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Friedensmission

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Nr. 1923

Friedensmission

Der Aufbruch der Solmothen - unddie Tricks der Galaktiker

von Susan Schwartz

An die Völker der Milchstraße ging die Einladung des Imperators, nach Arkon zuKommen und dann ein neues Galaktikum zu gründen. Diese Einladung widersprichtder Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte dermaßen, daß die anderen Natio-nen erst einmal reserviert reagieren. Nach wie vor belauern sich im Jahr 1290 NeuerGalaktischer Zeitrechnung die galaktischen Großmächte: das Kristallimperium derArkoniden, die Liga Freier Terraner der Menschen sowie das Forum Raglund, in demsich verschiedene Sternenreiche zu einem lockeren Bund zusammengeschlossenhaben.

Dabei litten die Bewohner der Galaxis vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam unterder Bedrohung durch die Tolkander und deren »Mutter« Goedda. Zwar konnte dieGefahr beseitigt werden, trotzdem bleibt der Verlust von 52 bewohnten Planeten undderen kompletter Bevölkerung. Milliarden von intelligenten Wesen fielen somit der In-vasion zum Opfer.

Auch auf der Erde gab es zahlreiche Todesopfer, als die barbarischen Dscherrogroße Teile Terranias in Schutt und Asche legten. Diese Gefahr konnte ebenfalls be-seitigt werden - es blieben jedoch eine zerstörte Stadt sowie zahlreiche Tote undVerletzte.

Hintergrund für die Angriffe der Tolkander und der Dscherro ist eine Macht, die un-ter dem Begriff Shabazza bekannt ist, von der aber außer einigen Führungspersön-lichkeiten so gut wie niemand weiß. Da die Menschheitsgalaxis zum Einflußbereichder mysteriösen Koalition Thoregon gehört, die von Shabazza bekämpft wird, sind al-le Planeten der Milchstraße ein potentielles Angriffsziel. Da scheinen die neuen Plä-ne der Arkoniden die Lage nur noch weiter zu verschärfen. Bis ein bislang unbekann-tes Volk auf den Plan tritt - und die Solmothen aufbrechen zu ihrer FRIEDENSMISSI-

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ON …

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Die Hautpersonen des Romans:Bré Tsinga - Die junge Psychologin geht in einen »feuchten Einsatz«.Cistolo Khan - Der LFT-Kommissar hat nicht nur mit innenpolitischem Ärger seine Probleme.Battanboo - Der alte Solmothe bricht zu einer Friedensmission in die Galaxis auf.Atlan - Der Arkonide beobachtet die Aktivitäten in seiner alten Heimat.Genhered - Der Nonggo schöpft neuen Lebensmut.

1. Terra

Immer wenn man glaubt, schlimmer kannes nicht mehr kommen, wird einem nocheins draufgesetzt, dachte Cistolo Khan.

Er blickte auf die Datumsanzeige 1. Mai1290 N GZ. Der Terraner seufzte. Seit dieDscherro die Hauptstadt der Erde überfallenhatten, war der LFT-Kommissar äußerlichum gut zwanzig Jahre gealtert. Innerlichfühlte er sich gelegentlich noch weitaus äl-ter. Im nachhinein war ihm klar, daß er Feh-ler begangen hatte. Öffentlich eingestehenkonnte er das nicht, die politische Situationließ das nicht zu.

Fehler begangen - das klingt so harmlos,dachte er selbstkritisch. Man könnte sagen,daß ich einen nicht wiedergutzumachendenFehler nach dem anderen- gemacht habe.

Genau das warf ihm die Opposition vor.Die Politiker und die kritischen Medien-menschen wußten nicht, wie sehr CistoloKhan in jenen Tagen gelitten hatte, als dieBarbaren von den Sternen über eine MillionMenschen unter brutalen Bedingungen ge-fangengehalten hatten.

Aber Khan war nach wie vor Kommissarder Liga Freier Terraner und trug Verant-wortung. Wenn überhaupt, konnte er seinenRuf nur durch die weitere Vorgehensweisewiederherstellen, indem er die nunmehr an-stehenden Probleme bewältigte und denWeg für die Zukunft bereitete.

Die Terraner mußten notgedrungen nocheine Weile mit ihm als Kommissar leben,zumindest bis zum 18. August, wenn dieNeuwahlen stattfanden. Solder Brants Be-liebtheit wuchs stetig an. Wenn der Politikerder Liberalen Einheit die Wahl gewann,würde nicht nur Paola Daschmagan als Erste

Terranerin ihren Posten verlieren. Mit ihrwürde Cistolo Khan gehen - das war demLFT-Kommissar bewußt.

Ein Assistent streckte den Kopf durch dasgeöffnete Schott zu seinem Arbeitszimmerherein. »Die Pause ist beendet«, meldete er.

Cistolo Khan seufzte schicksalsergeben.Schon, dachte er. Die vielen Sitzungen er-müden nur und bringen am Ende gar nichts,doch das ist eben das, was man Politiknennt. Dabei hätte ich wichtigere Dinge zutun …

Aber eine Gruppe von LFT-Delegiertenhatte seine Anwesenheit verlangt, also bliebihm nichts anderes übrig. Als LFT-Kommissar war er letzten Endes »nichtmehr« als ein hochrangiger Beamter der Re-gierung und deshalb den Parlamentariern zurAuskunft verpflichtet.

Ich hasse parlamentarische Ausschusse,dachte er mißmutig.

*

»… drehen uns doch dauernd im Kreis«,hörte er aus dem Konferenzraum schallen.

Die volltönende Stimme kannte CistoloKhan, sie gehörte einer Oxtornerin namensLenja Dhaal. Neben ihr hielten sich andereTerra-Abkömmlinge in dem Raum auf: Eswaren Umweltangepaßte, Gäaner, Plophoserund weitere Angehörige der knapp 1000 as-soziierten Systeme, die nicht zu den 711»engeren« Liga-Planeten gehörten.

Die Oxtornerin unterbrach sich mitten imSatz, als Khan den Raum betrat. Obwohl inseinem Ansehen schwer angeschlagen, be-saß er immer noch genügend Autorität undAusstrahlung, um bemerkt zu werden.

»Ich wollte nicht deine Argumentationdurcheinanderbringen«, sagte der LFT-

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Kommissar freundlich, während er sich setz-te. »Bitte, fahre fort.«

»Ich sagte gerade, daß wir uns im Kreisdrehen«, nahm Lenja Dhaal den Faden wie-der auf. »Wir haben das Angebot von Arkonvor zwei Wochen erhalten, und seitdem dis-kutieren alle Ausschüsse, Fraktionen undParteien ständig über dieselben Punkte, ohneAussicht auf Erfolg!«

»Ich habe die Punkte hier aufgelistet«,meldete sich Lark Tupand zu Wort und hobein auf Folien ausgedrucktes Datenwerkhoch.

Der Gäaner mit den grauen Strähnen imschwarzen Haupthaar nahm sich selbst gernwichtig und ging den anderen Delegiertenmit seinen schriftlichen Aufzeichnungensehr oft auf die Nerven. Khan fragte sich seitJahren, aus welchen Gründen die mit Terraassoziierten Menschen aus der Provcon-Faust den Mann ins Liga-Parlament entsandthatten. Wahrscheinlich ist ihnen der Kerl aufTerra lieber als auf Gäa, dachte er.

»Das muß doch wirklich nicht sein!«wehrten sich mehrere Delegierte. »Wir allekennen die Punkte doch in- und auswen-dig!«

»Vielleicht sollten wir sie aber dennochan dieser Stelle zusammenfassen«, unter-brach Khan, »denn ich glaube, wir haben dieeigentliche Diskussion längst aus den Augenverloren. Bitte, Lark!«

Er nickte dem Gäaner ermutigend zu, dersich vor Glück über die unerwartete Auf-merksamkeit fast verhedderte. Im letztenAugenblick konnte er verhindern, daß ihmseine Aufzeichnungen aus der Hand fielen.

»Also, das ist folgendermaßen«, begannLark hektisch. »Erstens: Meinen die Arkoni-den ihr Angebot ernst, oder bezwecken sieetwas damit? Zweitens:

Wollen sie möglicherweise das Galakti-kum erst recht schwächen, indem sie durchdiesen Streitpunkt Zerwürfnisse schaffen?Drittens: Nutzen die Arkoniden unsere Ab-lehnung als Vorwand für einen galaktischenKrieg?«

»Sehr schön«, kommentierte Lenja Dhaal

sarkastisch. »Nun wissen wir ja glücklicher-weise endlich, worum es seit 14 Tagengeht.«

Die Oxtornerin erhielt eine Menge Bei-fall. Wenigstens in dieser Hinsicht waren siesich alle einmal einig. Die Stimmung besser-te sich augenblicklich und wurde gelöster.

»Was errechnet denn nun NATHAN?«sprach die Ertruserin Sirkne Vuil dazwi-schen. Mit ihrem Stimmvolumen schaffte sieschnell Ruhe. »Haben die Berechnungen derMondsyntronik endlich etwas anderes erge-ben?«

»Nein«, mußte Khan zugeben. »Da sichdie Parameter inzwischen nicht geändert ha-ben, bleibt es bei der bekannten Hochrech-nung: Die Arkoniden wollen sich mit dieser… hm … großzügigen Geste lediglich profi-lieren und sich auf diese Weise erneut eineVormachtstellung in der Milchstraße ver-schaffen.«

»Also drehen wir uns weiter im Kreis undkommen zu keinem Ergebnis«, faßte diekahlköpfige Oxtornerin zusammen. »Oderhaben sich die Ansichten der hier Anwesen-den inzwischen geändert?« Sie grinste.»Genau das habe ich vorhin gesagt.«

»Meine persönliche Ansicht ist hier nichtausschlaggebend, da ich ausschließlich mei-ne Regierung vertrete«, meldete sich der De-legierte von Olymp, Stendar Kolomb, zuWort.

Kolomb war nicht zu beneiden, wie Cisto-lo Khan wußte. Seit einiger Zeit wurde dieehemalige Freihändlerwelt von einer Mehr-parteienkoalition regiert, die ständig»schwächere« - durch die Tolkanderkrisewaren die andauernden Probleme zwischenden einzelnen Parteien nur verschärft wor-den. Dementsprechend wechselten die An-forderungen, die der Delegierte erfüllenmußte.

Nicht zuletzt deshalb hielt er sich mei-stens im Hintergrund, ließ die anderen hitzigdebattieren und gab sich undurchschaubar.Seine Gesichtshaut war auffällig glatt, under brachte es fertig, Gesten und Mimik aufein Minimum zu reduzieren, so daß niemand

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wußte, woran man mit ihm war.»Wir wissen, daß du nur ein kleines Räd-

chen bist«, schnappte Sirkne Vuil verächt-lich. Sie hatte für »geschniegelte und aal-glatte Typen«, wie es die Ertruserin nannte,nichts übrig. »Und paß bloß auf, daß dirnicht doch mal eine Regung entkommt!« Ihrviolett gefärbter Haarkamm wippte, alswollte er die Aussage unterstreichen.

Diese Provokation war viel zu mild. Sten-dar Kolomb würdigte sie nicht einmal einesBlickes aus seinen glanzlosen, hellen Au-gen.

Mit ebenso »farbloser« Stimme fuhr erfort: »Die Regierung von Olymp ist jeden-falls der Ansicht, daß das Angebot der Arko-niden keinesfalls ehrlich gemeint ist. DasKristallimperium hat zwar eine Menge Geldund Zeit investiert, um die Palaststadt Mir-kandol in der Wüste Khoukar zu errichten,aber diesen Elan kennen wir nur zu gut ausder arkonidischen Vergangenheit. Arkoni-den lieben Pomp und Protz jeder Art.«

Cistolo Khan schaute auf, als sein Assi-stent erneut in den Raum kam. In solchenFällen bevorzugte der LFT-Kommissar per-sönliche Assistenten; ein Robot-Servo wäreunpersönlicher und sogar unhöflicher gegen-über den Delegierten gewesen.

»Ein dringender Anruf«, murmelte ihmder junge Terraner ins Ohr.

Einen Moment lang war Khan erleichtert,endlich einen Grund zu haben, diesem ei-gentlich völlig sinnlosen Kreis aus Bespre-chungen zu entkommen; andererseits bedeu-tete das wahrscheinlich nur wieder neue Pro-bleme.

»Ich bitte, mich zu entschuldigen«, sagteer und stand auf. Die meisten Anwesendenschauten ihn verblüfft an. »Ich habe eindringendes Gespräch, das ich nicht aufschie-ben kann.«

Der plophosische Delegierte gab ihmdurch angedeutetes Händeklatschen zyni-schen Beifall. »Gut inszeniert«, meinte erbissig.

Rutsch mir doch den Buckel runter, dach-te Cistolo Khan. Er lächelte schwach.

»So einfach ist es leider nicht«, sagte ernach kurzer Überlegung trocken.

»Wir kommen auch so zurecht«, gifteteSirkne. »Es ist ja kaum von Bedeutung, daßbei einer solchen Debatte weder der Kom-missar noch überhaupt die Erste Terranerinanwesend ist.«

»Bedauerlicherweise ist Paola Daschma-gan verhindert «, entgegnete Cistolo Khan.»Sobald ihr Auftritt im Trivid beendet ist,wird sie umgehend hier eintreffen. Vielleichtwollt ihr bis dahin eine längere Pause einle-gen, um etwas zu essen und eure Gedankenzu ordnen. Eventuell gibt es dann in einigenPunkten eine Einigung.«

Dann verließ der LFT-Kommissar denRaum. Es reichte ihm.

*

Der LFT-Kommissar eilte in sein Büro.Das Gesicht, das dort auf das Holo über derTischplatte projiziert wurde, kam ihm nichtbekannt vor.

»Marga Rejka«, stellte sich die Anruferinvor. »Ich leite die Forschungsstation NeptunVier auf Zyan, der Heimatwelt der Solmo-then.«

Cistolo Khan war sofort alarmiert. »Gibtes ein Problem mit dem Perlamarin-Han-del?« Es wäre nicht das erste Mal, daß Pro-fitjäger versuchten, den Solmothen auf ille-gale Weise die begehrten Kristalle abzuja-gen.

»Nichts dergleichen, es geht um etwasganz anderes«, antwortete die Meeresbiolo-gin. »Die gesamte Solmothenflotte ist zu ei-ner Friedensmission aufgebrochen.«

»Zu welcher Friedensmission? Und wieviele sind unterwegs?« fragte Khan verdutzt.

Marga schmunzelte. »Die Flotte bestehtaus ganzen fünf Schiffen, und es sind je-weils zehn Solmothen an Bord. Sie möchten,daß die Völker der Galaxis das Angebot derArkoniden annehmen.«

»Wie bitte?«»Du hast schon verstanden. Kurz vor dem

Aufbruch konnten wir ausufernde Wasser-

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tänze beobachten, eine derartige Erregunghabe ich noch nie vorher erlebt. Es ist ihnenbitterernst. Ich nehme an, daß der Anführerder Gruppe, Battanboo, auf dem Weg nachTerra ist. Wir schicken dir gerade auch einDatenpaket über die Solmothen zu, dannkannst du dich mit ihnen beschäftigen. Machdich auf jeden Fall auf einen Besuch ge-faßt!«

Marga Rejka nickte dem Kommissar grü-ßend zu und beendete die Verbindung.

Cistolo Khan wußte nicht, was er von die-ser Nachricht halten sollte. Er kannte dieSolmothen so gut wie nicht, wußte aber, daßsie als äußerst friedfertiges und wenig akti-ves Volk galten. Was hatte sie dazu bewo-gen, plötzlich ins Rampenlicht der galakti-schen Bühne zu treten?

Der Assistent meldete sich über Funk:»Atlan ist hier.«

»Der Arkonide soll hereinkommen.«Normalerweise war die derzeitige Lage

ein Fall für den Terranischen Liga-Dienst.Doch das Hauptquartier mit dem TLD-Tower war zusammen mit seiner Chefin Giade Moleon und dem Stadtteil Alashan ver-schwunden. Die Möglichkeit, Spionage zubetreiben, war mehr als eingeschränkt, undder LFT-Kommissar hatte keine andereWahl, als auf eine persona non grata zurück-zugreifen - nicht erwünscht auf beiden Sei-ten, wohlgemerkt.

Atlan hatte mit seiner IPRASA eine aus-gezeichnete Untergrundorganisation zurVerfügung; zudem konnte niemand besserals er über die arkonidischen VerhältnisseBescheid wissen. Der Arkonide hielt sichauf Terra allerdings stets nur inoffiziell aufund verhielt sich so unauffällig wie möglich,um die Stimmungsmache gegen ihn nichtnoch mehr anzuheizen.

»Ich komme gerade von der RICO, aberleider nicht mit Neuigkeiten«, meldete derunsterbliche Arkonide. Ohne weitere Um-stände ließ er sich in einen Sessel vor demArbeitstisch fallen und musterte CistoloKhan aus aufmerksamen rötlichen Augen.»Wie kommt ihr mit euren Gesprächen vor-

an?«»Langsam«, antwortete der LFT-

Kommissar ausweichend. »Die Delegiertenwerden natürlich auch von den öffentlichenDiskussionen beeinflußt.«

»Das kann ich mir denken«, behaupteteAtlan.

»Trotzdem bist du gerade im richtigenMoment hereingeschneit«, schwenkte derLFT-Kommissar von dem unangenehmenThema ab.

Er berichtete, was er soeben über die Sol-mothen erfahren hatte. Gemeinsam schautensie sich einen Teil der Daten an, die von derMeeresbiologin per Hyperfunk übersandtworden waren. Die Wassertänze wirkten fas-zinierend, doch die Erklärungen der Biolo-gin machten klar, wie gefährlich sie zugleichfür die Solmothen waren.

Nachdem die Aufzeichnungen beendetwaren, preßte Atlan die Fingerspitzen anein-ander.

»Dieses Unterfangen hat etwas Rührendeswie seinerzeit Don Quijotes Kampf gegendie Windmühlen«, kommentierte er kritisch.

»Naiv ist es in der Tat. Ich habe darübernachgedacht, ob ich ihnen nicht einen Be-gleitschutz geben sollte.«

»Das ist meiner Ansicht nach nicht not-wendig. Niemand nimmt die Solmothenrichtig ernst. Ich bin sicher, daß alle Ange-hörigen der LFT und des Forums Raglundsowie anderer Völker sie freundlich empfan-gen und anhören werden. Ihnen wird be-stimmt kein Leid geschehen. Dafür sind sieviel zu kostbar und auch gleichzeitig zu be-liebt.«

»Makaber, aber wahr. Nachdem die Pro-fitjäger endlich begriffen haben, daß nur einlebender Solmothe Perlamarin erzeugenkann, ist jedes Handelsunternehmen ängst-lich darauf bedacht, daß dem kleinen Was-servolk nichts geschieht.« Cistolo Khanseufzte. »Dennoch verstehe ich nicht, wes-halb sie dieses Unternehmen gestartet ha-ben.«

»Ich schon«, behauptete Atlan trocken.»Atlan, sie nehmen doch kaum am galak-

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tischen Geschehen teil!«»Das bedeutet nicht, daß sie sich nicht

umfassend informieren. Anscheinend sindsie von den guten Absichten meines Volkesüberzeugt.«

Der LFT-Kommissar lehnte sich zurück.Per Tastendruck beauftragte er einen Servo,Getränke zu reichen.

»Und du?« fragte er und schaute den Ar-koniden direkt an.

*

Atlan zögerte nicht mit der Antwort. »Ichglaube ebenfalls daran«, sagte er prompt.

Cistolo Khan hob seine dichten Augen-brauen. »Gerade du? Das überrascht micham meisten. Du bist doch Staatsfeind Num-mer eins bei deinem Volk.«

Der Unsterbliche deutete ein Lächeln an.»Eben das möchte ich ändern«, drückte ermild aus.

»Woher sollte diese plötzliche Wandlungaber kommen, Atlan?« hielt Khan ihm vor.»In den letzten Jahrzehnten haben sich dieArkoniden als äußerst patriotisch gezeigt, siewollten ihr Volk wieder zur alten Größe füh-ren. Aus dem Grund haben sie dich ver-dammt, weil du bei deiner kosmopolitischenHaltung geblieben bist.«

»Ich glaube nicht, daß es eine plötzlicheWandlung ist«, widersprach Atlan. »An derGrundeinstellung der Arkoniden hat sich si-cherlich nichts geändert. Aber sie sind nichtdumm. Sie wissen, daß mit einem galaxis-weiten Krieg nichts zu gewinnen ist. Derheutige technische Standard, der allgemeinbei den Völkern des Galaktikums vor-herrscht, bringt ihnen keine Vorteile. Siewürden sich in einer endlosen Material-schlacht aufreiben, zermürben und letztend-lich unterliegen. Eventuelle Bündnispartnerwürden später sicherlich abspringen, um ihreeigene Machtstellung auszubauen. AnstattMacht zu erhalten, würde Arkon allmählichausbluten.«

»Also versuchen sie es auf diplomati-schem Wege. Ist es das, worauf du hinaus-

willst?«»Warum nicht? Ich finde nichts Verwerf-

liches an dem Wunsch meines Volkes, wie-der eine wichtige Position innerhalb des Ga-laktikums einnehmen zu wollen. Mit demOrt der Begegnung auf Arkon I wäre das einerster Schritt zu einer friedlichen Lösung,die letztlich allen nur Vorteile bringt. Eswird Zeit, daß man sich wieder an einenTisch setzt und an einem Strang zieht! DieseZersplitterung der letzten Jahrzehnte hat imEndeffekt niemandem geholfen, wie wir zu-letzt mit der Tolkander-Invasion erlebt ha-ben! Die Zerstörungen sind immer nochgroß, also wäre das ein guter Ansatz füreinen Neubeginn.«

Cistolo Khan rieb sich den Handrücken.»Etwas Ähnliches habe ich zu dir gesagt, alsich dich aufforderte, Camelot offen zugäng-lich zu machen, erinnerst du dich?«

Atlan nickte. »Selbstverständlich. Undwir werden es tun, wenn die Zeit reif ist.Doch momentan ist es wichtiger, sich mitden Arkoniden an einen Tisch zu setzen undsich selbst davon zu überzeugen, welcheAbsichten sie hegen!« : »Deine Leute vonder IPRASA haben also nichts Negativesherausgefunden.«

»Ganz recht.« Atlan lächelte. »Auchwenn du es nicht glauben magst.«

Der LFT-Kommissar schüttelte den Kopf.»So einfach ist das nicht, Atlan.«

»Was haben wir zu verlieren?« gab derArkonide zurück.

»Bedenke doch allein die Situation aufTerra. Solder Brant spricht vielen Terranernaus der Seele und gewinnt dadurch immermehr Stimmen«, sagte Cistolo Khan. »Ernutzt die Situation entsprechend aus undmacht gleichzeitig Stimmung gegen die Ar-koniden und gegen die terranische Führung,die seiner Ansicht nach nicht hart genugdurchgreift.« Er setzte plötzlich ein süffisan-tes Gesicht auf. »Über eine patriotische Hal-tung haben wir doch gerade gesprochen,nicht wahr?«

»Tja, Ähnlichkeiten sind nicht zufällig«,pflichtete der Arkonide bei. »Allerdings hal-

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te ich Solder Brants Vorgehensweise mo-mentan für bedenklicher als die damaligeAbschottung meines Volkes.«

Cistolo Khan wiegte den Kopf, währender dem Servo ein Glas mit Vurguzz abnahm.Genüßlich nahm er einen Schluck und stelltedas Glas zurück.

»Er manipuliert die Leute auf geschickteWeise, indem er in ihnen die Angst vor einerneuen Invasion schürt - vor den Arkoniden!«sagte er dann. »Gerade weil das Verhaltens-muster in dem Fall ähnlich ist, kann er sichden Leuten um so verständlicher machen. Erführt ihnen vor Augen, wie es sein könnte,künftig unter arkonidischer Diktatur zu le-ben. Dabei scheut er nicht einmal davor zu-rück, auch noch auf die Mono-Zeit anzu-spielen. Und jedesmal läßt er dabei auch dieKritik über euch Unsterbliche mit einfließen.Auf der Beliebtheitsskala von eins bis 380würdet ihr momentan minus 710 erreichen,wobei du vermutlich den ersten Rang ein-nehmen dürftest. Auch Perrys Ernennungzum Sechsten Boten von Thoregon kannnichts daran ändern. Die Leute wollen der-zeit nichts von großen galaktischen Aufga-ben wissen, sondern sich auf ihrer eigenenWelt sicher fühlen können, ihrer Arbeitnachgehen, Familien gründen und all das.Sie haben ganz einfach die Schnauze voll!«

»Die Gefahr einer Invasion besteht aberimmer, Cistolo, das war auf der frühen Erdeohne äußeren Einfluß schon so, als es nochnicht einmal Schußwaffen gab!« Der Arko-nide fuhr durch seine langen weißen Haare,»Solder Brant ist dabei ein typisches Bei-spiel: Er redet von der Bedrohung einer ar-konidischen Diktatur; dabei kommt er mirschon vor, als wolle er selbst eine Diktaturdurch Isolation schaffen! Seit er mit diesemJankinnen zusammen ist, wird er zusehendsaggressiver und intoleranter. Ich will nichtsagen radikal, noch nicht. Die Heimat gehtüber alles, wenn ich das schon höre!«

»Ich weiß, daß er engstirnig und dadurchgefährlich ist, aber nicht das Volk. Schließ-lich verbindet er berechtigte Kritik mit ge-schickt unterschwelliger Polemik. Niemand,

der nicht in Rhetorik ausgebildet ist, merktdas rechtzeitig. Das Angebot der seit langemunbeliebten Arkoniden kam für ihn geradezur rechten Zeit, um den Fremdenhaß zuschüren. Die Situation ist damit verfahrenerdenn je.«

»Dann können wir nur hoffen, daß dieSolmothen den Kampf gegen die Windmüh-len gewinnen«, meinte Atlan.

»Und daß sie sich nicht geirrt haben«,brummte Cistolo Khan mit sorgengefurchterStirn. »Ich wünsche dir und den Solmothen,daß ihr recht habt und die Arkoniden es auf-richtig meinen. Ganz egal, wie wir das An-gebot erwidern - ob wir uns an einen Tischsetzen oder nicht; aber davon hängt allesab.«

2. Ertrus

Die PERLAMARIN III hatte ihren Flugins Kreit-System ohne Zwischenfälle absol-viert. Wie die PERLAMARIN I und II auchwar sie ein 200-Meter-Kugelraumer, diePERLAMARIN IV war ein150-Meter-Diskus der Blues und die PER-LAMARIN V eine 200-Meter-Walze derSpringer.

Jedes der Raumschiffe war so konstruiert,daß es beliebig mit dem radioaktiven Zyan-Meerwasser genutet werden konnte. Auchdie Steuerzentrale stand unter Wasser, dieEinrichtungen waren entsprechend isoliertund auf die Verhältnisse der Solmothen ab-gestimmt. Funk und Bild-Ton-Empfang wa-ren möglich wie auf jedem anderen Schiffauch.

Lediglich die Maschinenräume und dieAntriebsbereiche waren davon ausgenom-men. Es war weiterhin möglich, bestimmteSektoren von Meerwasser freizuhalten, umLandbewohner als Passagiere mitzunehmen.Diese Sektoren waren logischerweise beson-ders gegen die radioaktive Strahlung abge-schirmt.

In allen übrigen Bereichen fanden die Sol-mothen ähnliche Bedingungen wie auf ihrerHeimatwelt vor; allerdings machten sie die

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Begrenztheit und das technische Ambienteauf Dauer gemütskrank.

Daher waren die fünf Paare an Bord derPERLAMARIN III froh, als sie ihr Zielschließlich erreicht hatten. Statt herkömmli-cher Beiboote benutzten die Solmothen spe-zielle Überlebenstanks, in denen sie eine be-liebige Zeit verbringen konnten. DieseTanks waren ellipsoid, sechs Meter lang unddreieinhalb Meter dick und wurden mit An-tigravantrieb bewegt. Sie bestanden gänzlichaus transparentem Schutzglas und besaßenunter anderem Kommunikationseinrichtun-gen mit Translatoranschluß zur Außenwelt.

Ertrus war der dritte Planet der SonneKreit und wies eine Schwerkraft von 3,4Gravos auf, was für die Solmothen dank ih-rer technischen Ausrüstung allerdings keineRolle spielte.

Ruraan, zusammen mit seiner GefährtinLeila Kommandant der PERLAMARIN III,funkte den Raumhafen der Hauptstadt Bare-tus an und erhielt sogleich Antwort.

Das Gesicht des Ertrusers, der auf demSchirm erschien, zeigte Erstaunen. Die Sol-mothen hatten viele der bedeutenderen Völ-ker der Galaxis in Hinsicht auf Mimik undVerhalten eingehend studiert, um Mißver-ständnissen vorzubeugen.

»Habt ihr euch verirrt?« begrüßte sie derErtruser. »Oder seid ihr in Not?«

»Keines von beidem«, antwortete Ruraan.»Wir sind hier in einer sehr wichtigen Ange-legenheit, die sowohl euch als auch uns be-trifft. Wäre es möglich, mit Vertretern derRegierung zu sprechen?«

»Einen Moment, bitte.«»Wahrscheinlich ist die Kunde über unse-

re Mission noch nicht bis hierher vorgedrun-gen. Ich kann mir vorstellen, wie die Dis-kussion jetzt verläuft«, meinte Leila, die ne-ben ihrem Gefährten schwamm. »Sie wer-den vermuten, daß es um Perlamarin geht,und uns einladen. Da sie wissen, daß wirüber keinerlei Waffen verfügen und niemalsandere angreifen, werden sie keine Beden-ken haben.«

Ruraan vollführte einige tänzelnde Bewe-

gungen mit seinem massigen Körper. Leilawirkte durch ihren schlankeren, elegantenKörper sehr viel majestätischer als er, ledig-lich ihre rüsselartige Knollennase war dickerund unförmiger. Dafür aber besaß sie eineprächtige rotgrüne Bauchzeichnung.

»Groß und mächtig, wie sie sind, werdensie uns als harmlos einstufen und sich einwenig amüsieren wollen«, behauptete er.

Kurz darauf kehrte der Ertruser auf denSchirm zurück.

»Ihr seid willkommen«, sagte er undübermittelte die Landekoordinaten.

Kurz darauf ging die PERLAMARIN III,äußerlich in nichts von anderen Schiffen un-terscheidbar, auf dem Raumhafen nieder.

*

»Diese Solmothen - wie sind die eigent-lich einzustufen?« fragte Dolos Reskon denSprecher des Empfangskomitees, SelburDan. »Soviel ich weiß, leben sie doch nur imWasser und haben mit Technik nichts amHut.«

»Sie haben selbst zwar keine eigene Tech-nik entwickelt, greifen aber inzwischen gernauf unsere Errungenschaften zurück«, ant-wortete Selbur Dan. »Natürlich sind sie rei-ne Anwender und haben so gut wie keineAhnung, wie diese Technik funktioniert.Das ist für den Perlamarin-Handel von Vor-teil - sie benötigen unsere Unterstützung beider Wartung und Pflege oder Einrichtungneuer Geräte. Weshalb sie ihre Welt aller-dings verlassen - keine Ahnung.«

»Es ist schon verwunderlich genug, daßsie sich überhaupt in Raumschiffe wagen,selbst wenn sie auf ihre Bedürfnisse abge-stimmt sind.«

»Ruhe jetzt, sie kommen!« zischte je-mand.

Gewohnheitsgemäß nahmen alle Haltungan. Die Regierungsvertreter hatten verlangt,daß das Begrüßungskomitee Gala-Uniformtrug, als ob sehr hohe Staatsgäste empfangenwürden. Die Beauftragten hatten die Orderbefolgt, allerdings mit einem gewissen Wi-

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derwillen. Die Solmothen lebten irgendwoam Rande der Galaxis und des Geschehens.Sie waren als Perlamarin-Lieferanten will-kommen, aber ansonsten nicht weiter vonBedeutung.

Für manche Ertruser rangierten sie knappüber den Tieren, aber nur deshalb, weil siemit den Galaktikern kommunizieren konn-ten. Als gleichberechtigte, intelligente Part-ner wurden sie keinesfalls anerkannt.

Irgendeiner riß einen alten Witz über der-artige Begegnungen. Die meisten Ertrusersahen unruhig auf ihre Chronometer; sie hat-ten nach ihrer Meinung Wichtigeres zu tun,als hier herumzustehen. Wenigstens war dieHangarluke inzwischen geöffnet, also dürftees nicht mehr lange dauern.

»Da brat mir doch einer ein Kuska-Steak!« entfuhr es Dolos Reskon auf einmal.

Er hatte sich keine rechte Vorstellung ma-chen können, wie die Begegnung ausfallenwürde. Er wußte leidlich, wie die Solmothenaussahen und daß sie ausschließlich Wasser-bewohner waren. Vermutlich steckten sie,ähnlich wie Giftgasatmer, in irgendwelchenunförmigen Anzügen, transportiert auf einerAntigravplattform, und blubberten unwichti-ge Phrasen.

Doch weit gefehlt. Was nun aus der PER-LAMARIN III kam, übertraf seine beschei-denen Vorstellungen. Zehn riesengroße, el-lipsenförmige Gebilde aus Glas schwebtenlangsam und majestätisch aus dem Schiffund steuerten auf das Komitee zu. Im Innerndieser Glasbehälter befanden sich, durch dieKrümmung und das Wasser etwas verzerrtund dadurch größer wirkend, gut fünf Meterlange Kolosse mit einer glatten, sicherlichmehrere Zentimeter dicken Lederhaut undeinem von einer Knollennase und großenschwarzen und runden Augen beherrschten,trotz der Fremdheit gutmütig wirkenden Ge-sicht. Sogar die selbstbewußten, großge-wachsenen Ertruser zeigten sich beein-druckt, als alle zehn Behälter in kurzen Ab-ständen in etwa einem Meter Höhe auf siezuschwebten. Ein Überlebenstank sondertesich schließlich ein wenig von den anderen

ab und verhielt direkt vor Selbur Dan, alswisse der Gast genau, wer die Begrüßungs-worte zu sagen hatte; »Wir danken für dieGenehmigung zur Landung«, erklang - perTranslator verständlich gemacht - eine sanf-te, für diesen Riesen ungewöhnlich hoheStimme. »Ich bin Ruraan, Kommandant derPERLAMARIN III, und das neben mir istmeine Partnerin Leila.«

Der Angesprochene wurde sich bewußt,daß er dieses ungewöhnliche Lebewesen im-mer noch anstarrte, und riß sich zusammen.

»Willkommen«, sagte Selbur Dan förm-lich. »Im Namen meiner Regierung heißeich dich und deine Gefährten hier auf Ertruswillkommen und hoffe, daß ihr euren Auf-enthalt genießen werdet. Wenn ihr uns bittefolgen würdet, werden wir euch ins Regie-rungsgebäude begleiten, wo ihr bereits vonden Vertretern erwartet werdet.«

»Auch dafür danken wir, denn dies ist einbedeutender Moment, für uns alle«, entgeg-nete Ruraan höflich.

Die Ertruser verteilten sich, um die Sol-mothen an den Seiten eskortieren zu können.Ihre Gesichter zeigten keinerlei Langeweilemehr.

Dolos Reskon empfand Vorfreude, denner konnte sich denken, daß auch die Politikersich beeindruckt zeigen würden - wenn dieseriesigen Glasgebilde zwischen der ertrusi-schen Eskorte in das Gebäude hinein-schwebten. Glücklicherweise waren dieGrößenverhältnisse selbst für solche Besu-cher ausreichend.

*

Die Regierung von Ertrus schickte nichtgerade »die erste Wahl«. Insgesamt warenes fünf Personen aus verschiedenen Ministe-rien, deren Rang sich den Solmothen aller-dings nicht genau erschloß: zwei Männer na-mens Merton Sukom und Mor Sutao ausdem Außenministerium, eine Frau namensDurja Ysk, die aus dem »Amt für Galakti-sche Koordination« kam, der PressesprecherBarelm Kosma und die Handelsbeauftragte

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Ronda Butto. Leila hatte also richtig vermu-tet, daß die Ertruser mit einem Gesprächüber den künftigen Handel rechneten.

Die Solmothin beobachtete die Ertruserzunächst eine Weile aus ihrem durchsichti-gen Tank heraus. Sie war von ihren Gastge-bern ebenso fasziniert wie diese von ihr.

Als Landlebewesen waren die Ertruserbeeindruckende Geschöpfe von durch-schnittlich zweieinhalb Metern Größe undmehr als zwei Metern Schulterbreite, mitathletischen, muskelbepackten Körpern, rot-brauner Haut und einem unterschiedlich ge-färbten Haarsichelkamm am Kopf. Sie hat-ten sich der hohen Schwerkraft und den Um-weltbedingungen ihrer Welt hervorragendangepaßt. Neben ihnen wirkten Terraner wiebeispielsweise Marga Rejka auf Zyan win-zig und sehr zerbrechlich.

Aber Leila wußte, daß auch sie beein-druckend wirkte, denn sie war wie Ruraanviereinhalb Meter lang, wenngleich mit gut400 Kilogramm etwas leichter als er. Sie be-wegte sich leicht und anmutig in ihremTank, um ihre Ausgeglichenheit mitzuteilen,und zeigte öfter ihren schön gezeichnetenBauch. Ruraan öffnete das Maul und zeigtesein beeindruckendes Gebiß, während er diefleischige Nase aufblies und dann ebenfallsseinen Bauch zeigte. Auch das gehörte zumBegrüßungsritual bei einer derart ungewöhn-lichen Begegnung.

Ihre Gefährten hinter ihnen vollzogen die-selben Bewegungen, während sie sichhöchst interessiert umsahen. Es war das er-ste Mal, daß sie - abgesehen einmal von ei-nem seltenen Besuch auf den Schwimmen-den Städten auf Zyanso unmittelbar mit ei-ner fremden Kultur konfrontiert waren, fern-ab ihrer heimatlichen Wasserwelt.

Leila war sicher, daß die Solmothen mehrüber die Ertruser wußten als umgekehrt. Daseher distanzierte Wasservolk hatte bisherkaum etwas über seine Lebensweise preisge-geben - und die meisten Landbewohner in-teressierten sich ohnehin nur für das Perla-marin.

»Dies ist ein sehr interessanter Augen-

blick«, ergriff schließlich Barelm Kosma alserster das Wort. »Wir hätten nicht geglaubt,daß es einmal zu einer persönlichen Begeg-nung zwischen unseren Völkern kommenwürde.« »Auch wir nicht«, gab Leila zu.

»Obwohl wir Raumschiffe besitzen, rei-sen wir nicht gern«, fuhr Ruraan fort. »Wirschätzen es nicht, uns auf diese Weise fort-zubewegen.«

»Wir informieren uns lieber auf unsererWelt und bleiben in unserem Element, dennviele Gemeinsamkeiten haben wir schließ-lich nicht«, fügte Leila hinzu.

»Nach den schlimmen Vorfällen bei denersten Kontakten können wir das durchausverstehen«, meinte Barelm Kosma, der Pres-sesprecher, schnell.

Und hatte damit bereits eine Überleitungzum eigentlichen Thema gefunden, die Ron-da Butto sofort nutzte. »Um so geehrter füh-len wir uns nun durch euren Besuch«, sagtedie Handelsbeauftragte. »Da es nicht vieleGemeinsamkeiten zwischen uns gibt, wie dubereits gesagt hast, nehme ich an, daß es umunsere künftige Handelsbeziehung um dasPerlamarin geht?«

Sie kommen direkt zur Sache, ohne vieleUmwege, das gefällt mir, dachte Leila. Die-se Ertruser machen oft einen aggressivenund gewalttätigen Eindruck, aber das täuschtwohl. Im Vergleich zu ihren Artgenossenhaben sie eben eine lautere Stimme und sindnicht allzu diplomatisch, auch ihre Reiz-schwelle liegt um einiges niedriger. Aberhier vor Ort, ohne die Gegenwart anderer,haben wir einen guten Ansatz für konstrukti-ve Gespräche.

»Bevor wir anfangen, dürfen wir es unsetwas bequemer machen«, sprach der rot-haarige, sommersprossige Merton Sukom,für einen Ertruser ungewöhnlich schmal undeher klein, dazwischen.

Mit einer einladenden Geste wurden dieSolmothen aufgefordert zu folgen. Die Er-truser nahmen an der einen Seite eines aus-ladenden Konferenztischs Platz, die Solmo-then plazierten sich bestmöglich in zweiReihen um die andere Seite.

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»Können wir euch etwas anbieten?« frag-te Merton Sukom, wohl automatisch, denner unterbrach sich verdutzt und lachte. »Dasist wohl schlecht möglich.«

Die Translatoren der Überlebenstanks ga-ben ein etwas mechanisches Lachen vonsich, doch begleitend mit den lebhaftenSchwimmbewegungen der Wasserbewohnerwar die Erheiterung klar ersichtlich.

»Vielen Dank für die Aufmerksamkeit«,sagte Ruraan höflich. Er drehte den Kopfschwerfällig in Leilas Richtung, als Auffor-derung, das Wort zu ergreifen.

»Wir sind nicht wegen eines neuen Han-delsabkommens hier«, erklärte Leila rund-heraus und wunderte sich nicht über die ver-wirrten Gesichter ihrer Gastgeber.

Sie konnte sich vorstellen, was jetzt in ih-ren Gehirnen vorgehen mochte:

Worum konnte es dann gehen? Wasmochten die Solmothen vorhaben?

Sicher gab es sogar einen Funken Miß-trauen, ob man sich in den friedfertigen Rie-sen nicht doch getäuscht haben mochte.Doch die Beweise sprachen dagegen: keineWaffen, sie waren nur mit einem der nichtmehr als fünf Schiffe gekommen, und übereine mächtige Psi-Begabung war nichts be-kannt.

*

»Ebenso wie ihr und alle anderen Weltender Galaxis mit Empfangsstationen habenwir die Ansprache der Arkoniden erlebt«,fuhr Leila nach wenigen Sekunden fort.»Und wir sind hier, um mit euch über dasAngebot des Imperators zu diskutieren.Denn wir sind mit absoluter Sicherheit da-von überzeugt, daß die Arkoniden ihr Ange-bot aufrichtig meinen.«

Erneut herrschte Stille; das wachsendeMißtrauen war unverkennbar auf den Ge-sichtern der Ertruser zu lesen.

»Zur Stunde halten sich natürlich hoch-rangige Vertreter unseres Volkes auf Terraauf, um hierüber zu diskutieren«, meldetesich zum ersten Mal Durja Ysk zu Wort.

»Ertrus ist nicht der richtige Ort für …«»Doch, das ist er«, unterbrach Leila. »Es

ist die Heimatwelt der Ertruser, und letztlichgeht es doch nur darum, nicht wahr?«

»Aber unsere Befugnis bezieht sich nichtauf diese Angelegenheit«, behauptete dieHandelsbeauftragte.

Ruraan hob seine kräftigen Arme undspreizte die überraschend zierlichen, mitSchwimmhäuten versehenen vier Finger je-der Hand. Diese Geste bedeutete eine Auf-forderung zur Kompromißbereitschaft. EineGeste, die die Ertruser noch kennenlernenmußten.

»Ich sehe drei Regierungsvertreter hiersitzen, zumindest wurden sie mir so vorge-stellt. Das reicht doch als Befugnis für einGespräch, nicht wahr? Selbstverständlich er-warten wir nicht sofort eine Entscheidung,wir haben ja noch nicht einmal unsere Argu-mente dargelegt. Aber wir möchten gern miteuch darüber reden und bei eurer Entschei-dung helfen. Wir sind sicher, daß wir somanche Anregung bieten können, die sehrwichtig für euer weiteres Vorgehen ist.«

»Weshalb mischt ihr euch überhauptein?« fragte der Pressesprecher provokant.

»Wir mischen uns nicht ein«, versuchteLeila sanft klarzumachen. »Wir halten esnur für sehr wichtig, daß alle Argumente be-dacht werden. Schließlich geht es um dengalaktischen Frieden und damit letztendlichum uns alle.«

»Ganz gleich, an welchem Ort der Sitzdes neuen Galaktikums aufgeschlagen wird,es muß schon vorher die Bereitschaft signa-lisiert werden, sich an einen Tisch zu setzenund in Frieden miteinander zu verhandeln«,fuhr Ruraan fort. »Die Bedingungen müssenstimmen, sonst kann nichts wachsen - wenndas Wasser verschmutzt ist, schadet es al-len.«

Mor Sutao stieß ein abfälliges Lachenaus.

»Es ist ein Witz, nicht? Ihr macht euchüber uns lustig.« Der Politiker fing den mah-nenden Blick seiner Kollegen auf, ließ sichjedoch nicht von seiner Meinung abbringen.

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»Seid bitte ehrlich, das kann man doch nichternst nehmen! Seid mir nicht böse, liebeSolmothen, aber ihr seid intelligente Leute!So naiv könnt nicht einmal ihr mehr sein,nach allem, was euch einst angetan wurde!Ihr solltet wissen, daß es so einfach nichtgeht!«

»Ich will nicht so kraß sein, daß ich dasAnliegen der Solmothen nicht ernst nehme«,äußerte sich Ronda Butto vorsichtig, »aberes ist doch ein großer Unterschied zwischenuns und ihnen. Wir können uns zwar perTranslator miteinander verständigen unddurch technische Hilfsmittel einander gegen-überstehen - aber uns trennen Welten!«

»Genauer gesagt, Elemente«, pflichteteDurja Ysk bei. »Was kümmert euch dasüberhaupt? Ihr seid von dieser Art Politikdoch gar nicht betroffen. Ihr unterliegt ei-nem Schutzabkommen und steht damit au-ßerhalb jedes galaktischen Einnußberei-ches.«

»Dennoch möchten wir gern mit euch dar-über sprechen, weshalb das Angebot der Ar-koniden angenommen werden sollte«, be-harrte Leila.

Die Solmothin wiegte sich sanft im Was-ser wie ihre Gefährten auch. Die Ertruserschauten ihnen fasziniert und wie gebanntdabei zu.

»Das … das ist doch verschwendeteZeit«, stotterte Mor Sutao. Der Mann ausdem Außenministerium wirkte schon nichtmehr ganz überzeugt.

»Ich weiß nicht …«, kam es zögernd vonBarelm Kosma.

Die anderen starrten ihn verdutzt an. DerPressesprecher sah sich plötzlich in der De-fensive.

»Ich meine, hören wir uns doch an, wasdie Solmothen zu sagen haben! Wenn sieschon extra diesen weiten Weg zu uns unter-nehmen, sollten sie auch sprechen können.Unsere Argumente bringen uns doch ohne-hin keinen Meter weiter. Die Meinung einesAußenstehenden kann uns die entscheidendeWende bringen. Schließlich wollen wir kei-nen Krieg!«

»Natürlich nicht«, sagte die Handelsbe-auftragte.

Auf Ronda Buttos Gesicht spiegelten sichwidersprüchliche Gefühle.

»Es ist nicht dumm, was Barelm sagt«,meinte sie nach kurzer Pause. »Gerade weilwir zwei ganz verschiedenen Lebensberei-chen entstammen, könnten wir wertvolleHinweise bekommen. Unsere Denkweise istvielleicht zu einseitig und festgefahren. Dassollten wir feststellen. Wir haben nichts da-bei zu verlieren, und vielleicht …«, sie zeig-te plötzlich ein breites Lächeln, »… könnenwir bei der Gelegenheit doch noch auf einenHandel zu sprechen kommen.«

Leila schlug leicht mit der, kräftigenSchwanzflosse. Sie war sicher gewesen, daßsich die Ruhe und Harmonie der Solmothenauf die Ertruser übertragen und sie zur Ein-sicht bringen würde. Ihr Einfühlungsvermö-gen und ihre Fähigkeit, positive Schwingun-gen zu übertragen, versagten selten.

Natürlich durften dafür nicht zu viele Per-sonen anwesend sein, und sie mußten sichauch in unmittelbarer Nähe befinden. Dochder erste Schritt für konstruktive Gesprächewar getan.

Friedfertigkeit und Harmonie waren dieeinzigen Lösungen für die Beilegung vonKonflikten - das mußten die Landlebewesenendlich begreifen.

3. Terra

»Genhered, du weißt genau, du mußt dasnicht tun«, sagte Bré Tsinga behutsam. DerNonggo zeigte sich wieder einmal zutiefstdeprimiert.

Wenn wir ihm den Chip nicht bald im-plantieren, wird er einfach sterben, dachtedie Kosmopsychologin besorgt. Sein Le-benswille nimmt täglich ab, es wird neuer-dings wieder schlimmer statt besser.

Genhered ergab sich nicht einfach inSelbstmitleid. Die Entfernung des Chips unddamit die Unfähigkeit, ins Neuron zu tau-chen, sowie die Verbannung von seinemVolk hatten eine emotionale Agonie ausge-

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löst. Nach den Pannen mit dem HeliotischenBollwerk hatten seine Artgenossen das soge-nannte Sündenträger-Prinzip angewandt undden Nonggo bei den Terranern zurückgelas-sen. Als zusätzliche Strafe hatten sie ihmden SBS-Chip entfernt, mit dem ein Nonggonormalerweise in seinem Heimatsystem inpermanentem Kontakt zum »Netz« stand.

Bré war es in den letzten Wochen zwarhin und wieder gelungen, ihn ein wenig ausdiesem Teufelskreis herauszuholen, dochohne bleibenden Erfolg. Die seelische Zer-rüttung des Nonggo war nicht aufzuhalten.Ab einem bestimmten Punkt würde Genher-ed wie ein Autist für immer in seiner eige-nen dunklen Welt versinken.

»Wenn ich es nicht tun muß, weshalb for-derst du mich dann dazu auf?« gab Genher-ed müde zurück.

Seine mehr als zwei Meter große, extremdünne Gestalt wirkte zerbrechlicher denn je,fast schon gläsern. Selbst seine hastigenAtemzüge, die er dreimal in der Minute be-nötigte, waren kaum mehr als ein hohles Zi-schen.

»Dein Zustand hat sich doch schon gebes-sert, seit ah dem Chip gearbeitet wird, nichtwahr?«

»Ja … in gewisser Weise …«Genheredrichtete sich etwas mehr auf. »Es hat mirgutgetan. Aber ich kann diese Barriere inmir nicht überwinden. Es ist, als stünde ichvor einer riesigen Mauer. Um mich herumist alles leer …«

Der Nonggo hatte ein zusätzliches Pro-blem. In seinem Heimatsystem kamen Sün-denträger auf das sogenannte Sündenrad.Zwar waren sie dort auch vom Neuron ge-trennt, sie konnten aber mit anderen Artge-nossen kommunizieren, waren somit nichtvöllig allein. Er aber hatte niemanden.

Bré konzentrierte sich auf ihre Empfin-dungen. Sie hatte es bisher immer noch ge-schafft, den verstörten Nonggo wenigstensauf einem gewissen Level zu halten. Abersie merkte allmählich, daß es an ihre Sub-stanz ging.

»Diese Leere werden wir wieder füllen,

Genhered«, versprach sie. »Ich kann dichnicht zwingen, zu deinem Volk zurückzuge-hen, du willst deine Strafe ja erleiden. Aberdu wirst eine Heimat bei uns finden. Ich binsicher, daß du dich gut einleben kannst. Undes gibt eine große Aufgabe für dich: Wirkönnen das gewaltige Potential dieses Muse-ums nur mit deiner Hilfe nutzen. Durch dichkönnen wir sehr viel lernen. Du wirst ge-braucht, Genhered.«

»Und wenn es nicht funktioniert?«»Warte doch einfach ab! Wenn du erst ins

Museum tauchen kannst, wird deiner weite-ren Heilung nichts mehr im Wege stehen.«

Genhered musterte sie aus tiefliegenden,runden braunen Augen. »Welches Interessehast du daran? Das verstehe ich nicht. Ichkann dir doch gar nichts bedeuten.«

»Du bist mir anvertraut worden«, antwor-tete Bré. »Das ist meine Aufgabe und meineVerantwortung.« Die Psychologin schauteauf ihr Armband, als sie angefunkt wurde.»Komm endlich, Genhered! Die Siganesenrufen schon das zweitemal nach uns.«

»Nach dir verlangt es uns gar nicht sosehr«, frotzelte Domino ROSS, als sie improvisorischen Labor eintrafen. Der grün-häutige Siganese stand auf einer Konsole.»Genhered ist es, den wir brauchen.«

Neben ROSS kauerte Sinius Ponta undgrübelte über irgendeinem Problem. Pontawar Biomechaniker, und Genhereds Ge-schick lag sozusagen in seinen Händen. UmPonta herum lagen jede Menge Werkzeuge,Programmiergeräte und Rohlinge siganesi-scher Fertigung verstreut. Er war keines-wegs ein Draufgänger wie ROSS, sonderneher ein leidenschaftlicher Techniker. Esgab für ihn nichts Schöneres, als stunden-lang an einer Konstruktion herumzubasteln.Versunken in seiner Welt der Mikroferti-gung, brauchte er niemanden um sich her-um, und nach Abenteuern verlangte es ihnschon gar nicht.

»Wir kommen nicht mehr weiter«, fuhrROSS fort. »Bei der Initialisierung der Z-83-Speicherfeldplatte bleiben wir hängen,und ohne die können wir die Programmie-

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rung nicht laden.«»Ist das alles?« fragte Bré.»Hm, nein, nicht ganz«, mußte der Siga-

nese zugeben. »Da sind noch so ein oderzwei andere Dinge, aber die kriegen wirauch so hin.«

»Wir«, murmelte Ponta von seinem Sitzaus, weiterhin über seine Schöpfung ge-beugt. »Er klopft schlaue Sprüche, und ichmache den Rest.«

»Ich weiß ja nicht, was ich tun könnte…«, meinte Genhered zögernd.

Die Xenopsychologin durchbohrte ihn ge-radezu mit ihren Blicken.

»Fehlt dir das Wissen oder die Erinne-rung?« fragte sie ein wenig scharf.

Der Nonggo schien zu schrumpfen.»Das nicht …«»Dann sehe ich auch keinen Grund für

einen Rückzieher.«Genhered legte den langen, schmalen

Kopf leicht schief. Eine Geste, die wiederihren Sinn bekommen sollte, weil sie für das»Tauchen« im Netz stand, in diesem Fall je-doch nur seine Hoffnungslosigkeit ausdrück-te, niemals mehr diese Erfüllung finden zukönnen.

»Wenn es nun keinen Zweck hat …«,murmelte der Nonggo. Bré Tsinga sah, wiesich das Gesicht von Domino ROSS dunkel-grün verfärbte, und machte eine warnendeGeste mit der rechten Hand. Der Luftzug,der dabei entstand, blies den Siganesen fastum.

»Genhered, ich dachte, das hätten wir ge-klärt«, sagte sie betont langsam.

»Du hast gesagt, daß ich nichts tun muß«,beschwerte sich der Nonggo.

Um seine schmallippige Mundpartie bil-deten sich feine Falten. Wenigstens war seinMienenspiel inzwischen ausdrucksvoller ge-worden.

Bré seufzte innerlich. Es war nicht ein-fach, ihren depressiven Patienten zu einerAktion bewegen zu können. Genheredbrachte ja kaum die Energie auf, sich einmalschneller als nur im Kriechtempo zu bewe-gen. Eigeninitiative konnte man überhaupt

nicht von ihm erwarten. Obwohl die beidenSiganesen im Höchsttempo an der Produkti-on des syntronisch-bionischen Schnittstel-len-Chips arbeiteten, ging er davon aus, daßder Versuch fehlschlagen und ihn nur einerweiteren Hoffnung berauben würde. Alsohielt er es für besser, gleich gar nichts zutun.

Irgendwann macht mich diese lahmarschi-ge Bohnenstange noch verrückt, dachte siegrimmig.

Dann mahnte sie sich zur Ordnung. Gen-hered war schwer krank, er benahm sichnicht mit Absicht oder aus Faulheit so. Auchwenn es manchmal schwer war, geduldig zubleiben, mußte" man behutsam mit ihm um-gehen, um seinen ohnehin labilen Zustandnicht noch weiter zu verschlechtern. Er ver-trug keine Hast, keine schnellen Umschwün-ge, keine lebenslustige Aktivität. Es warschon problematisch genug gewesen, ihn mitden beiden Siganesen zu konfrontieren undihm beizubringen, daß sie die nächste Zeitanwesend sein würden. Wie ein Autist klam-merte er sich an einen absolut geregelten Ta-gesablauf, mit genau festgelegten Essenszei-ten. Er kam nie auf die Idee, spontan irgend-einen entfernt gelegenen Bereich des Muse-ums zu ergründen, das hätte ihn völlig über-fordert.

Genhered dazu zu bewegen, die Bauplänefür den SBS-Chip abzurufen, hatte schonmehr als einen halben Tag in Anspruch ge-nommen. Danach war der Nonggo so er-schöpft gewesen, daß er den restlichen Tagund noch den halben nächsten Vormittagverschlief.

Immerhin war es möglich gewesen, dieseBaupläne manuell abzurufen - einige wenigeTeilbereiche des Museums waren inzwi-schen in Betrieb, doch für die kompletteNutzung benötigten sie den SBS-Chip.

»Wir verlangen nichts von dir/was dunicht schon einmal getan hast«, betonte Bré.»Wenn du dich an die Funktionsweise einesChips erinnern kannst, kannst du sicherlichauch bei der Konstruktion helfen. Immerhinbist du für das Heliotische Bollwerk verant-

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wortlich gewesen, nicht wahr?«Genhered zögerte. Dieser Appell an sein

Wissen und seine frühere hohe Positionzeigte doch Wirkung.

»Was soll ich tun?« fragte er langsam.Bré hätte vor Erleichterung beinahe laut

gelacht. Wieder war eine Hürde genommen.»Das ist ganz einfach.« Sie zog einen Ses-

sel herbei, damit er sich neben den Konsolenniederlassen konnte und den Siganesen nichtaus so großer Höhe »über die Schulter«schaute.

»Domino und Sinius werden dir Fragenstellen, wenn sie nicht weiterwissen. Duwirst miterleben, wie dein eigener SBS-Chipsich entwickelt. Damit wird er jetzt schon zueinem Teil von dir.«

»Denkst du wirklich?«»Ich habe dich noch nie angelogen, Gen-

hered.«Der Nonggo setzte sich langsam hin und

bewegte eine Hand vorsichtig auf die beidenSiganesen zu. Sinius Ponta stand auf undpräsentierte seine Arbeit. Domino ROSSmachte ein verwundertes Gesicht, enthieltsich aber jeglichen Kommentars.

»Ich hoffe, daß ich nichts verwechselt ha-be, die Baupläne sind stellenweise ein wenigunübersichtlich«, sagte Sinius. »Soll ich esdir erläutern?«

»Ja, bitte.«»Ich fange an/und du ergänzt. So geht es

am besten, denke ich.«Bré schmunzelte, daß der abgebrühte Do-

mino ROSS in diesem Augenblick nur nochstaunte. Der meistens stille, zurückgezoge-ne, etwas weltfremd wirkende Techniker Si-nius Ponta besaß demnach mehr psychologi-sches Einfühlungsvermögen als der Drauf-gänger ROSS. Es schien Sinius nichts aus-zumachen, mit Genhered auf diese Weiseumzugehen.

Der Nonggo wiederum ging zusehendsaus sich heraus. Nachdem er sich an die ver-änderte Situation gewöhnt hatte, war er baldkaum mehr zu bremsen und sprudelte nur soüber vor Ideen.

Zufrieden konnte die Psychologin die drei

neuen Partner sich selbst überlassen.

*

Die Faktordampf-Barriere in Kalkutta-Nord hatte sich längst aufgelöst. Sicherheits-halber war das Nonggo-Museum Janir Gom-bon Alkyetto mit Hilfe eines Prallfeldes undeines leichten HÜ-Schirms abgesichert wor-den, um die Presse und andere unerwünschteBesucher fernzuhalten.

Es gab bittere Beschwerden seitens derPresse, doch der Tag der Öffnung war nichtmehr fern. Die Arbeit am SBS-Chip ging be-stens voran, seit Genhered mitarbeitete. Erwar nie verlegen um Lösungsvorschläge; diegeistige Herausforderung schien ihm gutzu-tun. Der Nonggo zeigte sich bereits jetzt ge-löster, offener. Bré Tsinga hatte sich darauf-hin mit einer Spezialklinik in Verbindunggesetzt, die nicht weit entfernt lag.

Während sie am Morgen die neuestenMeldungen studierte, erhielt sie einen Anrufüber eine Geheimfrequenz aus Magdarein.Das Stadtzentrum von Terrania hatte sichnach der Verwüstung der Dscherro in eineeinzige Baustelle verwandelt. Das provisori-sche Regierungsgebäude befand sich derzeitim Außenbezirk Magdarein.

»Atlan!« sagte die Psychologin über-rascht. »Seit wann bist du wieder auf Ter-ra?«

»Sag bloß, du kennst die neuesten Ent-wicklungen nicht«, bemerkte der Arkonideironisch.

»Na, hör mal, ich lebe hier doch nicht inder Großen Leere! Deshalb dachte ich ei-gentlich, daß das Friedensangebot der Arko-niden auch für dich eine neue Chance ist.«

Die albinotisch rötlichen Augen des Ar-koniden flackerten leicht. Wieder einmalhatte die junge Frau genau gewußt, an wel-cher Stelle sie ihm einen schmerzlichenStich versetzen konntet.

»Alles zu seiner Zeit«, meinte er mild.»Stimmt, ich vergaß, du bist ja unsterb-

lich«, versetzte sie prompt. »Hoffentlichweiß unser neuer Hoffnungsträger, Solder

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Brant, daß du hier bist.«, Atlan lächelte. »Erhat mich nicht zu einer öffentlichen Diskus-sion eingeladen, wenn du das meinst.«»Nicht? Schade. Dafür hätte ich hier allesliegen- und stehenlassen, nur um live dabei-zusein«, versicherte Bré. »Wann bist duda?«

»Woher willst du wissen, ob ich kommenwill?«

»Weshalb rufst du denn sonst an?«Atlan grinste süffisant. »Um zu erfahren,

wie es Genhered geht.«Bré lächelte. »Wir stehen kurz vor der

Fertigstellung des Chips. Soll ich dir Be-scheid geben, wenn wir Genhered in die Kli-nik überführen?«

»Ja, bitte. Ich möchte gern dabeisein.«Bré nickte. Als das Holo erloschen war,

verdüsterte sich ihr Gesicht. Mit ihrer lässi-gen Ausdrucksweise überspielte sie ihre"wahren Empfindungen Solder Brant gegen-über. Die politische Entwicklung gefiel ihrganz und gar nicht. Und sie empfand Mitleidmit Atlan, der jetzt mehr denn je zwischenden Stühlen saß.

Sie band sich gerade die langen blondenHaare im Nacken zusammen, als sie dennächsten Anruf erhielt.

»Soviel zur Abschirmung«, murmelte sie.»Wenn das jetzt die Presse ist, mache ichCistolo rund.« Als sie auf Empfang stellte,hellte sich ihr Gesicht auf. »Tom!«

»Das ist eine Überraschung, was? Ich ver-rate dir auch nicht, wie ich das angestellt ha-be!« Tom Clancys sommersprossiges Ge-sicht strahlte. Sein Grinsen war schief, unddie Haare wirkten unordentlich wie stets.»Du hast uns hoffentlich nicht ganz verges-sen, du treuloser Zwock!«

»Ich denke oft an euch. Wie geht es dir,mein Lieber?«

»Ich bin einsam, so ohne dich …«Sie neckten sich eine Weile und fühlten

sich schnell wie in alten Zeiten. Tom schienjedoch zu merken, daß Bré etwas beschäftig-te, denn er lenkte die Unterhaltung bald inandere Bahnen.

»Wie stets bist du mitten im Geschehen«,

bemerkte er scheinbar harmlos.»Tom, ich bin der Psychologe von uns

beiden.«»Mal im Ernst, Bré: Wie denkst du dar-

über?«Sie furchte die Stirn. »Solder Brant hat et-

was. Er ist überzeugt von dem, was er tut,und hat zumindest keine offensichtlichenschlechten Hintergedanken. Aber das machtihn um so gefährlicher. Er ist intelligent undberedt, er besitzt eine große Ausstrahlung.Aber er umgibt sich neuerdings zu allemÜberfluß mit den verkehrten Leuten.«

»Dieser Multi.« Tom nickte. »Seit er J. J.als Wahlhelfer hat, haben sich seine Redengeändert.«

»Er wird eindeutig beeinflußt. J, J. ist vielzu radikal, das sage ich dir. Er versteht es,Solder trotz dessen Intelligenz zu lenken.Ich habe Angst, daß die Situation eskaliert.«Bré rieb sich die Nase. »Niemand scheint zumerken, daß das Verhalten vieler Terranersich derzeit kaum von dem der Arkonidender letzten Jahre unterscheidet.«

»Im Gegenteil. Solder heizt die Stimmunggegen die Arkoniden noch an, und Brenn-holz dafür hat er ja nun genug. Wie stehtdenn dein Freund dazu?«

»Er ist nicht mein Freund.« Sie wußte so-fort, wen er gemeint hatte.

Tom lachte. »Seit wann so empfindlich?Habe ich etwa Grund zur Eifersucht?«

Bré schüttelte den Kopf. »Wir verstehenuns gut, das ist alles. Ich habe Atlan nurkurz einmal gesprochen, übrigens gerade vordeinem Anruf. Ich weiß nicht, wie er sichverhalten wird. Er hat nicht nur das Manko,Arkonide zu sein, sondern auch noch Un-sterblicher - der zweite Punkt auf SoldersFeindliste.«

Tom seufzte. »Irgendwie hat sich nichtsgeändert, nicht wahr? Früher ging es bei unsMenschen ums Land, dann um die Religionund immer so weiter. Einen Grund für einenKrieg findet man immer. Momentan habenwir keinen greifbaren Feind, also schaffenwir uns einen.«

»Das ist eben ein Erbe, das man nicht ab-

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legen kann, Tom.«»Vielleicht sollten wir beide uns als Ge-

genkandidaten aufstellen lassen«, schlugTom vor. »Aber lassen wir das. Ich habemein Geburtstagsgeschenk für dich endlichfertig. Ich habe das Werk Die Nächte desHusslars genannt, ist dir das recht?«

Tom Clancy hatte sich schon seit der Ju-gend für die Musik des 20. Jahrhunderts in-teressiert. Das war auch der Grund, weswe-gen er diesen Namen angenommen hatte; dieFolklore von einer kleinen grünen Insel na-mens Irland hatte es ihm angetan. Inzwi-schen komponierte er selbst in seiner Frei-zeit, vermischte das klassische Irische mitmodernen Themen. Das klang oft interes-sant, vor allem wenn er die Musikinterpreta-tionen der irischen Brüder Tom und PaddyClancy aus der Mitte des 20. Jahrhundertsneu intonierte.

Bré lachte. »Vielen Dank für die Ehrung.Hast du schon einen Verleger gefunden?«

»Und ob, keine Frage! Du wirst sehen, ichwerde noch berühmt. Du bekommst jetztvorab und exklusiv den Rohschnitt, ein we-nig werde ich noch daran herumfeilen. VielVergnügen.«

Nach der Unterhaltung mit Tom fühlteBré sich gestärkt. Es tat ihr gut, weiterhindie Verbindung zu alten Freunden zu halten,obwohl ihre Aufgabe kaum noch Zeit dafürließ. Trotzdem brauchte sie das Gesprächmit ihnen, ihre Ansichten waren ihr wichtigund vor allem ihre Freundschaft.

4. Terra

Es brauchte eine ganze Weile, bis Gen-hered dazu überredet werden konnte, in denGleiter zu steigen. Domino ROSS hatte vor-geschlagen, einen tragbaren Transmitter zubesorgen, aber Bré Tsinga hatte abgelehnt.

»Genhered darf nicht so schnell mit einerneuen Situation konfrontiert werden, daswürde ihn völlig überfordern, möglicherwei-se sogar einen katatonischen Anfall hervor-rufen. Ich muß ihn langsam vorbereiten.«

»Was für ein Aufwand!« brummte ROSS.

Brés Blick wurde eisig, und sie maß denSiganesen in einer Art und Weise, als wollesie ihn gleich verspeisen.

»Ich brauche dich ohnehin nicht mehr«,schnappte sie. »Du kannst dich wichtigerenAufgaben widmen.«

Ohne eine Reaktion abzuwarten, wandtesie sich brüsk ab. Genhered hockte auf sei-nem Sessel und starrte ins Leere. Nachdemdie Arbeiten am Chip erfolgreich beendetwaren, kam er sich wohl wieder überflüssigvor.

Als ob sich ein Schalter umgelegt hätte,wie bei einer Maschine, dachte Bré.

Auf der Lehne hockte Sinius Ponta. »Hörmal, Genhered, die Arbeit haben wir dochnicht aus einer Laune heraus gemacht«, re-dete der Siganese auf den Nonggo ein. »Wirmüssen den Chip jetzt auch seiner Bestim-mung zuführen.«

»Genhered, sie warten auf dich«, fügteBré hinzu. »Wir haben alles vorbereitet.«

»Ich war … lange nicht mehr da drau-ßen«, murmelte der Sündenträger.

Er fürchtete sich. Jede Veränderung be-deutete eine große Überwindung. Die Psy-chologin hoffte, daß das mit dem Einsetzendes Chips enden würde, sonst konnte sie fürGenhered nichts mehr tun. Er versank im-mer mehr in einer Welt der Stagnation undStille.

Domino ROSS flog ebenfalls zu der Leh-ne hinüber.

»He, Kumpel, nun mach schon!« gab ersich betont flapsig. »Du hast uns gezeigt,daß du ordentlich Grips hast, nun stell dichnicht so an! Von der Welt draußen wirst dunicht viel mitbekommen. Du steigst einfachin den Gleiter ein, und schon ein paar Minu-ten später bist du in der Klinik. Du läßt dirden Chip verpassen und kehrst hierher zu-rück. Je schneller du rausgehst, desto schnel-ler bist du auch wieder zurück.«

Genhered zog das Büßergewand um sich.Er weigerte sich nach wie vor, seinen präch-tigen Umhang zu tragen. Dann stand er auf.

»Gehen wir«, sagte der Nonggo leise.Während des Flugs verschwendete er kei-

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nen Blick nach draußen. Es interessierte ihnnicht, daß die Sonne schien und es Frühlingwar. Er saß stocksteif da, den Blick nach in-nen gekehrt.

Atlan war bereits vor Ort. Der Arkonidelächelte kurz, als Bré auf ihn zuging, undhielt ihr ein hübsch verpacktes kleines Päck-chen hin.

Sie machte ein erstauntes Gesicht. »Fürmich?«

»Nachträglich zu deinem Geburtstag.Du bist schließlich dreißig geworden.« Ihr

vornehm blasser Teint nahm eine zartrosaTönung an.

»Ja, das stimmt … am 23. April … Dasist aber nett …«, stotterte sie. Ihre Augenstrahlten. »Ich mach's später auf, ja?«

»Es ist nichts Besonderes, nur ein kleinesAndenken, das ich aus meinem Fundus ge-graben habe«, behauptete der Arkonide.

»Der Gedanke zählt.« Sie grinste ver-schmitzt, verstaute das Päckchen und kon-zentrierte sich dann wieder auf den Nonggo.

Genhered betrat den Operationsraum nurzögernd. Die typisch klinische Atmosphärebedrückte ihn sichtlich. Der Chirurg lenkteihn ab, indem er dem Nonggo eine MengeFragen über seinen Allgemeinzustand stellteund mit ihm die medizinischen Versor-gungseinrichtungen durchging, die eventuellbenötigt wurden.

Bré Tsinga merkte deutlich, daß Genheredsich immer mehr verschloß. Nach einigerZeit mischte sie sich schließlich ein.

»Ist alles in Ordnung mit dir? Fühlst dudich krank?«

»Es ist nicht richtig, was ich hier tue«,antwortete der Nonggo. »Ich bin ein Sün-denträger, ich habe nicht das Recht dazu.«

»Aber Genhered, darüber haben wir dochschon gesprochen«, sagte Bré freundlich.»Das Sündenträger-Prinzip kann hier keineAnwendung finden, fern von den Sphären-und Sündenrädern. Du bist von deinem Volkallein in der Fremde ausgesetzt worden, unddas entspricht somit nicht euren Regeln. Siehätten dich mitnehmen müssen und erst ineurer Heimat verurteilen dürfen. Dann hät-

test du mit anderen Sündenträgern gelebt,wie es bei euch Sitte ist.«

»Dennoch kann ich mich nicht einfachdarüber hinwegsetzen«, beharrte Genhered.»Ich muß mich meiner Bestimmung fügen,das ist nun einmal die Art meines Volkes.«

»Ich kann dich verstehen«, meldete sichder Arkonide plötzlich aus dem Hintergrund.»Doch es gibt ein Prinzip, das höher steht,und das ist dein Lebenswille.« Er nähertesich dem Nonggo, nur wenig kleiner als dasspindeldürre Wesen. »Denk darüber nach,Genhered, was du willst. Wir respektierendeinen Wunsch - aber nur, wenn du dir si-cher bist. Überlege gut, ob es einen Sinn hat,an den Sitten deines Volkes festzuhalten,obwohl du es nie mehr wiedersehen wirst.Zygonod und Galtarrad haben ohnehin ge-gen diese Prinzipien verstoßen, indem siedich einfach zum Tode verurteilten. Wennwir dich nicht rechtzeitig gefunden hätten…«

Genhered richtete seine Augen auf denArkoniden, und allmählich flackerte so et-was wie Leben darin auf. »Ich kann abernicht von den Fehlern anderer profitieren.«

»Wie auch immer, du mußt dich jetzt ent-scheiden, Genhered«, verlangte Atlan.»Leben oder Tod. Letzteres ist die eigentli-che, dir zugedachte Strafe, nicht das traurigeDahinvegetieren, in das du dich ergebenhast. Erinnere dich an Zenndicyl PervoratZeun, den Vierten Boten von Thoregon. «

Bré wußte, daß die letzte Bemerkung nurein Schuß ins Blaue gewesen war, dennGenhered hatte kaum über seine Beziehungzu Zeun gesprochen. Aber sie zeigte Wir-kung, das konnte sie sofort spüren.

»Vielleicht hast du eine neue Bestim-mung«, setzte sie fort. »Das Alkyetto wirdmindestens für eine sehr lange Zeit bei unsbleiben. Du wirst weiterhin als Sündenträgerin der Verbannung leben - aber was sprichtdagegen, daß du an das Meso-Neuron ange-schlossen wirst?«

Ihr war klar, daß der Nonggo vor allemAngst vor der Operation und den Folgenhatte; sämtliche Zweifel überfielen ihn alle

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auf einmal. Er wußte nicht mehr weiter, alsoversuchte er, sich zu verstecken. Aber Atlanhatte recht: Er mußte sich entscheiden.

»Ich kann dich verstehen«, wiederholteder Arkonide leise. »Ich bin selbst ein Ver-bannter, wie du weißt. Ich kann dir helfen,damit zu leben. «

In Genhereds nasenlosem Gesicht zucktees, und er atmete zweimal hastig hinterein-ander.

Dann sagte er ganz leise das entscheiden-de Wort: »Ja.«

*

»Lebenszeichen normal«, meldete derMedo.

Genhered war an eine Menge Systeme an-geschlossen worden. Der Nonggo lag in tief-stem Schlaf. Außer dem medizinischenTeam waren Domino ROSS und Sinius Pon-ta in dem Raum anwesend, um das Einset-zen des Chips zu überwachen. Atlan und BréTsinga beobachteten durch die Trennschei-be.

»Hoffentlich geht alles gut«, sagte die Xe-nopsychologin zum wiederholten Mal.

»Wir können nur abwarten«, versuchteAtlan sie zu beruhigen.

Sie funkelte ihn angriffslustig an. »Dasweiß ich, alter Mann. Sonst noch Ratschlä-ge?«

»Du könntest dein Geschenk aufmachen«,schlug er vor.

Sie erinnerte sich an das schmale Päck-chen, zog es aus der Tasche und öffnete esbehutsam. Es war ein alt wirkendes kleinesBild, nicht größer als fünf mal fünf Zentime-ter, das Papier von einer dünnen Folie abso-lut sicher geschützt, mit einem schmalenRahmen. Das Papier war ziemlich vergilbtund an den Rändern ausgefranst. Die leichtverblaßte Zeichnung darauf war mit schwar-zer Tusche ausgeführt. Mit wenigen Strichennur, aber voller Lebendigkeit: eine jungeKatze, die mit einem Ball spielte. Man warfast versucht, nach dem Ball zu greifen undihn zu werfen.

Bré Tsinga wußte nicht, was sie sagensollte. »So ein schönes Bild habe ich nochnie gesehen …«, flüsterte sie. »Ich meine, eswirkt so echt, als ob das Kätzchen jedenMoment aus dem Rahmen springe …«

»Es ist von Leonardo da Vinci«, erklärteAtlan.

»Eine Skizze, die er mal während einergemeinsamen Trinkrunde so nebenbei ange-fertigt hat. Er wollte sie nicht aufheben, alsonahm ich sie an mich.«

Aufgewühlt starrte die junge Frau denjahrzehntausendealten Arkoniden an. »Dasist viel zu wertvoll für mich, du mußt es be-halten.« Sie hielt ihm das Bild hin.

Er schob ihre Hand zurück. »Ich finde,daß es bei dir genau richtig aufgehoben ist,Bré.«

In diesem Moment ging der Alarm imOperationsraum los, und beide fuhren er-schrocken zusammen.

»Er kollabiert!« schrie Sinius Ponta mitdünner Stimme.

»Er ist wach!« keuchte eine Medikerinund deutete auf die weit geöffneten Augendes Nonggo.

Die Systeme überschlugen sich mit ihrenWarnungen und Analysen.

Bré Tsinga hastete in den Raum.»Genhered, bist du wach? Kannst du michhören und verstehen?«

Die Augen des Nonggo quollen hervor,sie bewegten sich asynchron und so heftig,daß es fast schien, als würden sie jeden Mo-ment aus den Höhlen fallen. Die wildzuckenden Arme und Beine mußten noch fe-ster angeschnallt werden.

»Was sollen wir tun?« rief die Medikerin.»Keine Ahnung«, antwortete der Chirurg

hilflos. »Wir haben schließlich keinerlei Er-fahrung mit dem Metabolismus der Nonggo,trotz aller Checks mit den Medosyns, trotzaller Gespräche, die wir vorab mit Genheredgeführt haben. Ein Mittel zur Stabilisierungkönnte ihn umbringen!«

»Beende die Operation!« fiel Bré als ein-zige Rettung ein. »Mach ihn wieder zu, so-fort!«

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»Das ist unmöglich, der Chip ist schoneingepflanzt. Es ist passiert, als wir die erstesynaptische Verbindung hergestellt hatten!«

»Das Zellgewebe um den Chip fängt zuwuchern an!« schrie Sinius Ponta.

»Wir müssen ihn sofort wieder rausho-len!«

Der Chirurg setzte den Laser an und fuhrerschrocken zurück, als eine Blase unterdem Gewebe aufplatzte und eine gelbe Flüs-sigkeit verspritzte. Die Zellwucherungen lie-ßen sich davon nicht abhalten. Bald war vondem Chip nichts mehr zu sehen; graue, stel-lenweise spinnwebfeine Fasern hatten ihnvollständig umhüllt.

»Wie sollen wir jetzt überprüfen, ob erkorrekt arbeitet?« beklagte sich Ponta.

Domino ROSS beobachtete die Kontrol-len. »Wir können es nur per Ferndiagnoseerreichen. Der medizinische Syntron mußden Chip aktivieren, wir können es jeden-falls nicht mehr.«

»Ich wage es nicht, noch einmal zuschneiden«, stimmte der Chirurg zu.

Unterdessen wurde der zartgliedrige Kör-per von fürchterlichen Spasmen geschüttelt,seine Körpertemperatur sank rapide.

»Künstlich beatmen!« ordnete die Medi-kerin an.

»Er atmet aber nur dreimal in der Minu-te«, warf Bré ein.

»Wir führen ihm nur ganz wenig Sauer-stoff zu, um den nötigen Druckausgleich zuhalten und zu verhindern, daß die Atmungs-organe völlig zusammenfallen«, erläutertedie Ärztin.

»Die übrigen Organe setzen nacheinanderaus«, meldete der Anästhesist. »Was ist dashier genau, ist das wirklich das Herz? Woherkommen auf einmal diese Werte? Der Kerlist ja praktisch schon tot!«

»Nein!« entfuhr es Bré. »Er lebt noch,seine Augen bewegen sich!«

»Das sind lediglich noch Kontraktionendurch die Krämpfe, wir können keine Gehir-naktivität mehr messen!« wurde ihr wider-sprochen.

»Ich fühle es, verdammt noch mal!«

schnauzte die Psychologin. Sie hielt Genher-eds kalte schmale Hand.

Irgendwo tief in ihm drin war sein Be-wußtsein. Es hatte sich versteckt, aus Angstvor irgend etwas. Vielleicht war der Chipbereits aktiviert und hatte den krankenNonggo in einen Schockzustand versetzt.Der Syntron stellte allerdings keine Aktivitätfest.

»Nicht aufhören, bitte!« flehte sie. »Nochkämpft er, aber er wird immer schwächer.Ich muß ihn beruhigen, irgendwie, ihm dieAngst nehmen!«

Verzweifelt dachte sie nach. Genheredhatte im Museum schon ähnliche Anfälle ge-habt, wenn auch nicht so lebensgefährlich.Sie hatte alles mögliche versucht, um ihn ei-nerseits zu beruhigen und andererseits seineAufmerksamkeit wachzuhalten; zu verhin-dern, daß er in völliger Katatonie versank.

»Vielleicht geht es mit der Musik vonTom«, flüsterte sie.

Die junge Frau vom Planeten Sabinn hattedas neueste Opus ihres besten Freundes aufeiner winzigen Disk gespeichert und trug siestets bei sich. Sie hörte die Musik gern undentspannte sich selbst dabei - oder rütteltesich auf, je nach Stück.

»Musik?« wiederholte die Medikerin ver-dutzt.

»Versuchen wir es einfach, bitte! Er kenntdiese Art Musik, ich habe sie ihm schon vor-gespielt. Ich hatte immer den Eindruck, daßsie ihm gefiel.«

Kurz darauf erklangen leise Melodien.Bré hielt weiterhin Genhereds Hand undkonzentrierte sich auf ihn. Sie schickte ihmEmotionen, die ihn beruhigen, ihm dieAngst nehmen sollten. Zuversicht, Freund-schaft, nur Positives.

Nach einiger Zeit ließ der Anfall tatsäch-lich nach. Die Augen schlossen sich, derKörper des Nonggo entspannte sich. DieKörperfunktionen nahmen ihre Tätigkeitwieder auf.

Nur das Gehirnmuster bildete nach wievor eine gerade Linie.

»Geduld«, flüsterte Bré. »Wir haben ihn

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wieder, das andere ist nur eine Frage derZeit. Er wird zurückkehren, ich bin sicher.Sein Lebenswille ist größer als seineAngst.«

»Beenden wir die Operation«, ordnete derChirurg an.

Kurz darauf wurde Genhered aus demRaum gebracht. Zwei mobile Syntronikenwaren nun direkt an seinen Kreislauf ange-schlossen worden und überwachten die Zell-funktionen.

»Ich bleibe bei ihm«, sagte Bré Tsinga zuAtlan. »Dann wird das Erwachen leichter.Ich weiß nicht, ob und wie sein verstörterVerstand diesen neuerlichen Schock verkraf-tet.«

»Denkst du, wir haben einen Fehler ge-macht?« erkundigte sich Ponta zaghaft.

Die Psychologin schüttelte den Kopf.»Nein, im Gegenteil. Es wird schon gutge-hen.«

*

Bré Tsinga ließ ihren Patienten drei Stun-den lang nicht aus den Augen. Sie registrier-te jeden Atemzug, achtete auf alle Verände-rungen.

Erleichtert seufzte sie auf, als die Systemeendlich eine Gehirnaktivität anzeigten. Kurzdarauf erwachte der Nonggo.

Genhered schlug die Augen auf und sahdirekt in Brés Gesicht. »Es ist getan«, mur-melte er, noch ein wenig benommen.

»Wie fühlst du dich?«»Ich hatte einen schrecklichen Traum,

und da war dieser Schmerz …«»Das ist vorbei, Genhered. Für immer.

Merkst du es nicht?«Der Nonggo betastete die Operationsstel-

le. »Ich spüre ihn«, flüsterte er.Bré rief nach den beiden Siganesen, die

sofort kamen.»Der Chip ist aktiviert, man kann es jetzt

gut messen«, meldete Ponta. »Es gibt auchkeine Anzeichen für eine Abstoßung. Sollenwir Tests durchführen?«

»Nein!« kam es überraschend schnell, laut

und heftig von Genhered. »Nein, ihr habteure Arbeit getan.« Der Nonggo richtetesich auf. »Ich spüre ihn, ich weiß, daß erfunktioniert. Es ist … es ist alles ganz an-ders, auf einmal. Ich möchte zurück zum Al-kyetto.«

»Jetzt gleich?« fragte Bré. »Du hattesteinen sehr schweren Kollaps, vielleichtbrauchst du …«

»Du hast selbst zu mir gesagt, daß es vor-bei ist«, unterbrach Genhered. »Der böseTraum verblaßt immer mehr. Ich fühle michkörperlich ausgezeichnet, nicht schlechterals vorher. Bitte bring mich jetzt zurück.«

»Ich muß trotzdem erst den Mediker ho-len. So lange mußt du noch warten.«

Nach einer eingehenden Untersuchungmit Hilfe der mobilen Syntroniken hatte je-doch selbst der Mediker nichts gegen eineEntlassung. Also machten sie sich wiederauf den Weg zurück zum Museum.

Bré hätte niemals eingestanden, wie ner-vös sie war, als sie durch Tor l hineingingen.Jetzt kam der alles entscheidende Moment:Funktionierte der Chip tatsächlich, wie ersollte? Konnte Genhered damit ins Meso-Neuron des Museums eintauchen?

Sie wußte, daß den Nonggo ein Fehl-schlag umbringen würde. Ein dritter. Schockwürde ihm den Lebenswillen, mindestensden Verstand rauben.

Momentan zeigte der Sündenträger sichungewöhnlich energiegeladen und zuver-sichtlich wie noch nie. Den Schrecken derOperation hatte er vollständig überwunden;er konzentrierte sich jetzt nur darauf, endlichwieder tauchen zu können.

In gewohnter Manier legte er den Kopfleicht schief. Alle anderen hielten den Ateman.

Als Bré Tsinga sah, wie sich das Gesichtdes Nonggo verklärte, fiel ihr gewisserma-ßen ein Felsbrocken vom Herzen. Vor lauterGlück hätte sie Genhered am liebsten um-armt, aber sie hielt sich natürlich zurück.

»Ja …«, hauchte der Sündenträger. »Dasist es …«

Sinius Ponta stieß vor lauter Aufregung

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Domino ROSS so heftig in die Seite, daß ereinen kräftigen Knuff zurückerhielt. AuchAtlan wirkte zufrieden.

Über Genhereds Gesicht huschte ein ganzneuer Ausdruck, möglicherweise ein Lä-cheln oder große Erleichterung.

»Ich bin wieder ich selbst«, sagte er lautund mit fester Stimme. Seine ganze Melan-cholie, seine gekrümmte Haltung, seineHilflosigkeit waren verschwunden. DerNonggo war völlig verändert, ein ganz ande-rer, wie neugeboren.

»Ich kann tauchen, ich kann das Wissenergründen«, fuhr Genhered fort. »Ich werdenie mehr einsam und leer sein, und das ver-danke ich vor allem dir, Bré Tsinga. Nurdeine Geduld hat es zuwege gebracht. Ichweiß nicht, wie lange ich schon hier verlorenwar, denn alles ist verschwommen in meinerErinnerung. Es kommt mir so vor, als wäreich jetzt erst erwacht, nachdem meine Ge-fährten mich ausgesetzt hatten.«

Bré lächelte. »Ich bin froh, daß der Chipsiganesischer Bauart funktioniert. DieserMoment ist für mich auch sehr … erhe-bend.«

Sinius Ponta überfiel den Nonggo mit ei-ner Menge Fragen zu dem Chip, um die letz-ten Bedenken zu beseitigen. Unterdessenverschwand Bré für ein paar Minuten undkehrte mit Genhereds prächtigem Umhangzurück.

»Ich habe ihn für dich aufbewahrt, fürdiesen Moment«, sagte sie. »Wirst du ihnnun tragen?«

Genhered zögerte nicht mit der Antwort.»Ja.«

5. Gatas

Die PERLAMARIN IV traf zum geplan-ten Zeitpunkt auf Gatas ein. Apuiro, derKommandant, seine Partnerin Sonhana unddie übrigen Besatzungsmitglieder wurdenwillkommen geheißen.

Bei den Blues war das Perlamarin ebensobegehrt wie bei den meisten anderen Völ-kern der Galaxis. Und ebenso nahmen sie

die freundlichen Riesen von Zyan nicht allzuernst - sie sahen sie nur als Lieferanten füreinen begehrten Stoff; als einfache Wasser-bewohner, nicht allzu beweglich und aktivin der Milchstraße.

Nachdem die führenden Vertreter des Fo-rums so gut wie alle in der Falle der Tolkan-der umgekommen waren, hatte sich ein neu-es Triumvirat gebildet, das seither die Ge-schicke des lockeren Bündnisses leitete. Vorallem die kleineren Völker im Forum Rag-lund bemerkten mit kritischen Mienen, daßjetzt drei Angehörige von Blues-Nationendas Triumvirat bildeten.

Den Solmothen war das gleichgültig. Im-merhin empfing sie Zio Trytun, der gatasi-sche Vertreter des Forums Raglund, höchst-persönlich.

Apuiro spürte trotzdem deutlich die ge-wisse Herablassung, mit der sie der Politikerbegrüßte. Er nahm daran jedoch keinen An-stoß. Zum einen ging er davon aus, daß allehochrangigen Politiker dieses Verhaltenzeigten, um eine gewisse Distanz zum»Normalvolk« zu wahren und als Autoritätanerkannt zu sein; zum anderen wußte er,daß sein Volk alles andere als mächtig undbedeutend war.

Zio Trytun war fast zwei Meter lang undbesaß die schlanke Gestalt der meisten Bluesmit kurzen Beinen und langen, starken Ar-men. Das vordere, katzenartig schillerndeAugenpaar auf seinem diskusförmigen Kopfbetrachtete die Solmothen eingehend. Dashintere Augenpaar konnte sich praktischer-weise, unbemerkt vom Gesprächspartner,mit den Artgenossen durch Blickkontakteverständigen.

Das machte Apuiro aber nichts aus; wederer noch einer seiner Artgenossen brauchtensich zu fürchten. Die Überlebenstanks ver-fügten über ausgezeichnete Schutzschirme -außerdem hielten sich die Blues garantiertan das Schutzabkommen.

Abgesehen davon, weshalb hätten sie denSolmothen etwas antun sollen? Sie warennur zu zehnt und für ihre absolute Friedfer-tigkeit bekannt.

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Sollten die Blues von dem Auftritt derSolmothen mit ihren riesigen Schutzbehäl-tern beeindruckt gewesen sein, so zeigten siees zumindest nicht. Sie stellten sich ausge-glichen, leicht herablassend dar, im Bewußt-sein ihrer Überlegenheit.

Ein Vorteil war, daß beide Völker pro-blemlos im Ultraschallbereich kommunizie-ren konnten - eine kleine Gemeinsamkeit -,allerdings benötigten sie dennoch die Trans-latoren aufgrund der unterschiedlichenSprachfelder. Doch es schien dem Blue Ver-gnügen zu bereiten, sich mit einem Fremd-volk »normal« unterhalten zu können.

»Es ist uns eine Ehre, daß ihr den weitenWeg unternommen habt, um uns zu besu-chen«, begann er seine rasch improvisierteRede und neigte leicht den flachen, diskus-förmigen Kopf. Sein gut ausgeprägtes rotesStreifenmuster hob sich deutlich von derblaßrosa Haut ab. »Ich finde es auch sehrwichtig, daß man sich genau darüber infor-miert, mit wem man eine Geschäftsbezie-hung hat. Das intensiviert diese Beziehungund fördert das gegenseitige Vertrauen.«

»Es freut mich, daß du uns vertraust«,entgegnete Apuiro und schob leicht seinenBauch nach vorne.

»Nun, wenn man einem Solmothen nichttrauen kann - wem dann?« meinte der Gata-ser amüsiert. Er drehte die Flächen der sie-benfingrigen Hände nach außen und spreiztedie drei Daumen. »Ich möchte bei der Gele-genheit auch einmal persönlich mein tiefstesBedauern über das ausdrücken, was maneuch in der Vergangenheit angetan hat.Auch wenn sich diese Tragödie vor meinerGeburt abgespielt hat, trage ich ebenso mei-nen Teil der Verantwortung.«

Diese schöntuerischen und absolut nichts-sagenden Worte beeindruckten Apuiro nichtim geringsten. Er war knapp zwanzig Jahrejünger als Battanboo und ihm in vielen Din-gen ähnlich. Auch er hatte die schlimme Zeitder Verfolgung durchgemacht, war darangereift und weiser geworden. Der Unter-schied war jedoch, daß er seine Lebenspart-nerin Sonhana erst nach den Massakern ken-

nen- und liebengelernt hatte. So war er vordem Einzelgängerschicksal bewahrt worden.

Apuiro lag es fern, dem Gataser zu zei-gen, was er von diesem Geschwafel hielt.Geduldig nahm er es hin, wie es Art der Sol-mothen war. Sie respektierten und tolerier-ten nahezu alles. Wenn der Blue das Bedürf-nis zu dieser Vorstellung hatte - bitte. Eswar auch nicht notwendig, darauf hinzuwei-sen, daß er durchschaut wurde.

Zio Trytun konnte die feinen Zeichen oh-nehin nicht verstehen. Die Körpersprachewar bei den Solmothen besonders stark aus-geprägt, doch teilten sie diese nicht mit Au-ßenstehenden - vor allem nicht mit Landbe-wohnern. Sie könnten diese vielen kompli-zierten Gesten ohnehin nie verstehen undwürden in einem sachten Flossenschlag nureine normale Bewegung sehen, um dasGleichgewicht im Wasser zu halten.

»Ich habe diese Zeit erlebt«, bemerkteApuiro höflich, »doch ist sie längst vorbei.Neue Generationen sind seither herange-wachsen. Es ist wichtiger, in die Zukunft zuschauen, als sich immer an die Vergangen-heit zu klammern.«

»Natürlich, natürlich«, stimmte der Gata-ser eifrig zu. Unter Garantie war er jetzt er-leichtert.

Apuiro lächelte still in sich hinein. Seinmächtiger Körper schwamm ganz ruhig,doch mit ein paar sachten Bewegungen derSchwanzflosse verständigte er sich lautlosmit seinen Gefährten. Er konnte an der Bie-gung ihres kurzen Halses deutlich sehen,daß sie ebenso amüsiert waren wie er.

Vielleicht sollten wir ihn erschrecken,machte Sonhana mit einem halben Gähnendeutlich.

Sie war so jung, so wunderbar lebendig.Apuiro wunderte sich manchmal heute noch,wie sie sich in einen gereiften, ein wenigmelancholischen Bullen hatte verlieben kön-nen.

Er sah zu ihr hinüber und machte einekleine Schlängelbewegung. Nicht doch, be-sagte das, Solmothen tun das nicht. DieMentalität der Luftatmer färbt zu sehr auf

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dich ab, du denkst schon fast wie sie.Ein milder, zärtlicher Vorwurf am Schluß.

Er spielte manchmal gern den Schulmeister,was seine Gefährtin allerdings nicht allzuernst nahm.

*

»Wir sollten in der Tat zur Gegenwartkommen«, äußerte sich der gatasische Ver-treter des Triumvirats erfreut und rieb mitder einen Hand am Gelenk der anderen. MitAusnahme des Kopfes und des Halses warseine Haut von einem zarten blauen Pelz-flaum überzogen, was an den von der Uni-form nicht bedeckten Stellen gut zu sehenwar. »Leider wurden wir von eurem Besuchnicht rechtzeitig in Kenntnis versetzt, sonsthätten wir uns um einen besseren Empfangbemüht …«

»Dafür gibt es keinen Grund«, unterbrachApuiro. »Wir wollten lediglich mit einemwichtigen Politiker des Forums Raglundsprechen, und dieser Wunsch ist uns bereitserfüllt worden. Unsere Mission ist zwar offi-ziell, erfordert aber keinen Aufwand. So et-was liegt uns ohnehin fern.«

Das war absolut wahr. Die Solmothen lie-ßen sich nicht beeindrucken und auch nichtgängeln - sie hatten sogar in der harten Zeitder Verfolgung widerstanden. Womit hätteman auch diese Geschöpfe beeindruckenkönnen? Zumindest auf Gatas konnten sieihre mit radioaktivem Wasser gefülltenÜberlebenstanks ohnehin nicht verlassen.Und sie legten keinerlei Wert auf pompöseStaatsbankette, die ebenso hohl und leer wa-ren wie die bisher geäußerten Worte.

Den Solmothen bedeutete so etwas nichts,ebensowenig verstanden sie etwas von Geld.Ihnen war bewußt, daß das Perlamarin denAngehörigen vieler Milchstraßenvölker eini-ges bedeutete, doch konnten sie es nicht sorecht verstehen. Nur ein Angehöriger ihresVolkes kannte den wahren, ideellen Wert.

Perlamarine waren für Solmothen materi-ell nichts Besonderes, jeder von ihnen konn-te sie erzeugen. Sie waren ein ideeller Be-

standteil ihrer Kultur, der Gesellschaft undder Familiengründung. Und obwohl das al-les für die Landlebewesen nicht galt, warendiese bereit, dafür zu kämpfen, sich gegen-seitig mit Angeboten zu überbieten und so-gar zu töten.

Das war in der Vergangenheit oft genuggeschehen; zu viele Solmothen waren hinge-metzelt worden. Die Scham über diese Tatender Vergangenheit haftete nun immer nochan einigen Diplomaten dieser galaktischenVölker, das war festzustellen.

»Ich habe meinen Terminplan sofort ge-ändert, damit ich mich persönlich mit euchunterhalten kann«, fuhr Zio Trytun fort. »Esist an der Zeit, daß wir in der Völkerverstän-digung einen Schritt nach vorne tun. Undnebenbei findet sich bestimmt noch eine gu-te Gelegenheit, über ein neues Handelsab-kommen zwischen Zyan und Gatas zu disku-tieren. Ich denke, unsere Fachleute könneneuch ein sehr gutes Angebot unterbreiten,das sicherlich überlegenswert ist …«

»Besten Dank, aber deswegen sind wirnicht gekommen«, unterbrach Apuiro einzweites Mal höflich.

Der Blue starrte ihn aus hell aufschillern-den Katzenaugen an. Jetzt war er vollkom-men aus dem Konzept. »Nicht? Aber … wasgibt es denn dann …«

»Das werden wir jetzt darlegen.« UndApuiro berichtete von ihrer Mission und ih-rem Vorhaben.

Er konnte deutlich spüren, wie sich Try-tuns Haltung änderte. Obwohl er sich ruhighielt, versteifte sein graziler Körper sichdeutlich, seine Erregung wurde fast greifbar,trotz der Tonnen Glas und Wasser zwischenihnen beiden.

»Das hätte man mir vorher mitteilen kön-nen!« entfuhr es dem Blue ärgerlich, nach-dem der Kommandant der PERLAMARINIV geendet hatte. »Dafür verschwende ichnicht meine Zeit.«

»Das kann keine verschwendete Zeit sein,denn es geht um den galaxisweiten Frie-den«, widersprach Apuiro. Seine Lebens-partnerin schwamm näher ans Glas und

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zeigte nun ebenfalls ihren violett gemuster-ten Bauch.

»Ich verstehe nicht, was ihr euch da ein-mischt«, beharrte Trytun empört. »Das gehteuch doch nichts an. Ihr habt euer Schutzab-kommen und könnt weiterhin auf eurer Weltdahinleben wie bisher.« Plötzlich schien ihmeine Idee zu kommen. »Das ist nur ein Ver-handlungstrick, nicht wahr? Um uns gegen-seitig auszuspielen!«

»Nicht im geringsten«, lehnte Apuiro ab.»Unsere Absichten sind genau so, wie wirsie dargelegt haben. Solmothen pflegen kei-ne taktischen Winkelzüge. Wenn wir vorhät-ten, etwas an unseren Handelsvereinbarun-gen zu ändern, hätten wir Vertreter von Ga-tas nach Zyan gebeten. Doch die Umständesind anders. Wir müssen euch alle einzelnaufsuchen, um euch zu überzeugen.«

»Das interessiert mich nicht!« Zio Trytunstrich ablehnend mit den Händen über dieHörlamellen an den Seiten. »Wir wissensehr genau, was wir von dem Angebot derArkoniden zu halten haben, und benötigenkeine Belehrungen!« Er erhob sich von sei-nem Stuhl. »Ich fürchte, ich muß mich nunmeiner Arbeit widmen. Ich lasse euch zu eu-rem Schiff zurückeskortieren. Ihr könnt janoch zu den Tentra oder nach Apas fliegen,vielleicht haben die weniger zu tun.«

»Das haben wir ohnehin vor, aber vorhersolltest du dir wenigstens unsere Argumenteanhören«, bat Apuiro und tänzelte be-schwichtigend. Er konnte spüren, daß derGataser ein hartgesottener Gegner war, demnicht so leicht beizukommen war.

Der Solmothe durfte aber keinen Hinaus-wurf hinnehmen, sondern mußte seine Mis-sion durchführen, koste es, was es wolle. Al-so griff er zu einem unerlaubten Mittel - derErpressung. Selbstverständlich war das nurDampfplauderei, er würde dieses Vorhabenniemals in die Tat umsetzen. Aber vielleichtschluckte der Gataser den Köder; er kanntedie Solmothen nicht gut genug und wußtenicht, daß sie, wenn sie überhaupt je eineDrohung aussprachen, mit nahezu absoluterSicherheit blufften.

»Das ist sehr schade, denn der Erfolg un-serer Mission sollte doch allen einen Nutzenbringen«, sagte er mit einem enttäuschtenUnterton. »Wir haben keine Befugnis, übereinen Handel zu sprechen, jedoch schickenwir regelmäßig detaillierte Berichte. Einneues Galaktikum könnte auch uns eineMenge Vorteile bringen, und es wäre sichernicht sinnvoll, als Außenseiter dazustehen.Meine Freunde sind bei anderen Völkern un-terwegs und haben bisher positive Berichtegeliefert …«

Das Schillern der Katzenaugen wurde zueinem Wetterleuchten. »Was willst du damitsagen?«

»Nun, niemand hat es laut gesagt. Aberich bin sicher, unsere Oberhäupter verknüp-fen mit unserem Erfolg bestimmte weitereAbsichten bezüglich des Handels …«

»Das ist doch nicht euer Ernst!«»Du hast selbst gesagt, daß es Zeit wird,

unsere Beziehungen zu intensivieren, undich denke mir, daß diese Mission ins Ge-wicht fallen wird.«

Zio Trytun wirkte jetzt unruhig. Anschei-nend konnte es sich auch ein wichtiges Mit-glied im Triumvirat des Forums Raglundnicht mehr erlauben, die Solmothen einfachhinauszuwerfen. Vielleicht blufften sie nur,aber er durfte das Risiko nicht eingehen. Einlukrativer Handelszweig hing davon ab, dervor allem den Interessen der Gataser diente,die sein Amt stützten. Er bebte vor Zornüber die Erpressung, aber es blieb ihm nichtsanderes übrig, als sich wieder hinzusetzen.

»Ich mache dir einen einfachen Vor-schlag«, sagte Apuiro versöhnlich. »Hör direinfach an, was wir zu sagen haben. Danachwerden wir verschwinden, wie du es ge-wünscht hast. Wir haben den Auftrag, nachM 13 zu fliegen und den Arkoniden einenBericht zu liefern …«

»Dann arbeitet ihr also für sie?« Das -Mißtrauen war für die Solmothen sogar inden extrem hohen Stimmlagen des Gataserszu vernehmen.

»Nein, nicht in ihrem Auftrag, wenn dudas meinst. Wir handeln aus eigenem. An-

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trieb. Wir arbeiten gewissermaßen für dasneue Galaktikum. Wir werden den Arkoni-den mitteilen, wie ihr über ihr Angebotdenkt. Als neutrale Mittler sozusagen. Darinsehen wir die einzige Möglichkeit, euch allean einen Tisch zu bekommen.«

»Denk nach, Zio«, warf Sonhana ein, »esgibt nur noch die beiden Wege:

Schlagt ihr alle das Angebot aus, wird eszwangsläufig in absehbarer Zeit zu einemKrieg kommen, der die gesamte Galaxis inBrand versetzt. Der andere Weg aber bedeu-tet, sich zusammenzusetzen und zu diskutie-ren. Niemand verlangt irgend etwas voneuch. Das Galaktikum liegt am Boden, dieSpannungen steigern sich. Aber ihr sollt dieChance bekommen, wieder einen Weg zu-einander zu finden. Die letzte Entscheidungliegt nach wie vor bei euch, doch solltet ihrsie erst treffen, wenn ihr alle Argumente ge-hört und euch davon überzeugt habt, daß dasAngebot den Tatsachen entspricht odernicht.«

Zio Trytun schwieg eine Weile, den Tel-lerkopf leicht gesenkt und mit zu schmalenSchlitzen geschlossenen Augen. Er dachteintensiv nach. Einerseits wollte er die Sol-mothen loswerden, andererseits aber schade-te es vielleicht nicht, sie einfach anzuhören.Nur so konnte er Informationen erhalten undeine Entscheidung treffen.

»Ich gebe euch eine Stunde«, sagte erschließlich.

*

Nach genau einer Stunde bat Zio Trytunum eine Pause. »Es gibt einige Sachen zuklären, die ich nicht aufschieben kann«, gabder Gataser als Grund an. »Zudem muß ichwieder einen klaren Kopf bekommen, bevorich das Gespräch mit euch fortsetzen kann.«

»Wir freuen uns, wenn du die Frist ver-längerst«, versicherte Apuiro. Vermutlichwollte sich auch der Solmothe mit seinenGefährten über die weitere Strategie unter-halten.

Zio Trytun hatte jedoch etwas ganz ande-

res im Sinn. Nachdem er in einem kleinenBüro saß, das ihm als eines der Amtszimmerauf Gatas diente, wurde das Forum-Ratsmitglied erst richtig aktiv Er ließ SyillyDyrhülfn und Gyt Dkennütög zu sich kom-men.

Syilly Dyrhülfn erschien in der Uniformder gatasischen Flotte, seine Schulter wurdevon Offiziersbändern geziert, seine Brustschmückten einige Ordensbänder. Zio Try-tun kannte den Mann gut genug, um zu wis-sen, wie er ihn einzuschätzen hatte. SyillyDyrhülfn hatte sich in letzter Zeit bei Einsät-zen im Bereich des Kugelsternhaufens 47Tucani einen guten Namen gemacht. Dortlieferten sich, seit die Tolkander ihre Basengeräumt hatten, kleine, offiziell nicht exi-stierende Einheiten aus dem Kristallimperi-um, dem Forum Raglund und der Liga Frei-er Terraner einen Wettlauf um technischeEinrichtungen, Rüstplaneten und zurückge-lassene Raumschiffe - wobei es immer wie-der zu kleineren militärischen Auseinander-setzungen kam.

Mit dem Militär hatte Gyt Dkennütögnicht soviel zu tun. Er gehörte zu einer ge-heimen Abteilung des gatasischen Außenmi-nisteriums, die vor allem viel Zeit daraufverwandte, innerhalb des Forums Raglundden Einfluß der Gataser auszubauen. KeinWunder, daß er zu einer wichtigen Person ander Seite Zio Trytuns geworden war.

In kurzen Worten setzte das Ratsmitgliedim Forum Raglund seine Vertrauten inKenntnis über die Absichten der Solmothen.

»Sie haben vor, im Anschluß an unser Ge-spräch zu den anderen großen Völkern unse-rer Nation zu fliegen und danach erst nachM 13. Das ist die Gelegenheit für uns! So ei-ne bekommen wir nicht so schnell wieder,und wir müssen sie unbedingt nutzen.«

Syilly Dyrhülfn war sofort Feuer undFlamme und schnippte mit jeweils zweiDaumen. »Du meinst, daß wir ein Geheim-kommando auf Arkon I einschleusen?«

»Ganz genau.« Zio Trytun rieb sich diewulstigen, kräftigen Lippen der Mundöff-nung am Hals. »Nur so können wir uns ge-

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nau davon überzeugen, was die Arkonidenin Wirklichkeit vorhaben - und noch so ne-benbei einiges in Erfahrung bringen.«

»Über diesen lästigen Imperator namensBostich beispielsweise«, meinte Gyt Dken-nütög. Sein hinteres Augenpaar zwinkerteheftig, eine alte Muskelschwäche. »Ab erwerden die Solmothen das nicht merken?«

Zio Trytun machte eine wegwerfende Ge-ste. »Sie sind harmlose Trottel, arglos undnaiv. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sieihr Schiff überprüfen, bevor sie abfliegen.Die nicht gefluteten Sektoren sind stets ein-ladend vorbereitet für Überraschungsgäste,wie ich erfahren habe. Da dürfen wir nichteinfach nein sagen - auch wenn wir gar nichtoffiziell eingeladen worden sind. Da sie die-se Sektoren nicht betreten können, kann esnicht zu einem zufälligen Zusammentreffenkommen. Dort ist das Enterkommando si-cher vor der radioaktiven Strahlung. Halteteuch deshalb von den nicht gefluteten Ma-schinenräumen fern - auch in den bestenRaumanzügen kann viel passieren, wennman länger unterwegs ist. Und ich will keinRisiko eingehen.«

Er schaute den Offizier mit den vorderenAugen an. »Es ist dir wohl klar, daß du dieseAufgabe übernehmen wirst.«

»Es ist eine große Ehre für mich«, sagteSyilly Dyrhülfn. »Ich werde sofort die Leuteaussuchen und sie an Bord bringen, währendihr miteinander sprecht. In zwei, drei Stun-den müßten wir das erledigen können.«

Der Offizier machte sich sogleich auf denWeg.

Gyt Dkennütög blieb einen Moment.»Wie denkst du über das, was die Solmothensagen?« wollte er unverblümt wissen.

»Das spielt doch gar keine Rolle.«»Und ob es das tut, Zio. Ich merke ganz

genau, daß du verunsichert bist. Mach mirnichts vor, sie haben dich eingelullt.«

»Niemand lullt mich ein!« brauste Zioauf.

»Was ist es dann?« forschte Gyt.Der Vertreter des Triumvirats zögerte

einen Moment. Er galt zu Recht als intrigan-

ter Mann, der seine Macht mit allen Mittelnverteidigte. In diesem Augenblick wirkte eraber nachdenklich.

»Ich weiß es auch nicht«, gestand er ehr-lich. »Was sie sagen, ist nicht einfach ir-gendwo hergeholt, und sie glauben fest dar-an. Es stimmt, ich bin mit meiner Überzeu-gung ins Schwanken gekommen.«

»Und trotzdem willst du eine Truppe anBord schicken?«

»Jetzt erst recht. Ich muß wissen, was davor sich geht, nur so können wir die Ent-scheidung fällen. Das Risiko muß minimiertwerden, das ist unsere einzige Chance.«

Zio Trytun kehrte anschließend zu denSolmothen zurück. Es lag nun an ihm, dasGespräch auf die gewünschte Länge zu deh-nen. Ein winziger Sender am Handgelenkwürde ihm mitteilen, wann das Vorhaben er-folgreich abgeschlossen war.

Es fiel allerdings nicht schwer, die Zeitherumzubringen. Die Solmothen erwiesensich als intelligente und eloquente Ge-sprächspartner. Selbst in dem Gataser keim-ten immer mehr Zweifel auf, ob es richtigwar, weiterhin diese starre Haltung aufrecht-zuerhalten.

Er begann darüber nachzudenken, ob dieVerlegung des Galaktikums nach Arkon Iwirklich so utopisch war. Die Arkonidenwaren ein stolzes Volk mit einem sensiblenEhrgefühl. Es sollte doch möglich sein, zu-mindest eine Vorverhandlung zu führen.

Allerdings mußten damit alle einverstan-den sein - das bedeutete, nicht nur Gataser,Tentra und Apasos, sondern auch die ande-ren Völker des Forums Raglund, die»Neutralen« sowie die Liga Freier Terraner.Das bedeutete, man mußte untereinander inKontakt treten, um die allgemeine Stim-mung zu sondieren.

Dann war immer noch Zeit genug für eineendgültige Entscheidung. Die heimlicheEinsatztruppe an Bord der PERLAMARINIV würde einen wichtigen Beitrag dabei lei-sten.

Als das erhoffte Signal endlich kam, hatteder Gataser es auf einmal eilig. Mitten im

Friedensmission 29

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Satz brach er mit einem heftigen Wink desHauptdaumens der rechten Hand ab.

»Es tut mir leid, aber ich habe die Zeitvollkommen übersehen«, log er. »Ich denke,wir sind mit unserer Besprechung ohnehinam Ende angekommen. Ich habe mir alleArgumente angehört und werde darübernachdenken, was wir unternehmen werden.«

»Es war sehr freundlich von dir, uns solange angehört zu haben«, sagte Apuiro höf-lich.

»Ihr habt noch eine Menge Arbeit voreuch, deshalb braucht ihr euch hier nichtmehr weiter zu verausgaben«, versetzte Zio.

»Wenn ihr es wünscht, werde ich eurenBesuch anmelden.«

»Danke, aber das ist nicht notwendig«,lehnte Apuiro ab. »Wir freuen uns, wenn un-sere Mission zu einem Erfolg führt.«

»Ich kann euch versprechen, daß ich michin jedem Fall mit der Liga in Verbindungsetzen werde, gleichgültig, was die übrigenAngehörigen des Forums Raglund unterneh-men. Insofern habt ihr einen vollen Erfolg.Ihr seid zu beglückwünschen.« Einen Satzwollte der Blue aber noch loswerden: »Ichhoffe ferner, daß dieser positive Abschlußsich auch ebenso positiv auf unsere künfti-gen Handelsbeziehungen auswirken wird.«

»Darüber kann ich kein Versprechen ab-geben«, meinte Apuiro vorsichtig. »UnsereMission steht absolut im Vordergrund, dasverstehst du hoffentlich.«

»Alles zu seiner Zeit«, meinte Zio Trytundiplomatisch. Er verabschiedete die Solmo-then in aller Eile und sorgte dafür, daß sieohne Verzögerung auf ihr Schiff kamen.

*

Syilly Dyrhülfn hatte in Windeseile 29hervorragend ausgebildete Soldaten ausge-sucht. Er kannte die meisten der Männer undFrauen aus den verschiedensten Einsätzender letzten Jahre. Mit sich selbst verfügte ernun über eine schlagkräftige Truppe.

Schwer bewaffnet und in den bestenRaumanzügen trafen sie am Raumhafen ein.

Wie erwartet, war die PERLAMARIN IVohne Schutz - niemand war an Bord geblie-ben, und sie war auch nicht verschlossen.Alarmsysteme waren keine aktiviert.

Das alles wäre auch nicht logisch gewe-sen, denn die Solmothen waren in ihrerFriedfertigkeit nicht mit dem Listenreichtumeines aggressiven, eroberungswilligen,raumfahrenden Volkes ausgestattet. Sie leb-ten zurückgezogen, respektierten aus diesemGrund jederzeit die Intimsphäre des anderen.Diese ohne Vorankündigung und Genehmi-gung zu unterschreiten wäre ihnen niemalsin den Sinn gekommen.

Sie konnten sich in dieser Hinsicht nichtin die Gedankenwelt anderer hineinverset-zen; so etwas lag ihnen absolut fern. Trotz-dem gingen die Gataser kein Risiko ein; vorBetreten des Schiffes scannten sie es erstgründlich. Ihre Sorge war dabei nicht, durchirgend etwas Unbekanntes angegriffen zuwerden - die Solmothen hielten sich keinelebendigen oder maschinellen »Wachtiere«.Es ging nur darum, die Eigentümer desSchiffes durch Sorglosigkeit nicht darauf zubringen, daß blinde Passagiere an Bord wa-ren.

Syilly Dyrhülfn schaute zu, wie einigeTechniker das Schiff elektronisch, positro-nisch und syntronisch abtasteten. Gelegent-lich tauschten die Männer, die ihre Geräte ineinem Lagerraum tief im Boden unterhalbdes Solmothen-Schiffes aufgebaut hatten,Informationen in Ultraschall aus, dann such-ten sie weiter.

Syilly Dyrhülfns Männer waren bereitsstartklar. Sie warteten nur auf sein Signal.Immer wieder blickte der gatasische Offizierauf sein Chronometer. Solange die Verhand-lungen liefen, konnte nichts geschehen.

»Wie sieht es aus?« fragte er mit allenAnzeichen von Nervosität.

»Gut«, kam nach einer längeren Pause dieAntwort. »Es gibt keine Ortungseinrichtun-gen. Wir haben einen dreidimensionalenPlan des Raumschiffes erarbeitet. Diesenüberspielen, wir gerade an die Syntronikeneurer Raumanzüge.«

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»Nicht schlecht.« Syilly Dyrhülfn hob an-erkennend die drei Daumen seiner linkenHand. »Es ist ja ein ehemaliges Gataser-Schiff - haben die Solmothen viel verän-dert?«

»So gut wie gar nichts. Die technischenGrundlagen sind mit denen unserer eigenenSchiffe identisch, ihr könnt euch ganz nachden Gegebenheiten richten, die wir in eureRechner projizieren.«

Nachdem Syilly Dyrhülfn ein Zeichen ge-geben hatte, verabschiedeten sich die Solda-ten von den Technikern. Dann schlossen sieihre Anzüge und flogen los. Schnell ging esdurch einen Schacht nach oben, dann durcheine Notschleuse am Grund des Raumhafensbis hin zur Hangarschleuse des Solmothen-Schiffes. Durch diese drangen sie ins Inneredes Schiffes ein.

Syilly Dyrhülfn flog voraus. Der dreidi-mensionale Plan, den die Syntronik auf dieInnenseite seines Helms projizierte, lotsteihn; die anderen folgten.

Der Offizier mahnte immer wieder seineGefährten, sich besonders vorsichtig durchden gefluteten Bereich zu bewegen, um nurja keine Koralle zu beschädigen. Sie strebtenauf dem kürzesten Weg zu einem nicht ge-fluteten Bereich in der Nähe der Zentrale;auch hier konnten sie die Schleuse, die dieAnzüge automatisch von Rückständen rei-nigte, ungehindert passieren.

Syilly Dyrhülfn winkte einen seiner Män-ner nach vorne. »Sind alle Schotten dicht?«fragte er barsch. »Habt ihr die Lage unterKontrolle.«

Der Mann beugte sich über ein kombi-niertes Schutz- und Ortungsgerät, das er perAntigrav mit sich geführt hatte. Während ermit den vorderen Augen die einzelnen Sy-steme kontrollierte, blinzelte er mit den hin-teren Augen seinen Vorgesetzten beruhigendan.

»Alles in Ordnung«, sagte er dann. »Wirsind hier absolut sicher. Die Solmothen wer-den nichts merken.«

Erst danach gab Syilly Dyrhülfn einenentsprechenden Befehl; die Gataser öffneten

die Anzüge. Immerhin waren Atmosphäreund Schwerkraft in diesem Bereich auf ga-laktischen Standard abgestimmt.

Der permanente Ortungsschutz, den daskleine Gerät erzeugte, sollte eine zufälligeEntdeckung vermeiden. Da es sich bei derPERLAMARIN IV um einen150-Meter-Diskus eigener Fertigung handel-te, wußten die Blues bestens Bescheid.

In den nicht genuteten Sektoren waren dieschon alten Systeme seinerzeit weder modi-fiziert noch abgeschaltet worden. Der Auf-wand dafür wäre zu groß gewesen. Die Sol-mothen waren nicht einmal über jedes Detailin Kenntnis gesetzt worden; schließlich soll-ten sie ihre Raumschiffe nicht selbst reparie-ren können, sondern Spezialisten beauftra-gen - ein kleiner Beitrag zum Handelsab-kommen.

Mit den Notsystemen war es kein Pro-blem, die Hauptzentrale heimlich anzuzap-fen und von dort aus alle Informationen zuerhalten. Terminals und Schirme waren oh-nehin vorhanden, nur durfte in der Zentraleniemand mitbekommen, daß einige Blues imverborgenen alle Sendungen abfingen.

Zur großen Erleichterung Syilly Dyr-hülfns war es gar nicht schwer, die Sicher-heitssysteme zu umgehen - schließlich wa-ren es die eigenen. Damit wußten die Ein-dringlinge stets, wo sich das Schiff befand,und hörten direkt den Funkverkehr ab.

Als die Solmothen an Bord zurückkehr-ten, gab es kurz einen spannenden Momentfür das Enterkommando. Doch die Eigentü-mer merkten nichts von ihren ungebetenenGästen. Sie verließen ihre Tanks, schwam-men zur Zentrale und starteten nach einemletzten Abschiedsgruß Richtung Apas.

Die dreißig Soldaten unter dem Komman-do von Syilly Dyrhülfn richteten sich so be-quem wie möglich ein. »Hoffen wir, daß dieReise nicht allzulange dauert«, sagte der Of-fizier selbstkritisch.

6. Terra

»Genhered braucht mich jetzt nicht

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mehr«, stellte Bré Tsinga fest. »Nachdem erseinen Willen so deutlich formuliert hat, daßich ihn allein lassen soll, kann ich beruhigtmeine Zelte hier abbrechen.«

»Wenn du ein gutes Gefühl dabei hast,steht dem sicherlich nichts entgegen«, mein-te Atlan.

»Ich kann sogar verstehen, daß Genheredfür einige Zeit seine Ruhe haben möchte. Ermuß sich erst einmal durch das Museum ar-beiten, schließlich war es bei den Nonggonie aktiviert und ist sozusagen noch jung-fräulich. Dabei kann er auch wieder zu sichselbst finden. Jedenfalls ist er momentangeistig und emotional stabil. Er wird esschaffen, denn sein Leben hat wieder einenSinn.«

»Unser Werk ist ebenfalls getan«, sprachDomino ROSS. »Am besten, wir kehren zurRICO zurück, Atlan.«

»Einverstanden. Ich komme auch baldnach. Euer nächster Einsatzort wird wahr-scheinlich bei den Arkoniden sein, zumin-dest gilt das für dich, Domino. Mach dichvorsorglich mit den Berichten der IPRASAüber Mirkandol vertraut.«

Die beiden Siganesen waren kaum fort,als ein Anruf von Cistolo Khan kam: »DiePERLAMARIN I hat soeben um Landeer-laubnis gebeten.«

Die Solmothen waren bereits erwartetworden, auch über die Medien waren schonentsprechende Gerüchte durchgesickert.

»Paola Daschmagan hat alle Termine ge-ändert, um die Solmothen sofort empfangenzu können«, fügte der LFT-Kommissar hin-zu. »Das paßt ihr derzeit ganz gut in denWahlkampf, von wegen sie kümmert sicheben auch um die Beziehungen zu den klei-neren galaktischen Völkern und ist damiternstzunehmende Staatschefin. Ich nehmean, daß du auch mit dabeisein willst, Atlan.«

»Allerdings«, bestätigte der Arkonide.»Wir erwarten dich so schnell wie mög-

lich. Du bist als Beobachterin ebenfalls miteingeladen, Bré.«

Die Blicke des LFT-Kommissars und derSabinnerin trafen sich für einen Moment.

»Gern«, sagte sie. »Meine Arbeit hier istohnehin beendet, das trifft sich gut.« Unter-wegs gestand sie dem Arkoniden:

»Ich bin schon sehr gespannt auf dieseWasserbewohner.«

Als sie eintrafen, waren Battanboo undseine Gefährten bereits anwesend. Die ErsteTerranerin hatte einen großen Raum ge-wählt, um zehn sechs Meter lange und drei-einhalb Meter breite Überlebenstanks be-quem unterzubringen, und die Gesprächs-ordnung so eingerichtet, daß man sich sozu-sagen »gegenübersaß«.

Bré Tsinga war sofort von den mächtigenGeschöpfen in den exotisch wirkenden,einen Meter über dem Boden schwebendenTanks fasziniert. Sie konnte spüren, daß dieRiesen überaus friedlich waren und einestarke emotionale Ausstrahlung besaßen, diedurchwegs positiv wirkte.

Auf einmal fühlte sie sich heiter und aus-geglichen, und seltsamerweise fiel ihr Jafkoein, ihr jahrelanger Begleiter. Sie wußte, daßes dem Husslar auf Sabinn sehr gut ging; erhatte eine Familie gegründet und besuchtedie dort vorhandene Station manchmal mitseinem ganzen Clan. Nach wie vor gab ersich zutraulich und freundlich und ließ sichstreicheln, gutmütig und im vollen Bewußt-sein seiner überlegenen Stärke.

Es war bei solchen Besuchen fast, als wä-re sie wirklich dort.

Bré schüttelte den Kopf, den Geruch derwilden Dardsien noch in der Nase. Dannmerkte sie, daß Atlan sie beobachtete, nickteihm zu und streckte leicht den Daumen nachoben. Daraufhin entspannte der Arkonidesich und lauschte interessiert, was die Sol-mothen vorzutragen hatten.

Paola Daschmagan hörte sich die Ausfüh-rungen ebenfalls sehr aufmerksam an, dochdie Sorgenfurchen in ihrem Gesicht glättetensich nur wenig.

»Das ist alles nicht so einfach, wie ihreuch das vorstellt«, sagte die Erste Terrane-rin in eine Gesprächspause hinein. »Ihrkennt vielleicht die neueste Entwicklunghier auf Terra noch nicht. Bereits in drei

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Monaten sind Neuwahlen, und ich habeeinen starken Gegner, der absolut gegen dasAngebot der Arkoniden ist. Die Terraner hö-ren ihm zu - und ich denke, sie achten mehrauf seine als auf eure Worte.«

»Ich bin mir auch sicher, daß Solder Branteure Friedensmission politisch ausschlach-ten wird«, teilte der LFT-Kommissar seineAnsicht mit.

»Um so wichtiger ist es, daß wir Erfolghaben«, meinte Battanboo.

Die Psychologin verfolgte die Konferenzstill aus dem Hintergrund, rein als Beobach-terin. Auch Atlan beteiligte sich kaum anden Gesprächen. Er war ohnehin dafür, derEinladung der Arkoniden Folge zu leisten,und hatte seine Argumente bereits dargelegt.

Um so interessanter war es für Bré, dieallmähliche Wandlung mitzuerleben. So-wohl Paola Daschmagan als auch CistoloKhan veränderten ihr Verhalten den Solmo-then gegenüber.

Trotz aller vorgespiegelten Diplomatiehatte die junge Frau deutlich spüren können,daß die beiden Politiker die Wasserbewoh-ner anfangs überhaupt nicht richtig ernstnahmen. Die Solmothen besaßen keinen be-sonderen Status, noch hatten sie sich je ir-gendwie auf der galaktischen Bühne hervor-getan. Sie waren die Lieferanten des Perla-marin und damit, trotz ihrer Intelligenz, ineine bestimmte Schublade gesteckt worden.Sicher trug auch ihr Aussehen dazu bei,denn sie ähnelten verblüffend terranischenSee-Elefanten.

Doch allmählich lockerten die Terranerihre Haltung und gingen auf die Argumenteder Solmothen ein. Die Gespräche wurdentiefgründiger, die beiden Politiker nachdenk-licher. Und ganz allmählich änderten sie ihreMeinung.

Bré Tsinga hatte sich bisher zu dem An-gebot der Arkoniden keine eigene Meinunggebildet. Sie wußte nicht, was sie davon hal-ten sollte, und die kurze Ansprache des Im-perators Bestich hatte nicht ausgereicht, umsie richtig zu informieren. Einerseits war sieäußerst mißtrauisch, andererseits aber war

das vielleicht wirklich eine Chance für einengemeinsamen Neubeginn. Zuviel Mißtrauenkonnte auch schaden.

Nach einer Weile bat Paola Daschmagandie Gäste um eine Pause. Der LFT-Kommissar, Atlan und Bré Tsinga folgtenihr auf einen kurzen Fingerzeig in ein nahegelegenes Besprechungszimmer.

»Ich habe deine Zeichen gesehen, Cisto-lo«, begann Paola ohne weitere Umschwei-fe. »Du hast mich zudem einmal dezent mitdem Fuß angestoßen. Was ist los?«

Der LFT-Kommissar grinste kurz.»Wart's ab«, empfahl er. Ohne eine weitereErklärung zu geben, forderte er ein TeamPsi-Spezialisten an.

»Kannst du mir verraten, was das soll?«wollte Paola wissen.

»Etwas stimmt hier nicht«, antwortete Ci-stolo langsam. »Bevor die Solmothen einge-troffen sind, war ich meiner Sache völlig si-cher, daß die Arkoniden nichts Gutes imSinn haben. Auch Atlans Argumente habendaran nichts ändern können. Jetzt aber binich nicht nur im Schwanken, sondern neigesogar allmählich dazu, daß Battanboo dochrecht haben könnte.«

»Und deshalb vermutest du, daß die Sol-mothen uns parapsychisch beeinflussen?«fragte Bré nachdenklich. Sie hob4ie Schul-tern. »Möglich wäre es ja. Wenn du schonmal so schnell die Meinung änderst.« DieAnwesenden grinsten.

»Ist denn dir irgend etwas Besonderesaufgefallen?« wandte Atlan sich an die Psy-chologin.

»Ich weiß, daß du auf meine empathischeGabe ansprichst - aber du weißt ja, daß diesenicht hundertprozentig funktioniert. Was ichfeststellen kann, ist folgendes: Die Solmo-then meinen es absolut aufrichtig und sindvon ihrem Handeln überzeugt. Sie wollenFrieden, nichts sonst. Sie sind über die Ent-wicklungen besorgt und wollen helfen. Ichkonnte jedenfalls nichts von einer Beeinflus-sung spüren, auch nichts von einem Versuchder Solmothen, uns irgendwie einzulullen.«

»Dann haben sie dich eben auch beein-

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flußt«, beharrte Khan.»Wieso stehen wir dann hier und diskutie-

ren darüber? Das ist doch absolut sinnlos!«»Die Sache wäre ohnehin sehr heikel«,

gab der Arkonide nachsichtig zu bedenken.»Ich bin seit Jahrtausenden mentalstabili-siert, und auch Paola und Cistolo sind ent-sprechend geschützt. Eigentlich funktionierteine Beeinflussung gar nicht.«

»Aber es sind schon die schlimmsten Din-ge passiert«, knurrte Khan. »Ich will eindeu-tige Beweise. Sobald die Psi-Experten bereitsind, gehen wir zurück. Die Ergebnisse wer-den uns dann Klarheit verschaffen.«

*

Während Paola Daschmagan, CistoloKhan und Atlan in die Halle zurückkehrten,blieb Bré Tsinga draußen, um auf die Psi-Techniker zu warten. Das fünf Männer undFrauen umfassende Team kam mit einigentragbaren Geräten und ließ sich in einem an-grenzenden Raum nieder.

»Versucht herauszubekommen, was imNebenraum abläuft«, sagte die Psychologin.Sie sagte nicht, um welche Art von Wesenes sich handelte. »Welche Art von Gerätenhabt ihr dabei?«

»Alles hochsensible Sachen, das Neuestean Technik«, versicherte einer der Technikereifrig. Er hatte ein herzerfrischendes Lä-cheln, mit dem er die hübsche junge Fraubegeistert anstrahlte.

Die anderen vier zeigten sich etwas wort-karger; sie konzentrierten sich ganz auf dieArbeit. Bré Tsinga wußte, daß es nur wenigePsi-Experten auf Terra gab. Wahrscheinlichwaren die Experten heilfroh, endlich einmaleine »richtige« Arbeit zu erhalten.

Zunächst scannten die Techniker den mo-mentan nicht abgeschirmten Raum mit ei-nem Hochleistungs-Elektroenze-phalographen für Frequenzen bis in denfünfdimensionalen Bereich. Dann manipu-lierten sie die Einstellungen so lange, bis al-le Störeinnüsse erkannt und ausgeschaltetwaren. Im nächsten Schritt schlossen sie den

Receiver an, der die Daten aufsplittete undauf verschiedenen Schirmen ausgab. An denReceiver waren weitere empfindliche Meß-geräte angeschlossen, zur Erfassung para-normaler Strahlungen, deren Auswertungholographisch dargestellt wurde.

Bré Tsinga las sich nach einer Weile indas scheinbare Chaos an Mustern, Linienund schematischen Darstellungen chemi-scher Prozesse ein.

»Das erkenne ich gleich ohne Gegenpro-be«, freute sich der freundliche Techniker.»In dem Raum befinden sich zwei Terraner,ein Arkonide und - allerdings - zehn sehrfremde Wesen.« Der Techniker tippte nach-einander auf die Gehirnwellenmuster, diesich dreidimensional über dem Receiver ab-zeichneten. »Sieh mal, diese kleine Spitzehier ist ganz typisch für einen Arkoniden.Und keiner hat so schöne Cosinus-Nie-derungen im resorbierenden Bereich desSprachzentrums wie die Terraner, und zwargenau hier.« Er zeichnete die Tallinie nach.

Bré Tsinga hatte eine gute Ausbildung ab-solviert, sie trug einen doppelten Doktortitel.Aber mit den Feinheiten der Gehirnwellen-und Psi-Forschung kannte sie sich nicht aus.Die Gehirnströme sahen in ihren Augenganz normal aus, ohne große Erregung oderAnzeichen irgendeiner Erkrankung, Störungoder Beeinflussung. Aber sie hätte nicht sa-gen können, zu wem sie gehörten.

»Natürlich ist jedes Lebewesen ein Indivi-duum mit absolut eigenständigen Gehirn-wellen und ÜBSEF-Konstanten«, erläuterteder Techniker. »Es gibt trotzdem winzige,unverkennbare Linien, die sich ähneln undanhand deren man die einzelnen Völker be-stimmen kann. Wir werden also gleich her-ausfinden, wer diese Fremden sind, indemwir einen Vergleich starten.«

Der Psi-Techniker holte einen Speicher-kristall aus einer Tasche und führte ihn indie mobile Syntroneinheit ein, die in rasen-der Geschwindigkeit auf einem HoloschirmDaten abspulte. Dann hob er die Brauen.»Oho«, machte er überrascht.

»Was ist?« fragte Bré Tsinga.

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»Keine bekannten Daten. Wer ist dadrin?«

»Erfährst du später.« Bré konzentriertesich auf die dreidimensional abgebildetenGehirnströme der Solmothen. »Gibt es An-zeichen dafür, daß diese Wesen irgendwel-che ungewöhnlichen Aktivitäten im Psi-Spektrum entwickeln?«

»Tja, wir haben keine Vergleichsmöglich-keit. Sieht ganz normal aus, oder? Aber wirkennen ja diese Art nicht, deshalb kann ichnicht sagen …«

»Spul einfach die Vergleichsdaten anoma-ler Aktivitäten von deiner Datenbankdurch.«

»Okay.« Der Syntron benötigte nur weni-ge Sekunden, um festzustellen, daß der Ver-gleich negativ war.

Bré nickte. Das alles bestätigte nur, wassie schon wußte. Die Solmothen konnteneinen positiven Einfluß ausüben, aber besa-ßen keine echte Psi-Gabe. Mit einiger Si-cherheit besaßen sie einen empathischenAnsatz, der aber noch weniger ausgeprägtwar als bei ihr.

Einer der anderen Techniker, der sich mitden Psi-Meßgeräten beschäftigt hatte, sah zuihr herüber.

»Es ist auch hier absolut keine paranor-male Strahlung festzustellen, in keinem Fre-quenzbereich. Alles wirkt völlig harmo-nisch.« Harmonisch war der gängige Aus-druck in diesem Fall, wenn keinerlei Psi-Anzeichen vorlagen - auch keine noch soleichte suggestive Beeinflussung.

Cistolo Khans Mißtrauen erwies sich alsonicht als berechtigt. Allein ihre Überzeu-gungskraft und die positive Stimmung ver-halfen den Solmothen zu diesem Erfolg.

Ein letzter Rest Mißtrauen blieb; die Re-aktion der anderen LFT- Völker sollte erstabgewartet und auch mit dem Forum Rag-lund vorerst eine gemeinsame Zielsetzungbesprochen werden. Dennoch war es nachdieser Konferenz nicht mehr eine unvorstell-bare Utopie, daß das Galaktikum einst aufArkon I tagen könnte.

*

Am Nachmittag wurde die Nachricht be-kannt: Solder Brant war tatsächlich wiederin einer der wichtigsten Medienstationen.Das hatte man ja erwartet, wenngleich auchvielleicht nicht ganz so schnell.

Es handelte sich um einen Auftritt, derkurzfristig »spendiert« worden war. Auchwenn die Sendeleitung nicht bekanntgab,wer die horrenden Beträge für diesen Auf-tritt Solder Brants bezahlte, war zumindestden Mitgliedern der terranischen Regierungklar, daß der reiche »J. J.« dahintersteckenmußte.

»Der läßt sich die Erfolge seines Kandida-ten einiges kosten«, knurrte Cistolo Khanmißmutig, als ihm die Nachricht übermitteltwurde.

In der öffentlich ausgestrahlten Sendungäußerte sich Solder Brant zu den Solmothen.Es zeigte sich, daß er gut informiert war. Erwußte nicht nur von der Landung auf Terra,sondern auch von der Mission der weiterenvier Schiffe.

»Damit zeigt sich ganz deutlich, daß sichin der politischen Haltung der Ersten Terra-nerin nichts geändert hat«, argumentierte derKandidat. »Im Gegenteil, das Augenmerkrichtet sich nun ganz deutlich auf die Arko-niden, entgegen den Wünschen des Volkes!Die Arkoniden glauben, sie können eherFreunde gewinnen, indem sie vermeintlichharmlose Verbündete schicken, die ein gutesWort für sie einlegen!

Das ist wieder nur ein weiterer plumperVersuch, Sand in die Augen der Terraner zustreuen. Man will uns weismachen, daß wirals einzige nicht an dieser Gemeinschaft teil-nehmen wollen, obwohl alles so offen undpositiv erscheint; aber so ist es eben nicht!Die Arkoniden dürfen nicht glauben, daßman sie nach Jahrzehnten der Spannungenund Selbstisolation mit offenen Armen emp-fangen wird! Wir können uns noch sehr gutan ihre Sprüche erinnern, an ihre Organisa-tionen wie die FAMUG. Plötzlich soll alles

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anders sein? Und damit wir es auch wirklichglauben, schicken sie uns voraus als Frie-densboten scheinbar harmlose Wasserwe-sen?

Das ist alles nur Taktik, um uns hinzuhal-ten und im entscheidenden Moment denSchlag gegen, uns durchzuführen. Laßt euchnicht beeinflussen, Terraner! Konzentrierteuch auf eure Heimat, eure Nachbarn! Erin-nert euch daran, wer ihr seid, und lauschtnicht den schönfärberischen Worten falscherPropheten, mögen sie noch so friedlich er-scheinen! In drei Monaten werde ich euchbeweisen, wie recht ich damit hatte …«

Mit einem Fingerschnipsen desaktiviertePaola Daschmagan das Tividsystem. Siewandte sich zu den Gästen vom PlanetenZyan um.

»Ich bin der Meinung, daß ihr wissensollt, wie es um die Stimmung auf Terra be-stellt ist«, sagte sie.

»Wir sollten vielleicht einfach direkt mitSolder Brant sprechen«, schlug Battanboovor, ohne auf ihre Aussage einzugehen.

»Nein, den überlaßt ihr mir«, widersprachdie Erste Terranerin energisch. »Setzt ihrnur eure Friedensmission fort, damit wir soschnell wie möglich zu einer Entscheidungkommen - noch vor den Wahlen.«

»Wäre es möglich, daß ich euch beglei-te?« bot Bré Tsinga den Solmothen überra-schend an. »Ich würde bei der Gelegenheitgern mehr über eure Kultur erfahren.«

»Es spricht nichts dagegen, wir könnendir sofort ein passendes Quartier zur Verfü-gung stellen«, entgegnete Battanboo. »Esfreut mich, daß du uns begleiten willst. Dubist herzlich eingeladen.«

Bré machte einen kurzen Rückzieher:»Ich muß erst noch mit Cistolo Khan dar-

über sprechen. Ich gebe euch so schnell wiemöglich Bescheid.«

Die Konferenz löste sich auf. PaolaDaschmagan führte die Solmothen zu einemStaatssekretär. Dieser sollte den Wasserwe-sen in Kurzform die politische Struktur derTerraner vermitteln und ihnen auch Teiledes Wiederaufbaus von Terrania demon-

strieren.Bré Tsinga ging währenddessen mit Atlan

und Cistolo Khan zum provisorischen Bürodes LFT-Kommissars.

»Ich wollte dich selbstverständlich nichtüberfahren«, sagte Bré schnell zu ihremVorgesetzten. »Es ist mir auf einmal so her-ausgerutscht, tut mir leid. Es wäre nur einegute Gelegenheit, die Solmothen ein wenigzu studieren. Natürlich nur, wenn kein ande-rer Auftrag für mich anliegt. Den Abschluß-bericht über Genhered habe ich schon abge-liefert.«

Cistolo Khan nickte. »Ich habe ihn be-kommen, aber bislang keine Zeit gefunden,ihn mir zu Gemüte zu führen.

Ich halte es für eine gute Idee, wenn dudich den Solmothen anschließt, denn so er-halten wir alle Informationen aus ersterHand. Und es ist eine brauchbare Möglich-keit für eine Annäherung an die Arkoniden.Die Situation ist nach wie vor heikel.«

»Dem stimme ich zu«, bemerkte Atlan.»Ich hoffe, daß dir ein Besuch bei den Arko-niden gestattet ist, Bré.«

Etwas in seinem Tonfall ließ sie aufhor-chen. Sie sah zu ihm. In seinen Augen lagTrauer; zumindest schien es der jungen Frauso. Auch wenn er einst die Entscheidungselbst gefällt hatte, konnte es ihm nichtleichtfallen, ein Verbannter seines Volkes zusein. Immerhin war er nicht einfach irgend-ein Arkonide, sondern der älteste. Früherwar Atlan der Kristallprinz persönlich gewe-sen, zeitweise sogar der Imperator des altenArkon-Imperiums.

Sie lächelte. »Ich werde alles wie einSchwamm aufsaugen und es dir dann über-mitteln, wenn ich wieder zurück bin«, ver-sprach sie.

Atlan lächelte kurz zurück. Beide wußten,daß das kaum ein Trost war, im Gegenteilden Schmerz eher noch vertiefen würde -andererseits konnte ein Verbannter wie ernicht anders, als sich diesen Schmerz anzu-tun. Die tiefe Bindung zu seinem Volk warnicht zu durchtrennen, ebensowenig konnteer das Gefühl der Verantwortung ablegen.

36 Susan Schwartz

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Der Arkonide machte sich keine Illusio-nen. Selbst wenn es zum Sitz des neuen Ga-laktikums auf Arkon I käme, würde sich anseinem Status als Staatsfeind nichts ändern.Dazu müßte sich entweder seine Einstellungoder die seines Volkes grundlegend ändern.

Wenige Stunden später brach die PERLA-MARIN I zum Wega-System auf.

7. PERLAMARIN I

Zuerst wollte Battanboo ins Wega-Systemzu den Ferronen reisen. Später wurde Epsalangesteuert, danach Plophos sowie einigeandere wichtige terranische Planeten. Sogarin die Provcon-Faust zu den Gäanern woll-ten die Solmothen fliegen - insgesamt achtStationen waren geplant, bevor die Missionihren Abschluß bei den Arkoniden findensollte.

Bré Tsinga konnte sich ausmalen, daß dieGespräche ähnlich wie auf Terra verlaufenwürden. Von den Kontakten zu den anderenSchiffen erfuhr sie, daß auch sie bisher er-folgreich gewesen waren - in dem Sinne,daß die Völker zumindest bereit waren, mit-einander zu verhandeln.

Der erste Schritt war getan, und nur dar-auf war es den Solmothen angekommen. Siewußten, daß sie eine Entscheidung nicht er-zwingen konnten, und das wollten sie auchgar nicht.

»Es war uns wichtig, euch nachdenklichzu machen. Wir wollten euch vor, Augenführen, wohin diese starre Haltung führenkann«, sagte Battanboo zu Bré.

»Tja, die geistige Entwicklung schreiteteben nur sehr langsam voran«, lautete BréTsingas sarkastischer Kommentar.

Als Außenstehender konnte man leichtkluge Ratschläge geben. Die Solmothen be-saßen nur theoretische Kenntnis über dieVergangenheit der galaktischen Völker, ihreZwistigkeiten, Animositäten, Intrigen undauch Kriege. Dieses »Erbe« konnte nichteinfach abgeschüttelt werden.

»Ihr Landlebewesen seid in der Tat merk-würdig.« Battanboo musterte sie aus schwar-

zen, sanften Augen.Sie kommunizierten momentan per Bild-

funk miteinander. Bré hatte in dem Kugel-raumer ein erstaunlich komfortables Quar-tier vorgefunden; sie konnte sich über nichtsbeklagen, auch nicht über die Ernährung.Von der Zentrale aus wurde sie per Direkt-übertragung mit den neuesten Informationenversorgt.

»Das stimmt«, lächelte Bré. »Um so inter-essanter ist es natürlich, die Anschauungeneines Wasserbewohners kennenzulernen.«

»Wir werden eine Weile unterwegs sein.Hast du Lust, mit uns zu schwimmen?«schlug Battanboo vor.

»Liebend gern!« rief die Sabinnerin aus.Sie hatte darauf spekuliert und sich aus

diesem Grund einen speziellen Raumanzugzur Verfügung stellen lassen, mit dem manauch Tauchausflüge unternehmen konnteund der über ausreichende Abschirmungengegen radioaktive Strahlungen verfügte. Ci-stolo Khan hatte nach kurzer Überlegungvor ihrem Abflug zugestimmt.

»Du kannst sofort kommen, wenn dumöchtest«, sagte der Solmothe freundlich.

»Ich verliere keine Sekunde, Battanboo.«Bré Tsinga schlüpfte in den Anzug, prüfte

eingehend alle Systeme und betrat dann dieSchleuse. Ein wenig mulmig wurde ihr da-bei, als die Schleuse genutet wurde; die Si-tuation war sehr ungewöhnlich für sie.

Sie war auch nicht gern in einem ge-schlossenen Anzug eingesperrt, denn siefühlte sich dadurch zu sehr von der Umweltabgeschottet und fast blind. Schwimmenkonnte sie zwar leidlich, aber das sportlicheTauchen hatte sie nie gelernt. Ihr Interessefür Wassersport hielt sich in Grenzen. AufSabinn war die Luftfeuchtigkeit von Naturaus so hoch, daß kaum jemand Lust verspür-te, irgendwo zu baden - und später, währenddes Studiums, hatten die Zeit und weiterhindas Interesse dafür gefehlt.

Als sich die Schleuse öffnete, kam sichBré für einen Moment geradezu schüchternvor. Du befindest dich doch in keinem end-los scheinenden Meer, redete sie sich ein,

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sondern innerhalb der Grenzen eines Schif-fes. Da kann doch nichts passieren.

Mit all seinen Gängen und Räumlichkei-ten bot ein 200-Meter-Kugelraumer immernoch eine Menge Platz, ohne allzu schnellan die Grenzen zu stoßen.

Selbstverständlich gab es keinen Grundzur Panik. Ihr Schutzanzug war ein hervor-ragendes Modell. Sie war darin ebenso si-cher wie die Solmothen in ihren Überleben-stanks.

Und so jemand hat zwei Doktoren in Psy-chologie, machte sie sich über sich selbst lu-stig, um gleich zu relativieren:

Die Doktortitel beziehen sich ja auchnicht speziell auf die menschliche Psyche.

Jedenfalls hatte sie keine Wahl. Wenn siejetzt kniff, verlebte sie unter Garantie einevergleichsweise langweilige Reise, ohne an-schließend einen ausführlichen Bericht überdie Solmothen vorlegen zukönnen.

Mit einem kräftigen Abstoßen war die Sa-binnerin draußen. Und dort wartete Battan-boo auf sie.

»Es ist nicht einfach, nicht wahr?« über-mittelte ihr der Translator des Riesenfreundlich.

Ungefähr so muß es wohl auch sein, wennman zum ersten Mal einem Haluter begeg-net, dachte Bré. Nun wurde ihr doch etwasschwindlig.

*

Es war eine Sache, im gewohnten Medi-um einer Art Aquarium gegenüberzustehen,in dem ein Wasserwesen schwamm.

Dem Wesen dann aber ohne Tank in sei-ner eigenen Welt zu begegnen, war eineganz andere Sache.

Bré Tsinga maß einen Meter siebzig, ent-sprach also terranisch-menschlichem Durch-schnittsmaß. Ein Ertruser war durchschnitt-lich zweieinhalb Meter lang, ein Haluterdreieinhalb Meter. Battanboo, wenngleichum ein vielfaches leichter als ein Haluter,setzte trotzdem noch gut eineinhalb Meterdrauf.

Ein großer, massiger Koloß, der mitschwebender Eleganz durchs Wasser glittund ihr mit ein paar spielerischen Bewegun-gen zeigte, wie einfach es war, sich in die-sem Element zurechtzufinden und wohl zufühlen.

Die Sicht war ausgezeichnet, alles war ge-schickt ausgeleuchtet, so daß es kaum Schat-ten gab. Die Solmothen hatten sich Mühegegeben, ein Stück von ihrer Heimat mitzu-nehmen - überall wuchsen Korallen undTang, farbenprächtige Blumentiere hangel-ten nach Mikroorganismen, niedere Weich-tiere und einige kleine Fische schwammenoder krochen zwischen ihnen umher.

Damit sich diese kleine Welt erhielt, muß-ten die Schiffe zumindest zum Teil ständiggenutet bleiben.

»Der Vorteil ist, hier gibt es keinen Rab-bastuhr in unergründlichen Tiefen, in denenwir unsere Orientierung verlieren können«,meinte Battanboo, während Bré sich nochumsah. »Der Nachteil aber, daß dieser Platznur begrenzt ist und kein Ersatz für unsereHeimat. Wir haben gezwungenermaßen dasBeste daraus gemacht, aber wir werden allefroh sein, wenn wir das Schiff wieder verlas-sen können. Ein Raumfahrervolk werden wirjedenfalls nie.«

Der Solmothe streckte einen Flossenarmaus und griff behutsam mit vier Fingernnach Brés Hand. »Komm, ich führe dich.«

Sie ließ sich willig ziehen und dachte beisich, was für einen seltsamen Anblick siebieten mußten - ein dünner Winzling imRaumanzug neben einem Koloß aus Mus-keln, Fleisch und Fett. Battanboo könnte sieohne großen Kraftaufwand zu einem hand-tellergroßen Ball zusammenrollen und Was-serspiele mit ihr veranstalten.

Es war der Sabinnerin ganz angenehm,nicht selbst schwimmen zu müssen, sie warviel zu beschäftigt mit, Schauen.

»Ist es auf Zyan auch so?«»Das Wasser leuchtet anders, in einem

tieferen Blau, wenn die Sonne daraufscheint«, antwortete Battanboo. »Es wirktein wenig geheimnisvoller, verschwomme-

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ner, glitzernder. Auch die Farben sind nichtso intensiv wie bei diesem Kunstlicht. Aberzumindest können wir ein harmonischesGleichgewicht aufrechterhalten.«

Von außen gesehen unterschied sich derKugelraumer in nichts von anderen Raum-schiffen. Auch Brés Quartier wirkte ganznormal, angepaßt auf menschliche Bedürf-nisse.

Doch mit dem Verlassen der Schleuse,hatte sie eine fremde Welt betreten, wie mansie als Nichteingeweihter nie erwarten wür-de. Sie hatte zwar gewußt, daß die Arbeits-und Lebensbereiche der Solmothen geflutetwaren, aber sich keine rechte Vorstellungmachen können.

»Es ist … überwältigend«, gestand Bré.»Man merkt überhaupt nicht, daß man sichin einem Raumschiff befindet. Das gesamtetechnische Ambiente ist überwuchert mitPflanzen und Tieren.«

»Natürlich haben wir auf einen Großteilder vielen Decks und Sektionen des Schiffesverzichten können«, erläuterte Battanboo.»Wir haben alle Trennwände und Deckenherausnehmen lassen, die wir nicht benöti-gen, und nur die wichtigsten für unsereQuartiere und Arbeitsbereiche belassen. Da-her gibt es kaum Gänge oder Schlupfwinkel,also kein Labyrinth, wie du dir vielleicht ge-dacht hast.«

Sie schwammen langsam und gemütlichdahin. Bré paßte ihre Bewegungen allmäh-lich denen Battanboos an.

»Wie fühlst du dich?« fragte der Solmo-the.

»Sehr gut«, antwortete die Sabinnerin.»Es ist für mich vollkommen ungewohnt,denn ich habe noch nie einen Tauchgangmitgemacht. Aber bei dir fühle ich mich ab-solut sicher, irgend-, welche Gefahren kön-nen auch nicht drohen … es ist perfekt.«

»Wir haben gleich die Zentrale erreicht,Bré. Hier ist schon die Schleuse.«

Sie passierten kurz darauf die angekün-digte Schleuse. Kaum hatte sich das Schotthinter ihnen geschlossen, als Bré durcheinen heftigen Wirbel an Luftblasen kurzzei-

tig die Sicht genommen wurde. Dann öffne-te sich das Schott zur Zentrale, und die jun-ge Frau begriff, was gerade mit ihr gesche-hen war: Hier gab es keinen Bewuchs, keineKorallen.

Die Zentrale war nahezu steril und wirktegeradezu vertraut, abgesehen davon, daß sieunter Wasser stand.

»Hoffentlich ist von meinem Anzug allesabgegangen, was nicht hier hineinsoll«, sag-te die Psychologin zu dem Kommandantender PERLAMARIN I.

»Das Wasser wird hier gesondert gefiltertund enthält besondere, für Solmothen un-schädliche Zusätze«, entgegnete Battanboo.»Bisher gibt es keine Probleme.« Er deuteteauf die Schaltkontrollen. »Die Anlagen sindnatürlich besonders isoliert, aber sie dürftendir nicht fremd sein. Wir hatten keine Pro-bleme, uns mit der Bedienung der Technikvertraut zu machen, aber natürlich sind wirkeine Spezialisten. Abgesehen von einfa-chen Reparaturen, wären wir ziemlich hilf-los, wenn uns etwas passieren würde.«

»Das dürfte nur geschehen, wenn ihr an-gegriffen würdet«, meinte Bré. »Und ichkann mir nicht vorstellen, wer das tun sollte.Zumindest kein Angehöriger eines Volkesder Milchstraße. Sie sind alle viel zu neugie-rig auf eure Perlamarine, und die wachsennun mal nur in Verbindung mit lebendenSolmothen.«

In der Zentrale befand sich ein Solmo-thenpaar, und Bré Tsinga konnte nun, unge-hindert durch das verzerrende Glas derTanks, die geschlechtlichen Unterschiededeutlich sehen. Der Solmothenbulle wardurchgehend graubraun gefärbt, fettleibigerund plumper, aber mit einem kleineren Na-senrüssel ausgestattet. Die Frau hingegenwar schlanker, in ihren Bewegungen ehermajestätisch als kraftvoll, mit einer kräftigenKnollennase und einer ausgeprägten Farb-zeichnung am Bauch.

Es war ein bizarrer Anblick, mit welch si-cheren Bewegungen sie die Kontrollen desSchiffes bedienten, Informationen abriefenoder den Kurs errechneten. Dabei bewegten

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sie unablässig die Schwanzflossen auf eineeigentümliche Weise, krümmten die Körperöder den massigen Hals.

Sie begrüßten Bré kurz, wandten sichdann jedoch wieder ihrer Arbeit zu. Battan-boo forderte Bré mit einem Wink auf, dieZentrale wieder zu verlassen. Es gab nochandere Bereiche des Schiffes zu entdecken.

*

»Bezeichnet ihr diese allgemeinen Bewe-gungen eigentlich auch als Wassertänze?«erkundigte sich Bré, nachdem sie dieSchleuse wieder verlassen hatten.

»Nein, aber es ist natürlich eine Form derKommunikation, wie du richtig bemerkthast. Wir benötigen nicht unbedingt eineLautäußerung zu Unterhaltung.«

»Den Berichten habe ich entnommen, daßihr bei den Wassertänzen oft zusätzlich Lau-te im Ultraschallbereich von euch gebt. Siekonnten allerdings nicht übersetzt werden,weil es keine ganzen Sätze sind und für denTranslator keinen Sinn ergeben.«

»Das ist richtig. Wassertänze dienen derDiskussion bei einer Versammlung oder derspeziellen Meinungsäußerung eines einzel-nen, haben aber auch einen starken rituellenCharakter. Mit den Wassertänzen könnenheftige Gefühle ausgelebt werden, sie befrei-en den Geist und stellen das Gleichgewichtvon Frieden und Harmonie wieder her.«

Bré dachte eine Weile nach. »Battanboo,was empfindest du uns gegenüber?«

Der alte Solmothe drehte überrascht denKopf zu ihr. »Ich verstehe nicht, was dumeinst.«

»Es ist ein erstaunliches Verhalten«, ant-wortete Bré. »Ich weiß, daß Solmothen äu-ßerst friedfertig sind und nahezu frei vonAggressionen. Ihr würdet niemals eine Waf-fe benutzen. Für euch zählen nur Harmonieund Frieden, und diese Werte wollt ihr wei-tergeben. Dafür zwängt ihr euch jetzt in die-se Schiffe, die früher oder später Klaustro-phobie erzeugen, und du bist der Initiator.Weswegen?«

»Ich … weiß es nicht.« Battanboo wichihr mit einem kurzen Schlag der Schwanz-flosse aus. Trotz der Beleuchtung ver-schwomm sein Körper schon nach wenigenMetern zu einer diffusen, riesigen dunklenMasse.

Bré folgte ihm unbeholfen; sie kam sichlächerlich vor, zappelnd wie ein Fisch aufdem Trockenen. »In dir muß doch mehr seinals nur Leere und Trauer, Battanboo.«

»Ich bin ein Einzelgänger geblieben«, be-kannte der Solmothe. »Den Tod meinerPartnerin konnte ich bis heute nicht verwin-den, und jetzt ist es zu spät für eine Bin-dung. Ich bin zu alt.«

»Aber trotzdem fühlst du dich verantwort-lich für uns und die übrigen Galaktiker, diedir das Lebensglück genommen haben?«

»Ich kann nicht alle Völker der Milchstra-ße nur wegen ein paar profitgierigen Narrenverurteilen. Euer Schubladendenken, eureVorurteile sind euer größtes Problem, Bré.«

Diesen Schuh mußte sie sich anziehen.»Und es ist wohl deine Art, auf diese Weisemit der Vergangenheit fertig zu werden«,sagte sie. »Sag mir ehrlich: Wären die Sol-mothen aufgebrochen, wenn du sie nicht da-zu gedrängt hättest?«

Battanboo verringerte die Geschwindig-keit, bis er fast im Wasser verharrte. BréTsinga war froh, ihn damit endlich einholenzu können. Ihr Stolz ließ es nicht zu, daß siedie Technik des Anzugs in Anspruch nahm,nicht auf so begrenztem Raum. Wofür sonsttrainierte sie jeden Morgen so eisern ihrenKörper?

Sie wollte lernen, wie die Solmothen ihrElement erlebten. Auch wenn sie den Anzugtragen mußte, wollte sie wenigstens einiger-maßen dieses Empfinden nachvollziehenkönnen. Nicht einfach als Beobachter vonaußen, sondern mittendrin, als Teil des Ex-periments. Nur so konnte sie die Distanz et-was überbrücken und die Solmothen verste-hen lernen. Das war schließlich ihr Beruf.

. »Ich glaube nicht«, beantwortete er ihreFrage. »Es ist wahr, ich habe den Hauptan-teil an dieser Mission zu verantworten.

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Möglicherweise hilft es mir, die Leere in mirzu überwinden, den Sinn wiederzufinden.Ich möchte nicht mit dieser Trauer alt wer-den und sterben, sondern Erfüllung finden.Was ihr mit uns gemacht habt, war nur ex-emplarisch für vieles. Doch bereits indemihr den ersten Kontakt zu uns aufgenommenhabt, sind wir zu einem Teil eurer Gemein-schaft geworden. Damit kann uns nicht mehrgleichgültig sein, was geschieht. Wir wolleneuch beweisen, daß Frieden und Harmonieder einzige Weg sind.«

»Du darfst aber nicht vergessen, daß Ag-gression ein genetisches Erbe ist«, hielt Brédagegen. »Wären wir nach innen gerichtetund achteten wir nur auf unser harmonischesGleichgewicht, hätten wir niemals dieBrücke zu den Sternen betreten.«

»Das halte ich euch nicht vor, und ich er-warte auch nicht, daß ihr so leben sollt wiewir. Aber im Moment entwickelt ihr euchnicht weiter, sondern wiederholt eher diesel-ben Fehler, die ihr schon seit Jahrtausendenmacht. Und das kann euch den Untergangbringen.«

»Falls wieder ein Gegner wie Goedda auf-taucht, nicht wahr?«

»Aber der steht doch schon vor unserenToren, Bré.« Battanboo drehte sich so, daßsein Gesicht vor ihrem lag. »Der Heliote hates euch gesagt. Euer nächster Schritt istThoregon, doch wie wohl überall im Univer-sum gibt es einen Feind, der das verhindernwill. Wir Solmothen haben unsere Feinde inden Tiefen des Meeres. Ihr Raumfahrer habtsie in den Tiefen des Alls. Wenn ihr euchjetzt nicht zusammenschließt, habt ihr keineChance mehr.«

Bré Tsinga schwieg erschüttert. Battan-boo blies seinen Rüssel auf. »Du dachtestwohl, daß ich euch als nächstes auffordernwürde, die Waffen wegzuwerfen, nichtwahr?«

»So … etwas in der Art«, antwortete dieLandbewohnerin langsam.

»Das ist so etwas wie … Wir Solmothennennen es einen Trockenfurz. Gegen Feindemuß man sich wehren. Ich kann mich nicht

mit einem fröhlichen Wassertanz gegeneinen Rabbastuhr verteidigen. Er würde mireine Weile zusehen und mich dann gutge-launt verschlingen.«

Battanboo schaukelte im Wasser. »Aberman muß differenzieren! Die Arkonidensind nicht eure Feinde. Ihr seid aufeinandereifersüchtig, das ist alles. Jeder von euchwill am meisten zu sagen haben, der Wich-tigste und Bedeutendste sein. Diese Ausein-andersetzung könnt ihr friedlich führen undbegreifen, daß ein Krieg nur Elend und Notbringt, aber keinen Nutzen. Verlierer sindimmer die Unschuldigen, die ihrer Habe, ih-rer Heimat, ihrer Gesundheit beraubt wer-den. Was bleibt am Ende übrig? Und das al-les nur wegen unterschiedlicher Ansichten.«

Bré spürte plötzlich einen kalten Schauerden Rücken hinunterlaufen. In ihrem Kopfwiederholte sich ständig ein Wort: Thore-gon.

»Frieden und Harmonie sind der einzigeWeg zu einer Koexistenz, zu Toleranz«, fuhrBattanboo fort. »Das haben wir allen Ge-sprächspartnern bisher deutlich gemacht.Und nur aus dieser Koexistenz heraus kön-nen die Stärke und der Willen erwachsen,gegen einen gemeinsamen Feind zu beste-hen, der einen absolut gnadenlos vernichtenwill.«

»Shabazza«, flüsterte Bré. »Perry Rhodanist der Sechste Bote von Thoregon, mit demAuftrag, ihn zu finden …«

»Perry Rhodan soll gegen Shabazzakämpfen, dabei hat er nicht einmal sein eige-nes Volk zur Unterstützung hinter sich. Hät-ten wir Solmothen uns auf unserer kleinen,begrenzten Welt je so uneinsichtig verhal-ten, wären wir längst ausgerottet.«

»Du meinst also, wir müssen lernen, wieein Verstand zu denken …«

»So ähnlich, ja. Deshalb muß niemandseine Identität aufgeben. Aber genug davon.Wir haben bald unser erstes Ziel erreicht,und ich muß mich vorbereiten. Die Ferronensind glücklicherweise angenehme Ge-sprächspartner. Danach kann ich dir mehrvon unserer Art zu leben zeigen.«

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*

Bré Tsinga nahm an den Gesprächen derSolmothen mit den Völkern nicht persönlichteil, um die Neutralität zu wahren. Aber sieerhielt von Battanboo bereitwillig die Auf-zeichnungen.

Sie war immer wieder von neuem faszi-niert, wenn sie feststellte, wie sich die ableh-nende Haltung der Politiker im Verlauf derDiskussion wandelte. Die Solmothen besa-ßen eine einzigartige Gabe; ganz anders alsdie rein rhetorische der Linguiden.

Sobald die PERLAMARIN I erneut star-tete, warf die Psychologin sich in ihren An-zug und verließ ihren gewohnten Bereich.Sie hatte bald keine Mühe mehr, sich alleinzurechtzufinden, und inzwischen schwammsie schon recht geschickt.

Es war ein ganz neues, wunderbares Ge-fühl, durch das Wasser zu tauchen oder zuschweben. Eine Art Schwerelosigkeit, abernicht Haltlosigkeit. Die Glücksgefühle, diesich dabei allmählich einstellten, ließen siedie Solmothen in einem ganz anderen Lichtsehen, und sie kam ihnen auf diese Weiseimmer näher.

Die Psychologin erfuhr viel über den Fa-miliensinn, die Bedeutung des Perlamarins,und Battanboo hatte eine Menge zu erzäh-len. Am liebsten berichtete er von seinerKindheit, die Zeit danach bereitete ihm zuviele schmerzhafte Erinnerungen.

Der Höhepunkt aber kam kurz vor demAbschluß der Mission, als Battanboo mit ihrzum Versammlungsraum schwamm.

Das Zugangsschott war derart von präch-tigen Perla-Korallen überwuchert, daß eswie ein königliches Portal wirkte. An eini-gen Stellen blinkten im Wachsen begriffenePerlamarine in verschiedenen Farben. Jedervon ihnen hatte seine besondere Bedeutung.

Die übrigen neun Besatzungsmitgliederdes Kugelraumers waren bereits anwesend.Der einzige Einzelgänger neben Battanboowar Zulren, ein ungefähr gleich altriger Sol-mothe, dessen Lebenspartnerin vor einiger

Zeit tödlich verunglückt war.Die Solmothen begrüßten die Landbe-

wohnerin von Sabinn als willkommenenGast.

»Du verstehst natürlich nicht den Sinn un-serer Tänze, aber laß dich davon nicht beir-ren«, erläuterte Battanboo. »Ich denke, es istdennoch ein Erlebnis für dich, wenn du dar-an teilnimmst. Mach dir keine Gedankenüber deine Bewegungen, ergib dich einfachdeinen Gefühlen.«

»Ich mache mich bestimmt lächerlich«,lächelte Bré. »Ich hoffe, ihr habt Nachsichtmit mir.«

»Das ist gar nicht von Bedeutung, eskommt nur auf das Erleben an«, betonte Zul-ren. »Wir diskutieren jetzt nicht über ele-mentare Dinge, wenn du das meinst. Wirwerden lediglich die letzten Tage noch ein-mal verarbeiten, unsere Meinungen austau-schen und sogar über Belanglosigkeiten re-den. Es ist ein wichtiger Beitrag für unserGemeinschaftsgefühl, aber überhaupt nichtvon Bedeutung. Es ist unsere Art, Erlebnissezu verarbeiten und uns auf die nächsten Ge-schehnisse vorzubereiten. Du kannst mitma-chen oder auch nur zusehen, ganz wie duwillst.«

»Gestattet ihr mir, Aufzeichnungen zumachen?«

»Wir haben keine Einwände.«Bré Tsinga stellte eine Mikrokamera an

ihrem Anzug ein, eine weitere sollte frei imRaum schweben. Da sie nicht vorhatte, Re-gisseurin zu spielen, gab sie dem Syntron le-diglich ein paar Anweisungen und überließden Rest dem Zufall.

Gespannt zog sie sich etwas in den Hin-tergrund zurück, um nicht plötzlich zwi-schen zwei schwere Leiber zu geraten undeinen Schrecken auszulösen, wenn die auto-matische Schutzfunktion ansprang.

*

Zunächst kehrte Stille ein. Vorsorglichschaltete Bré ihren Translator ab, der ver-mutlich nur Unsinn ausspucken würde.

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Trotz mancher Lautäußerungen ging es hierin erster Linie um Körpersprache.

Die zehn Solmothen bildeten zunächsteinen Kreis, bei dem ungefähr gleiche Ab-stünde eingehalten wurden. Eine Weileschwebten sie ruhig, wohl um sich zu sam-meln. Bré spürte, wie sich diese Ruhe auf ei-ne seltsame Weise auf sie übertrug. Sie ließsich einfach treiben wie die Solmothen, oh-ne sie aus den Augen zu lassen.

Dann begannen die Wasserbewohner mitsachten Bewegungen der Schwanzflosse,bald begleitet von sanften Wiege- undSchaukelbewegungen der Körper. Bré hoff-te, daß die Aufzeichnungen gelangen, dennsie war sicher, daß ihr mindestens die Hälfteder Gesten entging, weil sie sie mit ihremungeübten Auge nicht erkennen konnte. Die-ses Manko konnte sie später beim Abspieleneinigermaßen mit Stop and go und Zeitlupezu überbrücken versuchen. Aber sie ahnte,daß es hier eine Menge zu ergründen gab …

Allmählich wurden die Bewegungenschneller, auch die Arme und die Köpfewurden jetzt eingesetzt. Bré versuchte garnicht erst, jedes Detail zu entdecken, dochsie murmelte alles, was sie sah, in ihr Auf-zeichnungsgerät. Es spielte dabei keine Rol-le, ob ihre Eindrücke vollständige Sätze er-gaben, es kam nur auf den ersten Impuls an.Später konnte sie alles zu einem sinnvollenBericht zusammenfassen.

Und sie war schon sehr gespannt auf ihreEindrücke danach, wenn sie wieder in ihremeigenen Medium und dieses Erlebnis längstverblaßt war.

Die Solmothen wiegten sich im Gleicht-akt, längst verharrten sie nicht mehr auf derStelle. Besonders auffällig war das Verhal-ten der beiden alten Bullen. Die Paare koor-dinierten ihre Bewegungen, ihre Tänze wa-ren genau aufeinander abgestimmt. Ihreschutzlosen Bäuche waren gegeneinandergerichtet. Dabei nahmen die Farbzeichnun-gen der Frauen eine intensivere Farbe an.Durch die Lichtbrechungen des Wassers bil-deten sich in einer optischen Täuschung im-mer wieder andere leuchtende, verwirrende

Muster wie ein Schriftband.Die beiden Einzelgänger tanzten für sich

allein, in einem ganz eigenen, kraftvollenStil. Sie hatten ihre Bäuche ebenfalls auf deninneren Kreis gerichtet, jedoch gegen nie-mand Bestimmten.

Schließlich brach die erste Solmothin ausdem Kreis aus und schwamm nach innen,um sich dort allen anderen gegenüber auszu-drücken. Durch die immer heftigeren Bewe-gungen wurde das Wasser in dem geschlos-senen Raum aufgewühlt. Bré wurde mitge-schaukelt, und sie bemerkte kaum, daß sieallmählich dazu überging, sich nicht nur denBewegungen anzupassen, sondern auch zu-sätzlich Arme und Beine bewegte, als würdesie gerade eine Entspannungsübung des Ga-san-Yoga durchführen.

, Der Tanz der Solmothin steigerte sich zueinem fast ekstatischen Zucken - bis sie ab-rupt abbrach und in den Kreis zurückkehrte.Sofort nahm ein anderer ihre Stelle ein, umseinen eigenen Tanz vorzuführen. Auch dieBewegungen der Solmothen im Kreis zeig-ten stärkere Erregung. Sie schienen denTanz ihres Artgenossen in der Mitte zu be-antworten, mit wilden Gesten, Verrenkun-gen des massigen Körpers, aufgeplustertenRüsselnasen.

Das Wasser kochte beinahe. Bré wurdemit herumgewirbelt, doch ihre Begeisterungnahm zu. Glücklicherweise griff der Pikosynnicht stabilisierend oder schützend ein; dieSituation wurde also nicht als gefährlich ein-gestuft - und Brés emotionale Verfassungzwang noch weniger zum Einschreiten.

Sie hatte ihren Verstand abgeschaltet, dieAufzeichnung erhielt keine Einträge mehr;sie überließ sich einfach ihren Emotionen,streckte alle empathischen Fühler aus undsaugte, was sie empfing, wie ein Schwammauf.

Sie war schon halb euphorisch, als derKreis der Solmothen sich plötzlich öffnete -zu ihr hin. Während sie zu einer ganz eigen-artigen, ganz auf sich gerichteten innerenMusik tanzte, umringten die Wasserge-schöpfe sie, die Bäuche auf sie gerichtet,

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und paßten sich ihren Bewegungen an.Auf einmal öffnete sich alles in Bré. Es

war wie ein Sonnenaufgang, der das Land ineiner Farborgie übernutete, die Taglebewe-sen weckte, die taubenetzten Blumen zumErblühen brachte. Für die Solmothen war esähnlich, nur daß die Sonne das Wasser zumLeuchten brachte und erwärmte, die Blu-mentiere öffneten sich, Fische begannen ih-ren Hochzeitstanz, neu geschaffene Perla-marine erstrahlten in ihrem ersten, schönstenGlanz.

Bré spürte, wie sich eine harmonischeVerbindung zu den Solmothen bildete, undauf einmal begriff sie ihre Körpersprache,ihren Tanz - auf rein emotionale Weise. InWorte hätte sie dies niemals fassen können.

Hin und wieder empfing ihr sensibles Ge-hör sogar den einen oder anderen Ton, dernicht ganz so hoch im Ultraschallbereichlag. Obwohl sie ihn nicht verstehen konnte,paßte der Ton zu der Musik, die sie in ihremInneren hörte.

Die Solmothen hatten der Landbewohne-rin ihr Wesen durch das Wasserspiel über-mittelt, und sie antwortete ihnen mit ihremTanz.

Sie verstanden sich.Wie Bré später zurück zu ihrer Schleuse

gekommen war, wußte sie nicht mehr recht.Ein Blick auf das Kombiarmband zeigte,daß mehr als drei Stunden vergangen waren,obwohl es ihr nicht länger als ein paar Minu-ten vorgekommen war.

Die Psychologin war erschöpft, ausge-laugt, aber so glücklich wie kaum je zuvor.

»Ich danke dir, daß ich daran teilnehmendurfte«, sagte sie zu Battanboo, bevor sie dieSchleuse betrat. »Das war eine große Ehrefür mich.«

»Für uns ebenso«, versetzte der alte Sol-mothe.

»Aber wie war das möglich?« fragte sie.»Auf einmal hat es mich fortgerissen, ichwußte nicht mehr wie. Alles in mir drängtenach außen.«

»Du hast deinen eigenen Tanz gefunden,Bré.« Die schwarzen Augen des Riesen

strahlten in einem eigentümlichen Glanz,und er wirkte viel jünger - befreit von einergroßen, schweren Last.

»Am Anfang hat es mich gestört, daß ichdeine Haut nicht berühren konnte«, gestandBré. »Aber das ist jetzt nicht mehr notwen-dig. Ich weiß, wie ihr euch anfühlt. Ich weiß,wie ihr empfindet, wovon euer Denken be-seelt ist.«

»Und wir kennen dich. Bré. Ich hätte esniemals für möglich gehalten, daß die tiefeKluft zwischen Wasser- und Landbewoh-nern überbrückt werden könnte.«

»Vielleicht liegt es daran, daß wir Terra-ner ursprünglich auch aus dem Meer stam-men. Battanboo. Dieses Erbe ist nach wievor in uns - und immerhin verbringen wirMenschen die ersten neuneinhalb Lebens-monate nach wie vor im Wasser.« Bré lä-chelte.

»Ich hatte gehofft, daß wir unsere Bezie-hung intensivieren könnten, deshalb hatteich dich zu den Wasserspielen eingeladen«,fuhr Battanboo fort. »Doch dies übertrifft al-les.«

»Auch ich bin noch ganz davon gefangen.Ich habe noch nie so etwas erlebt, und ichhabe keine Ahnung, wie ich das in meinemBericht bringen soll. Ich weiß nicht, wie dasmöglich sein konnte.«

»Wie gesagt, du hast deinen eigenen Tanzgefunden. Bré Darüber hinaus bist du etwasganz Besonderes. Ich glaube nicht, daß dei-ne Artgenossen das jemals vollständig er-kennen werden, doch in dir steckt so vielmehr, als du selbst erahnst …« Battanbooergriff vorsichtig ihre Hand. »Wir habenkeine besondere Erfahrung mit euch Land-bewohnern, doch mit dir ist alles anders ge-worden. Was du uns heute gelehrt hast, wirdunser ganzes Denken verändern.«

Sie hustete verlegen. »Übertreib malnicht, alter Freund.«

»Doch ist es so. Du kannst es nicht erken-nen, denn das war deine erste Erfahrung aufdiesem Gebiet. Aber eines Tages, wenn dues erkennst, wirst du dich an meine Worteerinnern. Ich wünschte nur, deine Artgenos-

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sen könnten das auch begreifen. Du bist ein-zigartig. Bré, unter allen Galaktikern, diewir bisher kennengelernt haben.«

Br6 wußte nicht, was sie darauf sagensollte. Sie hätte gern geglaubt, daß Battan-boo im Überschwang war wegen des Erfolgsbei dem Tanz. Aber so war es nicht. Der alteSolmothe, das konnte sie spüren, war ganzruhig und sachlich. In ihr sah es da schonganz anders aus.

»Diese Musik in mir …«, flüsterte sie»Ich habe sie wirklich gehört …«

»Das ist ein Teil des Tanzes, kleineFreundin. Daher solltest du selbst wenn dirniemals die Anerkennung zuteil werdenwird, die dir gebührt, weiter an deiner Gabearbeiten.«

»Ich weiß nicht, Battanboo. Davor habeich Angst. Gefühle sind ein zweischneidigesSchwert. Mit euch habe ich das bisher größ-te Glück meines Lebens erfahren, doch eskann auch ganz anders kommen Ich weißnicht, ob ich den Schmerz oder die Bösartig-keit anderer ertragen könnte …«

»Deshalb mußt du an dir arbeiten, Bré.Ein Empath zu sein ist keine mächtige Para-begabung. Aber dieses Talent ist trotzdemsehr wertvoll im Umgang mit anderen. Dumußt lernen, dich nicht einfach hinreißen zulassen. Wenn unser Tanz eine tödliche Fallegewesen wäre, hättest du keine Chance mehrgehabt. Du mußt deine Gabe gezielt einzu-setzen lernen - und du mußt genau unter-scheiden können, was du empfängst und wiedu darauf reagierst.«

Bré wurde es mulmig zumute. »Kannst dumir nicht dabei helfen, Battanboo?«

Der alte Solmothe lachte, zumindest über-setzte der Translator seine hoch pfeifendeLautäußerung entsprechend. »Wir Solmo-then besitzen deine Gabe nicht, nicht einmalansatzweise. Wenn man so will, ist unseregute Laune lediglich ansteckend. Unserestarke emotionale Verbindung wurde alleindurch dich herbeigeführt. Die Analysen Ci-stolo Khans sollten dir das bereits vor unse-rem Abflug deutlich gemacht haben, und dasist nur die reine Wahrheit.«

»Woher weißt du …«»Wir mögen aussehen wie terranische

Tiere, aber wir sind nicht dumm.« Battanboolachte erneut. »Ich nehme es ihm nicht übel,im Gegenteil. Um so besser klappt dann dieVerständigung.«

Bré merkte, wie ihre Euphorie allmählichabklang und die Erschöpfung zunahm.»Entschuldige, Battanboo, ich glaube, ichmuß mich jetzt hinlegen, ich schlafe beinaheschon in der Unterhaltung ein …«

»Das ist ganz normal, Bré. Du hast eineMenge Energie verbraucht, auch damit mußtdu lernen umzugehen. Zwing dich jetzt nurnicht, wach zu bleiben und zu arbeiten, son-dern erhole dich, das ist jetzt sehr wichtig.Wir geben dir Bescheid, wenn sich etwasNeues ergeben hat, einverstanden?«

»Danke.« Bré hatte es eilig, in die Schleu-se zu kommen. So erschöpft hatte sie sichnoch nie gefühlt. Sie merkte, daß sie denSchlaf nicht mehr würde aufhalten können,auch nicht mit Aufputschmitteln. Müdigkeit,Kraftlosigkeit, das war alles, was sie emp-fand.

Die Sicht vor ihren Augen verdunkeltesich rasch, und sie merkte, daß sie mehr tau-melte als Ring. Sie schaffte es dennoch zuihrer Kabine, fiel aufs Bett und verlor dasBewußtsein.

8. Kurz vor dem Ziel

Als Bré erwachte, schrie ihr Körper nachNahrung, nach Energie. Als sie ihren norma-lerweise flachen, festen Bauch betastete, bil-dete sich ein, eine Einbuchtung zu fühlen.Sie bediente sich aus dem Automaten,zwang sich aber, langsam zu essen undgründlich zu kauen. Es fiel ihr schwer, aberso wurde sie schneller satt, ohne sich zu»überfressen«

Danach machte sie sich an ihren Bericht.Im Schlaf hatte sie nicht davon geträumt undsich daher gut erholt, doch jetzt im Wachzu-stand kamen die Erlebnisse wieder frischund lebendig an die Oberfläche.

Bis Battanboo und seine Gefährten von

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ihrer letzten Mission zurückkehrten, hattedie Xeno-Beraterin beachtliche Arbeit gelei-stet und sah sich mit der frustrierenden Tat-sache konfrontiert, daß sie jetzt ihren Ergußum mehr als ein Drittel kürzen mußte.

»Damit werde ich noch beschäftigt sein,bis wir Arkon erreicht haben«, erzählte siedem Kommandanten, als er sich per Funknach ihrem Befinden erkundigte.

»Wie fühlst du dich?« wiederholte er sei-ne erste Frage, die sie zuvor nicht direkt be-antwortet hatte.

Eine Weile zögerte sie mit der Antwort.»Offen gestanden, ich bin immer noch sehrdurcheinander, Battanboo Ein Erlebnis wiedieses hatte ich noch nie, und ich werde si-cher eine Weile brauchen, bis ich es verar-beitet habe.«

»Uns geht es ganz ähnlich«, gestand derSolmothe. »Es ist eine neue Erfahrung, überdie wir lebhaft diskutieren. Willst du daranteilnehmen?«

»Nicht so schnell, bitte«, lehnte sie ab.»Ich muß erst meinen Bericht fertigstellenund dann wieder was essen. Mein Pikosynhat festgestellt, daß ich gestern mehr alszwei Kilo verloren habe, und die müssenwieder drauf. Ich achte zwar auf mein Ge-wicht, aber das ist jetzt eindeutig zuwenig.Ich bin noch ganz ausgelaugt. Ich denke, einzweiter solcher Ausflug unmittelbar danachwäre zu anstrengend für mich. Schließlichhabe ich anschließend keinen Urlaub.«

»Wie du meinst … Aber du kannst dichtrotzdem gerne in unserem Bereich aufhal-ten, vielleicht tut dir das gut. Erkunde docheinfach mal unsere kleine Welt hier in demSchiff ganz allein, ohne unsere Beeinflus-sung. Wir sind ja noch eine Weile unter-wegs, bis wir bei den Arkoniden eintreffen.«

»Hast du schon mit den anderen SchiffenKontakt gehabt?«

»Ja, die meisten haben ihre Missionenebenfalls abgeschlossen und sind bereits aufdem Weg. Die anderen werden dann recht-zeitig mit uns eintreffen.«

Nachdem die Verbindung beendet war,murmelte Bré vor sich hin: »Na, da kann ich

ja mal gespannt sein, wie sie reagieren wer-den.«

*

Kurz vor dem Einflug in M 13 hatten dieSolmothen einen Treffpunkt vereinbart, vondem aus sie Kontakt zu den Arkoniden auf-nehmen und danach - im Fall der Genehmi-gung - gemeinsam weiterfliegen wollten.

»Am besten, du setzt mich auf einemWachfort ab«, schlug Bré Tsinga dem Kom-mandanten der PERLAMARIN I vor. »Esist dort zwar nicht unbedingt gemütlich fürmich, aber ich kann mir nicht vorstellen, daßsie mich einreisen lassen werden.«

»Aber wieso denn nicht?« fragte der Sol-mothe verwundert.

»Na, weil ich doch zu den Terranern ge-höre.«

»Das ist nur wieder so ein Trockenfurzvon dir.« Er gab das Äquivalent eines terra-nischen Lachens von sich.

»Du wirst es ja sehen!« beharrte sie.Bré hatte ihr Quartier inzwischen verlas-

sen und hielt sich die meiste Zeit im geflute-ten Teil des Schiffes auf. Sie hatte sich sosehr an das Tauchen gewöhnt, daß sie esvermutlich bitterlich vermissen würde. Eswar so faszinierend, nahezu schwerelos da-hinzuschweben; nur das Tragen des Anzugswar unangenehm.

Beim Eintreffen an den Rendezvous-Ko-ordinaten befand sie sich bei Battanboo inder Zentrale und konnte von dort aus allesüber die großen Monitoren gut beobachten.

»Ich möchte dich aber gern dabeihaben«,sagte Battanboo konsterniert. »Wer könntedie Arkoniden besser von unserer Missionüberzeugen als eine Angehörige der LFT?Und du hast doch keinen bekannten politi-schen Status, Bré.«

Der Solmothe konzentrierte sich auf dieKontrollen, als die anderen vier Schiffe ihnriefen.

»Jetzt überbringen wir die gute Botschaftund können die Arkoniden vielleicht zu ei-nem Kompromiß bewegen«, freute sich Bat-

46 Susan Schwartz

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tanboo.»Das wird sich zeigen.« Bré konnte ihre

Vorurteile und ihr Mißtrauen nicht einfachabschütteln.

Doch dann erlebte die Sabinnerin die ersteÜberraschung.

Battanboo aktivierte den Funk und riefdas nächstgelegene arkonidische Wachfortan, um den Besuch anzumelden. Er gab da-bei ausführlich Auskunft über die Anzahlder Schiffe und die Besatzungsmitglieder.

Pflichtgetreu fügte er am Schluß hinzu:»Außerdem haben wir die LFT-Botschafterin Bré Tsinga in unserer Beglei-tung, als neutrale Beobachterin und Reprä-sentantin.«

Na, jetzt wird er gleich staunen, dachteBré siegesgewiß. Seelisch hatte sie sichschon darauf eingerichtet, sich für eine Wei-le auf dem ungemütlichen Fort als ungebete-ner Gast niederzulassen.

Sie lächelte liebenswürdig das arkonidi-sche Gegenüber auf dem Schirm an, sagtejedoch kein Wort. Sie wußte, Worte konntenhier nicht helfen. Auch nicht ihre plötzlicheErnennung zur Botschafterin In der nächstenSekunde riß sie ungläubig die Augen auf, alsder Wachkommandant nach der formellenBegrüßung höflich versicherte: »Wir fühlenuns durch euren Besuch geehrt und heißenselbstverständlich auch die LFT-Botschafterin willkommen.«

Battanboo verbog den massigen Hals zuihr, und sie war sicher, daß er sie triumphie-rend anblickte.

»Wir hoffen, daß der Zeitpunkt unseresBesuchs nicht schlecht gewählt ist«, entgeg-nete er mit einer weiteren umständlichenFloskel. Aber das war durchaus auch Solmo-then-Art, in dieser Hinsicht müßten sie sichmit den Arkoniden gut verstehen.

»Keineswegs, wir haben sogar schon allesfür einen entsprechenden Empfang vorberei-tet«, behauptete der arkonidische Komman-dant. »Eure Mission in der Milchstraße istnatürlich auch von uns nicht unbemerkt ge-blieben, und wir sind sehr neugierig auf dasErgebnis. Um so erfreuter sind wir, daß be-

reits eine Repräsentantin der LFT mitgeflo-gen ist. Das läßt uns auf eine positive Be-gegnung hoffen.«

»Dann werden wir jetzt einfliegen, miteurer Genehmigung.«

»Die ist hiermit formlos erteilt. Alle fünfSchiffe dürfen einreisen. Als einzige Ein-schränkung bitten wir darum, immer nurÜberlichtetappen von sieben Lichtjahren zu-rückzulegen und sich dann bei den jeweili-gen Wachforts zu melden Eine kleine For-malität, die nur eine kurze Verzögerung be-deutet. Wir übermitteln euren Syntronikendie entsprechenden Koordinaten.«

»Es ist keinesfalls eine Unannehmlich-keit.« Battanboo schlug heftig mit derSchwanzflosse, nachdem die Verbindungbeendet war; irgendwie mußte er seine Er-leichterung abreagieren.

Seine Gefährten tänzelten aufgeregt; sievergaßen die Kontrollen dabei jedoch nicht.Gleich darauf nahm die PERLAMARIN Izusammen mit den anderen vier SchiffenFahrt auf.

Bré Tsinga war noch so verdattert, daß siefür eine Weile einfach nur schwieg und ab-wartete.

9. Nähe Arkon-System15. Mai 1290 NGZ

Es gab keine Schwierigkeiten, Bré Tsingamochte noch so mißtrauisch sein. Der gefor-derte Halt nach jeder Etappe war eine reineFormalität. Kaum war die jeweilige Kon-trollstelle angerufen worden, schon durftensie weiterfliegen. Ohne langes Palaver, ohnedie üblichen egomanischen Schikanen derüberall gleich wichtigtuerischen Zollbeam-ten.

Und dann, als sie nur rund vierzehn Licht-jahre vor dem Arkon-System in den Normal-raum zurückkehrten, waren die fünf Schiffeplötzlich von fünfzig arkonidischen Kugel-raumern umzingelt. Die Anzeigen meldeten,daß alle Waffen aktiviert und auf die Bot-schafter des Friedens gerichtet waren.

Schlagartig wandelte sich die Stimmung.

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Die Solmothen waren nicht unbedingt ängst-lich, aber verwirrt und verunsichert, wie siesich nun verhalten sollten.

»Tut gar nichts«, riet ihnen die frisch er-nannte »LFT-Botschafterin«, obwohl ihrsehr unwohl war. »Wartet einfach ab. Beiden Arkoniden kann so was schon mal vor-kommen. Tut vor allem nichts Unbesonne-nes. Ein falsches Wort, und wir werden zueinem winzigen Häufchen Staub zerbla-stert.«

Der Kommandant der kleinen Flotte mel-dete sich per Funk. Der zuvor so freundlicheund zuvorkommende Ton hatte sich eben-falls verändert: »Die Weiterreise kann nichtgestattet werden. Weitere Anweisungenwerden folgen. Bis dahin sind alle Besucheraufgefordert, sich kooperativ zu verhalten.«

Kurz und in schneidendem Tonfall kamendie Sätze. Gesicht und Haltung des Arkoni-den zeigten militärische Strenge und Autori-tät. Er wirkte nicht so, als wäre er zu Ver-handlungen bereit.

»Dürfen wir erfahren, worum es geht?«konnte Battanboo dennoch seine Frage nichtzurückhalten.

»Es ist an uns, diese Frage zu stellen«,schnappte der hochdekorierte Arkonide. »Inden nächsten Minuten werden Einheiten vonuns an Bord jedes eurer Schiffe kommen.Wir erwarten absolute Zurückhaltung. JederZugang muß ermöglicht werden, ohne Aus-nahme.«

»Ich hoffe, alle tragen gute Schutzanzüge,denn unsere Schiffe sind größtenteils mit ra-dioaktivem …«

»Das wissen wir! Bis zur weiteren Klä-rung nehmen wir keine Funkanrufe entge-gen. Alle Solmothen müssen sich in derZentrale aufhalten, während die Schiffedurchsucht werden.«

Die Verbindung war unterbrochen, undBattanboo stieß vor tänzelnder Erregungbeinahe gegen einen Gefährten.

»Was haben sie denn nur?« rief er ratlos.»Weshalb entern sie jetzt unsere Schiffe?«

»Laßt einfach alles geschehen, wir kön-nen es nicht ändern. Jedes weitere Wort von

uns würde alles nur noch viel schlimmermachen«, sagte Bré ernst.

Ihre Gedanken überschlugen sich. An mirliegt es nicht, denn weswegen sollten sie dieanderen Schiffe entern? Ist das vielleicht nureine normale Überprüfung? Vielleicht habenihre Scanner durch das Zyan-Wasser merk-würdige Werte ausgespuckt, oder die Ein-fuhr irgendwelcher Korallen oder Fische istverboten.

Es hatte keinen Sinn, sich den Kopf zuzerbrechen. Sie sollte lieber darauf achten,daß die Solmothen aus Unwissenheit keineDummheit begingen.

*

»Was machen wir jetzt?« flüsterte einerder gatasischen Soldaten. Bereits vor demEinflug in M 13 hatten sie ihre Anzüge ge-schlossen und die Waffen überprüft.

»So ein Mist, bis hierher ist alles gutge-gangen …«, beschwerte sich ein anderer.

»Wir verstecken uns in der unteren Sekti-on«, ordnete Syilly Dyrhülfn an. »Dort ha-ben wir einigermaßen Ortungsschutz auf-grund der Streustrahlung und sind am weite-sten von der Andockmulde entfernt.«

In aller Hast brachen sie ihren Stützpunktab, wobei sie hofften, daß sie keine verräte-rischen Spuren zurückgelassen hatten. Sieverließen den Gastsektor durch die Schleuseund trieben in Höchstgeschwindigkeit in denunteren Bereich des Diskus-Raumers. Es be-stand keine Gefahr, jetzt den Solmothen zubegegnen, da sich alle in der Zentrale auf-halten mußten.

Es blieben ihnen nur wenige Minuten. Je-den Moment konnten die Arkoniden an Bordeintreffen »Schnell doch!« schrillte SyillyDyrhülfn im Ultraschallbereich.

Die Gataser schossen wie lange, dünnePfeile durch das Wasser, ohne auf die Um-gebung zu achten, und ließen unweigerlicheine Spur der Verwüstung hinter sich. Damitmachten sie die Arkoniden vermutlich erstrecht darauf aufmerksam, daß noch andereWesen als die Solmothen an Bord waren,

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doch das war nicht zu ändern. Wenn sie be-hutsamer vorgingen, war die Gefahr der Ent-deckung noch größer. Vielleicht konnten siesich im unteren Sektor so gut verstecken,daß sie nicht entdeckt wurden, und die Ar-koniden zogen unverrichteter Dinge ab.

Zerbrochene Korallen rieselten herab, dasWasser trübte sich an den Bruchstellen vondem feinen Kalkstaub, der sich in kleinenWolken ablöste. Blumentiere zogen er-schreckt ihre Fangarme zurück, ihre prächti-gen Farben erloschen zu einförmigem Braunund Grau; kleine Wasserwesen schossenverstört umher, bis sie ein geeignetes Ver-steck gefunden hatten.

»Ich orte eine Fähre, die gerade in derAndockmulde landet«, meldete ein Blue.

»Dann sind sie jeden Moment hier!« fol-gerte ein Artgenosse scharfsinnig.

»Ruhe jetzt! Die Schleuse ist nicht mehrweit!« befahl Syilly Dyrhülfn.

Der Anführer des kleinen Kommandosmußte dafür sorgen, daß keiner etwas Dum-mes unternahm. Der wenn auch brüchigeFriede durfte durch diese Aktion keinesfallsgefährdet werden.

Aber es dauerte seine Zeit, bis dreißigBlues eine einzige Schleuse passieren konn-ten. Die Ortungen zeigten, daß die Arkoni-den inzwischen den gefluteten Bereich er-reicht hatten und sofort ausschwärmten, umjeden Winkel zu durchsuchen.

»Sie wissen von uns! Sie wissen vonuns!« schrillte jemand.

»Still! Sie durchsuchen alle Schiffe. Viel-leicht liegt es nicht an uns!« versuchte derAnführer sich und seine Gefährten zu beru-higen.

Zwanzig waren durch die Schleuse, blie-ben noch zehn. Syilly Dyrhülfn jagte einennach dem anderen hindurch, zählte die wert-vollen Sekunden, die dabei vergeudet wur-den. Alle vier Augen waren weit aufgerissenund beobachteten die Umgebung.

Die Waffen waren in Bereitschaft, abernoch nicht aktiviert. Zum Kampf durfte esnur im äußersten Notfall kommen, wenn ab-solut kein anderer Ausweg mehr blieb.

»Arkoniden nähern sich«, meldete seinStellvertreter. »Entfernung dreißig Meter,Sektionsbereich über uns. Sichtung nochnicht möglich. Ortungsschutz funktioniertnoch.«

»Funkstille!« befahl Syilly Dyrhülfn. Eswar unwahrscheinlich, daß die Frequenzenbereits abgehört worden waren, sie warensehr schwach, da die Stimmlage im Ultra-schall eine natürliche Verstärkung bot.

Noch sechs, zählte Syilly Dyrhülfn. Im-mer wieder sah er auf die Ortungsanzeige.Entfernung der Arkoniden noch exakt 19,5Meter.

Zum Glück lag die Schleuse in einem fürdie Blues günstigen Winkel. Die Arkonidenkonnten sie erst entdecken, wenn sie schonfast mit ihnen zusammenstießen. Da sich ih-re Geschwindigkeit nicht erhöhte, waren sienach wie vor unentdeckt.

Schneller, schneller, dachte Syilly Dyr-hülfn. Aber die Automatik der Schleuse ließes nicht zu, daß der Bereich schneller verlas-sen werden konnte. Sie war nicht groß ge-nug, um mehr als zwei Blues zu fassen; fürSolmothen war sie nicht modifiziert worden- selbstverständlich nicht. Sie hätten ihreÜberlebenstanks für die nicht genutetenSektoren benötigt, und was hätten sie in derAntriebssektion schon zu suchen gehabt?

Noch vier. Entfernung der Arkonidenzehn Meter.

Ich bin gespannt, wann ihnen das ständigeÖffnen und Schließen der Schleuse merk-würdig vorkommt. Bisher werden sie es aufdas Schiff an sich bezogen haben, da ihnendie Wasserwelt nicht bekannt ist.

Noch zwei - Syilly Dyrhülfn selbst undsein Stellvertreter.

Die Arkoniden beschleunigten. Noch achtMeter. Noch sechs. Fünf … vier … drei …

Das Wasser war abgepumpt. Die Schleuseöffnete sich auf der anderen Seite. SyillyDyrhülfn und sein Gefährte aktivierten denAntigrav und flogen, so schnell es ging, denanderen Soldaten hinterher.

Als sie den Bereich des Hypertrop-Energiezapfers erreichten, konnten sie das

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erstemal aufatmen. Die Streustrahlungschützte sie ab hier weitgehend.

Syilly Dyrhülfn überlegte fieberhaft, wel-ches Versteck sie wählen sollten. Schließlichentschied er sich für den Energiewandlerund Gravitraf-Speicherblock; dort gab es ge-nügend Verstecke, und die Schirme der An-züge würden für einige Zeit halten.

Die Soldaten suchten sich einigermaßensichere Plätze, die von außen schwer einseh-bar waren, und warteten ab.

Die Zeit verging zäh, doch unaufhaltsam.Je länger sie warteten, desto hoffnungsvollerwurden sie.

Schließlich hielt es Syilly Dyrhülfn nichtmehr aus. Der Anführer der Truppe verließsein Versteck - nur um kurz darauf direkt indie Mündung eines arkonidischen Impuls-strahlers zu blicken. Hinter ihm wurden sei-ne Gefährten aus ihren Verstecken getriebenund entwaffnet.

»Genau das hätten wir auch gemacht«,sagte der Arkonide höhnisch, nachdem siealle unter strengster Bewachung in die Fähregebracht worden waren.

*

Es vergingen drei bange Stunden desWartens, bis sich der Kommandant endlichwieder meldete.

»Auf der PERLAMARIN IV sind wirfündig geworden«, berichtete er. »Dreißigschwer bewaffnete Blues-Soldaten, alle Ga-taser.«

Battanboo schoß wie ein Pfeil nach obenund sank langsam wieder ab. »Davon habenwir nichts gewußt«, beteuerte er.

Der Arkonide zuckte nicht einmal mit derWimper. »Das ist uninteressant. Es zählenallein die Tatsachen.«

»Aber du mußt uns ganz einfach glau-ben!«

»Was ich glaube, spielt überhaupt keineRolle. Ich führe nur meine Befehle aus, unddie haben schließlich zum Erfolg geführt.«

»Wie seid ihr denn darauf gekommen,daß wir blinde Passagiere mitführen?« woll-

te Bré Tsinga wissen.Der Arkonide verzog die schmalen, zu-

sammengekniffenen Lippen zu einem zyni-schen Grinsen. »Nun, wie man eben so anInformationen kommt.«

Bré Tsinga sah Battanboo mitleidig an.»Deine Gefährten sind zweimal hereingelegtworden. Zuerst von einem Gataser, wahr-scheinlich sogar Zio Trytun selbst, der heim-lich euer Schiff besetzen ließ - und dann vondem Verräter, der den Arkoniden diesenPlan verriet.«

»Gut erraten«, lobte der Arkonide höh-nisch. »Wir haben unwissentlich auch außer-halb unseres Reiches Freunde.«

»So, unwissentlich also? Na, dann hat eseuch hoffentlich nichts ausgemacht. Zio denNamen zu nennen«, gab Bré verächtlich zu-rück.

»Im Zuge des neuen Aufbaus unserer Be-ziehungen war das absolut notwendig.Schließlich wollen wir eine Basis des Ver-trauens schaffen.«

Tolles Vertrauen, dachte Bré mutlos. Esfängt richtig gut an, besser kann man es sichnicht wünschen. Dieser dämliche Tellerkopfmacht einen unverzeihlichen Fehler hinterunserem Rücken, und für die Arkoniden istdas ein gefundenes Fressen. Und natürlichauch für Solder Brant Ich kann mir schonvorstellen, in welchem Tempo er gerade vordie nächste Kamera rast, um Dampf abzulas-sen.

»Was wird nun geschehen?« erkundigtesich Battanboo. Seine tänzelnden Gestenwurden allmählich langsamer, subtiler unddamit für Landbewohner kaum mehr zu er-kennen.

»Die Kommandos bleiben an Bord, bis ihrArkon I erreicht habt.«

Br horchte auf. Sie jagen uns nicht weg?Jetzt wird es wirklich schlimm.

»Ich würde mich sehr freuen, wenn ichdie Gelegenheit zu einem klärenden Ge-spräch erhielte«, sagte Battanboo.

»Das habe ich nicht zu entscheiden«,meinte der Arkonide. »Die Gefahr einer ge-heimen Invasion ist gebannt. Damit ist die

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Weiterreise gewährleistet, selbstverständlichunter Bewachung, um weitere Mißverständ-nisse zu vermeiden.«

»Wir haben keine Waffen«, wandte deralte Solmothe höflich ein. »Wir kommen inFrieden, daran hat sich nichts geändert. Aberwir akzeptieren selbstverständlich die Sitteneines anderen Volkes. Ich weiß, daß dieVerständigung zwischen Land- und Wasser-bewohnern schwierig ist, und es tut mir leid,was geschehen ist.«

»Die Freigabe zum Weiterflug ist jetztda«, sagte der Arkonide, ohne darauf einzu-gehen. Sein Gesicht nahm einen gelangweil-ten Ausdruck an, bevor er abschaltete.

Die fünf Schiffe setzten ihren Weg fort;einen Zwischenstopp brauchten sie jetztnicht mehr einzulegen.

Bré verzichtete darauf, Battanboos Zuver-sicht einen Dämpfer zu versetzen, indem sieihm die Wahrheit sagte. Sie ging davon aus,daß sie nicht weiterreisen durften, weil dieArkoniden »eine Basis des Vertrauens«schaffen wollten, sondern weil man sie alleauf Arkon I inhaftieren und des Hochverratsanklagen würde. Selbstverständlich würdeman sie irgendwann wieder freilassen, schonum die Verhandlungen für die Verlegungdes Galaktikums nicht zu gefährden, abernatürlich mit den entsprechenden Auflagenund Forderungen. Die Arkoniden hattenwieder einmal einen Vorteil, und sie würdenihn ganz sicher nutzen.

*

Mit gemischten Gefühlen betrachtete BréTsinga Arkon I aus dem Orbit. Vor wenigenMinuten hatten sie gewissermaßen untervorgehaltener Waffe die letzte Überlichte-tappe hinter sich gebracht.

Trotz allem war die Sabinnerin fasziniert.Natürlich kannte sie die Kristallwelt nur ausdem Archiv, und sie war noch schöner, alssie geglaubt hatte. Die Oberfläche war eineeinzige atemberaubende und abwechslungs-reich gestaltete Parklandschaft, aus der sichimmer wieder kleine Gruppen von bis zu

500 Metern hohen Trichterbauten erhoben,verbunden durch Prachtstraßen und Plätzemit aufwendigen Kunstwerken. Keine Indu-strie, nur einige Raumhäfen.

Brés Herz schlug höher, als schließlichdie Wüste Khoukar in ihr Blickfeld kam.Dort lag Mirkandol. »Ort der Begegnung«,ein bereits von hier oben aus mythisch an-mutender Ort mit einem 800 Meter hohen,kristallenen Trichterbau als Zentrum. Darumherum waren Wohn- und Parklandschaftenunterschiedlichster galaktischer Bauweisenund Gattungen angelegt. Die junge Fraukonnte sich vorstellen, daß sie viele Wochenlang hier verweilen konnte und immer nochstaunen würde über wieder neue Wunder,die sie entdeckte.

Heftiges Verlangen ergriff sie, diese Weltkennenzulernen, sie mit allen Sinnen zu er-tasten und zu erfühlen, und dadurch derDenkweise der Arkoniden näherzukommen.Wäre es doch nur nie zu diesem Zwischen-fall gekommen!

Dann, endlich, kam ein Funkruf. Ein älte-rer, etwas rundlicher Arkonide zeigte sichauf dem Schirm.

»Ich bin General Rodonir von Akporu«,stellte er sich vor. »Ich bitte um Erlaubnis,an Bord kommen zu dürfen.«

Was soll, das jetzt schon wieder? dachteBré. Allmählich begriff sie gar nichts mehr.Das war wieder ein gutes Zeichen.

»Sehr gern«, stimmte Battanboo zu.»Ich möchte auch darum bitten, daß die

Botschafterin mit anwesend ist«, fuhr derGeneral fort.

Bré antwortete selbst: »Ich befinde michhier bei Battanboo in der Zentrale.«

»Sehr gut. Ich bin in wenigen Minutenda.«

Der General wurde von vier Adjutanteneskortiert; er trug einen auffallenden Schutz-anzug und gab sich redliche Mühe, auch un-ter Wasser noch würdevoll zu wirken.

»Ich überbringe eine gute Nachricht«, er-öffnete Rodonir von Akporu das Gespräch.»Sowohl das Forum Raglund als auch dieLFT haben mit Imperator Bostich Kontakt

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aufgenommen und die Entsendung einer De-legation nach Arkon I angekündigt. Die Ver-handlungen über ein neues Galaktikum sol-len aufgenommen werden.«

Die Solmothen tänzelten aufgeregt. BréTsinga machte, daß sie außer Reichweite dermächtigen Leiber kam.

»Das ist eine sehr gute Nachricht«, sagtesie anstelle von Battanboo. »Das zeigt, daßdie Friedensmission der Solmothen von Er-folg gekrönt war. Ich hoffe, daß uns nunGlauben darüber geschenkt wird, daß wirvon den gatasischen Soldaten nichts wußten.Ich bin auch sicher, daß Zio Trytun keine In-vasion geplant hatte, sondern nur für denSchutz der Solmothen sorgen wollte. Er tates eben auf ungeschickte Weise.«

»Nun, sicher ist den Solmothen ein Erfolggelungen«, unterbrach der General. »Ichmöchte an dieser Stelle auch stellvertretendfür den Imperator unseren aufrichtigen Dankaussprechen, daß sie sich so sehr für unsereSache eingesetzt haben. Allein auf ihr Be-treiben hin haben wir so schnell Antworten

erhalten - und überaus positive Antworten.Natürlich haben sich noch nicht alle Völkergemeldet, aber ich bin sicher, daß sie balddem Beispiel der anderen folgen werden,wenn sie erkennen, daß dies der einzigeWeg ist.«

Irgend etwas stimmt hier nicht, dachteBré. Ihre Freude war nur kurz gewesen.

Kaum hatte sich die erste Euphorie gelegt,hatten ihre emotionalen Alarmglocken ge-schrillt. Battanboos Weisung gemäß konzen-trierte sie sich auf ihre Gabe, ohne sich hin-reißen zu lassen - und obwohl sie ungeübtwar, empfing sie eine Menge.

Und nichts Gutes.»Aber«, fuhr Rodonir von Akporu in die-

sem Moment mit harter Stimme fort, »leiderwird dieser positive Aspekt getrübt. DerVorfall mit den dreißig gatasischen Spionenwird in jedem Fall ein ernstes Nachspiel ha-ben.«

E N D E

Die Mission der Solmothen hat überraschende Anfangserfolge erzielen können. Es gibtmittlerweile eine Gesprächsbereitschaft auf Seiten der galaktischen Völker; nicht alle setzenmehr auf Konfrontation. Abzuwarten ist, wie sich die Lage im Zentrum des Kristallimperiumsweiter entwickelt.

Peter Terrid, ausgewiesener Spezialist für das »neue Kristallimperium«, nimmt sich imnächsten PERRY RHODAN-Roman dieses Themas an. Sein Roman erscheint unter folgendemTitel:

INTRIGEN AUF ARKON

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