischen

Unternehmertums“

M ANAGEMENT-GESELLSCHAFTEN

WE I T E R E B E T E I L I G U N G E N

50,0 %+2 AKTIEN

54,2 %

52,7 %

10,0 %

Peter Edelmann, CEOPatrick Prügger, CFOMariella SchurzThomas Zimpfer

Petra Preining Thomas Zimpfer

Aufsichtsrat:

Wolfgang Hofer, VorsitzenderJosef KrennerBirgit Noggler

Astrid Skala-KuhmannSonja Zimmermann

GESCHÄFTSFÜHRER

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DA S TEA M DER B&C

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MIT KONGRUENZ UND VERTRAUEN ZUM ERFOLG

Peter Edelmann ist seit Jahresbeginn CEO der B&C-Gruppe. In dieser Funktion verantwortet er vor allem die strategische

Ausrichtung, das Beteiligungsmanagement der Kernbeteiligungen sowie den Portfolioausbau im Industrie- und Technologiebereich. Er spricht im Interview zu persönlichen Erfahrungen langjähriger

Führungstätigkeit, der Relevanz von Werten und aktiver Aufsichtsratsarbeit.

Ein wesentlicher Fokus Ihrer Tätigkeit sind die Kernbeteiligungen der B&C. Wie schätzen Sie in diesem Zusammen-hang den Stellenwert der Aufsichtsrats- arbeit ein?

Der Aufsichtsrat ist Interessenvertreter des Eigentümers und ist in dieser Funktion vor allem dafür da, den Vorstand einer Beteiligung zu unterstützen und gemeinsam mit diesem sicherzustellen, dass sich das Unternehmen er-folgreich entwickelt, sich den richtigen Heraus-forderungen stellt und wandlungsfähig bleibt. Wie die Wurzeln eines Baumes ist er meist für Kunden und Mitarbeiter nicht sichtbar, aber eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass der Vorstand gut und wirksam arbeiten kann.

Der Aufsichtsrat muss indirekt führen und als Sparringspartner die richtigen Fragen stellen: Was ist zu tun und warum? Im Sinne seiner strukturellen und mittelbaren Führungsauf-gabe ist der Aufsichtsrat nicht direkt aktiv tätig; er überprüft, was einem externen Blick

standhält. Der Vorstand erarbeitet unmittelbar und im Kontext, was konkret zu tun ist und kann sich dabei auf das neutrale, distanzierte und trotzdem involvierte Bild des Aufsichtsrats stützen.

Wenn man eine Kugel von A nach B rollen möchte, wird der Vorstand die Kugel unmittel-bar bewegen und der Aufsichtsrat wird dafür Sorge tragen, dass sich eine schiefe Ebene in die beabsichtigte Richtung einstellt. Struk- turelle Führung ist nicht evident, aber mittel-bar sehr wesentlich!

Aber ist es nicht die Aufgabe des Auf-sichtsrates, die Führungsmannschaft in Unternehmen zu besetzen?

Ja, das ist essenziell: Der Aufsichtsrat muss die richtigen Personen im Vorstand auswählen und positionieren und dafür sorgen, dass sie als Team gut zusammenarbeiten und die beabsich-tigte Wirksamkeit erzielen.

PETER EDELMANN

ist im Libanon geboren, studierte in Deutschland

Betriebswirtschaftslehre und war in vielen Industrie-

unternehmen im Management tätig, u. a.

war er lange Vorsitzender der Geschäftsführung von Voith

Turbo, zuletzt war er Vorsitzender der Geschäfts-

führung von KAEFER Isoliertechnik.

Die Digitalisierung und andere Megatrends in der Wirtschaft sind derzeit in aller Munde. Wie muss hier der Aufsichtsrat zusammengesetzt sein, damit er die richtigen Impulse setzen kann?

Der Aufsichtsrat muss divers aufgestellt sein, er darf nicht homogen sein. Die Mitglieder müssen unterschiedliche Blickrichtungen auf das Unternehmen mitbringen. Die Kernfrage ist: Welche Perspektiven braucht ein Unter- nehmen? Die Themen können sehr unterschiedlich sein, wichtig ist eine gute Kombination. Die Diversität des Führungsteams und des Aufsichtsrats ist die Basis für Kreativität. Die kreative Leistung muss in den Unterneh-men erbracht werden, aber der Aufsichtsrat kann sie durch die richtigen Fragestellungen anregen.

Das Thema Werte ist für Sie sehr wesentlich – was ist hier Ihre Orientierung?

Werte sind ein zentrales Element der Unternehmenskul-tur: Durch Werte wird eine Unternehmenskultur geformt und ein Individuum mit einer Gemeinschaft verbunden. Werte sind kein Recht des Individuums gegenüber der

Gemeinschaft, sondern sie beschreiben die Erwartungen der Gemeinschaft an ihre Mitglieder und wie ein Indivi-duum denken und handeln soll, damit die Gemeinschaft erfolgreich ist. Letzten Endes ist ein Unternehmen eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel Erfolg zu haben. Hierfür muss jeder Einzelne seinen wertvollen Beitrag leisten. Die Werteorientierung ist die Grundlage, damit eine Gemein-schaft Erfolg haben kann.

Was macht Unternehmen erfolgreich, worauf sollte man aus Ihrer Sicht den Blick lenken?

Ich bin davon überzeugt, dass Kongruenz und Vertrauen die Grundlage für unternehmerischen Erfolg sind – Kongruenz im Sinne eines stimmigen Gesamtbildes, das sich nicht nur auf eine Ebene fokussiert. Die Bilanz bildet dabei auf einer unteren Ebene die Momentaufnahme der Substanz zum 31.12. eines Jahres ab. Wenn man auf die Substanz Einf luss nehmen möchte, muss man eine Ebene darüber ansetzen, in der Gewinn- und Verlustrechnung.

Letztlich ist noch eine ganz andere Ebene entscheidend: die Attraktivität des Unternehmens für Kunden und Mitarbeiter.

Peter Edelmann CEO

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Wer für Kunden attraktiv ist, kann sich eine höhere Preisprämie erarbeiten und Marktanteile gewinnen. Wer für Mitarbeiter attraktiv ist, kann auf höhere Motivation und Produktivität zählen. Daher gilt es, permanent an der Attraktivität zu arbeiten, hier ist auch die Ebene des Aufsichtsrates gefragt. Was aber nicht stimmig ist, kann nie attraktiv werden. Wird Kongruenz erreicht, haben Unternehmen das Potenzial, attraktiv zu werden und Erfolg zu haben.

Sie waren zuvor bei führenden deutschen Industrieun-ternehmen aktiv, die global erfolgreich sind. Was hat Sie gereizt, diese Position anzunehmen?

Ich habe in meiner ganzen beruf lichen Laufbahn nur für Familienunternehmen gearbeitet, weil ich deren Werteorientie-rung und Langfristigkeit schätze. Familien haben finanziellen Erfolg, weil sie nicht vorrangig daran interessiert sind, ein Un-ternehmen zu verkaufen, sondern es stetig weiterzuentwickeln und an die nächste Generation in einem viel besseren Zustand zu übergeben.

Natürlich sind Familienunternehmen auch ein empfindliches Konstrukt. Den Stürmen der Generationswechsel unterliegt dagegen eine Stiftung nicht – sie ist damit noch nachhaltiger.

Die Konstruktion der B&C gefällt mir gerade deswegen sehr gut. Zu Beginn meiner Laufbahn hat mich das Gestalten stark motiviert – ein Werk von Wert zu schaffen und das am liebsten gemeinsam mit anderen! Je älter ich werde, desto mehr tritt das eigene, unmittelbare Gestalten in den Hintergrund.

Das Wachstum der Menschen, die einem anvertraut sind, mo-tiviert weit stärker. Führungsteams zu führen motiviert mich – ich sehe und erlebe gerne, wie Menschen Dinge professionell und mit Leidenschaft gestalten! Ich helfe im Hintergrund und freue mich über deren Erfolge. Ein Unternehmen muss letztlich ein Ort produktiver Partnerschaften sein, einer Partnerschaft für gutes Arbeiten und Leben. Wenn die Strukturen anspre-chend sind, bereitet die Arbeit Freude und die Menschen sind in der Lage, entlang ihrer Talente und Interessen zu wachsen und aufzublühen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Stärken des neu formierten Führungs-Teams der B&C-Gruppe?

Es ist ein komplementäres Team von werteorientierten Menschen, die gerne und gut miteinander arbeiten und sich gegenseitig vertrauen. Das macht das besondere Potenzial dieser Mannschaft aus.

VERTRAUEN

Vertrauen ist die Basis all unserer Aktivitäten. Wir erlangen es, indem unser Handeln vor-

hersehbar ist und auf Prinzipien basiert. Wir agieren stets so, dass wir das Vertrauen und die Loyalität unser Gesprächspartner, Kolle-

gen, Mitarbeiter und Eigentümer behalten und intensivieren. In jeder Situation handeln wir so, dass unser Verhalten als Grundlage einer allge-

meinen Maxime herangezogen werden kann.

PR OFESS IONALITÄT

Die B&C ist ein Ort produktiver Partnerschaf-ten, die auf echter Zusammenarbeit und aktiver Beteiligung aller Mitglieder basieren. Alle leis-ten ihr Bestes im Hinblick darauf, was sie sind,

was sie wissen und was sie beitragen können. Professionalität ist für uns ein wichtiger Wert, wir streben kontinuierlich danach, in unserem

Tun Meisterschaft zu erlangen. Wir streben kontinuierlich nach höheren Leistungsstandards und arbeiten nahtlos im Team zusammen. Wir sind zupackend und ergebnisorientiert, bewer-ten auf der Basis von Fakten und konzentrieren

uns auf die Erfolgsfaktoren.

NACHHALTIGKEIT

Unser Tun ist von Langfristigkeit und Stetig-keit getragen. Wir treffen Entscheidungen, die

nachhaltig und auch auf die nächste Generation hin orientiert sind. Unser unternehmerisches Wirken hat das Wohle Österreichs im Blick.

MEIN WERTEBILD FÜR DIE B&C

WERTSCHÄTZUNG

Unser Umgang miteinander ist von Acht-samkeit und Wertschätzung getragen. Wir

behandeln und respektieren den anderen als individuelle Persönlichkeit und freuen uns

über dessen Andersartigkeit als Quelle der Ins-piration und Kreativität. Kollegialität und Zu-verlässigkeit sind uns bei der Arbeit im Team

wichtig. Aus unseren attraktiven Arbeitsbezie-hungen formt sich eine großartige und diverse Gemeinschaft, aus der starke Partnerschaften

hervorgehen.

VERANTWORTUNG

Das Gesamtinteresse steht bei allen unseren Handlungen an erster Stelle. Wir ringen stets

um die beste Lösung. Es zählt was richtig ist und nicht wer Recht hat. Wir beachten die Gesetze, die ethischen Normen und die Bewahrung unserer Umwelt. Wir halten uns

an Verträge und versprechen nur, was wir auch einhalten können.

BESCHEIDENHEIT

Wir nehmen uns selbst gerne zurück und rin-gen stets darum, ein guter und aufmerksamer Zuhörer zu sein. Wir versuchen, eine „großzü-gige“ und „dienende“ Haltung einzunehmen und die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich

sind, ohne Eitelkeit und Arroganz.

„Führungsteams zu führen motiviert mich – ich sehe gerne, wie Menschen Dinge gestalten! Ich helfe im Hintergrund und freue mich über die Erfolge.“

PETER EDELMANN

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Seit 2017 ist für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern eine Nachhaltig-keitsberichterstattung auf EU-Ebene verpf lichtend. Wie sind Ihre Erfahrun-gen nach dem ersten Berichtsjahr?

Letztes Jahr haben unsere Kernbeteiligungen das erste Mal verpf lichtend einen Nachhal-tigkeitsbericht erstellt. Das war ein lehrrei-cher Prozess, weil wir ganz unterschiedliche Reifegrade dafür in den Unternehmen hatten. Bei AMAG und Lenzing wird Nachhaltigkeit schon lange als eines der Fundamente der Unternehmensstrategie gelebt und ist inte- grierter Bestandteil deren Geschäftsmodelle. Bei AMAG beginnt das Thema Nachhaltig-keit zum Beispiel in der Gießerei durch den Einsatz von Schrott. Bis zu 80 % rezikliertes Vormaterial im Produktionsprozess ist in die-ser Form einzigartig. Es gibt keinen Alumi-niumverarbeiter weltweit, der bei der breiten

Produktpalette eine so hohe Schrotteinsatz-quote aufweist. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern auch ökonomisch sehr sinnvoll. Bei Lenzing ist Nachhaltigkeit ebenso ein zen-trales Thema und war schon immer als Teil der gelebten Unternehmenskultur verankert. Dort war es die Aufgabe, die Philosophie aus dem Marketing in die „Welt der externen Finanzberichterstattung“ zu bringen.

Besonders war für mich die mit dem NaDiVeG neu eingeführte Prüfpf licht des Aufsichtsrates. Es war für mich überraschend wie wenig sich Aufsichtsräte im Allgemeinen ihrer Verantwortung bewusst waren. Für mich eine zentrale Frage war: Wie kann der Aufsichtsrat den Bericht nicht nur formal und gegebenenfalls prozessual, sondern auch inhaltlich prüfen. Der Aufsichtsrat muss darauf einwirken, eine Nachhaltigkeitskultur im Unternehmen zu schaffen. Ich bin dafür,

PATRICK PRÜGGER

studierte Handels-wissenschaften an der Universität Linzund ist in den USA als Wirtschaftsprüfer zugelassen.

Er war Finanzvorstand in börsennotierten Unternehmen (u. a. bei KTM) und ist seit 2011 Geschäftsführer der B&C Industrieholding GmbH.

DIE REALITÄT DER FAKTEN – E IN KOMPLE XES PUZZLE

generell etwas weniger, aber dafür authentisch, offen, transparent und fokussiert, die wirklich wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte zu berichten, als die Unternehmen mit komplexen noch nicht einheitlich messbaren Ziel- systemen zu überfordern.

In seinem Buch Factfulness beschreibt der schwedi-sche Forscher Hans Rosling, dass unsere Einschät-zungen oft nicht den tatsächlichen Fakten entspre-chen, da wir von veralteten Annahmen ausgehen, negativen Ereignissen mehr Beachtung schenken als positiven und von Emotionen geleitet sind. Das negative Denken ist heute insgesamt sehr prä-sent, auch durch die Negativschlagzeilen. Für Rosling entsteht dadurch insgesamt eine verzerrte Sicht auf unsere Welt, die dazu führt, dass wir Fortschritte und Veränderungen zu wenig wahrnehmen. Sehen wir uns schlechter, als wir sind – sollten wir den Blick auf unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft neu justieren?

Aus meiner Wahrnehmung muss zwischen Gegenwart, Blick nach vorne und Vergangenheit differenziert werden. Gerade mit Blick in die Vergangenheit scheint es so zu sein, dass wir die negativen Entwicklungen untergewichten und die positiven übergewichten. Was Gegenwart und Zukunft betrifft scheint es genau umgekehrt zu sein. Es ist erstaun-lich, dass tendenziell nur Bad News Good News sind. Obwohl es uns doch in nahezu allen Bereichen des Lebens heute besser geht als den Generationen vor uns. Primär ist zu adressieren, um wie viel geht es denen, denen es früher schlechter ging, heute besser. Es muss eine Balance gewahrt

bleiben und es soll nicht passieren, dass wir in einer Gesell-schaft landen, wo alle nur mehr das Glas halb leer sehen. Das führt sonst zu Destruktivität.

Ein Beispiel ist die Frage, ob die Produktion von Baum-wolle oder Zellulose umweltfreundlicher ist? Viele denken Baumwolle wäre in Summe besser und nachhaltiger, weil sie nach ihrem subjektiven Gefühl urteilen. Betrachtet man jedoch die Fakten, so ist das anders. Zellulose ist eine industriell hergestellte Faser, deren Rohstoff Holz ist. In fast allen relevanten Dimensionen ist diese Faser nach-haltiger als Baumwolle – man denke alleine an die allseits bekannten ökologischen Katastrophen durch die künstliche Bewässerung. Eine faktenbasierte Diskussion ist Grund- voraussetzung, um diese Frage erörtern und beantworten zu können.

Geht es uns heute besser als vor 20 Jahren? Diese Diskus-sion ist ebenfalls faktenbasiert zu führen. Auch muss man sich verschiedene Lebensbereiche ansehen. Beispielsweise zu qualitativ hochwertiger Aus- und Weiterbildung haben heute tendenziell mehr junge Leute Zugang als noch vor 30 Jahren. Dass es sozial natürlich noch immer Barrieren gibt, liegt an der Sozialisierung und dem Umfeld der Familie. Auch der Zugang zu Quantität und Qualität im Konsum-bereich hat sich enorm gesteigert – man betrachte alleine das Reise- und Urlaubsverhalten. Was vor 30 Jahren einer privilegierten Oberschicht vorbehalten war, ist heute für viele – leider noch nicht alle – ein leistbarer Lebensstan-dard. Hören wir doch endlich auf zu jammern und arbeiten daran, das Erreichte zu erhalten bzw. weiterzuentwickeln.

Patrick Prügger, CFO ist seit 2011 Geschäftsführer der B&C Industrieholdung GmbH. Im Interview spricht er über die

neue Nachhaltigkeitsberichterstattung und den Wert valider Fakten, nicht nur in der Finanzberichterstattung von Unternehmen.

„ Geht es uns heute besser als vor 20 Jahren? “

PATRICK PRÜGGER

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Das Buch Factfulness ist außerdem ein Plädoyer für die Stärke von validen Daten. Rosling ist überzeugt: Die Welt lässt sich nicht ohne Zahlen verstehen – aber auch nicht mit ihnen allein. Rosling plädiert dafür, sich nicht von den Instinkten leiten zu lassen, sondern Fakten kritisch zu prüfen, selbst wenn die Zusammenhänge komplex sind. Auch auf Unterneh-mensebene ist dies ein zentrales Anliegen, oder?

Das muss das Ziel sein. Die Kunst wird sein, dass man die enorme Menge und Komplexität von Zusammenhängen, Informationen und Daten so abstrahiert, dass es verständ-lich wird. Das erzeugte Bild muss objektiv neutral bleiben. Wichtig erscheint aber der zweite Halbsatz von Roslings Statement. Neben den Zahlen und Fakten ist und bleibt der Faktor Mensch.

Bei AMAG hat es einen Wechsel an der Spitze gegeben. Ich erlebe bei AMAG in meiner Funktion als Aufsichtsrat ein hohes Maß an positiver Emotionalität und die Identifi-kation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen hat zu einer wirklich tollen Unternehmenskultur geführt. Das ist nicht zuletzt dem jetzigen Vorstand und deren Vorgängern zu verdanken. Ein gut funktionierendes Team steht für mich im Zweifel über der Kompetenz eines Einzelnen.

Interne versus externe Vorstandsbesetzung: Der Nachfolge-prozess für den CEO war völlig ergebnisoffen angelegt.

Der Aufsichtsrat hat einen spezialisierten Personalberater mit der Suche geeigneter Kandidaten beauftragt und in diesen Prozess wurden auch interne Kandidaten in die Nachfolgeplanung einbezogen. Ich persönlich freue mich sehr, dass sich ein interner Kandidat in diesem objektiven und harten Prozess durchsetzen und zum neuen CEO bestellt werden konnte.

Wie sehen Sie insgesamt die Entwicklung des Unternehmens?

Ich bin hinsichtlich der langfristigen Entwicklung der AMAG sehr zuversichtlich. Zum einen, weil dort echt ein großartiges Führungsteam und eine gute Unternehmens-kultur vorhanden ist. Wir haben ein nachhaltiges Ge-schäftsmodell, aber auch einige Herausforderungen. Die vorhandene Prozess- und Produktkompetenz adressiert zukunftsträchtige Themen und hat enormes Potenzial.

Es muss aber bewusst sein, dass es heutzutage mehr Überraschungen gibt als noch vor einigen Jahren. Was uns früher ein Jahrzehnt lang beschäftigt hat, verändert sich heute zwei Mal im Jahr. Die Zyklen – so es überhaupt noch Zyklen sind – werden kürzer, die Amplituden größer.

Das ist die Normalität von heute. Um damit umgehen zu können, sind völlig neue Führungs- und Steuerungsmodelle erforderlich. Das ist für mich auch ein wesentlicher Aspekt von Digitalisierung im Sinne eines nicht nur unternehmeri-schen, sondern gesellschaftlichen Transformationsprozesses.

ZIELGERICHTET UND NACHHALTIG FÖRDERN

Was hat sich für Sie in den letzten 12 Monaten in Ihrer Tätigkeit verändert?

Ich bin seit 2018 Mitglied der Geschäftsfüh-rung der B&C Industrieholding GmbH und verantworte in dieser Funktion die Bereiche Compliance, Personal und Kommunikati-on, also klassische Inhalte für eine gelernte Juristin.

Gleichzeitig bin ich aber auch für die B&C Privatstiftung als Generalsekretärin tätig und hier für die Förderinitiativen der Stiftung zuständig, wie beispielsweise für den Houska- preis.

Das Jahrbuch ist heuer dem General-thema Factfulness gewidmet. Wie stehen Sie diesem Begriff gegenüber?

Unter Factfulness verstehe ich die unaufge-regte Rückbesinnung auf Fakten. Wie sich die sozialen Medien etabliert haben, steht heute in einem starken Kontrast dazu. Die Begeis-terung mag zwar schon wieder am Abf lauen sein, hat aber dazu geführt, dass zu vieles un-hinterfragt geglaubt und verbreitet wird. Die Menschen brauchen einfach Zeit, um einen verantwortungsbewussten Umgang mit den neuen Medien zu lernen. Ich denke und hoffe, dass wir an einem Punkt der Rückbesinnung angelangt sind.

MARIELLA SCHURZ

ist promovierte Juristin und seit 2012 bei der B&C Industrieholding tätig, wo sie auch seit 2018 Mitglied der Geschäftsführung ist.

Gleichzeitig fungiert sie als Generalsekretärin der B&C Privatstiftung.

„ Unter Factfulness verstehe ich die unaufgeregte

Rückbesinnung auf Fakten.“

Mariella Schurz Geschäftsführerin

Patrick PrüggerCFO

MARIELLA SCHURZ

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Der Unternehmensrechtstag und das Kapitalmarktforum sind zwei wichtige Impulse der B&C Privatstiftung für den österreichischen Wirtschaftsstandort. Wie entwickeln sich diese Initiativen?

Mit Susanne Kalss und Ulrich Torggler haben wir hier zwei profunde Partner auf universi-tärer Ebene, die jährlich alternierend Schwer-punktthemen zu diesen Spezialbereichen des Wirtschaftsrechts aufbereiten und vortragen. Es gelingt immer wieder, internationale Experten dafür nach Wien zu bringen. Der Unternehmensrechtstag und das Kapital-marktforum bieten damit wichtige Beiträge, um die juristischen Rahmenbedingen des Kapitalmarktes zu diskutieren und weiterzu-entwickeln. Unter dem Motto „We don’t need no education“ initiierte die B&C Privatstif-tung 2018 beim Forum Alpbach eine

Breakoutsession. Bettina Fuhrmann von der Wirtschaftsuniversität Wien präsen-tierte eine Studie zum Wirtschaftswissen Jugendlicher in Österreich. Was fanden Sie an den Ergebnissen interessant und wie wird es hier weitergehen?

Bettina Fuhrmann untersuchte in ihrer Studie, wie es um das Wirtschaftswissen von Jugendlichen am Ende der Sekundarstufe I (14- bis 15-Jährige) bestellt ist.

Wir sind auf die aufrüttelnden Erkenntnisse aufmerksam geworden und unterstützen jetzt die Fortsetzung dieser Studie, die sich mit dem Wissen der Schüler am Ende der Sekun-darstufe II beschäftigt: Es ist uns ein großes Anliegen, hier nicht nur einmalig ein Projekt voranzutreiben, sondern relevante Themen nachhaltig und langfristig zu fördern. Aus diesem Grund werden wir auch 2019 beim Forum Alpbach unser Engagement fortsetzen.

Wir wären damit beim Thema Kommunikation, die einen Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit bei der B&C bildet. Was ist Ihnen hier wichtig?

In der heutigen sehr schnelllebigen Zeit ist es eine besondere Herausforderung, Themen, die einem wichtig und wertvoll erscheinen, genau auf den Punkt zu bringen. Wir halten uns dabei an das Prinzip der Authentizität. Man sollte meiner Meinung nach immer sich und seiner Linie treu bleiben.

Zu Ihren Agenden bei der B&C Privat- stiftung zählt auch das Förderwesen der Stiftung – eine zentrale Säule ist hier der Houskapreis, Österreichs größter privater Preis für anwendungsnahe Forschung. Er wird seit mehr als einem Jahrzehnt vergeben. Wie hat er sich seit dem Start entwickelt?

Der Houskapreis wurde im Jahr 2005 ins Leben gerufen. Im kommenden Jahr wird die Preisverleihung bereits zum 15. Mal stattfin-den. Während dieser langen Periode hat sich einiges verändert, vieles wurde erfolgreich weiterentwickelt, aber wir bemühen uns stets noch besser zu werden. Luft nach oben gibt es immer.

Wir konnten beobachten, dass sich nicht nur die Anzahl der Einreichungen beim Houskapreis sehr gut entwickelt hat, sondern insbesondere auch die Qualität der Projekte.

Wir selbst sind keine Experten für For-schungsförderung, verfügen jedoch über hochrangig besetzte Gremien, die aufgrund ihrer Expertise und ihrer Netzwerke fundierte Beurteilungen vornehmen können.

Für den Fachbeirat und die Fachjury ist es wegen der Vielzahl der qualitativ hochwerti-gen Projekte nicht immer einfach, die Preis-träger zu ermitteln. Es freut mich persönlich sehr, dass der Houskapreis in den letzten Jahren in der österreichischen Forschungs-

community sehr gut angenommen wurde und sehr anerkannt ist. Im Rahmen der jährlichen Preisverleihung ist es uns ein großes Anlie-gen, den österreichischen Spitzenforschern eine wertschätzende Bühne für ihre beeindru-ckenden Leistungen zu bieten.

Seit 2018 gibt es den Club der Houskapreisträger. Was waren Ihre Beweggründe, diesen zu gründen und was hat sich seither getan?

Ich wurde mehrfach in der Vergangenheit von ehemaligen Preisträgern angesprochen, dass sie sich zusätzlich zur jährlichen Preisverleihung eine stärkere Vernetzung wünschen. Auch uns war es ein Anliegen, die Entwicklung der Preisträger und ihrer Projekte weiter zu verfolgen. So haben wir im April 2018 den Club der Houskapreis-träger ins Leben gerufen. Der Club soll kein Selbstzweck sein, sondern den Spitzenfor-schern einen Mehrwert bieten.

Im Jänner 2019 fand der erste Netzwerk- abend zum Schwerpunktthema „Interak-tion Wissenschaft – Wirtschaft – von der Forschungsidee bis zur wirtschaftlichen Umsetzung“ statt. Unterschiedliche Stake-holder haben ihre spezifischen Erfahrungen eingebracht, wodurch sich eine sehr angeregte Diskussion ergeben hat.

Die B&C Privatstiftung unterstützt Forschung auch über Stiftungsprofes-suren. Welches Anliegen steht hier im Vordergrund?

Von staatlicher Seite stehen für bestimmte Professuren, die aus Sicht der Forschungs-community notwendig wären, nicht immer genügend budgetäre Mittel zur Verfügung. Dann ist eine Überbrückungsfinanzierung von privater Seite wichtig und sinnvoll. Wir unterstützen solche Professuren dann, wenn wir in Verbindung mit uns nahestehenden Unternehmen die Notwendigkeit dafür bestä-tigt sehen und die qualitative Werthaltigkeit sicherstellen können.

Mariella Schurz Geschäftsführerin

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INVESTMENTS IM S INNE DES STANDORTES ÖSTERREICH

In Ihrer neuen Position verantworten Sie zwei Geschäftsbereiche der B&C – was steht hier jeweils im Vordergrund?

Mein Verantwortungsbereich umfasst den Portfolioaus-bau – gegliedert in M&A-Aktivitäten, die ich für die B&C Industrieholding mit Blick auf inländische Industrieperlen koordiniere und in die Fortsetzung des Portfolioaufbaus im Bereich von Technologie-Wachstumsunternehmen. Die beiden Bereiche unterscheiden sich deutlich, haben aber auch verbindende Elemente. Zielsetzung der B&C Indus-trieholding ist, über typischerweise großvolumige Inves-titionsschritte etablierte Vorzeigeunternehmen in Öster-reich zu halten oder nach Österreich zurückzuholen und nach der Investitionsphase über die Wahrnehmung einer Kernaktionärsstellung den Wertsteigerungsweg dieser Un-ternehmen zu unterstützen. Diese befinden sich in einem weltweiten Wettbewerb, wo Stillstand keine Fortbestands- option darstellt. Investitionssituationen zu finden und mit solchen professionell umzugehen, also die richtigen Ent-scheidungen zu erarbeiten, steht hier im Vordergrund.

Typische Situationen, in denen eine Beteiligung der B&C gefragt sein kann, sind Nachfolgelösungen für Familien- Unternehmen, gemeinsame Expansionsbestrebungen mit solchen, in denen B&C als Finanzierungspartner zum Mitgesellschafter wird oder Konzern-Abspaltungen. Die Investorenlandschaft ist von Konzernen mit (im Regelfall) überschaubar patriotischer Standortorientierung im Sinne

Österreichs und Finanzinvestoren bestimmt. Letztere haben jedenfalls einen Exit-Druck. Österreichischen Vorzeigeun-ternehmen wird aus B&C Sicht in beiden Fällen typischer Weise kein langfristiger Eigentümer-Hafen geboten. Genau an dieser Stelle setzen wir als Käufer und später Kernge-sellschafter an, da der Zweck der Stiftung ein anderer ist: Die B&C Industrieholding möchte als langfristig den-kender Eigentümer attraktive Unternehmen in Österreich halten und Beiträge zur Wertentwicklung leisten.

Das erscheint uns heute wichtiger denn je. Die Aufgabe ist jedenfalls eine Große, denn es gibt käuferseitig höchst strukturierten Wettbewerb, u.a. aus China, und an unse-ren Aktivitäten hängt ein wesentlicher Teil der österreichi-schen Wertschöpfung, also der Beschäftigung. Der zweite Bereich - die B&C Innovation Investments („BCII“) – un-terstützt rasch wachsende, typischerweise junge Unterneh-men mit starkem Technologie- und Innovationseinschlag bei ihrem Wachstum. Im Gegensatz zu den etablierten Industrieunternehmen sind Beteiligungen der BCII stark gründergeprägt und expansiv.

Wir wollen für dahinterstehende Entrepreneure ein pro-fessionelles und langfristig orientiertes Gegenüber sein. Sie sehen, in beiden Feldern geht es um Eigenkapital- investitionen in Unternehmen. Ein wesentlicher Unter-schied ist etwa, dass Etablierte typischerweise ein ausge-wogeneres Verhältnis aus Profitabilität und Wachstum aufweisen, also im Regelfall Cash-positiv wirtschaften,

während Wachstumsunternehmen zu Gunsten der hohen Dynamik die Last einer „Burn-rate“ in Kauf nehmen (müssen). Hier ist die BCII als nicht bloß kurzfristiger Begleiter gefragt.

Worin sehen Sie die zentralen Herausforderungen der B&C Industrieholding?

Im Hinblick auf das Industrievermögen der B&C haben wir aus meiner Sicht im Wesentlichen zwei große Verant-wortungsbereiche: Auf die Werthaltigkeit und Wertstei- gerung der vorhandenen „Assets“ – also Kernbeteiligungen – zu achten und diese aus der Gesellschafterrolle begleitend zu unterstützen. Dies erfolgt im Wesentlichen über unsere Tätigkeit in den jeweiligen Aufsichtsräten.

Die andere Verantwortung betrifft den bereits thematisier-ten M&A-Bereich, wo im Fokus steht, richtig zu selektie-ren und zu urteilen, um die Unternehmen zu identifizieren, die im Sinne des Stiftungszweckes als Kernbeteiligungen bestgeeignet sind. Es gilt also, den Handlungsspielraum in Form vorhandener Liquidität genau dort einzusetzen, wo er an Alternativen gemessen den maximalen Nutzen entfaltet. Das heißt kurzum, wir müssen zum richtigen Zeitpunkt auf die richtigen Unternehmen setzen. Unsere Zielsetzung ist, dass die Attraktivität der B&C, nämlich der „USP“ in Form von Langfristigkeit und – ganz wichtig – Unabhän-gigkeit erkannt wird und dass wir deshalb als Investor und Partner gewünscht sind.

Was passiert mit den Gewinnausschüttungen der beteiligten Unternehmen?

Die B&C kann man sich in diesem Kontext gewissermaßen als Kreislaufsystem vorstellen. Die oberste Maxime aus Eigentümersicht ist die Wertsteigerung der voneinander getrennt operierenden jeweiligen Kernbeteiligungen. In Abhängigkeit von den jeweiligen Strategien und ihren eigenen Bedürfnissen schütten die Unternehmen Divi-denden an ihre Gesellschafter aus, die seitens B&C unter dem Stiftungszweck reinvestiert werden – in Unterneh-mensbeteiligungen oder weitere Förderinitiativen. Private Dividendenempfänger oder gar Begünstigte bestehen nicht. Resultat des beschriebenen Kreislaufes ist beispielsweise, dass B&C die AMAG, die zu wesentlichen Teilen in der Hand eines ausländischen Private-Equity-Hauses war, nach Österreich zurückholen konnte. Die notwenige Liquidität stammte aus dem beschriebenen Kreislauf bzw. dem Fokus auf Kernbeteiligungen.

Was würde es am Kapitalmarkt brauchen, um die Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen zu verbessern?

Ich würde mir in Österreich eine deutlich positivere und aufgeschlossenere Kapitalmarktkultur wünschen. Ich denke, die Grundlage hierfür müsste bereits im Wirt-schaftskundeunterricht in der Schule als Fundament entwickelt werden. In meinen Augen besteht diesbezüglich

THOMAS ZIMPFER

startete 2011 als Beteiligungsmanager bei B&C. Seit 2016 ist er Geschäftsführer der B&C Innovation Investments, im März 2019 wurde er außerdem zum Geschäftsführer der B&C Industrieholding bestellt.

Thomas Zimpfer, seit März 2019 Mitglied der Geschäftsführung der B&C Industrieholding, schildert im Interview seine beiden zentralen

Verantwortungsbereiche: die Mergers & Akquisition (M&A) Aktivitäten und die Beteiligung an Wachstumsunternehmen.

„Die B&C Industrieholding möchte als langfristig denkender Eigen- tümer attraktive Unternehmen in Österreich halten und Beiträge zur Wertentwicklung leisten.“

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in Österreich ein anderer Status quo als beispielsweise in Deutschland. International sind die Unterschiede im Westen wie auch fernen Osten noch erheblicher. Für den österreichischen Kapitalmarkt selbst ist der vorbörsliche Bereich wesentlich: Was kommt an Unternehmertum nach, das die Anforderungen einer späteren Kapitalmarktnotie-rung erfüllt!? Für eine Börsennotierung sind aus unserer Sicht folgende Faktoren erforderlich: Eine kritische Unter-nehmensgröße, vielversprechende Profitabilität und – ganz wichtig – hinreichende Wachstumsaussicht. Viele aufstre-bende Unternehmen haben zwar großes Potenzial, aber oft noch keinen Geschäftserfolg in Form von Profitabilität. Bankkredite sind daher keine adäquate Finanzierungsform, da diese aufgrund der Reifephase schlichtweg nicht bedient werden können und, später sehr wertvolle Fremdfinan-zierungsinstrumente, in dieser Phase eingesetzt zu einer Wachstumsbremse werden können. Verbesserte Finanzie-rungsmöglichkeiten in Form von Wagniskapital sind für diesen vorbörslichen Bereich daher absolut entscheidend. Hier setzt die B&C Innovation Investments Akzente – wir begleiten Unternehmen als Partner für Wachstumsfinan-zierungen in Form von Eigenkapital-Investments, damit sie für den vorbörslichen Bereich fit werden.

Was sehen Sie als Zukunftsvision der B&C?

Unser Profil ist durch zwei übergeordnete Ziele geprägt: die Langfristigkeit und die Unabhängigkeit von Interes-sen und Einf lüssen Dritter. In diesem Sinne sind wir über unseren Eigentümerbeitrag bestrebt, Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen, langfristig fit zu halten. Wir erleben eine Zeit großer Veränderungen: Die durchschnitt-liche Lebensspanne der Fortune-500-Unternehmen hat sich über die letzten Jahrzehnte in etwa halbiert.

Ich habe aufgrund meiner beruf lichen Vergangenheit Be-zug zum Private-Equity-Geschäft und weiß daher, dass im Vergleich zu kurzfristig angelegten Investments über drei bis fünf Jahren eine langfristige Unternehmensentwicklung mit dem Ziel der Absicherung im Sinne des Wirtschafts-standortes eine große Herausforderung darstellt. Das Ange-bot der B&C ist vor dem Hintergrund der aktuellen Her-ausforderungen wichtig und ein Alleinstellungsmerkmal.

Für diese Ambition braucht es Überzeugung und einen respektvollen Zugang, worin ich auch zwei zentrale Dimensionen für die Zukunftsvision der B&C sehe.

„Unsere Zielsetzung ist, dass die Attraktivität der B&C, nämlich der „USP “ in Form von Langfristigkeit und – ganz wichtig – Unabhängigkeit erkannt wird und dass wir deshalb

als Investor und Partner gewünscht sind.“ WERTE entstehen und bestehen nicht aus Worten.Werte entstehen und werden beständig durch Handlung.

Thomas Zimpfer Geschäftsführer

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DIE ENTWICKLUNG DER WERTE EUR OPA S

Die Werte Europas verdanken sich einer langen Traditi-on. Sie speisen sich aus der griechischen und römischen Philosophie, dem Judentum, dem Christentum sowie der europäischen Aufklärung. Im Kontext der griechischen Phi-losophie war es vor allem Aristoteles (384 bis 323 v. Chr.), der angesichts einer Krise des Staates fragte, was eigentlich alle Menschen suchen. Er kam darauf, dass alle Menschen ihr Glück finden wollen. So entfaltete er seine Tugendlehre mit den Tugenden von Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß. Aus dem Judentum kam die Vorstellung vom Men-schen als dem Ebenbild Gottes, aus dem Christentum jene, dass vor Gott alle Menschen gleich sind und in der Zeit der Aufklärung war es Immanuel Kant (1724 bis 1804), der philosophisch den Begriff der Menschenwürde entfaltete.

Aristoteles fragt in seiner Nikomachischen Ethik, wie der Mensch den Weg zum Glück findet. Glück heißt im Griechischen: Eu-daimonia, frei übersetzt: dem guten Geist folgen. Dem guten Geist folgen meint vor allem diese vier Tugenden einzuüben, die schon Plato und die vorplatoni-sche Philosophie ref lektiert haben. Tugenden sind innere Haltungen, die der Mensch durch täglichen Vollzug lernt. Tugenden sind tauglich für das Leben. Die Klugheit ist eine Tugend des Geistes. Der Mensch soll weitsichtig denken und langfristig handeln: Was immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende.

Der Heilige Ignatius von Loyola (1491 bis 1556), der viel von Aristoteles gelernt hat, gibt für wichtige Entscheidun-gen folgenden Rat: Wenn du etwas Wichtiges zu entschei-den hast, versetze dich in die Stunde deines Todes und überlege, wie du von dort her hättest entschieden haben wollen. Dieser Anregung liegt ein Weltbild zugrunde, das

besagt, dass der Mensch einmal Rechenschaft über sein Leben ablegen muss.

Die Tugend der Gerechtigkeit ist eine Tugend der Gemein-schaft und des menschlichen Miteinanders. Es geht um Tauschgerechtigkeit, die dazu anhält, faire Geschäfte zu tätigen. Es geht um Verteilungsgerechtigkeit, die darauf abzielt, endliche Güter gerecht zu verteilen. Ungerechtigkeit führt zu Unfrieden, Hass und Aggression. Sich für Gerechtigkeit einzusetzen, heißt Friedensarbeit zu leisten. Im Letzten geht es um eine personale Gerechtigkeit, die danach trachtet, dem anderen (und sich selbst) gerecht zu werden. Jedem soll das Seine zukommen. Außerdem soll Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden.

Die Tugend der Tapferkeit ist eher aus dem militärischen Bereich genommen. Heute würde man besser von Mut oder Zivilcourage sprechen. Diese Tugend ist mit der Tugend des Maßes zusammen zu sehen. Das Maß ist die rechte Mitte zwischen zwei Extremen. Es ist nicht das Mittelmaß. Diese rechte Mitte macht Aristoteles am Beispiel der Tapferkeit fest. Tapferkeit ist die rechte Mitte zwischen Feigheit und Tollkühnheit. Der feige Soldat bleibt im Schützengraben liegen, der tollkühne rennt blind ins Feld. Die rechte Mitte besteht darin, die Feigheit zu überwinden und nicht tollkühn loszulaufen, sondern wohlüberlegt mit Klugheit zu handeln. Die Tugend des Maßes durchzieht alle anderen Tugenden. Für die Medizin bedeutet sie zum Beispiel, die rechte Dosis zu finden: nicht zu viel, nicht zu wenig. Die Dosis macht das Gift hat Paracelsus gesagt.

Parallel zur griechischen Philosophie entwickelt sich im Ju-dentum eine eigene Ethik. Sie schlägt sich vor allem in den

10 Geboten nieder. Der Gott Israels, dessen Namen man nicht aussprechen darf und von dem man sich kein Bild machen soll, führt das Volk Israel aus der Knechtschaft Ägyptens in die Freiheit – so der Glaube Israels. Das gött-liche Wirken ist eine Befreiungstat. Damit die Menschen diese Freiheit nicht mehr verlieren, gibt Jahwe dem Volk die 10 Gebote. Die Präambel zu diesen 10 Geboten lautet: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat; aus dem Sklavenhaus“ (Ex 20, 2-17).

Im Christentum geht es um die innere Befreiung des Menschen. Der christliche Gott ist frei, er ist in sich ein Beziehungsgeschehen zwischen Vater, Sohn und Geist. Er ist sich selbst genug, er braucht die Welt nicht, er ist frei, sie zu schaffen. Wenn er sie schafft, braucht er die freie Mitwirkung des Menschen. Das ist das Risiko. Der Mensch kann nein sagen, er muss zur Freiheit erzogen werden. Die Ethik des Christentums spricht von Gottesliebe, Selbstliebe und Nächstenliebe (sogar Feindesliebe) und von Hand-lungsfreiheit, Willensfreiheit und Wesensfreiheit.

Die Handlungsfreiheit bezieht sich auf die äußere Freiheit, die Willensfreiheit auf die innere Freiheit. Allerdings muss der Mensch zu dieser Freiheit befreit werden. Denn er ist durch die Verstrickungen der Welt nicht vollständig in der Lage, aus sich selbst heraus die Freiheit und das Gute um-zusetzen. Paulus sagt es so: „Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will“ (Röm 7,19). Der Mensch muss zum Tun des Guten befreit wer-den. Dazu bedarf es aus christlicher Sicht der Anbindung an einen anderen Grund, der den Menschen übersteigt. Ein zentraler Begriff der europäischen Geschichte ist jener der Menschenwürde. In der römischen Philosophie sprach

Cicero (106 bis 43 v. Chr.) bereits davon. Hier allerdings in dem Sinn, dass Menschen sich durch gute Verdienste im Staat diese Würde verdienen können. Im Mittelalter war es Pico della Mirandola (1463 bis 1494), der die Frage der Menschenwürde mit dem freien Willen des Menschen in Zusammenhang brachte.

Schließlich ist es in der Neuzeit Immanuel Kant, der den Begriff der Würde entfaltet. Diese Würde wohnt jedem Menschen inne, sie wird ihm nicht von außen verliehen: „Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquiva-lent verstattet, das hat eine Würde.“ Hier wird zwischen Würde und Wert (Preis) unterschieden. Ein zweites Zitat Kants ist für diesen Zusammenhang von Bedeutung: Dinge haben einen „relativen Wert, …und heißen daher Sachen, dagegen vernünftige Wesen Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst“ achtet. Dies ist die sogenannte Selbstzwecklichkeitsformel Kants, dass jeder Mensch um seiner selbst willen geachtet werden soll: „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel gebrauchst.“

Damit ist gemeint: Jeder Mensch soll – unabhängig von Al-ter, Rasse, Geschlecht, Hautfarbe, genetischer Ausstattung – um seiner selbst willen geachtet werden. Er soll nicht vollständig („bloß“) verzweckt werden. Das ist die philoso-phische Übersetzung des Gebotes der Nächstenliebe. Aus der Menschwürde leiten sich die Menschenrechte ab, die universal gelten sollen.

MATTHIAS BECK Univ.-Prof. Dr. med. Dr. theol. Mag. pharm. Systematische Theologie Theologische Ethikund Medizinethik

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DEM DENKEN AUF DER SPUR –HIER UND IN DEN USA

Bei digitaler Ethik geht es nicht um Moral, sondern eher um Diät. Wie handle ich richtig im Zeitalter der Digitalisierung? Ich als Privatperson, als Mitarbeiter oder Unternehmer?

„Digitale Ethik – Ein Wertesystem für das 21. Jahrhun-dert“ beschreibt eine Vision und Anleitung zu echtem Fortschritt im Zeitalter der Digitalisierung.

Echter Fortschritt muss mehr sein als ein Technologiesand-kasten, der für ein kleines bisschen Effizienz und Kom-fort Bewährtes zerstört. Es sollte darum gehen, positive menschliche Werte zur Entfaltung zu bringen, die jeder begrüßt. An diesen Werten zu arbeiten ist das neue Bio in der Digitalisierung. „Bio“ ist jedoch in der Informatik noch nicht angekommen.

„Wert-volle“ Technik (also Technik voll mit Werten) allein reicht nicht aus für echten Fortschritt. Wenn viele Werte gefordert werden, wie mehr Transparenz, Verantwortlich-keit, Privatheit, Sicherheit, sind letztlich wir, Nutzer und Bürger, dafür mitverantwortlich, unseren täglichen Um-gang mit digitalen Services bewusster zu gestalten.

Der Weg der Werte in der Digitalen Ethik ist also letztlich ein tugendethischer. Er kann in vier Etappen beschrieben werden: Die erste Etappe besteht im klugen Erkennen der eigenen Wertziele im Umgang mit dem Digitalen; privat und im Unternehmen. Die zweite im tiefen Verstehen wofür einzelne Werte eigentlich genau stehen, die einem wichtig sind. Die dritte Etappe braucht neue Gewohnhei-ten, Wertprioritäten mutig zu leben. Und letztlich – vier-tens – die Bereitschaft auf Wertvernichtung zu verzichten. Würden Unternehmen solch einer Digitalen Ethik folgen,

könnten Plattformen, die heute Apps zu Chefs machen und Menschen digital ausbeuten, zu positiven Communi-ties werden, in denen sich Menschen loyal und zufrieden entfalten.

Roboter und Künstliche Intelligenzen könnten zu höf li-chen Coaches werden, die Freiheit und Wissen in jedem Einzelnen von uns fördern, statt uns zu bevormunden. Gesundheitsplattformen könnten unser medizinisches Wissen vertausendfachen, ohne dabei Erkenntnisse zu privatisieren und unsere persönlichen Daten zu verhökern. Mindfulness im Umgang mit dem Digitalen brächte uns so viel weiter als alle Rechtekataloge oder Lektionen zusam-men.

Aber es gibt große Hürden, die dieser positiven Zukunft entgegen stehen: Die erste Hürde ist unser modernes Denken. Wir sind erzogen worden, Fortschritt allein mit Erfindergeist gleichzusetzen, statt mit wahrer Wertschöp- fung in unserem täglichen Leben.

Die zweite Hürde ist das Story-Telling der IT-Industrie, was die Fähigkeiten des Digitalen maßlos überhöht, ohne die Nachteile des Neuen offenzulegen. Die Natur des Digitalen ist immer unvollständig, fehlerhaft und geteilt. Sie trennt Inhalt und Form und wird bewusst so geschaf-fen, dass sie uns abhängig und unfrei macht.

Erst wenn die Grenzen des Digitalen verstanden wer-den, können wir Menschen eine gesunde Erwartung an die tatsächliche Leistungsfähigkeit des digitalen Stoffs entwickeln. Erst dann können wir am echten Fortschritt arbeiten.

SARAH SPIEKERMANN-HOFF

lehrt und forscht an der Wirtschafts-universität Wien, wo sie dem Institut für Wirtschaftsinformatik und Gesellschaft vorsteht.

Neuestes Werk: „Digitale Ethik – Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert“

Was ist der Schwerpunkt Ihrer Forschung? Mein Forschungsinteresse gilt Synapsen, den Schnitt- und Kommunikationsstellen zwischen Nervenzellen, die so viel von unseren Fähigkeiten im Gehirn bestimmen. Ob zuvor in Wien oder jetzt hier in Harvard – es hat mich immer schon fasziniert, dass Synapsen plastisch sind. Sie können sich verstärken oder abschwächen. Nur wie funktioniert das? Welche Baupläne, Regeln und Grundlagen sind dabei involviert? Daran forschen wir!

Wie kann man sich das vorstellen? Eine Idee wie sich Synapsen kurzzeitig verstärken können ist, dass sie mehr Neurotransmitter freisetzen. Nur: Wie machen Synapsen das? Eine Idee könnte sein, dass ein Protein, nennen wir es „X“, an diesem Vorgang beteiligt ist. Um diese Hypothese zu testen, wenden wir genetische, molekularbiologische, elektrische und optische Methoden an. Wir entfernen beispielsweise das „Protein X“ mit einem genetischen Knockout und schauen uns an, ob sich die syn-aptische Leistung dadurch verändert hat.

Kann man das in der Anwendung nutzen?Ich denke Grundlagenforschung und Anwendung gehen Hand in Hand. Nehmen wir an, wir sehen im vorigen Beispiel, dass sich Synapsen ohne dieses „Protein X“ nicht mehr verstärken können. Dann können wir die ganze Geschichte auch umdrehen. In der Gentherapie macht man sich z. B. Viren für etwas Gutes zu Nutze. Man kann ein

Virus so modifizieren, dass es harmlos ist und anstatt einer Krankheit unser gefundenens „Protein X“ in den Wirt ein-baut. Nun müssen wir nur noch den Virus neurochirurgisch an die gewünschte Stelle im Gehirn bringen, wo es dann das gefundene „Protein X“ einbaut. Das könnte dann unsere in-fizierten Synapsen artif iziell stärker machen, was wiederum unsere ursprüngliche Hypothese weiter stärkt.

Wie hypothetisch sind diese Überlegungen? Meine Kollegen und ich haben Ähnliches in unserem Lab im Mausmodell gemacht und auf diese Art tatsächlich ein solches Protein gefunden, mit welchem wir Synapsen auch kurzzeitig verstärken konnten. Dazu nutzen wir auch Op-togenetik, wodurch wir gezielt Neurone mittels Licht bzw. Laser steuern. Ziemlich Science-Fiction.

Wie wird sich Ihre Forschung in Zukunft weiterentwickeln? Ich bin in der Zukunft vor allem daran interessiert, Science, Innovation, Wirtschaft und Anwendung zu verbinden. Ich hatte das Glück den „Healthcare Innovation & Commercialization“ Kurs in Harvard zu gewinnen und habe z.B. ein „Flagship VentureLabs VC Entrepreneuring Fellowship“ ergattert. In Zukunft möchte ich mehr und mehr die Start-up-, Entrepreneurship- und auch Venture Capital- und Creation-Welten verbinden. Hoffentlich bald auch wieder in Österreich.

Christopher Weyrer beschäftigt sich seit seinem Studium in Wien mit Synapsen, den Schnittstellen zwischen Nervenzellen im Gehirn.

Seine wissenschaftliche Arbeit wurde aufgrund außerordentlicher Fortschritte und der Unterstützung durch namhafte Wissenschafter über mehrere Jahre

von der B&C Privatstiftung gefördert.

CHRISTOPHER WEYRER

absolvierte das Gymnasium in Amstetten und studierte Medizin und Physik in Wien und Linz.

Nach Neuro-Forschungen an der MedUni Wien und am Salk Institute in Kalifornien war er für einen kolla-borativen Neurowissenschaften PhD in Cambridge und Harvard. Derzeit ist er als „Alice and Joseph Brooks Research Fellow in Neurobiology“ an Harvard’s Medical School tätig.

DIGITALE ETHIKEIN WERTESYSTEM FÜR DAS 21. JAHRHUNDERT

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BILDUNG IST DER BESTE ANLEGERSCHUTZ

Christoph Boschan ist seit zwei Jahren CEO der Wiener Börse AG. Der promovierte Jurist spricht im Interview über Strategien für den Börsenstandort Wien und den Wert einer fundierten

wirtschaftlichen Grundbildung.

Innerhalb der Euro-Zone zählt Österreich zu den kleineren Finanzmärkten. Wie kann sich die Wiener Börse im europäi-schen Vergleich erfolgreich positionieren?

Die Wiener Börse kann sich behaupten, indem sie ihre zentrale Funktion wahrnimmt: Als Nationalbörse muss sie den börsennotierten österreichischen Unternehmen die größtmögli-che Liquidität und Visibilität bieten. Darüber hinaus ist es für uns ein zentrales Anliegen, unser Geschäft breit aufzustellen. Unser Haus betreibt daher neben dem Aktien-Handelsge-schäft drei weitere Säulen:

Hier ist zunächst das umfangreiche Datenge-schäft zu nennen, das unsere zweitgrößte Er-tragsquelle darstellt. Die dritte Säule sind die IT-Dienstleistungen: Wir versorgen von Wien aus fünf Märkte mit dem Handelssystembe-trieb und bieten für insgesamt zehn Märkte eine Datenverteilungsinfrastruktur. Die vierte

Säule bildet das Indexgeschäft. Wir berechnen Benchmarks für 14 Märkte, hauptsächlich in Zentral- und Osteuropa. Durch diese Diversif izierung der Ertragsquellen sind wir im europäischen Vergleich gut aufgestellt.

Die Wiener Börse hat ihre Marktsegmen-tierung neu geordnet. Es gibt jetzt ein neues Segment „direct market plus“ – wie sieht hier Ihre Erwartung aus?

Jede Börse benötigt ein Zugangssegment für kleine Unternehmen, die sich so in ihrem Börsendasein entwickeln können. Aufgrund regulatorischer Schranken war dieses Angebot in Österreich in den letzten Jahren allerdings nicht vorhanden. Wir haben uns lange darum bemüht, nun gibt es seit Jahresbeginn eine neue gesetzliche Regelung. Darauf haben wir das Segment direct market plus aufgesetzt, das einen kostengünstigen und schnellen

Börsenzugang für kleine und mittelständige Unternehmen ermöglicht. Wir haben am 21.01.2019 mit acht Unterneh-men gestartet und hoffen auf viele Neuzugänge.

Sie haben letztens gesagt: „Investieren ist ein Mara-thon, kein Sprint“. Was meinen Sie damit konkret?

Natürlich gibt es an jeder Börse erhebliche Kursschwan-kungen. Entscheidend ist allerdings das langfristige Bild: Der ATX hat seit Bestehen eine Durchschnittsrendite von 7 %. Wer davon profitieren will, muss langfristig denken – in Zeiträumen von fünf bis 20 Jahren – und diversif iziert vorgehen. Dann ist der Aktienmarkt ein fantastisches Inst-rument für die Wohlstandverteilung in der Gesellschaft. Die Devise sollte lauten: Sei nicht nur Konsument, sondern beteilige dich an den Unternehmen, die du toll f indest! Wer als Privatanleger an technische Fortschritte und Effi-zienzsteigerung glaubt, kann über den Aktienmarkt einfach von dieser Entwicklung profitieren. Gleichzeitig ist der Aktienmarkt eine hervorragende Finanzierungsplattform für Unternehmen.

Der B&C Privatstiftung ist die Bildung zu Wirt-schaftsthemen ein Anliegen, die an den Schulen derzeit allerdings kaum vorhanden ist. Wie ist hierzu Ihre Einschätzung: Welchen Bedarf gibt es in Öster-reich, auch im Hinblick auf die Anleger?

Finanzwissen ist der beste Anlegerschutz, Bildung zahlt sich aus. Wer die grundsätzlichen Mechanismen der Fi-nanz- und Kapitalmärkte kennt und sich von der täglichen Börsenberichterstattung löst, kann sich am Aktienmarkt am langfristigen Wirtschaftswachstum beteiligen. Ich erle-be grundsätzlich ein hohes Interesse an Wirtschaftsbildung und das ist gut so. Als Institution Wiener Börse antworten wir darauf, indem wir pro Jahr Hunderte von Veranstal-tungen anbieten. Wir haben ein eigenes Bildungsprogramm für Schulen entwickelt, für das es sehr hohes Interesse gibt. Wir glauben allerdings auch, dass die Finanzbildung eine staatliche Institutionalisierung braucht: Österreich könnte als Startpunkt am Pisamodul Finanzwissen teilnehmen. Aber genau wie Deutschland drückt sich Österreich seit Jahren um die Teilnahme. Dabei wäre es eine echte Chance zu sehen: Wo stehen wir und was gilt es zu entwickeln?

CHRISTOPH BOSCHANwurde 1978 in Berlin geboren.

Er studierte Betriebswirtschaft und Rechtswissenschaften in

Berlin und Chemnitz.

Er ist seit 2016 CEO der Wiener Börse. Zuletzt war er Vorstand der Börse Stuttgart,

davor war der Börsenexperte in Führungspositionen an mehre-

ren deutschen Börsen tätig.

Seine Berufslaufbahn startete er 1999 als Wertpapierhändler bei

Tradegate.

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INVESTIEREN MIT IMPACT

Wie ist es um die Start-up-Szene in Österreich bestellt? Business Angel Michael Altrichter erzählt über die heimische

Gründerszene, Erfolgsfaktoren für Start-ups und die Relevanz des Impact Investings.

Was ist Ihr Ziel als Business Angel, wofür steht Ihr Ansatz des Impact Investings?

Michael Altrichter: Ich möchte junge Leute ermutigen zu gründen, denn Start-ups bauen zu einem nicht geringen Teil die Welt von morgen. Es macht mir Spaß, mit tollen Unter-nehmen und Menschen zusammenzuarbeiten, die neue Ideen und Zugänge haben.

Das Thema Impact, also nachhaltiges Wirt-schaften, ist mir ein besonders Anliegen: Für den Erfolg eines Unternehmens ist nicht der finanzielle Profit vorrangig, sondern wie es die Welt an einem bestimmten Punkt

verbessert. In meinem Portfolio habe ich daher auch Impact Investments, die sich gesellschaft-lich relevanten Themen widmen. Ich denke, der Impact-Gedanke ist für alle von Bedeu-tung, nicht nur für uns Investoren. Es sollte jeder im eigenen Umfeld danach trachten, wie er die Welt ein bisschen besser machen kann.

Sie haben derzeit 35 Start-ups in Ihrem Portfolio – wie gelingt es Ihnen, solch eine große Bandbreite an Unternehmen persönlich zu betreuen?

Für einen einzelnen Business Angel ist es in der Tat schwierig. Im Wesentlichen

konzentriert man sich auf die Investitionen, bei denen man als Investor im Lead ist und mit dem Founder-Team näher zusammenarbeitet. Deshalb ist es wichtig, sich einem Business-Angel-Netzwerk anzuschließen. Das habe ich bei Start-up300 gefunden, wo hunderte Business-Angels aggre-giert sind und sich gegenseitig stützen.

In welchen Bereichen sehen Sie insgesamt für österreichische Unternehmen Potenzial, zu welchen Themen kann Österreich ein Hotspot für Start-ups sein?

Aufgrund der Größe Österreichs ist es nicht ratsam, sich ausschließlich auf einen Bereich zu fokussieren. Unab-hängig von bestimmten Branchen gibt es einige Hidden Champions, einzelne sehr gute Player. Nichtsdestotrotz hat Österreich in den Bereichen Agriculture-Tech, Touristik und Forstwirtschaft besondere Chancen. Hier ergeben sich für die österreichische Kultur und Wirtschaft im Vergleich mit anderen Volkswirtschaften besondere Anknüpfungs-punkte.

Sie haben bereits sehr viele gute Ideen kennenge-lernt. Was ist Ihrer Erfahrung nach entscheidend, damit aus einer guten Idee ein erfolgreiches Unternehmen wird?

Das lässt sich ganz klar beantworten. Der Erfolg hängt zum überwiegenden Teil vom Gründerteam ab. Die Er-folgsformel für Start-ups ist 90 % Transpiration plus 10 % Inspiration. Die Idee ist der wesentlich kleinere Teil,

entscheidend sind die Founder und ihr Einsatz. Wenn das Gründerteam top aufgestellt ist, kann das Start-up eine Chance haben. Gibt es Fehlbesetzungen oder ist das Team nicht vollständig, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Start-up erfolgreich wird.

Für die Gründung eines Unternehmens braucht es neben der guten Idee auch Risiko-Bereitschaft. Wie ist es in Österreich um das „Gründer-Gen“ bestellt?

Österreich ist sehr stabil und sicher, viele wollen aus dieser Komfortzone gar nicht heraus. In der Start-up-Szene in Österreich hat sich in den letzten Jahren allerdings sehr viel getan, hier ist die TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“ zu nennen, aber auch Vereine oder private Gesellschaften wie Start-up300. Es muss uns jedoch klar sein, dass Wien von den Start-up-Hot-Spots wie Silikon Valley, Tel Aviv, Stockholm, Berlin noch immer weit entfernt ist.

Was sehen Sie als Erfolgsfaktoren für Start-ups?

Der erste Aufruf ist try it – also einfach probieren. Wenn man von einer Idee überzeugt ist, dann ist das tatsächlich der beste Rat. Die Rate des Scheiterns ist bei Start-ups allerdings sehr hoch, dessen muss man sich bewusst sein. Entscheidend ist, zum richtigen Zeitpunkt sein Netzwerk knüpfen – mit Investoren, Angels, Kunden und poten-ziellen Mitarbeitern. Natürlich ist es auch wichtig: immer wieder pitchen üben. Ein Start-up lebt vom Auftritt, man muss seine Idee und seine Unternehmung immer bestmög-lich präsentieren und verkaufen können.

MICHAEL ALTRICHTER

ist seit acht Jahren Business Angel und investiert in junge

Unternehmen.

Er war fünf Staffeln in der Jury der TV-Show

„2 Minuten 2 Millionen“ und hat selbst zwei Exits mitgemacht (Paysafecard

und Payolution).

Er unterstützt Start-ups mit Know-how, Networking

und Kapital.

„Die Erfolgsformel für Start-ups ist 90 % Transpiration plus 10 % Inspiration. Die Idee ist der wesentlich kleinere Teil, entscheidend sind die Founder und ihr Einsatz.“

Michael AltrichterBusiness Angel

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PR OFESS IONALIS IERUNG DER AUFSICHTSRATSARBEIT

Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit ist eines der Schlagworte, die die jüngste Entwicklung der Arbeit des Aufsichtsrats in österreichischen Gesellschaften charakteri-siert. Professionalisierung meint sowohl die quantitative als auch qualitative Vertiefung der Tätigkeit des Aufsichtsrats.

Maßgeblich ist in dem Zusammenhang aber nicht, wie oft sich Aufsichtsratsmitglieder in formalen Sitzungen treffen, viel entscheidender für eine gute und erfolgreiche Auf-sichtsratsarbeit ist im Regelfall die Tätigkeit dazwischen.

Da wird Gesprächs- und Beziehungsarbeit geleistet, um einzelne Themen der Geschäftsführung zu besprechen, besser zu verstehen, zu analysieren und auch gemeinsame

Vorschläge für mögliche Lösungsszenarien zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur um Gespräche unter den Aufsichts-ratsmitgliedern, vielmehr auch mit dem Vorstand und – in Abstimmung mit dem Vorstand – auch mit Mitarbeitern des Unternehmens. Zudem hat der Aufsichtsrat mit anderen Marktteilnehmern und sonstigen Stakeholdern zu sprechen, um sich eine breite Informationsbasis zu erarbeiten und seiner nachfolgenden Entscheidung zugrun-de zu legen.

Die in der öffentlichen Diskussion erwartete und tatsäch-lich beobachtbare Ausdehnung der Tätigkeit des Aufsichts-rats wird eindrücklich durch einen Blick auf die für den Aufsichtsrat relevante Gesetzgebung bestätigt:

SUSANNE KALSS

Leiterin des Instituts für Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien.

Sie hat mehrere Standardwerke zum

Gesellschafts- und Kapital-marktrecht verfasst, unter

anderem ist sie Herausgeberin des „Handbuchs für den

Aufsichtsrat“ und des „Hand-buchs für den Vorstand“.

Beinahe jedes Jahr wurden Einrich-tung und Arbeit des Aufsichtsrats einer Neuregelung und meist einer gesetzli-chen Aufgabenerweiterung unterworfen. Das Arbeitsumfeld und die Aufgaben des Aufsichtsrates haben einen Grad an Intensität erreicht, der es vielfach nicht mehr zulässt, ein Aufsichtsratsmandat neben einer sonstigen tagesfüllenden Tätigkeit auszuüben.

Mit der Professionalisierung und der Notwendigkeit einer ausgewogenen Zusammensetzung geht die Erhöhung des Sorgfaltsmaßstabes für die einzelnen Mitglieder einher. Jedes Aufsichtsrats-mitglied hat ein Mindestmaß an Kennt-nissen und Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, einzelne Mitglieder haben darüber hinaus auch noch besondere Kenntnisse einzubringen. Ausdrücklich wird dies etwa für den Finanzexperten verlangt, für den dies eine Erhöhung des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabes und damit eine Erhöhung der Verantwortung bedeutet.

Wie können nun die deutlich gestiegenen Leistungsanforderungen vom Aufsichtsrat erbracht werden?

Das Aufgabenfeld des Aufsichtsrats hat eine Intensität, einen Detaillierungsgrad und eine Spezialisierung erreicht, die es notwendig machen, Aufsichtsrats-mitglieder bei ihrer Tätigkeit durch des Unternehmens zu unterstützen. Eine derartige unterstützende Tätig-keit nimmt dem Aufsichtsratsmitglied selbst seine Entscheidungszuständigkeit und -verantwortung nicht ab, vermag allerdings eine spürbare Verbesserung

der Entscheidungsfindung und damit der Aufsichtsarbeit herbeizuführen. Dies gilt insbesondere etwa für die Einzelauf-gaben des Prüfungsausschusses mit Aus-wahl des Abschlussprüfers, Festlegung der Prüfungsfelder und Begleitung der Abschlussprüfung. Gerade auch erfolgs-kritische Aufgaben, wie Zusammenstel-lung des bestmöglichen Vorstandsteams, Führung und Incentivierung der Vor-standsmitglieder, Nachfolgeplanung für Vorstand und Aufsichtsrat sowie Diskus-sion und Mitgestaltung der Unterneh-mensstrategie verlangen einen umfassen-den Einsatz aller Aufsichtsratsmitglieder, mit viel Vor- und Nacharbeit über die Sitzungen hinaus. Vielfach können das Einzelpersonen alleine nicht leisten und die notwendige Vorbereitungsarbeit, In-formationsgewinnung und -aufbereitung bedingen ein neues Design der Organi-sation der Aufsichtsratsarbeit.

Daher muss der Aufsichtsrat professi-onell begleitet werden. Für Aufsichts-räte in größeren Gesellschaften ist es unumgänglich, dass etwa für den Aufsichtsratsvorsitzenden eine fachliche Assistenz zur Verfügung gestellt wird, auf die ohne Abhängigkeit vom Vorstand zugegriffen werden kann. Darüber hin-aus ist es sachgerecht, ein Aufsichtsrats-büro einzurichten, das neben laufenden organisatorischen Tätigkeiten, vor allem fachliche Vorarbeit, Informationsauf-bereitung und Erstauswertung leistet, um für die Aufsichtsratsmitglieder eine angemessene Entscheidungsfindung zu gewährleisten.

Die Kosten dafür hat die Gesellschaft zu tragen und bildet einen Teil des Auf-

wandersatzes für eine qualitätsvolle und sorgfaltsgemäße Aufsichtsratsarbeit in dem aktuellen vom Gesetzgeber vorgege-benen Verständnis der Aufsichtsratsar-beit. Bei den Kosten darf das Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht außer Acht gelassen werden.

So eingesetzte Mittel tragen zu einer ent-scheidenden Verbesserung der Aufsichts-ratsarbeit bei und senken gleichzeitig den Bedarf an Beratung durch externe Sachverständige und stellen damit eine sinnvolle und sachgerechte Investition dar. Keinesfalls hat die angemessene Aus-stattung des Aufsichtsrats eine Gnade des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat zu sein. Der Aufsichtsrat darf und muss dies in angemessener Weise geradezu als Grundlage seiner Tätigkeit einfordern und einsetzen, da die sorgfaltsgemäße Ausübung seiner Aufsichtsaufgaben diese Unterstützungsarbeit verlangt.

Die Einrichtung eines Aufsichtsratsbü-ros und die Inanspruchnahme fachlicher Assistenz und vom Vorstand unabhängi-ger Unterstützung des Aufsichtsrats tra-gen dazu bei, die Aufsichtsratstätigkeit weiter zu verbessern und zu professiona-lisieren und damit das Wirken des Auf-sichtsrats im Sinne einer erfolgreichen, wertsteigernden Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat im Interesse des Unternehmens, ihrer Aktionäre, Arbeitnehmer und Gläubiger sowie der Volkswirtschaft und Öffentlichkeit fort-zuentwickeln. Professionelle Eigentümer haben dafür Verständnis und werden über die Besetzung des Aufsichtsrats für diesen notwendigen und gebotenen Aufwand Sorge tragen.

DEN AUFSICHTSRAT BETREFFENDE ÄNDERUNGEN DES GESELLSCHAFTSRECHTS IN DEN LETZTEN JAHREN

• 2019 Aktionärsrechte-Richtlinien-Umsetzungsgesetz: Vergütung, Related Party Transaction

• 2018 Ausweitung der Zuständigkeiten (Delisting) des Aufsichtsrates

• 2017 Gleichstellungsgesetz – Frauenquote

• 2016 Abschlussprüferverordnung-Begleitgesetz, APRÄG, Konkretisierung und Intensivierung der Regelungsdichte der Zusammenarbeit von Abschlussprüfer und Aufsichtsrat

• 2015 Unternehmerische Entscheidungen im Aufsichtsrat, Prozeduralisierung auch im AR

• 2014 Rechnungslegungsänderungsgesetz – Prüfungsausschuss

• 2012 Corporate Governance Konkretisierung Cooling-off

Susanne Kalss

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WISSEN FÖRDERT WACHSTUM

Der von der B&C Privatstiftung verliehene Houskapreis ist Österreichs größter privater Preis für anwendungsnahe Forschung. Es werden alljährlich die besten Projekte mit wirtschaftlicher Relevanz in den beiden Kate-gorien „Universitäre Forschung“ und „Forschung & Entwicklung in KMU“ ausgezeichnet. Der Forschungspreis der B&C Privatstiftung soll dazu beitragen, die finanziellen Grundlagen für Innovation und Forschung in Österreich zu verbessern und insbesondere den ausge-zeichneten Forschungsinstituten und Unter-nehmen die Durchführung von weiteren für den Wirtschaftsstandort Österreich wichtigen Forschungsaktivitäten zu ermöglichen.

Am 26. April 2018 fand zum 13. Mal die Preisverleihung im Rahmen einer feierlichen Gala vor rund 350 Top-Entscheidungsträgern

aus Wirtschaft und Forschung im Wiener Museumsquartier statt.

Die 2018 prämierten Forschungsprojekte haben gezeigt, dass in Österreich sowohl an den Universitäten als auch in kleinen und mittleren Unternehmen Spitzenforschung betrieben wird, die innovative, zukunftswei-sende Forschungsprojekte mit enormem wirt-schaftlichem Potenzial hervorgebracht hat.

Mariella Schurz, Generalsekretärin der B&C Privatstiftung: „Wir möchten mit dem Houskapreis für die Forscher und Unternehmen nicht nur eine finanzielle Unterstützung leisten, sondern den ausgezeichneten Teams vor allem auch eine be-sondere Wertschätzung für ihre hervorragende Arbeit ausdrücken.“

Seit 2005 wurden beim Houskapreis etwa 520

Forschungsprojekte eingereicht und an die

Preisträger insgesamt rund 4,3 Millionen Euro ausgeschüttet.

DA S WAR DER HOUSKAPREIS 2018

KATEGORIE „UNIVERSITÄRE FORSCHUNG“ Stefan Ameres, Österreichische Akademie der Wissenschaf-ten (ÖAW), Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA)PROJEKT: SLAMseq – Hochdurchsatz- Messung von Genexpressionsdynamiken

Unser Erbgut ist zwar schon durchleuchtet, allerdings wissen wir noch nicht, warum sich eine Zelle zum Neuron (= Nervenzelle) und eine andere zur Blutzelle entwickelt. Diese Frage ist der Aus-gangspunkt der Forschung von Stefan Ameres und seinem Team.

Der außergewöhnliche Forschungserfolg der neu entwickelten Methodik liegt darin, dass ermöglicht wird, in die Zelle hineinzu-blicken und so die Funktion der Gene zu verstehen. Abweichun-gen in Genexpressionsmustern, die schwerwiegende Krankheiten wie etwa Krebs auslösen, können dadurch bestimmt werden. Eine neue Ära für die Molekularbiologie! SLAMseq wird seit Ende 2017 als Laborkit über die Firma Lexogen weltweit vertrieben.

v.l.n.r. Michael Krebs (IMBA), Alexander Seitz (Lexogen), Stefan L. Ameres (IMBA), Wolfgang Hofer (B&C), Brian Reichholf (IMBA), Veronika Herzog (IMBA), Nina Fasching (IMBA), Erich Hampel (B&C)

v.l.n.r. Wolfgang Hofer (B&C), Ian Dmachowski (Swimsol), Sandra Kriechhammer (Swimsol), Martin Putschek (Swimsol), Kristen Dlugosch (Swimsol), Daniel Reinhardt (Swimsol), Wolfgang Sulm (Swimsol), Erich Hampel (B&C)

KATEGORIE „FORSCHUNG & ENTWICKLUNG IN KMU“Mag. Martin Putschek, Swimsol GmbH, Wien PROJEKT: SolarSea – Das erste meerestaugliche, schwimmende Solarsystem

Solarenergie stand bisher nur für Dach- und Landflächen zur Verfügung. Mag. Martin Putschek und sein Team waren die Ersten, die schwimmende Solaranlagen entwickelt haben. In tropischen Inselstaaten, wo es zwar sehr hohe Sonneneinstrah-lung, aber begrenzte Landflächen gibt, wird Strom derzeit fast ausschließlich von Dieselgeneratoren produziert. Das ist nicht nur teuer, sondern auch umweltschädlich. Die von Swimsol ent-wickelten schwimmenden Solarsysteme sind meerestauglich und können bis zu 1,5 Meter hohen Wellen und Windgeschwindig-keiten bis zu 120 km/h standhalten. Die SolarSea-Solarplattfor-men werden in den Lagunen installiert und per Unterwasserkabel mit dem Diesel-Stromnetz der Insel verbunden. Sie sollen in Zukunft den gesamten Strombedarf abdecken.

PREISTRÄGER 2018

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MICROGRIDS Microgrids sind eine Untergruppe intelligenter Stromnetze (Smart Grids).

Es sind lokale Energienetze, die Haushalte und Betriebe autark und unabhängig vom übergeordneten Netz mit Strom, Wärme oder Kälte versorgen können.

Sie decken ihren Energiebe-darf aus nachhaltigen Quellen wie Biomasse, Erdwärme, Sonnen- oder Windenergie.

MICHAEL STADLERarbeitet als Area Manager

Smart- und Microgrids bei BIOENERGY 2020+ GmbH sowie als CTO bei XENDEE

Inc. in Kalifornien.

Außerdem ist er Affiliated Scientist beim Lawrence

Berkeley Laboratory, University of California und

CTO beim Zentrum für Energie und innovative

Technologien (CET).

Beim Houska-Talk 2018 sprach der österreichi-sche Wissenschafter Michael Stadler über seine persönlichen Erfahrungen in der Forschung zum Thema Microgrids, die ihn von Österreich in die USA führte. Michael Stadler startete seine wissenschaftliche Laufbahn an der Technischen Universität Wien mit einem Doktorat summa cum laude in Energiewirtschaft und Betriebs-wirtschaft. Anschließend führte sein Weg an das Berkeley Lab der University of California, dort leitete er bis 2017 die 40-köpfige Grid-Inte-gration-Gruppe. Er war der leitende Entwickler des Microgrid-Simulationstools DER-CAM, für das er vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama mit dem „Presidential Early Career Award for Scientists and Engineers“ geehrt wurde. Es ist dies die höchste Anerkennung, die von der US-Regierung für herausragende Leis-tungen an junge Wissenschafter vergeben wird. Er ist weiterhin in Kalifornien aktiv und ist dort jetzt CTO von XENDEE in San Diego. Parallel engagiert er sich auch in Österreich: Er ist hier der wissenschaftliche Leiter des Zentrums für

Energie und innovative Technologien (CET). Seit 2017 unterstützt er auch das Team des österreichischen Forschungsunternehmens BIOENERGY 2020+ und baut dort den Bereich Microgrids und Smart Grids auf. Damit ist er heute ein Reisender zwischen den Welten – San Diego in Kalifornien ist ebenso sein beruf licher Lebensmittelpunkt wie der Standort von BIOENERGY 2020+ in Wiesel-burg (Niederösterreich).

FORSCHUNGSSCHWERPUNKTZentraler Fokus seiner Forschung ist der Beitrag erneuerbarer Energien wie Biomasse, Photovoltaik, Wärmepumpen oder Windrä-der zur lokalen Energieversorgung im Rah-men von Microgrids. Diese lokalen Netze werden individuell gesteuert: Energie wird dorthin gelenkt, wo sie gerade gebraucht wird; bei Bedarf kann der Verbrauch auch reduziert werden. Das Konzept der Micro-grids bringt mehrere Vorteile mit sich: Die Distanz zwischen Erzeuger und Verbraucher

verringert sich, Übertragungsverluste neh-men ab, die Systemeffizienz wird erhöht und die Nutzung erneuerbarer Energien dämpft die Abhängigkeit von Preisschwankungen bei fossilen Energieformen.

Kleine, unabhängige Stromnetze ermögli-chen darüber hinaus Störungen des zuneh-mend komplexen Gesamtnetzes abzufangen und einen Ausfall regional zu kompensieren. Ein Microgrid kann sich vom Stromnetz ent-koppeln und angeschlossene Einheiten, wie Privathaushalte oder Gewerbebetriebe weiter-hin mit Energie versorgen. Das Konzept ist daher beispielsweise auch für Regionen mit einem hohen Risiko für Naturkatastrophen, wie etwa Hurrikans interessant. Nicht zuletzt deshalb sind Microgrids daher nicht nur in Europa, sondern bereits in vielen Regionen im Einsatz. Im asiatischen Raum spielt dabei vor allem die Biomassevergasung eine Rolle, in Nordamerika stehen Photovoltaik und Kraft-Wärme-Kopplungen im Vordergrund.

Der gebürtige Österreicher Michael

Stadler ist ein Ausnahme-Wissenschafter, der seine Karriere an der Techni-schen Universität Wien

gestartet hat und international reüssieren konnte. Wir freuten uns sehr, dass er im Rahmen

der Houskapreis-Gala seine Erfahrungen in der

Forschung mit uns teilte.

Erich Hampel, Vorstandsvorsitzender der B&C Privatstiftung

ENER GIE , DIE VERÄNDERTHOUSKA-TALK 2018:

Strommärkte

Steuerung

MICROGRID

Andere Microgrids

Wettervorhersage

EIN

AUS

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Um den Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft auch abseits der jährlichen Houskapreis-Gala zu fördern, hat die B&C Privatstiftung im Jahr 2018 den Club der Houskapreisträger ins Leben gerufen. Alle seit dem Jahr 2006 mit dem Houskapreis ausgezeichneten Wissen-schaftler und Projektleiter gehören damit diesem exklusi-ven Club von österreichischen Spitzenforschern an.

Das neue Netzwerk eröffnet den Preisträgern zusätzliche Chancen und Möglichkeiten, ihre Projekte voranzu-treiben. Die Kooperation zwischen Universitäten und privaten Forschungseinrichtungen soll damit ausge- baut werden.

Darüber hinaus gibt es exklusive Networking-Events, wie etwa Hintergrundgespräche mit renommierten Persönlich-keiten aus Wissenschaft und Forschung sowie Entschei-dungsträgern aus Wirtschaft und Politik. Zudem werden den Preisträgern Publikationsmöglichkeiten geboten, um neue Forschungsprojekte sowie Projektfortschritte zu präsentieren.

Die B&C Privatstiftung möchte mit dieser Initiative eine enge Vernetzung und Zusammenarbeit der Preisträger untereinander fördern und das gemeinsame Potenzial für die österreichische Forschungslandschaft und den Wirtschaftsstandort einsetzen.

DIE DOTIERUNGDES HOUSKAPREISES

Das Preisgeld beträgt 2019insgesamt 500.000 Euro.Seit Bestehen des Houskapreises wurden bislang 4,3 Millionen Euro an Preisgeldern ausgeschüttet.

Universitäre Forschung Forschung & Entwicklung in KMU

2006 Anton Glieder Technische Universität GrazR-HNL: Ein pflanzliches Abwehrsystem rettet Menschenleben

2007 Andreas Bernkop-Schnürch Universität InnsbruckThiomere – Eine neue Generation polymerer Hilfsstoffe für effizientere Arzneimittel

2008 Horst-Hannes Cerjak Technische Universität GrazWerkstoffentwicklung zur Effizienz-steigerung in der Energieerzeugung als aktiver Beitrag zur CO2-Reduktion

2009 Lutz Sparowitz Technische Universität GrazBrücken aus UHPC zur nachhaltigen Sicherung unserer Infrastruktur

2010 Helmut Clemens Montanuniversität Leoben

Entwicklung eines innovativen intermetallischen Hochtemperatur-werkstoffes für den Einsatz in der nächsten Generation umweltfreundli-cher Flugzeugtriebwerke

2011 Christian Oliver KappeKarl FranzensUniversität Graz

Mikrowellenreaktoren für die Chemische Synthese

2012 Erich GnaigerMedizinische Universität Innsbruck

Licht in die Kraftwerke der Zellen

2013 Armin Hansel Universität Innsbruck PTR-TOF Spurengasanalytik

2014 Reingard Grabherr Universität für BodenkulturEnzymatische Detoxifizierung von Fumonisinen

2015 Oskar Aszmann Medizinische Universität WienBionische Rekonstruk tion der oberen Extremität

2016 Eva Prieschl-Grassauer Marinomed Biotech AG

Therapie gegen Schnupfen und grippale Infekte: Inhaltsstoff von Rotalgen wirkt gegen Viren, die die Atemwege infizieren.

2016 Stefan Pogatscher Montanuniversität Leoben Manipulation der Härtungskinetik von Aluminium für Transport und Verkehr

2017 Jens Christian Schwindt SIMCharacters GmbH Frühgeborenen -Simulator Paul

2017 Gunda Köllensperger Universität WienGrüne Standards in der Metabolomforschung

2018 Martin Putschek Swimsol GmbHSolarSea – Das erste meerestaugliche, schwimmende Solarsystem

2018 Stefan AmeresÖsterreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Molekulare Biotechnologie

SLAMseq – Hochdurchsatz-Messung von Genexpressions dynamiken

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

€ 500.000

€ 400.000

€ 300.000

€ 200.000

€ 100.000

PREISGELD

NEUE INITIATIVE

Mit dem Club der Houskapreisträ-ger möchte die B&C Privatstiftung

die Vernetzung unter den bisheri-gen Preisträgern fördern und

Wissenschaftlern eine gemeinsame Plattform mit Entscheidungsträgern

aus Wirtschaft und Politik bieten.

DIE BISHERIGEN PREISTRÄGER

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Die Versorgung eines lebensbedrohten Frühgeborenen stellt auch für erfahrene medizinische Teams immer wieder eine Herausforderung dar. Daher haben wir mit SIMCharacters den Frühgeborenensimulator „Paul“ entwickelt.

Paul entspricht einem Frühgeborenen der 27. Schwanger-schaftswoche und ermöglicht es medizinischen Teams, die Versorgung dieser zerbrechlichen Wesen unter hochrealistischen Bedingungen zu trainieren. 2017 hatten wir die Entwicklung des Simulators gerade abgeschlossen und die ersten Pauls waren an Universitäten und Simu-lationszentren verkauft. Mittlerweile konnten etwa 50 Pauls weltweit an bedeutende Universitäten und Simulati-onszentren (z. B. Johns Hopkins University und Children‘s Hospital of Philadelphia) verschickt werden. SIMCharac-ters liefert Paul heute u. a. in einige europäische Länder (Deutschland, Spanien, UK) sowie nach Russland und Asien.

Der Gewinn des renommierten Houskapreises hat uns einerseits ein großes mediales Echo gebracht, andererseits war das damit verbundene hochdotierte Preisgeld in der kritischen Phase des weltweiten Produktlaunches überaus hilfreich. Österreichische High-Tech-Anbieter zeigen zwar ein gesundes Wachstum, skalieren aber nicht so extrem wie

beispielsweise Unternehmen im App-Markt. Investoren bevorzugen jedoch häufig ein risikoreiches Wachstum, womit für High-Tech-Gründungen, wie SIMCharacters, eine Anschlussfinanzierung oft schwierig ist.

Da in Österreich Banken kaum das Risiko von Start-up-Finanzierungen eingehen können und wollen, bedeutet die private Forschungsförderung, insbesondere in Form von Zu-schüssen, eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich.

Wünschenswert wäre aus unserer Sicht eine von meh-reren Säulen getragene finanzielle Stützung von jungen High-Tech-Unternehmen, die bereits am Markt tätig sind, oftmals aber keine Finanzierungen für Entwicklung und Internationalisierungsschritte erhalten. Häufig entsteht nämlich die Finanzierungslücke nach der staatlichen För-derperiode.

„Für Venture-Capital-Geber sind Unternehmen in dieser Phase oftmals wenig interessant, da sie die Kernentwick-lung bereits abgeschlossen haben. Für Private-Equity-Un-ternehmen sind sie jedoch häufig noch zu klein bzw. zu jung, da sie zwangsläufig noch keinen stabilen Cashf low vorweisen können“, so Michael Hoffmann, der Betriebswirt im SIMCharacters-Team.

WA S BE WIRKTEDER HOUSKAPREIS?

JENS-CHRISTIAN SCHWINDTHOUSKAPREIS-GEWINNER 2017

ist Frühgeborenenintensiv-mediziner und Geschäftsführer der SIMCharacters GmbH, die 2012 in Wien gegründet wurde. Das SIMCharacters-Team entwickelt lebensechte Patientensimulatoren für das Training von Notfällen in der Kindermedizin.

Der Houskapreis fördert die Stärken unserer Wissenschaftler, nämlich ihre Kreati-vität und Fantasie sowie ihren Erfindergeist. Das sind wesentliche Voraussetzungen,

um künftig im internationalen Wettbewerb zu bestehen.

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LUTZ SPAROWITZHOUSKAPREIS-GEWINNER 2009

Lutz Sparowitz war von 1989bis 2009 Universitätsprofessor an der BOKU Wien (Institut für konstruktiven Ingenieurbau)und an der TU Graz (Institut für Betonbau) und ist Partner im Ingenieurbüro S+W Wörle Sparowitz Ingenieure GmbH, Graz

Der Gewinn des renommierten Houskapreises hat uns einerseits ein großes mediales Echo gebracht, andererseits war das damit verbundene hochdotierte Preisgeld in der

kritischen Phase des weltweiten Produktlaunches überaus hilfreich.

„„

Ultra High Performance Composite (UHPC) zeichnet sich neben vielen anderen hervorragenden Eigenschaften vor allem durch seine bislang unerreichte Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit aus. Er wird deshalb als der Baustoff des 21. Jahrhunderts im konstruktiven Ingenieurbau bezeich-net und ist schon seit 1998 ein wichtiges Forschungsthema an der TU Graz.

Kurz nach der Preisverleihung konnten wir in Österreich die erste größere Straßenbrücke Europas und auch eine Eisenbahnbrücke aus UHPC realisieren. Danach entwickelten wir das QuickMotion-System, welches das Verkehrsproblem in der lebenswerten Stadt der Zukunft löst. Dieses basiert auf einer UHPC-Infrastruktur.

Es folgten die Entwicklung einer materialspezifischen zweiphasigen Mischtechnologie und einer Reihe von innovativen Bauverfahren – beispielsweise die horizontale Gleitbauweise.

Der Houskapreis war ein Meilenstein in unserer For-schungsarbeit und er gab sowohl in finanzieller, als auch in mentaler Hinsicht den Anstoß zu einem weiteren Jahrzehnt erfolgreicher Entwicklungsarbeit.

Neben der Weiterentwicklung der Materialtechnologie befasst sich die F&E der TU Graz auch mit innovativen UHPC-Konstruktionen und -Bauverfahren. Mit dem Projekt „Nachhaltige Infrastrukturbauwerke aus UHPC“ wurde Lutz Sparowitz im Jahr 2009 mit dem Houskapreis ausgezeichnet. Daraus resultierte eine besondere Anerken-nung durch die Fachwelt.

Der Houskapreis belohnt in einem fachübergreifenden Wettbewerb die besten Ideen und Innovationen des Jahres. Er fördert die Stärken unserer Wissenschaftler, nämlich ihre Kreativität und Fantasie sowie ihren Erfindergeist. Das sind wesentliche Voraussetzungen, um künftig im internationalen Wettbewerb zu bestehen.

„Mein Wunsch wäre, dass die B&C Privatstiftung die Entwicklung der besten Projekte über Jahre begleitet und gegebenenfalls auch weiter f inanziell unterstützt. Die Stif-tung könnte sich an wirtschaftlich erfolgversprechenden Projekten beteiligen", so Lutz Sparowitz.

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49B&C JAHRBUC H 2018

48

WIENER UNTERNEHMENSRECHTSTAG

ZU MER GERS & ACQUISITIONS

Prof. RA Roger Kiem, M&A-Experte aus Frankfurt, zeigte Anwendungsfälle des Triangular Mergers. Professor RA Lukas Glanzmann, Universität St. Gallen, erörterte die Verschmelzung und Gestaltungstechni-ken nach dem Fusionsgesetz in der Schweiz. Schließlich widmete sich RA Dr. Mario Gall den Fragen des Gläubigerschutzes im Rahmen der Verschmelzung nach österreichischem Recht und erläuterte die – von den interna-tionalen Gästen kaum geglaubte – strenge Judikatur des Obersten Gerichtshofs bei Down-Stream-Verschmelzungen. Er zeigte einen sachgerechten Weg, um sowohl praktischen Gestaltungsbedürfnissen als auch der Wahrung der Interessen der Gläubiger gerecht zu werden.

Insbesondere sprach er sich klar gegen ein striktes Konzept der Notwendigkeit des positi-ven Verkehrswertes der übertragenden Gesell-schaft aus. Er trat für eine Gesamtbetrachtung

in dem Sinn ein, dass das freie Vermögen aller an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaf-ten einbezogen werden muss, um über die Zulässigkeit der Verschmelzung zu entscheiden und sprach sich gegen einen zu starren ab- strakten Gläubigerschutz aus. Dr. Philip Fidler widmet sich den Bedingungen eines Über- nahmeangebots.

RA Mag. Heinrich Foglar-Deinhardstein wid-mete sich dem „Transaktionstool“ des Business Combination Agreements, einer begleitenden vertraglichen Vereinbarung im Rahmen von Akquisitionen, insbesondere von börsen-notierten Gesellschaften. RA Dr. Peter Feyl analysierte das Zusammenspiel von M&A und Bankgeheimnis.

Diese Vereinbarungen stellen einen wesentli-chen Transmissionsriemen für das Gelingen von länger dauernden Transaktionsprozessen

dar, müssen aber akkurat mit den gesell-schaftsrechtlichen Zuständigkeitsregelungen abgestimmt werden.

RA Dr. Stephan Frotz diskutierte die alte, aber immer wieder brisante Frage, welche Informationen die verkaufswilligen Gesell-schafter von ihrer Gesellschaft erhalten dür-fen, um sie in die Bewertung ihrer Beteiligung einf ließen zu lassen und diese Informationen auch dem Erwerber weiterzugeben, damit dieser eine sinnvolle Prüfung und Einschät-zung des Kaufgegenstandes vornehmen kann.

In der GmbH ist diese Frage im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu behandeln. In der Aktiengesellschaft ist vor allem auch die Grenze der generellen Weitergabe von Informationen zu klären. Jedenfalls ist nicht von einem strikten Verbot, zugleich aber auch nicht von einer vollständigen Freiheit

der Weitergabe der Information auszugehen. Schließlich erörterte RA Dr. Axel Anderl datenschutzrechtliche Fragen im Zuge von M&A-Transaktionen, die rechtzeitig erkannt, aufbereitet und entsprechend gestaltet wer-den müssen. Ein fehlerhafter und sorgloser Umgang mit Daten könne zu empfindlichen Strafen führen.

Insgesamt belegten die Vorträge und die Diskussionen der 150 Teilnehmer und Teil-nehmerinnen, dass die gesellschafts- und unternehmensrechtlichen Fragen der Unter-nehmenstransaktion die Unternehmen und die Beratungspraxis im Lichte der aktuellen Rechtsentwicklung auf gesetzgeberischer Ebene und der Judikaturentwicklung intensiv beschäftigen. Der Unternehmensrechtstag leistete damit einen wertvollen Beitrag zur Klärung und Fortentwicklung der maßgebli-chen rechtlichen Rahmenbedingungen.

v.l.n.r.: Heinrich Foglar-Deinhardstein, Stephan Frotz, Peter Feyl, Axel Anderl, Stefan Fida, Roger Kiem, Lukas Glanzmann,Mario Gall, Susanne Kalss, Ulrich Torggler

Auf Initiative der B&C Privatstiftung fand am 1. Oktober 2018 nunmehr bereits zum 7. Mal der Wiener Unternehmensrechtstag als Kooperationsprojekt zwischen

der Universität Wien und der Wirtschaftsuniversität statt. Mit Rechtsfragen rund um eine M&A-Transaktion hatten Susanne Kalss und Ulrich Torggler ein

aktuelles Thema gewählt und zur Diskussion gesellschaftsrechtlicher Fragen von Verschmelzungen als wichtige Akquisitionstechnik erfahrene Praktiker

aus Österreich, Deutschland und der Schweiz eingeladen.

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51B&C JAHRBUC H 2018

50

EIN MOTOR FÜR DENWIRTSCHAFTSSTANDORT

ÖSTERREICH.

Die B&C

Wertschöpfungsbilanz

2018

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53B&C JAHRBUC H 2018

52

KERNBETEILIGUNGEN:PORTFOLIO DER B&C

LENZINGProduzent von Cellulosefasern

AMAGProduzent und Verarbeiter von Aluminium-Produkten

SEMPERITProduzent von Kautschuk-Produkten für unterschiedliche Anwendungen

5.449GESAMT IN ÖSTERREICH

DIE B&C KERNBETEILIGUNGEN ALS BEDEUTENDE ARBEITGEBER

Beschäftigte 2018 (Vollzeitäquivalente im Jahresdurchschnitt)

B&C KERNBETEILIGUNGEN ALS DIVIDENDENZAHLER AN IHRE EIGENKAPITALGEBER

ANTEIL ÖSTERR. INVESTOREN

126,1MIO EUR

Ausgeschüttete Dividenden2018

BRUTTO-WERTSCHÖPFUNG B&C KERNBETEILIGUNGEN IN ÖSTERREICH 2018

DIREKT

714,0MIO EUR

INDIREKT

415,2MIO EUR

WERTSCHÖPFUNG 2018 FÜR ÖSTERREICH

BESCHÄFTIGUNG

GESAMT LOHN- UND GEHALTSSUMME IN ÖSTERREICH

840,11)

MIO EUR

DAVON ARBEITER:

3.217

DAVON ANGESTELLTE:

2.232

LEHRLINGE IN ÖSTERREICH

211

DAVONFRAUEN:

766

INDUZIERT

342,8MIO EUR

ANZAHL ÖSTERREICHISCHER ZULIEFERFIRMEN FÜR B&C KERNBETEILIGUNGEN

4.099

INDIREKT UND INDUZIERT BESCHÄFTIGTE DURCH DIE GESCHÄFTSTÄTIGKEIT DER B&C KERNBETEILIGUNGEN IN ÖSTERREICH 2018

7.9362)GESAMT

1.472,01)

MIO EUR

QuellenB&C Industrieholding GmbH

AMAG Austria Metall AGLenzing AG

Semperit AG Holding

Berechnung der Wertschöpfungs-,

Beschäftigungs- und Steuereffekte

Institut für Höhere Studien (IHS)

2) Beschäftigte in Vollzeitäquivalenten – Gemäß Berechnung IHS

14.931BESCHÄFTIGTEWELTWEIT

1) Enthält auch Effekte durch Investitionen der

B&C Kernbeteiligungen

54,2 %

52,7 %

50,0 %+ 2 Aktien

1) Direkte, Brutto-und induzierte LöhneDirekt: 463,4Indirekt und induziert: 376,7

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55B&C JAHRBUC H 2018

54

B&C KERNBETEILIGUNGEN ALS GROSSINVESTOREN

IN ÖSTERREICH

764,1MIO EUR

B&C KERNBETEILIGUNGEN ALSFORSCHUNGSLOKOMOTIVEN

IN ÖSTERREICH

63,6MIO EUR

GENERIERTE ABGABEN / STEUERN NACH KÖRPERSCHAFTEN IN ÖSTERREICH 20181)

Investitionen in Forschung und Entwicklung 2018

Bewirkte Abgaben / Steuern

Investitionen 2016 bis 2018

B&C KERNBETEILIGUNGEN INVESTIEREN IN DIE BILDUNG IHRER MITARBEITER

IN ÖSTERREICH

7,5MIO EURInvestitionen in Aus- und

Weiterbildung 2018

AUSGABEN FÜR GESUNDHEITS- UND ALTERSVORSORGE UND SONSTIGE SOZIALABGABEN IN ÖSTERREICH 2018

BETRIEBLICHEGESUNDHEITS-VORSORGE

0,6MIO EUR

GESAMTALTERS-VORSORGE

10,22)

MIO EUR

GESETZLICHESOZIAL-VERSICHERUNG

67,7MIO EUR

STEUER

STEUERN UND ABGABEN INVESTITIONEN

GESAMT

571,4MIO EUR

BUND178,8 MIO EUR

LÄNDER

60,8 MIO EUR

GEMEINDEN48,6 MIO EUR

SOZIALVERSICHERUNG225,6 MIO EUR

SONSTIGE 57,6 MIO EUR

GESAMT

78,5MIO EUR

B&C KERNBETEILIGUNGEN WERTSCHÖPFUNGSEFFEKT

IN ÖSTERREICH

84,2MIO EURIndirekte und induzierte

Wertschöpfungseffekte durch Investitionen von B&C Kernbeteiligungen in 2018

IHS-Berechnungen

2) Summe ausgesetzlicher und

betrieblicher Altersvorsorge

1) Direkte, indirekte und induzierte

Steuern & Abgaben

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B&CKERNBETEIL IGUNGEN

IN ÖSTERREICH

SEMPERITPRODUKTION,FORSCHUNG & ENTWICKLUNGWimpassing

SEMPERITHEADQUARTERWien

LENZINGHEADQUARTER,PRODUKTIONLenzing

LENZINGPRODUKTIONHeiligenkreuz

AMAGHEADQUARTER,PRODUKTIONRanshofen

AMAG | LENZING | SEMPERIT

AMAGo AUT, Ranshofeno CAN, Sept-Îles

LENZING• AUT, Lenzing • AUT, Heiligenkreuz• CHN, Nanjing• CZE, Paskov• GBR, Grimsby• IDN, Purwakarta• USA, Mobile

SEMPERIT• AUT, Wien• AUT, Wimpassing• CHN, Shandong• CHN, Shanghai• CZE, Odry• DEU, Hückelhoven• DEU, Dalheim• DEU, Allershausen• DEU, Deggendorf• HUN, Sopron• IND, Roha

• MYS, Kamunting• MYS, Nilai• POL, Belchatów• THA, Hatyai

EUROPA

Produktion14 Standorte

Vertrieb17 Standorte(nicht eingezeichnet)

AMERIKA/KANADA

Produktion2 Standorte

Vertrieb13 Standorte(nicht eingezeichnet)

ASIEN

Produktion8 Standorte

Vertrieb21 Standorte(nicht eingezeichnet)

GLOBALE PRÄSENZ

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B&C JAHRBUC H 2018

58

EIN TAG MIT A M AG, LENZING UND SEMPERIT.

Leben.Mitten im

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MIT SACK & PACK ZUM AUTO

8 UhrKo

fferh

ülle

aus A

lu vo

n AMAG

Diese Fotos sind nur Symbolfotos für die unterschiedlichen Anwendungen der Grundstoffe unserer Industriebeteiligungen.

TAGWACHE6 Uhr

KATZENFERNSEHEN STARTEN

Dichtprofile von Semperit

SCHNELLES FRÜHSTÜCKUND „HEIZUNGS-CHECK“

Ein Tag mit Beteiligungen.Ein Tag mit AMAG, Lenzing und Semperit.

6 Uhr55

6 Uhr 30

Ver

pack

ung aus Alu von AMAG

Teebeutel aus Fasern von Lenzing

AB ZUR PARKGARAGE

7 Uhr 30

Handläufe von Semperit

Membrane von Semperit

Dichtprofile von Semperit

Bettw

äsch

e aus

Fase

rn von Lenzing

ABFAHRT & ANRUFE CHECKEN

COFFEE TO GO

Verpac

kung

aus

Alu

von

AMAG

START VON WIEN NACH FRANKFURT

Flügelprofil aus Alu von AM

AG

13 Uhr30

10 Uhr45

8 Uhr30

Tankschläuche von Sem

perit

Alu-Teile für Autos von AM

AG

VORBEREITUNG AUF DAS MEETINGum 15 Uhr45

ENTSPANNEN UND ABSCHALTEN

20 Uhr 30

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her aus Fasern von Lenzing

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andt

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Kleidung aus Fasern von LenzingGeh

äuse

aus A

lu von AMAG

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B&C JAHRBUC H 2018

64 65

VERPACKUNGZINK-ELEKTROLYSEN

ERNEUERBAREENERGIE

SPORT

TRANSPORT

ARCHITEKTUR

MASCHINEN-BAU

VERBRAUCHERELEKTRONIK

AUTOMOBIL

BAHN

LUFTFAHRTWÄRMETAUSCHER

KLIMAANLAGEN

LKWSEILBAHN

SCHIFF

PERSONENSCHUTZ

BUS

FASSADEN

BELEUCHTUNG

VERPACKUNGSFOLIEN

WINDKRAFTANLAGEN

BERGSPORTARTIKEL

FAHRRAD-/MOTORRAD-KOMPONENTEN

SKI

WANDER-/SKISTÖCKE

GEHÄUSE

TELE-KOMMUNIKATION

KATHODEN

BRÜCKENBAU

FORMENBAU

ANLAGENBAU

A M A G

Eine Nachhaltigkeits-strategie mit dem Grundsatz „Wertschöpfung durch Wertschätzung.“

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A M AG PR ODUKTE FÜR DIE WELT

ARCHITEKTUR

SPORTARTIKELWÄRMETAUSCHER

AUTOMOBIL

Neben den bekannten Struktur- und Außenhaut-blechen bietet AMAG Spezialprodukte für erhöhte Umformbarkeit und hohe Festigkeit sowie Bleche mit höchster Oberflächenqualität für Zierteile, beispielsweise am Armaturenbrett und Gusslegierun-gen für Fahrwerks- und Strukturteile an.

Langjähriges Know-how auf dem Gebiet des Walz- plattierens zur Herstellung von mehrschichtigen Sandwichblechen, eine Investition in eine hoch- moderne breite Plattierstation und innovative Materialkombinationen zeichnen die AMAG als Lieferant von Vormaterial zur Verwendung in Kühlern, Klimageräten und Wärmetauschern inFahrzeugen, Gebäuden und Industrieanlagen aus.

LUFTFAHRT

Die AMAG ist der Spezialist für hochfeste Alumi-niumbleche und -platten und qualifizierter Liefe-rant für die großen Flugzeughersteller. Durch die Investition in eine Kontursäge können nun auch endformnahe Teile aus Aluminiumplatten hergestellt werden. Dadurch wird weniger Material zum Kunden transportiert und die sogenannte „Buy to fly“-Ratio verbessert. Die anfallenden Produktionsabfälle werden darüber hinaus in der eigenen Gießerei direkt wieder in hochwertiges Vormaterial verarbeitet.

AMAGs hochfeste Speziallegierungen, darunter AMAG Titanal®, bieten einzigartige Eigenschaften, die ideal den Bedürfnissen der Sportartikelindustrie entsprechen. Insbesondere die herausragende Kombination aus höchster Festigkeit und Anodisier-barkeit überzeugt bei Kettenrädern, Skiern, Wander- und Skistöcken sowie diversen Bergsportartikeln, die zuverlässig stärksten Belastungen bei geringem Gewicht standhalten müssen.

AMAG Glanzmaterialien kommen in Fassaden, zur Innenraumdekoration sowie in Beleuchtungskörpern in modernen Gebäuden zum Einsatz und verleihen diesen eine besondere Ausstrahlung. Innovative und optisch ansprechende Oberflächen sowie Langlebig-keit zeichnen diese Produkte aus.

AMAG ist ein zuverlässiger und langjähriger Premiumpartner für namhafte Automobilhersteller und zeichnet sich besonders durch die hohe und stabile Qualität der Produkte, den per-

sönlichen Kundenservice und ihre Innovationskraft aus.

VERPACKUNG

AMAG produziert Folienvorwalzband für flexible Verpackungen, die beispielsweise in Lebensmittel- und Medikamentenverpackungen zum Einsatz kommen. Damit wird die Haltbarkeit dieser Produk-te durch Schutz vor Sauerstoff und Licht verlängert.

Die AMAG ist mit 20 % an Alouette (CAN), der größten Elektrolyse in Nordamerika, beteiligt. Die Herstellung von Primäraluminium erfolgt nachhaltig mit Strom aus 100 % Wasserkraft und damit mit einer hervorragenden Bilanz bezüglich Energiever-brauch und CO2-Emissionen. Die AMAG in Ranshofen liegt darüber hinaus mit einer Schrott- einsatzrate von 75 bis 80 % bei Recycling an der Weltspitze. Dabei werden wertvolle Ressourcen und Energie eingespart: Recycling benötigt nur 5 bis 10 % der Energie im Vergleich zur Produktion von Aluminium aus Tonerde. AMAG wurde 2018 als erstes integriertes Werk mit Recycling, Gießerei und Walzwerk nach dem Performance-Standard der Alu-minium Stewardship Initiative (ASI) zertifiziert.

NACHHALTIGKEIT

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68

MODERNSTES ALUMIUMWERK EUR OPA S

PUNKTET BEI DER UMWELT

Herr Kaufmann, der Hochlauf des neuen Kaltwalz- werkes ist in vollem Gange. Welchen Beitrag leisten die getätigten Investitionen langfristig für den Wirtschaftsstandort Österreich und die Region?

Wir haben in den letzten 10 Jahren in der AMAG-Gruppe rund 1 Milliarde Euro in die Entwicklung des Unterneh-mens investiert, etwa 80 % davon in Ranshofen. Alleine für unseren Werksausbau haben wir 535 Millionen Euro in die Hand genommen, um Ranshofen zum modernsten Aluminiumwalzwerk in Europa zu machen.

Zusammen mit unseren laufenden Ausgaben für Waren und Dienstleistungen haben wir im Zeitraum 2012 bis 2018 Bestellungen im Wert von 620 Millionen Euro bei oberösterreichischen Unternehmen getätigt und damit einen kräftigen Wirtschaftsimpuls gegeben. Auch an den Arbeitsmarkt haben wir mit rund 480 neuen Jobs in 6 Jahren ein kräftiges Signal gesandt, welches noch in den nächsten Jahren nachhallen wird, da wir laufend neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen.

Welche Kundensegmente profitieren besonders von den neuen Kapazitäten?

Wir waren hinsichtlich Produkten und Kundenlandschaft schon immer breit aufgestellt. Und unsere Investitionspläne sollten daran nichts ändern. Mit dem Werksausbau und den modernen Anlagen haben wir viel Neues zu bieten. Unsere Abnehmer profitieren künftig sowohl von neuen

Werkstoffen als auch von größeren Breiten und Dicken unserer Walzprodukte. Damit sind wir ein gern gesehener Wachstums- und Entwicklungspartner unserer Kunden aus den Bereichen Automobil, Luftfahrt, Nutzfahrzeuge, Ver-packung, Maschinenbau, Bau und Architektur, Elektronik und Sportartikel. Mit dem neuen Werk haben wir nun auch zwei unabhängige Produktionslinien und damit ein hohes Maß an Zuverlässigkeit. Darüber hinaus macht uns unsere ausgeprägte Stärke im Recycling von Aluminium zukunfts-sicher.

Stichwort Automobil: Welchen Beitrag leistet AMAG, um die CO2-Emissionen im Transportsektor zu senken?

Durch den steigenden Einsatz von Aluminium in Fahrzeu-gen wird Gewicht eingespart. Weniger Gewicht bedeutet weniger Treibstoffverbrauch und somit CO2-Ausstoß im Betrieb des Fahrzeuges. Hochfeste Aluminiumwerkstoffe der AMAG sorgen mit geringem Gewicht täglich für Si-cherheit und Zuverlässigkeit in Fahrzeugen aller Art. Am Ende der Lebensdauer, wenn die eingesetzten Mate-rialien idealerweise vollständig wieder in den Produkti-onskreislauf zurückkehren, spielt die AMAG eine weitere Stärke aus.

Richtig behandelt, behält Aluminium nämlich beim Recycling seine hervorragenden Eigenschaften, unabhängig davon wie oft dieser Vorgang wiederholt wird. Wir haben im letzten Jahr rund 360.000 Tonnen Aluminiumschrott

verarbeitet und sind damit in Europa der größte Alu- miniumrecycler an einem Standort. Rund 75 % unseres Einsatzmaterials ist Sekundäraluminium, womit wir an der Weltspitze liegen.

Auch unsere Elektrolyse Alouette in Kanada kann mit be-sonderen Umweltvorteilen punkten. Dort wird mit Strom aus Wasserkraft Primäraluminium mit im Branchenver-gleich sehr geringen CO2-Emissionen produziert.

Als Gründungsmitglied der Aluminium Stewardship Ini-tiative (ASI) haben wir uns im Vorjahr besonders über die Zertif izierung nach diesem Standard als erstes integrier-tes Unternehmen weltweit gefreut. Damit wurden unsere Leistungen im Bereich der nachhaltigen Produktion von Aluminium gewürdigt.

Aluminium ist das dritthäufigste Element und häu-figste Metall auf unserer Erde. Was macht für Sie die Faszination dieses Werkstoffes aus?

Das faszinierende am Werkstoff Aluminium sind die hervorragenden Eigenschaften sowie die vielfältigen Ein-satzmöglichkeiten. Aluminium vollbringt täglich Spit-zenleistungen in Flugzeugen, Autos, Nutzfahrzeugen, in Verpackungen, in Gebäuden, ob als Fassadenwerkstoff oder in Kühl- und Klimageräten, in Maschinen und Anlagen, in Verpackungen von Lebensmitteln oder Medikamenten, in Skiern und Fahrrädern. Hierbei erfüllt der Werkstoff unterschiedlichste, teilweise widersprüchliche, Anforderun-

gen. Daraus ergeben sich spannende Aufgabenstellungen für Technikerinnen und Techniker, die bei uns ein höchst abwechslungsreiches Arbeitsumfeld in einem global tätigen Unternehmen vorfinden.

Wir Konsumenten sind also täglich in Berührung mit Aluminium. Welche Anwendungen sind beson-ders herausfordernd aus Sicht des Werkstofftechno-logen?

Ein typisches Beispiel dafür sind die Forderungen nach höchster Festigkeit bei gleichzeitig guter Umformbar-keit sowie perfekter Oberf läche aus der Automobil- und Luftfahrtindustrie. Als Beispiel möchte ich hier eine Anwendung aus der Luftfahrt nennen. Hier konnten wir als einziger Produzent weltweit eine Kombination aus einer hochglänzenden und einer hochfesten Aluminiumlegierung in Form eines Sandwich-Bleches herstellen.

Die daraus gefertigten Flügelvorderkanten für Business Jets sorgen mit ihrer spiegelnden Oberf läche für eine Reduk- tion der Turbulenzen und damit für verringerten Treib-stoffverbrauch. Es geht dabei um Materialentwicklung und ein umfassendes Verständnis der Produktion. Hier sind wir mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hervorra-gend aufgestellt.

Modernste Produktionsanlagen, Simulationswerkzeuge und die Zusammenarbeit mit Top-Forschungseinrichtungen schaffen die Basis dafür.

HELMUT KAUFMANN TECHNIKVORSTAND AMAGstudierte an der Montanuniversität Leoben und promovierte dort nach einem Gastaufenthalt am Massachusetts Institute of Technology in den USA zum Dr. mont.

Er startete seine Berufslaufbahn bei der AMAG, war dann Manager bei UBE Europe in Düsseldorf und Geschäfts- führer des ARC Leichtmetallkompetenz-zentrums Ranshofen. 2007 wurde er zum Technikvorstand der AMAG (Austria Metall AG) bestellt.

A M A G

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71B&C JAHRBUC H 2018

70

AMAG

Kennzahlen2018

EBITDA

141,0 MIO EUR

EBITDA-MARGE

12,8 %

EK-QUOTE

39,8 %

INVESTITIONEN GESAMT

72,6 MIO EUR

UMSATZ

1.101,6MIO EUR

F&E

15,1 MIO EUR

STANDORTE

PRODUKTIONS- GESELLSCHAFTEN:

Ranshofen/Österreich,Sept-Îles/Kanada

VERTRIEBSTÖCHTERUND HANDELS-

VERTRETUNGEN:Niederlande,

Großbritannien, Italien,Deutschland, Türkei, Polen,

Frankreich, Tschechien, Schweden, Spanien,

Bulgarien, Schweiz, Israel,Taiwan, Südkorea, Indien, Japan,

China, USA, Mexiko, Brasilien

UMSATZ NACH SEGMENTEN

UMSATZ NACH REGIONEN

70 % SEGMENT WALZEN 20 % SEGMENT METALL 9,5 % SEGMENT GIESSEN 0,5 % SEGMENT SERVICE

43 % WESTEUROPA (OHNE ÖSTERREICH) 15 % ÖSTERREICH 12 % ÜBRIGES EUROPA 24 % NORDAMERIKA 6 % ASIEN, OZEANIEN, SONSTIGE

52,7 %Anteil der B&C Industrieholding am Grundkapital der AMAG.

20

70

9,524 43

www.amag-al4u.com

ANZAHL GEHALTENE PATENTE

20

1 Milliarde Euro Investitionen in den letzten 10 Jahren

Das modernste Aluminiumwerk Europas

Neuer Umsatzrekord mit über 1,1 Mrd. EUR in 2018

Wachstumsstrategie mit Fokus auf Spezialprodukte erfolgreich fortgesetzt

1512

6

KURSENTWICKLUNG DER AMAG AKTIE01/2016-03/2019 (IN EURO)

57

52

47

42

37

32

2701/2016 01/2017 01/2018 03/2019

61 LEHRLINGE

FRAUENANTEIL:

KONZERN

10,3 %ÖSTERREICH

9,6 %

BESCHÄFTIGTE

PER ULTIMO

2.076ÖSTERREICH

1.849

HIGHLIGHTS 2018

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B&C JAHRBUC H 2018

72 73

L E N Z I N G

Der Schlüssel zu außergewöhnlicher Innovationskraft ist das stetige Streben nach dem Besseren.

KLEIDER

SPORTBEKLEIDUNG

DENIMJEANS

UNTERWÄSCHE

HEMDENBLUSEN

SCHUHE

TECHNISCHE TEXTILIEN

VERPACKUNGEN

SCHUTZBEKLEIDUNGSCHÖNHEITSARTIKEL

HYGIENE UNDMEDIZINISCHEPRODUKTE

HEIMTEXTILIEN

BETTWÄSCHE

BABYWINDELN

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75B&C JAHRBUC H 2018

74

LENZING PR ODUKTE FÜR DIE WELT LENZINGTM ECOVEROTM

LENZINGTM ECOVEROTM Fasern wurden mit dem EU-Ecolabel ausgezeichnet, einem Umwelt-zeichen, das an Produkte und Dienstleistungen vergeben wird, die während ihres gesamten Lebenszyklus hohe Umweltstandards erfüllen: von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung, dem Vertrieb und die Entsorgung. LENZINGTM ECOVEROTM Fasern können im Endprodukt zweifelsfrei identifiziert werden.

TENCELTM DENIMTENCELTM Denim Cellulosefasern botani-schen Ursprungs sind auf einen nachhaltigen Lebensstil zugeschnitten, verleihen persönli-chen Ausdruck und Bewegung aufgrund ihres natürlichen Komforts, Geschmeidigkeit und Vielseitigkeit. TENCELTM Lyocellfasern wer-den in Jeans-Stoffen entweder zu 100 Prozent oder als Mischungspartner meist mit Baum- wolle eingesetzt.

TENCELTM HOMECellulosefasern der Marke TENCELTM für den Einsatz im Segment Home bieten langanhalten-den natürlichen Komfort und ein angenehmes Wohngefühl. TENCELTM Lyocell- und Modalfa-sern sind mit einem ungewöhnlich weichen Ge-fühl natürlich sanft auf der Haut und verbessern die Schlaf- und Wohnqualität.

LENZINGTM FOR PROTECTIVE WEARFasern der Marke LENZINGTM sind nachhaltig hergestellte, schwerentf lammbare Fasern, die auf dem bekannten Modal-Faserherstellungsverfahren basieren. LENZINGTM FR Fasern werden übli-cherweise mit anderen Hochleistungsfasern ge-mischt, um einzigartige Schutzlösungen für eine Vielzahl industrieller Anwendungen herzustellen, beispielsweise zur Ausstattung von Feuerwehr-leuten. LENZINGTM FR Fasern verleihen diesen Stoffmischungen sowohl Schutzqualitäten als auch erhöhten Komfort.

VEOCELTM BEAUTYCellulosefasern der Marke VEOCELTM sind botanischen Ursprungs und vereinen einzigartige Performance, Komfort und Nachhaltigkeit in Kosmetikprodukten. VEOCELTM Cellulosefasern sind kompostierbar und biologisch abbaubar und können somit vollständig in die Natur zurück-kehren. Mit VEOCELTM Beauty Fasern behält das Tuch der Gesichtsmaske auch mit f lüssigen Kosmetika und Pf legelotionen stets seine Form.

LENZINGTM FOR PACKAGINGLENZINGTM for packaging Cellulosefasern sind biologisch abbaubare Fasern, die nachhaltig produziert werden und vollständig kompostierbar sind. Diese Faserart eignet sich für eine Vielzahl von Verpackungsanwendungen wie zum Beispiel Teebeutel oder Einweg- und Mehrwegnetze zur Verpackung von Obst und Gemüse.

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7 7B&C JAHRBUC H 2018

76

FA SERN FÜR (FA ST ) ALLES IM LEBEN

Was sehen Sie als wesentliche Meilen-steine im vergangenen Jahr, gerade im Hinblick auf die langfristige Entwicklung von Lenzing?

2018 war für die Lenzing-Gruppe ein besonde-res Jahr. Wir haben unsere führende Rolle bei Nachhaltigkeit ausgebaut, was sich am Markt konkret durch den Launch der neuen Marken-architektur zeigt: Unsere Fasern der Marke TENCEL™ werden von den Modemarken in ihren Kollektionen weltweit eingesetzt, um unter Beweis zu stellen, dass sie ihre Verantwortung zum Schutz der Umwelt ernst nehmen. Ein wei-terer Meilenstein ist für mich das Joint Venture mit Duratex, dem brasilianischen Marktführer für Holzpaneele. Mit diesem Partner prüfen wir derzeit den Bau der weltweit größten single-line Produktionslinie für Zellstoff zur Sicherstellung der Versorgung mit hochwertigem und nachhal-tigem Faserzellstoff.

Lenzing positioniert sich bewusst als Innovationsführer unter den Herstellern botanischer Fasern. Was sind hier

aktuelle Maßnahmen im Sinne dieses strategischen Ansatzes?

Die Lenzing-Gruppe wird in der globalen Faserbranche als ein Innovationsführer sowohl bei Produkten als auch bei Prozesstechnologien gesehen. Ein Beispiel dafür ist unsere neue Web- Technologie, welche eine wichtige Lösung für das Problem der Plastikverschmutzung in den Gewässern ist.

Das Neue daran ist, dass wir aus dem Zellstoff direkt ein fertiges Vlies produzieren und die Produktionsschritte dazwischen entfallen. Unsere Kunden können dieses Vlies für Pro-dukte wie Gesichtsmasken und Hygienetücher verwenden, die nach Gebrauch durch ihre vollständige biologische Abbaubarkeit verant-wortungsvoll entsorgt werden können.

Kerngeschäft von Lenzing ist die nachhal-tige Produktion botanischer Fasern. Wie wird dies konkret umgesetzt, welchen Beitrag leisten Produkte von Lenzing zu einer lebenswerten Welt von morgen?

Unsere holzbasierten Fasern und unsere Prozes-se haben zahlreiche Zertif izierungen erhalten, z.B. die FSC® Chain of Custody Zertif izierung und den Ecovadis Gold Status. Sie schneiden auch in den Rankings der Sustainable Apparel Coalition und der kanadischen NGO Canopy sehr gut ab. Das ist die Basis dafür, in der Textilbranche und den Hygiene- und Kosmetik-branchen nachhaltigere Produkte zu verankern.

Wie sieht Lenzing die Entwicklung des weltweiten Fasermarkts, gerade im Hin-blick auf holzbasierte Cellulosefasern?

Der Wunsch der Konsumenten nach komfortab-len, nachhaltigen und gut aussehenden Textilien ist der Wachstumstreiber für holzbasierte Fasern. Funktionalitäten wie ein weicher Griff, gutes Feuchtigkeitsmanagement und biolo-gische Abbaubarkeit sind zudem auch in der Hygiene- und Kosmetikbranche stark gefragt. Das führt dazu, dass der Markt für holzbasierte Fasern weiterhin stärker wachsen wird als der Fasermarkt insgesamt und als das BIP in den Industrieländern.

Was sind typische – und auch überra-schende – Einsatzbereiche der Produkte der Lenzing? Welchen konkreten Nutzen bzw. Wert haben die Produkte von Len-zing für ihre Anwender, wie tragen sie zu ihrer Lebensqualität bei?

Unsere holzbasierten Fasern sind in den unterschiedlichen Anwendungen hoch funkti-onal, emotional und ästhetisch. Sie werden in Textilien, Hygiene- und Kosmetikprodukten, für Verpackungen und in zahlreichen anderen Pro-dukten eingesetzt. So gut wie jeder Österreicher kommt täglich mit Fasern der Lenzing-Gruppe in Berührung, weiß es aber nicht, weil unsere Marken als „ingredient brands“ meist nicht sichtbar sind. Ich bin immer wieder fasziniert davon, dass unsere nachhaltigen Fasern für so viele anspruchsvolle aber dabei einfache Produk-te verwendet werden, die viele unserer täglichen Ansprüche abdecken. Wenn ich zum Beispiel meine Hemden aus TENCEL™ Fasern zu Reisen auf die andere Seite der Welt mitnehme und sie dort über Nacht auf den Kleiderhaken hänge, sind sie – ohne dass sie gebügelt worden sind – am nächsten Tag perfekt zu tragen.

ROBERT VAN DE KERKHOFVORSTANDSMITGLIED LENZING AG

war 25 Jahre im Fasergeschäft bei DuPont und Koch Industries tätig.

Seit 2014 ist er Mitglied des Vorstandes der Lenzing AG und ist dort für den Bereich Marketing und Vertrieb verantwortlich.

Viele Österreicher kommen mit Fasern von Lenzing jeden Tag in Berührung ohne es zu wissen. Sie tragen Kleidung, schlafen in Bettwäsche aus diesen

Fasern oder verwenden sie in Kosmetik- und Hygieneprodukten. Sie können das mit gutem Gewissen tun, weil diese Fasern aus Holz sind und sich nicht

nur gut anfühlen, sondern auch die Umwelt schützen. Sie sind biologisch abbaubar und werden nach Verwendung wieder Teil des natürlichen

Kreislaufes ohne schädliche Rückstände zu hinterlassen.

L E N Z I N G

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79B&C JAHRBUC H 2018

78

HIGHLIGHTS 2018

EBITDA

382,0 MIO EUR

UMSATZ

2.176,0MIO EUR

STANDORTE

PRODUKTION VON LYOCELLFASERN:

Lenzing und Heiligenkreuz/Österreich,

Mobile, Alabama/USA,Grimsby/Großbritannien

PRODUKTION VONVISCOSEFASERN:

Lenzing/Österreich, Nanjing/China,

Purwakarta/Indonesien

PRODUKTION VONMODALFASERN:

Lenzing/Österreich

PRODUKTION VON ZELLSTOFF:

Lenzing/Österreich,Paskov/Tschechien

VERTRIEBS- UNDMARKETINGBÜROS:

New York/USA, Coimbatore/Indien,

Shanghai und Hongkong/China, Jakarta/Indonesien,

Seoul/Korea, Singapur,

Istanbul/Türkei

UMSATZ NACH GESCHÄFTS-BEREICHEN

FASERUMSATZ IN KERNMÄRKTEN

45,5 % SPEZIALFASERN39,7 % STANDARDFASERN14,8 % SONSTIGE GESCHÄFTSFELDER

38,0 % NORDASIEN35,6 % ASIEN, AFRIKA, NAHER OSTEN26,4 % EUROPA, AMERIKA

www.lenzing.com

LENZING

Kennzahlen2018

laut IFRS-Konzernabschluss

EBITDA-MARGE

17,6 %

EK-QUOTE

59,0 %

39,7

45,526,4

35,6

38,0

14,8

KURSENTWICKLUNG DER LENZING AKTIE01/2016-03/2019 (IN EURO)

183

163

143

123

103

83

63

4301/2016 01/2017 01/2018 03/2019

Feier des 80-Jahr-Jubiläums von Lenzing

Eröffnung eines neuen Center of Excellence in Indonesien

Übernahme des verbleiben-den 30-Prozent-Anteils am chinesischen Joint Venture Lenzing (Nanjing) Fibers

Globale Präsentation des neuen Markenauftritts der Lenzing Gruppe

INVESTITIONEN GESAMT

257,6MIO EUR

F&E

42,8MIO EUR

50,0 % + 2 AKTIENAnteil der B&C Industrieholding am Grundkapital der Lenzing AG.

ANZAHL GEHALTENE PATENTE

1324

158LEHRLINGE

FRAUENANTEIL:

KONZERN

12,4 %ÖSTERREICH

14,6 %

BESCHÄFTIGTE

PER ULTIMO

6.839ÖSTERREICH

3.387

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B&C JAHRBUC H 2018

80 81

DICHTUNGSPROFILEHEIZUNG &

SANITÄR

HYDRAULIKSCHLAUCH

SEILBAHNTECHNIK

FÖRDERGURTE

HAUSHALT

TRANSPORT

ROHRBAU

ELASTOMER-PLATTEN

HANDLAUF

HANDSCHUHE

INDUSTRIESCHLAUCH

GUMMIFOLIEN

SEMPERIT

Der Firmenname ist das unternehmerische Credo: semper it – es gibt immer eine Lösung.

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83B&C JAHRBUC H 2018

82

SEMPERIT PR ODUKTE FÜR DIE WELT

Sempermed Handschuhe schützen Gesundheits-personal und Industrieanwender nicht nur vor Viren, Bakterien und anderen Krankheitserregern, sondern bieten auch hautfreundliche Lösungen für Handschuhträger mit Allergien.

leisten wertvolle Beiträge zur technischen Infra-struktur weltweit und sind perfekt auf die hohen internationalen Anforderungen abgestimmt. Zu den vielfältigen Einsatzgebieten gehören Bauwesen, Landwirtschaft, Materialhandhabung, Bergbau, Hochdruckreinigung, chemische Industrie, Lebens-mittelindustrie oder Recycling.

SEILBAHNTECHNIKHANDSCHUHE

HYDRAULIK- UND INDUSTRIESCHLÄUCHE DICHTUNGSPROFILEHANDLAUFELASTOMERPLATTEN

Als Innovationsführer bei Kautschukdichtungen für Fenster, Türen und Tore leistet Semperit einen wesentlichen Beitrag im Bereich des energieeffizienten Bauens. Zertifizierte Dichtungen eignen sich zur Ver-wendung in Trinkwasser (frei von poly-aromatischen Kohlewasserstoffen) und in Brandschutzanlagen.

Semperit ist Entwicklungs- und Produktionspartner der führenden Hersteller seilgezogener Transportsys-teme. Die Einlageringe sind sehr belastbar und haben hervorragende Dämpfungseigenschaften. Der Fahrgast profitiert von einem nachweislich hohen Sicherheits-standard und ausgezeichnetem Komfort.

werden hauptsächlich beim Dichten und Dämpfen eingesetzt, etwa bei Pumpen und Leitungen im Sani-tärbereich. Im Anlagenbau sorgen Elastomerplatten für Beständigkeit gegen aggressive Materialien. Semperit Elastomerplatten punkten mit hoher Qualitätskons-tanz, die Verarbeiter profitieren von Flexibilität und Schnelligkeit.

Diese Sicherheitsbauteile dienen Passagieren zum Festhalten auf Fahrtreppen und Fahrsteigen und finden Einsatz im öffentlichen Verkehr oder Gebäudemanage-ment. Handläufe von Semperit sind beliebt wegen ihrer hohen Verlässlichkeit und dem ausgezeichneten Servicelevel.

Handläufe von Semperit sind auf der ganzen Welt rund um

die Uhr im Einsatz: Exportiert wird in mehr als 80 Staaten.

Sie garantieren einen effizienten und zuverlässigen Materialtransport im Bergbau, in der Stahl- und Zementindustrie oder bei Hafenanlagen. Der sichere und hocheffiziente Förderbetrieb funktio-niert auch unter extremen Bedingungen und ist umweltfreundlicher und weniger wartungsinten-siv als etwa der LKW-Transport.

FÖRDERGURTE

Semperit entwickelt, produziert und vertreibt qualitativ hochwertige

Hydraulik- und Industrieschläuche für

vielfältige Anwendungen

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84

TRANSFORM ATION UNTER ERHALT

TRADITIONELLER WERTE

Semperit erlebt derzeit einen umfassenden Transfor-mationsprozess. Was waren hier im vergangenen Jahr die zentralen Maßnahmen?

Füllenbach: 2018 war ein schwieriges, forderndes, aber auch ganz entscheidendes Jahr für die Semperit-Gruppe: Dank unserer intensiven Restrukturierungsbemühungen ist es uns im Hinblick auf die operativen Ergebnisse gelungen, die Tal- sohle zu durchschreiten. Wir haben mehr als 30 Projekte mit den Themenschwerpunkten Wachstum, Operative Exzellenz, Profitabilität sowie Steuerung & Prozesse aufgesetzt. Diese übersetzen sich in über 700 Transformationsmaßnahmen und werden in Summe dazu beitragen, Semperit zukunftsträchti-ger und wettbewerbsfähiger aufzustellen.

Die wesentlichsten Schritte bisher waren die Komplexitäts-reduktion im Industriesektor durch die Schließung bzw. den Verkauf von Produktionsstandorten sowie Transformations-maßnahmen in den Schwerpunktbereichen Vertrieb und Pro-curement. Wir arbeiten parallel an den unterschiedlichsten Fronten, unser Restrukturierungskurs ist hart und intensiv. Daher gilt mein ausdrücklicher Dank allen Kollegen, die uns auf diesem Weg begleiten und kontinuierlich Ihren so wichti-gen Beitrag leisten.

Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend, damit der Turnaround geschafft wird?

Füllenbach: Entscheidend ist, unseren Restrukturierungs- und Transformationsprozess weiterhin mit aller Konsequenz voranzutreiben. Mit einem deutlichen Profitabilitätsanstieg sind wir bereits 2018 ein großes Stück vorangekommen, 3 unserer 4 Segmente haben auf Gesamtjahressicht positive Erträge erzielt. Wir sehen im Sektor Industrie zahlreiche ermutigende Signale und sind auf einem guten Weg. Hier konnten wir bereits unter Beweis stellen, dass unsere Maß-nahmen greifen und wir die Restrukturierung beherrschen.

Wermutstropfen bleibt die negative Entwicklung im Sektor Medizin, wo wir mit höchster Konzentration am dringend erforderlichen Turnaround arbeiten.

Fremerey: Vor dem Hintergrund der besonderen Problem-komplexität im Sektor Medizin haben meine Vorstandskolle-gen das Transformationsprojekt von Beginn an bewusst und mit Bedacht auf eine Gesamtdauer von 36 Monaten angelegt. Die strukturellen Herausforderungen bei den Betriebspro-zessen (Operations), in der IT sowie beim Portfolio- und Marktansatz erfordern diese Zeitspanne. Was mich aber seit Übernahme der Verantwortung für die Sempermed vor einigen Monaten zuversichtlich stimmt, sind unsere positiven und teils langjährigen Kundenbeziehungen sowie der unermüdliche Einsatz unserer Mitarbeiter für eine Verbesserung der Situation. Wir sind gemeinsam überzeugt, möglichst rasch an die erfolgreiche Entwicklung der Industrie- segmente anzuschließen.

Es ist geplant, dass die Transformation 2020 abge-schlossen wird. Wie sehr wird sich Semperit bis da-hin verändert haben? Werden sich die Absatzmärkte deutlich verändern?

Füllenbach: Es wird ein in wesentlichen Bereichen sichtlich verändertes Semperit sein. Ab Anfang 2021 wollen wir eine EBITDA-Marge von rund 10 % erreichen. Dafür müssen wir uns auch strukturell entsprechend aufstellen und wettbe-werbsfähiger werden, näher am Kunden agieren. Wir werden unseren strategischen Fokus unter anderem auf neue Märkte, Regionen und Kundensegmente richten.

Semperit ist ein Unternehmen mit einer bald 200-jährigen Geschichte. Wie kann es gelingen, in solch einem Unternehmen Strukturen neu zu

definieren und gleichzeitig die Werte, die das Unter-nehmen ausmachen, zu erhalten?

Füllenbach: Wir setzen auf dem auf, was vorhanden, gut und wertvoll ist und adaptieren es für heutige und künftige Anforderungen. Die Semperit-Transformation dreht sich vorrangig um Modernisierung, Prozessoptimierung, Com-mitment to Excellence, Kulturwandel. Ich möchte, dass die Zusammenarbeit in diesem Unternehmen durchgängig von Werten geprägt wird, die ich für unverzichtbar halte: Res-pekt, Integrität, Loyalität und Professionalität.

Fremerey: Es ist schon eine besondere Aufgabe, ein Unter-nehmen mit einer so langen Historie zukunftsfit aufzustellen. Wir achten darauf, dass sich Tradition und Moderne bei der Neuausrichtung ergänzen.

Was sind typische – und auch unerwartete – Ein-satzbereiche der Produkte von Semperit? Welchen konkreten Nutzen bzw. Wert haben die Produkte von Semperit für ihre Anwender, wie tragen sie zu ihrer Lebensqualität bei?

Füllenbach: Unser Produktsortiment ist komplex, entspre-chend divers sind seine Einsatzbereiche. Formteile dichten

etwa Fenster, Türen oder Waschmaschinen ab; der Förder- gurt dient dem Materialtransport und stellt somit eine um-weltschonende Alternative zum Straßen-LKW dar. Unsere Schläuche finden unter anderem in der Hochdruckreinigung Anwendung. Ein wichtiges Merkmal vieler unserer Produkte bzw. Komponenten ist ihre Unverzichtbarkeit: Ohne Semperit würden Produkte anderer Anbieter nicht funktionieren. Viele Menschen wären überrascht, wie häufig sie im Tagesver-lauf mit Semperit in Berührung kommen – vom Fahrtrep-pen-Handlauf bei der U-Bahnfahrt über die Skifolie bei Win-tersport bis zum Untersuchungshandschuh in der Arztpraxis.

Welches Versprechen geben die Produkte von Semperit ab?

Fremerey: Sempermed-Handschuhe bieten zu allererst zuverlässigen Schutz gegen sämtliche Infektionen oder Keime und sind dazu besonders haut- und umweltverträglich. Diesem Versprechen vertrauen Menschen im Gesundheits- bereich ebenso wie Industrieanwender.

Füllenbach: Semperit ist ein B2B-Unternehmen. Das wich-tigste Versprechen der Produkte aus den Industriesegmenten ist, unsere Kunden und Geschäftspartner performanter zu machen.

MARTIN FÜLLENBACH, CEO (L.)

studierte Wirtschafts- und Organisa-tionswissenschaften in München und promovierte im Bereich Finanzwissen-schaften an der Universität Nürnberg.Seit juni 2017 ist er Vorsitzender des Vorstandes (CEO) der Semperit AG Holding.

FELIX FREMEREYVORSTANDSMITGLIED (R.)

studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Karlsruhe und promovierte im Bereich Maschi-nenbau an der Technischen Universität Stuttgart. Seit September 2018 ist er Vorstandsmitglied der Semperit AG Holding.

S E M P E R I T

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87B&C JAHRBUC H 2018

86

HIGHLIGHTS 2018

EBITDA

46,4MIO EUR

UMSATZ

878,5MIO EUR

STANDORTE

HEADQUARTER: Wien/Österreich

SEMPERFLEX:Österreich, Tschechien,

Deutschland, China, Thailand, Singapur, Indien, USA

SEMPERFORM:Österreich, Ungarn,

Deutschland, Großbritannien, China,

Singapur, USA

SEMPERTRANS:Österreich, Deutschland, Polen, Indien, Indonesien, Australien,

Kanada, Mexiko, USA

SEMPERMED:Österreich, Ungarn,

Deutschland, Italien, China, Malaysia, Singapur, USA

UMSATZSPLIT NACH SEGMENTEN

UMSATZSPLIT NACH REGIONEN

INDUSTRIE 26 % SEMPERFLEX 17 % SEMPERTR ANS 22 % SEMPERFORM

MEDIZIN 35 % SEMPERMED

70 % EUROPA15 % NORD- UND SÜDAMERIK A15 % ASIEN, AFRIK A UND ANDERE LÄNDER.

KURSENTWICKLUNG DER SEMPERIT AKTIE01/2016-03/2019 (IN EURO)

www.semperitgroup.com

SEMPERIT

Kennzahlen2018

3526

17

22

Deutliche Steigerung des operativen Ergebnisses

Ausbau der Schlauch-Produktion aufgrund der Werkserweiterung in Odry

Die jährliche Schlauch-Produktion von Semperflex erreicht zweimal den Umfang der Erde

Markteinführung eines chlorfreien, umwelt-freundlichen Handschuhs

laut IFRS-Konzernabschluss

EBITDA-MARGE

5,3 %

EK-QUOTE

42,9 %

37

32

27

22

17

12

701/2016 01/2017 01/2018 03/2019

70

15

INVESTITIONEN GESAMT

80,8MIO EUR

F&E

14,0MIO EUR

54,2 %Anteil der B&C Industrieholding am Grundkapital Semperit.

ANZAHL GEHALTENE PATENTE

>300

15LEHRLINGE

FRAUENANTEIL:

KONZERN

21 %ÖSTERREICH

21 %

BESCHÄFTIGTE

PER ULTIMO

6.773ÖSTERREICH

896

15

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89B&C JAHRBUC H 2018

88

POTENZIAL ERKENNEN.CHANCEN NÜTZEN.

Die B&C

Innovation Investments

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91B&C JAHRBUC H 2018

90

DIE CHANCEN DER TECHNOLOGIE NUTZEN

Die B&C Innovation Investments konzentriert sich auf Wachstumsunternehmen mit technologischem Hintergrund. Was ist Ihr zentraler Fokus bei den Beteiligungen?

Thomas Zimpfer: Neben den Aktivitäten der B&C Indust-rieholding beteiligt sich die B&C über die „B&C Innovation Investments“ seit 2015 auch an Technologie- und Wachstums- unternehmen. Wir tun dies, weil wir erkannt haben, dass man neue Technologien auch aus Sicht der „Old Economy“ in erster Linie als Chance sehen sollte, zumal sich heute kein Unternehmen den grundlegenden und vor allem raschen Marktänderungen in Folge neuer Technologien entziehen kann. Ein Beispiel hierzu: die Top 10 der weltweit 500 wert-vollsten Unternehmen sind heute technologiedominiert. Vor 15 Jahren war das Bild noch ein ganz anderes. Es ist also unstrittig, dass man sich mit neuen Technologien aus- einandersetzen muss. Die B&C kommt aus der klassischen Old Economy, hat aber erkannt, dass die Digitalisierung im industriellen Umfeld eine große Chance für die Weiterent-wicklung etablierter Unternehmen ist. Unser Fokus liegt auf Direktinvestments im B2B-Geschäft, auf Software und auf

neuen Lösungen, die bestehende Prozesse positiv ergänzen und effizienter machen.

Wodurch schaffen Sie als Investor Wert für Beteiligungen?

Petra Preining: Wir haben von Beginn an darauf geachtet als Investor die Stärken der B&C – also das Netzwerk und die finanziellen Möglichkeiten – zum Einsatz zu bringen, was gleichzeitig ein klares Profil samt Differenzierung in der Venture-Investorenszene ermöglicht. Unser Investmentfokus ist ein langfristiger und wir haben keinen Exit-Zwang. Wir vernetzen Gründer mit großen, etablierten Industrieunterneh-men, um das Potential der jeweiligen Technologie der mitun-ter verschlossenen Old Economy aufzuzeigen. Wesentlich ist unser sehr selektiver Ansatz. Wir haben seit der Gründung der BCII bewusst „nur“ in 5 Unternehmen investiert, da wir tatsächliches Markt- und damit Wertsteigerungspoten-tial suchen und kritisch hinterfragen. Eine Ergänzung noch zum Investitionsfokus: Um die Wertschöpfung im Land zu steigern, investieren wir für Österreich, aber nicht zwingend in Österreich.

Zimpfer: Wesentlich ist, dass neben der the-matischen Fokussierung auch transparent ist, ab welchen Phasen BCII in Entrepreneure inves-tiert. Bei uns sind Gründer mit einer marktfähi-gen Lösung willkommen, die Bedarf nach einem langfristigen Partner haben, der das Wachstum nachhaltig begleitet. Pre-Seed-Finanzierung ist nicht in unserem primären Tätigkeitsbereich, denn dort kommen unsere Stärken nicht zum Tragen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihren Portfoliounternehmen ausgestaltet, wie intensiv ist der Kontakt zu den Grün-dern?

Preining: BCII verfolgt über die Aufsichts-rats- bzw. Beiratsarbeit sowie ein monatli-ches Reporting die laufende Entwicklung der eingegangenen Beteiligungen. Wir unterstützen die Gründer gerne mit unserem Fachwissen – z.B. bei der Strukturierung von Finanzierungen

– oder mit unserem Netzwerk. Wir erachten solche aktiven Schritte der Gründer als „den richtigen Modus“, da es uns wichtig ist, deren Unternehmertum nicht einzuschränken. Wir le-gen höchsten Wert darauf, dass Wachstumsun-ternehmen, die aus der Leistung der Gründer resultieren, auch von diesen geführt werden – alles andere ist aus unsere Sicht bestenfalls ein (schlechter) Kompromiss. Dieser Zugang der BCII sollte sich auch in der Anteilsverteilung spiegeln – wir hoffen stets, dass Gründer mög-lichst lange die Mehrheit an Ihren Unterneh-men halten. Der Fall TTTech zeigt, dass BCII sogar gemeinsam mit den Gründern bestrebt ist, eine solche Mehrheit partnerschaftlich wieder-herzustellen.

Zimpfer: Stark vereinfacht ausgedrückt setzen unsere Investments eine Dualität voraus: eine Idee mit Marktrelevanz, tatsächlichem Mehr-wert und damit Wachstumspotenzial, gepaart mit einem Gründerteam, dem wir bei der Um-setzung dieser Idee vertrauen. Ich möchte dabei

PETRA PREININGGeschäftsführerin

Petra Preining studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien. Nach Positionen im Finanzwesen von börsennotierten Konzernen (Unilever, Kraft Jakobs Suchard) war sie viele Jahre international im Management tätig, u. a. bei Wyeth in Moskau und TRC Ltd. für Middle East. Seit 2016 ist sie bei B&C aktiv. Sie ist Aufsichts-rätin der Semperit AG Holding und sitzt im Beirat diverser BCII Beteiligungen.

THOMAS ZIMPFERGeschäftsführer

Thomas Zimpfer studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er war zunächst im Investment Banking bei Drueker & Co. in Frankfurt/Main, anschließend im Private Equity bei der equitrust AG in Hamburg tätig. Für die B&C seit 2011 aktiv, nimmt Herr Zimpfer AR-Funktionen bei der AMAG Austria Metall AG sowie der TTTech Computertechnik AG wahr. Er ist außerdem Beirat der Flightkeys GmbH sowie der Kinexon GmbH.

Was steht hinter der Tätigkeit der B&C Innovation Investments? Die beiden Geschäftsführer Petra Preining und Thomas Zimpfer

erzählen von den strategischen Schwerpunkten und den großen Herausforderungen des digitalen Wandels für die

Unternehmen in Österreich.

„Wir sollten nicht defensiv denken, sondern Vorreiterrollen anstreben. Technologie ist nicht eine

Sympathie-, sondern eine Notwendigkeitsfrage“

THOMAS ZIMPFER

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B&C JAHRBUC H 2018

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nochmals ausdrücklich betonen: ein Unternehmen ist in der Entstehungs- und Wachstumsphase völlig vom Management und den Gründern abhängig. Wir erachten es als einen Fehler, den Gründern zu erklären, „wie sie ihr Geschäft führen sol-len“. Die erfolgskritische Vision und die umsetzungskritische Verantwortung liegt beim Gründer-Management. Wir dürfen ihre Arbeit daher nicht unterlaufen. Was in diesem Kontext oft vergessen wird: der Engpass von Gründerteams ist nicht nur Cash, sondern auch ihre Zeit – die Frage, wo sie diese investieren ist also sehr kritisch, daher beanspruchen wir die Zeit der Gründer nur dort, wo es gefragt und zielführend ist.

Österreich ist im internationalen Vergleich ein kleines Land. Was würde es brauchen, damit wir bei neuen Technologien dennoch nicht den Anschluss verpassen?

Preining: Nicht nur Österreich, sondern die gesamte EU verlässt sich auf Stärken der bestehenden Industrie, die über lange Zeit höchst erfolgreich aufgebaut wurden. Damit geht einher, dass die Relevanz von Neuem vielfach übersehen wird und Entscheidungen für Veränderungen zu langsam getroffen werden. Hier muss sich in den Gesellschaften etwas verändern: Wir können in Europa nicht eine weitere disruptive Entwick-lung verschlafen. Es muss uns bewusst sein, dass die Perspek-tiven für die heutige Industrie ohne Technologieunternehmen bzw. ohne Bestehendes kritisch in Frage zu stellen gefährdet sind. Der Maßstab zur Nutzung der neuen Technologien wird aus unserer Wahrnehmung in China bzw. den USA gelegt.

Zimpfer: Wir stehen heute vor folgenden Fragen: Gibt es überhaupt Branchen, die vom Wandel ausgenommen sind

(denken Sie bspw. an Fintechs oder die Änderungen der Au-tomobilwelt bzw. industrieller Prozesse)? Wie verteidigen wir Wertschöpfungsprozesse mit volkswirtschaftlichem Beitrag und daraus resultierend, wo sind künftig Jobs angesiedelt? All das ist doch eine unmissverständliche Warnung, die techno-logischen, jedenfalls langfristig disruptiven Entwicklungen nicht zu verpassen.

Es ist eine Frage der Einstellung, aber auch der Finanzie-rungsmöglichkeiten. In Europa f ließen 0,05 % des BIP in Venture Capital, in den USA aber 0,5 %. Uns trennt also der Faktor 10x. Technologie ist nicht eine Sympathie-, sondern eine Notwendigkeitsfrage..

Sie investieren nicht nur in österreichische Un-ternehmen, sondern haben auch Investitionen in Deutschland und den USA getätigt. Wie ist dieser Investitionsansatz mit dem Stiftungszweck der B&C vereinbar?

Zimpfer: Primär investieren wir dort, wo wir denken, dass zukunftsfähige Technologien wertsteigernd in Österreich aufgebaut werden können. Technologie hat allerdings keine Grenzen und der Wettbewerb ist global. Man denke nur an die Ambitionen Chinas, das bis 2049 den weltweiten Spitzen-platz der Wirtschaft einnehmen möchte und daran alle hier-für kritischen Aktivitäten und Investitionen ausrichtet. Aus unserer Sicht haben wir keine andere Wahl, als neue Techno-logien für Österreich verfügbar zu machen. Wir investieren daher dann im Ausland, wenn nur so entscheidende Techno-logien an Österreich herangeführt werden können. Konkret sind wir in solchen Fällen bestrebt, über Investments der

BCII dem Gesellschafterkreis im Ausland ansässiger Techno-logie-Unternehmen einen österreichischen Einschlag zu geben und diese Unternehmen mit der heimischen Old-Economy zu vernetzen, indem wir auf die konkreten Technologien auf-merksam machen. Unser Silicon Valley Investment Citrine ist dafür ein gutes Beispiel. Es ist ein von Stanford-Absolventen gegründetes Unternehmen, das Künstliche Intelligenz und Big Data zur Erforschung von neuen Materialien nutzt. Es wäre ein erheblicher Nachteil für die österreichische Indust-rie, wenn wir diese Technologie – obwohl wir Kenntnis von dieser erlangt haben – nicht nach Österreich führen. Gleiches gilt für Kinexon, ein beeindruckendes Unternehmen aus dem Bereich Industrie 4.0, das sich u.a. auf die Digitalisierung von Produktionsprozessen spezialisiert und in München ansässig ist.

Was ist der richtige Zugang zum digitalen Wandel, wie können wir in Österreich gerade in Hinblick auf die Bedrohungen richtig damit umgehen?

Zimpfer: Wir sollten in Österreich sowohl auf die Industrie als auch auf die Gründerszene stolz sein. In meiner Wahrneh-mung bräuchten wir in der Bevölkerung ein wirtschafts- und technologieorientierteres Denken und eine gewisse Begeis-terung für das was inländische Wertschöpfung und damit Beschäftigung bestimmt. Unser Zugang ist daher: lassen Sie uns die Technologie als Chance sehen! Der Wandel ist eine Schlüsselherausforderung für den Wirtschaftsstandort. Die Motivation für unsere Beteiligungen ist nicht, auf den in den Medien kolportierten „Venture-Zug“, der für uns einen Hy-pe-Charakter hat, aufzuspringen, sondern mit Gründerteams Unternehmen aufzubauen.

Preining: Wir führen in Österreich gerne ein Biedermei-er-Leben. Der Wandel wird als Bedrohung statt als Chance gesehen. Gerade bei Technologie ist es wichtig, dass die eta-blierten Industrieunternehmen die Transformation proaktiv gestalten und erfolgreich umsetzen. Wir werden es in Zukunft mit enorm spannenden Themen zu tun haben! Wir dürfen vor dem Wandel keine Angst haben, es braucht eine positive Besetzung. Neue effiziente Lösungen schaffen die Wertschöpfung der Zukunft!

Wie gravierend werden die Auswirkungen der neuen Technologien sein, welchen Nutzen bringen sie uns?

Zimpfer:: Jede unserer Beteiligungen erfüllt aus unserer Sicht den Anspruch durch Neues Bestehendes zu optimieren. Wir wagen zu behaupten, dass Flightkeys weltweit das modernste Unternehmen zur Planung und Berechnung von Flugrouten ist. Die Luftfahrt-Industrie ist ein komplett kostengetriebenes Geschäft, Flightkeys hilft den Marktteilnehmern ihre Markt-stellung zu verteidigen. Der Zugang ist komplett neu.

Preining: Effizienzsteigerung schafft wieder Potenzial für neue Entwicklungen. Je effizienter wir arbeiten, desto mehr Raum schaffen wir, um unsere Entwicklungspipeline voran-zutreiben. Neue Technologien werden bestehende Strukturen in Forschung & Entwicklung nicht komplett ersetzen kön-nen. Citrine ist dafür ein gutes Beispiel – sie sehen sich als Assistenz-Tool des Forschers, der über diese Plattform schnel-ler und effizienter arbeiten kann, aber nicht ersetzt wird. Die Technologie ist eine Ergänzung und nicht ein Ersatz.

„Wir dürfen vor dem Wandel keine Angst haben, es braucht eine positive Besetzung.

Neue effiziente Lösungen schaffen die Wertschöpfung der Zukunft.“

PETRA PREINING

THOMAS ZIMPFER

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Von Wien aus entwickelte Flightkeys ein völlig neuartiges Flugmanagement-Tool. Dank eines einzigartigen Algorithmus und einer mächtigen Datenpotenz im Hintergrund werden damit Flüge deutlich rascher und besser optimiert. Georg Schiefer vom Gründerteam erzählt vom entscheidenden Wert der Software-Lösung und vom nächsten Projekt.

Welches Neuland haben Sie mit Flightkeys betreten?

In der Flugplanung gab es in letzten 30 Jahren praktisch keine neue Systementwicklung, es war höchste Zeit für eine Software mit einer neuen Systemarchitektur. Unsere Lösung ist f lexibel, schnell sowie einfach zu warten und bietet ein

web-based User-Interface, das mit Touch-Screen bedienbar ist. Nach dem Prinzip Management by Exception sehen User nur, was sie in diesem Moment benötigen. Flightkeys ist dem Wettbe-werb technologisch weit voraus, daher sehen wir uns in drei Jahren auch als weltweiter Markt-führer für Flugmanagementsysteme. Wir haben bereits während der Entwicklung erste Kunden gewonnen und hatten im April 2019 den ersten Go-Live mit ARINCDirect, die 5.000 Flugzeuge mit Flugplan und Service versorgen. Kurz darauf folgte bereits der zweite Go-Live bei einer spani-schen Airline. Wir haben 100 % Exportquote!

Wie gelingt es Ihnen als junges österrei-chisches Unternehmen im internationalen Aviation-Bereich Kunden zu gewinnen?

Wir sieben Gründer ergänzen uns mit unserem Fachwissen zum Thema Luftfahrt und IT sehr gut, wir beschäftigen uns seit Langem mit der Flugpla-nung und haben uns einen sehr guten Namen am Markt gemacht.

Mit Flightkeys haben wir ein System der Zukunft entwickelt. Es deckt nicht nur die Flugplanung ab, sondern verfolgt einen Flug bis zu seiner Destination. Basierend auf den exakten Daten der Durchführung übernehmen wir laufend Reoptimierungen und informieren über die Durchführung des Fluges bis hin zu Alerting-Systemen über Abweichungen der Route oder beim Treibstoff-Verbrauch.

Wir gehen damit den Schritt von einem Flugpla-nungs- zu einem Flugmanagement-System.

Vier der sieben FLIGHTKEYS Founder haben bereits im Jahr 2000 erfolgreich ein Unternehmen im Aviation-Bereich gegrün-det. Was ist heute anders?

Mit Flightkeys nutzen wir neueste Technologien, die selbst vor fünf Jahren noch nicht möglich wa-ren. Wir arbeiten mit besseren Daten und unser Al-gorithmus findet sehr schnell Lösungen. Flightkeys ist ein Technologiesprung: Unsere Lösung fügt zu den vier Dimensionen in Raum und Zeit die entscheidende fünfte hinzu: die probabilistische Dimension. Aus den Echtzeitdaten von Flügen in Europa und in Amerika können wir auf künftige Flüge schließen. In dieser Richtung wollen wir weiterarbeiten. Wir wollen anhand der Positionsda-ten lernen: Welche Planung wurde eingereicht und welche Route wurde tatsächlich gef logen?

INVESTMENTFACTS

ANTEIL BETEILIGUNG:

rd. 18 %ZEITPUNKT DER BETEILIGUNG:

2016

BEREICH: SOFTWARE AS A SERVICE/LUFTFAHRTINDUSTRIE

SITZ: WIEN, ÖSTERREICH

FLUGM ANAGEMENT IM DIGITALEN ZEITALTER

GEORG SCHIEFER

absolvierte ein Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er hat eine Pilotenausbildung absolviert und hat sich den Großteil seiner

beruflichen Laufbahn mit Themen rund um die Luftfahrt beschäftigt,

u. a. war er Director Operations Planning & Control bei Austrian

Airlines.

Bei Flightkeys ist er Managing Director und verantwortlich für

Marketing, Sales, Quality Management & Controlling.

„An sich glauben und bei Problemen nichtaufgeben - aus Sicht der

Lösung und nicht aus Sicht des Problems denken.“

ART DER BETEILIGUNG: DIREKTBETEILIGUNG

F L I G H T K E Y S

GEORG SCHIEFER

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Was verändert sich durch Flightkeys? Profitieren auch Endkonsumenten davon?

Flightkeys ermöglicht einen kostenoptimalen Flugplan. Durch die hohe Performance des Systems können wir schneller berechnen und mehr Optimierungen durchführen. Die ande-ren Lösungen benötigen Minuten, um einen Flug zu planen, Flightkeys nur 20 Sekunden. Die kürzeren Kalkulationszeiten ermöglichen uns, komplexere Modelle zu berechnen.

Wir können sehr viele Variablen berücksich-tigen, wie vorhergesagte Wetterdaten, die individuelle Performance eines Flugzeugs, optimieren Steigprofile usw. Dadurch wird Treibstoff eingespart, das ist auch umwelt-freundlich. In Richtung Endkonsumenten ist ein EU-Projekt unter Leitung der Zent-ralanstalt für Meteorologie und Geodynamik spannend, an dem wir teilnehmen.

Ziel des Projektes EUNADICS-AV ist, die Flugsicherheit bei Naturkatastrophen zu ver-bessern. Durch die dynamische Modellierung einer Aschewolke nach einem Vulkanaus-bruch konnten wir hier zeigen, dass dennoch Flugrouten möglich wären!

Mit Spacekeys startet jetzt ein zweites Produkt. Was ist hier das Konzept?

Mit Spacekeys können wir dynamisch berech-nen, ob für eine bestimmte Flugroute eine Satelliten-Navigation mit GPS möglich ist. Dabei kann man Regionen ausweichen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen ausreichenden Empfang haben. Wir haben Spacekeys in-house entwickelt und konnten im Jahr 2018 bereits gute Traktion erzielen. Unser Lauch-Customer war Eurocontrol, mittlerweile nutzen es schon fünf Kunden.

Welchen Moment werden Sie nie vergessen?

Die erste Unterschrift: Das Commitmenteines Kunden für ein neues Produkt, das noch gar nicht fertig war!

Welchen Ratschlag würden Sie gerne weitergeben?

An sich glauben und bei Problemen nicht aufgeben – aus Sicht der Lösung und nicht aus Sicht des Problems denken.

TEAMFOTO

(v.l.n.r.) Felix Hackl, Patrice Cotton, Peter Radler, Gregor Resch, Christoph Prinz, Raimund

Zopp, Georg Schiefer

Was ist der entscheidende Wert der Echtzeitortung von KINEXON? Was ist der besondere Nutzen von Daten zu „Zustand“ und „Bewegung“?

Wir alle sprechen von der Entstehung des Internets der Dinge. Dabei erwarten wir, dass Dinge in Zukunft vernetzt sind und vollauto-matisiert miteinander interagieren – wie von unsichtbarer Hand gesteuert. Doch damit dies gelingt, müssen die Gegenstände zunächst wissen, wo genau sie sich befinden. Ort, Bewe-gung und Zustand sind daher Schlüsselfakto-ren für die Vision des Internets der Dinge.

Die möglichen Anwendungsbereiche sind sehr breit. Wer aller kann von Ihren Lösungen profitieren?

KINEXON konzentriert sich auf zwei Ge-schäftsfelder. Im Bereich Sport und Medien unterstützen wir Vereine und Athleten dabei, ihr volles Potenzial auf gesunde und nach-haltige Weise auszuschöpfen. Konkret helfen unsere Lösungen dabei, Leistung, Fitness und Taktik zu optimieren, Verletzungen zu vermei-den und die Rehabilitation nach Verletzungen zu unterstützen. Darüber hinaus bieten unsere Daten Medienschaffenden die Möglichkeit, Übertragungen digital anzureichern und dem Zuschauer dadurch ein neues, faszinierendes Erlebnis zu bieten.

Im Bereich Produktion und Logistik helfen wir Kunden dabei, die nächste Produktivi-tätsebene zu erreichen, indem wir Qualität, Kosten und Zeit optimieren. Konkret hilft die Kombination aus Sensorik und unserer

ALEXANDER HÜTTENBRINK (R)

ist Mitgründer und Geschäftsführer. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Darüber hinaus promovierte er an der Technischen Universität München.

OLIVER TRINCHERA (L)

ist Mitgründer und Geschäftsführer. Er studierte Betriebswirtschaftslehre in Verbindung mit Elektrotech-nik an der Technischen Universität München (TUM).

Parallel dazu studierte er Technologiemanagement am Center for Digital Technology and Management (CDTM). Darüber hinaus promovierte er an der Technischen Universität München.

Mit der Echtzeit-Erhebung und -Analyse von Daten über Ort, Zustand und Bewegung liefert KINEXON eine Schlüsselkompetenz

für die intelligente Vernetzung von Objekten. Oliver Trinchera spricht über die Vision, die digitale Transformation mitzugestalten.

ECHTZEIT- INTELLIGENZ FÜR DA S INTERNET DER DINGE

K I N E X O N

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Echtzeit-Computing Lösung dabei, betriebliche Prozesse in Produktion und Logistik visibel und messbar zu machen. Dies ist die Grundlage, um Prozesse in Echtzeit optimieren und automatisieren zu können und damit für den Kunden Wert zu schaffen. Die Vorteile sind vielfältigst und reichen von reduzierten Durchlaufzeiten über höhere Produkt- und Prozessqualität bis hin zu höherer Asset-Auslastung.

Sie arbeiten sowohl mit (Industrie-) Konzernen als auch mit Sportclubs zusammen. Worin sehen Sie die größten Unterschiede in der Zusammenarbeit?

Ein Aspekt ist die Visibilität. Durch die mediale Bericht-erstattung, insbesondere TV-Übertragungen, sind unsere Aktivitäten im Sportbereich weltweit sichtbar. Im Industrie-bereich unterliegen viele wegweisende Projekte dagegen eher der Geheimhaltung. Wir sehen aber auch viele Ge-meinsamkeiten. Beide Industrien vereint beispielsweise das Ziel, die Chancen und Herausforderungen, die sich im Zuge der digitalen Transformation stellen, erfolgreich zu meistern.

Was hat für Sie den Ausschlag zur Gründung von KINEXON gegeben? Hat sich Ihre Vision seit demStart verändert?

Wir haben bei Kunden konkrete Probleme gesehen, die wir mit unserer Idee lösen wollten. KINEXON wurde also quasi aus der Brille des Kunden erdacht. Die Welt um uns

herum wird mehr und mehr vernetzt. In dieser Welt wollen wir durch Echtzeit-Intelligenz auch in Echtzeit Werte für unsere Kunden schaffen. Dabei geht es darum, die Dinge auf dem schnellsten Wege miteinander zu vernetzen und dafür zu sorgen, dass sie auf intelligente Weise miteinander interagieren. Diese Vision geht bis dato gut auf.

Produktentwicklung ist ein Prozess, bei dem nicht immer alles glatt läuft. Wie gehen Sie mit Fehlern um und wie motivieren Sie sich erneut?

Wir entwickeln hochinnovative Lösungen und leisten damit Pionierarbeit. Dabei müssen wir uns unterschiedlichsten Herausforderungen stellen. Unsere Motivation schöpfen wir aus einer starken Unternehmenskultur, einer weitreichenden Vision und den kleinen und großen Erfolgen auf dem Weg, diese Vision zu erreichen.

Der Erfolg von Unternehmen hängt oft mit dem rich-tigen Timing zusammen. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Ihre Lösungen? Weshalb sind Sie die Richtigen, das zu tun?

Unsere Kunden stehen in einem weltweiten Wettbewerb. Sie benötigen unsere Lösungen gerade jetzt zu diesem Zeit-punkt, wenn sie aus der digitalen Transformation als Sieger hervorgehen wollen. Dass sie sich dabei für uns entschieden haben, hat vielfältige Gründe – ein entscheidender war sicherlich die Alleinstellung unserer Lösungen.

Zu Ihren Aufgaben als Manager gehört unter anderem die Auf bringung von Kapital für weiteres Unter-nehmenswachstum. Was sind für Sie die wichtigsten Überlegungen bei einer Kapitalrunde?

Es gibt bei einem solch wichtigen Thema eine ganze Reihe an Überlegungen wie z.B. die angemessene Höhe der Kapitalrun-de, das richtige Timing und die geeignete Art des Kapitals. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die Wahl der Investoren. Hier-bei geht es darum, den richtigen Partner zu finden der unsere langfristige Vision als Unternehmer nicht nur teilt, sondern auch über die Qualität verfügt, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Sie sind mit Standorten in Europa und den USA vertreten. Was sind die Vorteile der beiden Standorte München und New York?

Wir haben in München gestartet, quasi dem IoT Hub in Eu-ropa. Von hier aus konnten wir den europäischen Markt gut erschließen. Die Eröffnung des Standorts New York bietet uns Gelegenheit, dieses Kunststück in den USA zu wie-derholen und unseren Wachstumskurs fortzusetzen. In der täglichen Arbeit zeigt sich, dass die USA durch einen relativ einheitlichen Sprach-, Rechts-, Wirtschafts- und Währungs-raum die Möglichkeit bieten, sehr schnell zu skalieren.

Welche Meilensteine sehen Sie für Ihr Unternehmen in den kommenden Jahren?

Wir haben den Anspruch, uns über die nächsten 5 Jahre in unseren Kernmärkten als weltweit führendes Unternehmen zu etablieren. Ein sehr ambitioniertes und zugleich motivierendes Ziel.

Sowohl im Sport- als auch im Industriebereich konnten wir erste wichtige Meilensteine auf dem Weg dorthin erreichen. So setzen beispielsweise namhafte Automobilhersteller weltweit auf unsere Lösungen. In der nordamerikanischen Profibasketball-Liga NBA nutzen inzwischen über 50 % der Vereine unsere Produkte.

Welchen Ratschlag würden Sie gerne weitergeben?

Die digitale Transformation verändert viele Bereiche unseres Lebens – sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Kontext. Wir sollten mit dem Wandel verantwortungsvoll umgehen und ihn zugleich als Chance begreifen. Ich bin ge-spannt, was wir daraus gemacht haben, wenn wir in einigen Jahren zurückblicken.

Was ist die größte Herausforderung an Ihrer Tätigkeit?

Als Unternehmen im schnelllebigen Technologiesektor ist es sehr wichtig agil zu sein. Das bedeutet permanent zu lernen, Kundenbedürfnisse und Trends rasch zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren.

INVESTMENTFACTS

ANTEIL BETEILIGUNG:

rd. 5 %ZEITPUNKT DER BETEILIGUNG:

2016ART DER BETEILIGUNG: DIREKTBETEILIGUNG

BEREICH: INTERNET OF THINGS, INDUSTRIE- BZW. MEDIEN- UND SPORT- ANWENDUNGEN

SITZ: MÜNCHEN, DEUTSCHLAND

„Die Welt um uns herum wird mehr und mehr vernetzt. In dieser Welt

wollen wir durch Echtzeit-Intelligenz auch in Echtzeit Werte für unsere

Kunden schaffen.“ALEXANDER

HÜTTENBRINK (L) Geschäftsführer KINEXON

OLIVER TRINCHERA (R)Geschäftsführer KINEXON

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100

ANTEIL BETEILIGUNG:

rd. 11 %

ZEITPUNKT DER BETEILIGUNG:

2018

BEREICH: INDUSTRIELLE AUTOMATION, LUFT- UND RAUMFAHRTAUTOMOBILINDUSTRIE (TTTECH AUTO)MOBILE MASCHINEN (TTCONTROL)

SITZ: WIEN, ÖSTERREICH

GEORG KOPETZ

ist Mitgründer und Vorstand der TTTech Computertechnik AG. Er absolvierte ein Studium der

Rechtswissenschaften an der Universität Wien.

Nach dem Studium schloss er sich seinem Vater, Professor Hermann

Kopetz und Stefan Poledna an, um TTTech zu gründen.

Was ist der entscheidende Wert der von TTTech entwickelten Lösungen? Welche Branchen und Einsatzbereiche profitieren besonders von Ihren Lösungen?

Unsere Expertise im Bereich zeitgesteuerte Netzwerke und funktionale Sicherheit ist in einer automatisierten Welt sehr gefragt. Unsere Lösungen verbinden die Computersysteme unterschiedlichster Chiphersteller sicher und zuverlässig miteinander. Wir sind somit ein Mittler zwischen der Kundenanwendung und der Technologieplattform. Der konkrete Wert unserer Lösungen ist es, „Safety by Design“ für unsere Kunden bieten zu können und zuver-lässige digitale Plattformen für eine vernetzte Welt zu liefern.

Unsere beiden Kernbereiche Netzwerkplattfor-men und Sicherheit sind im Transportwesen und im Industriesegment wertvoll. Mit unseren Lösungen im Bereich Automatisierungstech-nologie machen wir wertvolle Maschinendaten zugänglich und vernetzen früher abgeschottete Systeme. Bei den anderen Anwendungen tritt vor allem der Sicherheitsaspekt in den Vor-dergrund: In der Luft- und Raumfahrt und in der Automobilindustrie, hier vor allem für den Bereich autonomes Fahren, fungiert unsere Technologie als „Nervensystem“.

Unser Joint Venture mit HYDAC International TTControl ist ein Spezialist für funktionale Sicherheit und bereits länger erfolgreich mit Sicherheitssteuerungen für Maschinen der

Land- und Forstwirtschaft, dem Bauwesen und kommunale Fahrzeuge. Hier arbeiten wir nun auch an Konzepten für den autonomen Betrieb.

Wie verändern Ihre Lösungen rund um das Thema autonomes Fahren die Mobilität der Zukunft?

Eines der Ziele der Mobilität der Zukunft ist es, die Sicher-heit zu erhöhen. In diesem Bereich können wir mit unseren Lösungen auf jeden Fall dazu beitragen. Mittelfristig ist mit dem autonomen Betrieb eine höhere Zuverlässigkeit als im Betrieb mit einem menschlichen Fahrer möglich. Unsere Technologie verbindet die Sensoren und die Aktoren, die dann für die mechanische Umsetzung nötig sind.

Das aktuelle Thema in diesem Bereich ist der Umstieg von Level 2- zu Level 3-Systemen, von der reinen Fahrerassis-tenz zu teilautonomen Funktionen, wo der Computer be-reits in definierten Fahrsituationen das Steuer übernehmen kann – beispielsweise in einem Stau.

Sie arbeiten mit Konzernen wie Samsung oder SAIC zusammen. Was ist in der Zusammenarbeit zwischen Großkonzernen und „jungen“ Unternehmen der Erfolgsfaktor?

Für uns ist es generell sehr wichtig, mit mehreren Unter-nehmen zusammenzuarbeiten, weil wir mit jeder Anwen-dung der Technologie lernen und stärker werden. Eine klare Voraussetzung für so eine Kooperation ist es, dass die Vision und die Ziele der Unternehmen übereinstimmen.

Außerdem müssen die von beiden Partnern eingebrach-ten Fähigkeiten einander ergänzen und für eine optimale Zusammenarbeit, funktionierende Schnittstellen etabliert werden. Für die operative Zusammenarbeit muss man als „Juniorpartner“ anerkennen, dass Normen und Vorgaben nicht selbst bestimmt werden können.

Was gab für Sie den Ausschlag, gemeinsam mit Stefan Poledna ein Unternehmen zu gründen, gab es einen zündenden Moment?

Gegründet wurde das Unternehmen ursprünglich von meinem Vater, Professor Hermann Kopetz, Stefan Poledna und mir. Mein Vater hat das wirtschaftliche Potenzial der von ihm erforschten Technologie erkannt, allerdings auch gleichzeitig gesehen, dass es ein Unternehmen als treibende Kraft hinter Anwendungen braucht.

INVESTMENTFACTS

ART DER BETEILIGUNG: DIREKTBETEILIGUNG

TTTech zählt zu den weltweiten Technologieführern für Echtzeit-Netzwerkplattformen und Sicherheitssteuerungen. Die Lösungen

kommen bei vielen Anwendungen rund um Industrie 4.0 und autonomes Fahren zum Einsatz. Gründer und Vorstand Georg Kopetz

erzählt, wie TTTech vom Start-up zum Gamechanger wurde

DIGITALE PL AT TFORMEN FÜR E INE VERNETZTE WELT

T T T E C H

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Was ist der entscheidende Wert der Material-Plattform von Citrine? Wer profitiert besonders davon?

Die einzigartige Citrine-Plattform ermöglicht Herstellern von Chemikalien und Materialien, ihre Entwicklungsaktivitäten deutlich zu beschleunigen und effizienter zu gestalten.

Was hat für Sie den Ausschlag zur Gründung von Citrine gegeben, gab es einen zündenden Moment? Hat sich Ihre Vision seit dem Start verändert?

Wir sehen unsere Mission darin, ein Material-datenökosystem zu fördern, das Entwicklungs-sprünge in der Entwicklung und der Produktion ermöglicht und so zu einer effizienteren,

nachhaltigeren Welt beiträgt. Daran hat sich nichts geändert. Der Impuls zur Nutzung von maschinellem Lernen, um die Material-entwicklung voranzutreiben, wurde durch die Beschleunigung der Produktentwicklung gesetzt. Die Kunden verlangen in immer kürzer werdenden Zyklen leistungsfähigere Produkte, für die wiederum leistungsstärkere Materialien benötigt werden.

Die Anforderungen, mit denen Unternehmen der Chemie- und Materialbranche konfrontiert sind, ändern sich schneller als je zuvor. Wir haben bewiesen, dass das Sammeln, Aufbewahren und Bereitstellen von Materialdaten sowie die Nutzung von maschinellem Lernen, vor allem für komplexe Materialien, den Entwicklungsprozess maßgeblich beschleunigt.

GREGORY MULHOLLAND

ist Mit-Gründer und CEO von Citrine Informatics, Inc. Er studierte an der NC State University, an der Cambridge University sowie an der Stanford Graduate School of Business.

Greg ist anerkannter Experte für Materialtechnologie und geschätzter Vortragender bei internationalen Fach-Konferenzen.

M ATERIALIEN , AUS DENEN UNSERE ZUKUNFT

GEBAUT WIRD

Als weltweit führende Plattform für Materialentwicklung unterstützt Citrine renommierte Unternehmen bei der Beschleunigung ihrer

Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Gründer und CEO Gregory Mulholland erklärt, wie Citrine zu einer effizienteren und nachhaltigeren Welt beiträgt.

Der zündende Moment war dann definitiv die Entscheidung von Stefan Poledna, den Sprung von einem Großkonzern wie Bosch in die Start-up-Welt zu wagen und diese Techno-logie unternehmerisch zu begleiten. Ich selbst war damals grade mit dem Studium fertig und habe mich dann dem Gründungsteam angeschlossen.

TTTech wurde vor 20 Jahren gegründet, seither hat sich gerade die IT rasant entwickelt. Wie sehr hat sich Ihre Vision seit dem Start verändert?

Unsere Vision war es schon immer, mehr Verlässlichkeit und Sicherheit in eine zunehmend vernetzte Welt zu bringen. Daran hat sich in den letzten Jahren im Wesent-lichen nicht viel verändert, da der Trend bereits damals erkennbar war. Die Tragweite und die Möglichkeiten waren allerdings noch nicht in vollem Umfang vorherzusehen.

Sie haben als Spin-off der TU Wien gestartet, For-schung ist essenzieller Teil der TTTech. Worin sehen Sie Unterschiede zwischen universitärer Forschung und Forschung innerhalb eines Unternehmens? Wie gelingt es Ihnen eine Unternehmenskultur zu etab-lieren, in der Forschung gefördert wird?

Vor allem kleinere Unternehmen müssen in der Forschung ganz stark kundenorientiert sein, und den Product-/Mar-ket-Fit schaffen, sonst kann man nicht bestehen, das ist an

den Universitäten nicht in diesem Ausmaß notwendig. Der Austausch zwischen Forschungsinstitutionen ist daher auch einfacher – Unternehmen haben oft die Angst, dass Kon-zepte und Ideen kopiert oder übernommen werden.

Forschung ist bei TTTech seit der Gründung in der DNA. Unsere hauseigene Forschungseinheit TTTech Labs arbeitet eng mit Forschungsinstitutionen zusammen. Wir können von der Grundlagenforschung, die dort passiert, enorm viel lernen. Mit unserer Stiftungsprofessur im Bereich „Autono-me Systeme“ an der TU Wien, die wir gemeinsam mit der B&C Stiftung finanzieren, geben wir auch wieder etwas an die Community zurück.

Welche Meilensteine sehen Sie für Ihr Unternehmen in den kommenden Jahren?

Generell wird es eine stärkere Verschmelzung der Märkte geben, für die wir derzeit schon tätig sind. Ein Beispiel ist die Übersetzung von Technologien aus der Automobil- industrie in den Bereich der Spezialfahrzeuge. Es zeichnet sich außerdem ab, dass die Luft- und Raumfahrt näher mit dem Thema Logistik zusammenrücken wird, beispielswiese mit hybriden Transportmittel, die sich in der Luft und auf der Straße bewegen können.

Hier sind wir mit dem breiten Marktwissen innerhalb der TTTech Group gut aufgestellt. Als Unternehmen möchten wir international weiter wachsen.

STEFAN POLEDNA (L)GEORG KOPETZ (R)

Vorstandsmitglieder TTTech

„Unsere Vision war es schon immer, mehr

Verlässlichkeit und Sicherheit in eine zunehmend vernetzte

Welt zu bringen.“

C I T R I N E

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Produktentwicklung ist ein Prozess bei dem nicht immer alles nach Plan läuft. Wie gehen Sie mit Fehlern um und wie motivieren Sie sich erneut?

Wir haben eine neue Technologie entwickelt, und wie bei jedem anderen Entwicklungspro-zess gerät man auch in Sackgassen. Wir haben ein erfahrenes Team damit betraut, dieses Risi-ko abzufedern und freuen uns alle sehr über die Meilensteine, die wir bisher erzielen können.

Die Plattform ist – mit unterschiedlichen Angeboten – sowohl für Forschungsin-stitutionen als auch für Unternehmen zugänglich. Was ist der Vorteil dieses dualen Ansatzes?

Akademische Forschung legt den Grund-stein für innovative Materialien. Wir zeigen

Forschern und ihren Studenten, wie sie unsere Technologie nutzen können, damit sie diese in der Industrie zu marktreifen Produkten entwi-ckeln können.

Ihr Standort befindet sich im Silicon Valley. Wie würden Sie den „Spirit“ beschreiben? Welche Vorteile ergeben sich für Citrine daraus?

Im Silicon Valley arbeiten viele Menschen mit hoher Motivation daran, neue Technologien zu entwickeln und zu skalieren. Durch diese Innovationen wird sich die Art und Weise, wie wir zusammenleben, maßgeblich verändern. Der Vorteil des Standorts ist die Nähe zu talentierten Entwicklern, Wissenschaftlern und anderen Experten, die diese neuen Ideen in die Tat umsetzen. Es ist wirklich ein aufregender Ort.

ANTEIL BETEILIGUNG:

rd. 4 %

ZEITPUNKT DER BETEILIGUNG:

2018

ART DER BETEILIGUNG: WANDELSCHULDVER-SCHREIBUNG

BEREICH: SOFTWARE, BIG DATA, ADVANCED MATERIALS

SITZ: SILICON VALLEY, REDWOOD CITY,KALIFORNIEN/USA

INVESTMENTFACTS

Zu Ihren Aufgaben gehört unter anderem die Auf bringung von Kapital für weiteres Unternehmenswachstum. Was sind für Sie die wichtigsten Überlegun-gen bei einer Kapitalrunde?

Wir wollen mit Investoren zusammenarbeiten, die unsere Mission verstehen, uns unterstützen können und über Kontakte zu potenziellen Mitarbeitern, Experten und Kunden verfügen, die uns dabei helfen können, den nächsten Schritt erfolgreich zu setzen.

Mit B&C Innovation Investments haben Sie einen Investor aus Österreich. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

B&C Innovation Investments teilt unsere Wer-te und unser Bekenntnis zu Spitzenleistungen. Außerdem verstehen wir auch, wie wichtig es

ist, einen Partner in Europa zu haben, da sich hier einige der renommiertesten und wich-tigsten Material- und Chemieunternehmen weltweit befinden.

Welche Meilensteine sehen Sie für Ihr Unternehmen in den kommenden Jahren?

Wir sind Marktführer im Bereich der Mate-rialinformatik. Wir unterstützen führende Material- und Produkthersteller dabei, mit Hilfe unserer Technologieplattform am Markt Erfolg zu haben. Wir wollen unser Kunden-portfolio deutlich ausbauen.

„Wir sehen unsere Mission darin, ein Materialdatenökosystem zu fördern, das

Entwicklungssprünge in der Entwicklung und der Produktion ermöglicht und so zu

einer effizienteren, nachhaltigeren Welt beiträgt.“ GREGORY MULHOLLAND

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Impressum

MEDIENINHABER

UND HERAUSGEBER

B&C Industrieholding GmbHUniversitätsring 14, 1010 WienT +43 1 531 01 - 0 E [email protected]

KONZEPT UND GESTALTUNG

Projektagentur Weixelbaumerwww.projektagentur.atProjektleitung: Christine Weixelbaumer

TEXT

Alexandra KropfTino Schulter

DRUCK

Gutenberg-Werbering Gesellschaft m.b.H.

LEKTORAT

Helmut Mareschwww.typokorrektor.at

BILDNACHWEISE

Robert Maybach, AMAG Austria Metall AG, Lenzing AG, Semperit AG Holding, gettyimages, Zsolnay Verlag, Heribert Corn, Christina Anzenberger-Fink TTTech, Citrine, Flightkeys, KINEXON, Christina Anzenberger-Fink

Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Jahrbuch darauf verzichtet, geschlechtsspezif ische Formulierungen zu verwenden. Soweit personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Männer und Frauen in gleicher Weise.

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