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Daniel Engel Fallbesprechung zum Europarecht Fall 1 Fallbesprechung Europarecht – Fall 1

Fallbesprechung zum Europarecht - jura.uni-augsburg.de · Entwicklung des Europäischen Einigungsprozesses: 1950 – Schumann-Plan: „Montanunion als erste Etappe der Europäischen

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Daniel Engel Fallbesprechung zum Europarecht Fall 1

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Zum Begriff des Europarechts:

• Im weiteren Sinne: Recht einer Vielzahl europäischer

internationaler Organisationen (Europarat/EMRK, EFTA, etc. …)

• Im engeren Sinne: Recht der Europäischen Union (EU) und Europäischen Atomgemeinschaft (EAG)

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Entwicklung des Europäischen Einigungsprozesses: 1950 – Schumann-Plan: „Montanunion als erste Etappe der Europäischen Föderation“ 1951 – Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1957 – Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Europäischen

Atomgemeinschaft (EAG, EURATOM) 1957 – Organfusionierung: EP und EuGH für alle drei Gemeinschaften 1965 – Fusionsvertrag: Fusionierung der Organe der Gemeinschaften (ein Rat/eine

Kommission) 1986 – Einheitliche Europäische Akte: Verwirklichung des Binnenmarktes 1992 – Maastrichter Vertrag: Gründung der EU, EWG wurde zur EG, Aufnahme neuer

Aufgaben, Ziele und Politikbereiche (GASP/ZBJI) (Einführung der Tempelstruktur) 1997 – Vertrag von Amsterdam: Stärkung der Rechte des EP(Mitentscheidungsverfahren

ausgebaut), 2001 – Vertrag von Nizza: Institutionelle Änderungen wg. Osterweiterung 2002 – Auflösung der EGKS 2004 – Vertrag über eine Verfassung für Europa (gescheitert) 2007 – Vertrag von Lissabon (in Kraft seit 1.12.2009)

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Zum Europäischen Einigungsprozess: • 1952: Deutschland, Italien, Frankreich, Niederlande, Belgien, Luxemburg • 1973: GB, Irland, Dänemark • 1981: Griechenland • 1986: Spanien, Portugal • 1995: Finnland, Schweden, Österreich • 2004: Osterweiterung – Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien,

Slowakei, Slowenien, Ungarn, Malta, Zypern • 2007: Rumänien, Bulgarien • 2013: Kroatien

• Beitrittsverhandlungen mit: Türkei, Mazedonien • Beitritt in Aussicht gestellt: Island, Serbien, Albanien, Bosnien-

Herzegowina, Montenegro, Kosovo

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Die Architektur der Europäischen Union vor Lissabon

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• Die Architektur der Europäischen Union nach Lissabon:

• Vertrag von Lissabon hat die Struktur der EU grundlegend verändert: • Neugründung einer rechtsfähigen Union

• EU bekommt Rechtspersönlichkeit (Art. 47 EUV) • EG wurde aufgelöst (EU als Rechtsnachfolgerin der EG Alle Rechtsakte

der EG bleiben gültig) • EAG/EURATOM bleibt als eigenständige supranationale Organisation

neben EU bestehen • PJZS in AEUV überführt (in supranationale Entscheidungsstruktur

eingenommen) • GASP bleibt als intergouvernementaler Bereich bestehen (Konsensverfahren,

nur völkerrechtliche Bindungswirkung), jedoch: • Materielle Verbundsicherung (Kohärenzgebot, Art. 7 AEUV, Art. 21 III, EUV) • Institutionelle Verbundsicherung (institutioneller Rahmen, Art. 13 I EUV)

• Säulenmodell wurde aufgegeben

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Die Unionsorgane (Art. 13 EUV) • Europäisches Parlament (Art. 14 EUV, Art. 223 ff. AEUV) • Europäischer Rat (Art. 15 EUV, Art. 235 ff. AEUV) • Rat (Art. 16 EUV, Art. 237 ff. AEUV) • Kommission (Art. 17 EUV, Art. 244 ff. AEUV) • EuGH (Art. 19 EUV, Art. 251 ff, AEUV) • Europäische Zentralbank (Art. 282 ff. AEUV) • Rechnungshof (Art. 285 ff. AEUV)

• Prinzip der organschaftlichen Einzelermächtigung (Art. 13 II 1 EUV) • Pflicht der loyalen Zusammenarbeit der Organe (Art. 13 II 2 EUV) • Institutioneller Rahmen (Art. 13 I 1 EUV) • Institutionelles Gleichgewicht (Art. 13 II 1 EUV)

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Weitere Institutionen der EU • Präsident des Europäischen Rates (Art. 15 V, VI EUV)

• Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 18 EUV)

• Wirtschaft- und Sozialausschuss (Art. 13 IV EUV, Art. 300 I AEUV)

• Ausschuss der Regionen (Art. 13 IV EUV, Art. 300 I AEUV)

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Lösung Fall 1a: Der Richter stellt vorliegend folgende Fragen: 1. Kann sich B auf Art. 34 AEUV berufen, weil dieser unmittelbar anwendbar ist? 2. Wie ist die Rangfrage zwischen Europarecht und nationalem Recht zu lösen? 3. Welche Befugnisse stehen dem nationalen Richter bei einer Feststellung der Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit Unionsrecht zu? Text Art. 34 AEUV: „Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.“

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I. Zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 34 AEUV • Unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts setzt unmittelbare

Geltung des Unionsrechts voraus • Unmittelbare Geltung = Frage der rechtlichen Geltung des

Unionsrechts in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen

• Unmittelbare Anwendbarkeit = Frage, ob die unionsrechtliche Norm unmittelbar Rechte und Pflichten für Individuen begründet und ihnen subjektiv öffentliche Rechte verleiht

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1. Unmittelbare Geltung des Unionsrechts a) Völkerrechtliche Sichtweise

• EUV und AEUV sind völkerrechtliche Verträge • Völkerrechtliche Verträge binden primär die Vertragsstaaten • Verhältnis Völkerrecht – Nationale Rechtsordnung strittig: • Monistischer Ansatz • Dualistischer Ansatz • Im Ergebnis: Abhängig von nationalem Recht der Mitgliedstaaten

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b) Sicht des EuGH • EUV und AEUV unterscheiden sich von anderen völkerrechtlichen

Verträgen • EUV und AEUV erschaffen eine eigene Rechtsordnung

(Rechtsordnung sui generis), die für MS verbindlich ist • Aus Übertragung von Hoheitsgewalt und Eigenständigkeit des

Unionsrechts wird unmittelbare Geltung des Unionsrechts abgeleitet

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2. Unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts = ob die unionsrechtlichen Regelungen den einzelnen Individuen in den

nationalen Rechtsordnungen unmittelbar Rechte und/oder Pflichten auferlegen.

a) Völkerrechtliche Sichtweise • Es bleibt Vertragsstaaten überlassen, ob völkerrechtliche Normen

unmittelbare Rechte oder Pflichten für Individuen begründen

• Dies ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln

• Hier: Wortlaut des Art. 34 AEUV spricht gegen unmittelbare Anwendbarkeit

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b) Sicht des EuGH (1) Vertragsauslegung – EuGH folgt vöR. Grundsatz der Vertragsauslegung – Aber: nicht nur Wortlaut, sondern auch Ziel und Zweck, sowie

Systematik des Vertrages zu beachten – Hier:

− Ziel und Zweck: Errichtung eines Binnenmarktes (Art. 3 Abs. 3 EUV) • Funktionieren des Binnenmarktes betrifft jeden Einzelnen

− Systematik: – Organe haben Hoheitsrechte auf EU übertragen, um auch

gegenüber Bürgern Rechtsakte erlassen zu können – Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV weist inzident

darauf hin, dass Bürger sich auf Unionsrecht unmittelbar berufen können müssen

– Somit: Regelungen des Primärrechts können unmittelbare Wirkung entfalten, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind

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(2) Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendbarkeit von Primärrecht

– Vorschrift ist rechtlich vollkommen

− Bestimmung muss klar und hinreichend genau bestimmt sein, so dass sie ohne weitere Konkretisierung anwendbar ist

– Inhaltlich unbedingt

− Bestimmung darf mit keinem Vorbehalt oder zeitlichem Aufschub versehen sein und darf nicht von weiteren Rechtsakten der Union oder der MS abhängen

• Hier: Art. 34 AEUV erfüllt diese Voraussetzungen

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II. Verhältnis nationales Recht – Europarecht • Aus unmittelbarer Geltung des Unionsrechts in den Rechtsordnungen der

MS ergibt sich mittelbar Vorrang des Unionsrechts − Wegen Eigenständigkeit der Unionsrechtsordnung muss auch

Einheitlichkeit der Unionsrechtsordnung gewahrt werden − Mittel: Vorrang des Unionsrechts − Effektivitätsgrundsatz − Vorrang des Unionsrechts jetzt auch in Erklärung 17 des Vertrags von

Lissabon geregelt

– Wirkung des Vorrangs: − Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung − Falls (-), so bleibt nationale Norm im Konfliktfall unangewendet (nicht

nichtig)

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III. Befugnisse nationaler Gerichte • Art. 100 GG findet keine Anwendung

− Keine Feststellung der Unwirksamkeit deutscher Rechtsnormen − Prüfungsmaßstab nicht Grundgesetz (da AEUV)

– EuGH:

− Aufgrund des Anwendungsvorrangs müssen mitgliedstaatliche Gerichte Normen, die dem Unionsrecht entgegenstehen, selbst unangewendet lassen

– Hier: Richter A muss vorliegend die nationale Rechtsvorschrift unangewendet lassen, da sie gegen Art. 34 AEUV verstößt

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Lösung Fall 1b Text Art. 288 AEUV (Katalog Rechtsakte) „Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich. Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich.“

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I. Bedeutung der allgemeinen Geltung einer Verordnung i.S.d. Art. 288 Abs. 2 AEUV

•VO hat unmittelbare Geltung in den MS •Erzeugt aufgrund ihres Wortlauts auch unmittelbare Wirkung in jedem MS •VO geeignet, dem Einzelnen Rechte u. Pflichten aufzuerlegen •Somit: kein Umsetzungsakt durch nationalen Gesetzgeber erforderlich

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II. Zulässigkeit nationaler Umsetzungsakte • Art. 4 Abs. 3 EUV verbietet MS Maßnahmen, die unmittelbare Geltung einer

VO verhindern oder erschweren würden • Gleichzeitige und einheitliche Anwendung wäre sonst gefährdet • MS dürfen insbesondere keine Maßnahmen treffen, welche die

Zuständigkeit des EuGH beschneiden oder Normadressaten über Unionsrechtscharakter der Norm im Unklaren lassen

• Somit: Transformation von VO in nationales Recht ist unzulässig

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Lösung Fall 1c: I. Rechtsnatur der Richtlinie • Art. 288 Abs. 3 AEUV: Richtlinie ist für MS verbindlich • MS bleiben Form und Mittel zur Umsetzung der Verpflichtungen in der

nationalen Rechtsordnung offen • Kompromiss zw. Erfordernis einheitlichen Rechts und Eigentümlichkeit

nationaler Rechtsordnungen • Richtlinie hat grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung in den

Rechtsordnungen der MS

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II. Umsetzungspflicht der MS

• Art. 288 UAbs. 3 AEUV: Umsetzung für MS verbindlich • Grundsätze der Umsetzungspflicht:

− Gebot der Publizität − Normcharakter und Außenwirkung des Umsetzungsakts − Bloße Übereinstimmung der innerstaatlichen Praxis mit Richtlinie

nicht ausreichend

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III. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien in den Mitgliedstaaten • EuGH: unmittelbare Wirkung einer Richtlinie, wenn: (1) RL unbedingt und hinreichend genau formuliert (MS wird kein Umsetzungsspielraum eingeräumt und unmittelbares Recht kann

aus RL abgeleitet werden) (2) Umsetzungsfrist abgelaufen (3) keine oder nur unvollständige Umsetzung durch MS • Beachte: Grundsätze der Drittwirkung (siehe unten)

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• Begründung für unmittelbare Wirkung einer RL

− Effektivitätsgrundsatz – effet utile (Art. 4 Abs. 3 EUV): praktische Wirksamkeit der Richtlinie in MS sonst erheblich beeinträchtigt

− Sanktionsgedanke: MS soll verwehrt bleiben, dem Bürger Nichtumsetzung entgegen zu halten

– Folge der unmittelbaren Wirkung: − Einzelner kann sich auf Richtlinienvorschrift berufen

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IV. Problem der horizontalen Drittwirkung

• Unmittelbare Wirkung aufgrund Sanktionsgedankens grundsätzlich nur

vertikal – Bürger gg. Staat (vertikale Wirkung) • Problem: auch zwischen Bürgern?

− EuGH: in rein privatrechtlichen Verhältnissen (-), hier kommt Sanktionsgedanke nicht mehr zum Tragen

− Aber: soweit unmittelbare Wirkung nur dazu führt, dass Dritter beiläufig

durch Drittwirkung belastet wird, ist unmittelbare Drittwirkung möglich (Rechtsreflex)

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V. Anwendung der Grundsätze auf den vorliegenden Fall: hat K ein Widerrufsrecht?

1. Widerrufrecht durch nationale Rechtsordnung?

• Nach italienischem Recht hat K kein Widerrufsrecht • Die Richtlinie selbst ist kein nationales Recht. Es besteht nur gem. Art.

288 Abs. 3 AEUV für die MS eine Pflicht (somit auch für Italien), die RL umzusetzen

2. Widerrufsrecht des K aus unmittelbarer Wirkung der Richtlinie wegen Ablaufs der Umsetzungsfrist

• Möglicherweise ausnahmsweise unmittelbare Wirkung der RL aufgrund des Effektivitätsgebots und des Sanktionsgedankens?

• Vss.: (1) hinreichend genau formuliert (+) (2) Umsetzungsfrist ist abgelaufen (+)

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– Problem: Horizontale Drittwirkung = K möchte das Widerrufsrecht ggü. S geltend machen das wäre unmittelbar zu Lasten des S. Eine Unmittelbare Wirkung der Richtlinie ist wg. der Belastung des S nicht gegeben.

– (-) keine unmittelbare Wirkung der Richtlinie 3. Ergebnis: Die Richtlinie 85/577 entfaltet keine unmittelbare Wirkung. K hat kein Widerrufsrecht. Jedoch hat K einen Schadensersatzanspruch gegen den säumigen Staat (Staatshaftung wegen nicht umgesetzter Richtlinie, siehe Fall 4).