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150 Jahre Ferdinand Gross Gelebte Industriegeschichte Vor 150 Jahren gründete Ferdinand Gross eine Eisenwarenhandlung in Stuttgart. Seit damals hat nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch das heutige Bundesland Baden-Württemberg eine beeindruckende Entwicklung genommen. D ie Geschichte des Schraubenhändlers Ferdinand Gross belegt eindrucksvoll, wie aus einem kleinen Ein-Mann-Betrieb ein prosperierendes mittelständisches Unternehmen mit rund 250 Mitarbeitern, europaweiten Niederlassungen und gut 70 Mil- lionen Euro Jahresumsatz werden kann. Tugenden wie Fleiß, Willen und der Glaube an die eigenen Fähigkeiten haben zum Erfolg ebenso beigetragen wie Weitsicht, Mut und ein gutes Gespür für die Bedürfnisse der Kunden. Die Geschichte Ferdinand Gross‘ steht auch stellvertretend für die historische Entwicklung Württembergs. Der Südwesten Deutsch- lands gehört heute zu den wohlhabendsten Regionen in Deutschland und Europa. Das war nicht immer so. Der Aufstieg des Wirtschaſtsrau- mes begann mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert – später und langsamer als anderswo gelang im Südwesten der Wechsel von der Ag- rar- zur Industriegesellschaſt. Heute ist Baden-Württemberg eines der leistungsfähigsten deutschen Flächenländer. Es ist ein industrie- und ex- portintensives Land, das einerseits Industriegiganten von Weltruf wie Daimler, Bosch und IBM Deutschland beherbergt, andererseits aber nach wie vor eine mittelständische Wirtschaſtsstruktur aufweist. Erfahren Sie, wie die Geschichte von Ferdinand Gross begonnen hat, die mittlerweile in fünſter Generation fortgeschrieben wird. Seite 2 Emil Gross übernimmt das Handelshaus in einer schwierigen Zeit. Franz Hering übernimmt als ehemals Branchenfremder das Unternehmen. Günther und Dieter Hering entscheiden sich für einen Umzug vor die Tore der Stadt. Retter in der Not Sicherer Steuermann Fit für die Zukunft I n den 1920er Jahren sind die Folgen des Ersten Weltkriegs in ganz Europa spürbar, die politische und wirtschaſtliche Situation ist zerrissen. Doch Emil Gross leitet das väterliche Unternehmen si- cher durch die Unwägbarkeiten der Nachkriegs- jahre. Der umsichtige Kaufmann hat ein gutes Gespür für die Wünsche der Kundschaſt und er- weitert das Sortiment stetig. Zudem kann er sich der unbedingten Loyalität seiner Mitarbeiter sicher sein – was das Unternehmen tatsächlich vor dem Bankrott bewahrt. Seite 3 D er Zweite Weltkrieg hat den Schraubenspe- zialisten Ferdinand Gross an den absoluten Tiefpunkt geführt. Doch der Schwiegersohn von Emil Gross blickt mutig nach vorn und be- kommt von den Alliierten recht schnell die Erlaub- nis, die Geschäſte wieder aufnehmen zu dürfen. Er manövriert das Unternehmen sicher durch die schweren Nachkriegsjahre und führt das Handels- haus zu neuer Blüte. Das Handelsgebiet erweitert sich stetig, steigende Auſträge sind der Lohn. Auch Franz Hering hat ein Gespür für neue Trends – das Unternehmen wächst stetig und feiert 1964 sein 100-jähriges Jubiläum. Seite 4 D ie beiden Brüder Günther und Dieter Hering führen das Unternehmen nun in der vierten Generation – und finden in der Stuttgarter Innenstadt keine geeigneten Expansionsflächen. Sie beschließen, vor die Tore der Stadt zu ziehen – nach Leinfelden, direkt an der Autobahn und am Flugha- fen gelegen. Hier entsteht ein neuer Firmensitz, der so umsichtig geplant wird, dass er auch heute noch nötige Erweiterungen problemlos zulässt. Seite 5 Liebe Leser der inside, ja, diese Ausgabe unseres News-Magazins sieht anders aus. Das hat seinen Grund: Ferdinand Gross feiert in diesem Jahr sein 150. Jubiläum. Ich möchte Sie deshalb einladen: Begleiten Sie uns auf eine Reise durch anderthalb Jahrhunderte schwäbische Industrie- geschichte und lernen Sie mein Unternehmen aus einem ganz neuen Blickwinkel kennen – von den Anfängen bis heute. Herzlichst, Ihr inside DIE SONDERAUSGABE ZUM JUBILÄUM Gründete das Unternehmen und ist bis heute Vorbild: Ferdinand Gross hat die württembergische Industriegeschichte um ein erfolgreiches Kapitel erweitert. Gerald Hering

FG 150 Jahre Zeitung A3 - Schrauben Gross · Emil Gross übernimmt das Handelshaus ... Schon früh führt Ferdinand Gross deshalb seine ... Die Währung verfällt in rasendem Tempo,

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150 Jahre Ferdinand Gross

Gelebte IndustriegeschichteVor 150 Jahren gründete Ferdinand Gross eine Eisenwarenhandlung in Stuttgart. Seit damals hat nicht nur das Unternehmen

selbst, sondern auch das heutige Bundesland Baden-Württemberg eine beeindruckende Entwicklung genommen.

Die Geschichte des Schraubenhändlers Ferdinand Gross belegt eindrucksvoll, wie aus einem kleinen Ein-Mann-Betrieb ein prosperierendes mittelständisches Unternehmen mit rund 250 Mitarbeitern, europaweiten Niederlassungen und gut 70 Mil-

lionen Euro Jahresumsatz werden kann. Tugenden wie Fleiß, Willen und der Glaube an die eigenen Fähigkeiten haben zum Erfolg ebenso beigetragen wie Weitsicht, Mut und ein gutes Gespür für die Bedürfnisse der Kunden. Die Geschichte Ferdinand Gross‘ steht auch stellvertretend für die historische Entwicklung Württembergs. Der Südwesten Deutsch-lands gehört heute zu den wohlhabendsten Regionen in Deutschland

und Europa. Das war nicht immer so. Der Aufstieg des Wirtschaftsrau-mes begann mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert – später und langsamer als anderswo gelang im Südwesten der Wechsel von der Ag-rar- zur Industriegesellschaft. Heute ist Baden-Württemberg eines der leistungsfähigsten deutschen Flächenländer. Es ist ein industrie- und ex-portintensives Land, das einerseits Industriegiganten von Weltruf wie Daimler, Bosch und IBM Deutschland beherbergt, andererseits aber nach wie vor eine mittelständische Wirtschaftsstruktur aufweist.

Erfahren Sie, wie die Geschichte von Ferdinand Gross begonnen hat, die mittlerweile in fünfter Generation fortgeschrieben wird. Seite 2

Emil Gross übernimmt das Handelshaus in einer schwierigen Zeit.

Franz Hering übernimmt als ehemals Branchenfremder das Unternehmen.

Günther und Dieter Hering entscheiden sich für einen Umzug vor die Tore der Stadt.

Retter in der Not

Sicherer Steuermann

Fit für die Zukunft

In den 1920er Jahren sind die Folgen des Ersten Weltkriegs in ganz Europa spürbar, die politische und wirtschaftliche Situation ist zerrissen. Doch

Emil Gross leitet das väterliche Unternehmen si-cher durch die Unwägbarkeiten der Nachkriegs-jahre. Der umsichtige Kaufmann hat ein gutes Gespür für die Wünsche der Kundschaft und er-weitert das Sortiment stetig. Zudem kann er sich der unbedingten Loyalität seiner Mitarbeiter sicher sein – was das Unternehmen tatsächlich vor dem Bankrott bewahrt. Seite 3

Der Zweite Weltkrieg hat den Schraubenspe-zialisten Ferdinand Gross an den absoluten Tiefpunkt geführt. Doch der Schwiegersohn

von Emil Gross blickt mutig nach vorn und be-kommt von den Alliierten recht schnell die Erlaub-nis, die Geschäfte wieder aufnehmen zu dürfen. Er manövriert das Unternehmen sicher durch die schweren Nachkriegsjahre und führt das Handels-haus zu neuer Blüte. Das Handelsgebiet erweitert sich stetig, steigende Aufträge sind der Lohn. Auch Franz Hering hat ein Gespür für neue Trends – das Unternehmen wächst stetig und feiert 1964 sein 100-jähriges Jubiläum. Seite 4

Die beiden Brüder Günther und Dieter Hering führen das Unternehmen nun in der vierten Generation – und finden in der Stuttgarter

Innenstadt keine geeigneten Expansionsflächen. Sie beschließen, vor die Tore der Stadt zu ziehen – nach Leinfelden, direkt an der Autobahn und am Flugha-fen gelegen. Hier entsteht ein neuer Firmensitz, der so umsichtig geplant wird, dass er auch heute noch nötige Erweiterungen problemlos zulässt. Seite 5

Liebe Leser der inside,

ja, diese Ausgabe unseres

News-Magazins sieht anders aus.

Das hat seinen Grund: Ferdinand

Gross feiert in diesem Jahr sein 150.

Jubiläum. Ich möchte Sie deshalb

einladen: Begleiten Sie uns auf eine Reise durch

anderthalb Jahrhunderte schwäbische Industrie-

geschichte und lernen Sie mein Unter nehmen aus

einem ganz neuen Blickwinkel kennen – von den

Anfängen bis heute.

Herzlichst, Ihr

insideD I E S O N D E R A U S G A B E Z U M J U B I L Ä U M

Gründete das Unternehmen und ist bis heute Vorbild: Ferdinand Gross hat die württembergische Industriegeschichte um ein erfolgreiches Kapitel erweitert.

Gerald Hering

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1864-1914: Wie a l les begann Die Generat ion Ferdinand Gross1864-1914: 1864-1914:

Ein gutes GespürAm 17. November 1864 eröffnet Ferdinand Gross eine Eisenwarenhandlung in Stuttgart. Dass er sich als Firmensitz ausgerechnet die Hauptstätter Straße aussucht, ist kein Zufall.

Seine beiden Söhne bindet Ferdinand Gross früh, aber behutsam ans Unternehmen.

Das Quartier im Süden Stuttgarts hat für Händler ei-nen unschätzbaren Vorteil. Angelegt nach dem Vorbild der Prager Vorstadt, profi tiert das soge-nannte Bohnenviertel wie kein anderes Viertel vom

ungeheuren Bevölkerungswachstum. Neue Läden werden eröff net, Gasthäuser etablieren sich neben den Wohnungen von Handwerkern und Arbeitern. Und die breite Haupt-stätter Straße bildet als quirliger Straßenmarkt den passen-den Rahmen für das aufb lühende Treiben – liegt sie doch auf der damaligen Poststraße von Frankfurt nach Zürich. Schnell spricht sich unter den Wagenlenkern herum, dass die Eisen-warenhandlung von Ferdinand Gross eine exzellente und zuverlässige Anlaufstelle ist.

Es läuft gut für den jungen Unternehmer – sowohl ge-schäft lich als auch privat: 1865 heiratet Ferdinand Gross seine große Liebe Wilhelmine Schwarz, 1866 kommt der erste Sohn Alfred zur Welt, 1875 folgt dessen Bruder Emil.Die Reichsgründung 1871 sorgt für eine wirtschaft liche Be-lebung, von der auch die Eisenwarenhandlung Ferdinand Gross profi tiert. In den angestammten Geschäft sräumen wird es zu eng, 1886 bezieht das Unternehmen größere Räume gleich gegenüber in der Hauptstätter Straße 19. Doch auch hier sind schnell die Grenzen erreicht: Bereits vier Jahre später kauft Ferdinand Gross das Haus Nummer 50 in der

vornehmen Olgastraße, etwas oberhalb des Bohnenviertels gelegen. Bis 1927 wird hier der Firmensitz des Handels-unternehmens sein.

Längst hat sich bis weit über die Grenzen der Stadt her-umgesprochen, dass die Qualität der Waren und Werkzeuge, die in der Olgastraße 50 verkauft werden, außergewöhnlich gut ist. Zudem entstehen in Stuttgart selbst immer mehr In-dustriebetriebe, die ohne Schrauben gar nicht produzieren können. Auch am Königlichen Hof wird die Qualität der Waren von Ferdinand Gross geschätzt: Am 25. Januar 1904 verleiht der Hof dem Handelshaus den Titel eines „Königli-chen Hofl ieferanten“. Ein weiterer Schub für das Unterneh-men, das bereits wieder unter Platzmangel leidet und deshalb selbst zum Bauherrn wird: Im Bohnenviertel entstehen in der Brennerstraße neue, großzügigere Lagerräume, die das Ar-beiten wesentlich erleichtern. Um das immer größer wer-dende Liefergebiet adäquat bedienen zu können, stellt Ferdinand Gross einen ersten Handelsvertreter ein.

Das Jahr 1914 markiert für die Firma Ferdinand Gross ei-nen Meilenstein. Nach einem halben Jahrhundert Aufb auar-beit tritt der Gründer am 1. April 1914 im Jahr des 50jährigen Firmenjubiläums in den Ruhestand. Ein wohlverdienter Le-bensabend ist ihm indes nicht vergönnt: Am 27. September 1914 stirbt Ferdinand Gross im Alter von 75 Jahren.

Kontinuität, Fleiß, unbedingter Wille

Wissen, was die Kunden brauchen. Erkennen, welche Entwicklungen anstehen – Ferdinand Gross beweist von Anfang an Weitsicht. Und macht früh Reklame.

Breitgefächertes Sortiment

L ag anfangs der Schwerpunkt des Sorti-ments auf Schmiede-, Schlosser- und Wagenbauartikeln, änderte sich dies

im Laufe der Jahre kontinuierlich. Dank der Einführung der allgemeinen Gewerbefrei-heit 1862 durch König Wilhelm I. fand Württemberg Anschluss an die industrielle Revolution, die in anderen Ländern und im Westen Deutschlands schon längst ihre Spu-ren hinterlassen hatte. Durch den Siegeszug der Dampfmaschine entwickelte sich in Württemberg eine blühende feinmechani-sche Industrie. Baumwollspinnereien und Trikotagen etablierten sich ebenso wie die

Papierindustrie. Der junge Firmengründer Ferdinand Gross nutzt den allgemeinen wirtschaft lichen Aufschwung, baut sein auf-strebendes Eisenwaren- und Schraubenge-schäft kontinuierlich aus – und informiert seine Kunden früh durch Anzeigen sowie kleine Kataloge. Zur Geschäftseröffnung verteilt er einen Werbebrief, im Adress- und Ge schäft shandbuch von 1865 wirbt er bei-spielsweise „unter Zusicherung billiger und reeller Bedienung“ für sein „wohl assortier-tes Lager“. Auch heute noch setzt das Unter-nehmen auf eine ausgeklügelte Marketing-strategie.

Eine gründliche Ausbildung, das Wissen um die Bedürf-nisse der Kunden und die Fähigkeit, daraus die richti-gen Schlüsse für die Sortimentsauswahl zu ziehen – diese

Kernkompetenzen sollen auch die Söhne Ferdinand Gross‘ erlernen. Schon früh führt Ferdinand Gross deshalb seine beiden Söhne an den väterlichen Betrieb heran – die Wei-chen für die Zukunft wollen gestellt sein. Jeweils im Alter von 14 Jahren treten Alfred (1880) und Emil (1889) in die Firma ein – die Nachfolge scheint geregelt. Dabei beweist vor allem Alfred Gross, dass er die Weitsicht seines Vaters geerbt hat: Mit der auch in Stuttgart beginnenden Elektrifi -zierung richtet er 1893 eine Abteilung für Elektroartikel ein – drei Jahre, bevor überhaupt das erste Elektrizitätswerk in Stuttgart ans Netz geht und diese neue Energie eine breitere Verwendung fi ndet. Nun wird auch die Elektrifi zierung der Stuttgarter Straßenbahn vorangetrieben, die bereits 1895 begann. Aus der Abteilung für Elektroartikel entsteht die Firma Alfred Gross, im Volksmund auch als „Elektro-Gross“ bekannt.

1908 wird die Firmennachfolge per Gesellschaft erver-trag dokumentiert: Alfred und Emil Gross treten in die Ge-schäft sführung ein. 1914, nur wenige Tage nach seinem 75. Geburtstag, gibt Ferdinand Gross die Geschäft sführung komplett an seinen Sohn Emil ab.

»Die Gründung des

Unternehmens fi el in eine

äußerst interessante Zeit.

In Württemberg hatte die

industrielle Revolution noch

nicht richtig Tritt gefasst,

steckte noch in den Kinder-

schuhen. Ferdinand Gross

konzentrierte sich deshalb

auf Handwerker und Fuhr-

leute – mit Erfolg.«

Der Ort, an dem alles begann: Im Haus Heinrich Kurtz in der Hauptstätter Straße gründet Ferdinand Gross am 17. November 1864 seine Eisenwarenhandlung.

Bestanden: Das Lehrlingszeugnis von Ferdinand Gross, ausgestellt 1858.

Deckblatt des Katalogs für Hufbeschlagartikel 1906/1907.

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Die Generat ion Emil Gross 1914-1933: Die Zwanz iger Jahre

Die Zwanziger JahreDie Folgen des Ersten Weltkriegs sind in ganz Europa spürbar, die politische und wirtschaftliche Situation zerrissen.

Emil Gross leitet das väterliche Unternehmen sicher durch die Unwägbarkeiten der Nachkriegsjahre.

Der Erste Weltkrieg stürzt auch das mittlerweile renom-mierte Handelsunternehmen tief in die Krise. 50 Jahre lang war die Firma Ferdinand Gross stetig gewachsen, eingebettet in eine Zeit, die geprägt war von wirtschaft li-

chem Aufschwung und recht sicheren politischen Verhältnissen. Das ist nun mit einem Schlag vorbei. Von den rund 2,5 Millio-

nen Einwohnern Württembergs werden 520.000 Männer eingezo-gen – darunter auch viele Mitarbeiter von Ferdinand Gross. Handwerker und Arbeiter fehlen, die Kunden bleiben aus. Produ-ziert wird nur noch für militärische Zwecke. Die Euphorie, mit der Deutschland den Beginn des Krieges anfänglich aufgenommen hat, ist schnell verfl ogen. Am Ende des Ersten Weltkrieges 1918 haben sich die staatlichen Verhältnisse in Europa und im Nahen Osten erheblich verändert. Die Leiden des Krieges entladen sich in vielen Staaten Europas in revolutionären Erschütterungen.

Auch im Deutschen Reich verstärken Hunger und Entbehrung zusammen mit der Enttäuschung über die militärische Niederlage demokratische und sozialistische Bestrebungen. Am 9. November 1918 wird die Republik ausgerufen. Kaiser Wilhelm II. muss seinen Th ron verlassen. Doch auch nach Kriegsende verbessert sich die Si-tuation nicht. Die hohen Reparationsforderungen der Alliierten stürzen die Wirtschaft der jungen Republik weiter in den Abgrund. Die Währung verfällt in rasendem Tempo, die Infl ation steigt ste-tig, der Mittelstand verarmt zusehends.

Mit zehn bis zwölf Mitarbeitern und Lehrlingen hält Emil Gross in diesen schweren Tagen die väterliche Firma am Laufen. Seinen guten Ruf hat das Unternehmen während des Krieges nicht verloren. Vor allem Schmiedemeister, Wagenbauer und Schlosser decken sich nun bei Ferdinand Gross ein. Beliefert werden aber auch mechanische Werkstätten, landwirtschaft liche Maschinen-baufi rmen und andere Fabriken. Blankgedrehte Schrauben spielen noch keine große Rolle. Emil Gross blickt mutig nach vorn, will den Unwägbarkeiten der Nachkriegsjahre trotzen und das Unter-nehmen wieder in ruhigere Gewässer steuern.

Er hat Erfolg: Nach der Währungsreform 1924 entspannt sich die Situation zusehends, ein neuer Anfang wird gemacht, es geht langsam wieder aufwärts. Der erste eigene Transporter, ein Opel Blitz, steht ab 1925 auf dem Hof. Umsichtig wie bereits sein Vater, möchte Emil Gross das Fortbestehen des Unternehmens früh gesi-chert wissen. Am 1. April 1928 holt er deshalb seinen Schwieger-sohn Franz Hering in die Firma. Der hat freilich wenig Ahnung vom Sortiment, bringt dafür aber eine unbändige Neugier und gro-ßes Interesse mit. Der im Unternehmen hochgeschätzte Mitarbei-ter Traugott Bäßler wird quasi sein „Lehrmeister“, führt ihn in alles Wichtige ein, verrät ihm die Kniff e des täglichen Geschäft s. Kaum zwei Monate im Unternehmen, erteilt sein Schwiegervater Franz Hering Prokura – ein deutlicher Beweis, wie schnell er sich in die ihm bislang unbekannte Materie einarbeitet.

Emil Gross übernimmt das Handelshaus Ferdinand Gross in einer schwierigen Zeit. Dennoch gelingt ihm ein erfolgreicher Neustart.

Von Anfang an setzt Ferdinand Gross auf langfristige Beziehungen – auch in Bezug auf seine Mitarbeiter. Emil Gross erlebt in der schwierigen Zeit der Weltwirtschaftskrise, wie Loyalität, Verbundenheit und Respekt ein ganzes Unternehmen retten können.

Der zweite Start

Ganz im Dienste der Firma

Mit Ausdauer, Standfestigkeit, Geschick und der Unterstützung seiner Mitarbeiter hat Emil Gross das Unternehmen durch die schwere Nachkriegs-

zeit geführt – und beginnt nun mit einer Neuausrichtung: Er stellt nämlich fest, dass die Anzahl der Auto- und Motor-radwerkstätten schnell zunimmt, die Schmiede und Wa-genbauer (bislang die Hauptkundschaft) dagegen abnehmen. Der umsichtige Kaufmann erkennt die Zeichen der Zeit sofort und reagiert unmittelbar: Er beschließt, kleine und größere Blankschraubensortimente zusammen-zustellen und diese in Fächer unterteilten Holzkästen zu 25 bzw. 50 DM an die Werkstätten zu verkaufen. Der Erfolg gibt ihm recht: Die Kästen verkaufen sich bestens.

Emil Gross ist auch gesellschaft lich hoch angesehen: 1925 wird er von der Stuttgarter Handwerkskammer zum Handelsrichter ernannt. Ein ehrenvolles Amt, das er voll Leidenschaft bekleidet und sechs Jahre lang ausüben wird.

Immer auf der Suche nach Optimierung, zieht das Un-ternehmen 1927 von der Olgastraße 50 in die Brennerstraße 31 um – seit gut 20 Jahren befi ndet sich hier bereits das La-ger, die Wege sind ab sofort deutlich kürzer. Ins Adress-buch des gleichen Jahres wird Ferdinand Gross noch als

»Schraubenhandlung mit Hufb eschlag- und Wagenbauar-tikeln« eingetragen.

Zu dieser Zeit beginnt Ferdinand Gross, sein Sortiment um spanlos verformte Schrauben zu erweitern – Emil Gross hatte den steigenden Bedarf an diesen Verbindungsteilen erkannt und sofort drauf reagiert. Auch das Sortiment an Werkzeugen wird vergrößert.

Die Weltwirtschaft skrise, ausgelöst durch den Bör-sen-Crash in den USA am 24. Oktober 1928, macht auch Ferdinand Gross zu schaff en – selbst wenn Württembergs qualitätsorientierte Industrie mit ihrem hohen Anteil an Ei-genkapital nicht ganz so schwer getroff en wurde.

Völlig unerwartet stirbt Emil Gross am 6. Oktober 1933 im Alter von gerade mal 58 Jahren. Sein Schwiegersohn Franz Hering übernimmt die Geschäft e. Der ehemals Bran-chenfremde hat sich in den vergangenen fünf Jahren zu ei-ner festen Größe innerhalb des Unternehmens entwickelt und sich einen Ruf als zuverlässiger Geschäft spartner erar-beitet. Wie schon sein Schwiegervater vor ihm, will Franz Hering die Firma mit Mut, Entschlossenheit und einem gu-ten Gespür für die Entwicklungen des Marktes erfolgreich in die Zukunft führen.

Im November 1920 sucht Emil Gross per An-zeige im „Stuttgarter Wochenblatt“ einen Fak-turisten. Mehr als 40 Bewerber stellen sich vor,

die Wahl fällt schließlich auf Traugott Bäßler – ein einmaliger Glücksgriff , wie sich im Laufe der Zeit herausstellen wird.

Seinen neuen Fakturisten lernt Emil Gross schnell schätzen – ein loyaler Mitarbeiter, gewis-senhaft , fl eißig und off en für neue Ideen. Emil Gross ist überzeugt davon, dass dieser Mann noch mehr kann als Rechnungen schreiben und die Handwerkerkundschaft zu bedienen. Bereits im Februar 1921 fragt er ihn, ob er nicht Lust habe, auf Reisen zu gehen und die Kundschaft

zu besuchen, respektive neue Kunden zu gewin-nen. Bäßler willigt ein und fi ndet schnell Gefallen an der Reisetätigkeit. Die galoppierende Infl ation im Zeichen der Weltwirtschaft skrise treibt jedoch auch das Unternehmen Ferdinand Gross an den Rand des Ruins: Emil Gross kann die Gehälter seiner Mitarbeiter nicht mehr bezahlen, sieht keine Möglichkeit mehr, die Firma weiterzufüh-ren. Doch Traugott Bäßler glaubt noch an eine Chance: Wenn alle Mitarbeiter auf die Hälft e ih-res Gehalts verzichten, müsste das Unternehmen zu retten sein – er sollte recht behalten.

Dieses Ereignis, das das Überleben des Un-ternehmens in dieser schier aussichtslosen Situ-

ation überhaupt erst möglich machte, hat bis heute Auswirkungen auf die Philosophie und das Selbstverständnis des Spezialisten für Ver-bindungsteile: Der Mitarbeiter ist das höchste Gut – gut ausgebildet, motiviert, eben »the excellent s/crew«.

Übrigens: „Vater Bäßler“, wie er respekt-voll genannt wurde, ist Ferdinand Gross immer treu geblieben – 55 Jahre lang stand er im Dienst der Firma. Drei Generationen hat er er-lebt und ist ihnen mit Rat und Tat zur Seite ge-standen. Viele Innovationen – etwa der Einbau des ersten Lastenaufzugs im Schraubenlager – hat er mitinitiiert.

»Das moderate

Wirtschaftswachstum

Württembergs Mitte der

zwanziger Jahre war auf

den Kraftfahrzeugbau, den

Maschinenbau, die Fein-

mechanik und die Elektro-

technik begründet – alles

Branchen, die von Ferdinand

Gross beliefert werden –

auch heute noch.«

Loyaler Mitarbeiter: Traugott Bäßler.

Emil Gross sichert das Überleben der Firma während der Weltwirtschaftskrise.

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1933-1964: Zwei ter Wel tkr ieg und Aufschwung Die Generat ion Franz Hering

»Dass das Unternehmen nach

Kriegsende den Betrieb recht

schnell wieder aufnehmen

konnte – und durfte – ist

nicht zuletzt dem Verhand-

lungsgeschick meines Groß-

vaters Franz Hering zu

verdanken – und dem

bedingungslosen Einsatz

der Mitarbeiter.«

Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen stürzen das Unternehmen Ferdinand Gross in seine größte Krise. Doch die zähen Schwaben lassen sich nicht unterkriegen.

Am Tiefpunkt angekommen

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs markiert auch für das Handelsunternehmen Ferdinand Gross eine Zäsur. Zwar bleibt Württemberg zu Anfang von den

Auswirkungen des Krieges verschont. Doch – und das trifft den Eisenwarenhändler besonders – wird der Bezug von Ei-senwaren rationiert, Eisenmarken werden eingeführt.

Bereits 1939 werden sämtliche Lkw samt ihren Fahrern an die Kriegsfront im Osten abkommandiert, immer mehr Mitarbeiter werden zum Wehrdienst eingezogen – das Per-sonal wird knapp. Nachdem sich die Fliegeralarme in Stutt-gart häufen, beschließt Franz Hering, den Betrieb auf verschiedene Standorte im Großraum Stuttgart aufzuteilen. Ziel ist es aber, den gesamten Betrieb nach Niederstetten bei Bad Mergentheim zu verlegen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Im Marstall des Schlosses Haltenbergstet-ten wird der Boden betoniert, Regale werden aufgestellt. Auch eine Turnhalle wird zum Lager umfunktioniert. An-fang 1943 schließlich zieht die gesamte Familie Hering mit

dem Hauptbetrieb nach Niederstetten um, nachdem schon die Betriebsleitung dort Quartier gefunden hat. Im Stuttgar-ter Stammhaus kümmert sich derweil eine Notbesetzung um die Geschäft e.

Die Auswirkungen und Folgen des Krieges werden auch in Stuttgart immer deutlicher spürbarer, Bombenan-griff e nehmen zu. Doch Franz Hering hat Glück im Un-glück: Die Lager des Unternehmens im Schloss und in der Turnhalle überstehen die letzten Kriegstage nahezu unver-sehrt – lediglich kleinere Schäden in den Dächern müssen repariert werden. Der Geschäft sbetrieb kann also weiterge-hen – auch, weil das amerikanische Militär bestimmte Schrauben und Verbindungsteile für Reparaturen braucht. Doch die Alliierten beschlagnahmen einen Großteil der ge-rettet geglaubten Waren – die Lager müssen geschlossen, alle Angestellten entlassen werden. Das Traditionsunter-nehmen, das vor rund 80 Jahren als Eisenwarenhandlung begann, ist auf dem absoluten Nullpunkt angekommen.

Steuermann in schweren ZeitenAls einstmals branchenfremder Quereinsteiger muss Franz Hering das Handelshaus Ferdinand Gross nicht nur durch den Zweiten Weltkrieg

manövrieren, sondern auch durch die schweren Nachkriegsjahre. Der Lohn: Er führt das Unternehmen zu neuer Blüte.

Nachdem Emil Gross am 6. Oktober 1933 völlig un-erwartet stirbt, übernimmt sein Schwiegersohn Franz Hering die Geschäft e des Unternehmens. Er, der ehemals Branchenfremde, hat sich in den ver-

gangenen fünf Jahren gründlich in das Geschäft mit Schrau-ben und Werkzeugen eingearbeitet. Hering erkennt schnell, dass das Schraubengeschäft immer wichtiger wird, dehnt es konsequent auf alle Verwendungsbereiche aus. Er nimmt hochfeste Schrauben ins Sortiment – und gewinnt so ver-stärkt Kunden aus der Industrie hinzu.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben alle Be-mühungen von Franz Hering nur ein Ziel: Kontakte zur Mi-litärverwaltung knüpfen, um die Genehmigung zur Fortführung der Geschäft e zu erhalten. Das Vorhaben ge-lingt: Franz Hering kann nachweisen, dass es sich bei Ferdi-nand Gross um einen Nicht-Rüstungsbetrieb handelt, der mit Waren für die unmittelbare Versorgung und zur Auf-rechterhaltung des täglichen Lebens handelt. Der gerettete Werkzeugbestand wird in einem angemieteten Laden am Wilhelmsplatz untergebracht, auch der „Verkauf“ fi ndet hier statt. Trotz aller Schwierigkeiten blickt Franz Hering ent-schlossen in die Zukunft : In Neustadt/Schwarzwald entsteht ein Schraubenlager, um Kunden in den südlichen Landestei-len bis hinunter nach Freiburg besser versorgen zu können. Auch die Reisetätigkeit wird bald wieder aufgenommen.

Nach der Währungsreform ziehen die Geschäft e spürbar an, das Wirtschaft swunder beginnt. Das Unternehmen pro-

fi tiert vom Nachholbedarf – die Räume in der Brennerstraße 31 reichen bald nicht mehr aus. 1949 entsteht auf dem zuge-kauft en Grundstück Brennerstraße 38 ein neues Gebäude, in dem die Werkzeugabteilung untergebracht wird. Der nach

dem Krieg angeschafft e Framo-Kleinlaster wird 1950 durch einen Opel-Blitz ersetzt, der Umsatz übersteigt erstmals die Zwei-Millionen-D-Mark-Grenze – neues Personal wird ein-gestellt. Der für das Unternehmen so wichtige Schraubenka-talog wird 1950 neu aufgelegt, im Jahre 1952 erscheint mit dem „W 90“ der erste „richtige“ Werkzeugkatalog der Firma.

Franz Herings goldenes Händchen für das Erkennen zu-kunft sweisender Trends zeigt sich wieder einmal, als aus den USA eine Schraube auf den deutschen Markt kommt, die in einem Arbeitsgang ein Loch bohren und ihr Gewinde selbst schneiden kann: Die Teks-Schraube. Alles, was man braucht, ist ein elektrischer Handschrauber, der mit einer bestimmten Drehzahl arbeitet – und der von dem Stuttgarter Unterneh-men C. u. E. Fein hergestellt wird. Franz Hering stattet darauf-hin alle Vertreter mit Handschraubern und Teks-Schrauben aus, erarbeitet sich so innerhalb kürzester Zeit einen Ruf als Spezialist für diese Schrauben und sorgt dafür, dass das neue Verfahren im ganzen Land bekannt wird.

In diese Zeit des Aufschwungs und der Expansion fällt das 100jährige Firmenjubiläum, das gleich doppelt gefeiert wird: Am 17. Oktober 1964 mit einem feierlichen Essen im Kreise aller Mitarbeiter, am 30. Oktober dann auf dem Stuttgarter Killesberg mit Kunden, Lieferanten und zahlrei-chen Ehrengästen. Der bekannte Humorist Oskar Heiler sorgt dabei für ausgelassene Stimmung. Die ebenso poin-tierte wie scharfsinnige Festrede hält kein Geringerer als Stuttgarts damaliger Oberbürgermeister Dr. Arnulf Klett.

Immer wieder sieht sich das Unternehmen mit Platzmangel konfrontiert – Umzüge sind die Folge.

Platzprobleme

In den Jahren 1953/54 wird der Neubau an der Olgastraße 54 fertiggestellt – und jeder Mitarbeiter im Unternehmen ist davon überzeugt, dass der neugewonnene Platz wohl

für alle Ewigkeit reichen wird. Doch weit gefehlt: Der Um-satz steigt weiter, die Regale füllen sich mehr und mehr … Glücklicherweise gelingt es Ferdinand Gross, die benach-barten Grundstücke bis zur Brennerstraße zu erwerben. Am 17. Juli 1961 wird das Richtfest des Erweiterungsbaus gefeiert, der Umzug folgt im Februar 1962. Über 700 Qua-dratmeter Verkaufsfl äche stehen jetzt zur Verfügung, auf der Hofseite gibt es zudem eine Versandhalle mit La-derampe. In zwei Untergeschossen und im 1. Stock wird das Lager eingerichtet, im Erdgeschoss zieht der Versand ein, die Verwaltung breitet sich im 2. Stock aus. Der 3. und 4. Stock wird an das Stuttgarter Verwaltungsgericht ver-mietet. Das Gebäude steht noch heute.

Franz Hering steuert das Unternehmen sicher durch die Nachkriegswirren.

Lange Zeit der Stammsitz von Ferdinand Gross: Das Gebäude an der Olgastraße 54 am Rande des Stuttgarter Bohnenviertels.

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Die Generat ion Günther und Dieter Hering 1964-1995: Aufbruch in d ie Zukunft

Historisches Ereignis: Der Fall der Berliner Mauer 1989.

Seit 1971 fi rmiert der Spezialist für Verbindungsteile auf einem großzügigen Gelände in Leinfelden, verkehrsgünstig an Autobahn und Flughafen gelegen.

Wagen mit dem Umzug auf die Fildern den entscheidenden Schritt in Richtung

Zukunft: Günther (li.) und Dieter Hering führen das Unternehmen in eine neue Ära.

Günther und Dieter Hering führen das Handelsunternehmen ins digitale Zeitalter.

Investitionen, die Sinn machen

Die Gebrüder Hering konzentrieren sich Anfang der 1980er Jahre darauf, die Arbeitsplätze am neuen Stammsitz in Leinfelden noch eff ektiver zu gestalten

– und erkennen schnell die Vorteile der EDV-Technik. Sie nutzen sie – soweit es wirtschaft lich sinnvoll ist – konse-quent. 1984, 120 Jahre nach der Gründung, wickelt das Un-ternehmen rund 70 Prozent der gesamten Korrespondenz per Telex ab – und spart so zum einen Kosten, zum anderen wertvolle Zeit. Schreibarbeiten, Anfragen, Angebote, Bestel-lungen und Terminzusagen werden kontinuierlich den gan-zen Tag über ins System eingegeben, aber erst nach 18 Uhr gesendet – der Tarif ist am Abend wesentlich günstiger. Wer mag, kann hier von der typisch schwäbischen Sparsamkeit sprechen. 25 angeschlossene Bildschirmterminals machen das möglich, was für uns heute selbstverständlich ist: nämlich mehrmals am Tag den aktuellen Lagerbestand abzurufen, Wartezeiten der Kunden am Telefon zu reduzieren und so mehr Zeit für die eigentliche Kundenberatung zu haben.

Doch Ferdinand Gross nutzt die neue Technik nicht nur, das Unternehmen entwickelt sie auch weiter: 1984 sind bereits 500 selbstentwickelte Programme im Einsatz, die so-wohl den Wareneinkauf als auch die Lagerorganisation un-terstützen. „Fortschritt aus Tradition“: Dieses Motto bedeutet keineswegs, dass sich das Unternehmen neueste Technologien nur der Technik wegen ins Haus holt. Immer muss der wirtschaft liche Nutzen gegeben sein, muss die Technik der Firma helfen, der Konkurrenz den entschei-denden kleinen Schritt voraus zu sein.

Schritt in die ZukunftNach 100 Jahren beschließt das Unternehmen Ferdinand Gross, die angestammte Stuttgarter

Innenstadt zu verlassen – es sind einfach keine passenden Erweiterungsfl ächen zu fi nden.

Das hundertste Jahr des Firmenbestehens ist kaum vorbei, da zeichnet sich ab, dass auch der Erweite-rungsbau in der Olgastraße zu wenig Platz bietet. Die Geschäft sführung – seit der 100-Jahr-Feier verstärkt

durch die Söhne Günther und Dieter Hering als persönlich haft ende Gesellschaft er – ist sich schnell einig, dass innerhalb des Wohngebietes rund um die Olgastraße keine ausreichen-den Expansionsfl ächen zur Verfügung stehen werden. Wie viele andere Unternehmen auch, denkt Ferdinand Gross über einen Umzug ins Stuttgarter Umland nach – innerhalb der Stadtgrenzen sind freie Flächen beschränkt.

In Leinfelden auf den Fildern fi ndet sich ein passendes Grundstück. Anfang September 1971 ist es dann soweit: In ei-ner Woche werden rund 500 Tonnen Lagerware mit 20 Lkw von Stuttgart nach Leinfelden geschafft . Der Lohn für die Mühen der mittlerweile über 100 Mitarbeiter sind nicht nur modernste Büro- und Lagergebäude, sondern auch eine rau-schende Betriebsfeier, mit der der Neubau am 1. Oktober 1971 eingeweiht wird.

50.000 Artikel – von A wie Augenschraube bis Z wie Zy-linderstift – fi nden sich in dem neuen, 10.200 Quadratmeter großen Lager. Etwa 6.000 Tonnen Material werden pro Jahr umgeschlagen, der Fuhrpark ist auf 14 Lkw gestiegen. Dass die Entscheidung für den Ortswechsel richtig war, bestätigt sich

spätestens zehn Jahre später: Der Umsatz von Ferdinand Gross verdoppelt sich in dieser Zeit.

1989 feiert Ferdinand Gross sein 125jähriges Bestehen – Zeit, das Lager für die Zukunft fi t zu machen. Jetzt zeigt sich, wie klug die Entscheidung war, sich für auf Zuwachs dimensi-onierte Büroräume und Hallen zu entscheiden. Das Lager mit seinen gut 50.000 Positionen ist der steigenden Nachfrage auf Dauer nicht gewachsen – ein neues, modernes Hochregallager soll Abhilfe schaff en. Das wird 1993 in Betrieb genommen: Mit 10.000 Palettenplätzen, 80.000 Fachbodenplätzen und fünf Pa-ternostern, computergesteuerten Richtabläufen und moderns-ter Logistik setzt es Zeichen. Der gewaltige Bau überragt bis heute alle anderen Gebäude im Leinfeldener Industriegebiet rund um die Daimlerstraße und ist auch von der Autobahn weithin sichtbar – ein nicht zu übersehender Wegweiser und Markenzeichen zugleich. Doch die Einweihung des Hochregal-lagers fällt in eine wirtschaft lich schwierige Zeit, in die bisher einzige Rezession in der Bundesrepublik, die binnenwirtschaft -lich ausgelöst wurde. Dass Ferdinand Gross diese Krise relativ unbeschadet übersteht, hat laut Dieter Hering unter anderem folgenden Grund: „Familienunternehmen lassen sich leichter durch eine Krise steuern. Die Identifi kation der Geschäft sfüh-rung, aber vor allem auch der Mitarbeiter mit dem Unterneh-men ist einfach stärker als bei Großunternehmen.“

Im November 1989 fällt die Berliner Mauer, Deutschland ist nicht länger ein geteiltes Land. Ferdinand Gross gehört mit zu den ersten Unternehmen, die sich in Ostdeutschland ansiedeln.

Historische Chance genutzt

Es war ein einzigartiges historisches Ereignis: Die friedliche Revolu-tion in der DDR gipfelte in der Öff nung der deutsch-deutschen Grenze, am 9. November 1989 fi el die Mauer. Ein Jahr später, am 3.

Oktober 1990, trat die DDR offi ziell der Bundesrepublik Deutschland bei – die deutsche Wiedervereinigung führte das seit den 1960er Jahren ge-teilte Land wieder zusammen.

Ferdinand Gross zählt früh zu den Firmen, die sich in den neuen Bundesländern engagieren – und bestätigt damit wieder ein mal seine Vorreiterrolle. Bereits 1991 gründet das Unternehmen Niederlassungen in Dresden und Leipzig und schafft so zum einen wertvolle Arbeitsplätze, zum anderen stößt der Schraubenspezialist durch die Expansion die Tür zum Markt in den neuen Bundesländern und Osteuropa weit auf. Mit Erfolg: Heute ist der Spezialist für C-Teile-Management auch in Polen, Ungarn, Tschechien und Rumänien vertreten – Connecting Europe.

»Der Umzug auf die Fildern

war ein Meilenstein für

unser Unternehmen. Vor

allem der Weitsicht Günther

und Dieter Herings ist es zu

verdanken, dass hier ein

Firmensitz mit vielfältigen

Erweiterungsmöglichkeiten

entstanden ist. So konnten

wir 2009 unsere Logistik

problemlos vergrößern.«

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1995 – 2014: Die Weichen werden neu geste l l t D ie Generat ion Gerald Hering

Operation am offenen HerzenMit der konsequenten Ausrichtung auf Kanban positioniert sich Ferdinand Gross noch deutlicher als zuverlässiger Dienstleister der Industrie.

Das Wachstum hat Folgen: Das 1993 in Betrieb genommene Hochregallager wird 16 Jahre später aufwendig erweitert.

Gerald Hering, Sohn von Dieter Hering und seit 1991 Mitglied der Geschäft sführung, verfolgt den einmal eingeschlagenen Weg konsequent: Er positioniert das Traditionsunternehmen noch eindeutiger als

zuverlässigen, europaweit agierenden Dienstleister der Indus-trie. Der Weg dorthin führt über das C-Teile-Management, das Gerald Hering 1995 einführt und das heute unter dem Namen Ferdinand Gross Kanban einen Großteil des Umsatzes aus-macht. Im Jahr 2000 wird eine eigene Kanban-Abteilung ge-gründet, die sich ausschließlich um eben dieses C-Teile-Management kümmert. Auch die IT-Strategie des Un-ternehmens wird komplett umgestellt. Mit Erfolg: Schon im Jahr 2000 steigert Ferdinand Gross den Umsatz um 13 Prozent, im Bereich der Zeichnungsteile gar um 35 Prozent.

Die stetige Weiterentwicklung des C-Teile-Managements und der wachsende Kundenstamm bringen das Unternehmen

langsam an seine Grenzen – so paradox das auch klingen mag. Die Lagerlogistik wird schnell als Flaschenhals ausgemacht. Sie ist einfach nicht mehr in der Lage, das täglich wachsende Ge-schäft zu bewältigen.

Und so wird 2009 das Lager komplett modernisiert und ver-größert. Ein schwieriges Unterfangen, weil sich Ferdinand Gross für einen Umbau bei laufendem Betrieb entscheidet. Gerald He-ring ist sich bewusst, was er von seiner Mannschaft verlangt: Monatelang werden die Logistikmitarbeiter auf einer Baustelle arbeiten müssen. Doch die Mitarbeiter zeigen in dieser schwie-rigen Situation einmal mehr die Bereitschaft , „ihren Schrau-ben-Gross“ tatkräft ig zu unterstützen und nahezu Unmögliches möglich zu machen: Trotz der Arbeiten „am off enen Herzen“ gibt es kaum Verzögerungen oder Engpässe bei den zahlreichen Lieferungen, die das Lager täglich verlassen. Eine Leistung, auf die der geschäft sführende Gesellschaft er besonders stolz ist.

Die Frage, welches Lagersystem in der neuen Logistik zum Einsatz kommen soll, treibt Gerald Hering lange um. Schließ-lich entscheidet er sich mutig für eine unkonventionelle Lö-sung. Gemeinsam mit Dematic, einem der führenden Anbieter für Logistikautomatisierung, wird eine individuelle und inno-vative Lagerlösung entwickelt, die es weltweit so noch nicht gibt. Ein mutiger Schritt, den beide aber keinen Augenblick be-reuen. Herzstück ist ein Multishuttle-System, das die erstma-lige Installation der Multishuttle-Varianten „Captive“ und „Roaming“ in einem Regalblock mit baugleichen Shuttles in beiden Bereichen ermöglicht. Das wiederum erlaubt ein hoch-dynamisches Kommissionieren in einer atemberaubenden Ge-schwindigkeit. Und wieder steckt hinter der ganzen Idee der Gedanke an die Kundschaft : Die deutlich höhere Effi zienz der neuen Lösung garantiert den Kunden wesentlich mehr Flexibi-lität und Service durch kürzere Auft ragszeiten.

Nicht nur die Logistik wird modernisiert – auch die Organisation zieht mit.

Nägel mit Köpfen

Die Neuorganisation der Logistik ist allerdings nur ein Teil des Puzzles – auch die Organisation muss neu strukturiert werden. Hier folgt das Unternehmen

ebenfalls seiner Philosophie und bezieht Mitarbeiter aller Abteilungen maßgeblich in die Optimierung der verschiede-nen Prozesse mit ein. Reduzierte Durchlaufzeiten sind ein Ergebnis, die Umstellung auf ein neues Document-Manage-ment-System (DMS) ein weiteres. Dank eines neuen Customer-Relationship-Management-Systems (CRM), das zusätzlich als Supplier-Relationship-Management-System (SRM) ausgebaut wird, können die Mitarbeiter sowohl die Kunden- als auch die Lieferantenbetreuung signifi kant opti-mieren. Im Zuge der Systemmodernisierung führt Ferdinand Gross ein völlig neues Lieferanten-Angebots-Portal (LAP) ein, das schnell angenommen wird.

»Mit der Neustrukturierung

unserer Organisation haben

wir zwei Fliegen mit einer

Klappe geschlagen.

Zum einen können unsere

Mitarbeiter nun wesentlich

effektiver arbeiten, zum

anderen haben wir es

geschafft, den Kunden

noch mehr Flexibilität

einzuräumen.«

Wenn schon, dann richtig: Bei der Modernisierung der Logistik und des Lagers wurde erstmals eine Kombination aus zwei verschiedenen Multishuttle-Systemen installiert.

Wird 2009 komplett neu strukturiert: Die Organisation in allen Abteilungen.

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Die Generat ion Gerald Hering 1995 – 2014: Die Weichen werden neu geste l l t

Finden statt Suchen: FALCON zeigt auf einen Blick, welche Schraube sich in welchem Lagerregal befi ndet – und plötzlich ist Kanban transparent.

Positionieren das Unternehmen als zuverlässigen Partner der Industrie: Gerald

Hering (li.), Geschäftsführender Gesellschafter, und Thomas Erb, Geschäftsführer.

Gerald Hering und Thomas Erb trimmen das Unternehmen weiter Richtung Zukunft.

KongenialesFührungs-Duo

Im Jahr 2001 holt sich Gerald Hering mit Th omas Erb ei-nen Prokuristen im Bereich Vertrieb und Marketing ins Haus, der ebenfalls von der Kanban-Idee überzeugt ist

und die Geschicke des Verbindungsspezialisten in den kommenden Jahren entscheidend mitprägen wird.

Mit dem 140jährigen Firmenjubiläum im Jahre 2004 bestätigt Ferdinand Gross den erfolgreich eingeschlagenen Weg von der einfachen Eisenwarenhandlung hin zum spe-zialisierten Dienstleistungspartner der Industrie. Im Jubi-läumsjahr wird das 1921 von Emil Gross entwickelte Firmenlogo modernisiert und ein speziell für diesen Anlass gestaltetes 140-Jahre-Logo aufgelegt. 2004 markiert darü-ber hinaus den Ausbau der von Th omas Erb forcierten um-fangreichen Marketingtätigkeit des Spezialisten für Verbindungsteile. Als erstes Ergebnis wird ein jährlicher Kundenkalender produziert, der die kleinen Hauptdar-steller – die C-Teile – eindrucksvoll und mit einem Augen-zwinkern in Szene setzt.

Th omas Erb fasst nun auch die seit Generationen ge-lebte Wertschätzung der Mitarbeiter in Worte und entwi-ckelt den Claim „Th e excellent s|crew“. Und das hinter jeder Schraube ein „Grossianer“ steckt, wird den Kunden spätestens ab 2006 bewusst: Seitdem stehen die Mitarbeiter beim jährlich erscheinenden Kundenkalender im Mittel-punkt. Die Idee dahinter ist klar: „Wir wollen die Mitarbei-ter hinter unseren Produkten und Diensten sichtbar machen“, erklärt Gerald Hering die Motivation für diesen Schritt.

Gutes besser gemachtKann man ein eigentlich perfektes System noch optimieren? Man kann. Mit FALCON schließt

Ferdinand Gross eine gravierende Lücke im Kanban und gibt dem Kunden die Transparenz zurück.

Wer sich Tag für Tag so intensiv mit dem Management von C-Teilen beschäft igt, der fragt sich zwangsläufi g: „Wie kann man das noch besser machen?“ Vor allem

Th omas Erb, seit 2007 zum Geschäft sführer ernannt, treibt diese Frage um. Immer wieder läuft er durchs Lager, steht vor den Kanban-Kisten, analysiert die Abläufe und sucht nach Optimierungspotenzial. Doch wie er es auch dreht und wendet: Das über 50 Jahre alte Kanban-System mit seinem „Pull-Prinzip“ ist im Grunde perfekt, weil sich die Materialbestellung ausschließlich am Verbrauch im Produktionsablauf orientiert. Also Umdenken, nicht den Prozess an sich untersuchen – sondern Nachteile der Kan-ban-Belieferung sichtbar machen. Er begutachtet Kan-ban-Regale bei Kunden, spricht intensiv mit Einkäufern – und stößt auf eine Lücke: Dem Kanban fehlt die Trans-parenz. Der Einkäufer hat keine Übersicht über den aktuellen Stand der Artikel, es gibt keinerlei Steuerungs-möglichkeiten. Th omas Erb weiß jetzt, was zu tun ist. Er will dem Einkäufer die Kontrolle über seine C-Teile zu-rückgeben – und initiiert die Entwicklung eines webba-sierten Visualisierungstools, das das Potenzial hat, Kanban zu revolutionieren. „FALCON“ heißt die neue In-novation – benannt nach dem Falken, der jede noch so

kleine Bewegung im Blick hat. FALCON visualisiert alle Kanban-Lagerorte des Kunden – und der weiß ab sofort, in welcher Kiste welches Produkt zu fi nden ist.

Einer der ersten Kunden, die die enormen Möglichkei-ten dieser Kanban-Weiterentwicklung erkennen, ist die Deutsche Bahn AG. Seit April 2012 lässt sich das Unter-nehmen ausschließlich von Ferdinand Gross beliefern – mit rund 25.000 verschiedenen Artikeln und über 100 Millionen Einzelteilen pro Jahr. Eine weitere Bestätigung für die Schwaben, dass sie mit der unbedingten Ausrich-tung auf die Bedürfnisse der Kunden auf das richtige Pferd setzen. Lohn für diese Innovation ist nicht nur der Zu-spruch der Kunden, sondern auch die bereits fünft e Aus-zeichnung mit dem Gütesiegel „Top100“.

Doch nicht nur an der Optimierung bestehender Pro-zesse wird ständig gefeilt, das stets off ene Ohr für die An-liegen der mittlerweile über 15.000 Kunden führt auch zu einer Ausweitung des Sortiments. So bietet das Großhan-delsunternehmen seit 2013 unter dem Markennamen „Grizzly“ zusätzlich Chemie-Produkte an. Damit erweitert Ferdinand Gross sein Leistungsportfolio, das nun – 150 Jahre nach Gründung des Unternehmens – auf fünf Säulen steht: Verbindungstechnik, Zeichnungsteile, Technische Sortimente, Werkzeuge und Chemie.

Die Tochtergesellschaften und Niederlassungen des Unternehmens stoßen an ihre Grenzen und vergrößern sich – zwei von ihnen ziehen ebenfalls vor die Tore der Stadt.

Ständige Expansion

Die Töchter und Niederlassungen in Osteuropa und Dresden entwickeln sich prächtig. So gut, dass der Platz in der ungarischen Tochtergesellschaft zu klein wird – geeignete Ausweichfl ächen innerhalb der Stadt sind nicht zu fi nden. Ge-

rald Hering steht also vor einer ähnlichen Situation wie sein Vater Dieter Ende der 1960er Jahre, als das Stuttgarter Stammhaus zu klein wurde und das Unternehmen vor die Tore der Stadt zog. Und der Sohn wählt den gleichen Weg: Er kauft ein Grundstück in Tatabá-nya, rund 52 Kilometer westlich von Budapest. Auf 20.000 Quadratmetern wird vor den Toren der ungarischen Hauptstadt ein moderner Neubau erstellt, der allen kommenden Anforderungen gerecht wird – sei es im Lagerbereich oder im Büro. 22 Mitarbeiter be-treuen nun von dort aus gut 1.600 Kunden, perfekt positioniert an der Autobahn Buda-pest – Wien sowie an der Eisenbahnstrecke Budapest – Wien. Mitte 2014 vergrößert sich zudem die Tochter im polnischen Wrocław. Auch die Dresdner Niederlassung stößt an ihre Grenzen. Sie verlässt im Sommer 2014 ebenfalls die angestammten Räumlichkeiten innerhalb der Stadtgrenzen und siedelt sich etwas außerhalb direkt am Flughafen an.

»Mit FALCON haben wir

eine Jahrzehnte alte Lücke

im Kanban geschlossen.

Doch für welches System

sich unsere Kunden auch

entscheiden – mit Ferdinand

Gross Kanban bekommen sie

immer genau den Service,

der zu ihren Ansprüchen

und Anforderungen

am besten passt.«

Der neue Firmensitz der Niederlassung Ungarn liegt in Tatabánya.

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1995 – 2014: Die Weichen werden neu geste l l t D ie Generat ion Gerald Hering

ImpressumHerausgeber: Ferdinand Gross GmbH & Co. KG, Daimlerstraße 8, 70771 Leinfelden-EchterdingenTelefon: +49 711 1604-0, Fax: -2609 [email protected], www.schrauben-gross.de

Redaktion: Thomas Erb (verantwortlich), Regina Kutzborski, Kathrin SchenkKonzept, Text, Layout: STUDIO 7, 71404 Korb, www.studiosieben.info

Trotz sorgfältiger Recherche – keine Gewähr für die Richtigkeit des Inhalts. Alle Rechte vorbehalten.

Ein unschlagbares TeamWie kaum ein anderes Unternehmen schätzt Ferdinand Gross seine Mitarbeiter, hört ihnen zu und setzt Verbesserungsvorschläge

konsequent um – entsprechend hoch ist die Identifi kation der Belegschaft mit dem Schraubenspezialisten.

Fünf Generationen haben Ferdinand Gross zu einem angesehenen Unternehmen gemacht.

Von Anfang an ist sich Firmengründer Ferdinand Gross bewusst, dass die Qualität seiner Waren noch so gut sein kann – ohne die Loyalität und Unterstüt-zung der Mitarbeiter lässt sich kein erfolgreiches Un-

ternehmen aufb auen. Die Wertschätzung der Mitarbeiter, die Bereitschaft , ihnen zuzuhören und ihre Anregungen und Vor-schläge ernst zu nehmen, tragen maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens bei. Diese Philosophie wird von Generation zu Generation weitergegeben und voller Überzeugung gelebt. Wie entscheidend der Rückhalt der Belegschaft ist, erfährt Emil Gross in den 1920er Jahren, als die Mitarbeiter durch Lohnver-zicht das Unternehmen vor dem Bankrott retten. Und auch Ge-rald Hering kann sich während der Weltwirtschaft skrise 2009 auf die Loyalität seiner Angestellten verlassen: Wieder verzich-ten die Mitarbeiter auf einen Teil ihres Lohnes, das Unterneh-men geht über ein Jahr in Kurzarbeit.

2004 verabschiedet Gerald Hering schweren Herzens sechs langgediente Mitarbeiter in den Ruhestand. Fast alle von ihnen waren mehr als 30 Jahre bei Ferdinand Gross tätig – insgesamt gehen in nur einem Jahr 213 Jahre Wissen und Kompetenz „ver-loren“. Alle haben zahlreiche Fortbildungen genossen, sind ex-zellent ausgebildet – ihr Ausscheiden ist für das Handelshaus ein

herber Verlust. Auf dem Arbeitsmarkt findet der Verbin-dungsteilespezialist keinen adäquaten Ersatz. Also setzt er ver-stärkt auf die eigene Ausbildung und beschäftigt neben klassischen Auszubildenden auch erstmals Studenten der Berufs-akademie. Die gründliche Ausbildung im eigenen Haus zahlt sich aus, Gerald Hering hält an diesem Konzept fest: Die Ausbil-dungsquote bei Ferdinand Gross liegt 2014 bei knapp 15 Prozent – bundesweit beträgt der Schnitt bei mittelständischen Unter-nehmen nicht einmal zehn Prozent.

Um die Motivation und den Teamgeist noch stärker zu för-dern, entwickelt Th omas Erb die sogenannte Team Challenge: Ferdinand Gross Mitarbeiter können über das Jahr verteilt an kostenfreien Veranstaltungen teilnehmen. Das reicht von Klet-ter- und Tanzkursen über Selbstverteidigung, einen Fußball-Cup und Mountainbike-Ausfl ügen bis hin zu Bowling-Abenden, ei-nem Race in der Karthalle oder Pilates-Übungen für Körper und Geist. Dass dieses Konzept nicht ganz falsch sein kann, bestätigt die Auszeichnung „Top Arbeitgeber“, die das Institut für Füh-rung und Personalmanagement der Universität St. Gallen be-reits 2007 an Ferdinand Gross verliehen hat. Schöne Bestätigung: 2014 nehmen Gerald Hering und Th omas Erb zum zweiten Mal die Auszeichnung „Top Arbeitgeber“ entgegen.

Souverän in die Zukunft

Die vergangenen 150 Jahre bilden ein ganz außergewöhnliches Zeugnis deutscher In-dustriegeschichte. Es gibt nicht viele Fir-

men, die auf eine solch kontinuierliche Vergangenheit zurückblicken können. Krisen wurden gemeistert, Erfolge gefeiert – immer im Bewusstsein, dass ein Unternehmen nur so gut ist wie seine Mitarbeiter. Leidenschaft , Flexibilität, ein gutes Gespür für die Bedürfnisse des Marktes und der Kunden sowie der unbedingte Wille zum Erfolg haben aus der einstigen Eisenwarenhand-lung für Schrauben-, Schmiede-, Schlosser- und Wagenbauartikel das Unternehmen gemacht, das es heute ist: Einer der erfolgreichsten Großhändler für Verbindungstechnik. 250 Mitarbeiter küm-mern sich an sechs verschiedenen Standorten um über 15.000 Kunden und erwirtschaft en einen Umsatz von rund 70 Millionen Euro pro Jahr. Übrigens: Der Umsatzanteil von Ferdinand Gross Kanban beträgt über 60 Prozent vom Gesamt-umsatz.

Die Weichen sind also gestellt, das Unterneh-men ist gut gerüstet für die Zukunft , auch die Niederlassungen in Osteuropa und Dresden ent-wickeln sich prächtig. Derweil bereitet sich die sechste Generation auf ihre Aufgabe vor – drei der vier Töchter von Gerald Hering stehen mit-ten in der Ausbildung. Ob sie einmal die Geschi-cke des traditionsreichen Handelshauses leiten werden, vermag heute noch niemand zu sagen. Doch eines ist sicher: Ferdinand Gross wird in Familienbesitz bleiben.

Fünf Generationen auf einen Blick: Gerald Hering und sein Vater Dieter inmitten der Porträts der vorangegangenen Firmeninhaber.

Ausgezeichnet: Zum zweiten Mal ist Ferdinand Gross „Top-Arbeitgeber“.