12
Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr ~12 Minuten Lesezeit Recht auf Faulheit Warum wir nicht mehr, sondern weniger Arbeit benötigen. von Felix Feistel Foto: Olga Danylenko/Shutterstock.com Gesellschaftliche Utopien bewegen sich heutzutage fast ausschließlich innerhalb des herrschenden Systems. Linke Kräfte begnügen sich schon lange damit, marginale Verbesserungen des Status Quo zu fordern. Doch diese lösen das grundlegende Problem nicht, zum Beispiel das der Arbeitslosigkeit. In Zeiten zunehmender Rationalisierung und Automatisierung macht es keinen Sinn mehr, Arbeitende anzutreiben und Arbeitslosen ein schlechtes Gewissen einzureden. Wir müssen mehr Arbeitslosigkeit wagen, die Arbeit gerechter verteilen und endlich ohne Scham genießen, was uns der technologische Fortschritt an Möglichkeiten beschert.

Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr~12 Minuten Lesezeit

Recht auf FaulheitWarum wir nicht mehr, sondern weniger Arbeit benötigen.

von Felix Feistel Foto: Olga Danylenko/Shutterstock.com

Gesellschaftliche Utopien bewegen sich heutzutage fastausschließlich innerhalb des herrschenden Systems.Linke Kräfte begnügen sich schon lange damit,marginale Verbesserungen des Status Quo zu fordern.Doch diese lösen das grundlegende Problem nicht, zumBeispiel das der Arbeitslosigkeit. In Zeitenzunehmender Rationalisierung und Automatisierungmacht es keinen Sinn mehr, Arbeitende anzutreibenund Arbeitslosen ein schlechtes Gewissen einzureden.Wir müssen mehr Arbeitslosigkeit wagen, die Arbeitgerechter verteilen und endlich ohne Scham genießen,was uns der technologische Fortschritt anMöglichkeiten beschert.

Page 2: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

Doch genau darin schwingt das Problem jeder Massenbewegungmit. Schon lange arbeiten linke Bewegungen daran, winzigeVerbesserungen in Teilbereichen des gesellschaftlichen Lebens zuerwirken. So hat sich die Sozialdemokratie bereits vor einemJahrhundert mit der Form der Herrschaft arrangiert, die durch Geldbestimmt ist, hat das Dogma vom Wirtschaftswachstumübernommen und arbeitet nur daran, mehr Arbeitsplätze zuschaffen und diese mit einem minimalen Lohn zu vergelten. Siebeschränken ihre Forderungen darauf, die Verhältnisse innerhalbdes Systems zu „verbessern“. Das herrschende Systemgrundsätzlich in Frage zu stellen, diese Idee verfolgen sie schonlange nicht mehr. Dabei ist es gerade dieses System, das Elend,Armut und Arbeitslosigkeit auf der einen und unbezahlteÜberstunden auf der anderen Seite produziert.

Was damit unter den Tisch fällt ist, dass eine Gesellschaft, die aufewigem Wirtschaftswachstum basiert und die Menschen zwingt,sich einer Arbeit zu unterwerfen, um sich ein Leben zu „verdienen“,auf Dauer nicht funktionieren kann. Eine solche Gesellschaftrechtfertigt nämlich jede Maßnahme, die mit dem Versprechen auf„mehr Arbeitsplätze“ unternommen wird, vollkommen unabhängigdavon, welcher Art dieser Arbeitsplatz ist. Ein Arbeitsplatz in derRüstungsindustrie ist damit ebenso viel wert wie einer in der

In diesen Tagen machen die Meldungen über die Gelbwesten inFrankreich die Runde. Die einen bestaunen bewundernd, dieanderen belächeln kopfschüttelnd jene aufgebrachten Menschen,die jedes Wochenende in für Autofahrer obligatorischenWarnwesten die Straßen unseres Nachbarlandes unsicher machen,den Rücktritt Macrons fordern und eine Verbesserung ihrerLebenssituation verlangen. Höhere Mindestlöhne, eineMindestrente, ein Ende der Obdachlosigkeit, eine Senkung derMieten, das Recht auf Arbeit sind nur einige Forderungen derGelbwesten.

Page 3: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

Krankenpflege und darüber hinaus in der Regel besser bezahlt.

Die Zahl der Arbeitslosen möglichst gering zu halten,gibt jede Regierung als ihr Ziel an. Nach der Bezahlungder Arbeitsplätze wird, wenn überhaupt, nur verhaltengefragt.

So brüstet sich die Bundesregierung regelmäßig damit, inDeutschland würden so viele Menschen arbeiten, dass wir nahe ander Vollbeschäftigung seien. Dass ein großer Teil der Menschen vonihrer Arbeit aber überhaupt nicht leben kann und damit entwedergezwungen ist, zusätzliche Sozialleistungen zu beziehen oder gleicheinen zweiten Job anzunehmen, wird dabei geflissentlichverschwiegen.

Mit der Rechtfertigung, Arbeitsplätze schaffen zu wollen, werdenUnternehmenssteuern gesenkt, die ansonsten angeblich dieUnternehmer abschrecken würden, in Deutschland zu investieren.Es werden immer neue Fabriken aus dem Boden gestampft; jungeMenschen dazu angehalten, sich optimal auf die Verwertung für dasKapital vorzubereiten, indem sie „Gründer“ werden und „Start-Ups“hochziehen. Das ganze Bildungssystem wurde darauf ausgerichtet,die Jugend auf ein Leben unter der Knechtschaft der Arbeitvorzubereiten.

Sklaverei

Denn genau darum handelt es sich: Lohnarbeit ist nichts anderes alsmoderne Sklaverei. Dadurch, dass die Möglichkeit, am Leben zubleiben, an die Bedingung des Geldverdienens geknüpft wurde,müssen sich die Menschen dem Zwangssystem dieser Lohnarbeitunterordnen. Ohne Geld kein Dach über dem Kopf, nichts zu Essen,nichts zu Trinken. Ohne Geld winkt der baldige Tod. Diesen stetsvor Augen, akzeptieren die Menschen jeden noch so erniedrigenden

Page 4: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

Job bis hin zur Prostitution.

Diese Logik des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist es auch, dieWilderer dazu treibt, massenhaft Elefanten und Nashörner zu töten,um deren Elfenbein zu verkaufen. Diese Logik ist es, die Menschendazu bringt, den Regenwald abzuholzen, um Platz für Sojaplantagenzu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten vonFischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche dieAusrottung ganzer Arten rechtfertigt. Alle diese Menschenbenötigen das Geld, um sich und ihre Familien zu ernähren.

Diese Logik ist es auch, die den Abbau und die Nutzung fossilerBrennstoffe rechtfertigt. Denn die ganze Wirtschaft hängt am Tropfdieser angeblich billigen Energie. Eben diese Wirtschaft schafft dieArbeitsplätze, die der Einzelne benötigt, um Geld für seinenLebensunterhalt zu verdienen. Er muss arbeiten, um sich ein Lebenim System „leisten“ zu können. Das ganze System basiert auf derSklaverei der Mehrheit der Menschen.

Die Grundlage für diese Sklaverei wurde jedoch schon vor langerZeit gelegt. Ihr ging eine große Welle der Enteignung voraus, welchedie Menschen in die Städte trieb, direkt in die Arme derindustriellen Unternehmer. Das Land gehörte nun nur noch denGroßgrundbesitzern, die eine Minderheit der Menschen auf ihrenFeldern beschäftigen konnten. Die Erträge kamen jedoch nicht denarbeitenden Menschen zugute, sondern den Landeigentümern.Hiernach fand sich die Masse der Menschen alsbald in den Fabrikenund Minen der Industrie wieder. Dort waren sie zu einemHungerlohn gezwungen, zwölf Stunden oder länger zu arbeiten, undkonnten am Ende trotzdem kaum von ihrer Arbeit leben. DieserTrend setzt sich heutzutage in jenen Regionen der Erde fort, indenen der Kapitalismus erst später Einzug gehalten hat, mitverheerenden Folgen.

Nun leben wir nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert, und die

Page 5: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich zumindest hier imsogenannten „globalen Norden“ verbessert. Es gibt geregelteArbeitszeiten, Mindestlohn, Renten und so weiter. Doch das Prinzipist und bleibt dasselbe. Menschen sind gezwungen, in den Betriebender Unternehmer zu arbeiten, nur, um sich ein Leben „leisten“ zukönnen.

Freiwillige Unterwerfung

„Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.“Dies ist ein Zitat, das Goethe zugesprochen wird. Niemand hält sichfür freier als die heutigen Sklaven. Wie oft hört man, wir lebten ineiner freien Welt? Doch ist diese Gesellschaft wirklich so frei? Wiefrei kann ein Mensch sein, der sich den Zwängen desGeldverdienens unterworfen sieht? Wie frei ist er, wenn er seinganzes Leben an diesem einen Ziel ausrichten muss, und ihm allesandere unterordnet? Wie frei kann ein Mensch sein, der sein ganzesLeben lang zu arbeiten gezwungen ist, Steuern zahlt, in dieRentenkasse einzahlt, Versicherungen bezahlt und in vielen Fällenam Ende seines Lebens kaum genug Rente erhält, um einwürdevolles Leben zu führen?

Die Wahrheit ist: Die einzige Freiheit, die wir in unsererGesellschaft haben, ist jene zu wählen, welchem Herrenwir uns andienen, auf welche Art und Weise wir unsversklaven lassen wollen.

Denn irgendjemandem muss man sich unterwerfen. BMW oderAudi? Bayer oder Monsanto? Dem Staat oder der Privatwirtschaft?Deutscher Bank oder Volksbank? Irgendeinen Herren gibt es immer,einen Herren, von dessen Gunst der Verdienst abhängt und dernach Gutdünken über Anstellung, Beförderung oder Kündigungentscheidet.

Page 6: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

Der Mensch ist in dieser Gesellschaft nur etwas wert, wenn er sichseine Stellung in ihr verdient. Er wird zwar frei geboren, dochunmittelbar darauf wächst er mit Zwängen und Ängsten auf. Ermuss eine Gegenleistung dafür erbringen, dass er leben darf. Aufdiese Weise ist die Würde des Menschen kaum mehr als ein leeresVersprechen auf dem Papier des Grundgesetzes. Die MillionenHartz-IV-Empfänger können davon ein Lied singen. Ein würdevolles

Leben allein auf Basis der Tatsache, dass der Mensch lebt, gibt esnicht.

Dennoch hält sich das Märchen von der Freiheit hartnäckig. Darüberhinaus ist es den Herrschenden sogar gelungen, jeden Widerstandder Sklaven gegen ihre Versklavung schon im Keim zu ersticken,indem sie diese dazu gebracht haben, sich vollkommen mit ihrerArbeit zu identifizieren. Ihr Credo: Arbeit ist heutzutage keineMühsal mehr, um seinen Lebensunterhalt hart zu verdienen, Arbeitist heutzutage Selbstverwirklichung. Das ganze Leben scheint sichausschließlich um die Arbeit zu drehen. So werden schon kleineKinder, sobald sie sprechen können, gefragt: „Was willst du spätermal werden?“ Wie oft kommt es vor, dass ein Mensch, zumindesthier in Deutschland, gleich nach dem Kennenlernen seinen Berufangibt, so als sei er ein unablösbarer Bestandteil seinerPersönlichkeit?

Diese Identifikation mit der Arbeit führt zu derenÜberhöhung. Arbeit ist längst schon zum Fetischverkommen, mit dem sich die Menschen ihrer eigenenSelbstwirklichkeit und ihres Selbstbildnisses versichern.

„Ich arbeite, also bin ich“ könnte das Credo unserer heutigenZivilisation lauten.

Die ganze Gesellschaft orientiert sich am Thema Arbeit. Werarbeitet, der wird allgemein geachtet, wohingegen Arbeitslosenaserümpfend als „faul“ oder gar als „Sozialschmarotzer“ denunziert

Page 7: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

werden. In der Logik dieser auf Arbeit fixierten Gesellschaft ergibtdas sogar Sinn. Denn sie hat ein System geschaffen, in derArbeitslose auf Sozialhilfe angewiesen sind. Für diese kommt jedochjeder einzelne Arbeitende mit auf. Arbeitslose leben somit „aufKosten der Allgemeinheit“.

Mit dieser Indoktrination haben die Herrschenden erreicht, dasssich die Sklaven mit ihrer Ausbeutung identifizieren, sie begrüßenund geradezu verehren. Als gottgleich gilt heutzutage, wer sich 80Stunden in der Woche seiner Arbeit widmet. Familie und Soziallebenspielen in dieser Welt überhaupt keine Rolle mehr, sie werden derArbeit untergeordnet. Solche Menschen werden bewundert, manspricht nur voller Respekt von und mit ihnen, anstatt sie für dieVernachlässigung ihrer Liebsten oder ihren Beitrag zur Zerstörungder Umwelt zu tadeln und ihren Wahn als solchen zu demaskieren.

In einer solchen Gesellschaft ist es also kein Wunder, dass auchlinke Kräfte, seien es Parteien oder spontan entstandeneBewegungen, nichts als die Verbesserung des Status Quo verlangen.Die Vorstellung, ein anderes Leben könnte möglich sein, wurdelängst aus dem kollektiven Vorstellungsvermögen getilgt und wäredoch dringend notwendig.

Recht auf Faulheit

Schon Karl Marx forderte ein „Recht auf Arbeit“. Dem widersprachbereits Ende des neunzehnten Jahrhunderts sein Schwiegersohn,Paul Lafargue. In seiner Schrift „Recht auf Faulheit“ legte er dar,dass die Menschen kein Recht auf Arbeit brauchen, sondern imGegenteil, dass es notwendig sei, die Arbeitszeit zu verringern. DreiStunden Arbeit am Tag sollten laut Lafargue genügen, den Rest derZeit solle der Mensch mit Faulenzen und Feiern verbringen. Dies seinotwendig, um die Überproduktion der kapitalistischen Gesellschaft

Page 8: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

abzubauen, die in regelmäßigen Abständen zu Wirtschaftskrisenund Massenarbeitslosigkeit führt.

Bereits damals erkannte Paul Lafargue, was wir auch heutebeobachten können. Denn anstatt in einer Krise die Fabriken zustürmen und von den Eignern einen Anteil an der Überproduktionzu fordern, baten die Arbeiter nur vollkommen unterwürfig umArbeitsplätze. Der Arbeitsfetisch war also damals offenbar genausoausgeprägt wie heute. Dass das ganze System, das auf Ausbeutungund Sklaverei basiert, ungeeignet ist, eine Gesellschaft aus freienMenschen zu organisieren, kommt den Menschen damals wie heutenicht in den Sinn und so verlangen sie stets nur eine Verbesserungihrer Stellung in diesem System.

Dabei wäre ein vollkommener Wandel dringend notwendig. Dennangesichts des Klimawandels und der Umweltzerstörung, die sich injeden Winkel der Erde frisst, offenbart sich, dass die Fixierung aufdie Arbeit und auf Wachstum zerstörerische Folgen hat. Produktionbringt Arbeitsplätze, doch ebenso zerstört sie die Umwelt, dieGrundlage unser aller Lebens. Ein steigendes Bruttoinlandsprodukt,das den Austausch von Waren und Dienstleistungen eines Jahresanzeigt, ist somit gleichbedeutend mit steigenderUmweltzerstörung und indiziert damit einen weiteren Schritt inRichtung des Untergangs der Menschheit. Die Natur fällt demkapitalistischen Wachstumswahn zum Opfer. So könnte und sollteman dem Arbeitslosen zugutehalten, dass er zumindest nicht aktivan der Zerstörung der Umwelt partizipiert.

Alles, was den im System vollkommen verwurzelten Denkern dessogenannten Fortschritts zum Thema Arbeit jedoch einfällt, ist einesogenannte Digitalisierung, manchmal in Verbindung mit einembedingungslosen Grundeinkommen. In dieser Welt wäre dasGrundproblem aber nicht behoben: Statt Menschen führen nunMaschinen die nutzlose Arbeit aus, zerstören also an ihrer statt dieUmwelt, verbrauchen Ressourcen und verwandeln die

Page 9: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

Erdoberfläche in eine Müllhalde.

Auf diese Weise würde sich das Trauma der Menschen jedoch nurverschärfen. Hat man sich zuvor immerhin noch mit seiner Arbeitidentifiziert, so bleibt nun nichts weiter als der hemmungsloseKonsum, der gleichsam zum Zwang wird, da erst dieser das Systemdes bedingungslosen Grundeinkommens finanzieren würde. Diemaschinell ausgeführte Arbeit würde also nur zunehmen, damiteinher ginge die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlage.Der Fetisch der Arbeit bliebe erhalten, wenn auch ausgeführt vonMaschinen, und taugt somit nicht einmal mehr zumIdentifikationsmerkmal des Menschen.

Dabei ließe sich Gesellschaft auch vollkommen anders organisieren.

Wenn man sich all der überflüssigen Produktionentledigte, die keinerlei objektiven Nutzen hat, außer,die Taschen einiger weniger Menschen noch weiter zufüllen, würde ein großer Teil der Arbeitsplätzewegfallen. Die Menschen wären endlich wieder frei, sichum ihre Leben zu kümmern.

Wenn man die menschlichen Bedürfnisse auf das reduzierte, was siewirklich benötigen: Nahrung, Wasser, ein Dach über dem Kopf,Kleidung, medizinische Versorgung, Wärme und ein ausgeprägtesSozialleben, könnte man das Überleben der Menschheit auf langeSicht sichern.

Der Umweltzerstörung würde so entgegengetreten, da dieProduktion überflüssiger Güter abgeschafft würde, der Klimawandelkönnte auf diese Weise zumindest noch begrenzt werden. DieMenschen könnten sich wieder um das kümmern, was sie wirklichfür ihr Leben benötigten. Was tatsächlich erforderlich ist, ist eineökologisch verträgliche Landwirtschaft, am besten inPermakulturen, sowie eine ebenso ökologisch verträgliche

Page 10: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

Forstwirtschaft, der die Rohstoffe für den Bau von Häusernentnommen werden.

Industrie, Erdöl und Kohle sind dabei verzichtbar, ebenso wiePlastik und giftige Abwässer und Abgase entfallen. Das bisschenArbeit, das in einer solchen Gesellschaft noch anfiele, ließe sichgleichmäßig auf alle Schultern verteilen, sodass dieGesamtarbeitszeit auf ein Minimum beschränkbar wäre. Arbeit wirdnicht ganz verschwinden, doch der Unterschied ist, dass dann dieMenschen wieder für sich selbst und zugleich für eine solidarischeGemeinschaft arbeiteten, ohne einen Herren, der sie versklavt undsich an ihnen bereichert.

Auch die Verknüpfung von Geld mit Arbeit wäre nicht längernotwendig. Die Erträge der Landwirtschaft lassen sich fair undgleichmäßig auf jeden verteilen, ohne dass dafür immer eineGegenleistung erforderlich wäre. Es gilt das Motto: „Jeder wie erkann, jedem wie er braucht.“ Auf diese Weise fallen auchVersicherungen, Renten und andere Dinge weg, um die sichMenschen heutzutage tagtäglich Sorgen machen müssen. Der Arzthilft jedem, auch ohne Geld dafür zu erhalten, die Altersversorgungkommt in Form von Nahrung, Kleidung und einer Garantie auf dieWohnung, in der man ohnehin schon wohnt.

Die Gesellschaft, die Paul Lafargue forderte, wäre eine, die diesenNamen wieder verdient. Ein ausgeprägtes Sozialleben, einGrundbedürfnis des Menschen, scheint in unserer heutigenGesellschaft nicht möglich. Doch wenn wir uns vom Arbeitsfetischsowie dem damit verbundenen Statusdenken frei machen, wenn dasMittel des Geldes wegfällt und jeder gleichberechtigt leben, arbeitenund faulenzen darf, dann kann eine lebenswerte Gesellschaftentstehen, in der jeder tatsächlich „gut und gerne lebt“.

Dies ist eine Forderung, die den grundlegenden Funktionsweisender heutigen Gesellschaft fundamental widerspricht, und mit der

Page 11: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche

die meisten Menschen, die sich zu sehr mit ihrer Sklavereiidentifizieren, nichts anfangen können. Sie ist aber gleichsamnotwendig, um eine ökologische und sozialverträglicheTransformation zu bewirken. Erst wenn die überflüssige Produktion,die industrielle Landwirtschaft und der Zwang, Geld zu verdienen,abgeschafft sind, können die Menschen wirklich frei sein, und erstdann lässt sich auch die Natur als unsere Lebensgrundlage erhalten.Die Alternative ist, dass wir uns selbst in den Untergangwirtschaften. Wollen wir das wirklich?

Stehen wir also auf für ein Recht auf Faulheit!

Felix Feistel, Jahrgang 1992, schreibt in vielfältigerWeise über die Idiotie dieser Welt und auch gegen diesean. In einer auf Zahlen und Daten reduzierten Welt, dieihm schon immer fremd war, sucht er nachMenschlichkeit und der Bedeutung des Lebens. Erversucht, seine Kräfte und Talente für die Gestaltungeiner lebenswerten Welt einzusetzen, indem er sichgegen Ungerechtigkeit und Zerstörung wendet. Trotz desüberall grassierenden Wahnsinns ist er nicht bereit, denGlauben an das Gute im Menschen und sein Potenzial,den Planeten in ein Paradies zu verwandeln, aufzugeben.Er ist Mitglied der Rubikon-Jugendredaktion undschreibt für die Kolumne „Junge Federn(https://www.rubikon.news/kolumnen/junge-federn)“.

Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung -Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International(https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de)) lizenziert.Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten undvervielfältigen.

Page 12: Freitag, 25. Januar 2019, 13:00 Uhr Recht auf Faulheit · zu schaffen. Diese Logik ist es, die das Fangen und Töten von Fischen und Walen rechtfertigt. Diese Logik ist es, welche