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„Fußballmarketing zwischen Tradition und Moderne“ Wie etabliere und stärke ich einen Fußballclub als Marke in einer der schnelllebigsten Branchen – der Sportwelt? Dies ist eine der Fragen, mit denen sich Dr. Bernhard Heusler, Präsident und Mitglied des Verwaltungsrates des FC Ba- sel, nahezu täglich beschäftigt. Der Jurist erklärt, wie sich die Sportwelt im Laufe der Zeit wandelt und welche Einflussgrößen im heutigen Fußballmarketing von Bedeutung sind. Das Interview führten Andreas Hess, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand, und Thomas Kochanek, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand der Forschungsstelle für Customer Insights (FCI) an der Universität St. Gallen. 6 Marketing Review St. Gallen 2 | 2014 Schwerpunkt | Interview

„Fußballmarketing zwischen Tradition und Moderne“

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Page 1: „Fußballmarketing zwischen Tradition und Moderne“

„Fußballmarketing zwischen Tradition und Moderne“Wie etabliere und stärke ich einen Fußballclub als Marke in einer der schnelllebigsten Branchen – der Sportwelt? Dies ist eine der Fragen, mit denen sich Dr. Bernhard Heusler, Präsident und Mitglied des Verwaltungsrates des FC Ba-sel, nahezu täglich beschäftigt. Der Jurist erklärt, wie sich die Sportwelt im Laufe der Zeit wandelt und welche Einflussgrößen im heutigen Fußballmarketing von Bedeutung sind.

Das Interview führten Andreas Hess, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand, und Thomas Kochanek, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand der Forschungsstelle für Customer Insights (FCI) an der Universität St. Gallen.

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Dr. Bernhard HeuslerAls promovierter Jurist und Wirtschafts-anwalt mit Studium an den Universi-täten Basel und Davis (CA) ist Bernhard Heusler im Jahr 2000 in die Partner-schaft der Kanzlei WENGER PLATT-NER (Basel, Bern, Zürich) eingetreten. Seit 2003 widmet sich Bernhard Heusler zunehmend dem FC Basel 1893. An-fänglich zugezogen als juristischer Bera-ter des Vorstandes, wurde er im Jahre 2006 zum Vizepräsidenten des FCB ge-wählt und übernahm 2009 als Delegier-ter des Verwaltungsrates die Verantwor-tung für das operative Geschäft. Seit Be-ginn des Jahres 2012 ist er Präsident des Fussballclubs, der rund 200 Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter beschäftigt und einen Umsatz von ca. 80 Millionen Schweizer Franken generiert.

Herr Heusler, wie kann die Marke eines Fußballclubs aufge-baut und gestärkt werden?Bernhard Heusler: Es ist schwierig, den Aufbau einer Marke im Fußball nach unternehmerischen Gesichtspunkten zu pla-nen. Beispiele hierfür sind so genannte Werksclubs oder Kon-zerne, die sich einen Fußballclub als Abteilung und/oder „Marketing-Instrument“ leisten.

Welche Rolle spielen Rituale, Traditionen und Mythen zur Bildung einer Fußballmarke?Tradition (Bestehen des Vereins) und vor allem die sportli-chen Erfolge – also primär Emotionen – spielen eine zentra-le Rolle bei der Bildung einer Marke im sportlichen Umfeld. Diese werden während mehrerer Jahrzehnte definiert. Es stellt sich also die Frage, wie lange es grundsätzlich braucht (Zeit) und wie viele Erfolge (Meisterschaften, Pokalsiege) erzielt werden müssen, bis ein Verein zu einer Marke bzw. als solche empfunden wird.

Wie lange hält sich ein solches Markenbild?

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass einzelne Ver-eine, die seit vielen Jahren nicht mehr in der höchsten Spiel-klasse eines Landes spielen, immer noch als Marke wahrge-nommen werden. Für alle Vereine – unabhängig ob sie als „emotionale“ Marke eingestuft werden oder nicht – aber gilt: Eine konsequente Verwendung und Verwaltung der Marke (Wort- und Bildmarke) sind genauso bedeutend wie für ein „normales“ Unternehmen und spielen im Bereich der Ver-marktung, primär Sponsoring, Merchandising und Lizenzen, eine zentrale Rolle.

Wie kann ein Umfeld geschaffen werden, in dem sich alle Mitarbeiter (aus Sportbetrieb und Administration) wichtig fühlen, um dann gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten?Im Fußballclub, wie auch in anderen Unternehmen, ist eine Kultur des grundsätzlichen Vertrauens zu schaffen. Auf dem Fundament des Vertrauens aufbauend haben die Führungs-verantwortlichen im Fußballclub die Aufgabe, im ganzen Un-ternehmen eine Kultur der vertrauensbasierten Kooperation zu kreieren, wahrzunehmen.

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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich wichtig und sind bereit, ihre Leistungen im Dienste des Unterneh-mens zu erbringen, wenn sie sich respektiert fühlen und Raum vorfinden, ihre Selbstverantwortung wahrzunehmen. Um Neid, Missgunst und andere bremsende Effekte für das Unternehmen sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter zu vermeiden, sind die Führungsverantwortlichen als Vor-bilder in der Pflicht, die Interessen des Clubs über ihre eige-nen Interessen zu stellen.

Was bedeutet das für die Führung eines Clubs genau?Die Führungsverantwortlichen müssen den Mut entwickeln, im Interesse des Ganzen wesentliche Entscheidungen zu fäl-len, auch wenn dadurch Enttäuschungen entstehen. Letztlich sind sie auch aufgefordert, „aus dem Weg zu gehen“. Das heißt, Aufgaben an die richtigen Personen zu delegieren und die De-legation nicht durch Einmischen wieder faktisch auszuhebeln.

Wie können Mitarbeiter emotional an den Verein gebun-den werden? Eine Bindung zum Verein (oder zum Unternehmen) entsteht immer dann, wenn sich Mitarbeiter mit den im Unternehmen gelebten Werten, der Kultur und der Führung des Unterneh-mens identifizieren können. Identifikation entsteht aber nur dann, wenn sich die Mitarbeiter in diesem Unternehmen re-spektiert sehen.

Wie kann die Vereinsführung dies unterstützen?Es ist die Pflicht der Führung aller Ebenen (in der Administ-ration und im Sportbetrieb), die ihnen untergebenen Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter emotional abzuholen. Eine für den Verein (das Unternehmen) wertvolle Bindung entsteht dann, wenn die Mitarbeiter das Bewusstsein eines „Engage-ments“ entwickeln. Nur wenn diese als „freiwillig“ empfun-dene Überzeugung, sich in den Dienst des Ganzen zu stellen, kreiert werden kann, sind die Mitarbeiter bereit, über die rei-ne Pflichterfüllung hinauszugehen und für das Fortkommen des Unternehmens, aber auch des Teams, dem sie angehören, entscheidende Beiträge zu leisten.

Wie können Mitarbeiter zum Vereinsbild in der Öffentlich-keit beitragen? Im Fußball-Unternehmen tragen selbstverständlich die Mit-glieder der ersten Mannschaft wesentlich zum Image bzw. Vereinsbild in der Öffentlichkeit bei. Ihre Arbeitsleistung, die sie in sehr transparenter Weise auch in der Öffentlichkeit er-

bringen, bildet hierfür den objektiven Maßstab. Dabei geht es nicht nur in erster Linie um das Erringen von Siegen im Fuß-ballspiel, sondern eben auch um das Bild, das durch den Auf-tritt der Spieler auf dem Platz projiziert wird.

Im Weiteren stehen heute die Mitglieder der ersten Mann-schaft mit ihrem Verhalten außerhalb des Platzes auch im Fo-kus der Öffentlichkeit. Dessen müssen sich die Berufsfußball-spieler absolut bewusst sein. Insofern sind sie Botschafter des Vereins, wenn sie sich im Auto auf dem Arbeitsweg befinden, wenn sie abends ausgehen oder sich in so genannten „Social Networks“ präsentieren.

Wie können Teammitglieder zu Stars gemacht werden bzw. reifen, aber gleichzeitig vor Negativschlagzeilen, Neid und Missgunst innerhalb des Teams und einem möglichen „Ab-heben“ geschützt werden?Teammitglieder werden in erster Linie zu Stars durch ihre Leistungen auf dem Spielfeld und durch ihr Verhalten auf und neben dem Platz. Gerade in Zeiten, in denen die hohe Ent-lohnung der Berufsfußballspieler ein ständiges Thema ist, wird die Qualität des „Stars“ nicht mehr allein aufgrund sei-ner Leistungen auf dem Feld bestimmt. In den Augen der Fans ist auch wichtig, wie sich der Spieler ihnen gegenüber und in seinem privaten Umfeld verhält.

Welche Rolle spielt der Trainer dabei?Es ist in erster Linie die Aufgabe der Führungsperson des Teams, also des Trainers, die Gruppe so zu führen, dass kein Neid und Missgunst entstehen. Er muss den Mut haben, die Gruppe als Ganzes anzusprechen, dabei aber auch das einzel-ne Teammitglied in seiner Individualität abzuholen. Wenn er hingegen führt, indem er Einzelne vor der Gruppe bloßstellt oder die Gruppe für das Verhalten Einzelner in kollektive Ver-antwortung nimmt, säht er Neid, Missgunst und dient vor al-lem auch als Alibi für teaminterne Streitigkeiten und „Under-performance“.

Wie können Teammitglieder im Sinne des Vereins vermark-tet werden?Teammitglieder lassen sich im Sinne des Vereins vermarkten, wenn sie glaubwürdige Träger der Werte und der Philosophie des Vereins sind. Wenn sie hingegen als reine „Söldner“ er-scheinen, lassen sie sich zwar individuell, nicht aber für den Verein vermarkten.

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Bei aller Individualitätsförderung, wie können Vereinsziele dennoch erreicht werden?Wenn das Team nach der oben dargestellten Philosophie und den Führungsgrundsätzen glaubwürdig geführt wird, steht die Förderung der individuellen Fähigkeiten des Einzelnen, also die Individualitätsförderung, nicht im Widerspruch zu den Zielen des Teams. Die Stärke des Teams besteht eben da-rin, dass jedes Individuum seine Leistung optimiert, ohne da-bei das Engagement für die Gruppe zu vergessen. Egoismen sind zwar nicht zu fördern, sind aber auch nicht zu unterdrü-cken, sofern sie dem Kollektiv nutzen.

Es ist die Aufgabe des Trainers, durch ständiges und nahes Führen der Gruppe den Spagat zwischen der Förderung der Belassung der Individualität des Einzelnen auf der einen Sei-te und der Förderung der Gruppe des Kollektivs zur Errei-chung der Ziele auf der anderen Seite zu tätigen.

Wie wird eine Fan-Community (sowohl innerhalb des Ver-eins – Stichwort: Mitarbeiter werden zu Fans – als auch die traditionellen Fans) gebildet?

Der Aufbau einer „Fan-Community“ hängt von verschiede-nen Faktoren ab. Den sportlichen Erfolg und die Attraktivität der Marke vorausgesetzt, bedarf es primär eines Customer Re-lationship Managements und personeller Ressourcen, um eine solche „Community“ professionell zu verwalten. Dass da-bei sämtliche Möglichkeiten, die im Zeitalter von „Big Data“ und der damit verbundenen, digitalen „Evolution“ heute und auch zukünftig zur Verfügung stehen müssen und im Sinne des Vereins und des Konsumenten (Fans) ausgeschöpft wer-den sollten, liegt auf der Hand. Es ist Aufgabe des Vereins, vor-sichtig abzuschätzen, welcher Content der „Community“ kos-tenlos – quasi im Sinne einer „Grundversorgung“ – zur Ver-fügung gestellt wird und welche Inhalte im Member-Bereich gegen Bezahlung erworben werden können.

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Festschrift zum 60.Geburtstag von Christian Belz

Sven Reinecke / Emil Annen / Otto Belz / Michael Betz / Michael Reinhold / Christian Schmitz / Marcus Schögel / Torsten Tomczak / Dirk Zupancic

Marketing-Kaleidoskop Akzente und Suchfelder für ein realitätsorientiertes Marketing

Was bedeutet Marketing für mich? Welcher zentrale Lernprozess im Marketing bestätigt sich immer wieder? Was stört mich, wenn ich die heutige Marketingszene betrachte? Wo sehe ich destruktive Pro-zesse? Welcher inhaltliche Marke tingakzent sollte in Zukunft verstärkt werden? Was wird meiner Meinung nach in Zukunft für die Marke-tingwissenschaft und -praxis wichtig sein?

Diese und weitere Fragen beantworten 60 Weggefährten von Christian Belz aus Wissenschaft und Praxis in dieser Festschrift zu seinem 60. Geburtstag. Die vielfältigen Antworten regen zum Nachdenken und manchmal auch zum Schmunzeln an. Wie bei einem Kaleidoskop kommt dadurch das faszinierende (Farb-)Spektrum des Marketing zum Ausdruck, das unterschiedliche Perspektiven ermöglicht und immer individuell-subjektiv durch den Erfahrungshintergrund der jeweiligen Autoren interpretiert, vertieft und akzentuiert wird.

St.Gallen: Thexis 2013, 242 Seiten, gebunden, ISBN 3-905819-22-9, CHF 54.– /EUR 37.– (zzgl. Versand)

www.thexis.ch