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FINANZIERUNG _ Kommunen 16 _ results _ Deutsche Bank

FINANZIERUNG Kommunen - db.com · Und dabei geht es der Stadt Nürnberg noch ver- ... Essen oder Ober- ... Laufender Sachaufwand 39,77 Sachinvestitionen 20,37

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Viel zu tun für wenig GeldDeutschlands Kommunen haben nur eingeschränkten Einfl uss auf ihre Ausgaben, Defi zite sind dadurch programmiert. Und auch die Finanzierung wird zusehends schwieriger – erst recht, wenn mit Basel III alle Banken kritischer hinsehen müssen als zuvor. Für viele Kämmerer bedeutet dies, erstmals Finanzierungsquellen jenseits des klassischen Bankkredits zu fi nden

 Eigentlich müsste der Mann ganz zufrieden sein.

Harald Riedel, als Finanzreferent oberster Hü-

ter der Nürnberger Stadtkasse, rechnet für 2012

erstmals seit Jahren wieder mit mehr Einnahmen als

Ausgaben im städtischen Etat. Die Steuerzufl üsse

sollen deutlich zulegen, allein die Einnahmen aus der

Gewerbesteuer steigen im dritten Jahr in F olge. Und

dennoch: Auch im Überschussjahr 2012 muss Riedel

für seine Stadt neue Kredite aufnehmen. Große, nicht

länger aufschiebbare Investitionen stehen an, allein

die Sanierung der Nürnberger Schulen addiert sich

auf bis zu eine halbe Milliarde Euro.

Und dabei geht es der Stadt Nürnberg noch ver-

gleichsweise gut. Viele der rund 13 000 Städte, Land-

kreise und Gemeinden quer durch die Republik sind

weit härter getroffen von Strukturwandel, Arbeits-

losigkeit und notorischer Unterfi nanzierung. Rund

zehn Prozent aller deutschen Kommunen, so hatte

es der Münchner Oberbürgermeister und Pr äsident

des Deutschen Städtetags Christian Ude unlängst

berichtet, seien so überschuldet, dass sie sich aus ei-

gener Kraft nicht mehr zu helfen wüssten. Im vom ewi-

gen Strukturwandel geplagten Nordrhein-Westfalen

sitzen Großstädte wie Dortmund, Essen oder Ober-

hausen jeweils auf Schulden von rund zwei Milliarden

Euro. „Die Großstädte des Ruhrgebiets“, schrieb vor

kurzem eine große deutsche Tageszeitung, „das sind

unsere Griechen.“ Es war einmal die reichste Region

der Republik.

Meist sind es keine überteuerten Prestigeprojek-

te, keine Spaßbäder, Theaterbauten oder schicken

Fußgängerzonen, die die Kommunen in die fi nanzi-

elle Not getrieben haben. Vielmehr geht es um ein

klassisches Dilemma: Auf das Gros ihrer Einnahmen

und Ausgaben haben die Kommunen keinen Einfl uss.

Die von Bund und Ländern aufgebürdeten Sozialaus-

gaben sprengen aber oft den Haushalt . In Nürnberg

etwa verzehren allein die Sozialaufwendungen rund

70 Prozent der städtischen Steuereinnahmen. Riedel:

„Wir werden fi nanziell zu knapp gehalten.“

Und das lässt sich belegen, etwa am sogenannten

Kommunalisierungsgrad. Dies ist eine Kennziffer, die

den Ausgabenanteil der Kommunen an den gesamten

Ausgaben aller öffentlichen Haushalte von Bund und

Ländern misst. In vielen Städten liegt er über 50 Pro-

zent. Doch oftmals fl ießen den Kommunen weit weni-

ger als 50 Prozent der Einnahmen zu. Die Folge: Rund

180 Milliarden Euro Schulden schleppen Deutschlands

Städte und Gemeinden inzwischen durch ihre Haus-

halte – Tendenz: weiter steigend. Selbst eine prospe-

rierende Großstadt wie Frankfurt am Main budgetiert

für 2012 ein Defi zit von 270 Millionen Euro.

Wie unzureichend die Finanzausstattung der

Kommunen ist, zeigt auch der Anstieg der sogenann-

ten Kassenkredite, ursprünglich gedacht als eine Art

Dispo bei schwankenden Einnahmen. Anders als die

sonstigen langfristigen Verbindlichkeiten müssen

diese Überziehungskredite von keiner Aufsicht sbe-

hörde genehmigt werden und unterliegen somit kei-

ner Begrenzung. Belief sich die Summe aller Kassen-

kredite Anfang der neunziger Jahre noch auf beinahe

null, so waren es 2011 schon 44 Milliarden Euro.

ThesenLeere Kassen: Viele deutsche

Kommunen sind stark über-

schuldet. Doch aus eigener Kraft

können sie ihre Lage oft nicht

ändern. Der Finanzierungsbedarf

wächst.

Basel III: Zugleich sind Banken

gezwungen, infolge von

Basel III ihre Geschäftspolitik

auch gegenüber Kommunen zu

hinterfragen.

Kapitalmarkt: In Zukunft

werden Kommunen verstärkt

mit Unternehmen am Kapital-

markt konkurrieren, schätzen

Experten. Darauf sollten sie

sich rechtzeitig vorbereiten.

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Allein in den vergangenen drei Jahren, berichtet

der Deutsche Städtetag, seien die kommunalen Kas-

senkredite um fast 50 Prozent gestiegen.

Schon heute ist die Aufnahme von Krediten nicht

mehr ganz so einfach und unkompliziert wie vor der

ersten Finanzkrise. Bis dahin besorgten die deutschen

Banken praktisch alle Fremdmittel, die nötig waren. Für

die Institute traditionell ein eher margenschwaches,

dafür aber sicheres Geschäft. So profi tierten alle.

Mit diesem Einklang aber ist es bald vorbei. Aus-

gelöst durch die Finanzkrise ziehen sich immer mehr

Banken aus der Kommunalfi nanzierung zurück. Und

das heißt: Die Auswahl an Kreditgebern beginnt zu

schrumpfen. Es kommt noch dicker. Denn in diesen

Monaten wird ein weiteres Banken-Regelwerk in deut-

sches Recht gegossen, das auch die Fremdfi nanzie-

rung der Kommunen verändern und aller Voraussicht

nach erschweren wird: Basel III (siehe auch results

4/2011). Fortan fl ießen Kommunalkredite ungewich-

tet in die Summe aller ausgereichten Kredite einer

Bank ein. Und diese Sum me ist durch Basel III über

die sogenannte Leverage Ratio auf das 33-Fache des

Eigenkapitals der jeweiligen Bank begrenzt.

Das heißt zum einen, dass sich auch die stärkste

Bank in ihrer Kreditvergabe zukünftig beschr änken

muss. Und dass sie in Zukunft rechnen wird, welche

Kredite sich wirtschaftlich lohnen und welche nicht.

Auch ein Teil der niedrig bepreisten Kommunalkredi-

te steht dann zur Disposition. „ Alle Banken müssen

ihr Geschäftsmodell gegenüber den Kommunen über-

denken“, sagt Jens Michael Otte, Leiter Öffentlicher

Sektor und Institutionen bei der Deutschen Bank.

„Kommunen werden mit Unternehmen und anderen

Kundengruppen um Kredite konkurrieren.“ Und das

bedeutet: Das Angebot an Kommunalkrediten wird

abnehmen, und es wird für Kommunen schwieriger ,

sich zu fi nanzieren (siehe Interview Seite 21).

Für die Kommunen kommt dies zum Glück nicht

ganz überraschend. Eine bereits im vergangenen

Herbst durchgeführte Umfrage auf der Hauptver-

sammlung des Städtetags zeigt , dass Basel III für

Städte und Gemeinden längst ein Thema ist . So

rechneten drei von vier der befr agten kommuna-

len Finanzexperten damit , dass sich Basel III auch

in ihrer Arbeit bemerkbar machen wird. 61 Prozent

erwarteten schlechtere Konditionen als bisher. Auch

Nürnbergs erster Kassenwart Har ald Riedel ist si-

cher: „Basel III wird die Finanzierungsbedingungen

verschlechtern.“ Zwar böte der Markt aktuell noch

„unglaublich attraktive Konditionen“, so Riedel. Doch

davon, warnt der Nürnberger, sollte sich keine Kom-

mune täuschen lassen. Denn schon jetzt verengt sich

das Angebot bei Laufzeiten länger als drei Jahre.

Es gibt zwei scheinbar unumstößliche Regeln in

diesem Markt: Eine Kommune kann nicht pleitege-

hen, da das Land als Gewährsträger haftet. Und eine

Kommune bekommt immer Kredit , da diese Kredite

absolut ausfallsicher sind, siehe Gewährstr äger-

Haftung. Aber wie sieht dies aus in einer Welt, in der

sogar Eurostaaten insolvenzbedroht sind und in der

deutsche Oberbürgermeister sagen, sie möchten

Ist eine Pleite wirklich undenkbar?

Altstadt von Nürnberg: Trotz Überschuss sind neue Kredite notwendig. Allein die Sanierung der Schulen kostet bis zu 500 Millionen Euro

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Nürnbergs Finanzreferent Harald Riedel: Die Sozialaus-gaben verschlingen 70 Pro-zent seines Stadt budgets. „Das klassische Sparen ist ausgereizt“

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1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT (2010)

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Angaben in Milliarden Euro Angaben in Prozent

Kassenkredite(für 2011, Stand: 30. 9. 2012, Prognose)

Finanzierungssaldo(für 2011/12, Prognose)

Nutzung gesamt 82

Leasing 73

Schuldscheindarlehen 21

Private-Partnerships 9

Derivate 4

Swaps 2

Sonstige 3

keine Angabe 19

Platzieren eigener Anleihen 2

Factoring (bzw. Verkauf von Forderungen)

7

Neue Finanzierungswege

Städte und Gemeinden entdecken den Kapital-

markt. Leasing ist bislang die häufi gste Finanzie-

rungsform jenseits des klassischen Kredits.

2012 wird ein besseres Jahr

Infolge der guten Konjunktur rechnen die deutschen Kommunen zumindest

in diesem Jahr erstmals wieder mit mehr Einnahmen als Ausgaben. Die kurzfristigen

Kredite steigen dennoch weiter.

QUELLE: DEUTSCHE BANK RESEARCH, STATISTISCHES BUNDESAMT (2010)

QUELLE: DEUTSCHER STÄDTETAG 2011 QUELLE: DEUTSCHE BANK UMFRAGE BEI KOMMUNALEN FINANZENTSCHEIDERN (2011)

QUELLE: DEUTSCHER STÄDTETAG 2012 (ALLE ANGABEN PROGNOSE)

Angaben in Euro pro Kopf, 2010

Kreditmarktschulden

Kassenkredite

Problemfall Kassenkredite

Vor allem in einigen westdeutschen Bundesländern

addieren sich die Kassenkredite oft schon auf die

Hälfte der Gesamtverschuldung. Eigentlich sollen sie

nur kurze Liquiditätsschwankungen ausgleichen.

Trotz allem die geringsten Schulden

Viele Städte und Gemeinden sind hochverschuldet, und der Schuldenberg

wächst weiter. Im Vergleich zu anderen öffentlichen Haushalten

stehen sie jedoch noch gut da: Je Einwohner liegen die Schulden der

Kommunen weit unter denen von Bund und Ländern.

Angaben in Euro pro Einwohner

BundLänderGemeindenGesamtstaat

Einnahmen 2012

Steuern 73,00

Zahlungen Bund/Länder 69,89

Veräußerungserlöse 4,40

Gebühren/Beiträge 18,27

Sonstiges 25,04

Gesamt 190,60

Ausgaben 2012

Personalausgaben 47,60

Sozialleistungen 45,54

Laufender Sachaufwand 39,77

Sachinvestitionen 20,37

Sonstiges 35,27

Gesamt 188,55

Woher kommt das Geld, wohin fl ießt es?

Bei vielen Einnahmen (z. B. Umsatzsteueranteil) und Ausgaben

(z. B. Sozialleistungen) haben die Kommunen keine Einfl ussmöglichkeiten.

25 000

20 000

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Angaben in Milliarden Euro

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im Zusammenhang mit den vielen überschulde-

ten Kommunen „noch nicht von griechischen Ver-

hältnissen sprechen“ – und es dann in kleiner Runde

doch tun?

Eine der beiden Marktregeln ist zumindest im

klei nen münsterländischen Städtchen Ochtrup be-

reits außer Kraft gesetzt. Dort verkündete die regio-

nal zuständige Genossenschaftsbank ganz offi ziell, in

Zukunft keine Kredite mehr an klamme Kommunen

zu vergeben. Der Fall sorgte bundesweit für Schlag-

zeilen, denn für die Gemeinden ist dies ein absolutes

Novum. Beim Kommunal fi nanzierer Deutsche Bank

läuft es dagegen so: Seit Jahren steigt das Volumen

der Kredite an Städte und Gemeinden. „Bislang hat

grundsätzlich jede Kommune von uns Kredit bekom-

men“, sagt Jens Michael Otte, „ und dies soll so blei-

ben.“ Denn die Bank will auch in ihrem kommunalen

Geschäft weiter wachsen. Allerdings setzt Basel III

inzwischen klare Limits. Und das heißt: Kommunen

werden auch in Zukunft von der Deutschen Bank

Kredit erhalten – nur vielleicht nicht immer so viel

wie gewünscht.

„Der Markt wird enger“, warnt auch der Wolfenbüt-

teler Kämmerer Knut Foraita. Gab es früher für eine

Kommune vielleicht zehn potenzielle Geldgeber, wer-

den es in Zukunft vielleicht nur noch drei sein. Foraita

sieht das ganz pragmatisch: „Keine Bank ist verpfl ich-

tet, uns einen Kredit zu geben.“ Deshalb rät der Wol-

fenbütteler zu mehr Selbstdisziplin: So sollte sich

jede Kommune eine freiwillige Obergrenze geben,

wie viel Prozent ihrer Kredite sie bei einer einzigen

Bank ausleiht. Einige Kommunen fi nanzierten sich

mit bis zu 40 Prozent ihrer gesamten V erschuldung

bei nur einer Bank – und das, weiß Foraita, ist eindeu-

tig zu viel. Bislang kosten diese Kredite bundesweit

mehr oder weniger den gleichen Zins. Anders als in

anderen Märkten ist der Zins nicht risikogewichtet .

So muss selbst eine fi nanziell schwer angeschlagene

Stadt kaum mehr zahlen als eine gesunde Kommu-

ne. Doch auch dies werde sich infolge von Basel III

verändern, prophezeit Deutsche Bank Experte Jens

Michael Otte: „Wir erwarten eine stärkere Spreizung

bei den Konditionen.“

Keine Frage: In den kommenden Jahren werden die

Kredite an Deutschlands Kommunen spärlicher fl ießen –

und sie werden teurer. Damit bleibt nur ein Ausweg:

Genauso wie große Unternehmen müssen sich auch

Städte und Gemeinden aus der rein bankgestützten

Finanzierung lösen und neue Wege fi nden, um sich die

benötigten Fremdmittel zu beschaffen.

„Die Finanzierungsformen müssen sich verbreitern“,

sagt der Nürnberger Kassenwart Riedel. Und das heißt:

weniger Bankenkredite, mehr externe Kapitalgeber.

Für die Einbeziehung externer Kaptalgeber stehen

verschiedene Instrumente zur Auswahl, und nicht je-

des ist für jede Gemeinde geeignet. Klassische Anleihen

sind vergleichsweise komplexe Instrumente, lohnen

meist erst ab einem höheren dre istelligen Millionen-

betrag und sind damit nur für wenige große Städte in-

teressant. Doch es gibt ein Instrument, das auch viele

mittelständische Unternehmen erfolgreich nutzen:

Weniger Kredit, mehr externe Kapitalgeber

Städtetagspräsident Christian Ude mit Verschuldungsstatistik (siehe Seite 19) der Kommunen: Die Kassenkredite stiegen in den vergangenen drei Jahren um 50 Prozent

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Vielen Kommunen fehlt Geld für das

Nötigste, zugleich liegen 2012

die Einnahmen über den Ausgaben.

Wie passt das zusammen?

Kurzfristig geht es wegen der guten

Konjunktur besser, langfristig bleibt

die strukturelle Überforderung

bestehen. Wir sehen das ganz klar an

der Zunahme der kurzfristigen

Kassenkredite. Damit bezahlen viele

Kämmerer inzwischen ihre laufenden

Ausgaben, weil ihnen ausreichend

Einnahmen fehlen. Das ist so, als

würde eine Privatperson ihre Miete

aus dem Dispo begleichen. Das kann

nicht gutgehen.

Bekommen Kommunen in Zukunft

schwieriger Kredit?

Es wird für Kommunen sicherlich

schwieriger werden. Wir glauben, dass

der Markt der Kommunalfi nanzierung

vor einem enormen Umbruch steht.

Schon jetzt haben sich Banken aus die-

sem Geschäft zurückgezogen.

Was tut die Deutsche Bank?

Wir halten klar dagegen. Seit Jahren

weiten wir unser Geschäft in diesem

Markt kontinuierlich aus. Nur eines

können auch wir nicht leisten: Wir kön-

nen nicht das gesamte Kreditange-

bot kompensieren, das in diesem Markt

gerade wegbricht.

Ein Kredit an eine Kommune ist doch

eigentlich ein absolut sicheres

Geschäft. Das kann doch in keine

Risikobewertung einfl ießen.

Stimmt. Aber Basel III begrenzt die

Kreditvergabe. Also rechnet jede

Bank: Verzichten wir zugunsten des

margenschwachen Kommunal-

geschäfts auf andere Geschäfte mit

höherer Marge? Im Ergebnis

werden die Kommunen mit anderen

Kreditnehmern um das schrumpfende

Kreditangebot konkurrieren.

Sind die Kommunen dem engeren

Markt hilflos ausgeliefert?

Absolut nicht. Es gibt durchaus

Alternativen zum klassischen Kommunal-

kredit. Jeder Kämmerer kann sich

mithilfe einer kapitalmarktversierten

Bank nach neuen Finanzierungsquellen

umsehen.

Bislang ist aber für die meisten

Kommunen der klassische Kommunal-

kredit die günstigere Alternative.

Rechnet sich der Kapitalmarkt denn

überhaupt?

Das dreht sich ja gerade. Wenn gesamthaft

das Kreditangebot sinkt, werden die Preise

wie in jedem anderen Markt ten denziell

steigen. Das erleben wir übrigens schon

heute. Damit werden sich Kreditmarkt und

Kapitalmarkt preislich zusehends

angleichen. Zugleich verbessert sich für die

Kommunen ihre Verhandlungsposition

gegenüber den Banken.

Der Gang auf den Kapitalmarkt

erfordert aber auch mehr Transparenz.

Stimmt. Jeder Investor will nun mal

wissen, mit welchem Risiko er es zu tun

hat. Die Bonität wird deshalb eine

zen trale Frage. Als traditioneller Kredit-

geber der Kommunen prüfen wir das

natürlich schon seit langem. Das ist keine

Blackbox, sondern diesen Prozess und

seine Ergebnisse erklären wir ganz offen.

Für unsere Kunden ist das ein ganz

wichtiges Feedback, denn in unserer

Bonitätsanalyse spiegeln sich ja letztlich

alle Stärken und Schwächen einer

Kommune wider. Und dann fi nden sich

auch genug Abnehmer etwa für einen

Schuldschein. Versicherer und Pensions-

kassen investieren gern in diesen Markt.

Die suchen solche Anlageklassen.

Schuldscheindarlehen sind schon ab zehn Millionen

Euro machbar. Und dafür gibt es Nachfr age: Bei kon-

servativen Investoren wie Versicherern, Fonds, Versor-

gungswerken oder Pensionsfonds gilt die öffentliche

Hand als eine kalkulierbare und deshalb höchst inter-

essante Anlageklasse.

In den USA ist der Kapitalmarkt für Kommunen ein

etabliertes Finanzierungsinstrument. Doch auch in

Deutschland nutzen einer Umfrage zufolge schon ein

Drittel aller Kommunen über 100 000 Einwohner und

jede fünfte Stadt mit mehr als 50 000 Einwohnern das

Schuldscheindarlehen. Große Städte wie Hannov er

oder Essen haben bereits Anleihen am Markt platziert,

genauso wie die Stadt Wiesbaden mit einem eigenen

Schuldscheindarlehen. Vielen anderen Kommunen je-

doch ist der Weg zum Kapitalmarkt noch immer un-

bekannt. Dabei ist dieser Weg vielleicht neu, aber gar

nicht so schwer. Als Erstes geht es darum, eine Bank

zu suchen, die den Kapitalmarkt und seine Instrumen-

te kennt und in diesem Markt über möglichst große

Erfahrung verfügt. Danach müssen Kreditbedarf und

Liquidität prognostiziert werden. Dann gilt es, die be-

nötigten Laufzeiten zu defi nieren. Ein erster Schritt in

den Kapitalmarkt kann dann ein Schuldscheindarle-

hen über eine kleinere Summe sein.

Ein wichtiger Arbeitsschritt: Schon vor Jahren

hat die Deutsche Bank, wie andere Banken auch, aus

aufsichtsrechtlichen Gründen eine Systematik zur

Risiko einschätzung entwickelt. Vergleichbar einem

Rating durchleuchtet die Bank dabei gesamthaft die

wirtschaftliche, demografi sche, strukturelle und po-

litische Situation einer Kommune. Neben Kennzah-

len im Hinblick auf die Einnahmen- und Ausgaben-

situation werden auch Faktoren wie die Attraktivität

der Kommune als Wirtschafts- und Lebensstandort

und die Entwicklung der Einwohnerstruktur unter-

sucht. Und auch das städtische Risiko-, Cash- und

Zins management kommt auf den Prüfstand. So be-

kommen Kommunen ein Bild davon, wie externe In-

vestoren sie bewerten würden. Gleichzeitig können

sie die wichtigen Stellschrauben erkennen und Ver-

besserungsschritte einleiten.

INTERVIEW

„Der Markt steht vor einem enormen Umbruch“Jens Michael Otte leitet den Bereich Öffentlicher Sektor und Institutionen Deutschland der Deutschen Bank

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Weitere Informationen

Kontakt

p Jens Michael Otte, Leiter Öffentlicher Sektor

und Institutionen Deutschland der Deutschen

Bank, E-Mail: [email protected]

Schon heute befasst sich über die Hälfte aller

Kommunen mit mehr als 100 000 Einwohnern mit Fra-

gen der Bonitätseinstufung. Für den W olfenbütteler

Kämmerer Foraita ist die interne Risikoeinschätzung

ein gegenseitiger Lernprozess, der viel Transparenz

von den beiden Akteuren erfordert. Eine Transparenz,

die externe Kapitalgeber brauchen. So rät etwa der

Nürnberger Harald Riedel da zu, die „Karten offen

auf den Tisch zu legen“ – gegenüber Banken wie ge-

genüber den eigenen Bürgern. „Auch die Kommunen

sind Teil eines Marktes“, ergänzt sein Wolfenbütteler

Amtskollege Foraita. Deshalb müssten sie sich der

Risikoeinschätzung der Banken „offen stellen“.

Für Foraita besitzt dieser Prozess sogar einen er-

zieherischen Reiz. Die Kapitalmärkte müssten durch

ihre Mechanismen den öffentlichen Kreditnehmern

„Grenzen aufzeigen, da sonst ungezügelte V erschul-

dung droht“. Wer den Markt akzeptiert, weiß um seine

Risiken. Deshalb lässt der Wolfenbütteler permanent

alle laufenden Kredite und Derivate auf Zinsrisiken

prüfen und verfügt damit über ein hochprofessionel-

les Frühwarnsystem – in deutschen Kommunen keine

Selbstverständlichkeit. Dass sich deutsche Kommu-

nen in Zukunft anders fi nanzieren könnten, lässt sich

vielleicht auch an der Finanzierung der Bundesländer

ablesen. Heute ist nur noch die Hälfte des Schulden-

stands der Länder kreditfi nanziert.

Deutschlands Kommunen stecken in einer schwie-

rigen Lage. Viele Kämmerer wissen, dass ihnen Staat

und Land letztlich nicht helfen werden, dass sie

selbst aktiv werden müssen. „Das klassische Spa-

ren“, sagt Harald Riedel, „ist ausgereizt.“ Bereits 2005

hatte sich Nürnberg von der traditionellen kame-

ralistischen Rechnungslegung ver abschiedet und

auf Doppik umgestellt. Mit ihrem Finanzreferenten

Riedel entwickelt die Stadt nun einen ganzen Katalog

an Maßnahmen. Effektivität, Effi zienz und Kundenzu-

friedenheit sind die drei Parameter, an denen Riedel

die Arbeit der Stadt in Zukunft messen möchte.

Bis 2014 werden alle Dienststellen in ein umfas-

sendes Controlling eingegliedert , sodass sie stän-

dig über ihre fi nanzielle Lage unterrichtet sind. Ein

Dokumenten-Management-System ist installiert, das

kommunale Leistungsspektrum soll in einem kenn-

zahlgesteuerten „Produkt-Haushalt“ dargestellt wer-

den. Das Ziel: die Neuverschuldung bis zum Ende die-

ses Jahrzehnts auf null abzusenken. Es wäre für die

Stadt ein riesiger Erfolg. Und Har ald Riedel könnte

dann erstmals wirklich zufrieden sein.

STEPHAN SCHLOTE

Mehr Transparenz ist gefragt

Wolfenbüttels Kämmerer Knut Foraita sieht in einer internen Risikoeinschätzung einen wichtigen Lernprozess für Kommunen. Er glaubt: Erst die Mechanismen des Kapitalmarkts schaffen wirkungsvolle Grenzen für die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte

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