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Vermögensdelikte Einheit 1 1 Finn Mengler [email protected]

Finn Mengler - jura-rep.de · Vermögensdelikte Einheit 1 Schwerpunkt der heutigen Kurseinheit: Objektiver Tatbestand des Diebstahls > Diebstahlsdelikte: § 242 - § 248 c („Diebstahl

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Vermögensdelikte Einheit 1

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Finn Mengler [email protected]

Vermögensdelikte

Einheit 1

Schwerpunkt der heutigen Kurseinheit: Objektiver Tatbestand des Diebstahls

> Diebstahlsdelikte: § 242 - § 248 c („Diebstahl und Unterschlagung“) > Überblick: Systematik der Diebstahlsdelikte > § 242: Grundtatbestand > § 243: Strafzumessungsvorschrift > § 244: Qualifikationstatbestand > § 244 a: Qualifikationstatbestand > § 246: Auffangtatbestand > § 247 / § 248 a: Strafantragserfordernisse > § 248 b: Auffangtatbestand > § 248 c: Sondervorschrift > Rechtsnatur des Diebstahls: Besonderes Vermögensdelikt > Geschütztes Rechtsgut iRd Diebstahls (... „fremde“): Eigentum (hM) 2

Vermögensdelikte

Einheit 1

> Deliktsaufbau: § 242 (Diebstahl) I) Tatbestand 1) Objektiver Tatbestand a) Fremde bewegliche Sache aa) Sache

> Enthalten in § 90 BGB: Zivilrechtliche Legaldefinition des Sachbegriffs

> Demnach Definition für Sache: Alle körperlichen Gegenstände (ohne Rücksicht auf wirtschaftlichen Wert und Aggregatzustand)

> Insoweit unerheblich: Vermögensschädigung > Sachqualität von Flüssigkeiten, Gasen und

Dämpfen wegen Abgrenzbarkeit der Substanz: (+) > Indes nicht erfasst als „Sache“, da eigenständige

Sondervorschrift in § 248 c: Elektrische Energie 3

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Einheit 1

> Häufig erwähnenswert: (Letztlich weitgehend unstreitige) Sachqualität von Tieren

> Denkbare Ansätze: Rechtsgedanke des § 90 a S. 3 BGB oder - so hM - eigenständiger strafrechtlicher Sachbegriff nach Wertung des § 324 a I Nr. 1 / § 325 I 1 („Tiere, Pflanzen oder andere Sachen“)

> Ferner problematisch: Ob menschlicher Körper als „Sache“ iSv § 242 I einzustufen ist

> Abzulehnen: Sachqualität des Körpers des ungeborenen oder lebenden Menschen (hM)

> Hingegen für organische Körperteile und Körpersubstanzen nach endgültiger Trennung (≠ Reimplantationsabsicht in den Körper des Betroffenen) denkbar: Sachqualität (hM) 4

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Einheit 1

bb) Beweglichkeit > Maßgeblich: Tatsächliche Fortschaffbarkeit (iS

natürlicher Beweglichkeit) > Ausreichend bei Grundstückserzeugnisse und

Bestandteilen von Gebäuden: „Beweglichmachung“ zum Zwecke der Wegnahme

cc) Fremdheit > Definition für Fremdheit: Nicht im Alleineigentum

des Täters stehend und nicht herrenlos > Somit idZ zu prüfen: Zivilrechtliche Vorschriften

über Erwerb und Verlust des Eigentums sowie Herrenlosigkeit von Sachen gemäß § 959 BGB

> Ausnahme (zwecks Beurteilung der Fremdheit im - stets - maßgeblichen Zeitpunkt der Tatbegehung iSv § 8 S. 1): Rückwirkungsfiktionen 5

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> Demnach ausreichend für Fremdheit: Allein-, Mit- oder Gesamthandseigentum eines anderen

> Trotz anerkannter Sachqualität zu verneinen: Fremdheit menschlicher Leichen (hM)

> Hintergrund: Fehlende Eigentumsfähigkeit von zur Bestattung vorgesehenen - gar nicht erst verkehrsfähigen - Leichen (hM)

> Stattdessen grundsätzlich - beschränkter - strafrechtlicher Schutz von Leichen: Störung der Totenruhe gemäß § 168

> Hingegen ausnahmsweise taugliches Diebstahlsobjekt: Leichen mit spezifischem Verwendungszweck (Museum / Moorleichen / Mumien / …)

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Vermögensdelikte

Einheit 1

b) Wegnahme > Definition für Wegnahme: Bruch fremden und

Begründung neuen - nicht notwendig tätereigenen - Gewahrsams

> Insoweit iRd Voraussetzungen der Wegnahme zu prüfen: Gewahrsam eines anderen, Begründung neuen Gewahrsams sowie Gewahrsamswechsel durch Bruch

aa) Gewahrsam eines anderen > Definition für Gewahrsam: Von natürlichem

Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft

> Geboten bei faktischer Beurteilung nach Maßgabe der Verkehrsanschauung: Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und der Anschauungen des täglichen Lebens 7

Vermögensdelikte

Einheit 1

> Gewahrsam als Sachherrschaftsbeziehung tatsächlicher Art ≠ Eigentum als Sachherrschaftsbeziehung rechtlicher Art

> Gewahrsam als faktische Zuordnung von Herrschaftsgewal ≠ Besitz als normative Zuordnung von Herrschaftsgewalt

> Beispiel: Besitzdiener iSv § 855 BGB > Besitz: (-) > Gewahrsam: (+) > Beispiel: Erbe iSv § 857 BGB > Besitz: (+) > Gewahrsam: (-) > Beispiel: Mittelbarer Besitzer iSv § 868 BGB > Besitz: (+) > Gewahrsam: (-) 8

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> Häufig problematisch: Gewahrsam am Inhalt verschlossener Behältnisse („Schlüsselgewalt“)

> Insoweit nach Verkehrsanschauung erforderlich: Differenzierung nach Fortschaffbarkeit des Behältnisses (hM)

> Maßgeblich für Gewahrsam kraft Schlüsselgewalt: Jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf Inhalt des verschlossenen Behältnisse

> Daher: Gewahrsam des Schlüsselverwahrers am Inhalt bei fest mit Gebäude / Grundstück verbundenen oder nach Gewicht und Größe nur schwer fortschaffbaren Sachen (etwa Tresor)

> Gegenteiliger Fall: Alleingewahrsam des Behältnisverwahrers am Inhalt bei frei beweglichen Behältnissen (etwa Spardose) 9

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Einheit 1

> Ferner notwendig für Gewahrsam: Herrschaftswille als voluntatives Element iSe natürlichen Willens zur Sachherrschaft

> Dafür unerheblich: Zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit

> Nach Verkehrsanschauung bereits ausreichend: Latenter Herrschaftswille von Schlafenden und Bewusstlosen oder genereller Herrschaftswille von Inhabern räumlicher Herrschaftsbereiche

> Demgegenüber nicht erforderlich: Kenntnis vom Entstandensein des konkreten Herrschaftsverhältnisses (hM)

> Nach diesen Maßstäben zu bejahen: Gewahrsam des Betreibers an allen - ihm womöglich nicht im Einzelnen bekannten - Gegenständen im Laden 10

Vermögensdelikte

Einheit 1

> Voraussetzung für Gewahrsamsverlust: Aufgabe oder Verlust der Sachherrschaft

> Insoweit problematisch: Gewahrsam an verlorenen Sachen

> Zumeist Folge des Verlusts außerhalb räumlicher Herrschaftsbereiche: Gewahrsamslosigkeit

> In diesen Fällen lediglich denkbar: Unterschlagung gemäß § 246 StGB

> Nach obigen Maßstäben hingegen begründet bei Verlust innerhalb räumlicher Herrschaftsbereiche: Neuer - genereller - Gewahrsam des Inhaber

> Unschädlich nach Wertung des - lediglich für den zivilrechtlichen Besitz geltenden - § 856 II BGB, weil bloße Gewahrsamslockerung: Vorübergehende Einschränkung des Zugriffs 11

Vermögensdelikte

Einheit 1

bb) Begründung neuen Gewahrsams > Definition für Begründung neuen Gewahrsams:

Sachherrschaft derart erlangt, dass ihrer Ausübung keine wesentlichen Hindernisse entgegenstehen

> Dafür verlangt: Ausschluss der freien Verfügbarkeit der Sache für bisherigen Gewahrsamsinhaber

> Häufig vorkommend: Bildung von „Gewahrsamsenklaven“ innerhalb fremder Herrschaftsbereich durch Verbringung kleiner Gegenstände in „Tabu der Körpersphäre“ (hM)

> In diesen Fällen zu bedenken: Begründung eines nach Maßgabe der - zu Grunde zu legenden - Verkehrsanschauung noch intensiveren Herrschaftsverhältnisses, weil Zugriff auf „Tabu der Körpersphäre“ sozial rechtfertigungsbedürftig ist 12

Vermögensdelikte

Einheit 1

cc) Gewahrsamswechsel durch Bruch > Abschließende Voraussetzung der Wegnahme:

Gewahrsamswechsel durch Bruch > Definition für Bruch: Aufhebung der tatsächlichen

Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers ohne oder gegen dessen Willen

> Somit iRd Bruchs zu prüfen, weil dann bereits tatbestandlich Wegnahme mangels Bruchs auszuscheiden hätte: Vorliegen eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses

> Voraussetzung für tatbestandsausschließendes Einverständnisses: Freiwillige, willentliche - aber nicht notwendig willensmängelfreie - Übertragung des Gewahrsams an Tatobjekt 13

Vermögensdelikte

Einheit 1

2) Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz iSv § 15 b) Absicht rechtswidriger Zueignung aa) Zueignungsabsicht bb) Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung

cc) Vorsatz bezüglich Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung

II) Rechtswidrigkeit III) Schuld IV) Strafe: § 243 I (Strafzumessungsvorschrift) V) Verfolgbarkeit: § 247 / § 248 a (Strafantragserfordernisse)

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Vermögensdelikte

Einheit 1

> Deliktsaufbau: § 242 (Diebstahl) I) Tatbestand 1) Objektiver Tatbestand a) Fremde bewegliche Sache b) Wegnahme 2) Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz b) Absicht rechtswidriger Zueignung aa) Zueignungsabsicht bb) Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung cc) Vorsatz auf Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung II) Rechtswidrigkeit III) Schuld IV) Strafe: § 243 I (Strafzumessungsvorschrift) V) Verfolgbarkeit: § 247 / § 248 a (Strafantragserfordernisse) 15

Vermögensdelikte Fall 1

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Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

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