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Zwei Perspektiven, ein gemeinsames Thema: Sandra
Heinrich und Christian Mielke sind derzeit als Rat-
geber sehr gefragt, wenn es um die Finanzierung
von Immobilienprojekten geht. Als Leiterin der Spezial-
beratung Finanzierung Deutschland bei der Deutschen
Bank kümmert sich Sandra Heinrich unter anderem um
mittelständische Unternehmen und Immobilieninvesto-
ren, Christian Mielke berät diese Kunden in seiner Funktion
als Leiter Zins- und Währungsmanagement Firmenkunden
Deutschland. Dabei stellen beide immer wieder fest: Die
naheliegenden Finanzierungmöglichkeiten sind nicht
unbedingt die besten – auch bei der Finanzierung großer
Bauprojekte. results traf beide zu einem Gespräch in den
Türmen der Deutschen Bank in Frankfurt.
Der Leitzins liegt im dritten Jahr bei null Prozent, Kredite gibt es für wenig Geld:Pusht das die Nachfrage? Sandra Heinrich: Das kommt darauf an. Bei Investitionen
mit unternehmerischem Zweck – etwa bei dem Kauf von
Maschinen, getätigten Erweiterungen oder Übernahmen
– spielt der Zins eine wichtige, aber nicht unbedingt die
entscheidende Rolle. Bei Immobilieninvestoren wurde der
Markt unter anderem durch niedrige Zinsen angekurbelt.
Immobilien sind aufgrund der Renditeerwartungen als
Anlagealternative interessant.
Wie wichtig ist der Immobiliensektor?Sandra Heinrich: In Deutschland wurden im vergange-
nen Jahr etwa 70 Milliarden Euro für Immobilienkäufe
ausgegeben, von denen wir als Universalbank einen Teil
Christian Mielke leitet das Zins- und Währungs-management Firmenkunden Deutschland bei der Deutschen Bank
Niedrige Zinsen sichern?
Ist nicht immer die beste Wahl.
Worauf es ankommt,
erklären die Deutsche Bank-
Experten Sandra Heinrich und
Christian Mielke im Interview
„Aktive Investoren
bleiben gernfl exibel“
Interview: Birgit Wetjen
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Finanzierung_Interview
fi nanzieren. Wir wenden uns natürlich vor allem an Ge-
schäfts- und Firmenkunden, die neben verschiedenster
Bankdienstleistungen das ganze Spektrum an Finanzie-
rungen nutzen möchten – von klassischen Festsatzkre-
diten über öffentliche Fördermittel bis hin zu variablen
Krediten mit und ohne Zinssicherung oder Schuldschei-
nen: Wir bieten die ganze Palette an.
Private Immobilienkäufer sind bestrebt, sich die günstigen Zinskonditionen langfristig zu sichern. Ist ein einfacher Festsatz kredit nicht auch für einen Unternehmer die beste Finanzierung? Christian Mielke: Niedrige Zinsen sind natürlich erst
einmal immer gut. Aber von welchem Zinssatz reden
wir? Geht es um den Geldmarktzins, also den kurzfristi-
gen Zins? Oder geht es um den Zins für 10- bis 30-jährige
Anleihen? In Deutschland werden Verpfl ichtungen über
einen Zeitraum von zehn Jahren oder mehr traditionell
mit einem Festzinssatz fi nanziert. Das sorgt für Kalku-
lationssicherheit. In anderen Ländern, zum Beispiel in
Südeuropa, ist das anders. Dort wird viel stärker variabel
fi nanziert, auch über lange Zeiträume. Es hängt von der
individuellen Kundensituation ab, welche Finanzierungs-
form den größten Mehrwert liefern kann.
In den USA platzte die Immobilienblase, als der damalige Notenbankchef Alan Greenspan die Zinsen angehoben hat. Ist die variable Finanzierung nicht riskant? Christian Mielke: Das kann man so pauschal nicht sagen.
Wenn ich variabel fi nanziere, muss ich allerdings ein Ge-
fühl dafür haben, wie sich die Zinsen entwickeln könnten.
Und ich muss wissen, welche Zinsbelastung ich mir am
Ende leisten kann. Vor allem in den USA, aber wohl auch
in Europa wurden Hypotheken damals allzu leichtfertig
vergeben – ohne die Kredittragfähigkeit des Kunden ge-
nau zu prüfen. Das gibt es heute nicht mehr.
Sandra Heinrich: Bei der Wahl der Finanzierung muss man
immer den Einzelfall betrachten. Wenn ich ein Objekt habe,
das die Zinslast aus sich heraus tragen muss, dann brau-
che ich natürlich eine gewisse Kalkulationssicherheit. Die
bekomme ich zum Beispiel durch eine Zinsbindung über
die Laufzeit. Zudem habe ich beim Festsatzkredit die Mög-
lichkeit, öffentliche Fördermittel in die Finanzierung ein-
zubauen – bei variabler Verzinsung dagegen greifen die
meisten Programme nicht. Dennoch besteht die Möglich-
keit, je nach Zinsmeinung, öffentliche Förderdarlehen über
ein Derivat in eine variable Struktur umzuwandeln. Anders
stellt sich die Situation für Immobilieninvestoren dar, die
ihr Portfolio auch mal drehen – also neue Immobilien kau-
fen und Bestandsimmobilien verkaufen. Aktive Investoren
bleiben gern fl exibel. Und dafür ist es eventuell günstiger,
zumindest einen Teil der Finanzierung auch variabel mit
oder ohne Zinssicherungsinstrumente zu gestalten.
Was sind denn die Vorteile der variablen Verzinsung? Christian Mielke: Der große Vorteil gegenüber einer Fest-
verzinsung ist, dass der Investor fl exibel bleibt, weil er einen
Kredit mit variabler Verzinsung jederzeit zurückzahlen kann.
Wer eine Immobilie etwa nach fünf oder sieben Jahren verkau-
fen möchte oder Rückfl üsse erwartet, löst
Sandra Heinrich ist
Leiterin der Spezial-
beratung Finan zierung Deutschland
bei der Deutschen
Bank
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Finanzierung_Interview
Finanzierung_Interview
Heinrich und Mielke empfehlen, über den Zinssatz hinauszusehen: Nicht die reine Zahl ist entscheidend, sondern dass sich das Investment trägt
„Derivate können auch für kleine Firmen interes-sant sein“Christian Mielke
den Kredit einfach ab. Das ist bei einem
Festsatzkredit erst einmal so nicht vorgesehen. Vor Ablauf
der Zinsbindung ist eine Ablösung zwar möglich, aber sie
ist unter Umständen mit hohen Kosten verbunden. Erst nach
zehn Jahren hat der Kreditnehmer ein Kündigungsrecht ohne
Vorfälligkeitsentschädigung.
Teuer kann es doch aber auch werden, wenn der Zins steigt – und damit die monatliche Belastung in die Höhe schießt … Christian Mielke: Entscheidend ist die interne Planung der
Investoren. Alle Kunden sollten ihre individuelle Zinssen-
sibilität und die maximale Zinsbelastung kennen. Eine Ab-
sicherung gegen zu hohe Kosten kann aber auch dadurch
geschehen, den variablen Zins mit derivativen Absicherungs-
instrumenten zu kombinieren. Damit kommen Sie wirtschaft-
lich zum gleichen Ergebnis wie mit einem Festsatzzins, haben
in der Summe aber mehr Beweglichkeit. Das lässt sich gut am
Beispiel einer Apfelschorle erklären: Sie haben zwei Produkte,
die Sie getrennt kaufen und nach Ihrem Geschmack mischen.
Welche Optionen habe ich mit der Kombination? Christian Mielke: Sie können den Zins direkt absichern
oder aber, wenn Sie das Risiko kurzfristig steigender Zinsen
für unwahrscheinlich halten, eine Absicherung erst in vier
oder fünf Jahren vornehmen. Sie können beide Produkte
bei einem oder bei unterschiedlichen Anbietern kaufen –
sich also auch die Bank suchen, bei der Sie ein Darlehen
mit variablem Zins zu den interessantesten Konditionen
bekommen. Der Grundgedanke ist immer, beide Dinge von-
einander zu trennen und individuell zu bewerten.
Sandra Heinrich: Als Erstes muss sich der Unternehmer
fragen, ob er Flexibilität oder Zinssicherung braucht.
Und dann hängt die Bewertung natürlich auch von den
Zinserwartungen ab. Angenommen, in den kommenden
Jahren werden nur moderate Zinsschritte erwartet, dann
kann ein Unternehmer, der eine Maschine anschafft und
über vier Jahre fi nanziert, eventuell ganz ohne Absiche-
rung vom günstigen variablen Zins profi tieren. In diesem
Zeitrahmen wäre ein moderater Zinsanstieg verkraftbar.
Variable Verzinsung und Zinsswap haben bei vielen Unternehmen noch aus der Vergangenheit einen schlechten Ruf. Wie kommt das Angebot bei den Kunden an? Christian Mielke: Unter Immobilieninvestoren ist das ein
bekanntes Thema, aber nicht unbedingt im Mittelstand. Viel-
fach herrscht zunächst die Überzeugung, ein Derivat sei per
se gefährlich. Wenn wir aber erst einmal mit unseren Kunden
im Dialog sind und die Zusammenhänge erklären können, be-
kommen wir viel positives Feedback. Dabei ist es wichtig, alle
Karten auf den zu Tisch legen und gemeinsam zu überlegen:
Wie können die Bausteine funktionieren und interagieren?
Lohnt sich das denn für kleine und mittlere Kredithöhen? Christian Mielke: Natürlich ist der Aufwand eines Beraters
bei der Vermittlung eines einfachen Kredites mit Festzins
geringer, auch unter regulatorischen Aspekten. Ein Derivat
müssen wir immer im Detail erklären, und es gibt eine gro-
ße Vielfalt an Instrumenten wie Swaps, Caps, Floors. Da ist
die Beratung sehr aufwendig. Wir setzen zwar keine Limits,
aber wirtschaftlich machen kompliziertere Kombinatio-
nen erst ab einer halben Million bis eine Million Euro Sinn.
Eines ist mir aber wichtig: Im Gegensatz zur landläufi gen
Meinung sind Derivate nicht nur etwas für Großkonzerne.
Profi tieren können auch Unternehmen, Ärzte und selbst
Private, die in ihre Praxis oder eine Immobilie investieren
und in absehbarer Zeit Zufl üsse erwarten.
In den USA ist die Zinswende vollzogen, in der Eurozone steht sie bevor. Ist es sinnvoll, va ria-bel zu fi nanzieren, wenn die Zinsen steigen? Christian Mielke: Es klingt vielleicht erst einmal paradox,
aber die Kombination aus variabler Verzinsung plus Zins-
sicherung ist gerade bei steigenden Zinsen sinnvoll. Einfach
erklärt, ist ein Festsatzkredit aus Marktperspektive wertvoll,
wenn die Zinsen steigen, denn Sie haben sich ja die Zinsen
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„Eine Blasen-bildung sehe ich noch nicht“Sandra Heinrich
Mögliche Strategien im ZinsmanagementWie entwickeln sich die Zinsen, was bedeutet das für den
Kredit? Verschiedene Instrumente helfen Unternehmen dabei,
die Auswirkungen von Zinsänderungen abzufedern.
unterhalb des aktuellen Niveaus gesichert. Aber bei Fest-
satzkrediten können Sie diesen Wert nicht materialisieren,
wenn Sie Ihren Kredit vor Ende der Zinsbindung ablösen.
Anders sieht es bei einer Finanzierung mit variablem Zins
plus separater Absicherung aus.
Sandra Heinrich: Die Absicherung – beispielsweise per
Swap – hat einen positiven Marktwert, wenn die Zinsen
steigen. Und da Sie zwei getrennte Geschäfte abgeschlossen
haben, können Sie den Marktwert des Swaps nach Ablösung
des Kredites positiv glattstellen. Die Kehrseite der Medaille:
Wenn die Zinsen fallen, hat der Swap einen negativen Markt-
wert, der im Falle seiner Auflösung auch nach zehnjähriger
Laufzeit realisiert werden muss. Deshalb ist es wichtig, einen
guten Berater zu haben beziehungsweise ein Beraterteam,
das über Chancen und Risiken informiert.
Wie sieht denn Ihre Zinsprognose aus? Christian Mielke: Wir erwarten für die Eurozone in diesem
Jahr noch keinen Zinsschritt. Es ist möglich, dass sich das
2020 dreht, aber wir haben keine Glaskugel – von Zinsschrit-
ten schon in diesem Jahr bis hin zu japanischen Verhältnissen
mit einer sehr langen Nullzinsphase ist alles möglich. Wichtig
ist deshalb nicht die blanke Zahl, sondern dass sich mein In-
vestment zum gegebenen Zinssatz trägt. Das kann bei einem
Prozent Zinssatz der Fall sein, aber auch bei drei Prozent: Die
ganze Konstruktion muss so finanziert sein, dass Zins und
Aufwand aus den Mieteinnahmen getragen werden können.
Sandra Heinrich: Der Zins ist sicher wichtig für Investitions-
entscheidungen, weil er mit über die Rendite entscheidet. Als
Immobilieninvestor muss ich mir aber vor allem auch den
Markt insgesamt ansehen. Welche Risiken gibt es, dass eine
Immobilienblase entsteht? Welche Chancen birgt der Markt?
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Immobilienpreise weiter
steigen und die Mieten da auch mitgehen?
Wie gesund schätzen Sie den Immobilienmarkt in Deutschland ein? Droht bereits eine Blasenbildung? Sandra Heinrich: Eine Blasenbildung in Deutschland sehe
ich noch nicht. Zwar sind Zinsen historisch niedrig und
Wohnraumpreise in Ballungszentren zuletzt stark gestie-
gen. Aber zum einen kompensieren die Neubauten noch
immer nicht die fehlenden Wohnungen – auch gestützt
durch anhaltende Kapazitätsengpässe im Baugewerbe
sowie Knappheit von Bauland –, zum anderen hat die gute
wirtschaftliche Situation in Deutschland auch im gewerb-
lichen Vermietungs bereich zu niedrigen Leerstandsquo-
ten geführt und Kaufentscheidungen von Immobilienin-
vestoren begünstigt. Das alles spricht noch gegen eine
Blasenbildung. Dazu kommt, dass selbst die teuren deut-
schen Metropolen im internationalen Vergleich moderat
abschneiden. Einzig München ist nach den Daten von
Numbeo unter den 10 teuersten Städten in Europa, nur
Frankfurt, Stuttgart und Berlin landen unter den Top 20.
Wir reden viel über den Immobilien- markt. Die Immobilie des Unternehmers ist oft die Fabrik. Eignet sich auch hierfür eine variable Verzinsung? Oder sind die Bedürfnisse da ganz andere? Sandra Heinrich: Auf Kreditseite ist die Betrachtung ein
Stück weit anders: Hier stellt man nicht die meist einge-
schränkt drittverwendungsfähige Immobilie selbst in den
Vordergrund, sondern die Firma mit ihrer Ertragskraft und
ihrem Geschäftsmodell. Die Frage, wie sich die Branche
oder die Digitalisierung auswirkt und wie das Unterneh-
men für zukünftige Herausforderungen gewappnet ist,
spielt eine wichtigere Rolle als der Wert des Gebäudes,
das finanziert werden soll.
Welche Rolle spielt das bei der Wahl der Instrumente? Sandra Heinrich: Was die Möglichkeiten der Finanzierungs-
komponenten angeht, gibt es genau die gleiche Vielfalt: Oft
sind es bedeutende Sprunginvestitionen, wenn Unterneh-
mer neue Produktionshallen oder Standorte bauen. Als
Bankberater ist es dann unser Job, das Unternehmen in der
Tiefe zu verstehen und herauszufinden, was am besten in die
Strategie passt. Erwartet ein Unternehmer über den Verkauf
eines Tochterunternehmens einen Zufluss an Barmitteln?
Dann kann es sinnvoll sein, variabel zu finanzieren. Ist es
insgesamt sehr hoch verschuldet, dann macht es vielleicht
mehr Sinn zu prüfen, ob man mit Fördermitteln oder Haf-
tungsübernahmen von Förderinstituten unterstützen kann.
Christian Mielke: Es ist auch nicht ein Entweder-oder
– möglicherweise sollte ein Teil fix und ein Teil flexibel
finanziert werden. Die Kunst besteht darin, die Bausteine
ideal zu kombinieren und gemeinsam mit dem Kunden
den besten Finanzierungsmix zu finden.
*EINE BESCHREIBUNG DER FUNKTIONSWEISE DES PRODUKTS SOWIE DER RISIKEN, INFORMATIONEN ZU KOSTEN UND SONSTIGE ANGABEN ENTHÄLT DAS JEWEILIGE BASISINFORMATIONSBLATT ODER PRODUKTINFORMATIONSBLATT (FÜR PRIVATKUNDEN GEMÄSS WERTPAPIERHANDELSGESETZ) BZW. DAS TERMSHEET.
Kontakt und Infos zur Finanzierung von Immobilien
unter www.deutsche-bank.de/finanzierungen
WEITERE INFORMATIONEN
Ungesichert– volle Abhängigkeit von positiver wie
negativer Zinsentwicklung
z. B. variable
Finanzierung
Sicherung
eines
Festzinses
– klare Kalkulationsbasis durch
Zinsfixierung
– Absicherung gegen negative
Zinsentwicklung, keine Partizipation
an positiven Entwicklungen
z. B.
Festsatzkredit,
Zinsswap*
Sicherung
Zinsobergrenze
gegen
Prämienzahlung
– Möglichkeit der Partizipation
an fallenden Zinsen
– Begrenzung von Zinsänderungsrisiken
durch Kauf einer Zinsobergrenze
z. B. Zinscap*
Flexible
Zinssicherung
– Absicherung und teilweise
feste Kalkulationsbasis
– begrenzte Partizipationsmöglichkeit
an positiven Zinsentwicklungen
– Einbringen von Erwartungen eines
bestimmten Zinsverlaufs
z. B. Cap-Swap-
Kombination*
Finanzierung_Interview
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