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Verbraucherpolitische Korrespondenz Januar/Februar 2009 | Nr. 19 Preis: 7 ,– € Außer Spesen nichts gewesen? Was beim Anlegerschutz noch zu tun ist Frust statt Aufklärung Verbraucherinformationsgesetz versagt im Alltag Debatte über neue Klagerechte Schadensersatzansprüche kaum durchsetzbar Zwölf Fragen an ... ... Jean Pütz

Frust statt Aufklärung Debatte über neue Klagerechte Zwölf ... · Darüber hinaus ist ein Bezug über die Website des ... pel. Irrational ist das nicht. Um sage und schreibe 110

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Verbraucherpolitische Korrespondenz

Januar/Februar 2009 | Nr. 19Preis: 7,– €

Außer Spesen nichts gewesen?Was beim Anlegerschutz noch zu tun ist

Frust statt AufklärungVerbraucherinformationsgesetz versagt im Alltag

Debatte über neue KlagerechteSchadensersatzansprüche kaum durchsetzbar

Zwölf Fragen an ...... Jean Pütz

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2 Verbraucherpolitische Korrespondenz | 02.2009Inhalt

Aus dem Inhalt

Impressum

Die Verbraucherpolitische Korrespondenz (vpk)

erscheint alle zwei Monate und informiert über die

Arbeit des vzbv und seiner Mitgliedsverbände sowie

über aktuelle Nachrichten zur nationalen und interna-

tionalen Verbraucherpolitik.

HerausgeberVerbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv)

Markgrafenstraße 66 · 10969 Berlin

Tel. (030) 258 00-0 · Fax (030) 258 00-218

info @ vzbv.de · www.vzbv.de

verantwortlich für den InhaltGerd Billen

RedaktionChefredaktion: Christian Fronczak

Chef vom Dienst: Steffen Küßner

Ileana von Puttkamer, Vikki Schaefer, Simone Wander

MitarbeitMonika Büning, Christina Denz, Frederik Leven,

Christian Thorun

Satzbearbeitung und Layoutda vinci design GmbH, Berlin

Albrechtstraße 13 · 10117 Berlin

KarikaturKlaus Dittmann

TitelfotoRoman Sigaev

Fotos Verbraucherzentrale Bundesverband

Druckenka-druck GmbH,

Großbeerenstraße 2 · Gebäude 02 EG · 12107 Berlin

100 % Recyclingpapier

Frei zum Nachdruck, Belegexemplar erwünscht

Abonnement/BezugDie vpk kann als Print-Ausgabe zum Preis von jähr-

lich 36 Euro als Abonnement bezogen werden.

Darüber hinaus ist ein Bezug über die Website des

vzbv als Newsletter kostenfrei möglich (Anmeldung

unter www.vzbv.de).

Verbraucherzahl des Monats

Aus dem Inhalt

Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

National Außer Spesen nichts gewesen? – Was beim Anlegerschutz noch zu tun ist . . . . . . . . . .4 Das wäre ihre Chance gewesen – Bewertung des zweiten Konjunkturprogramms . . . .5 Endspurt für besseren Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6 Frust statt Aufklärung – Verbraucherinformationsgesetz versagt im Alltag . . . . . . . . . .6 Kein Stromsparer nirgends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 Gemeinsam für mehr Klimaschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7

Gastkommentar Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstitutes für Risikobewertung . . 8

Europa und Internationales Debatte über neue europäische Klagerechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 Generika ausgebremst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 Kontowechsel leicht gemacht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 Elektronikabfälle EU-weit besser entsorgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10

Mitglieder im Portrait Deutscher Frauenring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

vzbv intern Neues Netzwerk für ein besseres Klima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Das Klimateam im Bundesverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Orden für Vollblut-Verbraucherschützer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Wissen, was drin steckt – Rückstände in Lebensmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Meilensteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Zwölf Fragen an … ... Jean Pütz, Wissenschaftsjournalist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Service Termine, Veranstaltungen und Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

30.000.000.000 Euro

Eine Studie des Bundesverbraucherministeriums beziffert die Vermögens-schäden der Verbraucher auf Grund mangelhafter Finanzberatungen auf jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro. Dabei werden 50 bis 80 Prozent aller langfristigen Anlagen vorzeitig mit Verlust abgebrochen. Q

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3Editorial

Eine Frage des Vertrauens

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: Hol

ger G

roß

„Vertrauen ist der Anfang von allem“. Mit diesem Werbeslogan warb in den 1990er Jahren die Deutsche Bank. Im Augenblick empfänden die Kunden den Spruch ver-mutlich als Hohn. Es sei denn, Marke-tingstrategen würden „Anfang“ durch

„Neuanfang“ ersetzen. Das klänge zwar nicht mehr wirklich werbetauglich, beschriebe aber sehr passend die Aus-gangslage vieler Unternehmen. Zusätzlich zur Finanz- und Wirtschaftskrise haben sie mit einer tiefgreifenden Vertrauens-krise zu kämpfen. Die Verbraucher sind zu Recht skeptisch geworden. Gleichzei-tig ruhen große Hoffnungen auf ihnen.

Wir alle sollen kräftig konsumieren, damit der Motor der Wirtschaft wieder anspringt. Doch wir sind keine Konsumautoma-ten, die auf Knopfdruck funktionieren. Schon gar nicht, wenn Politiker gleichzei-tig an unsere Schwabenseele appellie-ren und eine gegenteilige Botschaft aus-senden: „Es wird schlimm – spare jetzt, damit Du auch morgen noch konsumie-ren kannst.“ Das Einkommen landet so eher im Sparstrumpf als im Konsumtem-pel. Irrational ist das nicht. Um sage und schreibe 110 Milliarden Euro soll sich laut einer Allianz-Studie das Geldvermö-gen der Deutschen im Jahr 2008 gegen-über dem Vorjahr verringert haben. Und einen Konsumrausch dürften auch die beschlossene Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrages um 170 Euro, der ein-malige Kinderbonus in Höhe von 100 Euro

sowie die Abwrackprämie für alte Autos in Höhe von 2.500 Euro kaum auslösen. Ein Blick in die USA unterstreicht die Skepsis: Dort blieb der Nachfrageschub aus, als die Bush-Regierung im letzten Sommer rund 70 Millionen Amerikanern knapp 1.000 Dollar überwies.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ist unerlässlich, die privaten Haushalte in der Krise zu unterstützen. Ebenso wie notwendige Investitionen in Infrastruktur und Bildung kann dies jedoch nur die eine Seite sein. Die andere wird bis dato viel zu wenig beachtet. Der Staat muss zukunfts-fähige Produkte und Dienstleistungen mas-siv fördern. Dringend erforderlich wären beispielsweise solide finanzierte Anreiz-programme für energieeffiziente Haus-haltsgeräte und klimafreundliche Autos. Hier liegt die wahre Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Denn einige Branchen haben in den vergangenen Jah-ren einen längst fälligen Strukturwandel verschleppt. Die Automobilbranche mit ihren teuren Spritschluckern ist nur ein Beispiel, die Energieversorgung ein ande-res. Dort verhindern überkommene Struk-turen und Technologien, dass die Märkte im Sinne der Ver-braucher funktio-nieren. Und auch die Finanzbran-che hat in Sachen Zukunftsfähigkeit einigen Nachhol-bedarf. Was die Finanzkrise im Großen, ist eine verfehlte Anlage-beratung im Klei-nen.

Finanzunterneh-men wie die Com-merzbank greifen derzeit auf umfas-

sende Finanzhilfen zurück, bezahlt letz-ten Endes vom Steuerzahler. Im Gegen-zug muss der Staat solche Unternehmen auf eine nachhaltige Geschäftspolitik ver-pflichten, die sich an den Interessen der Kunden orientiert. Für die Banken bedeu-tet dies zum Beispiel, den provisions- und bonusorientierten Vertrieb zu beenden. Denn dieser animiert die Berater dazu, mit Verbrauchern möglichst viele anstatt sach- und bedarfsgerechte Verträge abzu-schließen. Generell sollten Bund und Län-der verstärkt Einfluss nehmen, wo immer sie als Eigentümer, Beteiligter, Finanzier, Projektträger oder Großkunde Marktmacht ausüben. Dabei gilt es Bedingungen zu schaffen, die Impulse für eine nachhal-tige und verbrauchergerechte Wirtschafts-praxis geben.

Politiker, die sich dazu entschließen, die Krise in dieser Weise als Chance zu begreifen, schaffen und ernten Vertrauen. Und dies ist bekanntlich der Anfang von allem.

Gerd Billen

Leitplanken für eine verbrauchergerechte Wirtschaftspolitik

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4 Verbraucherpolitische Korrespondenz | 02.2009National

Außer Spesen nichts gewesen?

Dem Rettungspaket für die Finanzbranche muss ein verbesserter Schutz für Sparer und Anleger folgen

Als Konsequenz aus der Finanzkrise for-dert der Verbraucherzentrale Bundes-verband einen neuen Rechtsrahmen, um die Qualität der Anlageberatung zu ver-bessern. Den Handlungsbedarf beim Anlegerschutz unterstreichen aktuelle Studien.

Durch falsche Finanzanlagen haben die Verbraucher in den vergangenen zehn Jah-ren viel Geld verloren. Zu diesem Ergeb-nis kommt eine vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Auftrag gegebene Ana-lyse. Während die Banken an Provisionen und Gebühren gut verdient haben, muss-ten die Anleger unterm Strich Verluste hinnehmen. Demnach fiel im Zeitraum zwischen 1997 und 2007 die durchschnitt-liche Rendite der Geldanlagen negativ aus. Zudem werden die Anlageentschei-dungen immer riskanter, obwohl die Kun-den der Sicherheit höchste Priorität ein-räumen. „Die Studie zeigt, welchen Wert provisionsgetriebene Beratungen haben. Der Finanzberater ist zuvorderst Verkäu-fer in eigener Sache“, erklärt Dorothea Mohn, Finanzexpertin im Verbraucher-zentrale Bundesverband. Zu einem ähn-lichen Ergebnis kam eine Ende Dezember veröffentlichte Untersuchung des Bundes-verbraucherministeriums.

Geldvermögen der Deutschen geschrumpft

Dass bei der Anlageberatung einiges im Argen liegt, unterstreicht auch eine aktu-elle Studie der Allianz: Trotz gestiegener Sparquote verringerte sich das Geldver-mögen der Deutschen 2008 gegenüber dem Vorjahr um rund 110 Milliarden Euro.

„Durch die Einbußen gehen auch Steuer-einnahmen verloren. Hätte der Staat nur einen Bruchteil davon in den Ausbau der unabhängigen Finanzberatung gesteckt, wäre zumindest ein Teil dieser Verluste zu vermeiden gewesen“, sagt Mohn. Als

Konsequenz fordert der Verbraucherzen-trale Bundesverband, die produkt- und anbieterunabhängige Anlageberatung zu stärken. Dies wünschen sich nach einer aktuellen Meinungsumfrage auch rund 50 Prozent der Verbraucher. Wie groß der Bedarf ist, zeigte der Ansturm auf die Finanzberatung der Verbraucherzentralen, nachdem die Finanzkrise im Herbst ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Termine für eine persönliche Beratung waren teil-weise monatelang ausgebucht.

Verbraucher müssen im SchadensfallAnsprüche durchsetzen können

Erforderlich ist nach Auffassung des Ver-braucherzentrale Bundesverbandes außerdem ein neuer Rechtsrahmen, um die Qualität des Anlegerschutzes in Deutschland zu verbessern. „Verbraucher brauchen faire Möglichkeiten, um bei einer falschen Anlageberatung Schadens-ersatzansprüche durchsetzen zu können“, so Mohn. Hierfür sei es zum einen uner-lässlich, die vom Bundes-justizministerium vorge-sehene Verlängerung von Verjährungsfris-ten umzusetzen. Der-zeit verjähren Ersatz-ansprüche innerhalb von drei Jahren ab Kauf einer Anlage. Künftig sollen Ver-braucher innerhalb eines Zeitraums von zehn Jah-ren drei Jahre ab Kennt-nis des Schadens Zeit haben, einen Anspruch geltend zu machen.

Auf den Prüfstand gehört nach Auffassung des Ver-braucherzentrale Bundesver-bandes auch die geltende Regelung zur Beweislast. Momentan ist es am Anle-

ger, zu beweisen, falsch informiert oder beraten worden zu sein. Dies ist jedoch in den seltensten Fällen möglich, weshalb der Anleger seine Ansprüche nicht durch-setzen kann. Die Folge: Banken unter-liegen keinem Druck, sauber und richtig zu beraten. Eine Umkehr der Beweislast würde das ändern. Berater und Finan-zinstitute müssten dann den Nachweis führen, dass anleger- und anlagegerecht beraten wurde.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, noch in dieser Legislaturperiode klare rechtliche Rahmenbedingungen für einen verbesserten Anlegerschutz zu schaffen. „Ein Augen zu und weiter so darf es nicht geben. Die Lehren aus der Finanz-krise müssen jetzt gezogen werden“, so Mohn.

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502.2009 | Verbraucherpolitische Korrespondenz National

Das wäre ihre Chance gewesen

Bewertung des zweiten Konjunkturprogramms der Bundesregierung

Für das Jahr 2009 sehen die Wirtschafts-prognosen düster aus. Die Bundesregie-rung hat ein zweites Konjunkturpaket geschnürt, um dem Abschwung entge-genzuwirken. Herausgekommen ist ein Sammelsurium von Maßnahmen. Dem Paket fehlt eine klare Handschrift in Rich-tung Zukunftsfähigkeit.

Die Milliardeninvestitionen sollten nach Auffassung des Verbraucherzentrale Bun-desverbandes dorthin fließen, wo sie für Wirtschaft und Verbraucher mehrfache Dividenden abwerfen. „Das Konjunktur-programm wird auch auf Kosten kommen-der Jahre und Generationen finanziert. Deshalb muss jeder Euro einen Beitrag für ein zukunftsfähigeres Deutschland leisten. Dem nun vereinbarten politischen Kompro-miss fehlt dagegen eine solch klare Linie“, kritisiert Billen. Im Vordergrund müssten Strukturen, Produkte und Dienstleistun-gen stehen, die dazu beitragen, das Klima zu schonen, Bildungschancen zu verbes-sern und die Geldbeutel der Verbrau-cher mittel- und langfristig zu entlasten.

Wohnen: Energie effektiver nutzen

Durch geeignete Anreize kann der Ener-gieverbrauch in Wohngebäuden in den nächsten 20 Jahren um mehr als die Hälfte verringert werden. Die Bundesregie-

rung hat beschlossen, von staatlicher Seite günstige Kredite für die energeti-sche Gebäudesanierung bereitzustellen.

„Um eine Energiewende einzuleiten, bedarf es allerdings ambitionierter Maß-nahmen. Hierzu zählen direkte Zuschüsse und steuerliche Abschreibungsmöglich-keiten“, so Billen. Zudem gelte es, Strom-

fresser aus den Haushalten zu verbannen.

Mobilität: Ökologisch umsteuern

Wichtige Impulse hätte ein Prä-mienprogramm für den Kauf besonders energieeffizienter Neuwagen leisten können. Im Gegensatz zur jetzt beschlos-senen Abwrackprämie hätte die Förderung jedoch an Emis-sionsgrenzwerte gekoppelt sein müssen. Zudem fordert

der Verbraucherzentrale Bundesverband, dass signifikante Mittel in den Ausbau von Bus und Bahn fließen. Noch ist offen, wo genau die Gelder eingesetzt werden.

„Die Bundesregierung muss Länder und Kommunen dazu verpflichten, die Mittel für ökologisch sinnvolle Projekte einzu-setzen“, fordert Billen.

Bildung: Nachsitzen für mehr Qualität

Gerade ein ressourcenarmes Land ist da-rauf angewiesen, seinen Nachwuchs gut

auszubilden und Menschen auch nach der Schule die Fort- und Weiterbildung zu ermöglichen. Zahlreiche Studien zei-gen jedoch, dass in Deutschland großer Nachholbedarf gerade in der Durchlässig-keit des Bildungssystems besteht. Einen erheblichen Anteil der Mittel will die Bun-desregierung für die Infrastruktur in Schu-len und Hochschulen ausgeben. „Neue Gebäude und Ausstattungen sind wich-tig, schaffen allein aber noch keine gute Bildung. Auch die Lehre und Ausbildung muss jetzt nachhaltig gestärkt werden“, erklärt Billen.

Gesundheit: Mehr Effizienz ins System

Trotz der beschlossenen Senkung des Beitrages zur gesetzlichen Krankenver-sicherung zahlen viele Versicherte mehr als im vergangenen Jahr. Dies ist Geld, das für den Konsum fehlt. Dabei sind Effi-zienzpotentiale im Gesundheitswesen bei weitem noch nicht ausgeschöpft. „Wir können es nicht zulassen, dass die Ver-braucher jährlich mehr für ihre Gesund-heit ausgeben müssen, gleichzeitig jedoch das Gesundheitssystem die Mit-tel nicht sorgsam verwendet“, kritisiert Billen. Doch Anreizprogramme, etwa für effiziente Gesundheitsdienstleistungen, fehlen bislang im Konjunkturprogramm. Dabei könnten diese nicht nur helfen, Probleme im Gesundheitswesen zu lösen, sondern auch kurzfristig die Konjunktur anzukurbeln.

Wort des Jahres

Jedes Jahr kürt die Gesellschaft für deutsche Sprache zehn Wörter, die die öffentliche Diskussion besonders geprägt haben. Das Jahr 2008 hatte demnach eine deutlich ver-braucherpolitische Schlagseite. Ganz oben auf der Liste steht dieses Mal „Finanzkrise“. Auf Rang zwei landete das Wort „verzockt“. Auf den weiteren Rängen folgten unter ande-rem „Datenklau“, „Umweltzone“, „Nacktscanner“ und „Rettungsschirm“. Zum Unwort des Jahres kürte die Jury den Begriff „notleidende Banken“.

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6 Verbraucherpolitische Korrespondenz | 02.2009National

Frust statt Aufklärung

Verbraucherinformationsgesetz versagt im Alltag

Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) hält nicht, was der Name verspricht. Dies ist das ernüchternde Fazit eines bundes-weiten Behördentests, den die Verbrau-cherzentralen und der Verbraucherzen-trale Bundesverband zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin präsentierten.

Über 100 Anfragen an Landesbehör-den und Kommunen hatten die Verbrau-cherschützer in den vergangenen Mona-ten ausgewertet. Rund zwei Drittel der Anfragen stammten von Verbrauchern, ein Drittel kam von den Verbraucherzen-tralen. Das für Verbraucher frustrierende Ergebnis: „Während die Anfragen der Ver-braucherzentralen ernsthaft und sorg-fältiger bearbeitet wurden, erhielten die Verbraucher meist nur pauschale Ant-worten“, berichtet Hedi Grunewald von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Und selbst wenn die Behörden Auskünfte erteilten, wurden den Verbrauchern hand-feste Informationen vorenthalten. So blie-ben Verantwortliche in der Regel unge-nannt, alltagstaugliche Informationen über unsichere Produkte und auffällige Verkaufsstellen gab es nur in Einzelfällen.

Abschreckend wirken auch die hohen Kosten. Hohe Gebührenankündigungen hielten in vielen Fällen Verbraucher davon ab, ihre Anfrage weiterzuverfolgen. „Mit Kostenandrohungen von bis zu 500 Euro für eine simple Auskunft wird jedes Ver-braucherinteresse im Keim erstickt“, so Grunewald. Roland Stuhr, Koordinator des Behördentests im Verbraucherzen-trale Bundesverband, kritisiert außerdem, dass die komplizierte Anwendung des VIG eine schnelle und unbürokratische Aufklärung verhindere. Seinem Anspruch auf mehr Bürgerfreundlichkeit und Trans-parenz werde das VIG nicht gerecht. „In seiner derzeitigen Fassung ist das Gesetz ineffektiv und bürokratisch“, resümiert Stuhr.

Strukturelle Mängel erfordern Nachbesserungen

Deshalb haben der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Verbraucherzen-tralen ein Zehn-Punkte-Programm für ein verbessertes VIG vorgelegt. Der Gesetz-geber müsse klarstellen, dass die Behör-den verpflichtet sind, unverzüglich und kostenlos zu informieren, wenn eine Beanstandung wegen Missachtung des Lebensmittelrechts vorliegt. Zudem dürfe es bei Gesetzesverstößen keine langwie-rigen Anhörungen der betroffenen Unter-nehmen geben. Spätestens nach einem Monat müssten die Verbraucher infor-miert werden.

Auf Länderebene ist die komplizierte Zuständigkeitsverteilung in der Lebens-mittelüberwachung ein Problem. Hier regt der Verbraucherzentrale Bundesverband einen einheitlichen Ansprechpartner zum VIG für alle Verbraucherfragen an. Zudem müsse der Datenaustausch zwischen den Behörden verbessert werden. Darüber hinaus müssten Verbraucher vorher erfah-ren, was die Anfrage kostet.

Endspurt für Regierung

Entscheidungen in vier Bereichen

Die Bundesregierung kann in diesem Jahr noch wichtige Akzente beim Verbraucher-schutz setzen. Offene Gesetzgebungsver-fahren gibt es in vier Bereichen:

DatenschutzDie aktuellen Gesetzentwürfe legen die Grundlage für einen verbesserten Daten-schutz. An folgenden Punkten darf nicht mehr gerüttelt werden: Abschaffung des Listenprivilegs, ein generelles Verbot von Koppelungsgeschäften, Einführung einer Herkunftskennzeichnung von Daten, ver-besserte Rechtsdurchsetzung und eine effektivere Kontrolle und Strafverfolgung. Unlautere TelefonwerbungDer Gesetzentwurf verzichtet bisher auf die wirkungsvollste Sanktion: Am Telefon abgeschlossene Verträge dürfen erst nach einer schriftlichen Bestätigung wirksam werden.

KontopfändungsrechtDer Gesetzentwurf sieht vor, dass Verbrau-cher, deren Konto gepfändet ist, dieses für Überweisungen wie Miete und Strom weiter benutzen können. Damit würde die gängige Praxis der Banken gestoppt, gepfändete Konten gleich zu kündigen. Verbraucher müssten dann keine Kosten mehr für Barüberweisungen aufbringen.

FahrgastrechteDer Gesetzentwurf ist an wichtigen Stel-len anzupassen: Fahrgäste müssen bereits ab einer Verspätung von 30 Minu-ten 25 Prozent des Fahrpreises erstattet bekommen, ab 60 Minuten 50 Prozent. Zudem sollten Fahrgäste auf andere Züge ausweichen können, wenn ein Zug ver-spätet ist oder ausfällt. Ferner sollten Taxikosten übernommen werden, wenn der Fahrgast sonst über Nacht strandet. Außerdem müssen Unternehmen und Ver-braucherverbände ausgewogen an einem Schlichtungsverfahren beteiligt werden. Fo

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702.2009 | Verbraucherpolitische Korrespondenz National

Kein Stromsparer nirgends

Energieeffiziente Haushaltsgeräte sind im Einzelhandel Mangelware

Das Thema Energieeinsparung ist im Einzelhandel offenbar noch nicht ange-kommen. Dies ergab ein Markttest des Instituts für angewandte Verbraucher-forschung (IFAV) im Auftrag des Verbrau-cherzentrale Bundesverbands. Die EU will derweil die Energiekennzeichnung von Haushaltsgeräten neu regeln.

Die Ergebnisse des Markttest sind ernüch-ternd: Noch immer finden sich viel zu wenig Kühlschränke und Kühl-Gefrierkombinationen mit der besonders sparsa-men Energieklasse „A++“ im Sortiment. So trugen nur 9,3 Prozent der begut-achteten Kühl-Gefrierkom-binationen den Energie-hinweis der besten Klasse. Bei Wäschetrocknern der Klasse A waren es nur 14,6 Prozent. „Das schlechte Angebot bestätigt unsere Forderung nach gezielten Prämienprogrammen“, so Holger Krawinkel, Energie-

Der ADAC sicherte außerdem zu, den Ver-braucherzentrale Bundesverband bei sei-nem neuen Klimaprojekt zu unterstützen. Kooperationsmöglichkeiten bestehen ferner beim Verbraucherschutz: So hat der ADAC mit den führenden Betreibern von Online-Autobörsen einen Codex für den Fahrzeugkauf im Internet entwickelt, der Verbraucherzentrale Bundesverband einen Leitfaden für Qualitätsstandards im Kundendienst.

Gemeinsam für mehr Klimaschutz

Gerd Billen (vzbv) und Peter Meyer (ADAC) (rechts) wollen enger kooperieren.

experte im Verbraucherzentrale Bundes-verband. Produkten, bei denen Anga-ben zum Energieverbrauch freiwillig sind, fehlte diese Information mehrheitlich. So wiesen bei den Flachbildfernsehern weni-ger als die Hälfte (43,5 Prozent) der aus-gestellten Geräte den Energieverbrauch aus. Bei Notebooks fanden sich bei 23,6 Prozent der Geräte Hinweise dazu, unter anderem durch das Energy-Star-Label. Bei DVD-Rekordern scheint Ener-

gie dagegen überhaupt kein Thema zu sein: Nur bei 1,2 Prozent der ausgestell-ten Geräte gab es entspre-chende Informationen.

Energiekennzeich-nung sollte regelmäßig aktualisiert werden

Die Europäische Union berät derzeit über eine Neuregelung der Kenn-zeichnung des Energiever-brauchs von Haushaltsge-räten. Industrieverbände

Mehr Zusammenarbeit im Bereich Umwelt und Klimaschutz haben sich der ADAC und der Verbraucherzentrale Bundesver-band auf die Fahnen geschrieben. Bei einem Treffen Ende November loteten Vorstand Gerd Billen und ADAC-Präsident Peter Meyer inhaltliche Schnittstellen aus. Unter anderem setzen sich beide Organi-sationen dafür ein, die Besteuerung des KfZ-Verkehrs an ökologischen Kriterien zu orientieren.

und einige EU-Mitgliedstaaten wollen die bisherigen Klassen A–G durch eine nach oben offene Zahlenskala ersetzen. Der effizienteste Fernseher könnten dann beispielsweise Klasse 10 sein, der effizi-enteste Kühlschrank aber Klasse 7. „Das ist für Verbraucher komplett verwirrend“, kritisiert Krawinkel. Der Verbraucherzen-trale Bundesverband plädiert stattdes-sen für ein aktualisiertes A-G-Label. Bei diesem Modell würde in regelmäßigen Abständen neu definiert, welche Kriterien ein Gerät der höchsten Effizienzklasse A erfüllen muss. Ältere Produkte müssten dann jeweils herabgestuft werden.

Blauer Engel gibt Orientierung

Mit Beginn des neuen Jahres zeichnet das Umweltzeichen „Blauer Engel“ beson-ders energiesparende und klimafreund-liche Waren und Dienstleistungen aus. Zu den ersten Produktgruppen, die das bekannte Umweltzeichen ab 2009 tragen werden, sollen neben Kühlschränken und Waschmaschinen auch Fernsehgeräte und Espressomaschinen gehören.

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8 Verbraucherpolitische Korrespondenz | 02.2009Gastkommentar

Was Verbrauchern als Gesundheitsrisiko erscheint, schätzen Experten nicht immer als solches ein. Aus wissenschaftlicher Sicht beschreibt ein Risiko die Wahr-scheinlichkeit, dass ein Schaden eintritt. Dies ist maßgeblich von der Exposition abhängig, also dem Ausmaß, in dem ein Mensch einem Risiko ausgesetzt ist. An diesem Punkt geht die Wahrnehmung von Laien und Experten bisweilen ausein-ander: Bei Laien können „gefühlte Risi-ken“ entstehen, weil sie die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Risikoabschät-zung nicht oder falsch verstehen. Ist das der Fall, ist es den Experten offensichtlich nicht gelungen, ihre Arbeitsergebnisse klar, verständlich und trotzdem differen-ziert zu kommunizieren. So entstehen Ängste vor Risiken, die aus wissenschaft-licher Sicht sehr klein oder zu vernach-lässigen sind. Umgekehrt unterschätzen Laien aber auch Risiken, die von Experten als bedeutsam eingestuft werden.

Pestizidfreie Lebensmittel sind nichtautomatisch sicher

Ein Beispiel für die unterschiedliche Risikowahrnehmung von Laien und Fach-leuten im Bereich Lebensmittel ist das Thema Pflanzenschutzmittel-Rückstände: Das gefühlte Risiko ist bei deutschen Verbrauchern groß. Selbst wenn gesetz-liche Rückstandshöchstmengen einge-

halten werden, befürchten viele Men-schen gesundheitliche Schäden durch den Verzehr von Lebensmitteln mit Pflan-zenschutzmittel-Rückständen. Aus wis-senschaftlicher Sicht ist hingegen selbst bei sporadischen Überschreitungen der Höchstmengen kein gesundheitliches Risiko erkennbar. Konsequenterweise empfinden viele Verbraucher Lebensmit-tel aus pestizidfreiem Anbau als sicher. Ihnen ist bei ihrer Risikoeinschätzung aber nicht bekannt, dass beispielsweise beim Anbau von Getreide Schimmelpilz-gifte ins Korn gelangen können, wenn es nicht mit Fungiziden behandelt wird. Da Schimmelpilzgifte Krebs auslösen kön-nen, sind Getreideprodukte aus pestizid-freiem Anbau aus wissenschaftlicher Sicht also nicht automatisch ohne gesundheit-liche Risiken.

Die unterschiedliche Wahrnehmung von gesundheitlichen Risiken hat sich in den vergangenen Jahren als eine zentrale Her-ausforderung für die Risikokommunika-tion im gesundheitlichen Verbraucher-schutz herausgestellt. So sind Experten vor allem gefordert, den Blick der Verbrau-cher von den stofflichen Risiken, zu denen Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und Lebensmittelzusatzstoffe zählen, auch auf die mikrobiologischen Risiken zu lenken. Tatsächlich sind die größten Gesundheitsrisiken durch Lebensmittel

im wörtlichen Sinn „hausgemacht“. Mehr als 100.000 Infektionen mit den Lebens-mittelkeimen Campylobacter und Salmo-nellen werden jährlich deutschlandweit gemeldet – und nur ein kleiner Teil davon stammt aus Restaurants und Kantinen. Viele Lebensmittelinfektionen resultieren dagegen aus mangelnder Küchenhygiene im Privathaushalt. Während die meisten Verbraucher bei der Reinigung des Bade-zimmers ein hohes Hygienebewusstsein haben, schaffen sie Keimen in der Küche häufig – ohne es zu wissen – günstige Überlebens- und Wachstumsbedingun-gen auf Spülschwämmen oder im Kühl-schrank.

Verbraucher frühzeitig informieren

Risiken bewerten – Gesundheit schützen, das steht als Motto über der Arbeit des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Neben der wissenschaftlichen Bewertungsarbeit, deren Ergebnisse politischen Akteuren als Grundlage für Managemententscheidungen zum Wohle des Bürgers dienen, heißt gesundheit-licher Verbraucherschutz für das BfR auch: Verbraucher frühzeitig und umfas-send über mögliche Risiken informieren, damit sie ihr Verhalten ändern können. Das funktioniert nur, wenn Experten bei der Risikokommunikation die Wahrneh-mung der Verbraucher berücksichtigen.

Professor Dr. Dr. Andreas Hensel

ist Präsident des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) und deutscher Repräsen-tant im wissenschaftlichen Beirat der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA). Nach wissenschaftlichen Stationen an den Universitäten von Hannover, Utrecht und Wien war er von 1997 bis 2003 Professor für Tierhygiene und Tierseuchenbekämp-fung am Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der Universität Leipzig. Von dort wechselte der Veterinärmediziner und Hygieniker im Mai 2003 an die Spitze des im Jahre 2002 neu gegründeten BfR.

Risiken bewerten – Gesundheit schützen

Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des BfR

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902.2009 | Verbraucherpolitische Korrespondenz Europa

Die EU-Kommission hat ein Grünbuch veröffentlicht, um Verbrauchern die Durchsetzung ihrer Rechte zu erleich-tern. „Wenn Verbraucher durch über-höhte Preise, irreführende Werbung oder regelrechte Betrügereien geschä-digt werden, so haben sie Anspruch auf Schadensersatz“, erklärte dazu EU-Ver-braucherschutz-Kommissarin Meglena Kuneva. Bis zum 1. März 2009 können Interessensgruppen Stellungnahmen zum Umgang mit Massenbeschwerden von Verbrauchern einreichen.

Mit mehr als Tausend Verfahren jährlich versuchen die Verbraucherzentralen und ihr Bundesverband die Lücke zwischen Rechtsanspruch und ökonomischer Praxis zu schließen. Dabei kämpfen die Verbrau-cherschützer mit hohen Verfahrenskosten, der begrenzten Gültigkeit von Urteilen und unzureichenden Sanktionsmöglich-keiten. Mehrere Gerichtsentscheidun-gen gegen so genannte Kostenfallen im Internet haben gezeigt, dass erfolgreiche Urteile für betroffene Kunden meist ohne Folgen bleiben. Unseriöse Online-Anbie-ter locken durch versteckte Preisangaben Tausende Verbraucher in ein kostenpflich-tiges Abonnement. Die Unterlassungsur-teile bewirken jedoch nur, dass das ver-urteilte Unternehmen seine Werbung anpassen muss.

Zwar ist es theoretisch seit 2004 möglich unrechtmäßig erwirtschaftete Gewinne abzuschöpfen. Das gelingt jedoch nur, wenn der Kläger beweisen kann, dass die gesetzwidrigen Geschäftspraktiken und der Mehrerlös zusammenhängen. Außer-dem muss das Unternehmen vorsätzlich wettbewerbswidrig gehandelt haben. Dies zu beweisen, ist jedoch kaum möglich. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert deshalb, die rechtlichen Hürden herabzusetzen. „Unternehmen sollten Gewinne bereits dann zurückgeben müs-

sen, wenn sie grob fahrlässig gehandelt haben“, so Vorstand Gerd Billen.

Kunden werden kaum entschädigt

Auch ein erfolgreiches Unterlassungs-urteil gegen rechtswidrige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedeutet nicht, dass die Kunden ent-schädigt werden. Um ihre zivilrechtlichen Ansprüche geltend zu machen, müssten sie vielmehr in jedem einzelnen Fall vor Gericht ziehen. Da es sich jedoch häufig um geringfügige Summen handelt, wer-den nur wenige Verbraucher aktiv. „Die Gerichte sollten bei unwirksamen Klau-seln anordnen können, dass die Betroffenen zu entschädigen sind“, erklärt Helke Heide-mann-Peuser, Rechtsexpertin des Verbrau-cherzentrale Bundesver-bandes. Zwar können Verbrau-cherverbände seit 2002 mit einer Einzie-hungsklage Zahlungsan-sprüche

von mehreren Verbrauchern durchsetzen. In der Praxis ist das jedoch enorm auf-wändig: Mit jedem Betroffenen muss eine individuelle Vereinbarung getroffen und die Höhe der Forderung vor Gericht darge-legt und bewiesen werden.

Gerichte durch Musterverfahren entlasten

Ein pragmatisches Musterverfahren könnte Verbraucher wirksam entschä-digen, die Justiz entlasten und Kosten reduzieren. „Wir wollen, dass gleich gela-gerte Fälle vor Gericht gebündelt entschie-den werden“, so Heidemann-Peuser. Auf diese Weise ließe sich in einem einzi-

gen Verfahren für viele Verbrau-cher klären, ob eine Praktik

unwirksam oder ob eine Schadensersatzforderung grundsätzlich berechtigt ist.

Debatte über neue europäische Klagerechte

Schadensersatzansprüche kaum durchsetzbar

newseurope

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10 Verbraucherpolitische Korrespondenz | 02.2009Europa

Generika ausgebremst

Arzneimittel kosten zuviel

Die EU-Kommission will die Richtlinie über Elektronikabfälle und gefährliche Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten überar-beiten und verbessern. Gemäß dieser Richtlinie, die in Deutschland 2006 umgesetzt worden ist, kön-nen Verbraucher ihre Elektroaltge-räte kostenlos bei den Kommunen abgeben. Ziel ist es, Abfallmenge und Schadstoffe zu verringern und das Wiederverwenden von Abfällen zu för-dern.

Bisher muss jedes Mitgliedsland pro Ein-

Elektronikabfälle EU-weit besser entsorgen

Kontowechsel leicht gemacht?

Die europäischen Banken wollen sich ab 1. November 2009 an neue Grundsätze beim Kontowechsel ihrer Kunden hal-ten. In einer Selbstverpflichtung legten sie jetzt fest, dass die neue Bank künf-tig alles Nötige mit dem alten Geldinsti-tut regelt. Dies betrifft unter anderem wie-derkehrende Zahlungen des Kunden, wie Einzugsermächtigungen oder Dauerauf-träge. Die neue Bank hilft dem Kunden außerdem, sein altes Konto zu schließen und den Überschuss auf das neue Konto zu überweisen. Für Standardinformatio-nen und Unterstützung bei der Abwick-lung darf die alte Bank dem Kunden keine Gebühren berechnen.

Banken nehmen sich selbst in die Pflicht

„Damit der Wettbewerb im Finanzmarkt funktioniert, müssen Verbraucher ihre Bank unkompliziert wechseln können“, sagt Frank-Christian Pauli vom Verbrau-cherzentrale Bundesverband. Gerade beim Konto ist das aufwendig und Ver-träge erschweren diesen Schritt zusätz-lich. Die EU hat daher von den Banken gefordert, einen Wechsel zu erleichtern. Die Kommission erwartet, dass der Kon-towechsel für Kunden in der Regel kosten-los durchgeführt wird. Viele Verbraucher haben allerdings ein viel grundsätzliche-res Problem: Sie müssen überhaupt erst ein Konto eröffnen können. Jedem das Recht auf ein Konto einzuräumen, hatten sich die Banken bereits 1996 selbst ver-pflichtet. Bisher ohne Folgen.

Die EU-Kommission hat festgestellt, dass Pharmahersteller von Originalpräpara-ten die Markteinführung konkurrierender Arzneimittel behindern. Sie ließ Arznei-mittel in 17 Mitgliedstaaten untersuchen,

für die der Patentschutz zwischen 2000 und 2007 auslief.

So reichen Pharmaherstel-ler von Originalpräpara-ten beispielsweise meh-rere Patente für ein und dasselbe Arzneimittel ein. Auch gehen sie regelmäßig gerichtlich gegen Hersteller von

Generika wegen Patentstreitigkei-ten vor. Die Unter-

nehmen versuchen in die Entscheidun-

gen nationaler Behör-den einzugreifen und nutzen

Patente strategisch, um die For-schung der Wettbewerber zu blockieren. Ohne die Manöver der Hersteller von Ori-ginalpräparaten hätten rund drei Milliar-den Euro bei den Arzneimittelausgaben eingespart werden können.

Bereits 2004 hatte der Bericht einer von der Weltgesundheitsbehörde (WHO) beauftragten internationalen Kommis-sion die negativen Folgen von Patenten für den Zugang zu Medikamenten in Ent-wicklungsländern kritisiert. Die Experten kamen zu dem Ergebnis, dass Patente nur dann Wirkkraft und Entwicklung von Arz-neimitteln fördern, wenn es Unternehmen gibt, die über Forschungsmittel und Kapa-zitäten verfügen und miteinander konkur-rieren. Außerdem müssen die Kunden die zeitweise erhöhten Monopolpreise patentgeschützter Medikamente tragen können. Beides ist in den Entwicklungs-ländern nicht der Fall.

wohner vier Kilogramm Elektroschrott sammeln. Diese Quote hat sich als unbrauchbar erwiesen, da die Menge

gekaufter Elektrogeräte in den Mit-gliedsländern sehr

unterschiedlich ist. Darum schlägt die Kommission nun vor, die Schrott-menge anders fest-zulegen. Künftig sol-len die Länder 65 Prozent des Durch-schnittsgewichts der in den beiden letz-ten Jahren verkauften Geräte sammeln müs-sen. Ferner ist geplant, auch medizinische Geräte und Kontroll-

instrumente in die Richt-linie mit aufzunehmen.

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1102.2009 | Verbraucherpolitische Korrespondenz Mitglieder im Portrait

60 Jahre Engagement für gesellschaftliche Teilhabe

Migrantinnen, Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Generationengerech-tigkeit – das sind die Themen des Deut-schen Frauenringes (DFR). 1949 als über-parteilicher und überkonfessioneller Frauenverband gegründet, unterstützt die Organisation Frauen darin, an der demokratischen Ordnung teilzuhaben.

Heute sind es auch Migrantinnen, die von der Kompetenz und Erfahrung des

Frauenrings profitieren. 2007 organi-sierte der Verband ein Fachseminar zum Thema Migration, Integration und Partizi-pation. Die verabschiedeten politischen Forderungen trafen bei den verantwort-lichen Politikerinnen und Politikern auf großes Interesse. Ein Jahr später beteilig-ten sich die Aktivistinnen an einer weite-ren, von der Bundeszentrale für politische Bildung initiierten Fachtagung. Unter dem Titel „Wir – Frauen in Deutschland“ zeigte die Veranstaltung die Lebenssituation inländischer und ausländischer Frauen auf und bot zahlreichen Fraueninitiativen die Gelegenheit, sich untereinander ken-nenzulernen, Erfahrungen auszutauschen und sich untereinander zu vernetzen. Die Tagung präsentierte das Potential von Frauen, insbesondere solcher mit Migra-

tionshintergrund. Nach Ansicht der Initia-torinnen wird dieses Potential bislang für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland nicht ausrei-chend genutzt. Die Veranstaltung wollte dazu beitragen, dass Frauen mit Migra-tionshintergrund einen besseren Zugang zu Bildung und Erwerbsarbeit bekom-men und stärker an Gesellschaft und Poli-tik teilhaben können. Um deren Mitwir-kungsmöglichkeiten zu entwickeln, sind

spezielle gesellschaftspolitische Bildung-sangebote für Migrantinnen erforderlich.

Engagement gegen Sexismus in Beruf und Alltag

Auch in der Gleichstellungspolitik ist eine starke Frauenlobby gefragt. Denn noch längst sind nicht alle Ziele erreicht. Vor allem im Berufsleben sind Frauen benachteiligt. Europäische Vergleiche zei-gen nach wie vor beachtliche Lohnunter-schiede bei gleichwertiger Arbeit. Ein Hin-dernis ist auch die „gläserne Decke“, an die Frauen stoßen, wenn sie in Führungs-positionen aufsteigen wollen. Außerdem wirken traditionelle Geschlechtsstereo-type in Medien und Werbung neuen Rol-lenmodellen und Lebensentwürfen ent-

gegen. Deshalb hat sich der Deutsche Frauenring erstmals an der Alternativ-berichterstattung zum 6. Regierungsbe-richt zum UN-Übereinkommen zur Besei-tigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) beteiligt. Darin fordert der Verband, sexistische Werbung mehr und mehr abzubauen. Den Bericht wird der Deutsche Frauenring vor dem UN-Aus-schuss in Genf mit vorstellen.

Politisches Lobbying in Berlin

Nicht zuletzt ist der Verband auch im Ver-braucherschutz aktiv. Zusammen mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und den Verbraucherzentralen bie-tet er seinen Mitgliedern auf Landesebene Seminare an. Themen sind unter anderem nachhaltige Energieversorgung, innova-tive Wohn- und Hilfsangeboten für ältere Menschen sowie Gesundheit. Wegen der größeren räumlichen Nähe zu politischen Akteuren, Nichtregierungsorganisationen und anderen Verbänden, zog der Deut-sche Frauenring vor knapp zwei Jahren nach Berlin. Von den damit verbundenen neuen Möglichkeiten, sich zu vernetzen und zusammenzuarbeiten, verspricht sich die Interessensvertretung von Frauen grö-ßeres Gewicht.

Deutscher Frauenring will sich im Jubiläumsjahr erneuern und professionalisieren

Deutscher Frauenring

Leiterin der Bundesgeschäftsstelle: Dr. Elisabeth BotschBrandenburgische Str. 2210707 Berlin Tel. (030) 88 71 84 93Fax (030) 88 71 84 94E-Mail: [email protected]

Der DFR besteht aus 84 Ortsringen, die 14 Landesverbänden angeschlossen sind.Er organisiert rund 8.000 Frauen.

www.d-fr.de

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12 Verbraucherpolitische Korrespondenz | 02.2009vzbv Intern

Das Klimateam im Bundesverband

Nika Greger leitet das Klimateam im Verbraucherzentrale Bundesverband. Zuvor war sie für den Bundesvorstand der Grünen und die Heinrich Böll Stiftung in Washington tätig. Die Politikwissenschaftler Benjamin Raschke und Katharina Istel arbeiten zum Projekt-schwerpunkt Mobilität, die Umweltpsychologin Julia Balz zum Thema Ernährung.

Julia Scheiber, die Wirtschaftspädagogik in Innsbruck studierte, betreut für das Klima-team ein Verbrauchermonitoring. Juristin Katja Mrowka prüft Anzeigen von Unterneh-men, die mit Klimaschutz-Argumenten werben. Die Nachrichtenredakteurin Christina Denz übernimmt den Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Online-Redakteurin Jutta Starke ist zuständig für das Internetportal des Klimateams.

Die Abwicklung der Finanzen obliegt Werner Mauder. Bibliothekar Tasso Stumpe und die Auszubildende Vanessa Schulz unterstützen das Team als Sachbearbeiter. Ute Friedrichs-Ehlers arbeitet als Assistentin von Nika Greger und zum 1. April ergänzt Sach-bearbeiterin Dagmar Kersten das Klimateam Berlin.

Neues Netzwerk für ein besseres Klima

kehrsclub Deutschland (VCD), German-watch, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenverbände (BAGSO) und der VerbraucherService im Katholischen Deut-schen Frauenbund. Mit den Verbraucher-zentralen und dem Bundesverband bil-den sie ein einzigartiges Netzwerk für den Klimaschutz im privaten Umfeld.

Klimaschutz spart Geld

„Erstmals werden in einem Projekt die Ver-braucher gezielt über Klimaschutzmaß-nahmen informiert und bei der Umsetzung unterstützt“, sagt Projektleiterin Nika Gre-ger. Sie ist überzeugt: „Wir müssen die Verbraucher stärken, damit sie einen Bei-trag zum weltweiten Klimaschutz leisten können.“ Denn die privaten Haushalte in Deutschland verursachen allein im direk-ten Verbrauch durch Heizen, Warmwas-ser, elektrische Geräte und den motori-sierten Individualverkehr rund ein Drittel der energiebedingten Kohlendioxid(CO2)-Emissionen. Um das Ziel der Bundesre-gierung zu unterstützen, den Ausstoß an

Treibhausgasen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, müssen alle an einem Strang ziehen. „Deshalb wollen wir aufklären, auch darüber, dass Klimaschutz daheim Geld sparen hilft“, so Greger.

Durch Informationen und Beratung sollen bis Ende 2010 die Bürger soweit erreicht werden, dass sich drei bis vier Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen lassen.

Alternativen zum Auto aufzeigen

Ein Schwerpunkt des Projekts ist der Bereich Mobilität und damit der private Autoverkehr. Denn ausgerechnet in dem Themenfeld, in dem die CO2-Einsparchan-cen besonders groß sind, mangelt es an direkter Verbraucheransprache. Deshalb will das Klimateam auf die tatsächlichen Kosten eines Privatwagens hinweisen und Alternativen zum Autoverkehr aufzeigen, mit Tipps für verkehrssichere Radstrecken oder mit der Untersuchung von Car-Sha-ring-Konzepten. Zudem ist geplant, Initi-ativen zu unterstützen, die den öffentli-chen Verkehr verbessern wollen.

Ein zweiter Projektschwerpunkt ist die Ernährung. Dabei geht es vor allem darum aufzuklären, wie sich die Essgewohnhei-ten der Verbraucher auf das Weltklima auswirken. Ein Beispiel: Der hohe Fleisch-konsum in Deutschland führt zur Massen-tierhaltung; 2006 waren knapp 13 Millio-nen Rinder in Deutschland registriert. Die Wiederkäuer stoßen große Mengen des Treibhausgases Methan aus. Darüber hin-aus werden in Entwicklungsländern Wäl-der abgeholzt, um billig Futtermittel für den europäischen Markt zu produzie-ren. „Solche Entwicklungen lassen sich begrenzen, wenn die Verbraucher auf Lebensmittel setzen, die aus der Region stammen und biologisch angebaut sind“, sagt Greger.

Das Projektteam des Verbraucherzentrale Bundesverbands formiert sich

Nach kurzem Anlauf ist das neue Klima-team des Verbraucherzentrale Bundes-verbands fast komplett. Über 50 Mitar-beiter in den Verbraucherzentralen der Länder und im Bundesverband werden mit Aktionen, Kampagnen und einem eigenen Internetportal für mehr Klima-schutz bei den Verbrauchern werben.

Das vom Bundesumweltministerium finan-zierte Projekt ist zunächst bis Dezember 2010 bewilligt. Beteiligt sind daran auch der Deutsche Mieterbund (DMB), der Ver-

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Schlechte Umweltbilanz: Rinder stoßen große Mengen Treibhausgas aus

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1302.2009 | Verbraucherpolitische Korrespondenz vzbv Intern

zung und Akzeptanz der Verbraucherzent-rale NRW bei Ratsuchenden begründeten.

Ob als Anwalt und Berater der Verbrau-cher, ob als Lobbyist für Verbraucher-interessen oder als Taktiker, der jedes Jahr aufs Neue um die freiwilligen Leistun-gen der Zuwendungsgeber ringen musste

– Dr. Schaffartzik wusste sich stets mit Elan, Beharrlichkeit und Überzeugungs-kraft durchzusetzen. Mit persönlichem Engagement und einem beeindrucken-den Fachwissen hat er der Verbraucher-zentrale NRW und dem Verbraucherschutz zu hohem Ansehen verholfen. Sein gesell-schaftliches Engagement blieb auch im Ruhestand ungebremst. Der Verbraucher-zentrale NRW bleibt Dr. Schaffartzik als Vorstand des Fördervereins weiter eng verbunden.

Orden für Vollblut-Verbraucherschützer

tete von 1979 bis 2006 die Verbraucherzentrale NRW. Unter seiner Ver-antwortung entwickelte sich die größte Verbrau-cherzentrale des Landes zu einem modernen und leistungsstarken Dienst-leister für die Bürger. Anbieterunabhängigkeit und Neutralität der Ver-braucherorganisationen waren für ihn gelebtes Programm: Auch in finan-ziell schwierigen Zeiten hat er stets ein wach-

sames Auge darauf gehabt, dass diese Paradigmen keinen Schaden nahmen. Für den Vollblut-Verbraucherschützer waren es die Garanten, die die hohe Wertschät-

Das Projektteam des Verbraucherzentrale Bundesverbands formiert sich

Immer wieder verderben Meldungen über Schadstoffe in Obst und Gemüse den Ver-brauchern den Appetit. Die Verunsiche-rung wird durch widersprüchliche Dar-stellungen weiter angefacht. Sachliche und kompetente Aufklärung bieten die Verbraucherzentralen nun mit der Inter-netplattform www.pestizidwissen.de.

Das vom Bundesministerium für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Verbraucher-schutz geförderte Portal vermittelt fundierte Informationen über Pflanzen-schutzmittel und Rückstände in Obst und Gemüse. Dazu werden unter anderem Einschätzungen der Stiftung Warentest und des Bundesinstituts für Risikobewer-tung miteinbezogen. Aktuelle Statisti-ken und ein ausführliches Glossar run-den das Angebot ab. Die Bandbreite der

Wissen, was drin steckt

Online-Portal informiert über Rückstände in Lebensmitteln

aufbereiteten Themen reicht vom Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft bis hin zu den gesundheitlichen Auswirkun-gen beim Verzehr. Rechtliche Grundlagen des Pflanzenschutzes werden ebenso dar-gestellt wie die Arbeit der Lebensmittel-überwachungsbehörden.

Das Kernstück des Online-Angebots ist die Rubrik „Rückstände“. Dort findet man, welche Produkte wie häufig und aus wel-chen Gründen belastet sind. So erhal-ten die Nutzer nicht nur Antworten auf alle Fragen, die ihnen zum Thema Pesti-zide unter den Nägeln brennen, sondern bekommen auch Empfehlungen für das eigene Verhalten an die Hand. Mehr Wis-sen über Pestizide hilft die richtigen Ent-scheidungen zu treffen und sich gesund-heitsbewusst zu ernähren.

www.pestizidwissen.de

Für seine Verdienste um die Verbraucher-arbeit wurde Dr. Karl-Heinz Schaffartzik am 21.11.2008 mit dem Bundesverdienst-kreuz geehrt. Der studierte Volkswirt lei-

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Staatssekretärin Ursula Heinen verleiht Dr. Karl Heinz Schaffartzik das Verdienstkreuz am Bande.

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14 Verbraucherpolitische Korrespondenz | 02.2009Meinungen

Hiermit abonniere ich zum nächstmög- lichen Zeitpunkt die Druckausgabe der vpk. Die jährliche Kostenpauschale beträgt inklusive aller Gebühren 36 Euro. Die Rechnungsstellung für das Abonnement erfolgt im 3. Quartal des laufenden Jahres. Eine Kündigung ist mit einer Frist von zwei Monaten zum Jahresende möglich.

Bitte senden Sie mir gegen ein Entgelt in Höhe von sieben Euro folgende Ausgabe der vpk:Monat/Jahr Nummer

Meine Bezugsdaten/Meine aktualisierte Adresse:

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Bestellformular Verbraucherpolitische Korrespondenz (vpk)

Fax: (030) 258 00-522Mail Vertrieb: vzbv-vertrieb @ vzbv.de · Mail Redaktion: vzbv-redaktion @ vzbv.de

Lidl muss zahlenErstmals muss ein Unternehmen durch unlautere Werbung erwirtschaftete Gewinne zurückzahlen. Weil Lidl mit einem veralteten Testurteil der Stiftung Warentest für eine Matratze geworben hatte, muss die Firma 25.000 Euro erstat-ten. Vorausgegangen war eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes auf Gewinnabschöpfung, die nun mit einem Vergleich vor dem Landgericht Heilbronn endete. Das Geld geht in vol-ler Höhe an das Bundesamt für Justiz. Der

Vorstand des Verbraucherzentrale Bun-desverbandes, Gerd Billen, überreichte deshalb symbolisch einen Scheck an Bun-desjustizministerin Zypries. Die Verbrau-cherschützer gehen davon aus, dass der Discounter bis zu 400.000 Euro zusätzlich verdient hat. Um das Prozesskostenrisiko zu begrenzen, hatten sie den Streitwert jedoch auf eine vergleichsweise niedrige Summe begrenzt. LG Heilbronn, Az. 23 O 136/05; OLG Stuttgart, Az. 2 U 58/06

Druck auf Unternehmen bewirkt nichtsDie Energie-Preise sind weiter kräftig angestiegen. Wir sind eine fünfköpfige Familie und haben auch in umweltscho-nende Stromheizung und Solartechnik investiert. Trotzdem sind die Preise beim Tagstrom von den Stadtwerken Bretten von 2004 bis 2009 um 41 Prozent (inkl. drei Prozent MWSt-Plus) angestiegen. Mit der Erhöhung der Tarife für das neue Jahr, müssen wir überlegen, auf Angespartes zurückzugreifen, Anschaffungen zurück-zustellen oder bei den Kindern zu sparen. Die Entwicklung macht mir große Sorgen, denn die Einkommen sind real gefallen. WER setzt sich endlich für Bürger und Ver-

braucher ein? Wenn ich abends am hell erleuchteten EnBW- Hauptverwaltungs-gebäude vorbeifahre, weiß ich, wo unser Geld versenkt worden ist.Wolfgang Rauschert, E-Mail vom 3. No-vember 2008

DatenklauBei der Landesbank Berlin sind Daten von hoher Sensibilität ausgespäht und abhanden gekommen. Ein telefonischer Kontakt zur LBB ist nicht möglich. Weder machen die Seiten der Bank im Internet über das Geschehen eine Aussage, noch gibt es eine telefonische Ansage. Auch bei der BAFIN erfährt man nichts dazu.

Es ist erschreckend wie Bankfachleute mit dem Geld von Kunden umgehen. Soll man sich da noch über den weltweiten Finanzskandal wundern?Siegfried Günther, E-Mail vom 14. Dezem-ber 2008

Content Services LtdContent Services Ltd. lockt internet user auf ihre homepage und verschickt dann eine Vertragsrechnung über ein Jahr. Man kann diese Firma nicht anschreiben und auch nicht telefonisch erreichen. Ein zwei-wöchiges Widerrufsrecht gibt es nicht. Dirk Wagner, E-Mail vom 30. Dezember 2008

Meilensteine

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1502.2009 | Verbraucherpolitische Korrespondenz Fragebogen

Zwölf Fragen an ...

... Jean Pütz, Wissenschaftsjournalist

1. Wenn Sie das Wort Verbraucherschutz hören, woran denken Sie zuerst?An die vielen Menschen, die sich nicht so leicht wie ich Informationen für ihren Konsum beschaffen können. Deshalb war es stets mein Anliegen vor allem Hinter-grundwissen zu vermitteln, das den Ver-braucher nicht völlig abhängig von der übermächtigen Werbung macht.

2. Welche Erfolge im Verbraucherschutz fallen Ihnen spontan ein?Dass es organisierte Verbraucherschutz-verbände gibt, die möglichst objektive und allgemein zugängliche Informationen bieten. Dabei schätze ich ganz besonders die „Stiftung Warentest.“

3. Wo sind Sie beim Lebensmitteleinkauf am ehesten anzutreffen: im Tante-Emma-Laden, im Discounter, im Biomarkt, im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt?Ich habe keine direkten Vorlieben, suche bei Obst und Gemüse besonders die Fri-sche, egal welcher Laden sie mir bietet. Dabei bin ich kein Bioladen-Fetischist, sehe aber die ökologische Bedeutung die-ses Vertriebsweges und nehme ihn daher öfters wahr. Fleisch kaufe ich meist beim Metzger und nicht im Discounter. Trotz-dem schätze ich Aldi als Wettbewerbsfak-tor, weil der dafür sorgt, dass sich auch kleine Leute zu erschwinglichen Preisen einigermaßen gesund ernähren können.

4. Was essen und was trinken Sie am liebsten?Ich habe bereits vor mehr als 15 Jah-ren die segensreiche und immunstär-kende Wirkung des probiotischen Jogurts erkannt, sozusagen vorwissenschaftlich. Selbstgemachter Magerjoghurt gehört zu meinem Frühstück unweigerlich dazu. Getränke: Selbst verdünnte frische Obst-säfte, Mineralwasser Medium, auch aus dem Wasserhahn, Wein und Bier, in gerin-gem Maße Höherprozentiges und Liköre.

5. Was ist Ihnen bei der Auswahl eines Produktes (von A wie Auto bis Z wie Zahn-bürste) wichtig? Vielleicht nennen Sie ein konkretes Beispiel.Beim Auto: Sicherheit und seit 30 Jah-ren keinen Privatwagen mit einem Kraft-stoffverbrauch über sieben Liter. So fahre ich seit fast zehn Jahren eines der ersten Drei-Literautos, einen Smart. Elektrische Energie in großem Stil in Wärme umzuset-zen, halte ich für einen Frevel. In meinem Sechs-Familienhaus in Köln besteht die Heizung daher aus einem Kleinheizkraft-werk.

6. Wo liegen Ihre Stärken als Verbrau-cher?Ich bin als Überzeugungstäter energie-bewusst, kaufe nie etwas aus Prestige-gründen, bin preis- und qualitätsbewusst und weiß was ich will.

7. Wo liegen Ihre Schwächen als Verbrau-cher?Habe selten Zeit, mich ausreichend zu informieren. 8. Was ärgert Sie als Verbraucher am meisten?Die Qualität der meisten Hotlines ist un-ter aller Sau. Gleiches gilt für den Online-zugang zur Deutschen Bahn, insbeson-dere für Leute, die den Umgang mit dem Computer und Internet nicht in der Schule gelernt haben. Auch die meisten Bedie-nungsanleitungen für schwierig erklärbare Güter sind eine Katastrophe. Als Ärgernis empfinde ich ebenfalls, dass Firmen, die Telefondienste Call by Call anbieten, nicht gezwungen werden, den Preis des Tarifs vor dem Gespräch anzugeben.

9. Wie müsste ein Unternehmen ausse-hen, das beispielhaft auf die Wünsche der Konsumenten eingeht?Den Verbraucher nicht als „Melkkuh“ ansehen, nachhaltige Produkte in jeder

Hinsicht anbieten und auf Ramsch ver-zichten.

10. Glauben Sie, dass Sie mit Ihrem Kon-sumverhalten etwas Positives bewirken und Politik beeinflussen können?Ja, vor allem früher, und heute durch ver-brauchernahe Veröffentlichungen

11. Ist Konsum für Sie heute eher eine Last oder auch Vergnügen? Man kann nicht sagen, dass er mir gestei-gerte Lust bereitet aber durchaus manch-mal Vergnügen – auch weil ich gelegent-lich streitbar bin und mich nicht gerne vorführen lasse.

12. Wie lautet Ihr persönliches Motto als Verbraucher?Ich schätze das kölsche Grundgesetz („jede Jeck ist anders“, „watt fott es, es fott“, „et hätt noch emmer joot jejange“). Und: „Sei auf der Hut – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist wichtig.“

Jean Pütz wurde am 21.09.1936 geboren und wuchs in Luxemburg auf. Nach vielfältigen Ausbildungen zum Nachrichten-Ingenieur, Volkswirt und Lehrer für Mathematik und Phy-sik kam er 1970 zum WDR. Dort leitete er die Redaktion Naturwissenschaft und Technik und entwickelte unter anderem die erfolgrei-che Sendereihe Hobbythek, die 30 Jahre im Programm war. Mit seinen Sendungen machte er die Wissenschaft des Alltags für ein breites Publikum verständlich. Die von ihm geschrie-benen oder herausgegebenen rund 80 Bücher erreichten eine Gesamtauflage von über sechs Millionen Exemplaren. Seit 2001 ist Pütz im

„aktiven Ruhestand“: er engagiert sich ehren-amtlich und tritt als Experte im Fernsehen auf. Jean Pütz lebt vorwiegend in Köln und ist Vater von zwei Kindern.

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: WDR

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16 Service

Bestellmöglichkeiten: Aktuelle Informationen und Pressetexte zu über 70 Ratgebern finden Sie auf der vzbv-Website unter www.ratgeber.vzbv.de. Zu beziehen sind die Ratgeber über: Versandservice vzbv, Heinrich-Sommer-Straße 13, 59939 Olsberg, Tel. (029 62) 908 647, Fax 908 649, Mail [email protected] oder im Internet-Shop unter www.ratgeber.vzbv.de.

Einkaufsführer für MuslimeAuf den Verpackungen von Lebensmit-teln fehlen häufig Hinweise, die für Mus-lime wichtig sind, etwa eine Erläuterung zu Zusatzstoffen, die von Schlachttieren stammen. Der Ratgeber informiert über wesentliche Kennzeichnungsvorschriften für Lebensmittel und gesunde Ernährung. Dabei erläutern umfangreiche Produktlis-ten, welche Produkte beispielsweise kei-nen Alkohol enthalten.Ratgeber, 4 Auflage 2009, 156 Seiten, 7,40 € inklusive Versandkosten, erhält-lich bei allen Verbraucherzentralen. www.verbraucherzentrale.de

Wie sicher ist mein Geld?Kostenlose Broschüre zum Thema Geld: Informationen für Verbraucher nach der Finanzmarktkrise. Erhältlich in allen Verbraucherzentralen.

Krankenversicherungen – was gilt ab Januar 2009Kostenlose Broschüre mit Informatio-nen zu allen Regelungen zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung, die ab Januar 2009 gelten.Erhältlich in allen Verbraucherzentralen.

22./23. Februar in BerlinWirtschaftspolitische Herausforderungen des demografischen WandelsDas Symposium präsentiert neueste For-schungserkenntnisse.Veranstalter: Bundesministerium für Wirt-schaft und Technologiewww.bmwi.de

15. MärzWeltverbrauchertagDen Weltverbrauchertag 2009 begleiten die Verbraucherzentralen und der Bun-desverband mit Aktionen zum Thema

„Stärkung der Finanzkompetenz von Kin-dern und Jugendlichen“. www.verbraucherzentrale.de

26. März in BerlinVerbraucherrechte und Angebote in der Altenpflege Eine Informationsveranstaltung rund um die Pflege-Charta.Veranstalter: Verbraucherzentrale Bundesverband u. a.www.vzbv.de

21./22. April in HannoverWorld Energy Dialogue 2009 im Rahmen der Hannover MesseFragestellungen rund um die Gewährleis-tung einer sicheren Energieversorgung stehen im Zentrum der Veranstaltung.Veranstalter: Deutsche Energie-Agenturwww.dena.de

12. Mai in Berlin2. Deutscher VerbrauchertagUnter dem Motto „Verbraucherkom-petenzen von Familien stärken“ veran-staltet der Verbraucherzentrale Bun-desverband zusammen mit seinen Mitgliedsorganisationen den 2. Deut-schen Verbrauchertag.Veranstalter: Verbraucherzentrale Bundesverbandwww.vzbv.de

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