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Gemeinsam löst sichʼs leichter DIE KOLLEGIALE BERATUNG Ergotherapeuten stoßen mitunter an professionelle Grenzen. Zum Beispiel, wenn der angestrebte Therapieerfolg ausbleibt, Unstimmigkeiten mit Klienten auftreten oder es zu Konflikten mit anderen Berufsgruppen kommt. Mit der Kollegialen Beratung können sie im Team gemeinsam Probleme reflektieren und Lösungsansätze entwickeln. P robleme bringen uns weiter. Solche Grenzsituationen oder „Treshold Con- cepts“ sind mit einer Türschwelle vergleich- bar, die richtig genutzt neue Denk- und Sichtweisen eröffnen können. Ergotherapie- studenten erleben in ihrer praktischen Ausbildung viele solcher Lernschwellen [1]. Dabei schätzen sie die persönliche Unterstützung durch Gleichgestellte, soge- nannte „Peers“, als wichtig ein, um sich weiterentwickeln zu können [2]. Auch erfahrene Ergotherapeuten möchten sich mit Kollegen über berufsbezogene Prob- leme austauschen, wie eine quali tative Studie von Thelma Sumsion und Raphael Lencucha zeigt [3]. Aus Sicht der Befragten sollte man in einem gut funktionierenden Team Probleme ansprechen können, bevor man eine Lösung gefunden hat. Das Bedürfnis nach kollegialem Aus- tausch spielt also eine wichtige Rolle, wenn es um die professionelle (Weiter-) Entwicklung von Ergotherapeuten geht. Hier setzt die Kollegiale Beratung an. Sie eignet sich sowohl in der Ausbildung als auch in einem professionellen Team dazu, konkrete Probleme aus dem Berufsalltag zu entschlüsseln. Indem sich die Gruppen- mitglieder über berufsbezogene Fragen austauschen, können sie ihre professionel- len Kompetenzen erweitern und ihre Clinical-Reasoning-Strategien optimieren [4, 5]. Zudem unterstützt das Beratungs- verfahren Therapeuten darin, abstrakte Konzepte oder Forschungsergebnisse anhand konkreter Fallbeispiele auf den Praxisalltag zu übertragen [6]. Lernprozesse selbst organisieren > Ein Blick in die Literatur verrät, dass der Begriff „Kollegiale Beratung“ nicht konkur- renzlos ist. Im deutschsprachigen Raum finden sich Synonyme wie „Kollegiale Supervision“, „Kollegiale Praxisberatung“ oder „Intervision“, während man im eng- lischsprachigen Raum von „peer consulta- tion“, „peer group supervision“ und „peer counselling“ spricht. Auch existieren unterschiedliche Konzepte zur Kollegialen Beratung, die sich allerdings in einem Punkt ähneln: Sie beschreiben ein per- sonenorientiertes Beratungsverfahren, das im Gruppensetting stattfindet. Dabei bera- ten sich die Teilnehmer wechselseitig, 34 ergopraxis 5/12 Foto: S. Gritsch Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.

G emeinsam löst sichʼs leic hter - thieme.de · Casting Welche Fälle liegen vor? Wer übernimmt welche Rolle? Die Teilnehmer benennen ihre Anliegen und nehmen verschiedene Rollen

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Gemeinsam löst sichʼs leichterDie Kollegiale beratung Ergotherapeuten stoßen mitunter an professionelle Grenzen. Zum Beispiel, wenn der angestrebte Therapie erfolg ausbleibt, Unstimmigkeiten mit Klienten auftreten oder es zu Konflikten mit anderen Berufsgruppen kommt. Mit der Kollegialen Beratung können sie im Team gemeinsam Probleme reflektieren und Lösungsansätze entwickeln.

P robleme bringen uns weiter. Solche Grenzsituationen oder „Treshold Con-

cepts“ sind mit einer Türschwelle vergleich-bar, die richtig genutzt neue Denk- und Sichtweisen eröffnen können. Ergotherapie-studenten erleben in ihrer praktischen Ausbildung viele solcher Lernschwellen [1]. Dabei schätzen sie die persönliche Unterstützung durch Gleichgestellte, soge-nannte „Peers“, als wichtig ein, um sich weiterentwickeln zu können [2]. Auch erfahrene Ergotherapeuten möchten sich mit Kollegen über berufsbezogene Prob-leme austauschen, wie eine quali tative Studie von Thelma Sumsion und Raphael Lencucha zeigt [3]. Aus Sicht der Befragten sollte man in einem gut funktionierenden Team Probleme ansprechen können, bevor man eine Lösung gefunden hat.

Das Bedürfnis nach kollegialem Aus-tausch spielt also eine wichtige Rolle, wenn es um die professionelle (Weiter-)Entwicklung von Ergotherapeuten geht. Hier setzt die Kollegiale Beratung an. Sie eignet sich sowohl in der Ausbildung als auch in einem professionellen Team dazu, konkrete Probleme aus dem Berufsalltag zu entschlüsseln. Indem sich die Gruppen-mitglieder über berufsbezogene Fragen austauschen, können sie ihre professionel-len Kompetenzen erweitern und ihre Clinical-Reasoning-Strategien optimieren [4, 5]. Zudem unterstützt das Beratungs-verfahren Therapeuten darin, abstrakte Konzepte oder Forschungsergebnisse anhand konkreter Fallbeispiele auf den Praxisalltag zu übertragen [6].

Lernprozesse selbst organisieren > Ein Blick in die Literatur verrät, dass der Begriff „Kollegiale Beratung“ nicht konkur-renzlos ist. Im deutschsprachigen Raum finden sich Synonyme wie „Kollegiale Supervision“, „Kollegiale Praxisberatung“ oder „Intervision“, während man im eng-lischsprachigen Raum von „peer consulta-tion“, „peer group supervision“ und „peer counselling“ spricht. Auch existieren unterschiedliche Konzepte zur Kollegialen Beratung, die sich allerdings in einem Punkt ähneln: Sie beschreiben ein per-sonenorientiertes Beratungsverfahren, das im Gruppensetting stattfindet. Dabei bera-ten sich die Teilnehmer wechselseitig,

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indem sie systematisch und ergebnis-orientiert konkrete Fälle aus ihrem Berufs-alltag reflektieren. Der Vorteil dieser Bera-tungsform: Sie erfordert keine Fachleute, die ihr Expertenwissen vermitteln. Der Ratsuchende gilt vielmehr selbst als Experte seiner speziellen Problem- oder Frage-stellung. Er erhält gezielt Unterstützung von seinen Kollegen, um eigene Lösungen zu finden [7]. Die Kollegiale Beratung stellt damit eine Form des selbstorganisierten Lernens dar. In sozialen und pädagogischen Arbeitsfeldern bereits weit verbreitet, etabliert sie sich zunehmend auch in der Führungskräfteentwicklung [7, 9].

Der hier vorgestellte Leitfaden geht auf den Organisationspsychologen Dr. Kim-Oliver Tietze zurück. Er bietet den Teilneh-mern eine klare Struktur, um sich reflexiv mit ihrer beruflichen Rolle auseinander-zusetzen, fallbezogene Problemlösungen zu entwickeln und ihre Beratungskompe-tenzen zu erweitern. Das Verfahren eignet sich für ein großes Spektrum an Problem-stellungen. So kann der Ratsuchende zum Beispiel Konflikte mit Mitarbeitern und Klienten thematisieren oder gestörte Arbeitsabläufe reflektieren. Allerdings sollte sich der behandelte Fall auf einen konkreten beruflichen Anlass beziehen und den Ratsuchenden vor ein ungelöstes Problem stellen, das die anderen Gruppen-mitglieder nicht direkt betrifft [10].

Lösungen strukturiert entwickeln > Die Kollegiale Beratung findet in einer Gruppe statt, die sich aus fünf bis zehn Teilnehmern

Phase Leitfragen Wer übernimmt welche Aufgabe?

Casting Welche Fälle liegen vor? Wer übernimmt welche Rolle?

Die Teilnehmer benennen ihre Anliegen und nehmen verschiedene Rollen ein.

Spontanerzählung Worum geht es? Wie stellt sich die Situation für den Fallerzähler dar?

Der Fallerzähler berichtet und erhält Unterstützung vom Moderator. Anschließend können die Berater Fragen stellen.

Schlüsselfrage Welchen Klärungswunsch hat der Fallerzähler? Fallerzähler, Berater und Moderator suchen gemeinsam nach der geeigneten Schlüsselfrage.

Methodenwahl Welche Beratungsmethode wählt die Gruppe? Der Moderator leitet die Auswahl, Fallerzähler und Berater machen Vorschläge.

Beratung Was gibt die Gruppe dem Fallerzähler bezüg-lich seiner Schlüsselfrage mit?

Die Berater machen Vorschläge gemäß der gewählten Methode. Der Moderator regt Beiträge an und fasst diese zusammen, ggf. protokolliert ein Sekretär.

Abschluss Was nimmt der Fallerzähler aus der Kollegialen Beratung mit?

Der Fallerzähler zieht Bilanz und bedankt sich. Die Gruppe gibt dem Moderator ein Feedback, ggf. schildert der Prozessbeobachter seine Eindrücke.

Tab. 1 Phasen der Kollegialen Beratung [10]

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MethodenwahlAbschluss

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Spontanerzählung

Beratung

Die Kollegiale Beratung umfasst sechs Phasen und verfolgt einen straffen Zeitplan. Innerhalb von 35 bis 45 Minuten geht die Gruppe einem konkreten Fall aus der Berufspraxis auf den Grund (a Tab. 1).

ZusatZinfos

Einführungsseminare erleichtern den praktischen Einstieg in die Kollegiale Beratung. Sie vermitteln die Regeln und Kompetenzen, die man benötigt, um selbst eine Beratungsgruppe aufzu-bauen.

Unter www.kollegiale-beratung.de informiert Dr. Kim-Oliver Tietze über sein Seminarangebot. Spezielle Fortbildungen für Lehrende bietet auch die Universität Bielefeld unter www.uni-bielefeld.de an.

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zustellen und wichtige Informationen und Einzelheiten zu vermitteln. Während des Berichts unterstützt ihn der Moderator durch gezielte Fragen. Am Ende der Spon-tanerzählung können auch die Berater Fra-gen stellen.

Die Fallerzählerin aus dem Beispiel arbeitet als Ergotherapeutin in einer psy-chosomatischen Rehabilitationsklinik und beschreibt folgendes Problem: Ein Klient mit Erschöpfungssyndrom verspätet sich jedes Mal erheblich zur Einzeltherapie, die bisher zweimal stattgefunden hat. Statt den Therapieraum aufzusuchen, hält er sich zum Termin entweder in seinem Zim-mer oder im Klinikpark auf. Eine Pflegerin sucht ihn und überredet ihn so lange, bis er sie zum Therapieraum begleitet. Durch die erhebliche Verspätung konnte bislang kein angemessenes Erstgespräch mit Ziel-formulierung stattfinden. Diese Situation bringt die Ergotherapeutin in einen Kon-flikt mit ihrer beruflichen Rolle, die eine systematische und klientenzentrierte Vor-gehensweise vorsieht.

Phase 3: Schlüsselfrage > Fallerzähler, Berater und Moderator überlegen nun gemeinsam, wie die Schlüs-selfrage für die vorgestellte

Problemstellung lauten könnte. Diese beinhaltet das wesentliche Thema und drückt den Klärungswunsch und die Klä-rungsrichtung aus. Wichtig ist dabei, dass der Fallerzähler mit der Schlüsselfrage übereinstimmt und die Berater diese nach-vollziehen können. Nach circa fünf Minu-ten sollte eine geeignete Fragestellung fest-stehen.

Für ihr konkretes Problem wählt die vorgestellte Fallerzählerin folgende Schlüs-selfrage aus: „Wie kann ich den Klienten dazu anregen, das ergotherapeutische Angebot bereitwillig für seine eigenen Handlungsziele und -wünsche zu nutzen?“

Phase 4: Methodenwahl > In dieser fünfminütigen Phase entscheidet sich die Gruppe für eine Beratungs-

methode (a Tab. 2). Je nach Schlüsselfrage kann sie lösungsorientiert und anteilnehmend sein oder auf einen

Methode Ziel Beratungsfokus Leitfrage

Brainstorming Lösungsideen sammeln

lösungsorientiert Was könnte man in einer solchen Situation alles tun?

Kopfstand-Brainstorming

Ideen entgegen der Schlüsselfrage entwickeln

lösungsorientiert Wie könnte der Fallerzähler die Situation verschlimmern?

erster kleiner Schritt

Lösungsanfang finden lösungsorientiert und strukturierend

Was könnte der nächste kleine Schritt für den Fallerzähler sein?

Resonanz-runde

Feedback zur Spontan erzählung

anteilnehmend Welche Reaktionen löst die Fall-erzählung in mir aus?

Sharing Fall auf eigene Erleb-nisse beziehen

anteilnehmend An welche Erfahrungen erinnert mich die Falldarstellung?

Actstorming Mögliche Aussagen sammeln

lösungsorientiert Wie könnte der Fallerzähler sein Anliegen in einem Gespräch formulieren?

offene Fragen unbeantwortete und ungestellte Fragen sammeln

Perspektive verändernd, strukturierend

Welche Fragen könnte sich der Fallerzähler noch stellen?

umdeuten beschriebenes Verhal-ten positiv deuten

Perspektive verändernd

Wie könnte man die Ereignisse positiv verstehen?

Tab. 2 Mögliche Beratungsmethoden

zusammensetzt. Die Gruppenmitglieder sollten in einem vergleichbaren Kontext arbeiten, um die Probleme der anderen nachvollziehen zu können. Der Beratungs-prozess durchläuft sechs Phasen und ver-folgt einen straffen Zeitplan, der 35 bis 45 Minuten umfasst (a Tab. 1, S. 35) [10].

Phase 1: Casting > Inner-halb von fünf Minuten ent-scheiden die Teilnehmer, wer in der aktuellen Sit-zung welche Rolle über-

nimmt. Zur Auswahl stehen ein Moderator, ein Fallerzähler und mehrere Berater. Der Moderator leitet durch die Sitzung und achtet darauf, dass sich die Gruppe an die vorgegebenen Regeln hält. Der Fallerzähler stellt den anderen Gruppenmitgliedern sein konkretes Problem vor. Die Berater entwickeln verschiedene Ideen und Gedanken, um den Fallerzähler in seiner Lösungsfindung zu unterstützen. Neben diesen Hauptrollen können einzelne Teil-nehmer auch Nebenrollen übernehmen. So besteht die Möglichkeit, dass ein Berater gleichzeitig als Sekretär fungiert und alle Beiträge dokumentiert. Wahlweise bietet sich auch ein Prozessbeobachter an, der

sonst keine weitere Funktion einnimmt. Er beobachtet den Beratungsprozess und gibt der Gruppe am Ende ein Feedback. Bei jeder neuen Sitzung wechseln die Rollen wieder, sodass jeder Teilnehmer sowohl beraten als auch Rat suchen kann.

Ein Beispiel: Eine Gruppe setzt sich aus sechs Ergotherapeuten zusammen, die in unterschiedlichen Einrichtungen arbeiten und berufsbegleitend studieren. Die Teil-nehmer haben die Kollegiale Beratung in ihrem Studium kennengelernt und möch-ten sie nun ausprobieren. Im Casting ver-teilen sie zunächst die Rollen untereinan-der. Demnach führt ein Moderator durch die aktuelle Sitzung, während eine Fall-erzählerin ihr Problem vorstellt und drei Gruppenmitglieder beraten. Einer der Berater übernimmt zusätzlich die Rolle des Sekretärs und hält alle Beiträge schrift-lich fest. Außerdem ernennt die Gruppe eine Prozessbeobachterin. Deren abschlie-ßendes Feedback soll dazu beitragen, die Beratungsqualität zu verbessern.

Phase 2: Spontanerzäh lung > Innerhalb von fünf bis zehn Minuten versucht der Fall-erzähler, sein Problem dar-

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Florence Kranz, Ergo-therapeutin BcOT und freie Autorin, hat die Kollegiale Beratung in ihrem der-zeitigen Masterstudium „Gesundheitsmanagement“ an der Universität Koblenz-Landau kennen und anwenden gelernt.

Perspektivenwechsel abzielen. Um eine geeignete Methode zu finden, schlagen die Berater verschiedene Möglichkeiten vor und stimmen diese mit dem Fallerzähler ab.

Die Beratungsgruppe aus dem Beispiel entscheidet sich für das „Brainstorming“. Diese zielt darauf ab, mögliche Lösungs-ideen für die Fallerzählerin zu sammeln und folgt der Leitfrage: Was könnte man in einer solchen Situation tun? Das Brainstor-ming eignet sich besonders für ungeübte Gruppen, da sie allgemein bekannt ist und keine speziellen Vorkenntnisse erfordert.

Phase 5: Die Beratung > Die eigentliche Beratung um-fasst etwa zehn Minuten. Zunächst stellt der Mode-rator die Regeln der ausge-

wählten Methode vor. Anschließend tra-gen die Berater ihre Ideen, Gedanken oder Vorschläge zusammen. Der Moderator fasst einzelne Äußerungen zusammen, regt zu weiteren Beiträgen an und weist die Gruppe gegebenenfalls auf Regelverlet-zungen hin.

In unserem Beispiel erklärt der Mode-rator die Regeln des Brainstormings. Dem-nach haben die Berater die Aufgabe, mög-lichst viele Ideen zu sammeln. Sie können Gedanken anderer Gruppenmitglieder auf-greifen und weiterentwickeln, dürfen aber keine Kritik an formulierten Ideen üben. Die Ideen fallen sehr unterschiedlich aus und reichen von „die Therapie in Abspra-che mit dem Behandlungsteam erst später fortsetzen“ über „einen Therapievertrag mit dem Klienten abschließen“ bis hin zu „ihn durch Anschauungsmaterial neugierig machen“. Eine Beraterin schlägt außerdem vor, dass die Therapeutin den Klienten beim nächsten Termin selbst im Zimmer oder Park aufsuchen und eine positive Beziehung herstellen sollte. Ein anderer Berater greift die Idee auf und ergänzt: „In dieser selbst gewählten Umgebung könnte die Therapeutin den Klienten vielleicht eher dazu anregen, über seine Handlungs-bedürfnisse und -wünsche zu sprechen“.

Phase 6: Der Abschluss > Zuerst zieht der Fallerzähler eine Bilanz und meldet der Gruppe zurück, welche Ideen er als hilf-reich empfindet. Danach erhält der Mode-

rator von der Gruppe ein Feedback. Gegebenenfalls schildert nun auch der Pro-zessbeobachter, wie er den Prozess wahrgenommen

hat und wo er Verbesserungsmöglichkeiten sieht. Ingesamt stehen etwa fünf Minuten für diese Phase zur Verfügung.

Die Fallerzählerin aus dem Beispiel begrüßt den Vorschlag, den Klienten bei einer erneuten Verspätung selbst aufzu-suchen und außerhalb des gewohnten Therapiesettings zunächst einen positiven Kontakt herzustellen. Sie erhofft sich, auf diese Weise eine Vertrauensbasis zu schaf-fen und erste Informationen über die Handlungsbedürfnisse des Klienten zu erfahren. Die Gruppenmitglieder melden dem Moderator zurück, dass er den Grup-penprozess wertschätzend und empa-thisch geleitet hat. Die Prozessbeobachte-rin rät dem Moderator, die Zeitvorgaben für die einzelnen Phasen zukünftig konse-quenter einzuhalten. Am Ende der Sitzung vereinbaren die Teilnehmer einen Termin für ihr nächstes Treffen.

Vom Austausch profitieren > Sich gegen-seitig ermutigen, neue Sichtweisen ent-decken und Ressourcen freisetzen: Seit ihren Anfängen in den 1950er Jahren sagt man der Kollegialen Beratung viele posi-tive Eigenschaften nach [8]. Wie dieses Beratungsverfahren tatsächlich wirkt, hat Dr. Kim-Oliver Tietze in einer kontrollier-ten Interventionsstudie mit (Nachwuchs-)Führungskräften eines Finanzunterneh-mens untersucht. Sein Fazit: Die Kollegiale Beratung vermindert berufliche Beanspru-chungen und steigert die Problemlöse-fähigkeit der Teilnehmer [7]. Weitere Stu-dien mit unterschiedlichen Berufsgruppen kommen zu ähnlichen Ergebnissen [7, 11, 12, 13]. Demnach hilft der kollegiale Aus-tausch dabei, berufsbezogene Probleme konstruktiv anzugehen und sich dadurch weiterzuentwickeln. Getreu dem Motto: Nicht gegen den Sturm kämpfen, sondern mit ihm tanzen. Florence Kranz

Das Literaturverzeichnis finden Sie unter www.thieme-connect.de/ejournals/toc/ergopraxis > „Ausgabe 5/12“.

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