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256 praxis ergotherapie Jg. 17 (5) Oktober 2004 Praxis Fallbeispiel: Tetraparese mit 24-jähriger Therapiepause Karl-Michael Haus, Sandra Petri beim Gehen verspürt und er von sei- nem Hausarzt in das Zentrum für am- bulante neurologische Rehabilitation (ZANR) überwiesen wurde. Zudem ist die rechte Hand deutlich in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt (Feinmotorik). Qualitative Befunderhebung a) Freier Sitz (Abb. 2) Im freien Sitz zeigt sich, dass der ZSP deutlich nach rechts verschoben ist, wodurch sich das Körpergewicht auf die rechte Gesäßhälfte (Becken nach kaudal) verlagert. Dabei muss die lin- ke Rumpfseite den Rumpf durch eine kompensatorische Lateralflexion sta- bilisieren, was wiederum hemmend auf den ohnehin mangelnden Tonus der rechten Rumpfseite wirkt. Man- gels ventraler Verankerung (v. a. M. iliopsoas) ist das Becken nach dor- sal rotiert und der Rumpf befindet sich in einer Flexionsstellung (kyphotisch). Zudem be- steht ein mangelnder To- nus der rechten Rumpf- muskulatur (v.a.ventral), sowie der Extensor- und Abduktoraktivität rechts. Befunderhebung Medizinische Anamnese: Herr B. erlitt vor 26 Jahren, aufgrund einer zervikalen Myelopathie eine rechtsseitig, betonte Tetraparese, sowie linksbetonte überwiegend dis- soziierte Empfindungsstörungen (in- komplettes Brown-Sequard-Syn- drom). 1977 unterzog er sich einer HWS-OP (Spinalkanalstenose) mit postoperativ progredienter Ver- schlechterung der Symptomatik. Die letzte stationäre Rehabilitationsbe- handlung fand 1980, d. h. vor 24 Jahren statt. Sozialanamnese: Herr B. ist 72 Jahre alt, ledig und lebt mit seiner Schwester (92 Jahre) im eigenen Haus. Die Wohnung ist nicht behindertengerecht ausgestattet. Herr B. fuhr bis Mitte 2003 kurze Strecken zum Einkaufen mit einem nicht adaptierten Auto (Automatik). Ziele des Patienten: Grund für die Therapie: Ein großes Anliegen von Herrn B. liegt in der Verbesserung seiner Selbständigkeit. Jetzige Beschwerden und funktionelle Einschränkungen im Alltag liegen vor allem in der deutlich eingeschränk- ten Gehfähigkeit und Unsicherheit beim Gehen. Er muss sich zuneh- mend um seine 92 jährige Schwe- ster kümmern, wobei er wieder klei- nere Einkäufe mit seinem Pkw und häusliche Tätigkeiten (kochen, put- zen, waschen) tätigen will. Um sei- nen Pkw zu nutzen muss Herr B. eine Strecke von ca. 25 Metern (Haus-Ga- rage) überwinden. Dies gelingt ihm z.Z. nur mit dem Rollator, den er dann leider nicht selbständig ins Auto trans- ferieren kann. Beim Gehen mit dem Rollator, schlägt während der Stand- beinphase das rechte Knie durch, weshalb Herr B. starke Schmerzen Abb. 2: Qualitative, funktionelle Befunderhe- bung – Frontalebene a) b) c)

Fallbeispiel: Tetraparese mit 24-jähriger Therapiepause · 256 praxis ergotherapie • Jg. 17 (5) • Oktober 2004 Praxis Fallbeispiel: Tetraparese mit 24-jähriger Therapiepause

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256 praxis ergotherapie • Jg. 17 (5) • Oktober 2004

Praxis

Fallbeispiel:Tetraparese mit 24-jähriger Therapiepause

Karl-Michael Haus, Sandra Petri

beim Gehen verspürt und er von sei-nem Hausarzt in das Zentrum für am-bulante neurologische Rehabilitation(ZANR) überwiesen wurde. Zudemist die rechte Hand deutlich in ihrerFunktionsfähigkeit eingeschränkt(Feinmotorik).

Qualitative Befunderhebunga) Freier Sitz (Abb. 2)

Im freien Sitz zeigt sich, dass der ZSPdeutlich nach rechts verschoben ist,wodurch sich das Körpergewicht aufdie rechte Gesäßhälfte (Becken nachkaudal) verlagert. Dabei muss die lin-ke Rumpfseite den Rumpf durch einekompensatorische Lateralflexion sta-bilisieren, was wiederum hemmendauf den ohnehin mangelnden Tonusder rechten Rumpfseite wirkt. Man-gels ventraler Verankerung (v. a. M.iliopsoas) ist das Becken nach dor-sal rotiert und der Rumpf befindet sich

in einer Flexionsstellung(kyphotisch). Zudem be-steht ein mangelnder To-nus der rechten Rumpf-muskulatur (v.a.ventral),sowie der Extensor- undAbduktoraktivität rechts.

BefunderhebungMedizinische Anamnese:

Herr B. erlitt vor 26 Jahren, aufgrundeiner zervikalen Myelopathie einerechtsseitig, betonte Tetraparese,sowie linksbetonte überwiegend dis-soziierte Empfindungsstörungen (in-komplettes Brown-Sequard-Syn-drom). 1977 unterzog er sich einerHWS-OP (Spinalkanalstenose) mitpostoperativ progredienter Ver-schlechterung der Symptomatik. Dieletzte stationäre Rehabilitationsbe-handlung fand 1980, d. h. vor 24Jahren statt.

Sozialanamnese:

Herr B. ist 72 Jahre alt, ledig und lebtmit seiner Schwester (92 Jahre) imeigenen Haus. Die Wohnung ist nichtbehindertengerecht ausgestattet.Herr B. fuhr bis Mitte 2003 kurzeStrecken zum Einkaufen mit einemnicht adaptierten Auto (Automatik).

Ziele des Patienten:

Grund für die Therapie: Ein großesAnliegen von Herrn B. liegt in derVerbesserung seiner Selbständigkeit.Jetzige Beschwerden und funktionelleEinschränkungen im Alltag liegen vorallem in der deutlich eingeschränk-ten Gehfähigkeit und Unsicherheitbeim Gehen. Er muss sich zuneh-mend um seine 92 jährige Schwe-ster kümmern, wobei er wieder klei-nere Einkäufe mit seinem Pkw undhäusliche Tätigkeiten (kochen, put-zen, waschen) tätigen will. Um sei-nen Pkw zu nutzen muss Herr B. eineStrecke von ca. 25 Metern (Haus-Ga-rage) überwinden. Dies gelingt ihmz.Z. nur mit dem Rollator, den er dannleider nicht selbständig ins Auto trans-ferieren kann. Beim Gehen mit demRollator, schlägt während der Stand-beinphase das rechte Knie durch,weshalb Herr B. starke Schmerzen

Abb. 2: Qualitative,funktionelle Befunderhe-bung – Frontalebene

a) b)

c)

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Praxis

Diese Faktoren führendazu, dass das Beckennicht symmetrisch sta-bilisiert werden kannund die Aufrechterhal-tung des Rumpfes imRaum, nur durch einekompensatorische Hy-peraktivität der linkenRumpfseite erreichtwird.

b) Vorlage desRumpfes

Um die Anforderung andie neuromuskuläreAktivität zu erhöhen,bittet die TherapeutinHerrn B., seinen Ober-körper so weit wie möglich nach vor-ne zu verlagern. Durch die größereBewegungsanforderung wird die Dis-krepanz zur normalen Bewegungdeutlicher. Dabei richtet sich seinKopf durch eine kompensatorischeLateralflexion nach links aus. Durchdie gesteigerte Aktivität der rechtenRückenmuskulatur (v.a. M. latissimusdorsi) können die Schultergürtel nichtsymmetrisch nach vorne gebrachtwerden.

Die komplette rechte Rumpfseite istnach dorsal rotiert. Der ZSP verla-gert sich weiter nach rechts, wasdeutlich an dem Abstand zwischender rechten Achselhöhle und desrechten Oberschenkels im Seitenver-gleich zur linken Seite zu erkennenist. Die Vorverlagerung des Rump-fes wird durch die Hüftstrecker undvor allem durch die agonsitisch ex-zentrische Verlängerung der Ischio-curalen kontrolliert. Die asymmetri-sche Vorverlagerung lässt bei Herrn.B. auf eine muskuläre Dyskoordina-tion in den angesprochenen Muskel-gruppen schließen (s. auch Abb. 3).

c) Hypertropher Muskelbauchdes rechtseitigen M. latissimusdorsi

Hier wird noch mal die gesteigerteAktivität der rechtsseitigen Rücken-muskulatur, v.a. des M. latissimusdorsi, sichtbar. Sein Muskelbauchpräsentiert sich deutlich hypertropher,

als der der linken Seite. Der kom-pensatorische Einsatz dieses Mus-kels bei der Aufrichtung des Rump-fes hat häufig eine Innenrotation, Ad-duktion und Retroversion im Schul-tergelenk (Hauptaufgabe des Mus-kels) und somit ein Flexionsmusterder oberen Extremität zur Folge (beimotorischer Überforderung assoziier-te Reaktion ins Flexionsmuster).

Funktionnelle Befund-erhebung (Abb. 3)a) Mangelnde ventrale Becken-verankerung der rechtsseitigenHüftgelenksmuskulatur

Herr B.’s kyphotische Sitzhaltungmacht die Inaktivität der Bauchmus-kulatur und besonders der rechtssei-tigen Hüftbeuger, v. a. des M. iliop-soas, deutlich.

b) Überprüfung der WS-Aufrich-tung

Die Therapeutin überprüft die knö-chernen Vorraussetzungen der WS.Bei Herrn B. lässt sich die Rumpf-aufrichtung passiv ohne Widerstanddurchführen.

Es handelt sich daher nicht um ei-nen degenerativen Abbauprozess derWS (wie es v. a. bei älteren Men-schen der Fall sein kann), sondernum eine muskuläre Dyskoordination,welche für Herrn B.’s Sitzhaltung ver-antwortlich ist.

c) Überprüfung der Ischiocrura-lenaktivität

Eine Vorverlagerung des Rumpfes(ZSP) wird physiologisch durch dieexzentrische Verlängerung der Ischio-cruralen und Hüftstrecker kontrolliert.Bei Herrn B. wird dies durch einemangelnde Stabilität (Hypotonus) derrechtsseitigen Ischiocruralen verhin-dert. Die Therapeutin fühlt dies in denKniekehlen (Ansatzsehnen der Ischio-cruralen) im Seitenvergleich, bei derVorverlagerung des Oberkörpers.Herr. B. kompensiert dieses tonischeMissverhältnis, indem er den Ober-körper über die weniger betroffeneSeite (links) nach vorne bewegt.

Eine Querschnittlähmung führt i. d.R. zu sensorischen und motorischenAusfällen. Der Schweregrad hängtdabei von der Segmenthöhe und derArt der Läsion ab. Durch die Über-prüfung des Reflexverhaltens kannauf das geschädigte Rückenmarks-segment zurück geschlossen werden.

Eine halbseitige Schädigung desRückenmarks, wie bei Herrn. B., führtzu motorischen Lähmungen und Aus-fallerscheinungen der epikritischenund propriozeptiven Sensibilität aufder geschädigten Seite sowie zumVerlust der Schmerz- und Tempera-turempfindung auf der zum Läsions-ort kontralateralen Seite.

Dieses Störungsbild wird als disso-ziierte Empfindungsstörung bezeich-

Abb. 3: funktionelle Befunderhebung – Sagittalebene

a) b) c)

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net. Dieses Störungsbild(v. a. rechtsseitige LäsionC3-C5) entspricht derSymptomatik von Herrn B.,der über undifferenzierteSchmerzzustände in sei-nem linken Bein, sowieüber eine mangelnden Sta-bilität und fehlendem Ge-fühl im rechten Bein klagt.

HypothetischeGedanken zumKrankheitsbild (Abb. 4)

Bei Herrn B. bestehenSensibilitätsstörungen derrechten Körperseite, v. a.

im Bein, welches er nichtrichtig spürt sowie unspe-zifische Schmerzen im lin-ken Bein, die weder an Be-lastung, Tageszeit oderBerührung gekoppelt sind.Zudem kommt es durchdas instabile (mangelsTonus, Hüfte/Knie) rechteStandbein (schlägt durch)zu Schmerzen im Kniebe-reich. Die Symptomatikentspricht einer dissoziier-ten Empfindungsstörung(s. Exkurs Neuropatholo-

gie) durch eine v. a. rechtseitige Lä-sion der HWS.

Um die rechte Körperseite wiederstärker ins Bewusstsein zu rücken er-folgt vor der funktionellen Therapieeine Stimulation mit dem Vibrations-gerät. Mechanorezeptoren (proprio-zeptive/ epikritische Verarbeitung) ad-aptieren sich nur schwer an Vibrati-onsreize, wodurch sich die rechtsei-tigen Extremitäten neuronal stärkerpräsentieren (eine Extremität, dienicht bewusst ist – wird auch nichtbewusst eingesetzt).

Das primäre funktionelle Therapiezielliegt in einer physiologischerenRumpfaufrichtung. Einerseits bewirktdie unphysiologische Vorlage desRumpfes während der Standbeinpha-

se eine Retraktion der rechten Bek-kenseite, wodurch ein proximaler Zugauf die Ischiocruralen entsteht (mus-kuläre Dyskoordination) und distaldas Knie durchschlägt. Anderseitswirkt die Vorlage bei der Schwung-beinphase einer physiologischenAktivität der Hüftbeuger (Ansatz u.Ursprung sind zusammengerückt)entgegen. Dadurch führt Herr B. seinSchwungbein über eine kompensa-torische Aktivität des M. latissimusdorsi (Heben der rechten Beckensei-te) in einer Circumduktion nach vorn,was wiederum ein Extensionsmusterim rechten Bein (Massenbewegung)und über die reziproke Hemmung,eine Funktionsverschlechterung derventralen Muskelketten (Hüfte/Bauch), herbeiführt.

Therapieziele:

Langfristig

● Verbesserung des Gangbildes, Er-weiterung der Wegstrecke zumAuto (30m), Reduktion der Hilfs-mittel

● Funktioneller Einsatz der rechtenoberen Extremität bei den Verrich-tungen des täglichen Lebens

● Verbesserung der Selbständigkeit,um kleinere Einkäufe mit dem Pkwund Haushaltstätigkeiten auszu-führen

Abb. 4: Exkurs Neuropathologie: (Abbil-dung aus SCHMIDT R. F., THEWS G. Phy-siologie des Menschen. Heidelberg: Sprin-ger; 199, Seite 226); Die Hinterstrangbah-nen projizieren ipsilateral (grüner Pfeil)epikritische und propriozeptive Informa-tionen (Stereognostische Leistungen) zumHirnstamm. Von wo aus die Informatio-nen zur kontralateralen Hirnhälfte überdie v. a. spezifischen Thalamuskerne, indie sensomotorischen Rindenfelder proji-ziert werden. Die Vorderseitenstrangbahnliefert protopathische Informationen überTemperatur, Schmerz sowie die emotionaleBewertung (angenehm/unangenehm). Die-se Bahnen wechseln schon auf Segment-ebene (RM) zur kontralateralen Körper-seite (blauer Pfeil) und projizieren von hieraus zu den eher unspezifischen Systemender Formatio retikularis (Wachsamkeit)und dem Limbischen System (emotionaleBewertung), wodurch sie zueiner eher unspezifischen Er-regung der kortikalen Struk-turen führen. a) b) c)

Abb. 5: Therapiebeispiele zur Funktionsverbesserung der (rechtseitigen) Rumpf-und Hüftgelenkmuskulatur (ventrale Muskelketten)

259praxis ergotherapie • Jg. 17 (5) • Oktober 2004

Praxis

Mittelfristig

● Verbesserung der Rumpfaufrich-tung

● Verbesserung der Stand- undSchwungbeinphase

● Tonusnormalisierung im Schulter-und Ellbogengelenk

● Funktionsverbesserung der rech-ten oberen Extremität

Kurzfristig

● Funktionsverbesserung der recht-seitigen Bauch- und Hüftgelenks-muskulatur

● Abbau der kompensatorischen Ak-tivität der Rückenstrecker

● Funktionsverbesserung der Hüft-abduktoren (Standbein)

● Funktionsverbesserung Hüftbeu-ger (Schwungbein)

● Einsatz als Stützarm rechts

● Einsatz als Funktionsarm rechts

● Anbahnung selektiver Hand- undFingerbewegungen (Greifmotorik)

Therapiebeispiele zu Abb. 5a) Funktionsverbesserung derv. a. rechtsseitigen ventralenMuskelketten mit dem Rumpfals punctum mobile

Um die Aktivität der rechtsseitigenventralen Muskelketten (Bauch, Hüf-te) zu verbessern, fazilitiert die The-rapeutin den Rumpf nach dorsal links.Bei der Dorsalbewegung (ZentralerSchlüsselpunkt befindet sich hinterKopf, Schultergürtel und Becken)müssen sich die Bauchmuskeln kon-zentrisch verkürzen und die Hüftbeu-ger verlängern sich exzentrisch. Beider folgenden Aufwärtsbewegung desRumpfes verkürzen sich die Hüftbeu-ger wieder konzentrisch.

Die Therapeutin wiederholt den Be-wegungsablauf mehrmals und vari-iert dabei mit Unterstützung, Bewe-gungsgeschwindigkeit und Bewe-gungsausmaß (zeitliche und räumli-che Koordination). Herr B. soll einegrößtmögliche physiologische Eigen-aktivität erreichen.

b) Funktionsverbesserung derrechtsseitigen ventralen Muskel-ketten Rumpf=punctum stabile

Um die selektive Funktion der Hüft-beuger zu erzielen bleibt die Thera-peutin in dieser Position und bittetHerrn B. sein rechtes Bein zur lin-ken Hand zu führen. Die Hüftbeugermüssen sich beim Abheben des Bei-nes agonistisch konzentrisch verkür-zen und die ischiocurale Muskulaturantagonistisch exzentrisch verlän-gern. Ein Zeichen für eine Kompen-sation bzw, assoziierte Reaktion,wäre die Knieextension beim Hebendes Beines (M. rectus femoris, ist syn-ergistisch an der Hüftflexion beteiligt,Hauptfunktion jedoch Knieextension)

c) Anbahnung der physiologi-scher Rumpfextension (Rumpf-aufrichtung) mit ventraler Bek-kenverankerung

Die Therapeutin richtet ihren rechtenOberschenkel parallel zur Wirbelsäuleaus und fazilitiert mit ihrem Becken,mit der linken Hand im dorsalen Lum-balbereich und mit der rechten Handin Höhe des Sternums den ZSP nachventral, kranial über das Becken zurphysiologischen Rumpfextension.(Von passiv zu aktiv).

����� Abb. 6

a) Gewichtsübernahme der stär-ker betroffenen Körperseite

Um die Gewichtsverlagerung auf diestärker betroffene Seite zu verbes-sern, bittet die Therapeutin Herrn B.

seine linke Schulter zu ihrer linkenSchulter zu führen. Sie fühlt dabei anden Ansatzsehnen der Ischiocruralenim Seitenvergleich den Spannungs-aufbau (Spannung = Tonus). Dabeispiegelt sich eine Gradwanderungzwischen physiologischem Tonusauf-bau und pathologischer Tonuserhö-hung (assoziierte Reaktion/Spastik).Bekommen/spüren wir diese physio-logische Tonusaktivität nicht – bekom-men wir die physiologische Gewichts-übernahme, die Vorverlagerung desOberkörpers und damit verbundenden normalen Bewegungstransfervom Sitz zum Stand nicht.

Eine Überforderung zeigt sich durcheine unangemessene Tonuszunah-me (assoziierte Reaktion/Spastik), diedie Vorverlagung der Oberkörpersverhindert bzw. ein „Nach-hinten-zie-hen“ des rechten Fußes auslöst. DieTherapeutin nutzt dieses Wissen alsZeiger, da bis zum Auslösen dieserReaktion (deren Beginn sie in derrechten Kniekehle spürt) die Bewe-gung als physiologisch anzusehen istund versucht diesen physiologischenBewegungsspielraum auszubauen.Um die Rumpfaufrichtung zu erleich-tern, zu erhalten und/oder verbessernfaltet Herr B. seine Hände hinter demRücken.

b) Dehnung der rechtsseitigendorsalen Muskelketten

Nachdem Herr B. seinen Oberkörpersoweit vorbewegt, dass Schultergür-tel, Knie und Vorfuß ungefähr eine

a) b)

Abb. 6: Therapiebeispiele zur Funktionsverbesserung der (rechtseitigen) ischiocru-ralen Muskelgruppe

260 praxis ergotherapie • Jg. 17 (5) • Oktober 2004

Praxis

horizontale Linie bilden, soll er sei-ne rechte Schulter zur rechten Schul-ter der Therapeutin führen (Oberkör-per nach links). Um die Körpermittezu finden, müssen wir uns um dieKörpermitte bewegen. Die linksseiti-ge Vorverlagerung wird durch dieexzentrische Verlängerung der (v. a.rechten) dorsalen Muskelketten kon-trolliert. Als Steigerung führt er nunalternierend seine Schultern nachrechts und links, bis er schließlichdurch eine symmetrische Vorverla-gerung des Rumpfes (Gewichtsüber-nahme, Rumpfsymmetrie, Ischiocru-ralenaktivität nahezu seitengleich) inden Bewegungstransfer vom Sitz zumStand übergeht.

Funktionelle Therapie-beispiele

tensorenaktiviät des rech-ten Armes physiologischstabilisieren (statische Sta-bilisation, geschlosseneKette).

Danach (s. Abb. 7) über-gibt er die Flasche weitoben links in die vorgege-bene Position der Thera-peutin. Die Mobilität deslinken Armes bedarf dabeieiner stabilisierendenFunktion der rechtenRumpfseite und der rech-te Arm wechselt von derStützfunktion zur Stellreak-tion (s. Lateralflexionrechts und langsames Los-lassen/Abheben des rech-ten Armes (dynamischeStabilisation, offene Kette).

����� Abb. 8: Reflexion

Rumpfmobilisation

a) Verbesserung der Kör-persymmetrie (Ge-wichtsübernahme). DerZSP ist in mittig ausge-richtet, die Schultergür-tel bilden ein horizonta-le Linie und der Kopf istin etwa mittig (vertikal)im Raum ausgerichtet.

b) Verbesserte ventraleVerankerung undRumpfaufrichtung. Durch die ver-besserte Funktion (Verankerung s.Abb. 5) der Hüftbeuger gleitet dasBecken nach kaudal (LWS-Lordo-se) wodurch sich der Rumpf phy-siologischer aufrichtet. Hierbei istes von zentraler Bedeutung die Po-sitionen nicht durch die verbale An-weisung, wie z.B. „richten Sie sichbitte auf“, zu beobachten. Sondernvielmehr in freien (automatisierten)Situationen, da nur hieraus einwirklicher alltagsrelevanter Gewinnresultiert.

Handmobilisation (Abb. 9)

a) Herr B. schließt seine Hand, man-gels selektiver Fingerbewegungen,durch eine Dorsalextension imHandgelenk und öffnet sie (b) an-

satzweise durch eine Palmarflexi-on im Handgelenk

c )Die Therapeutin mobilisiert vonproximal ausgehend die rechtenUnterarm-, Hand- und Fingerge-lenke. Eine unphysiologische To-nuserhöhung und/oder die langeImmobilität führen zu Verspannun-gen der Hand-Fingermuskulatur.Daher ist eine Mobilisation des Un-terarmes vor Beginn einer dista-len selektiven Beweglichkeit not-wendig. Jedoch ist eine passiveMobilisation bei zentral bedingtenVerspannungen nur dann sinnvoll(Ausnahme zur Kontrakturprophy-laxe), wenn die neu gewonneneMobilität unmittelbar funktionellumgesetzt wird (z.B. Flasche öff-nen, halten etc.). Bei Herrn B.

����� Abb. 7

Herr B. greift mit seiner linken Handdie Flasche weit rechts außen(Rumpfrotation nach rechts, Ge-wichtsübernahme) und übernimmtdabei Stützaktivität in seinem rech-ten Arm. Durch den Armstütz wer-den alle Muskelgruppen aktiviert, diefür die physiologische Scapulafixati-on auf dem Thorax (und damit fürdie späteren Armbewegungen) not-wendig sind.

Die Rumpfrotation bedingt ein rezi-prokes Zusammenspiel zwischen derRücken- und Bauchmuskulatur, wo-bei die rechte Rumpfseite und die Ex-

Abb. 7: Im Sitz „Um den Sitz zu verbes-sern müssen wir im Sitz arbeiten“

a) Frontalebene

b) Sagittalebene

Abb. 8: Reflexion: Rumpfmobilisation

261praxis ergotherapie • Jg. 17 (5) • Oktober 2004

Praxis

entsteht die größte Spannung inder Supinationsstellung (Radiusund Ulna liegen parallel). EineMobilisation der Membrana in-terossea (verläuft schräg von Ra-dius zu Ulna), kann sich positiv aufdie komplette Handmotorik auswir-ken, da sie den Unterarmmuskelnals Ursprungsfläche dient.

Die Therapeutin beginnt also mit derMobilisation der Membrana interos-sea am proximalen Unterarm.

Dann mobilisiert sie weiter nach di-stal das Handgelenk, indem sie denRadius fixiert und leichte Traktionenausführt. Die Bewegungen werdenstets innerhalb des schmerzfreien Be-wegungsspielraumes ausgeführt.

Durch gewölbeformendeGriffe (c) mobilisiert siedie Mittelhand und setztdurch einen dezentenDruck und leichten Zugpropriozeptive Reize aufdie Muskel- u. Sehnen-spindeln. Wodurch siedie Spannung in derMuskulatur re-duziert. Auf ähn-liche Weise ar-beitet sich dieTherapeutin im-mer weiter nachdistal bis zu dendistalen Inter-phalangealge-lenken durch.

����� Abb. 10

a) Passive Mobilisation derHand- und Fingergelenke.Durch das gestreckte undfixierte Ellbogengelenkwird die Ausführung derproximal eingeleitetenMassenbewegungen ge-hemmt. Zudem erfolgt indieser Position eine Deh-nung der dorsalen Muskel-ketten (v. a. m. latissimusdorsi)

b) Die Therapeutin nutz indieser Position den Ein-fluss der Schwerkraft undbahnt durch eine passiv-assistive Mobilisation derHand- und Fingergelenkeerste selektive (ohne Be-

teiligung der Bewegungen imHandgelenk) Fingerbewegungen.

c) Sie reduziert ihre Unterstützungund Herr B. führt eigenständig (un-ter Nutzung der Schwerkraft) akti-ve Hand- und Fingerbewegungenaus.

Vom Sitz zum Stand

����� Abb. 11

a) Herr B. schiebt den Einkaufs-wagen zum Stuhl und wiederzurück (Sagittal). Dies führt zursymmetrischen Vorverlage-rung des Oberkörpers, zurDehnung der dorsalen Muskel-ketten und zur Erweiterungdes Bewegungsausmaßes imSchultergelenk (v. proximalnach distal), zur symmetri-schen Aktivität beider Arme

Abb. 9: Handmobilisation: „Vorraussetzungenschaffen, um selektive Hand- und Fingerbewegungenzu bahnen“

a) b)

c)

a) b) c)

Abb. 10 Handmobilisation: Anbahnung selektiver Hand- und Fingerbewegungen

Abb. 11: Therapiebeispiele zur Vorberei-tung des Transfers vom Sitz zum Stand

a)

b)

262 praxis ergotherapie • Jg. 17 (5) • Oktober 2004

Praxis

(Arm-Arm-Koordination), sowie zurVorbereitung zum Transfer vomSitz zum Stand.

b) Herr B. schiebt den Einkaufswa-gen rechts u. links am Stuhl vor-bei (Transversaleb., evtl. Positio-nierung im Rotationssitz auf derBankecke „um die Körpermitte zubekommen, müssen wir uns umdie Körpermitte bewegen“). Rota-tion oberer Rumpf gegen unteren,nach rechts -Gewichtsübernahmeder rechten stärker betroffenenSeite, nach links – Dehnung/Mo-bilisation der rechtsseitigen dorsa-len Muskelketten (s. auch Abb. 6).

����� Abb. 12

a) Der ZSP wird soweit vorverlagert,bis SG, Knie und Mittelfuß eine Li-nie bilden. Die Verschränkung derArme hinter dem Rücken dient derVerbesserten Rumpfaufrichtung

und die etwas hochgefahrene The-rapiebank (Vorspannung der Hüft-beuger) der verbesserten ventra-len Verankerung. Dies hemmt as-soziierte Reaktionen im rechtenstärker betroffenen Arm und er-leichtert somit den physiologischenTransfer vom Sitz zum Stand. Jetiefer dabei die Hände des Pati-enten kommen und je höher dieBank hochgefahren wird, destobesser ist die Spannungserhöhungder Hüftbeuger (v. a. M. iliopsoas).

b) Mit der Vorverlagerung des Kör-perschwerpunktes (ZSP) über dieKnie erfolgt der Einsatz der Knie-strecker (M. quadriceps femoris,Gesäß hebt sich ab) und ein Wech-sel zwischen agonistisch exzentri-scher Verlängerung (Rumpfvorver-lagerung) und konzentrischer Ver-kürzung der Ischiocruralen zurRumpfaufrichtung.

c) Freier und nahezu symmetrischerStand

Im Stand (Abb. 13)

a) Gewichtsübernahme der rechtenKörperseite. Die Therapeutin fa-zilitiert mit der linken Hand denzentralen Schlüsselpnkt (ZSP)nach rechts (Standbein, Stützarmsiehe auch Abb. 7). Der rechte Armwird nur zum Stützarm (ohne Arm-stütz keine physiologische Armbe-wegung) bzw. das rechte Bein nurzum Standbein (ohne Standbeinkein Spielbein), wenn auf der rech-ten Körperseite auch Körperge-wicht übernommen wird (s. ZSP).

a/b) Funktioneller Einsatz der rech-ten oberen Extremität. Herr B. öff-net und schließt mit (a) und ohne(b) Hilfe) der Therapeutin eine Ge-tränkeflasche. Das Beispiel Ge-tränkeflasche hat einen alltagsre-levanten Bezug, breitgefächerteAdaptionsmöglichkeiten (schwere– leichte, volle – leere Flaschen,Plastik- oder Glasflaschen, große-oder kleine Flaschen etc.) und bie-tet multiple Einsatzmöglichkeiten(öffnen – schließen, hochheben –umdrehen, wegrollen – heranrol-len, einschenken etc.) mit den ent-sprechenden Griffadaptionen (vonFlaschenhals nach unten gleiten,weitet die Finger [spasmushem-mende Stellung]). Zudem kannHerr B. beim hantieren mit Alltags-

Abb. 12: Bewegungstransfer vom Sitz zum Stand

a) b) c)

Abb. 13: Therapiebeispiele im Stand: „um den Stand zu erhalten müssen wir im Stand arbeiten

a) b) c) d)

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gegenständen auf bereits vorhan-dene Bewegungsmuster zurück-greifen und den Sinn der Thera-pieinhalte besser verstehen, wor-aus eine effektiverer Alltagstrans-fer resultiert. Funktionell bedingtdie Darbietung auf der rechten Kör-perseite eine größere Gewichts-übernahme rechts und die erhöh-te Arbeitsfläche eine aufrechtereKörperhaltung.

d) Funktioneller Einsatz der rechtenoberen Extremität im freien Raumbeim Eingießen in das Glas. AlsSteigerung gießt sich Herr B.Wasser in ein Glas (Hand-Auge –und Hand-Hand Koordination).

Im Stand bewegen (Abb. 14)

a) Herr B. schiebt den Einkaufswa-gen im Stand nach vorn. Die Be-wegung dient der symmetrischenVorverlagerung (exzentrische Ver-längerung der Ischiocruralen) undder Aufrichtung (beim zurückge-hen) des Oberkörpers.

b) Herr B. schiebt im Stand den Ein-kaufswagen rechts u. links. Rota-tion oberer Rumpf gegen unteren(Steigerung zum Sitz, s. Abb. 11).

Standbein (Abb. 15)

a) Standbeinstabilität (Abbildung ausD. BECKERS, J. DECKERS. Gangana-lyse und Gangschulung. Heidel-berg: Springer; 1997, Seite 14).Beim Abheben des Schwungbei-nes (Lateralflexion Rumpf) müs-sen die Extensoren/Abduktorendes Standbeines stabilisierendaktiv werden. Ein Hilfsmittel wiez.B. ein Gehstock oder gar eineUnterarmgehstütze bedingen je-

(Abduktoren/ M. gluteus medius)und mit ihrer rechten am ZSP(Rumpf), hierbei verlagert sie lang-sam das Körpergewicht auf dasrechte Standbein. Sie dosiert lang-sam die Gewichtsübernahme, in-dem sie Herrn B. bittet mit seinemlinken Bein auf die Zehspitzen zugehen, eine imaginäre Zigaretteauszudrücken und schließlich ei-nen Ausfallschritt nach links undwieder zurück bzw. nach vorn undwieder zurück zu tätigen. Als Stei-gerung soll Herr B. sein rechtesBein auf ein Podest stellen. DieTherapeutin überprüft anhand derSchlüsselpunkte Kopf (vertikaleAusrichtung), SG (horizontale Aus-richtung) und ZSP die adäquateBewegungsausführung.

Als Zeichen einer Überforderungwären u.a. der Verlust der Rumpfs-tellreaktion (Ausrichtung der SG)oder starke assoziierte Reaktionenim rechten Arm festzustellen (wo-bei ein dezentes Auftreten z.T.noch tolerierbar ist). Beim Abhe-ben des linken Beines steigt dieAnforderung an die Extensoren/Abduktoren des rechten Beines.Je höher das linke Bein positio-niert wird, umso größer wird dieAktivität der rechtsseitigen Hüftex-tensoren (s.o. ischiocrurale) und-abduktoren. Unterstützt wird dieAbduktorenaktivität durch die An-weisung „kneifen Sie fest Ihre Pob-acken zusammen“. Ungeachtet dertherapeutischen Relevanz dieserPosition sollte man jedoch beden-ken, dass die Standbeinphase nor-malerweise keine 5 Minuten dau-ert. Als Steigerung tätigt Herr B

doch eine kompensatorische Ak-tivität der Adduktoren, die wieder-um der physiologischen Abdukto-renaktivität entgegenwirkt. Es istdaher abzuwägen ob als Thera-pieziel ein physiologisches Gang-bild angestrebt wird, oder im Zugeder Verselbständigung ein kom-pensatorisches Hilfsmittel einge-setzt wird.

b) Je höher das Schwungbein vomBoden abgehoben wird (Stufe,Podest, Stuhl), umso größer wirddie Hüftextension und damit ver-bunden die Anforderung an dieHüftextensoren und -abduktoren(v. a. M. gluteus medius).

Ohne Standbein kein Schwung-bein (Abb. 16)

a) Gewichtsübernahme im Stand (sta-tische Stabilität). Um die Stand-beinphase zu stabilisieren, mussdie physiologische Aktivität derHüftstrecker (Ischiocrurale, M. glu-teus maximus) und der Hüftabduk-toren (M. gluteus medius) verbes-sert werden. Die Therapeutin fa-zilitiert mit ihrer linken Hand amrechten Schlüsselpunkt Becken

Abb. 14: Therapiebeispiele im Stand: „um den Stand zu erhalten und zu verbes-sern, müssen wir uns im Stand bewegen“

a) b)

a) b)

Abb. 15: Exkurs Standbein

264 praxis ergotherapie • Jg. 17 (5) • Oktober 2004

Praxis

ein Bewegungsspiel indem er Ge-genstände mit seiner rechten Handgreift und während dessen mitseinem linken Bein auf einemPodest steht (Gewichtsübernahmerechtes Standbein und Integrati-on der bisher selektiv erarbeite-ten Therapieinhalte in der oberenExtremität).

b) Er übergibt den Gegenstand in derKörpermitte (finden der Körpermit-te) in seine linke Hand (Hand-Hand-Koordination).

c) Er legt mit seiner linken Hand denGegenstand etwas erhöht ab. Ermuss dabei rechtsseitig (Rumpf/

Arm) stabilisieren (s. physiologi-sche Stellreaktion des rechtenArmes) und die Therapeutin fazi-litiert (gibt ihm das Gefühl seinerBewegung) am ZSP und am Bek-ken die physiologische Bewe-gungsausführung.

Alltagsaktivitäten im Stand(Abb. 17)

a) Herr B. tätigt die Alltagsaktivität„Fenster putzen“ (Vorbereitung aufZuhause) und setzt dabei seinerechten Extremitäten als Stützarmbzw. Standbein ein.

b) Er nutzt die, durch den Stützarmgewonnene Stabilität (To-nus) im rechten Rumpf undSchultergürtel, um mit sei-ner rechten Hand (mobilerFunktionsarm) eine Tätig-keit auszuführen.

Herr B. nutzt sein gewon-nenes rechtseitiges Bewe-gungspotential im Rumpf,im Funktionsarm und imStandbein, um am Hirten-stab zu gehen.

Dabei bewirkt die Aufrich-tung des Oberkörpers durchden Hirtenstab:

● Eine verbesserte Hüftex-tension und damit ver-bunden eine verbesser-te Stabilisation der Hüft-abduktoren (M. gluteusmedius/Standbein)

● Die Verringerung des pro-ximalen Zuges auf die

Ischiocruralen (Knie schlägt nichtmehr durch)

● Eine Verbesserte Gewichtsüber-nahme der rechten Körperseite(Standbein, Stützarm)

● Eine reaktive Einleitung derSchwungbeinphase durch einenphysiologischen Dehnreiz der Hüft-flexoren (M. iliopsoas).

Vom Stand zum Gang

„Nur aus einem alltagsbezogenenBewegungsgewinn zeigt sich ein wirk-licher Therapiefortschritt“

Abb. 16: Therapiebeispiele zur Verbesserung des Standbeines: „ohne Standbein keinSchwungbein“

a)

a) b) c)

b)

Abb. 17: Therapiebeispiele zur Verbesserung von Stand undStandbein rechts durch den Einsatz von Alltagsaktivitäten:„die ADL einsetzen um die Symptomatik zu verbessern“

Abb. 18: Bewegungen im freien Raum:„vom Stand zum Gang“

����� Abb. 19/20a) Herr B. geht mit dem Einkaufswa-

gen durch die Therapieräume (auf-bauend auf das Gehen mit demRollator und als Vorbereitung zumspäteren Einkaufen im Super-markt).

b) Er be- und entlädt den Einkaufs-wagen am Kühlschrank/ Regalenetc.. Dabei setzt er seinen rech-ten Arm als Stütz- und Funktions-arm ein (Nutzung und Förderungdes gewonnenen Bewegungspo-tentiales im Sinne einer Alltagstä-tigkeit).

c) Herr B. fährt den Einkaufswagenmit Gewichten, ähnlich der Situa-tion im Supermarkt, durch die

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Räume und über den 50 Meterlangen Flur des ZANR und ist (d)in der letzten Therapiewoche mitdem Einpunktgehstock mobil.

d) Resümee

Herr B. wurde 20 Therapietage imZentrum ambulanter neurologischerRehabilitation „ZANR“ in Kaiserslau-tern v. a. ergo- und physiotherapeu-tisch behandelt. Trotz der langenTherapiepause (24 Jahre) ist es ihmnun möglich ca. 30 Meter mit dem

Zu den AutorenSandra PETRI begann nach dem Abiturdie Ausbildung zur Ergotherapeutin ander Prof. König und Leiser Schule in Kai-serslautern. Nach der Ausbildung warsie drei Jahre in der neurochirurgischen/neurologischen Frührehabilitation desWestpfalzklinikums Kusel als Ergothe-rapeutin tätig. Während dieser Zeit ab-solvierte sie verschiedene Fortbildungen,wie z.B. Neurophysiologische Behand-lungsverfahren orientiert an NormalerBewegung, Bobath-Grundkurs, Felden-krais-Methode. Seit dem 1.Januar 2004ist sie im neu gegründeten Zentrum fürambulante Rehabilitation (ZANR) in Kai-serslautern tätig.

Karl-Michael HAUS war lange Jahre ineiner Neurologischen Rehaklinik tätig,von wo aus er zur Ausbildungsleitungan die Prof. König und Leiser Schulenwechselte. Sein Unterrichtsschwerpunktliegt v. a. in den NeurophysiologischenBehandlungsverfahren. Während dieserZeit bildete er sich zum Bobath- und Si-Therapeuten DVE, sowie zum Lehrer fürGesundheitsfachberufe weiter.

Er wechselte zum 1. Januar 2004 in dasan die Schule angegliederte Zentrum fürambulante neurologische Rehabilitation(ZANR), wo er neben seiner Dozenten-tätigkeit die Ergotherapeutische Abtei-lung leitet. Im Oktober eröffnet er einePraxis für Ergotherapie in Landau/Pfalz.

Herr HAUS setzte seine Kenntnisse undErfahrungen in Form eines Lehrbuchesüber die neurophysiologischen Behand-lungsverfahren bei Erwachsenen um,das im Herbst 2004 im Springer-Verlagerscheinen wird.

Einpunktgehstock (vorher Rollator –Reduzierung der Hilfsmittel) zu ge-hen, kleinere Einkäufe im Supermarktmit seinem Pkw selbständig zu erle-digen, sowie alltägliche Haushaltsauf-gaben (anziehen, putzen, kochen) zutätigen. Hr. B. setzt seinen rechtenArm automatisierter für die Gestikoder als Gleichgewichtsfunktion undfunktioneller, wie z.B. zum Schnürender Schuhe, ein. Sein positiver Re-habilitationsverlauf ist sicherlich nichtauf alle neurologischen Krankheits-bilder übertragbar, er zeigt jedochwelche Therapiefortschritte nach ei-ner relativ langen Behandlungspau-se, unter Beachtung gewisser Grund-prinzipien, noch möglich sind. HerrB. hat dabei sicherlich nicht seinenprämotorischen Zustand erreicht undauch das ungeübte Auge wird einedeutliche Bewegungsstörung erken-nen. Seine Mobilität konnte jedochsoweit verbessert werden, dass er amöffentlichen Leben nahezu selbstän-dig teilnehmen kann.

Abb. 19: Vom Stand zum Gang: Trans-fer in den Alltag zur Verbesserung derSelbständigkeit

Abb. 20: Reflexion gegen Ende der Maßnahme ...

a)

b)

c) d)

Anschrift des Verfassers:

Karl-Michael HausPraxis für ErgotherapieMedizinisches ZentrumMax Planck Str. 176829 LandauHomepage: ergotherapie-haus.de