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Grundrechte Einheit 3 1 Finn Mengler [email protected]

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Grundrechte Einheit 3

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Schwerpunkt der heutigen Kurseinheit: Berufsfreiheit

> Wiederholung: Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG > Regelmäßig zunächst darzustellen: Schutzbereich des Art. 12 I GG > Persönlicher Schutzbereich des Art. 12 I 1 GG: „Alle Deutschen“ > Damit in jedem Fall erfasst gemäß Art. 116 I GG: Lebende natürliche

Personen, die „die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen“ > Ferner in Art. 19 III GG vorgesehen: Geltung des Grundrechts für

„für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind“

> Insoweit nicht unumstritten: Auslegung der wesensgemäßen Anwendbarkeit iSv Art. 19 III GG

> Denkbarer Ansatz: „Grundrechtstypische Gefährdungslage“, wenn die grundrechtliche geschützte Tätigkeit von der juristischen Person selbst ausgeübt werden kann (hL) 2

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> Demgegenüber gleichfalls zu erwägen: Die Möglichkeit „korporativer Betätigung“ des Grundrechts zum Maßstab zu machen (BVerfG)

> Dazu BVerfG (17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08): „Für die Beantwortung der Frage, ob ein Grundrecht seinem Wesen nach auf Personenvereinigungen anwendbar ist, ist in erster Linie darauf abzustellen, ob es nur individuell oder auch korporativ betätigt werden kann“

> Damit jedenfalls - ohne dass es insoweit einer verbindlichen Stellungnahme bedarf - zu prüfen: Ob das jeweilige Grundrecht auch von juristischer Person ausgeübt werden kann

> Insoweit für wesensgemäße Anwendbarkeit der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG maßgeblich, ob inländische juristische Personen „eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen stehen“ (BVerfG) 3

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> In sachlicher Hinsicht geschützt von Art. 12 I 1 GG: „Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen“

> Somit gewährleistet von Art. 12 I 1 GG: Freiheit der Berufswahl > Gegenstand der Freiheit der Berufswahl: Erstmalige Ergreifung

eines oder mehrerer Berufe, der Wille zur Beibehaltung eines Berufs, die Ausbildung zu einem weiteren Beruf, Berufswechsel und die freiwillige Berufsbeendigung

> Gemäß Art. 12 I 2 GG möglich: Regelung der „Berufsausübung (…) durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“

> Damit in Art. 12 I 2 GG gleichfalls vorausgesetzt: Schutz der Freiheit der Berufsausübung, also der „Gesamtheit der mit der Berufstätigkeit, ihrem Ort, ihren Inhalten, ihrem Umfang, ihrer Dauer, ihrer äußeren Erscheinungsformen, ihren Verhaltensweisen und ihren Instrumenten zusammenhängenden Modalitäten der beruflichen Tätigkeit“ (BVerfG) 4

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> Insoweit vom sachlichen Schutzbereich des Art. 12 I GG als „einheitliches Grundrecht“ erfasst: Gesamte berufliche Tätigkeit

> Definition für „Beruf“ iSv Art. 12 I GG: Jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist, der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient und nicht schlechthin gemeinschädlich ist

> Anschließend darzustellen: Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 I GG

> Jedenfalls ausreichend: „Klassischer“ Grundrechtseingriff durch ein Gebot oder Verbot, welches dem Betroffenen staatlicherseits zielgerichtet mit unmittelbarer Wirkung auferlegt wird

> Dazu BVerwG (BVerwGE 75, 109): „In jedem Fall aber wird in das Grundrecht der Berufsfreiheit dann eingegriffen, wenn eine an Dritte gerichtete staatliche Maßnahme gezielt die Berufsausübung eines Grundrechtsträgers einschränken soll“ 5

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> Anwendungsfall des „Grundrechtseingriffs im Allgemeinen“: Rechtsförmiger Vorgang, der unmittelbar und gezielt durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt

> Neben unmittelbaren Eingriffen ebenfalls denkbar: Bloß mittelbare Beeinträchtigungen, bei denen ein bestimmtes Verhalten öffentlicher Gewalt eine von mehreren Ursachen setzt, deren Zusammenwirken den nachteiligen Effekt auslöst

> Kennzeichen dieser faktischen Beeinträchtigungen: Dass ihnen zumindest eines der beiden Elemente „Finalität“ und „Unmittelbarkeit“ fehlt

> Gleichwohl denkbar: Nachteilige Wirkungen der staatlichen Maßnahme, die sowohl in einer rechtlich bindenden Anordnung als auch in nicht regelndem Verwaltungshandeln bestehen kann 6

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> Bei faktischen, mittelbaren Beeinträchtigungen maßgeblich: Grundrechtswidriger Effekt, der in seinen Auswirkungen auf den Betroffenen den Folgewirkungen einer unmittelbaren Beeinträchtigung gleich- oder zumindest nahekommen muss

> Dazu BVerfG (BVerfGE 116, 202): „Der Grundrechtsschutz ist nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt. Vielmehr kann der Abwehrgehalt der Grundrechte auch bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs entfällt die Grundrechtsbindung nicht.“

> Andernfalls zu befürchten: Dass Exekutive dem nach Art. 12 I 2 GG bestehenden Erfordernis einer gesetzlichen Regelung durch Wahl der Handlungsform ausweicht, indem sie die angestrebte Beeinträchtigung nur mittelbar herbeiführt 7

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> Dazu BVerwG (BVerwGE 87, 37): „Es ist daher inzwischen allgemein anerkannt, daß unter Berücksichtigung der Schutzfunktion des jeweiligen Grundrechts auch eine von einem schlicht-hoheitlichen staatlichen Handeln ausgehende bloß tatsächliche und mittelbare Betroffenheit des Grundrechtsträgers einen Grundrechtseingriff bedeuten kann“

> Letztlich kennzeichnend für mittelbare Eingriffe: Dass sie in Zielsetzung („Intention“) und / oder Wirkung („Intensität“) einer unmittelbaren Beeinträchtigung vergleichbar sind

> Deshalb gleichfalls erfasst als Eingriff in die Berufsfreiheit: „Wirtschaftslenkende Maßnahmen, mit denen der Staat zielgerichtet gewisse Rahmenbedingungen verändert, um zu Lasten bestimmter Unternehmen einen im öffentlichen Interesse erwünschten Erfolg herbeizuführen“ (BVerwG)

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> In jedem Fall erforderlich bei Eingriffen in Art. 12 I GG, weil staatliche Maßnahmen wie der Erlass von Gesetzen oftmals Auswirkungen auf berufliche Tätigkeit haben und andernfalls nahezu jede Maßnahme am Maßstab des Art. 12 I GG zu messen wäre: „Berufsbezug“ der Maßnahme

> Insoweit zu unterscheiden: Subjektiv berufsregelnde Tendenz, die durch unmittelbare Vorgaben für das Ob und Wie einer beruflichen Tätigkeit gekennzeichnet ist, und objektiv berufsregelnde Tendenz, bei der typischer Weise beruflich ausgeübte Tätigkeiten mittelbar betroffen sind, deren Ausübung durch die Regelung „nennenswert behindert“ wird

> Somit Gegenstand der Maßnahmen mit subjektiv berufsregelnder Tendenz: Unmittelbare Eingriffe in Art. 12 I GG

> Hingegen regelmäßig anzunehmen bei Maßnahmen mit objektiv berufsregelnder Tendenz: Mittelbare Eingriffe in Berufsfreiheit 9

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> Schließlich zu prüfen: Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in den Schutzbereich

> Insoweit zunächst darzustellen: Schranke > Gemäß Art. 12 I 2 GG möglich: Regelung der Berufsausübung

durch Gesetz oder auf Grund Gesetzes > Gleichfalls erfasst vom Regelungsvorbehalt des Art. 12 I 2 GG, da

einheitliches Grundrecht: Freiheit der Berufswahl > Dazu BVerfG (GewArch 2008, 28): „Eingriffe in dieses Recht sind

nach Art. 12 I 2 GG, der auch für Maßnahmen gilt, die die Freiheit der Berufswahl betreffen, nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt“

> Einschränkend zu beachten: Vorgabe des Demokratieprinzips gemäß Art. 20 II 1 GG, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht 10

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> Vor diesem Hintergrund iRd „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ des BVerfG verlangt: Dass der Gesetzgeber die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt

> Jedenfalls „wesentlich für die Verwirklichung von Grundrechten“: Schranken, die den Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts zu rechtfertigen vermögen

> Deshalb zwingend erforderlich: Formelles Parlamentsgesetz > Letztlich in Art. 12 I 2 GG als Schranke normiert: Einfacher

Gesetzesvorbehalt > Überdies zu beachten: „Schranken-Schranke“ der

Verhältnismäßigkeit > Grundsätzlich anzuwenden: „Je … desto“-Formel (BVerfG) > Im Speziellen - als Ausdruck von „je … desto“ - für Art. 12 I GG

maßgeblich: „Drei-Stufen-Theorie“ (BVerfG) 11

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> Dazu BVerfG (GewArch 2008, 28): „(…), sondern auch durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen“

> Zu unterscheiden für Anforderungen iRd Verhältnismäßigkeit: Drei Stufen an berufsregelnden Eingriffen unterschiedlicher Intensität

> Erscheinungsformen: Berufsausübungsregelungen, subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen und objektive Berufszulassungsvoraussetzungen

> Bereits ausreichend für Rechtfertigung von Berufsausübungsregelungen („Wie): „Vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls“, zu deren Erreichung die Berufsausübungsregelung geeignet, erforderlich und angemessen ist

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> Demgegenüber notwendig bei subjektiven Berufszulassungsvoraussetzungen, die an Umstände anknüpfen, die in der Person des Grundrechtsträgers liegen: Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes

> Schließlich maßgeblich für objektive Berufszulassungsvoraussetzungen, die an Umstände anknüpfen, die außerhalb der Person des Grundrechtsträgers liegen: „Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter“

> Insoweit den gleichen Anforderungen unterliegend: Berufsausübungsregelungen, die für bloße Untergruppe den „Auswirkungen“ nach einer objektiven Berufszulassungsvoraussetzung nahe kommen, deren „Erfüllung dem Einfluss des Einzelnen schlechthin entzogen“ ist (hM)

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> Zu prüfen: Erfolgsaussichten der vor dem vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage

> Damit erforderlich: Prüfung von Sachentscheidungsvoraussetzungen und Begründetheit der Klage

A) Sachentscheidungsvoraussetzungen > Von Amts wegen zu prüfen: Ob sämtliche

Sachentscheidungsvoraussetzungen als prozessuale Voraussetzungen für eine Entscheidung des angerufenen Gerichts über Streitgegenstand erfüllt sind

> Nach Fragestellung gerade nicht ausreichend: Bloße, weniger strenge Anforderungen stellende Zulässigkeit der Klage

> Maßgeblicher Zeitpunkt: Letzte mündliche Verhandlung

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I) Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs > Andernfalls: Verweisungsbeschluss gemäß § 173 S. 1 VwGO

iVm § 17 a II 1 GVG > Vorrangig zu prüfen, aber - mangels beamtenrechtlicher

Streitigkeit iSv § 40 II 2 1. Alt. VwGO („besonderen Vorschriften des Beamtenrechts“) iVm § 126 I BBG / § 54 I BeamtStG - nicht einschlägig: Aufdrängende Sonderzuweisung

> Stattdessen heranzuziehen: Verwaltungsrechtliche Generalklausel des § 40 I 1 VwGO

> Insoweit verlangt von § 40 I 1 VwGO: Öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht durch abdrängende Sonderzuweisung einem anderen Gericht zugewiesen ist

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1) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit > Maßgeblich für Rechtsnatur der Streitigkeit: Rechtsnatur

des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird

> Öffentlich-rechtliche Natur des Rechtsverhältnisses: (+), soweit streitentscheidende Norm öffentlich-rechtlicher Natur

> Weder dargetan noch sonst ersichtlich: Streitscheidende Norm

> In diesen Fällen hilfreich für Bestimmung der Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses: Sachzusammenhang zum öffentlichen Recht

> Für Sachzusammenhang zum öffentlichen Recht nowendig: Unmittelbarer Zusammenhang mit öffentlich-rechtlicher Tätigkeit oder Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben

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> Aufgabe der Industrie- und Handelskammer, die nach § 3 I IHKG eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ bildet, gemäß § 1 I IHKG: „Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen“

> Folglich für in Streit stehenden Lebenssachverhalt zu bejahen: Sachzusammenhang zum öffentlichen Recht

> Somit ebenfalls dem öffentlichen Recht zuzuordnen: Rechtsnatur der Streitigkeit

> Öffentlich-rechtliche Streitigkeit: (+)

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2) Nicht verfassungsrechtlicher Art > Maßgeblich für verfassungsrechtliche Art der Streitigkeit:

Grundsatz doppelter Verfassungsunmittelbarkeit > Voraussetzung für doppelte Verfassungsunmittelbarkeit:

Streit von unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligten über Rechte und Pflichten, die unmittelbar in der Verfassung geregelt sind

> Nicht erfüllt: Doppelte Verfassungsunmittelbarkeit > Nicht verfassungsrechtlicher Art: (+)

3) Keine abdrängende Sonderzuweisung > Ebenso wenig einschlägig: Abdrängende Sonderzuweisung

gemäß § 40 II 1 VwGO, Art. 34 S. 3 GG, Art. 14 III 4 GG oder § 23 I 1 EGGVG

> Keine abdrängende Sonderzuweisung: (+) > Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs: (+)

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II) Zuständigkeit des Gerichts > Ferner erwähnenswert: Sachliche und örtliche Zuständigkeit

des angerufenen Verwaltungsgerichts > Andernfalls: Verweisungsbeschluss gemäß § 83 S. 1 VwGO

(„entsprechend“) iVm § 17 a II 1 GVG > Vorgesehen in § 45 VwGO: Sachliche Zuständigkeit des

Verwaltungsgerichts > Nicht einschlägig: Ausnahme iFd erstinstanzlichen

Zuständigkeit des OVG gemäß § 47 VwGO / § 48 VwGO oder des BVerwG gemäß § 50 VwGO

> Heranzuziehen für örtliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte: § 52 VwGO

> Zu unterstellen: Zuständigkeit des Gerichts

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III) Beteiligte > Voraussetzung für Zulässigkeit der Klage: Beteiligungs- und

Prozessfähigkeit der Beteiligten > Beteiligte des Rechtsstreits gemäß § 63 Nr. 1 VwGO und

§ 63 Nr. 2 VwGO: Kläger und Beklagte > Unproblematisch: Beteiligungsfähigkeit des Klägers als -

unterstellt - natürliche Person iSv § 61 Nr. 1 1. Alt. VwGO > Ferner geregelt in § 61 Nr. 1 2. Alt. VwGO:

Beteiligungsfähigkeit juristischer Personen (des öffentlichen und des bürgerlichen Rechts)

> Juristische Person des öffentlichen Rechts: Körperschaften, Anstalten und Stiftungen (vgl. Aufzählung in § 1 I Nr. 1 VwVfG)

> Rechtsnatur der beklagten Industrie- und Handelskammer, die nach § 3 I IHKG eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ bildet: Juristische Person des öffentlichen Rechts

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> Abschließend zu klären: Prozessfähigkeit der Beteiligten gemäß § 62 VwGO

> Zu unterstellen: Prozessfähigkeit des Klägers als iSv § 62 I Nr. 1 VwGO nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähiger

> Zumindest nicht unproblematisch und daher erwähnenswert: Prozessfähigkeit der beklagten juristischen Person

> Im Hinblick auf Differenzierung in § 61 Nr. 1 2. Alt. VwGO und § 61 Nr. 2 VwGO zunächst wenig naheliegend: Einstufung juristischer Personen als „Vereinigung“ iSv § 62 III VwGO

> Dem Wortlaut nach in § 62 VwGO überhaupt nicht geregelt: Prozessfähigkeit juristischer Personen

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> Zu Vermeidung von sinnwidrigen Ergebnissen wegen drohender Unzulässigkeit von Klagen unter Beteiligung juristischer Personen wegen fehlender Prozessfähigkeit trotz von § 61 Nr. 1 2. Alt. VwGO vorausgesetzter Beteiligungsfähigkeit geboten: Großzügige Auslegung des Begriffs der „Vereinigung“ iSv § 62 III VwGO

> Vor diesem Hintergrund gleichfalls erfasst als „Vereinigung“ iSv § 62 III VwGO: Juristische Personen

> Damit auch für juristische Personen gemäß § 62 III VwGO maßgeblich: Vertretung der Beklagten durch seinerseits iSv § 62 I Nr. 1 VwGO nach bürgerlichem Recht geschäftsfähigen Vertreter

> Insoweit vorgesehen in § 7 II IHKG und zu unterstellen: Gerichtliche Vertretung der Industrie- und Handelskammer durch „Präsident (Präses) und Hauptgeschäftsführer“

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IV) Statthafte Klageart > Maßgeblich gemäß § 88 VwGO: „Klagebegehren“ > Klagebegehren: „Eingriff durch Fortführung ihrer von ihm

beanstandenden Benennungspraxis zu unterlassen“ > Zu erwägen: Statthaftigkeit der Anfechtungsklage > Voraussetzung gemäß § 42 I 1. Alt. VwGO: Dass Kläger

„Aufhebung eines Verwaltungsaktes“ begehrt > Damit fraglich: Ob die Führung oder Änderung der Liste einen

Verwaltungsakt iSv § 35 S. 1 (Hmb)VwVfG darstellt > Zu prüfen gemäß § 35 S. 1 (Hmb)VwVfG: „Verfügung,

Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“

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> Voraussetzung für „Regelung“ iSv § 35 S. 1 (Hmb)VwVfG: Dass die behördliche Maßnahme nach ihrem für den Adressaten erkennbaren, objektiven Gehalt eine verbindliche Rechtsfolge setzen soll

> Mangels „Regelung“ abzulehnen: Verwaltungsakt > Demnach nicht einschlägig: Anfechtungsklage > Stattdessen zu erwägen: Allgemeine Leistungsklage > Nicht zu finden in der VwGO: Gesetzliche Regelung der

allgemeinen Leistungsklage > Allerdings: Allgemeine „Leistungsklage“ in § 43 II 1 VwGO und

§ 111 S. 1 VwGO ausdrücklich vorausgesetzt und deshalb als Klageart allgemein anerkannt

> Statthaftigkeit der Leistungsklage: (+), wenn der Kläger die Vornahme oder Unterlassung einer nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Amtshandlung der Verwaltung erstrebt

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> Begehren des Klägers: Unterlassen schlichten Verwaltungshandelns

> Statthafte Klageart: Allgemeine Leistungsklage (iFd Unterlassungsklage)

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V) Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen der allgemeinen Leistungsklage

1) Passive Prozessführungsbefugnis > (Allgemeine) Sachentscheidungsvoraussetzung einer jeden

verwaltungsgerichtlichem Klage gemäß § 82 I 1 VwGO: Ordnungsgemäße Klageerhebung unter Bezeichnung des „Beklagten“

> Ferner besondere Sachentscheidungsvoraussetzung (hM): Zutreffende Bezeichnung des „Klagegegners“ („passive Prozessführungsbefugnis“)

> Insoweit nicht einschlägig, da besondere Vorschrift für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen im achten Abschnitt der VwGO: § 78 VwGO („Klagegegner“)

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> Ebenfalls abzulehnen mangels vergleichbarer Interessenlage: Analoge Anwendung des § 78 I VwGO auf die allgemeine Leistungsklage (hM)

> Stattdessen heranzuziehen: In § 78 I Nr. 1 VwGO zum Ausdruck kommendes „allgemeines Rechtsträgerprinzip“

> Demnach erforderlich: Klage gegen den Rechtsträger der Behörde, gegenüber der der Kläger das geltend gemacht Recht behauptet

> Zu unterstellen: Angabe der „Industrie- und Handelskammer“ als Klagegegner

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2) Klagebefugnis > Ebenso wenig anwendbar, da gleichfalls Vorschrift für

Anfechtungs- und Verpflichtungsklage: § 42 II VwGO > Gleichwohl geboten zwecks Ausschluss von Popularklagen

als allgemeinem Rechtsgedanken (hM): Analoge Anwendung des § 42 II VwGO auf die allgemeine Leistungsklage

> Klagebefugnis iRd allgemeinen Leistungsklage: (+), wenn der Kläger geltend macht, durch die Vornahme der öffentlich-rechtlichen Amtshandlung in seinen Rechten verletzt zu sein

> Zu prüfen: Ob nicht zu rechtfertigender Eingriff in den Schutzbereich eines subjektiven öffentlichen Rechts des Klägers (= „in seinen Rechten verletzt“) durch Vornahme der Amtshandlung möglich erscheint (= „geltend macht“) 29

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> Klagebefugnis demnach: (+), wenn Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Amtshandlung zumindest möglich erscheint

> Somit maßgeblich: Ob Anspruchsgrundlage für Klagebegehren zur Verfügung steht und das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zumindest nicht offensichtlich ausgeschlossen werden kann

> Maßstab für Anspruchsgrundlage („Schutznormtheorie“): Rechtsgrundlage für Vornahme der begehrten Amtshandlung, die zumindest auch dem Schutz der Interessen des Klägers derart zu dienen bestimmt ist, dass dieser die Einhaltung des Rechtssatzes verlangen kann

> Mögliche Anspruchsgrundlagen für erstrebte Amtshandlung: Sonderbeziehung, einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage und Grundrechte 30

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> Einzig denkbar: Unterlassungsanspruch des Klägers auf Abwehr gegenwärtiger oder zukünftiger Eingriffe zwecks Verhinderung der Störungsfolgen

> Da keine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage besteht, nicht unproblematisch: Anspruchsgrundlage für Unterlassungsanspruch

> Dafür zu differenzieren: Ob hoheitliches Handeln die Schwelle zum Grundrechtseingriff überschreitet

> Sofern Schwelle zum Eingriff in Grundrechte überschritten, zu beachten: Funktion der Grundrechte, die „Schutz der privaten natürlichen Personen gegen hoheitliche Übergriffe“ (BVerfG) vermitteln sollen

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> Demnach primäre Dimension der Grundrechte als Abwehrrechte: Schaffung von rechtlichen Grenzen für staatliches Handeln, um dem Einzelnen eine möglichst ungehinderte Entfaltung zu gewährleisten („status negativus“)

> Zumindest denkbar: Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG

> Als eröffnet zu unterstellen, weil Kläger als lebende natürliche Person - offenbar - iSv Art. 116 I GG „die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt“: Persönlicher Schutzbereich des Art. 12 I 1 GG („alle Deutschen“)

> Ebenfalls betroffen: Sachlicher Schutzbereich des Art. 12 I GG, der als „einheitliches Grundrecht“ die gesamte berufliche Tätigkeit erfasst

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> Definition für „Beruf“ iSv Art. 12 I GG: Jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist, der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient und nicht schlechthin gemeinschaftsschädlich ist

> Ferner für Bestimmung der Anspruchsgrundlage erforderlich: Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 I GG

> Wenig naheliegend, weil Kläger nicht Adressat der Maßnahme ist: „Klassischer“ Grundrechtseingriff durch ein Gebot oder Verbot, welches dem Betroffenen staatlicherseits zielgerichtet mit unmittelbarer Wirkung auferlegt wird

> Neben unmittelbaren Eingriffen ebenfalls denkbar: Bloß mittelbare Beeinträchtigungen, bei denen ein bestimmtes Verhalten öffentlicher Gewalt eine von mehreren Ursachen setzt, deren Zusammenwirken den nachteiligen Effekt auslöst 33

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> Kennzeichen dieser faktischen Beeinträchtigungen: Dass ihnen zumindest eines der beiden Elemente „Finalität“ und „Unmittelbarkeit“ fehlt

> Gleichwohl zu berücksichtigen: Nachteilige Wirkungen der staatlichen Maßnahme, die auch in nicht regelndem Verwaltungshandeln bestehen kann

> Bei faktischen, mittelbaren Beeinträchtigungen maßgeblich: Grundrechtswidriger Effekt, der in seinen Auswirkungen auf den Betroffenen den Folgewirkungen einer unmittelbaren Beeinträchtigung gleich- oder zumindest nahekommen muss

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Page 35: Finn Mengler - jura-rep.de · > Definition für „Beruf ... daß unter Berücksichtigung der Schutzfunktion des jeweiligen Grundrechts ... Juristische Person des öffentlichen Rechts

> Dazu BVerfG (BVerfGE 116, 202): „Der Grundrechtsschutz ist nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt. Vielmehr kann der Abwehrgehalt der Grundrechte auch bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs entfällt die Grundrechtsbindung nicht.“

> Andernfalls zu befürchten: Dass Exekutive dem nach Art. 12 I 2 GG bestehenden Erfordernis einer gesetzlichen Regelung durch Wahl der Handlungsform ausweicht, indem sie die angestrebte Beeinträchtigung nur mittelbar herbeiführt

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Page 36: Finn Mengler - jura-rep.de · > Definition für „Beruf ... daß unter Berücksichtigung der Schutzfunktion des jeweiligen Grundrechts ... Juristische Person des öffentlichen Rechts

> Dazu BVerwG (BVerwGE 87, 37): „Es ist daher inzwischen allgemein anerkannt, daß unter Berücksichtigung der Schutzfunktion des jeweiligen Grundrechts auch eine von einem schlicht-hoheitlichen staatlichen Handeln ausgehende bloß tatsächliche und mittelbare Betroffenheit des Grundrechtsträgers einen Grundrechtseingriff bedeuten kann“

> Letztlich kennzeichnend für mittelbare Eingriffe: Dass sie in Zielsetzung („Intention“) und / oder Wirkung („Intensität“) einer unmittelbaren Beeinträchtigung vergleichbar sind

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> In jedem Fall erforderlich bei Eingriffen in Art. 12 I GG, weil staatliche Maßnahmen oftmals Auswirkungen auf berufliche Tätigkeit haben und andernfalls nahezu jede Maßnahme am Maßstab des Art. 12 I GG zu messen wäre: „Berufsbezug“ der Maßnahme

> Insoweit zu unterscheiden: Subjektiv berufsregelnde Tendenz, die durch unmittelbare Vorgaben für das Ob und Wie einer beruflichen Tätigkeit gekennzeichnet ist, und objektiv berufsregelnde Tendenz, bei der typischer Weise beruflich ausgeübte Tätigkeiten mittelbar betroffen sind, deren Ausübung durch die Regelung „nennenswert behindert“ wird

> Kennzeichnend für mittelbare Eingriffe in Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG: Objektiv berufsregelnde Tendenz

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> Dazu BVerwG (BVerwGE 89, 281): „Ein Eingriff in diesen Schutzbereich der Berufsfreiheit liegt vielmehr bereits dann vor, wenn das betreffende hoheitliche Handeln aufgrund seiner tatsächlichen Auswirkungen die Berufsfreiheit zumindest mittelbar beeinträchtigt und insoweit eine deutlich erkennbare berufsregelnde Tendenz oder eine voraussehbare und in Kauf genommene schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit gegeben ist. So ist insbesondere in dem Ausschluß von staatlichen Wirtschaftsförderungsmaßnahmen, der bei den ausgeschlossenen Wettbewerbern einen erheblichen Konkurrenznachteil bewirkte, ein Eingriff in die Berufsfreiheit gesehen worden.“

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Grundrechte Fall 3

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> Ferner BVerwG (aaO): „Nach diesen Grundsätzen der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG, der sich der erkennende Senat anschließt, ist im Streitfall ein Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers gegeben. Nach den Feststellungen (…) dient die Benennungspraxis der Beklagten außer der Beratung der anfragenden Existenzgründer weitergehenden berufsregelnden und wirtschaftslenkenden Zwecken. Außerdem betreibt die Beklagte hinsichtlich der von ihr als geeignet angesehenen Unternehmensberater eine den freien Wettbewerb ausschaltende Zuteilungspraxis. Der Kläger, der von der Beklagten nicht mehr benannt wird, erleidet dadurch einen Wettbewerbsnachteil, der hinreichend gewichtig ist, um als Eingriff in die Berufsfreiheit gewertet zu werden.“

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> Nach diesen Maßstäben festgestellt angesichts objektiv berufsregelnder Tendenz: Mittelbarer Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG

> Da Schwelle zum Grundrechtseingriff überschritten ist, zu gewähren: Unterlassungsanspruch auf Grundlage des betroffenen Grundrechts

> (Insoweit unumstrittene) Anspruchsgrundlage für Unterlassungsanspruch: Art. 12 I GG

> Jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, weil verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in den Schutzbereich der Berufsfreiheit zumindest nicht auf der Hand liegt: Anspruchsvoraussetzungen

> Somit erfolgt: „Geltendmachung“ einer „Rechtsverletzung“ durch Vornahme der Amtshandlung iSv § 42 II VwGO

> Klagebefugnis: (+) 40

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3) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis > Voraussetzung für allgemeines Rechtsschutzbedürfnis:

Dass Kläger mit dem angestrengten gerichtlichen Verfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesses verfolgt

> Rechtsschutzbedürfnis bei Leistungsklagen daher: (-). wenn einfachere oder effektivere Möglichkeit des Rechtsschutzes besteht

> Insoweit zweifelhaft: Ob vor Erhebung der allgemeinen Leistungsklage ein Antrag an die zuständige Behörde auf Erbringung der begehrten Leistung erforderlich ist

> Jedenfalls erfolgt: Vorheriger Antrag an die Behörde > Somit gegeben: Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

> Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen: (+) > Sachentscheidungsvoraussetzungen: (+)

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B) Begründetheit > Obersatz für allgemeine Leistungsklage: Die Leistungsklage ist

begründet, soweit dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der öffentlich-rechtlichen Amtshandlung zusteht

> Somit zu klären: Ob zu Gunsten des Klägers eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung steht, die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind und sich das Anspruchsbegehren innerhalb des von der Anspruchsgrundlage umfassten Anspruchsinhalts hält

I) Anspruchsgrundlage > Zunächst zu klären: Anspruchsgrundlage für Begehren des

Klägers > Einschlägige Anspruchsgrundlage: Unterlassungsanspruch

aus Grundrecht auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG > Anspruchsgrundlage: (+)

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II) Anspruchsvoraussetzungen > Aufgabe des Unterlassungsanspruch: Abwehr gegenwärtiger

oder zukünftiger rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektives öffentliches Recht

> Dazu BVerwG (NVwZ 2015, 906): „Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt die begründete Besorgnis voraus, der Beklagte werde künftig durch sein hoheitliches Handeln rechtswidrig in die geschützte Rechts- und Freiheitssphäre des Klägers eingreifen“

> Demnach zu prüfen iRd Anspruchsvoraussetzungen: Gegenwärtiger oder zukünftiger hoheitlicher Eingriff in ein subjektives öffentliches Recht und Rechtswidrigkeit des Eingriffs

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1) Gegenwärtiger oder zukünftiger hoheitlicher Eingriff in ein subjektives öffentliches Recht > Zunächst vorausgesetzt: Gegenwärtiger oder zukünftiger

hoheitlicher Eingriff in ein subjektives öffentliches Recht > Bereits festgestellt: Hoheitlicher - mittelbar-faktischer -

Eingriff in den Schutzbereichs des Grundrechts auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG

> Gleichfalls anzunehmen: Gegenwärtigkeit des Eingriffs, der - im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - weiter andauert

> Gegenwärtiger oder zukünftiger hoheitlicher Eingriff in ein subjektives öffentliches Recht: (+)

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2) Rechtswidrigkeit des Eingriffs > Sodann vorausgesetzt: Rechtswidrigkeit des Eingriffs > Nach Rechtsgedanke des § 1004 II BGB Rechtswidrigkeit

des Eingriffs: (-), wenn Anspruchsteller zur Duldung des Eingriffs verpflichtet ist

> Nicht einschlägig: Duldungspflichten auf Grund Gesetzes oder eines Rechtsakts der Verwaltung

> Einzig denkbar: Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in den Schutzbereichs eines Grundrechts

> Dazu BVerwG (BVerwGE 89, 281): „Nach Art. 12 I 2 GG sind hoheitliche Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung zulässig; diese muß Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lassen“

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> Hintergrund „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ des BVerfG, die im Hinblick auf Demokratieprinzip und die gemäß Art. 20 II 1 GG vom Volk ausgehenden Staatsgewalt verlangt, dass der Gesetzgeber die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt

> Insoweit zwingend erforderlich für verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs in Schutzbereich der Berufsfreiheit, die gemäß Art. 12 I 2 GG „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt“: „Schranke“ iFe formellen Parlamentsgesetzes

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> Dazu BVerwG (BVerwGE 89, 281): „Ein Gesetz, das die Beklagte ermächtigt, in der erwähnten Weise die ihr ungeeignet erscheinenden Unternehmensberater vom Wettbewerb (…) auszuschalten und die Marktchancen unter den ihr geeignet erscheinenden Beratern aufzuteilen, ist nicht gegeben. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, erfüllt § 1 I IHKG, auf den sich die Beklagte beruft, diese Anforderungen nicht. Die Beklagte hat danach die Aufgabe, das Gesamtinteresse ihrer Mitglieder wahrzunehmen und die gewerbliche Wirtschaft zu fördern; dies berechtigt (…) nicht aber zu hoheitlichen Eingriffen in Grundrechte. § 1 I IHKG wäre auch zu unbestimmt, um den Anforderungen an eine Eingriffsermächtigung zu genügen; er ließe den Inhalt und die Grenzen eines solchen Eingriffs nicht erkennen.“

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> Ebenso wenig taugliche „Schranke“ iSd Regelungsvorbehalts gemäß Art. 12 I 2 GG: Richtlinien

> Dazu BVerwG (BVerwGE 89, 281): „Die Richtlinien selbst kommen als zureichende Rechtsgrundlage einer Berufsausübungsregelung nicht in Betracht; es ist gerade der Sinn des Art. 12 I 2 GG, die Regelung der Berufsausübung der vollziehenden Gewalt zu entziehen und dem Gesetzgeber zu überweisen. Die Richtlinien sind formell wie auch materiellrechtlich betrachtet Verwaltungsvorschriften und keine Rechtsnormen, wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat. Dies zeigt ihre Bezeichnung als ‚Richtlinie‘ und früher ‚Durchführungsbestimmung‘, der fehlende Hinweis auf eine Ermächtigungsgrundlage sowie die Art der Abfassung und der Publizierung.“

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> Somit bereits mangels tauglicher „Schranke“ ausgeschlossen: Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs

> Nicht einschlägige, zumal überaus seltene Ausnahme: Atypische Sonderkonstellation bei Maßnahmen von Hoheitsträgern in staatsleitender Funktion (vgl. OVG Münster, KissRÜ 06/2017, S. 248 f.)

> Dazu BVerwG (BVerwGE 89, 281): „Die Beklagte handelt demnach rechtswidrig, wenn sie bei der Benennung von Unternehmensberatern den Kläger ausnimmt; dieser kann insoweit Unterlassung verlangen.“

> Demnach festzuhalten: Rechtswidrigkeit des Eingriffs > Anspruchsvoraussetzungen: (+)

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III) Anspruchsinhalt > Anspruchsinhalt beim Unterlassungsanspruch: Unterlassung

des Eingriffs iFd Verhinderung der Störungsfolgen > Insoweit Aufgabe der Beklagten: Die Beeinträchtigung (durch

von ihr zu wählende Maßnahmen) zu unterbinden > Somit Anspruchsinhalt: Maßnahmen, die Schutz vor Eingriffen

in Berufsfreiheit durch beanstandete Benennungspraxis gewähren

> Begründetheit: (+)

C) Ergebnis > Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben und Klage

begründet

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Staatshaftungsrecht Einheit 1Grundrechte Fall 3

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Grundrechte Fall 4

Zur häuslichen Nachbereitung!

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Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

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