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Finanzieller und politischer Bankrott eines Staates Review by: Fritz Neumark FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 35, H. 3 (1977), pp. 497-501 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911312 . Accessed: 14/06/2014 21:05 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.78.78 on Sat, 14 Jun 2014 21:05:46 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Finanzieller und politischer Bankrott eines Staates

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Finanzieller und politischer Bankrott eines StaatesReview by: Fritz NeumarkFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 35, H. 3 (1977), pp. 497-501Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911312 .

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Finanzieller und politischer Bankrott eines Staates*

von

Fritz Neumark

In einem Nachwort zu dem hier anzuzeigenden Buch meint Walter Gor- litz, dieses hielte, ,,was wir von ihm erwartet haben" (S. 373), und ,,der Wert dieser ungeschminkten Memoiren (sei) . . . sehr hoch zu veranschlagen, fast noch hoher als derjenige der ,Erinnerungen' von Albert Speer". In beiden Punkten vermag ich Gorlitz zuzustimmen. In der Tat gibt das Schwerin von Krosigksche Buch wenigstens eine partielle Antwort auf die Frage, die sich nicht nur Auslander gestellt haben und noch stellen - die Frage, wie es mog- lich war, daB ein personlich untadeliger Mann wie der Verfasser, der seiner Herkunft nach ebenso gut zu den adligen Widerstandlern des Kreisauer Kreises hatte gehoren konnen, Papen und vor allem Hitler ,,bis zum bitteren Ende" gedient hat, da er vom 2. 6. 1932 bis zum 23. 5. 1945 Reichsfinanz- minister und dann noch 3 Wochen lang unter dem //^Zer-Nachfolger und letzten Reichsprasidenten von Donitz Reichskanzler war, wenn er auch bat, sich ,,mit dem bescheideneren Namen ,Leitender Minister' begniigen zu diir- fen" (S. 365).

In mancher Hinsicht war Schwerin von Krosigh eine Art Brilning in zwei- ter Potenz - beide beherrschte ein blinder Glaube an die Autoritat milita- rischer Machte, zumal wenn diese, wie Hindenburg, auch in zivilen Positio- nen auf ihren friiheren hohen Rang pochten. Charakteristisch in dieser Hin- sicht ist etwa die Beschreibung, wie Schwerin von Krosigh, fest gewillt, nicht als Minister in das Kabinett Papen einzutreten, (ahnlich wie vor ihm Neu- rath) sofort umfiel, als der vielgewandte Staatssekretar Meifiner ihm ausrich- tete (nicht einmal eine unmittelbare Unterredung fand also statt!), ,,der Reichsprasident hoffe, daB ein Offizier (sc. ein friiherer Reserveoffizier!) und (!) Edelmann seinen alten Feldmarschall (!) nicht im Stich lassen werde" (S. 107). DaB unter Hitler das Reichskabinett so gut wie uberhaupt nicht mehr zusammentrat, daB dem amtierenden Finanzminister Schwerin von Krosigk wahrend des ganzen Krieges nicht eine einzige der immer wieder von ihm nachgesuchten Audienzen bei Hitler gewahrt wurde, daB er gegen den Krieg und die Judenprogrome war, aber dennoch nie auch nur den Versuch

* Bemerkungen zu dem Buch des letzten Reichsfinanzministers, Lutz Graf Schwerin von Krosigk: Staatsbankrott. Die Geschichte der Finanzpolitik des Deut- schen Reiches vod 1920 bis 1945. Musterschmidt Verlag. Gottingen-Frankfurt- Zurich o. J. (1974). 409 Seiten.

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eines Riicktritts machte, daB er in seinen Memoiren in menschlich sympa- thischer Weise selbst zugibt, sich in Vielem (Entscheidendem!) geirrt zu na- ben - all' das und manches andere rundet das Bild eines Mannes ab, dem wie so vielen mit groBem physischen Mut Ausgestatteten die Zivilcourage fehlte und dem Ungehorsam und ,,Untreue" als ,,unpreuBisch" und folglich unrea- lisierbar selbst gegenuber Mannern erschienen, deren Liigen und Verbrechen allmahlich auch den Gutglaubigen klargeworden sein muBten. Aber Schwerin von Krosigk, sehen wir einmal von seinen Traditionen ab, war viel zu sehr spezialisierter Etatsfachmann, um die Finessen der Politiker des ,,Dritten Reichs" rechtzeitig und voll erkennen zu konnen, und zu sehr von falsch ver- standenem Patriotismus erfiillt, um entscheidende Anti-Schritte zu tun - kurz, er war der vollendete Nicht-Politiker, und dies als Leiter eines Ressorts, das zu den wichtigsten gehorte oder vielmehr: hatte gehoren konnen.

Selbstverstandlich spielte wie bei manchen anderen beteiligten Nicht- Nazis auch bei dem Verfasser immer wieder die naive Vorstellung eine Rolle, er konne durch sein Verbleiben im Amt Schlimmeres verhuten, und ebenso selbstverstandlich traf das in manchen Einzelfallen auch zu. Aber kann Schwerin von Krosigk wirklich auch heute noch dieser Ansicht sein,, wo doch, wie weiter unten zu zeigen, unter seiner formal gewiB ausgezeichneten Lei- tung das von ihm geliebte Reichsfinanzministerium, wie die anderen Mini- sterien auch, material mehr und mehr zu einem bloBen Empfehlsempfanger degradiert wurde und den im Buchtitel erwahnten ,,Staatsbankrott" nicht aufzuhalten vermochte? Schacht trat wenigstens von der Reichs bankprasi- dentschaft zuriick, als er sah, daB dieses Amt ihm nicht gestattete, die von ihm erkannte Innationsgefahr wirksam zu bekampfen - wobei nicht in Ab- rede gestellt werden soil, daB bei Schachts EntschluB auch personliche Eitel- keit eine Rolle spielte. Die Art jedoch, wie Schwerin von Krosigk etwa S. 217 ff. die Geschehnisse vom 30. Juni 1934 schildert (iibrigens ganz ubereinstim- mend mit der Haltung des damaligen Justizministers Gilrtner, der alles recht- lich Unmogliche mitmachte, weil er nicht ,,bewuBt seinen Platz dem Blut- hund Freisler oder auch nur einem Thierack freimachen" wollte), oder auch seine Empfindungen einerseits, seine Entscheidungen und Handlungen an- dererseits gegenuber der Judenabgabe im Gefolge der ,,Kristallnacht" von 1938 (S. 277 ff.) sind charakteristisch: Bei jener Abgabe, die ja bei weitem nicht das Schlimmste auf diesem Gebiet war, reichte in der Tat ,,die Zustan- digkeit, wenn auch nur (!) fur den teehnischen Ablauf, in (des Verf.) Arbeits- gebiet hinein" (S. 279); so war Schwerin von Krosigks ,,erste Regung: ,Jetzt gehe ich' ", und er erwahnt selbst, daB er angesichts einer guten Pension u.a. fiir sein Verbleiben, dessen Begrundung sich S. 280 findet, keine wirtschaft- lichen Motive gehabt habe. Um so erschiitternder sein - abermals fur seine menschliche Anstandigkeit und Aufrichtigkeit zeugendes - Eingestandnis (S. 281): ,,Mein und vieler anderer Irrtum lag in dem Glauben, daB die um den hohen Preis erreichte vorubergehende Sicherung des Lebens der Juden von Dauer sein wurde"1.

1 DaB Schwerin von Krosigk nicht dem Kreis der Attentater vom 20. Juli 1944 angehorte (s. dazu seine Ausfuhrungen S. 335 ff.), wird ihm niemand zum Vorwurf machen konnen - eher schon, daB er sich auch heute noch iiber den Anfang alien

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Uber die Hauptakteure des ,,Dritten Reichs" erhalt man durch die Lek- tiire des Schwerin von KrosigkscheiL Buches im allgemeinen nur wenig zusatz- liche Informationen - die meisten kommen bei dem gutherzigen Autor weit besser weg, als sie es verdienten. Um so schwerer wiegen die negativen ilLuBe- rungen liber Schacht, die zeigen (s. etwa S. 48, 53, 229 und 281 ff.), daB meine eigenen Bemerkungen Tiber diesen2 zutreffend gewesen sein diirften. In vielen Sachfragen freilich, so etwa in bezug auf die Kritik an einer ver- schwenderischen Ausgabenpolitik der offentlichen Hand, speziell der Ge- meinden, stimmten Schacht und Schwerin von Krosigk iiberein, und das gleiche gilt fur die Feststellung, daB ,,von (1936) an die Finanzpolitik infla- tionistisch" war (S. 208). Bevor jedoch auf die Aufriistungs- und Kriegs- kostenfinanzierungsfragen eingegangen wird, sei folgendes bemerkt:

Von 1929 bis 1932 war Schwerin von Krosigk Leiter der Haushaltsabtei- lung des Keichsfinanzministeriums. Im Gegensatz zu Popitz, der primar Steuerjurist war, interessierte er sichvon AnfanganvorallemfiirEtatsfragen. In bezug auf die von Briining (zu) lange betriebene Deflationspolitik nahm Schwerin von Krosigk erne gemaBigte Haltung ein. So sah er die prinzipiellen Vorziige des sog. Papen-Vlams durchaus ein (S. 137ff.) - weniger die des Wagemann-Yl&ns (S. 65) -; spater jedoch tiberwog bei ihm die TJberzeugung von der Notwendigkeit klassischen Budge tausgleichs. Von der groBen Schlie- ben-Popitzschen Steuerreform von 1925 ist kaum die Kede. Dagegen hat der Verfasser viel Interessantes liber Reparationsfragen zu berichten, fiir die er insbesondere als Nachfolger von H. Born in der Leitung der betreffenden Abteilung zustandig war, nachdem er schon bei seinem Eintritt ins Ministe- rium (1920) mit Friedensvertragsangelegenheiten befaBt worden war.

Billigenswert erscheint die ablehnende Haltung des Verfassers gegeniiber der in den zwanziger Jahren von mancher Seite befiirworteten Zweiteilung des Reichsfinanzministeriums in ,,zwei Ressorts, ein Haushalts- und ein Steuerministerium" (S. 49); dagegen ist es fraglich, ob die etwas iiberra- schende Zustimmung zur zeitweilig geplanten Herauslosung der gesamten Reichsvermogensverwaltung aus dem Finanzministerium und seine t)ber- tragung an ein besonderes Schatzministerium (S. 50) verniinftig war. Was den ersten Punkt betrifft, so stimmen Schwerin von Krosigks Uberlegungen weitgehend mit denen uberein, die sich in einem Brief von Pofitz (damals Staatssekretar) vom 28. 8. 1929 an mich finden und die ich des historischen Interesses halber hier wortlich wiedergeben mochte:

,,Ich habe Ihnen bereits miindlich ausgefiihrt, daB ich eine Teilung fur ganz unmoglich halte. Einnahme- und Ausgabewirtschaft hangen auf das engste mitein- ander zusammen, und ich weiB wirklich nicht, wie man neue Ausgabenprojekte richtig berurteilen und finanziell abwagen will, wenn man nicht genaue Kenntnisse von der Entwicklung der Einnahmen und der Einwirkung der Einnahmeerhebung auf die Wirtschaft hat. SchlieBlich handelt es sich doch bei jeder Ausgabesteigerung

"Qbels: Papena Staatsstreich gegen PreuBen vom 20. Juli 1932 (S. 136f.) unkritisch auBert und daB er, auch nachdem seine anfangliche ,,zuriickhaltende Bewunderung" fiir Hitler im Zusammenhang mit der Sudetenkrise von 1938 in formlichen HaB urn- geschlager war (S. 273), keine entscheidenden Konsequenzen daraus zog. 2 Vgl. dazu F. Neumark: Zur Finanzgeschichte der Weimarer Republik, in: Finanzarchiv, N.F. Bd. 35, 1976/77, S. 351 ff.

33 Finanzarchiv N. F. 35 Heft 3

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urn die Frage, ob volkswirtschaftlich und politisch gesehen das Unterlassen einer aus bestimmten Einzelgriinden zweckmaBigen Ausgabe wirtschaftlich leichter er- traglich ist als die neue Anspannung oder die Aufrechterhaltung bestimmter Steuern. Dazu kommt die verwaltungstechnische Erfahrung, daB zwei getrennte Ressorts sich immer als Vertreter bestimmter Interessenkreise, also als Gegener (sic!) gegenuberstehen. Es kann durchaus erwiinscbt sein, wenn sich die Interessen eines bestimmten Sachressorts, etwa des Ernahrungsministeriums oder des Sozialmini- steriums mit den fiskalischen Interessen des Reichsfinanzministeriums reiben... Es ist aber ganz sinnlos, wenn zu diesen Ressortkampfen nun noch die Reibungen zwi- schen den Ausgabe- und Einnahmeministerien hinzutreten. Diese Reibungen be- deuten immer auch gleichzeitig eine Hemmung in der richtigen Erkenntnis. Man muB sich damit abfinden, daB zwei verschiedene Ressorts sich untereinander auch nie voll die Wahrheit sagen. Das Einnahmeministerium wiirde grundsatzlich zu niedrig schatzen und das Finanzministerium standig den Bedarf zu hoch angeben, um wenigstens etwas zu bekommen. Im iibrigen sind Ihnen ja alle diese Gesichts- punkte bekannt, wie ja die Ausfuhrungen in Ihrem Buche8 zeigen."

Ungeachtet der Tatsache, daB der Titel bzw. Untertitel des Buchs sich 4 anf den ,,Staatsbankrott" bzw. die Finanzpolitik 1920/1945 bezieht, ist - be- greif licherweise, denn im Ersten Weltkrieg war der Verfasser an der Front, also noch nicht fur Finanzprobleme verantwortlich - der weitaus groBte Teil der einschlagigen Ausfuhrungen der Finanzpolitik im ,,Dritten Reich" ge- widmet, fur die ressortmaBig die ganze Zeit iiber Schwerin von Krosigk der Verantwortliche war: Es ware, so heiBt es 8. 178, ,,in den Augen der Ange- horigen dieser Verwaltung (sc. der Reichsfinanzen) - und auch in meinen Augen - Fahnenflucht gewesen, wenn ich sie im Stich gelassen hatte". Man sieht: Auch hier treten militarische an die Stelle ziviler Denkkategorien - der vom Verfasser in diesem Zusammenhang zu seiner eigenen Charakterisierung angefiihrte ,,alte Beamte" enthiillt sich als ,,Unpolitiker". Aber was man doch mindestens gerade von einem ,,alten Beamten" erwartet hatte: eine scharfe Kritik daran, daB das 1500 Morgen groBe Gut Neudeck, das die In- dustrie (mitten in der Krise!) Hindenburg als ,,Dotation" geschenkt hatte, durch einen Kniff der Schenkungsteuer entzogen wurde (s. S. 163), vermiBt man. Noch weit mehr gilt das in bezug auf die einwandfrei illegale, skanda- lose Tatsache, daB Hitler, der immerhin bereits 1933 aus seinem ,,Kampf"- Buch 1,23 Mio. Mark an Einkiinften bezog, praktisch keine Steuern (die Vor- auszahlungen allein fiir 1934 waren auf 405000 Mark festgesetzt worden) zahlte (S. 191) ; wobei zu bedenken ist, daB Hitler als Fuhrer einer Bewegung angetreten war, die sich weitgehend gegen die angebliche Korruptheit des Weimarer ,,Systemsc< richtete.

Da Hitler die Ausgabe von Anleihen nicht zulieB (vgl. S. 230ff.), hat sich die nationalsozialistische Finanzpolitik bekanntlich aller moglichen Ver- schleierungskiinste bedient, wobei die ,,Mefo-Wechsel" schon in der Zeit der Aufriistung eine bedeutsame Rolle spielten. Wie dem auch immer sei - es geht aus den Ausfuhrungen des Verfassers eindeutig hervor, daB die Militars sich weder vor dem Kriege noch gar wahrend desselben um irgendwelche okonomisch-finanziellen Aspekte von Aufriistung und Kriegsfuhrung kiim- merten und angesichts der Haltung Hitlers auch nicht zu kiimmern brauch- ten. Wie sich die ,,Etatsverhandlungen" (so die t)berschrift des betreffenden

8 Anspielung auf F. Neumark: Der Reichshaushaltplan, Jena 1929.

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Absclmitts S. 259) abspielten, dafiir gibt Schwerin von Krosigk ein charakte- ristisches Beispiel (S. 261): ,,Die Mittel fur die Wehrmacht wurden in einer Globalsumme (!) festgelegt, die Schacht und ich ein- bis zweimal im Jahr mit Blomberg aushandelten. Er (!) verteilte sie dann auf die Wehrmachtsteile." Weder in diesem Zusammenhang noch anderswo findet sich ein Hinweis dar- auf, wie ungeheuer aufwendig, richtiger: verschwenderisch eine solche Aus- gabenwirtschaft urn deswillen sein muBte, weil sie nicht von einem Parla- ment kontrolliert wurde.

Hoch anzurechnen ist dem Verfasser, da6 er - anders als K* Helfferich im Ersten Weltkrieg - die Notwendigkeit einer moglichst wenig inflatorischen Kriegskostenfinanzierung rechtzeitig erkannte (vgl. Kap. 10, S. 295 ff.). Aber sein Buch legt ein beredtes Zeugnis von der auBerst schwachen Stel- lung ab, die der Keichsfinanzminister im ,,Dritten Reich' e einnahm: Die Schwerin von KrosigJcschen. Steuererhohungsprojekte, die wenigstens der Tendenz nach zweckadaquat waren, wurden samtlich nur hochst unvoll- kommen und iiberdies mit arger Verzogerung in Kraft gesetzt - Schwerin von Krosigh konnte also vielleicht im einzelnen noch Schlimmeres verhuten, aber was er als Ganzes zulassen muBte, war schlimm genug und ist zutreffend mit dem Titel seines Buchs - ,,Staatsbankrott" - zu kennzeichnen. S. 303 heiBt es zusammenfassend, Versuche, der ,,unseligen und unsinnigen Entwicklung entgegenzuwirken, waren durchaus moglich und aussichtsvoll (??; F.N.), wurden aber jedesmal durch Hitler vereitelt".

AbschlieBend sei folgendes bemerkt: Das vorliegende Buch gibt sehr lehrreiche Beispiele dafiir, wie eine totale Diktatur ,,funktioniert". Es er- weist den Verfasser als einen sympathischen, schwachen, ganzlich unpoli- tischen Etatsspezialisten4, dessen personliche Integritat keinem Zweifel unterliegen diirfte. Wenn freilich Walter Gorlitz in seinem Nachwort behaup- tet, man habe schon in den fruheren Werken des Verfassers bemerken konnen, daB dieser ,,die Methoden wissenschaftlicher Arbeit" als einstiger Rhodes- Stipendiat gelernt habe (S. 372), so mochte ich hinter diese Behauptung ein Fragezeichen setzen. Die Darstellung ,,springtu ; es ist niemals ganz klar, wel- ches die Quellen der Ausfiihrungen sind - selbst bei wortlichen Zitaten fehlen entsprechende Angaben -, und die Verteilung des Raums entspricht keines- wegs immer der relativen Bedeutung der abgehandelten Probleme.

Dennoch halte ich die Arbeit fur staatspolitisch sehr wertvoll, laBt sie doch an vielen Stellen deutlich werden, wie gutglaubig-naive Experten durch raffinierte Politiker dazu gebracht werden konnen, den finanziellen und poli- tischen Bankrott eines Staates herbeifiihren zu helfen.

4 S. 43 erwahnt Schwerin von Krosigk, er sei wahrend seiner Tatigkeit als Ge- neraletatsreferent besonders stolz auf die - auf seine Initiative hin erstellten - ,,Vorberichte" (sc. zum Reichshaushaltplanentwurf) gewesen, die er - zutreffend - als ,,Vorlaufer des heutigen Finanzberichts" bezeichnet. Ich war s.Zt. recht ver- bliifft, als ich in einem der ersten dieser ,,Vorberichte" ohne Quellenangabe lange Ausziige aus meiner gerade erschienenen Schrift ,,Konjunktur und Steuern" (Bonn 1930) entdeckte. Schwerin von Krosigk hat sich dann, als er auf diesen Tatbetand hingewiesen wurde, korrekt in einem Brief bei mir dafur entschuldigt - natiirlich war das Versehen nicht ihm, sondern einem seiner Mitarbeiter unterlaufen.

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