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Gasstromung im Ubergangsbereich W. Jitschin Die beiden vorigen Folgen des Vakuumlexikons befaBten sich mit der Gasstromung im molekularen Bereich (kleiner Druck) und im viskosen Bereich (hoher Druck). Im dazwischenliegenden Ubergangsbereich liegt Knudsen-Stromung vor. Im folgenden werden die Leitwerte kreisformiger Rohre und Blenden in diesem Bereich behandelt. Knudsenza hl Das Kriterium fur das Vorliegen einer bestimmten Stromungsart ist die mittle- re freie Weglange ?' der Gasrnolekule verglichen rnit den geometrischen Ab- messungen des durchstromten Bauteils, die durch eine charakteristischeLange d gekennzeichnet werden. Zur quantitati- ven Beschreibung wird haufig die di- rnensionslose Knudsenzahl Kn einge- Mhrt: Die verwendeten Syrnbole sind in Tab. 1 erklart. Das Produkt 7 . p ist abhangig von der Gasart und der Temperatur, aber nicht vom Druck. Der letzteAusdruck der obigen Formel ergibt sich dadurch, daD nach der Chapman-Enskog-Theorie gilt: l? . p = 4/5 . C * q (Naherung mit Fehler kleiner als einige Prozent). Zahlenwerte fur verschiedene Gase bei 20 "C finden sich im Vakuumlexikon Heft 1/1993. Die Knudsenzahl Kn erlaubt eine ein- - Tab. 1: Bezeichnungen I I d I C CO P1 P2 - P e E Rohrdurchmesser Rohrlange Leitwert eines Bauteils Leitwert bei Molekularstromung Druck an der EinlaRseite DNck an der Auslai3seite mittlerer Druck = ?/z . (pt + p2) mittlere freie Weglange der Molekiile mittlere thermische Geschwindigkeit der Molekule (Z - 464 &%fur Luft bei 20°C) dynamische Viskositat (18,2 . mbar . s fur LufI bei 20 "C, 1 bar) fache Skalierung des Stromungsverhal- tens beirn Ubergang von einer Stro- rnungsart zu einer anderen. Bei Uber- nahrne von Formeln aus der Literatur ist die jeweilige Definition von Kn zu beach- ten. Irn Fall eines zylindersyrnrnetrischen Bauteils wird rneist fur die charakteristi- sche Lange der Durchmesser, gelegent- lich jedoch der Radius des kreisformigen Querschnitts genommen. Ferner be- rechnen einige Autoren die mittlere freie Weglange beim Druck pl an der EinlaB- seite, andere beim mittleren Druck p. Der Klarheit wegen wird im folgenden die Knudsenzahlirnmer mit jeweiliger Defini- tion angegeben. Leitwert einer dunnen Blende Der Leitwert einer dunnen Kreisblende (Blendendicke 4 Lochdurchmesser) ist ein interessanter Grenzfall. Im molekularen Bereich (gekennzeich- net durch Index 0) betragt ihr Leitwert Im viskosen Bereich ist der Blendenleit- wert abhangig vom Verhaltnis der Druk- ke auf AuslaO- und EinlaOseite. Halt man den EinlaOdruck p1 konstant, so nimrnt der Leitwert mit steigendem AuslaO- druck p2 monoton zu: ist also p2 4 pl, so hat der Leitwert den kleinstenWert. Wird der AuslaOdruck erhoht bis zur Hohe des EinlaOdruckes, so wird der Leitwert gro- Oer und strebt schlieOlich proportional zu (1 - p2/p1)-1/2 gegen unendlich (der pV- DurchfluO strebt naturlich gegen Null). Betrachtet man den Fall vernachlas- sigbaren AuslaOdrucks (p2 e pl), so nimmt der Blendenleitwert als Funktion des EinlaBdrucks monoton vom Grenz- wert CO bei Molekularstromung bis zurn I .6 CIDI) C. - I .4 1.2 1 .o 10-1 I I0 10' I d Kn G) 030 -_ \ Abb. 1: Abhangigkeit des Leitwerts einer dunnen Kreisblende (I = '/so d) vom Druck (durch inverse Knudsenzahlskaliert). Es ist p2 4 pl. Die Datenpunkte wurden von H. Hufnagel (FH GieBen) fur Luf? bei Zimmerternperatur gemessen, die Kurve ist eine freie-Hand-Ausgleichskurve. 32 Vakuum in der Praxis (1994) Nr. 1 S. 32-33 0 VCH Verlagsgesellschafl mbH. D-69451 Weinheim, 1994 0934-9758/94/0102-0032/$5.00 + .25/0

Gasströmung im Übergangsbereich

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Page 1: Gasströmung im Übergangsbereich

Gasstromung im Ubergangsbereich W. Jitschin

Die beiden vorigen Folgen des Vakuumlexikons befaBten sich mit der Gasstromung im molekularen Bereich (kleiner Druck) und im viskosen Bereich (hoher Druck). Im

dazwischenliegenden Ubergangsbereich liegt Knudsen-Stromung vor. Im folgenden werden die Leitwerte kreisformiger Rohre und Blenden in diesem Bereich behandelt.

Knudsenza hl

Das Kriterium fur das Vorliegen einer bestimmten Stromungsart ist die mittle- re freie Weglange ?' der Gasrnolekule verglichen rnit den geometrischen Ab- messungen des durchstromten Bauteils, die durch eine charakteristische Lange d gekennzeichnet werden. Zur quantitati- ven Beschreibung wird haufig die di- rnensionslose Knudsenzahl Kn einge- Mhrt:

Die verwendeten Syrnbole sind in Tab. 1 erklart. Das Produkt 7 . p ist abhangig von der Gasart und der Temperatur, aber nicht vom Druck. Der letzte Ausdruck der obigen Formel ergibt sich dadurch, daD nach der Chapman-Enskog-Theorie gilt: l? . p = 4/5 . C * q (Naherung mit Fehler kleiner als einige Prozent). Zahlenwerte fur verschiedene Gase bei 20 "C finden sich im Vakuumlexikon Heft 1/1993.

Die Knudsenzahl Kn erlaubt eine ein-

-

Tab. 1: Bezeichnungen I I

d I C CO P1 P2 - P e E

Rohrdurchmesser Rohrlange Leitwert eines Bauteils Leitwert bei Molekularstromung Druck an der EinlaRseite DNck an der Auslai3seite mittlerer Druck = ?/z . (pt + p2) mittlere freie Weglange der Molekiile mittlere thermische Geschwindigkeit der Molekule (Z - 464 &%fur Luft bei 20°C) dynamische Viskositat (18,2 . mbar . s fur LufI bei 20 "C, 1 bar)

fache Skalierung des Stromungsverhal- tens beirn Ubergang von einer Stro- rnungsart zu einer anderen. Bei Uber- nahrne von Formeln aus der Literatur ist die jeweilige Definition von Kn zu beach- ten. Irn Fall eines zylindersyrnrnetrischen Bauteils wird rneist fur die charakteristi- sche Lange der Durchmesser, gelegent- lich jedoch der Radius des kreisformigen Querschnitts genommen. Ferner be- rechnen einige Autoren die mittlere freie Weglange beim Druck pl an der EinlaB- seite, andere beim mittleren Druck p. Der Klarheit wegen wird im folgenden die Knudsenzahl irnmer mit jeweiliger Defini- tion angegeben.

Leitwert einer dunnen Blende

Der Leitwert einer dunnen Kreisblende (Blendendicke 4 Lochdurchmesser) ist ein interessanter Grenzfall.

Im molekularen Bereich (gekennzeich- net durch Index 0) betragt ihr Leitwert

Im viskosen Bereich ist der Blendenleit- wert abhangig vom Verhaltnis der Druk- ke auf AuslaO- und EinlaOseite. Halt man den EinlaOdruck p1 konstant, so nimrnt der Leitwert mit steigendem AuslaO- druck p2 monoton zu: ist also p2 4 pl, so hat der Leitwert den kleinsten Wert. Wird der AuslaOdruck erhoht bis zur Hohe des EinlaOdruckes, so wird der Leitwert gro- Oer und strebt schlieOlich proportional zu (1 - p2/p1)-1/2 gegen unendlich (der pV- DurchfluO strebt naturlich gegen Null).

Betrachtet man den Fall vernachlas- sigbaren AuslaOdrucks (p2 e pl), so nimmt der Blendenleitwert als Funktion des EinlaBdrucks monoton vom Grenz- wert CO bei Molekularstromung bis zurn

I .6

CIDI) C. -

I . 4

1 . 2

1 .o

10-1 I I 0 10' I d

Kn G)

030

-_ \

Abb. 1: Abhangigkeit des Leitwerts einer dunnen Kreisblende (I = '/so d) vom Druck (durch inverse Knudsenzahl skaliert). Es ist p2 4 pl. Die Datenpunkte wurden von H. Hufnagel (FH GieBen) fur Luf? bei Zimmerternperatur gemessen, die Kurve ist eine freie-Hand-Ausgleichskurve.

32 Vakuum in der Praxis (1994) Nr. 1 S. 32-33 0 VCH Verlagsgesellschafl mbH. D-69451 Weinheim, 1994 0934-9758/94/0102-0032/$5.00 + .25/0

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Grenzwert bei viskoser Strornung zu (Abb. 1). Bei Luft betragt die Erhohung nach gasdynamischen Berechnungen ein Faktor 1,72; allerdings bewirkt das dynarnische Gasverhalten eine Ein- schnurung der Strornung rnit einer Erniedrigung des Leitwerts um einen Faktor ca. 0,85. Netto ist sornit der Leitwert bei Luft irn viskosen Bereich etwa 1,5mal groOer (Euler-Limit) als irn molekularen Bereich.

Leitwert eines langen Rohrs

Der Strornungsleitwert eines langen Rohres (Lange groO gegen Durchrnes- ser) irn Ubergangsbereich kann in grober Naherung dadurch berechnet werden, dal3 man einfach die fur viskose und fur molekulare Strornung berechneten Leit- werte eines Rohres addiert:

Z ist ein Korrekturfaktor, der zunachst gleich 1 gesetzt wird. Die Leitwerte eines langen Rohres irn rnolekularen und vis- kosen Bereich wurden bereits in fruhe- ren Folgen des Vakuurnlexikons angege-

Abb. 2: Abhangigkeit des Leitwerts ei- nes langen Rohres (I + d) vom Druck (durch inverse Knudsenzahl skaliert). Das Minimum im Ubergangsbereich ist deutlich ausgepragt. Die Kurve wurde nach den angegebenen Formeln berech- net, die Daten fur Argon stammen von G. Messer und D. Wandrey (PTB Jahres- bericht 1982, S. 216).

ben. Bei einem genugend langen Rohr liegt irn viskosen Bereich larninare Stro- mung vor (Hagen-Poiseuille). Durch Ein- setzen der einzelnen Leitwerte in die obige Formel erhalt man:

I- 1 1-10.cm ; / j

10-1 1 F I I I 1 1 1 1 1 1 ; a * 1 1 1 J ' d ; I s 1 1 1 , t r 1 8 1 ~ ~ ~ ~ ~ ~ 1 1 S I l a J

1 0 - 8 10-1 10-1 10 1 0 s 10' PI 1mb.r)

Abb. 3 Druckabhangigkeit des Leitwerts eines Rohres mit der Nennweite d = 1 cm f i r Luft bei 20°C. Parameter ist die Rohrlange I. Es wurde p2 a p1 angenommen. Die dargestellten Kurven wurden mit den angegebenen Formeln berechnet Bei Uber- gangen zwischen verschiedenen Stromungsarten wurde frei Hand interpoliert, wodurch dort erhebliche Unsicherheiten bestehen.

Diese Formel beschreibt die Grenzfalle des rnolekularen und viskosen Berei- ches korrekt, den Ubergang dazwischen aber nur naherungsweise. Wird irn Uber- gangsbereich der Druck von kleinen Werten aus allmahlich erhoht, so wird die rnittlere freie Weglange der Gasrnolekule kleiner. Die zunehmenden gegenseitigen Stol3e der Molekule fuhren einerseits zu einer Behinderung des rnolekularen Flu- ges durch das Rohr (bewirkt Verkleine- rung des Leitwerts), andererseits stellt sich eine Driftbewegung in Rohrrichtung ein (bewirkt Zunahrne des Leitwerts). Bedingt durch die beiden gegenlaufigen Effekte kann bei langen Rohren rnit konstantem Querschnitt der Leitwert als Funktion des Drucks ein Minimum durchlaufen (Knudsen-Minimum), siehe Abb. 2.

Zur quantitativen Beschreibung des Ubergangsbereiches wird fur den Kor- rekturfaktor Z statt des Wertes 1 ubli- cherweise die folgende, von Knudsen empirisch gefundene Formel verwen- det:

1++ 8 ; i j -d

1++- 21 8 P . d

c . r l Z =

17 c . 11 Dieser Korrekturfaktor variiert zwischen 1 im rnolekularen Bereich und 0,81 irn viskosen Bereich und gilt nur fur kleine Druckdifferenzen (d.h. p2 = p,). Da er von den gleichen Eigenschaften des Gases abhangt wie die Leitwerte, ergibt sich unabhangig von der Gasart ein universeller Verlauf des Leitwerts von der Knudsenzahl.

Definition Uberga

Ublicherweise betrachtet man zur Fest- legung des Ubergangsbereiches zwi- schen rnolekularer und viskoser Stro- rnung ein langes Rohr. Als Ubergangs- druck bezeichnet man den Druck, bei dern die beiden Beitrage des molekula- ren und viskosen Leitwertszurn Gesarnt- leitwert (obige Formel fur den Leitwert rnit Korrekturfaktor Z nach Knudsen) gleich sind. Dies ist der Fall, wenn die Knudsenzahl den Wet? Kn = 7@)/d = 0,09 0,l annimmt.

Der Ubergangsbereich erstreckt sich damit etwa uber 0,Ol < Kn < 1. Fur Kn < 0,Ol ist der viskose Leitwert rnehr als 1 Ornal groOer als der molekulare, es liegt sornit viskose Stromung vor. Entspre- chend ist fur Kn > 1 der rnolekulare Leitwert mehr als 10mal groOer als der viskose und es liegt molekulare Stro- rnung vor.

Referenzen

Gasstrornung allgernein: - S. Dushrnan and J. M. Lafferty, Scientific

Foundations of Vacuum Technique, New York: Wiley (1 962)

- A. Roth, Vacuum Technology, Arnster- darn: North Holland (1990)

Leitwert von Blenden: - S. F. Muth und J. S. Watson, J. Vac. Sci.

Technol. A4, 344 (1986) Leitwert von Rohren: - S. A. Tison, Vacuum 44, 11 71 (1993)

W

Vakuum in der Praxis (1994) Nr 1 33