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Gedankensplitte r Aphorismen und Fragmente von Kain L. von Spreewinkl © Kain von Spreewinkl - 1 -

Gedankensplitter

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AphorismensammlungDie Definition der anthropomorphen Kreatur I

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Aphorismen und Fragmente

von

Kain L. von Spreewinkl

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InhaltInhalt...........................................................................................................................................2Prolog..........................................................................................................................................3Sacrum........................................................................................................................................5

Glaube & Philosophie.............................................................................................................6Profanum...................................................................................................................................50

Politik & Gesellschaft...........................................................................................................51Epilog........................................................................................................................................92Anhang......................................................................................................................................93

I. Anmerkungen zur Bundestagswahl 2005..........................................................................94Probleme...........................................................................................................................94Lösungsversuche...............................................................................................................97

II. Personenregister...............................................................................................................99III. Auszüge aus den Internationalen Menschenrechten.....................................................103IV. Auszüge aus dem deutschen Grundgesetz....................................................................104V. Auszüge aus dem deutschen Strafgesetzbuch................................................................105VI. Fragment aus Parmenides’ ‚Über die Natur’................................................................107VII. Quellenangaben...........................................................................................................109

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PrologLector benevole! Vorliegendes Buch präsentiert diverse ausgesuchte Dikta, Apophthegmen und Sentenzen, sowie einige kürzere Aufsätze, Enunziationen und Passagen bzw. Exzerpte von Schriftwechseln aus den vergangenen sechs Jahren, also 2000 bis einschließlich 2006. Der Verfasser verzichtete in dieser kritischen Komposition jedoch konsequent auf eine chronologische oder thematische Aneinanderreihung der heterogenen Texte, sie wurden nur grob kategorisiert (sacrum et profanum) und willkürlich kombiniert. Im Abschnitt Sacrum finden sich, wie der gewählte Titel schon besagt, die religions- und philosophiebezogenen Aphorismen, während das Kapitel Profanum Reflexionen zur gesellschaftlichen und politischen Gegenwartsgeschichte beinhaltet. Als kleinen Lesebonus gibt es, erstmals in gedruckter Form, im Anhang noch die im Dezember anno 2005 erstellte und temporär (Dezember 2005/Januar 2006) im Internet veröffentlichte Abhandlung Anmerkungen zur Bundstagswahl 2005.

Möge nun der geneigte Leser zum aktiven Nachdenken angeregt werden und seine eigenen, individuellen Schlüsse aus dem Geschriebenen ziehen – schließlich wähnt sich der Autor nicht infallibel, und er läßt sich selbstverständlich jederzeit bereitwillig korrigieren oder vom Gegenteil überzeugen, falls es jemand besser weiß und dies de facto auch belegen kann; eine informell gehaltene, friedlich-kooperativ gestaltete und argumentativ geführte, konstruktive wie zielorientierte Diskussion ist dem Verfasser immer herzlich willkommen, denn γηράσκω δ’αίεί πολλά διδασκόμενοςi. Demzufolge möchte er auch seine hier publizierten Sätze und Formulierungen nicht als allgemeinverbindliche, unumstößliche Doktrinen behandelt wissen – es sind eben nur persönliche, schriftgewordene Gedankensplitter (und als solche mitunter auch ein wenig scharfkantig und beißend).

Der VerfasserDeutschland, im November 2006

i Ich werde alt und lerne stets noch vieles hinzu

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si quid novisti rectius istis,candidus imperti; si non, his utere mecumi

Quintus Horatius Flaccus(65 - 8 a.Chr.n.)

quis leget haec?ii

Aulus Flaccus Persius(34 - 62)

Mit herzlichem Dank an die sachverständigen, allzeit zuverlässigen und bewährten Revisoren, die dem Autor bereits während seiner letzten Publikationen reliabel, hilfreich und höchst motivierend zur Seite standen

i Wenn du etwas besseres weißt als dies, teile es mir aufrichtig mit; wenn nicht, nutze dies mit mirii Wer soll das lesen?

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Sacrum

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Glaube & Philosophie1.

unde malum? Woher stammt das Böse? Seit mehreren Jahrtausenden schon stellen sich ungezählte Generationen inquisitiver Philosophen, Religionswissenschaftler und Prediger jedweder transzendental-ideologisch inspirierten Geistesrichtung diese beinahe schon rhetorisch gewordene Frage. Unter vielem anderen äußert sich die langwierige, überempirische Suche nach letztgültigen Antworten auf diese spirituelle Ungewißheit per exemplum in der wohlbeachteten und vieldiskutierten Theodizee-Problematik (i.e. in kurzen Worten: Warum läßt ein angeblich friedliebender, barmherziger und gütiger Gott all das demoralisierende Übel in der Welt zu – sowohl das naturgegebene als auch das menschenverursachte?), deren multiplexe, von diversen klerikalen Koryphäen aus allen möglichen Glaubensgemeinschaften bereits vorgeschlagene Lösungsansätze aber genauso transzendent verschroben und logisch-rationalistisch unbefriedigend erscheinen, wie die vielfältigen metaphysischen Beantwortungsversuche auf das altbekannte Woher und Wohin der chthonischen Menschheit. Dabei kommt das extramundane Prinzip des Bösen mit Sicherheit nicht aktiv als hinterhältige, frei flottierende Intuition oder zur mephistophelischen Hypostase personifiziert von außen über die ach! so bedauernswerten und wehrlosen Menschen (sogenannte ‚Inkarnationen des Bösen’ waren im geschichtlichen Lauf des vergangenen Jahrhunderts u.a. Adolf Hitler, Josef Stalin, Grigori Jefimowitsch Rasputin, Mao Tse-tung und Pol Pot), sondern schlicht aus ihnen selbst. Das Böse entsteht bzw. resultiert einzig und allein aus der dualistisch-subjektiven Denkungsweise, der die anthropomorphen Kreaturen seit Anbeginn ihrer biologischen Entwicklung unterworfen sind. Da vieles in der freien Natur bipolar in Erscheinung tritt, so denkt auch der mikrologische Mensch schablonenhaft antithetisch: schwarz und weiß, links und rechts, oben und unten, Tag und Nacht, hell und dunkel, Frau und Mann, Himmel und Hölle, Gott und Satan, und dementsprechend auch Gut und Böse. Diesen archaischen, anachronistischen Dualismus konnte unsere im Prinzip vollinformierte und hochtechnisierte Zivilisationsgesellschaft bis dato leider noch nicht erfolgreich sublimieren – und wozu denn auch? Der status quo scheint doch ganz angenehm, und das einfachstrukturierte Volk muß nicht soviel denken (Krieg/Frieden, Freund/Feind – das reicht). Zudem zeigt sich die ideologisch-intellektuelle Empfindung des Bösen als eine rein individuelle und relative, d.h. was sich für die eine Personengruppe (Religion a) als ausgesprochen böse und absolut verwerflich ausnimmt, muß es für eine andere (Religion b) noch lange nicht sein (quod cibus est aliis, aliis est atre venenumi), und für eine dritte (ohne Religion c) stellt sich die betreffende Problematik vielleicht gar nicht – es besteht demnach eine absolute, explizite Standpunktabhängigkeit in dieser supranatural geprägten Fragestellung. Und jede der erstaunlich überzeugungsinkompatiblen Gruppierungen (a, b, c) insistiert selbstverständlich auf ihre uneingeschränkte, allgemeingültige Infallibilität: ‚Wir haben immer Recht, und ihr habt gar nichts – Diskussion unerwünscht und zwecklos’. So manifestiert sich beispielsweise für die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika Osama bin Landens islamistische Terrororganisation Al Qaida als das absolut bekämpfens- und vernichtenswerte Böse (desgleichen auch die diese pseudoreligiöse Extremistenvereinigung unterstützenden Nationen; cf. axis of evil, die ‚Achse des Bösen’ oder die von den USA so geheißenen rogue states, die ‚Schurkenstaaten’), und vice versa – ein weltgeschichtlich redundanter und irrelevanter extremistischer West-Idealismus und ein exhaustiv kommensurabler Ost-Idealismus in tödlicher, unversöhnlicher Kontroverse (und schon wieder eine antagonistische Dualität). Ein offensichtlich voneinander abhängiger, selbstbestätigender symbiotischer Konnex – wenn nämlich a tatsächlich einmal b vollständig vernichten oder assimilieren

i Was dem einen Nahrung ist, ist dem anderen schwarzes Gift

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könnte, würde von a ohne zu zögern versucht, mit c ebenso zu verfahren (eventuell mit strategisch variiertem modus procedendi). Falls letzten Endes erdumspannend nur noch a existieren würde (ein sehr theoretischer Fall), entstünden in kürzester Zeit a1, a2, a3 etc., denn es gibt immer ein paar häretische Phantasten in einer riesigen, global verbreiteten Glaubensgemeinschaft, die sich mit blasphemistischer Wonne der egomanisch übersteigerten Annahme hingeben, sie wüßten es besser als der Rest der Welt. Nur in einem zeigen sich sämtliche aktiv Beteiligten einig: böse sind und handeln immer nur die anderen; und natürlich die, die nicht die gleiche vorgefertigte Meinung vertreten, wie sie selbst.

2.

Wie endet die Zeit? Den führenden Astrophysikern zufolge entstand das Phänomen der Zeit, ebenso wie das des Raumes und der Materie, mit dem Urknall (Big Bang) aus einer hochenergetischen Singularität vor etwa 14 Milliarden Jahren i, und es ist seitdem unlösbar im sogenannten Raum-Zeit-Kontinuum eingebunden. Die Zeit an sich vergeht physikalisch auf der Erde für alle Menschen effektiv gleich, nur wird ihre tatsächliche Dauer individuell unterschiedlich wahrgenommen – in ereignisreichen Perioden scheint die Zeit schneller abzulaufen, in ereignisärmeren langsamer. Seit Albert Einstein wissen wir auch, daß die Zeit relativ ist, d.h. je nach Eigengeschwindigkeit eines Objekts de facto schneller oder langsamer vonstatten geht. Dies kann aber bei den gegenwärtig gegebenen technologischen Konstellationen für uns Menschen auf der Welt noch bedenkenlos vernachlässigt werden – erst bei der futuristischen Eventualität einer interstellaren Raumfahrt oder einer möglichen Bewegung nahe der Lichtgeschwindigkeitii könnte dieser spezielle Umstand praktisch wieder interessant werden, momentan spielt er sich jedoch nur im Millisekundenbereich ab. Ob und wie die Zeit nun dereinst endet, das ist reinste Spekulation und hängt vor allem von der weiteren Lebensgeschichte des Universums ab. Für die chthonische Menschheit ist die Antwort dieser physikalisch-philosophischen Frage allerdings eher nebensächlich und abstrakt, da sie bis dahin ohnehin längst nicht mehr existiert. Auch unser blauer Heimatplanet wird schon wesentlich früher vergehen – wenn sich in etwa fünf Milliarden Jahren die Sonne in ihrer Agonie zu einem Roten Riesen aufbläht, zerstört und absorbiert sie die Erde (welche aber schon lange vor ihrem infernalischen Exitus infolge der sukzessiven Überwärmung wüst und unbewohnbar geworden ist), bevor sie zu einem extrem dichten und heißen Weißen Zwerg in sich zusammenfällt, um schließlich, nach vielen Milliarden Jahren, als ausgeglühter Schwarzer Zwerg zu enden. Zwei antagonistische Theorien bezüglich des zukünftigen kosmischen Entwicklungsganges werden in der astrophysikalischen Fachwelt momentan favorisiert. Die optimistische erste besagt, daß nach einer langen Zeit der Ausdehnung das Universum auf Grund seiner eigenen Schwerkraft zum Stillstand kommen und letztlich in einem sogenannten Big Crunch wieder zu einer Singularität kollabieren wird – worauf der Kreislauf mit einem Big Bang von neuem beginnt (sozusagen das Weltall als ein gigantisches perpetuum mobileiii, d.h. unser aktueller Kosmos könnte der erste, der zehnte oder der zehnmilliardste sein). Dieser radikale, destruktive, zyklische Prozeß bedeutet aber auch: die Zeit, wie wir sie kennen, könnte sich in diesem erneuerten Universum völlig von der heutigen verschieden darstellen, ebenso wie Raum und Materie – die ganze Physik könnte eine absolut andere, für uns schlechterdings unbegreifbare sein. Die zweite These vertritt die etwas pessimistischere Auffassung, daß die vorhandene Materienmasse – und damit die interstellare Gravitation – des Universums bei weitem nicht ausreicht, die kontinuierliche intergalaktische Ausdehnung abzubremsen und aufzuhalten, geschweige denn einen palingenetisch benötigten kosmischen Kollaps herbeizuführen. Dementsprechend wird das All mit zunehmendem Alter

i 13,7 (± 0,5) x 109 Jahreii 299.792,458 km/s = 1.079.252.848,8 km/hiii Das sich ununterbrochen Bewegende

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immer weiter und ad infinitum expandieren. Wenn dereinst schließlich alle Sterne vollständig ausgebrannt und tot sich immer weiter voneinander entfernen, wird das Universum ein unendlich leerer, stygischer, lebloser Ort sein, an dem die immer noch vorhandene Zeit sinnlos und unbeachtet verrinnend bis in alle Ewigkeit fortdauert – eine nicht enden wollende, kalte Einöde mit Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkti, geisterhaft durchzogen von verwaisten Sternenrudimenten, dünnen, dahinschwindenden Gasschleiern und anorganischem Planetenstaub. Welche der beiden antagonistischen Hypothesen nun der physikalischen Wahrheit näher kommt – eine periodische kosmische Wiedergeburt oder die einmalige universelle Ewigkeit; Dynamik oder Statik –, das wird erst die weit entfernte Zukunft zeigen – nur wir Menschen, wir werden es nie erfahren. Welche der beiden Hypothesen jedoch allgemein die wünschenswertere ist, das muß jeder für sich selbst entscheiden; die erste weckt die vage Hoffnung, daß das Leben per se irgendwie überdauert und irgendwann wieder weitergeht – in welcher Form auch immer –, die zweite besiegelt das biologische Ende, das vollständige und endgültige Aussterben jedweder organischen Existenz – das wäre dann der ewige Frieden, eine omnipotente pax universalis in Realpräsenz.

3.

Heiliger Krieg – wie kann es eine vorgeblich fromme, gläubige Person auch nur im metaphysischen Ansatz wagen, die positiv-religiöse Expression heilig mit so etwas eklatant gottlosem, inhumanem und destruktivem, wie dem Krieg, zu kombinieren? Wie kann ihr dergleichen überhaupt in den augenscheinlich ziemlich tordierten Sinn kommen? Und das, ohne sofort in die tiefste und dunkelste Gehenna zu fahren?Heiliger Krieg – das ist eine impertinente contradictio in adiecto, und beweist wieder einmal die altbekannte, allgegenwärtige Realität: Die selbsternannten Gotteskrieger, die aggressiven Anhänger einer Religion oder eines – ursprünglich transzendental gedachten – Djihad, das sind die wahrhaft Ungläubigen, denn sie verweigern allen anderen die individuelle Wahrheitssuche. Für diese Leute sind solche artifiziellen termini technici offensichtlich nur hohle, opportune Worte, die ihrem frevlerischen Treiben einen hehren, numinosen Glanz verleihen und die leichtgläubigen Gläubigen auf einen falschen Weg locken sollen.Heiliger Krieg – das ist eine rein synthetisch-surreale Wortkonstruktion, genauso wie ein schwarzer Schimmel, ein weißer Rappe, ein rechteckiger Kreis, ein hölzerner Stahl, ein humaner Mörder, ein intelligenter Selbstmordattentäter oder ein kombattanter Pazifist, ein sogenannter Friedenskämpfer (– der einem Glaubenskrieger doch sehr ähnlich ist). Und hier gilt der prägnante, charakterisierende Sponti-Spruch aus den frühen Achtzigern des letzten Jahrhunderts: Fighting for peace is like fucking for virginity. (leicht anstößig zwar, aber es trifft präzise den Kern der Sache)Heiliger Krieg – jede Sprache ist dehnbar, Worte sind geduldig, und mit ein bißchen Nachdenken kommt man auf die euphemistischsten Wortschöpfungen für jedwede noch so negative und unpopuläre Angelegenheit. Beispielsweise mutiert ein unheilvoller Krieg zur risikolosen Friedenssicherungsaktion, oder ein gewaltiger finanzieller Verlust zum harmlosen Negativwachstum – der Sarg zum subterrestrischen Einrichtungsmobiliar und mordende Gewalt zum anerkannten Diskussionsbeitrag…Heiliger Krieg – das ist eine jener hochwohlklingenden Paraphrasen, welche noch das brutalste und blutigste Gemetzel als beschauliches Picknick darzustellen wissen, im tödlich-destruktiven Endeffekt jedoch die barbarische Realität nicht wegreden oder gar ungeschehen machen können. Krieg bleibt Krieg, auch wenn man ihn ‚heilig’ nennt…

4.

i T0, d.h. 0 Kelvin; entspricht minus 273,15 Grad Celsius oder minus 459,67 Grad Fahrenheit

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Ein elementares, gewaltbereites Barbarentum, eine extraordinäre Ignoranz und eine antizivilisatorisch motivierte Destruktivität, gepaart mit abgrundtiefer Dummheit, katastrophaler Unwissenheit und erschreckender Intoleranz – schon haben wir den gottgefällig-subversiven Glaubenskrieger und pseudoreligiösen Selbstmordattentäter. Die stereotypen Abschiedsvideos dieser verblendeten Individuen beweisen diesen tragisch-desolaten Umstand immer wieder. Wie kann man nun als angeblich denkfähiger Mensch sein angeblich gottgegebenes Leben nur so nihilistisch negieren und freudig unter jeden Wert verschleudern? Gott gibt das Leben, der ultraorthodoxe Extremist zerstört es mutwillig, sowohl sein eigenes, als auch das anderer – was glaubt der denn, was sein Gott von so einem infantilen Schwachkopf hält, der absichtlich seine numinosen Gaben schändet? Erwartet er tatsächlich ein: „Danke, mein glaubensstarker Freund. Komm ins Paradies, dein verdienter ewiger Lohn erwartet dich“? Grausig, die himmelschreiende Dummheit, die unglaublich perverse Selbstanmaßung dieser merkwürdigen, offensichtlich völlig geistesabwesenden Leute. Und weil sie sich unter ‚normalen’ kulturell-kommunikativen Sozialkonstellationen absolut nicht als konsens- und lebensfähig erweisen, wurden sie eben zu dem, was sie sind: von der menschlichen Gesellschaft segregierte, sekretierte, herausgeeiterte Marginalexistenzen, die keiner braucht und keiner will – und nach denen spätestens in fünf Jahren kein müder Hahn mehr kräht, da es ihrer so unglaublich viele gibt (Unverstand und Ignorantentum kennen augenfällig keine nationalen Grenzen). Religiöse Märtyrer braucht kein Mensch – sie sind überflüssige Randerscheinungen einer dumpfen Heldenverehrung der lokalen Folkloristik; in diesem Sinne notierte Skupy: „ Auch Heldenfriedhöfe sind nur Stätten des Todes.“ Früher waren religiös motivierte Anschläge und menschenverachtende Selbstmordattentate noch einigermaßen sensationell und aufregend, haben die Erdenbürger weltweit bewegt und erschüttert. Heute, zu Zeiten von Al Qaida, Abu Sayyaf und diversen anderen Verrückten, sind sie fast zu einer ärgerlichen, nebensächlichen Alltagserscheinung, einer bedeutungslosen Randnotiz in den Kurznachrichten verkommen. Wen interessiert denn mittlerweile noch ein Osama bin Laden, ein Yasir al-Dschaziri, ein Abu Musab az-Zarqawi, oder wie sie nicht alle heißen mögen? Und wen interessiert denn noch, was sie zu sagen haben oder was sie überhaupt wollen? Die vielen unschuldigen Opfer sind zwar weiterhin bedauerlich, die Mord- und Selbstmordanschläge per se dagegen nur noch lästig und ennuyant. Selbst die sonst eher übervorsichtigen Touristen lassen sich von diesen abgedrehten Fanatikern nicht mehr sonderlich beeindrucken (eher noch von Naturkatastrophen). Verhaltensgestörte Extremisten und feige, hinterhältige Attentate sind zu einem unspektakulären, omnipräsenten Massenartikel geworden. Die einst terroristische Exklusivität ist auf Jahrzehnte dahin…

5.

Auf dieser oberflächlichen Erde gibt es im ideologischen Sektor leider nichts, woran es sich ernsthaft und definitiv zu glauben lohnte – zumindest habe ich diesbezüglich noch nichts gefunden, und πολλά ψεύδονται άοιδοίi. Es existiert in der gesamten Gesellschaft keine noch so glaubhafte metaphysische Ansicht oder Behauptung, sei sie rein philosophisch oder rein religiös intendiert, die nicht sofort von zehn wohlklingenden anderen, ebenso plausiblen transzendentalen Hypothesen überzeugend widerlegt werden könnte. Da nun keiner der glaubenseifrigen Apologeten und Propagandisten dieser vielfältigen und widersprüchlichen Weltanschauungen wirklich deren tatsächliche, allumfassende Authentizität demonstrieren oder verifizieren kann, sind derartige überempirische Theorien schlechterdings individuelle, subjektiv kultivierte Ansichtssachen mit variablem Verfallsdatum. Doch ein wahrer, tiefer Glaube sollte letztendlich nicht auf einem fragwürdigen Lotteriespiel basieren, denn für das emotionsgesteuerte Seelenleben ist eine a priori zweifelhafte Lebensgrundlage grundsätzlich

i Vieles lügen die Dichter

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schlechter als gar keine. Außerdem kann man sich alles einmal anhören, denn man lernt nie aus (oder, wie Solon es in seinen Elegien formulierte, γηράσκω δ’αίεί πολλά διδασκόμενος i), und andere, bislang vernachlässigte Sichtweisen und exotische Überlegungen bringen eventuell innovative Anregungen und kreative Impulse für die eigene innere Einstellung.

6.

Die fundamental-islamistischen afghanischen Taliban – einst ungeliebte Machthaber, heute verhaßte Terroristen – begehen den törichten Fehler aller unfreiwillig entmachteten, vom eigenen Volk abgesetzten Diktatoren: sie können schlechterdings nicht aufhören; sie wissen einfach nicht, wann ihre Zeit abgelaufen und ihre politische Karriere definitiv zu Ende ist. Sie hatten damals nicht die innere Größe, beizeiten und in Würde abzutreten, sie haben heute nicht die innere Größe, ihre umfassende Niederlage einzugestehen, den inhumanen Terror zu beenden und konstruktiv beim Wiederaufbau des geschundenen Landes zu helfen – Extremisten sind obstinate Egoisten, und sie bleiben es auch, vor allem die religiös-ideologisch motivierten.

7.

Kann man chronische Religiosität heilen? Und wird das von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt? Exorzismus auf Krankenschein?

8.

Metaphysisch orientierte Philosophie kann bisweilen eine leidlich unterhaltsame Distraktion sein, ist aber eben nur eine phantasmagorische, transzendentale Gedankenspielerei (vergleichbar einem fiktiven Roman), die von ihren spirituell äußerst innovativen und aktiven Erzeugern einfach viel zu ernst genommen und vehement als die wahrscheinlich möglichste aller denkbaren Realitäten verteidigt wird/wurde. Sie frönt begeistert der alten Untugend, der alle überempirischen Ideologien im weiteren Verlauf ihrer Genese verfallen: sie nehmen sich allesamt viel zu wichtig und zu wertvoll, und werden rigoros, obwohl nicht verifizierbar, von ihren Apologeten zur unumstößlichen Wahrheit erhoben.

9.

Wie kann die unzulängliche Menschheit – in Anbetracht all dessen, was sie im traurigen Verlauf ihres sogenannten Entwicklungsprozesses zugrundegerichtet hat – auch nur im entferntesten daran denken, jemals ‚glücklich’ zu werden? Sie kann sich froh und begünstigt schätzen, wenn sie es einigermaßen schafft, wenigstens ein paar der gravierendsten Dummheiten der Geschichte nicht permanent zu wiederholen.

10.

Wenigstens ist der Mensch nicht unsterblich, wenn man bedenkt, was dann noch für üble und sozial-humanitär inkompatible Gestalten der Geschichte unter uns weilen würden – eigentlich sollten wir uns freuen, daß diese schon lange tot sind.

11.

i Ich werde alt und lerne stets noch vieles hinzu

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Warum sind die anthropomorphen Kreaturen so gewalttätig im täglichen Umgang miteinander? Die Menschen sehen im verabscheuten Gegenüber sich selbst, die eigene kümmerliche Belanglosigkeit, ihre klägliche, nebensächliche Existenz – das ist ihnen peinlich und macht sie aggressiv.

12.

Religionen, ideal praktiziert, könnten vermutlich sogar der Menschheit in ihrer soziokulturellen Evolution weiterhelfen (als kontemplatives Brainstorming der meditativ-spirituellen Art, beispielsweise), nur leider geschieht dies höchst selten bis gar nicht. Religionen sind zumeist nur egoistische, profitorientierte, profane Wirtschaftsfaktoren, wie alle anderen weltweit operierenden ökonomischen Konzerne auch, nur mit privilegierenden sakralmetaphysischen Apologien.

13.

Der wahre Wert des Menschen – eine handvoll Staub und Asche…

14.

Da es hier auf Erden kein real existierendes Refugium für welt- und menschheitsüberdrüssige Individuen gibt, hilft ihnen nur der strapaziöse Weg der inneren Emigration – die vollständige geistige Exilierung (oder die suizidale Selbstannullierung).

15.

Gewalt ist die niederste und abstoßendste Expressionsform, zu der sich ein angeblich mitfühlender Mensch herablassen kann. Anthropomorphe Kreaturen, die ihre primitiven, unangebrachten Aggressionen nicht beherrschen und bewältigen können (oder wollen), sollten in ein hermetisch abgeriegeltes Territorium (beispielsweise in der Antarktis oder subterrestrisch) verbannt werden, wo sie sich dann nach Herzenslust gegenseitig terrorisieren und dezimieren dürfen.

16.

Dank genetisch veränderter Nahrungsmittel und selbstverschuldeter Umweltvergiftung mutierte der Mensch mittlerweile zum schwer entsorgbaren biologischen Sondermüll, dessen einfache Kompostierung in freier Natur bereits den Straftatbestand der gefährlichen Umweltverschmutzung erfüllen würde (siehe etwa § 326i aus dem 29. Abschnitt des deutschen Strafgesetzbuches – Straftaten gegen die Umweltii). So ist sie, die organische Zellanhäufung Mensch – toxisch und schädlich bis über den Tod hinaus…

17.

Überwiegend lokalkulturelle Institutionen wie Religion und Tradition sollten ausschließlich Privatsache sein und auch allgemein als solche behandelt und gepflegt werden – und nicht subversiv das offizielle Leben und die profane Politik unterwandern. Selbst in Deutschland gibt es noch einen sogenannten Gotteslästerungsparagraphen im Strafgesetzbuch (§ 166

i Siehe Anhang V.ii §§ 324 bis 330d

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StGB)i, der die ‚Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen’ unter Strafe stellt – und das nicht zu knapp: mit Gefängnis bis zu drei Jahren; d.h. ein wagemutiger Schriftsteller, der aktiv etwas negiert und diskreditiert, was es nach naturwissenschaftlichem Ermessen sowieso nicht gibt und auch nicht geben kann, sieht sich alsbald der staatsanwaltlichen Verfolgung ‚im Namen des Volkes’ ausgesetzt. Im Klartext: ein Schlumpf darf als nichtexistente Kunstfigur enttarnt und bezeichnet werden – ein Gott nicht. Kann man als rational denkender Durchschnittsatheist (Popper postulierte: „Atheismus ist ein Zeichen, daß man die Religion ernstnimmt“) eine solche klerikal infizierte und mystizistisch infiltrierte Rechtssprechung wirklich ernstnehmen? Und was kann der freigeistige, dieserart kriminalisierte Künstler dafür, daß diverse pingelige Glaubensrichtungen und ihre übelnehmenden Anhänger nicht richtig bzw. konstruktiv mit offener, vielleicht sogar berechtigter Kritik umgehen können? Es ist beunruhigend und frustrierend zugleich, daß supranaturale Phantasmagorien von ihren starrsinnigen Aposteln so vehement verteidigt und zur allgemeingültigen, schlechthinnigen Wahrheit erklärt werden können, während ihre rational denkenden Kritiker auf polizeilichen Fahndungslisten stehen. Schon Kurt Tucholsky resignierte weiland angesichts dieser theologischen Intoleranz: „Ich mag mich nicht gern mit der Kirche auseinandersetzen; es hat ja keinen Sinn, mit einer Anschauungsweise zu diskutieren, die sich strafrechtlich hat schützen lassen.“

18.

Viele Schreiber mystisch inspirierter Texte beginnen ihre wirren Werke stereotyp mit den Worten: „…was hier geschrieben steht, sollte eigentlich nie geschrieben werden und absolut geheim bleiben…“ – wie recht sie damit haben! si tacuisses, philosophus mansissesii, wußte schon Boëthius. Solche surrealen, pseudoreligiösen, intelligenzbeleidigenden Geistesergüsse quasispiritueller Schauermärchen und mythologisch tordierter Anschauungskonstruktionen sind schlicht überflüssig und die reinste Papierverschwendung.

19.

Ständig muß man von irgendwelchen selbsternannten Lebensberatern lesen oder hören, daß der Mensch ein persönliches Ziel haben muß, um sein Leben erfolgreich zu bestehen. Warum? Das letztendliche Ziel, sprich: der Tod, kommt von alleine – man sollte nur versuchen, bis dahin das Beste aus dem zu machen, was man hat, und seine Mitmenschen nicht über gebühr zu belästigen.

20.

Die meisten der anthropomorphen Kreaturen sind leider im geistigen Zustand des urtümlichen, nicht domestizierbaren Primaten verblieben – und das gänzlich freiwillig und ohne einen Anflug von schlechtem Gewissen. Einfach erbärmlich, diese unersprießliche, sogenannte Menschheit – man hätte mehr von ihr erwarten können.

21.

Nicht die langen, absehbaren Täler und Schluchten auf der Straße des Lebens sind zu fürchten, sondern die tagtäglichen unkalkulierbaren Schlaglöcher.

22.

i Siehe Anhang V.ii Wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben

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Man sollte sich nicht allzuviel auf seine ohnedies nur akzidentelle und temporäre Nationalität einbilden oder sich allzusehr von ihr beeinflussen lassen – es sollte doch genügen, Mensch zu sein. Nationalität: Mensch, Herkunftsort: Erde.

23.

Strategisch applizierte Absolution: Vergib huldvoll und öffentlich deinen Feinden – sie werden dich um so mehr hassen.

24.

Auf die existentielle Frage: ‚Was ist wirklich wichtig im Leben?’ ist mir einfach nichts eingefallen…

25.

Der essentielle Unterschied zwischen Einbildung und Offenbarung ist ein rein grammatikalischer, nur der Nexus ist bedeutsam. Wenn ein Pferd zu uns spricht, so ist das eine Einbildung, wenn aber ein Gott zu uns spricht, so nennt man das eine Offenbarung (aber auch nicht immer: es kommt außerdem darauf an, zu wem er spricht). Realistisch betrachtet ist beides jedoch weder glaubhaft noch nachvollziehbar.

26.

Wer permanent (oder nur kurzzeitig intermittierend) unter starken bis stärksten Schmerzen leidet – ganz gleich, ob psychisch, physisch oder beides –, dem erscheint das mikrologisch-egozentrische Gewusel und Gehabe der unbedeutenden restlichen Welt als billig und nichtig. Er erkennt gradatim die peinlich-banale Realität der akzidentellen menschlichen Existenz, die globale Irrelevanz…

27.

Das wertvollste, das höchste Gut der Menschen sollte für alle, die konsequent und ehrlich ein solcher sein wollen, das unikale Leben und die körperliche Unversehrtheit eines jeden Individuums sein. Jede einigermaßen denkfähige Kreatur müßte im Prinzip in der verheißungsvollen Lage sein, diesen fundamentalen Satz nachvollziehbar zu verstehen. Doch offensichtlich erscheint den meisten Erdenbürgern Ovids video meliora proboque; deteriora sequori in unserer gnadenlos egozentrischen Welt opportuner…

28.

Offenbarung mit Erkenntnis gleichzusetzen ist ein außerordentlich schwerwiegender Fehler (– und mit Realität haben beide nichts zu tun).

29.

Wenn eine anthropomorphe Kreatur tatsächlich von Geburt an in allen Dingen frei wäre – was könnte aus ihr werden, bzw. wie lange würde sie überleben?

i Ich sehe das Bessere und erkenne es an; dem Schlechteren folge ich

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30.

Sallust schrieb im ersten Jahrhundert vor der Zeitenwende: concordia res parvae crescunt, discordia maximae dilabunturi. Leider folgt letzteres zwangsläufig dem ersteren; konstruktiver Aufbau und zivilisatorische Blüte ziehen unweigerlich gesellschaftlichen Niedergang und anarchistische Zerstörung nach sich – ein bedauernswerter, automatisierter, ewiger Kreislauf, ein fundamentales Charakteristikum in der destruktiven Historie der unbelehrbaren Menschheit.

31.

Es heißt, man soll Ordnung in sein Leben bringen; – doch warum? Warum soll man etwas ordnen wollen, was einen nicht im geringsten tangiert?

32.

Das Paradies oder die Hölle, beides erfundene, imaginäre Phantasmagorien halluzinierender Marginalexistenzen im religiösen Delirium, die weiland offensichtlich zuviel Zeit hatten und anderweitig wohl nicht richtig ausgelastet waren – oder irgendwelche gehirnerweichende Substanzen und intelligenzvermindernde Drogen zu sich nahmen. Auch der katholische Heilige Augustinus von Hippo proklamierte affirmativ: ubi defecerit ratio, ibi est fidei aedificatioii. Doch das Leben ist hart, der Tod endgültig, und eine Resurrektion, eine postmortale Wiederauferstehung, eine Metempsychose in welcher Form auch immer, wird es nicht geben (post mortem nulla voluptasiii): wer tot ist, bleibt tot, verwest und verrottet letzten Endes; pulvis et umbra sumusiv – Asche zu Asche, Staub zu Staub – causa finita estv (und kein noch so inbrünstiger Glaube kann daran etwas Grundlegendes ändern). Das Nirwana, der Jüngste Tag, die Auferstehung und das ewige Leben – alles tröstende und vertröstende Märchen für spirituell labile Menschen, welche die triste Realität ihres deprimierend banalen Alltags nicht verkraften (– ‚denn nach dem Tod wird es bestimmt besser’). Trotzdem gibt es zungenfertige Erdenbürger (und eine überaus umfangreiche Schriftenflut), die einem tatsächlich erzählen wollen, wie es an diesen metaphysischen Orten aussieht und wie man am besten dorthin gelangt – oder es erfolgreich vermeidet. Solche wahrnehmungsgestörten und perikulös derangierten Individuen gehören instantan eingesperrt und psychiatrisch behandelt, bevor sie weiterhin spirituelles Ungemach verbreiten. Ebenso die visionären Propheten und die salbadernden Heilsverkünder, während die einschlägig bekannten ‚heiligen’ Bücher konziliant in die Regale der Erzählungen, Legenden und Fiktionen verbannt werden sollten. Doch das ist die uralte klerikale Ungerechtigkeit: Wenn ein ‚normaler’ Durchschnittsmensch Stimmen hört, ist er schizophren und kommt unverzüglich in eine Nervenheilanstalt – doch wenn ein wie auch immer ‚inspirierter’ Geistlicher Stimmen hört, ist es sofort eine göttliche Offenbarung. Da soll noch einer sagen, vor dem Gesetz – vollkommen egal, vor welchem – wären alle gleich.

33.

Das organische Leben ist ein exzeptionelles, kolossales Akzidens, ein tragisches Malheur der experimentierfreudigen intergalaktischen Chemie.

i Durch Eintracht wächst Kleines, durch Zwietracht zerfällt das Größteii Wo der Verstand zu Ende ist, da erhebt sich das Gebäude des Glaubensiii Nach dem Tode kein Vergnügeniv Staub und Schatten sind wirv Der Fall ist abgeschlossen

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34.

Der menschheitsumfassende, weltweite Frieden wird kommen, dessen bin ich mir ganz sicher – spätestens, wenn die Erde aufgibt und untergeht.

35.

Ein freundlicher Migräneanfall gibt einem das qualvolle Gefühl, daß der Schädel instantan platzen könnte. Nur leider tut er es nicht…

36.

Wenn es tatsächlich eine Hölle gibt, dann ist es unsere eigene, selbstgemachte, und wir sitzen mittendrin.

37.

Nicht eine einzige philosophische Hypothese oder religiöse Weltanschauung hat eine für alles und jeden optimistisch positive, endgültige Lösung der menschlichen Existenz anzubieten – Άνέγνων, έγνων, κατέγνων (legi, intellexi, condemnavi)i; – nur der instantane, kategorische Omnizid.

38.

An manch bleiernen Tagen kann man keinen klaren, zielgerichteten Gedanken fassen, und die ganze Welt versinkt in dumpf-betäubender Watte. Dieserart ruinierte Tage sind verloren und gefährlich zugleich.

39.

Die Seele ist auch nur so eine hinterhältige, unnötige Erfindung des Menschen, mit der sich die jenseits- und resurrektionsbezogenen Religionen erfolgreich ihre Anhänger gefügig halten. Ohne eine reale Existenz der menschlichen Seele hätten wohl sämtliche Glaubensrichtungen ihren sakralen Sinn verloren. Denn was soll nach dem naturbedingten Exitus erlöst oder verdammt werden, wenn nichts erlösens- bzw. verdammenswertes zurückbleibt, und was soll wandern, wenn es nichts zu wandern gibt? Doch so weit wird es nicht kommen, denn die meisten Menschen können es in ihrer mikrologischen Egozentrik eben nicht ertragen, daß mit ihrem biologischen Tod restlos alles exhaustiv und irreversibel vorbei sein soll. Obwohl, eigentlich ist dieses absolute Ende auch ein Grund zur Hoffnung, da man die uneingeschränkte Gewißheit hat, daß dieses terrestrische Trauerspiel eine singuläre Erscheinung bleibt, und daß manch imbeziler Narr und manch grenzdebiles Individuum der historischen Vergangenheit unter Garantie nicht wiederkehren kann.

40.

Die Menschheit ist der Eiter der Natur.

41.

i Ich habe gelesen, ich habe verstanden, ich habe verworfen

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Es heißt, Schmerzen beweisen einem, daß man noch lebt. Die Frage ist, will man das dann überhaupt noch?

42.

Vor mehr als zwei Jahrtausenden schon konstatierte Horaz in seiner direkten Art: odi profanum vulgus et arceoi, und er spricht mir aus der tiefsten Seele. Obwohl, eigentlich ist es bei mir eher ein allgemeines, durch die tagtäglich enttäuschende Realität begründetes, stetig zunehmendes odium generis humaniii. Möge sich der homo sapiens zum homo extinctus wandeln – pereat mundusiii und nach mir die Sintflut.

43.

Das Leben ist wie die Fahrt auf einer deutschen Autobahn: der unbelehrbare Raser drängelt hinter einem, der unbelehrbare Schleicher blockiert vorne – und das aggressiv, permanent und simultan. Da befinde ich mich lieber in der spirituellen Raststätte des geistigen Daseins.

44.

Zynismus – aktiv; Sarkasmus – reaktiv. Zwei diametrale, partiell korrelierende Werte; zwei singuläre psychosoziale Positionen, die sich jedoch im Lauf der Zeit – respektive im Verlauf eines Lebens – substituieren oder gar unifizieren können.

45.

Gezielter, permanenter Haß strengt auf Dauer zu sehr an; punktuelle, demonstrativ akzentuierte Mißachtung erweist sich als besser, treffender (– und belastet vor allem den Kreislauf und das Seelenleben nicht).

46.

Optimisten sind euphorisch interessierte, enthusiasmierte Utopisten mit zuwenig Erfahrung, Weitblick und Kombinationsgabe. Pessimisten hingegen sind durch das Leben aufgeklärte Optimisten. Der Lauf der Zeit, das soziokulturelle Umfeld und die tagtägliche Empirie mit bzw. in diesem formen den Pessimisten.

47.

Der sogenannte ‚graue Alltag’ ist nicht immer nur grau – er kann bisweilen auch schwarz bis tiefschwarz sein…

48.

Der Schlaf ist – neben dem Omnizid – der beste Freund des Friedens. Wer schläft, der intrigiert, kämpft und tötet nicht. Die allzu hyperaktiven Menschen müßten sich angewöhnen, wie die Löwen 20 bis 22 Stunden täglich zu schlafen.

49.

i Ich hasse den Pöbel und halte ihn mir fernii Haß gegen das Menschengeschlechtiii Soll die Welt verderben

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Der Mensch, diese selbsternannte Krönung der Schöpfung (– welch ungerechtfertigte Anmaßung! – eine an sich höchst unberechtigte Verunglimpfung der Natur; und das bloß, weil er ein bißchen Gehirn hat), erweist sich nur als eine temporäre, kompostierbare Zellanhäufung, deren allgemeine Grundbedürfnisse und Aktivitäten vollständig denen von Einzellern und Amöben gleichen: Fressen, Defäkieren, Schlafen und Fortpflanzen – und die meisten Erdenbürger sind mit infantiler Wonne in diesem geistigen Amöbenstadium verblieben (oder, nach anfänglichen, zum exhaustiven Scheitern verurteilten Versuchen des minimalintellektuellen Aufstiegs, reumütig dorthin zurückgekehrt).

50.

Wenn der Mensch tatsächlich das Ebenbild Gottes sein soll, wie es diverse ‚heilige’ Schriften mutmaßen, muß man sich ehrlich fragen, ob man einen solchen Gott überhaupt will – oder ob man ihn nicht lieber bedauern soll. Horaz notierte: nil mortalibus ardui est: caelum ipsum petimus stultitia neque, per nostrum patimur scelus, iracunda Iovem ponere fulmina i. Wie kann Gott Freude an der Menschheit haben?

51.

Religionen sind akzidentelle Abfallprodukte der Geschichte, und somit überflüssig. Menschen sind akzidentelle Abfallprodukte der Evolution, und somit ebenfalls überflüssig. Selbst die Erde ist ein akzidentelles Abfallprodukt einer präsolaren Supernova…

52.

Manchmal wird man angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Ausweglosigkeit richtiggehend Existenzmüde.

53.

Manche Tage sind schlecht, manche Tage sind miserabel – letztere überwiegen.

54.

Immer das unangebrachte Gerede von den sogenannten ‚christlichen Werten’. Diese angesprochenen Werte sind nicht genuin christlich, sie sind zutiefst menschlich – sie wurden von der christlichen Kirche nur annektiert und mehr oder minder homogen inkorporiert.

55.

Blasphemie kann nicht einmal als glaubensideologische Leichenfledderei bezeichnet werden, da man eine extraempirische Imagination nicht verunglimpfen kann. Nur die Menschen, die indoktrinierten Anhänger, die an diese sakrale Illusion glauben, fühlen sich zutiefst beleidigt und persönlich angegriffen.

56.

i Nichts ist den Sterblichen unersteiglich: am Himmel selbst vergreifen wir uns in unserer Dummheit, und durch unseren Frevel lassen wir es nicht zu, daß Jupiter die zürnenden Blitze niederlegt

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Die Tragik des pessimistisch-realistischen Gesellschafts- und Religionskritikers: Das Schreiben über und für einen immens umfangreichen Personenkreis, welcher diese differenzierten Worte, gedacht als ideologische Augenöffner, jedoch nie lesen oder beachten wird.

57.

Der Tod ist nicht das biologische Ende – nur das individuelle, persönliche; es folgen Verwesung und Kompostierung (außer bei einer Kremierung oder einer buddhistisch-tibetanischen Himmelsbestattung).

58.

de mortuis nil nisi benei, schrieb Cheilon von Lakedemonien sechs Jahrhunderte vor der Zeitenwende. Heißt das etwa, Religionskritik sei ungebührliche, üble Nachrede?

59.

Gewalt über seine Mitmenschen zu erlangen ist relativ einfach, Gewalt über sich selbst zu erlangen hingegen nicht. imperare sibi maximum imperium estii, notierte weiland Seneca.

60.

Die Menschen sollten hoffen, daß es für sie nach dem Tode kein immerwährendes, friedliches Elysium und ein unvergängliches Leben in selbigem gibt – dort würden sie vor Langeweile sterben, wenn sie könnten.

61.

Echte Märtyrer (Selbstmordattentäter sind keine) zeigen sich als starrsinnige, unbelehrbare Besserwisser, die sich mit selbstzerstörerischen Freuden und mit irgendeinem tugendhaften Spruch auf den Lippen für eine arbiträre, unverifizierbare, metaphysische Vermutung (à la Gott gibt es wirklich, heilige Schriften sind wahr und göttlich inspiriert, die Erde ist eine Scheibe, Elvis lebt etc.) von ihren ebenso bornierten und transzendental infizierten Gegnern grausam foltern und abschlachten lassen. Märtyrer sind infektiöse spirituelle Masochisten – kranke Menschen in einer kranken Welt.

62.

Sämtliche Religionen, auch die archaischen, längst untergegangenen, hatten und haben ihre intern hochverehrten Märtyrer. Doch wenn die früheren mit ihren übersinnlichen Hypothesen schon nicht recht hatten (schließlich sind ihre adorierten Götter schon lange tot, ebenso wie die ganze Glaubensrichtung samt ihrer indoktrinierten Anhängerschar), haben es die heutigen genausowenig – denn auch deren religiöse Überzeugung wird in ein paar Jahrhunderten nur noch eine historische Anekdote, eine geschichtliche Randnotiz auf der ständig wachsenden Liste untergegangener Glaubensbekenntnisse sein.

63.

i Über Verstorbene soll man nur Gutes redenii Sich selbst beherrschen ist die größte Herrschaft

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Page 19: Gedankensplitter

Religiöse Extremisten wollen nicht ihre Situation verbessern, sondern die der anderen verschlechtern.

64.

Goethe schrieb in seinem Werk Dichtung und Wahrheit als Thema zum vierten Teil: nemo contra deum nisi deus ipsei. Doch nicht einmal das, denn wie sollte das auch aussehen? Eine frei flottierende metaphysische Phantasmagorie bekämpft sich selbst?

65.

Manchmal möchte man die ganze Welt zurückgeben und gegen eine andere, bessere (am besten menschenleere) eintauschen – eigentlich bei jedem deprimierenden Blick in eine Zeitung, in eine Nachrichtensendung oder aus dem Fenster.

66.

Das selbstbestimmte Lebensende ist die aufrichtigste und konsequenteste Form der Gesellschafts- und Selbstkritik.

67.

Krankheiten sind evaluierende Nadelstiche des Todes.

68.

Menschliche Komödien wie Tragödien kommen und gehen, die permanente unterschwellige Depression aber bleibt.

69.

Bevor man überlegt, ob es intelligentes Leben im Universum gibt, sollte man sich die Frage stellen, ob ein solches auf der Erde vorhanden ist.

70.

Die Erde (d.h. die menschliche Zivilisation) würde untergehen, wären die Menschen nur einen Tag lang ehrlich miteinander.

71.

Letztendlich läßt sich jeder Krieg auf die eine oder andere Weise auf Glauben zurückführen.

72.

Das Evangelium des Johannes beginnt mit dem ersten großen Fehler in der Schöpfung, der da lautet: in principio erat verbumii. Denn wahrlich, ohne Wort kein Streit.

73.

i Niemand kann gegen Gott sein außer Gott selbstii Im Anfang war das Wort

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Ich diskriminiere niemanden persönlich – ich verabscheue alle.

74.

Die Krone der Schöpfung? Der Mensch kann das nicht sein – schließlich hat er sich immer wieder durch seine absonderlichen und unmenschlichen Verhaltensweisen selbst hinreichend disqualifiziert, diesen hohen Titel zu tragen.

75.

Religiöser Fundamentalismus müßte schwerste körperliche Schmerzen bereiten – oder unmittelbar zur biologischen Auslöschung führen.

76.

Rücksicht wird in der heutigen Zeit und ihrem egoistisch-transversalen Denken sinngemäß von Nachsicht, Nachsehen, das Nachsehen haben abgeleitet. Und da niemand gern das Nachsehen hat, gibt es allgemein so wenig interindividuelle Rücksichtnahme auf der Welt. Erst dann, wenn sich Rücksicht wieder mehr lohnt (in irgendeiner Weise, materiell oder ideell), wird sich auch die Bedeutung dieses Begriffs zum Positiven ändern.

77.

Das didaktisch-direktive D deutet detailliert das durabel diminuierende, desolate Dasein des dogmatisch dithyrambischen Dichters: diese dauernd dräuenden, dolorös dysfunktionalen, demoralisierend destruktiven Depressionen dämpfen, dissipieren, defigurieren dramatisch dissolut das deskribierende, deaggressivierende Denken – das dissonant-drakonische Desaster der dumpf drosselnden, dunkel dahindämmernden, dubios dystrophen Dekadenz, das dilatative Debakel der desaströs dominanten Degeneration. Deprimierend…

78.

Niemand wird gezwungen, meine zutiefst persönlichen Ansichten zu glauben oder zu teilen – ich bin nicht infallibel, und liebend gern zu gewaltfreien, gleichberechtigten, konstruktiven Diskussionen bereit, auch lasse ich mich überzeugen, wenn es jemand besser weiß; allein die nackte Realität beweist mir jeden tristen Tag aufs neue die trostlose Faktizität meiner negativen Auffassungen und depressiven Gedankengänge.

79.

Es ist schon erstaunlich, wie weit die Geschichte entfernt zu sein scheint, und wie schnell und oft sie einem doch tagtäglich wieder vergegenwärtigt wird.

80.

Die ganze Welt ist voller Ewiggestriger.

81.

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Wenn ich unter Leute gehe, fahre ich meinen ideologischen Abwehrpanzer hoch und schalte mein neuronales Betriebssystem auf Sparflamme – das verhindert böse Überraschungen und senkt eine allzu optimistische Erwartungshaltung. Bei (zumeist nicht zu erwartendem) Bedarf werden additional ein paar Gehirnzellen aktiviert.

82.

John Owen vermerkte in seinen Epigrammen: tempora mutantur, nos et mutamur in illis; quomodo? fit semper tempore peior homoi. Wie wahr, wie wahr – eine zeitlose Feststellung, ein echtes Axiom.

83.

Religionskritik ist Leichenschändung an einem Kadaver, der immer noch ein wenig zuckt. Ebenso makaber ist aber auch der krampfhafte Versuch der spirituellen Krankenpfleger, dessen ausgezehrtes, in den letzten Zügen liegendes Leben als ein blühendes darzustellen und – leider erfolgreich – auch als ein solches vorzutäuschen.

84.

Manchmal, wenn ich ein neuerworbenes Buch eines interessanten Schriftstellers durcharbeite, muß ich urplötzlich an Hieronymus denken, der seinen Lehrer Aelius Donatus mit den Worten: pereant, qui ante nos nostra dixeruntii zitierte. Doch die freudige Feststellung, daß es noch andere Menschen gibt, die ähnliches diagnostiziert haben und entsprechend argumentieren, bestärkt mich in der Annahme, so falsch doch nicht zu liegen.

85.

Mit potentiellen wie reellen ideologischen Gegnern muß man sich konstruktiv und gewaltfrei auseinandersetzen – mit anderen Worten: extermination is not the solutioniii, um den hierzu konvenablen Spruch aus dem Film Forbidden World1 aus dem Jahr 1982 aufzunehmen. Die vollständige physische Auslöschung seines Antagonisten zerstört nun einmal nicht dessen beanstandetes Ideengut.

86.

Vielleicht braucht man einen intellektuellen Defekt, um richtig denken zu können.

87.

Jeder steht allein auf dieser Welt und muß für sich das Beste daraus machen. Doch so mancher ist der Ansicht, es wäre wohl das Beste, seinem Nächsten zu schaden.

88.

Körperliche Gewalt zeugt von geistigen Defiziten.

i Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen; in welcher Weise? Immerfort wird der Mensch mit der Zeit schlechterii Verdammt sollen die sein, welche bereits vor uns unsere Gedanken ausgesprochen habeniii Auslöschung ist nicht die Lösung

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Page 22: Gedankensplitter

89.

Menschen! – alles insuffiziente anthropomorphe Kreaturen – der überflüssige Auswurf der Schöpfung! Oder, wie Benn es formulierte: „Die Öffentlichkeit ist der Gestank einer Senkgrube und die Politik das Gebiet von Reduzierten.“

90.

Warum ist die chthonische Menschheit so überaus nachtragend, behält negative Impressionen wesentlich besser im Gedächtnis und verdrängt grundsätzlich das Positive? Ein Individuum kann noch so erfolgreich und beliebt sein, eine einzige falsche Anklage macht dies alles zunichte und wird nie vergessen – fama crescit eundoi. Deswegen lautet auch eine uralte Racheregel der intrigierenden Hinterhältigkeit und Heimtücke: audacter calumniare, semper aliquid haeretii. Der Mensch wird unglaublich erfinderisch, wenn es darum geht, seinem Nächsten zu schaden…

91.

‚Ma vie est un combat’, läßt Voltaire Mahomet in seiner Tragödie Le fanatisme ou Mahomet le prophète sagen – vivere militare estiii. Als zeitlose, ideelle Feststellung angemessen, als Lebensgrundsatz schlicht inakzeptabel.

92.

Die Welt hat viele Gläubige und viele Ungläubige gesehen – gestorben und verfault sind sie letztendlich alle. Denn „Glauben ist, auf etwas zu vertrauen, von dem du weißt, daß es nicht existiert“, schrieb schon Mark Twain.

93.

Die Menschen haben einen erstaunlich ausgeprägten Hang zur Unmenschlichkeit.

94.

Die Frage: ‚Gibt es ein Leben nach dem Tod?’ ist genauso albern wie die Frage: ‚Fährt der Wagen nach der Schrottpresse wieder?’

95.

Der Djihad per se, als primär verteidigende Institution des Glaubens, ist vielleicht noch rational einzusehen, doch es ist sicher nicht im Sinne der betroffenen Religion, wenn wegen jeder lächerlichen Lappalie instantan ein globaler Djihad ausgerufen wird. Kaum tätigt jemand eine unachtsame Äußerung oder begeht unabsichtlich eine Blasphemie, erscheinen sofort diverse gnadenlose Fundamentalistengruppierungen, die lauthals und unnachgiebig den ultimativen Djihad gegen alles und jeden fordern, als ‚gerechtfertigte’ Sühne für diese ach! so unglaubliche Ungeheuerlichkeit – giftige Auswüchse einer pseudoreligiösen, pervertierten Frömmigkeit in einer kranken Welt…

i Das Gerücht wächst während seiner Verbreitungii Nur frech verleumdet, etwas bleibt immer hängeniii Leben ist kämpfen

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Page 23: Gedankensplitter

96.

Manchmal frage ich mich ernsthaft, warum ich all das schreibe, und die unsägliche Sinnlosigkeit unserer armseligen Existenz überfällt mich; schließlich bin ich mir durchaus bewußt, daß ich die armen Menschen, die ich meine, intellektuell nie erreichen werde. Solche Leute lesen derartige Werke grundsätzlich nicht, und wenn sie davon hören, verfolgen und bedrohen sie lieber den ehrlichen Verfasser, anstatt vielleicht doch einmal kritisch, objektiv und aufgeschlossen seine Texte durchzusehen – ich warte immer (doch meist vergebens) auf eine gewaltfreie, konstruktive Diskussion. Und dann gibt es noch diejenigen, die von vornherein mit einem dumpfen, gelangweilten, lethargisch-bleiernen Desinteresse gesegnet sind. Doch dann die Antwort: das alles mache ich für mich. Ich schreibe für mich selbst, für meine eigene spirituelle Tranquillität – alles, was ich niederschreibe, verliert einen Teil seiner deprimierenden Dynamik.

97.

Wer sagt, er habe seinen Glauben verloren, der hatte nie wirklich einen.

98.

Die inflexiblen Menschen verharren nur allzugern im dumpf-traditionellen status quo.

99.

Horaz schrieb: dulce et decorum est pro patria morii, was aber letztlich auf die historische Epoche zurückzuführen ist, in der er lebte (genaugenommen galt wohl damals schon eher das bismarcksche patriae inserviendo consumorii). Heute sollte man sich als universeller, weltoffener Kosmopolit sehen, und sich nicht auf einen lokalen, bornierten Traditionalismus versteifen.

100.

Die Menschheit ist von Grund auf misanthropisch.

101.

Paläo-SETI-Forschung ist eine interessante Sache, nur: solange deren überzeugte Vertreter keinen einzigen Beweis der Richtigkeit ihrer phantasievollen Theorien vorzulegen haben, solange bleibt sie eine reine geistige Spielerei – genau wie die Theologie.

102.

Den anthropomorphen Kreaturen fällt es unverkennbar schwer, auf menschliche Weise einsichtig und verständnisvoll zu sein. Sie können einfach nicht verstehen und akzeptieren, daß jemand eine andere Meinung vertritt, als sie selbst.

103.

Jeder Mensch wird gemäß seiner eigenen Unzulänglichkeit und Mittelmäßigkeit unglücklich.

i Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterbenii Im Dienst am Vaterland werde ich aufgezehrt

© Kain von Spreewinkl - 23 -

Page 24: Gedankensplitter

104.

Wahrheit ist für die meisten Menschen nur ein dankbares Wort, mit dem sie ihre alltäglichen Lügen deklarieren.

105.

Für die Menschlichkeit wäre es sicherlich besser gewesen, wenn die anthropomorphen Kreaturen die Götter nie erfunden hätten.

106.

Eine interessante existentialistische Frage: wie hätte man sich weiland entschieden, wenn man seine eigene Geburt hätte verweigern können (– mit dem deprimierend-unheilvollen Wissen, was einen in der Welt erwartet)? quidquid agis, prudenter agas et respice finemi – die Erde wäre wohl viel leerer…

107.

Ich betrachte mich als einen externen Beobachter des irdischen Alltags. Es ängstigt mich, irgendwo ‚dazugehören’ zu müssen; und ich möchte kein angepaßtes, nahtlos integriertes Teilchen von etwas sein – weder aktiv noch passiv –, dem ich nicht uneingeschränkt zustimmen kann.

108.

Die anthropomorphen Kreaturen sind als Tiere zu human und als Menschen zu animalisch; sie präsentieren sich als dunkle, undefinierbare Hybridwesen – nicht Fisch, nicht Fleisch.

109.

Es gibt nur eines, worauf man im Umgang mit Menschen wirklich vertrauen kann, nämlich, daß man ihnen nicht vertrauen kann.

110.

Religiöser Extremismus ist ein untrügliches Zeichen von un- bzw. halbgebildeter Unwissenheit bei leicht manipulierbaren Zeitgenossen.

111.

Was wäre geschehen, wenn die Menschheit, bzw. der homo sapiens, nicht vor etwa zehntausend Jahren, nach der letzten Eiszeit, seßhaft geworden wäre? Und sich überdies Ackerbau und Viehzucht nicht erschlossen hätte? Wir würden wahrscheinlich immer noch im harmonischen Einklang mit der Natur als steinzeitliche Jäger und Sammler durch die leidlich gefährlichen, jedoch artenreichen und industriell unberührten Urwälder streifen; genauso, wie die letzten Jahrhunderttausende zuvor auch schon. Das ist das verlorene Paradies, die entschwundene ungebundene Autonomie – und die Sünde der Zivilisation…

i Was du auch tust, tue es klug und bedenke den Ausgang

© Kain von Spreewinkl - 24 -

Page 25: Gedankensplitter

112.

Glauben ist populär, Unglauben elitär. Dem einen sein Glauben ist dem anderen sein Aberglauben. Und so sind alle religiös aktiven Individuen im Prinzip orthodoxe Häretiker. Ein wahrlich schizophrener Zustand…

113.

Die Religionen, respektive deren mystisch infizierte Anhänger, sollten endlich mit der unglückseligen Manie aufhören, ihre diversen heiligen Schriften nach Art der Kabbalisten exzessiv umzudeuten, scham- wie rücksichtslos zu entkleiden und restlos zu zerpflücken (Gabriel Laub protokollierte: „Die Dogmatiker sind sonderbare Hyänen. Sie nähren sich vom Aas der Gedanken, die sie selbst getötet haben.“). Ein antiker, simpler Text, der, je nach entsprechend ideologisch intendierter Interpretation und Modifikation, einfach alles auszusagen vermag, offenbart am spirituell ausgebrannten Ende überhaupt nichts mehr (nihil probat, qui nimium probati); und was aus solch überschießendem Wildwuchs an partiell sogar kontradiktorischen Exegesen entstehen kann, ist für jeden interessierten Menschen an der zeitlosen religiös-fundamentalistisch motivierten Extremismuslage zu bemerken. Ob Wortspielereien, Buchstabenmagie oder Zahlenmystik – mit einer profunden Kenntnis der mythologischen Materie und der hierzu nötigen Intention kann selbst eine profane Einkaufsliste – oder jedes andere beschriebene Stück Papier – zu einer numinosen Prophezeiung oder einer geheimen göttlichen Offenbarung sakriert werden. Auch ist es immer wieder erstaunlich, daß selbst ein freundlich-mitfühlendes ‚du sollst nicht töten’ von den kreativen Schriftgelehrten völlig antagonistisch als ein aggressiv-inhumanes ‚gehe hin und töte’ ausgelegt werden kann – und sie beharren sogar auf der abwegigen Meinung, triftige Gründe für diesen verbalisierten Schwachsinn anbieten zu können! Phantasievolle Leute, diese ‚göttlich’ inspirierten Hermeneutiker…

114.

An manchen Tagen weiß man schon während des Aufwachens, daß es ein schlechter wird; einer, an dem alles, was man anfängt, fehlschlägt und auf ein exorbitant katastrophales Desaster hinausläuft. Das ist dann aber auch das erste und einzige mal, daß man an solchen Tagen recht behält. Man sollte sie überspringen oder ausklammern können.

115.

Warum ist die Menschheit so unmenschlich?

116.

Was haben die angeblich so ‚wilden’ Tiere den angeblich so ‚zivilisierten’ Menschen voraus? Tiere sind ehrlich, fürsorglich, ohne Vorurteile, nicht nachtragend und (zumeist) nicht grundlos aggressiv, außerdem bringen sie sich nicht laufend wegen irgendwelcher kleinkarierten ideologischen Differenzen gegenseitig um. Das zeigt klar und anschaulich: Tiere sind per se menschlicher als die meisten Menschen. Aber anstatt demütig von ihnen zu lernen, rotten wir sie lieber aus. Denn der Mensch findet es schlechterdings unerträglich, von angeblich niederen Kreaturen in Sachen Humanität ständig vorgeführt und mit einer grazilen, natürlichen Leichtigkeit überflügelt zu werden, schließlich will er mit aller Gewalt die ‚Krone

i Nichts beweist, wer zuviel beweist

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der Schöpfung’ sein. Sein imaginärer, selbstkonstruierter Gott hat ihn doch ausdrücklich dazu bestimmt?

117.

Wenn es wirklich einen Gott gäbe, hätte er schon längst die einzig wahre und richtige Konsequenz aus dem fehlgeschlagenen Schöpfungsexperiment gezogen und die insuffiziente, charakterlose Menschheit vollständig vernichtet.

118.

Die dummdreiste, intolerante Ignoranz ist das schärfste Schwert der Menschheit – und wer mit dem Schwert spielt, wird durch dieses umkommen.

119.

Warum ich so negativ, pessimistisch, zynisch und zersetzend defaitistisch schreibe? Terenz weiß die Antwort: homo sum, humani nihil a me alienum putoi. Auch Wesley Snipes alias Blade erwidert im Film Blade: Trinity2 auf die Frage, warum er nicht einfach nett sein könne: „Weil die Welt nicht nett ist.“ Und Juvenal notierte lakonisch: facit indignatio versumii. Wo kein Mißstand, da keine Kritik…

120.

Die Natur war schon immer hart und grausam, doch dann kam der Mensch…

121.

Was haben Götter und Dämonen gemeinsam? Sie entstammen alle der kranken Phantasie metaphysisch verwirrter Menschen.

122.

Ideologische und religiöse Märtyrer sind gut, weil tot. So können sie wenigstens keinen weiteren Schaden mehr anrichten.

123.

Märtyrer gibt es nicht, nur besserwisserische, obstinate Mikrologen mit latentem Hang zur Selbstzerstörung.

124.

Warum müssen die Menschen an irrationale Religionen glauben – reicht ihnen die harte Realität nicht? Oder ist es wegen derselben: eine Art von psychedelischer Realitätsflucht?

125.

i Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremdii Die Entrüstung macht den Vers

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Page 27: Gedankensplitter

Wenn tatsächlich extraterrestrische Intelligenzen den Planeten Erde beobachteten, wie würden sie den Menschen in seiner ganzen mikrologischen Einfalt sehen? Als erstaunliches, intergalaktisches Kuriosum, das sich selbst der ärgste Feind ist? Vielleicht sind wir die realsatirische Belustigung, die burleske Slapstick-Lachnummer eines ganzen Universums – der preisgekrönte Dauerbrenner auf dem interstellaren Komödienkanal…

126.

Nietzsche, der Optimist, sah als hehren Nachfolger des Menschen den ‚höheren Menschen’ – doch wie soll der aussehen? Noch kleingeistiger, noch aggressiver, noch destruktiver – noch unnötiger? Auch Kraus erkannte eindeutig: „Der Übermensch ist ein verfrühtes Ideal, das den Menschen voraussetzt.“ Das heißt, zuerst müssen die anthropomorphen Kreaturen vermenschlichen, bevor man weiterdenken und eine eventuelle Erhöhung implizieren kann. Doch selbst dazu fehlen gegenwärtig noch die fundamentalsten Prämissen…

127.

Würde sich jeder Mensch schlagartig seiner wahren Bedeutung im Universum bewußt, nämlich: daß er absolut keine hat – unsere Welt wäre ex abrupto eine friedlichere; aber zu erwarten ist das nicht.

128.

Jede transzendente Ideologie kann bezweifelt werden, und je metaphysischer, desto mehr. Am zweifelhaftesten ist die Religion, doch gerade sie wird rigoros ernst genommen und fordert dadurch die meisten sinnlosen Opfer unter den Menschen. Das Unbeweisbare ist das Tödlichste.

129.

Schon die Erlernung des aufrechten Gangs war ein Fehler. Wir hätten damals auf den Bäumen bleiben sollen!

130.

extra ecclesiam nulla salusi, behauptet die römisch-katholische Kirche seit Cyprian von Karthago. Tatsächlich ist das Gegenteil richtig, denn es kann für den Menschen nicht gut sein, sich einer morbiden Schwelgerei und dem krankhaften Suhlen in degenerierten, nekrotisierenden, schon im Verwesen begriffenen religiösen Ideologien hinzugeben.

131.

Waren Neandertaler die besseren Menschen? Wahrscheinlich schon – schließlich sind sie schon ausgestorben. Wir haben das noch vor uns…

132.

Das Leben auf Erden wäre aushaltbarer, wenn die Menschen nicht wären; zumindest die überwiegende Mehrheit dieser insuffizienten Spezies – es würde weder auffallen noch ein bedauernswerter Verlust sein.

i Außerhalb der Kirche ist kein Heil

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Page 28: Gedankensplitter

133.

Menschheit und Intelligenz sind zwei diametrale Faktoren, die sich im Prinzip gegenseitig ausschließen – zumindest gegenwärtig (bzw. seit Beginn der biologischen Menschwerdung bis in unsere apokalyptische Zeit). Je empfindsamer und erkennender ein Individuum ist, um so weniger wohl fühlt es sich unter den anthropomorphen Kreaturen.

134.

Das menschliche Selbstbewußtsein, bzw. dessen maßlos übersteigerte Egozentrik und Hybris, war eine der größten und unnötigsten Fehlleistungen der unglücklicherweise experimentierfreudigen Natur.

135.

Das Gehirn des Menschen ist in der Lage, mehr zu leisten als der rechenstärkste Computer (zumindest im Moment noch) – warum wird es so wenig benutzt? Denn leider hat die überwiegende Mehrheit der Erdbevölkerung ihren Schädel nur, damit sie ihre unterschiedlichen Kopfbedeckungen nicht in der Hand tragen muß.

136.

Die meisten Menschen benutzen ihren religiösen Glauben nur als billige Ausrede für ihre eigenen mentalen und psychosozialen Unzulänglichkeiten. Krasses, aber augenfälliges Beispiel: Wären fundamentalistische Selbstmordattentäter keine profilneurotischen Verlierertypen oder verkrachte Marginalexistenzen, sie wären nicht zu Selbstmordattentätern geworden.

137.

Und was haben sie zu Weihnachten bekommen? – Ein Magengeschwür…

138.

Die nutzloseste, suppressivste, unmenschlichste (im treffendsten Sinn dieses Wortes) und tödlichste Erfindung der selbstzerstörerischen Menschheit waren die perniziösen Religionen samt ihrer unheiligen Götter – brauchbar nur zur kontrollierten Unterdrückung der Bevölkerung, Aufrecherhaltung von artifiziellen Feindbildern und zur bornierten Kriegstreiberei.

139.

Möge das sinn- und nutzlose Menschengeschlecht, welche so wenig Menschliches an wie in sich hat, exhaustiv und unverweilt untergehen – denn was hat es in seiner impertinenten Existenz schon Großartiges vollbracht, außer den gequälten Planeten rücksichtslos auszubeuten und langsam aber sicher unbewohnbar zu machen? Ach ja, noch etwas kann die destruktive Menschheit: wehrlose Tier- und Pflanzenarten ausrotten, von denen jede einzelne wertvoller ist, als der beste Mensch.

140.

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Buddha lehrte, das Leben sei Leiden (Herodot von Halikarnassos – der etwa ein Jahr vor dem Tod des Siddhartha Gautama Shakyamuni geboren wurde – hingegen war der konträren Ansicht, παθήματα μαθήματαi, präziser formuliert, τά δέ μοι παθήματα έόντα άχάριτα μαθήματα γέγονεii, doch das ist eine ganz andere Geschichte), und man solle sich von all den Zwängen und Begierden der eitlen Welt befreien, wenn man die Erlösung und den ewigen Frieden erlangen möchte. Er hat gut reden; in seinen Breitengraden mag das noch einigermaßen funktionieren (von wegen der Welt entsagen und bettelnd und predigend umherziehen), doch mit einer solchen spartanischen, fast asozialen Lebensweise wird man hier in Europa kein freundlich verehrter Heiliger, sondern ein mißachteter, unerwünschter Penner und gesellschaftlicher Paria, wenn man nicht sogar wegen Landstreicherei verhaftet oder wegen diverser geistiger Belange in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen wird. Die Alte Welt mutierte zu einem harten Pflaster für potentielle Heilige…

141.

Die Ewigkeit und die Unsterblichkeit sind gleichermaßen leer und langweilig – sonderlich erstere, wenn sie im trostlosen Plural in Erscheinung tritt.

142.

Unerfüllte und unerfüllbare Begehrlichkeiten sind kleine Tode auf dem Weg zur endgültigen Auflösung.

143.

Demoralisierte Menschen, welche die deprimierend richtungslose gesellschaftliche Genese durchschaut haben, bräuchten ein ideologiefreies territoriales Refugium (– ‚die Ideologie hierbei ist, keine zu haben’ –), in das sie sich physisch zurückziehen können, wenn sie mit dem niederschmetternden Rest der unzulänglichen, gänzlich mit torpiden, mehr oder minder anthropomorphen Kreaturen kontaminierten Welt nicht mehr leben können und nicht mehr einverstanden sind. Alternativ gibt es gegenwärtig nur die geistige Dekomposition und die körperliche Putrefaktion, also die aktive Selbstannullierung.

144.

Die Menschheit ist der Strick der Evolution, der zersetzende Ausschuß einer nie göttlich gewesenen Schöpfung.

145.

Ich bin nicht pessimistisch. Ich hoffe zuversichtlich auf die desinfizierende Selbstreinigungskraft der traumatisierten Erde, welche die defizitären humanoiden Parasiten in toto hinwegspült.

146.

Ein Loch in der Raumzeit – und da hineinfallen…

i Leiden sind Lehrenii Meine Leiden, so unerfreulich sie waren, sind mir zu Lehren geworden

© Kain von Spreewinkl - 29 -

Page 30: Gedankensplitter

147.

Die Menschen hören das Eis klirren, wenn ich vorübergehe… oder, wie E.M. Cioran es treffend formulierte: „Wo ich vorbeikomme, sinken die Hoffnungen in Schlaf, verkümmern die Blumen, wanken die Instinkte: alles hört auf zu wollen, alles bereut, je gewollt zu haben. Ein jedes Wesen raunt mir zu: ‚Ich wünschte, ein anderer lebte mein Leben, sei es Gott, sei es die Wegschnecke. Ich sehne mich nach einem Willen zur Untätigkeit, nach einer noch unausgelösten Unendlichkeit, nach einer ekstatischen Atonie der Elemente, nach einem sonnenüberglühten Winterschlaf, der alles erstarren ließe, vom Schwein bis zur Libelle…’3“

148.

Manchmal möchte ich das ganze Leid der Welt auf mich nehmen und damit Zugrundegehen. Doch dann erhebt sich in mir die Frage: lohnt das überhaupt?

149.

Die mehr als zehntausendjährige Zivilisationsgeschichte der Menschheit lehrt: Religionen kommen, blühen auf, haben ihre Glanzzeit, degenerieren und vergehen – manche überdauern ein wenig länger oder erscheinen intermittierend, werden vielleicht zu einer Weltreligion, einige erfahren eine kurzfristige, flächenbrandartige Verbreitung, andere wiederum verschwinden ziemlich bald schon wieder von der turbulenten Bühne des spirituellen Weltgeschehens. Das war bis heute so, und das wird auch weiterhin so bleiben. Nicht beweisbare Mutmaßungen und irrationale Behauptungen halten sich eben nicht ewig, und noch nie erschien realiter irgendwo in der Welt ein Gott oder eine andere höhere Wesenheit und hat auf diese eindrucksvolle Weise den Wahrheitsgehalt einer arbiträren Glaubensrichtung bestätigt. Diese übersinnlichen Visionen und Schimären manifestieren sich höchstens bei irgendwelchen fanatisch-orthodoxen Schwärmern im gottgefälligen Delirium – oder im Drogenrausch –, die unter ‚normalen’ Umständen schon längst sediert und isoliert in einer psychiatrischen Heilanstalt säßen. Dementsprechend sollte man diese frommen Legenden, sakralen Fiktionen und rein hypothetischen Vermutungen nicht als unumstößliche, infallible, alleinseligmachende Tatsachen und Dogmen betrachten, und auch nicht, wie schon so oft geschehen, als universell einsetzbare Mord- und Kriegsmotive verwenden. Es gibt so viele Religionen und Glaubenssysteme (mit Myriaden von Göttern oder ähnlichgearteten Gestalten), und alle insistieren sie mit z.T. bösartigem, gewalttätigem Nachdruck darauf, uneingeschränkt recht zu haben (und zu behalten). Doch die Menschen sollten sich bei irdisch-profanen Fragen mehr an naturwissenschaftlich abgesicherte Realitäten halten, als sich ständig und im ekstatisch verzückten Geiste in illusorisch-transzendenten Phantasmagorien zu wälzen und irgendwelchen hochspekulativen mythologischen Trugbildern nachzuhängen. Ohne religiös fundierte Anschauungen und den permanenten, leider zwangsläufig daraus resultierenden ideologischen Auseinandersetzungen wäre die menschliche Geschichte mit Sicherheit nicht so unmenschlich, grausam und blutig, wie sie es eben ist. Man betrachte hier nur die christlichen Kreuzzüge oder die mediävalen Hexenverfolgungen; tantum religio potuit suadere malorumi – und all das im geheiligten Namen des ominös-numinosen Unbeweisbaren.

150.

i So viel Übles hat die Religion anzuraten vermocht

© Kain von Spreewinkl - 30 -

Page 31: Gedankensplitter

Horaz schrieb in seinem römischen Optimismus: nemo adeo ferus est, ut non mitescere possitii. Kannte er den Menschen nicht?

151.

Eine eigene religiöse Überzeugung sollte dem Menschen, wie Waffenschein, Horrorvideos und Spirituosen, erst ab der Volljährigkeit erlaubt sein.

152.

Tiere sind die besseren Menschen – Menschen sind die schlimmsten Tiere.

153.

Wir sollten dem Krieg den Krieg erklären – einen erbarmungslosen bellum internecinumii bis zum irenischen Ende….

154.

Das Universum ist so gigantisch und unermeßlich groß – warum mußte ich gerade hier stranden, auf einem irrelevanten Planeten voll mit enervierenden, unbedeutenden anthropomorphen Kreaturen?

155.

Unangebrachter Zweifel ist der vorzeitige Tod jedes möglichen Erfolges.

156.

Fundamentalistische Extremisten haben sich so weit von der irdischen Realität entfernt, daß sie nur noch sich selbst sehen – adversus omnes alios hostile odiumiii.

157.

Einer meiner ehemaligen Mentoren war in seinem odium hominumiv äußerst liberal und unvoreingenommen, und er kategorisierte niemanden – jeder war willkommen und konnte zu ihm gehen, um sich von ihm verunglimpfen und medisieren zu lassen.

158.

Die meisten Ideologien können nach einer kurzen Zeit der allgemeinen Euphorie den Wahrheitsgehalt ihrer angepriesenen Ideen – und somit ihr elementares Existenzrecht – nur mit brutaler Waffengewalt und geistiger Unterdrückung aufrechterhalten.

159.

ii Niemand ist so sehr wild, daß er nicht erweicht werden könnteii Vernichtungskriegiii Gegen alle anderen feindlicher Haßiv Menschenhaß

© Kain von Spreewinkl - 31 -

Page 32: Gedankensplitter

Gibt es etwas auf der Erde oder in unserem Sonnensystem, das positiv und erfreulich ist? Nicht unbedingt – doch zumindest ist es ein beruhigendes Gefühl, daß einfach alles einmal zu Ende geht.

160.

Manch monotheistische Religion würden sich gerne die Namens- bzw. Markenrechte an Gott sichern, wenn sie es denn könnten.

161.

Wenn sich schon Firmen Teile bzw. genetische Bausteine des Lebens und diverse synthetisch konstruierte Tiergattungen patentieren lassen können, kann man sich dann auch Arten des Todes rechtlich schützen lassen?

162.

Ist es der Tod wert, daß man das ganze Leben auf ihn wartet?

163.

Wer tatsächlich in physischer Gewaltanwendung Erfüllung und Befriedigung findet, verdient es nicht, Mensch genannt zu werden.

164.

Die Epikureer mit ihrem sympathischen Agnostizismus hatten eine angenehme Gottessicht: Götter kann es geben, oder auch nicht; doch wenn es Götter gibt, kümmern sie sich nicht um uns, also brauchen auch wir uns nicht um sie zu kümmern. Ebenso sollten die Menschen heute mit ihrer Religion verfahren: glauben kann man, muß man aber nicht; doch wer schon unbedingt einen Glauben haben muß, sollte auch Un- bzw. Andersgläubige akzeptieren, respektieren und tolerieren – denn keiner kann ernsthaft behaupten zu wissen, welche der vielen dargebotenen metaphysischen Ideologien richtig, falsch oder irgendwo dazwischen liegt.

165.

Auch der sakrale Terminus heilig ist in der heutigen Zeit anachronistischer Ballast der menschlichen Historiographie.

166.

Ein altes Sprichwort besagt, homo sine religione sicut equus sine frenoi. Andere hingegen meinen, homo sine religione sicut piscis sine birotaii.

167.

Ethik braucht keine Religion, aber Religionen brauchen Ethik (doch man sieht ja, was teilweise von diesen daraus gemacht wurde).

i Ein Mensch ohne Religion ist wie ein Pferd ohne Zügelii Ein Mensch ohne Religion ist wie ein Fisch ohne Fahrrad

© Kain von Spreewinkl - 32 -

Page 33: Gedankensplitter

168.

Die gegenwärtig verfügbare Menschheit ist zweifellos zu schwach im Geiste, als daß sich in näherer Zukunft noch irgend etwas zum Besseren wenden würde – es regiert der spirituelle status quo (nur die Exploitationsmethoden der Religions-, Staats- und Wirtschaftsführenden verbessern und verfeinern sich).

169.

Die metaphysische Annahme einer postmortalen Metempsychose impliziert eine fest vorgegebene, invariable Anzahl von Seelen, welche jedoch den tatsächlichen biologischen Populationen und deren gewaltigen internen und/oder korrelativen Fluktuationen widerspricht (wobei es auch völlig irrelevant ist, ob diese selektiert betrachtet werden oder nicht). Als Ausnahme präsentiert sich die buddhistische Reinkarnation, da der Buddhismus die Existenz einer individuellen Seele negiert; hier werden nur die mentalen Tendenzen neu kombiniert, um ein weiteres mal einen Lebenszyklus auf dem langen Weg ins Nirwana zu durchlaufen.

170.

Die fundamentale und omnipräsente Insuffizienz der anthropomorphen Kreaturen macht mich vomieren!

171.

Physische Gewalt beginnt, wo Erkenntnisvermögen und Intelligenz enden – und bei der unglaublich hohen Zahl an opferreichen Kriegen, Revolutionen, Anschlägen, Morden und anderen sinnlos-brutalen Gewalttätigkeiten auf dieser blutbesudelten Welt wird nur zu offensichtlich, was die vielen humanitär unzulänglichen Gestalten, die ahasverisch den Planeten Erde verseuchen, in ihren sogenannten Köpfen haben.

172.

Was besagt eigentlich der religiös generierte terminus technicus ‚Glaubenswahrheit’? Er indiziert die – willkürlich zu einer solchen deklarierten – universelle Richtigkeit einer arbiträren extraempirischen Annahme, eventuell sogar wider der objektiven Realität und besseren Wissens. Im Prinzip, bzw. im direkten, wesentlichen Sinne des Wortes jedoch, bedeutet er nichts – er erweist sich lediglich als eine in sich widersprüchliche Wortschöpfung, kreativ kreiert aus dem phantasievollen Reich der sakralen Transzendenz. Denn schließlich gilt: entweder konkrete Faktizität (Wahrheit), oder eben nicht (Glauben). Ein ‚ich glaube, daß es wahr ist’ überzeugt nicht unbedingt – und kann es auch gar nicht: der Glaube per se ist nichtverifizierbare Metaphysik, die Wahrheit hingegen logisch wie rational explizierbar, d.h. eine Glaubenswahrheit entspricht einer Möglichkeitstatsache (man kann auch an die Wahrheit glauben, doch das ist etwas völlig anderes).

173.

Die spirituelle Diarrhoe der einen (Majorität) effiziert das intellektuelle Vomieren der anderen (Minorität).

174.

© Kain von Spreewinkl - 33 -

Page 34: Gedankensplitter

Wer mit Kritik – sei sie nun berechtigt oder nicht – nicht diszipliniert und konstruktiv umgehen kann, sollte mit seiner Meinung auch nicht an die Öffentlichkeit treten. Einfach einmal den Mund halten, wenn man nichts zu sagen hat – dann braucht man sich auch nicht über etwaige Kritiker echauffieren.

175.

Das apriorische Urwissen des sogenannten Menschen um Gut und Böse (i.e. der humanistische Standpunkt ‚behandle jeden in der Weise, in der du selbst behandelt werden möchtest’) wurde in seiner gewalttätigen und blutrünstigen Historiographie bedauerlicherweise viel zu wenig zur gelebten Realität. Es wurde leider nie zu einer apriorischen Verhaltensweise (woran auch die inferiore Intelligenz eine nicht geringe Teilschuld trägt). Und so verharren wir seit Tausenden von Jahren im unzulänglichen Stadium der anthropomorphen Kreaturen, denn für das Prädikat ‚Mensch’ sind wir schlicht noch nicht reif genug.

176.

Physische Gewalt ist die inakzeptabelste und primitivste Meinungsäußerung, zu der ein sogenannter Mensch fähig ist – die angebliche ‚Krone der Schöpfung’ (– ein Lacher, wenn es nicht so traurig wäre –) sollte es eigentlich besser wissen; homo sapiens? – wirklich nicht! – eher noch homo stupidus, homo irrationalis oder homo brutalis (am ehesten wohl eine krude, ungesunde Mischung aus diesen dreien – ein mikrologischer, destruktiver Wechselbalg, ein ganz und gar überflüssiges Experiment der Natur, das dummerweise überlebte und sukzessive die Welt überwucherte). Diese kontinuierlichen aggressiven Ausbrüche stellen uns sogar einige Stufen unter die meisten Tiere, da diese nie aus intendierter, purer Bösartigkeit (oder ideologischer Borniertheit) handeln bzw. töten, ausschließlich zum Nahrungserwerb und zur Verteidigung. Wir sollten ihnen die von uns schon ziemlich ruinierte Erde überlassen angesichts unserer kapitalen Unwürdigkeit – wir sind in unserer ganzen zersetzenden, konsensunfähigen Existenz nicht menschlich genug –, und so schnell und spurlos wie möglich aussterben.

177.

Ein Flimmerskotom lehrt das Sehen mit geschlossenen Augen.

178.

Ohne die metaphysisch-synthetische Vorstellung einer persönlich zugeordneten unsterblichen Seele und eines postmortalen, jenseitigen Weiterlebens hätten viele Religionen – und das ohne den geringsten Unterschied, ob atheistisch, monotheistisch oder polytheistisch fundiert – ihre wichtigste, die zentrale Existenzgrundlage ihrer spirituellen Botschaft verloren. Auf Grund der gewaltigen menschlichen Egozentrik (‚Ich bin doch so wichtig, da kann mit meinem Tod nicht alles vorbei sein’) wird dieser sinnlose Zustand jedoch auch künftig nur grob oszillieren und nie gänzlich verschwinden – worauf soll ein Individuum denn sonst hoffen, wenn nicht auf das nächste Leben? Die Menschen sind so unglaublich einfallslos in manchen Dingen…

179.

© Kain von Spreewinkl - 34 -

Page 35: Gedankensplitter

Seit der Zeit, in der die Menschheit eine Schrift entwickelte, schreiben friedfertige Menschen gegen den Krieg. So erkannte Silius Italicus vor knapp zwei Jahrtausenden: pax una triumphis innumeris potiori, außerdem schrieb er: pax optima rerumii. Die Tragik dieser Schriftsteller: sie werden zwar gelesen, ab und an gelobt, aber niemand richtet sich nach ihnen.

180.

04. August 2006: Die amerikanische Sängerin Madonna hat sich in Rom (Italien) im Rahmen ihrer Confessions-Tour aufmerksamkeitsheischend an ein Kreuz hängen lassen. Im Prinzip nichts besonderes, doch für Kardinal Ersilio Tonini war das eine provokatorische, blasphemische Herausforderung des Glaubens, eine unzulässige Profanisierung des Kreuzes. „Sich in der Stadt der Päpste und der Märtyrer kreuzigen zu lassen, ist ein Akt der offenen Feindseligkeit“, zitiert die italienische Tageszeitung La Stampa den Kardinal, der die Exkommunikation der Sängerin fordert. Dies zeigt wieder einmal eindrucksvoll, wie die römisch-katholische Kirche historische Tatsachen verdrehen kann, denn das Kreuz war ursprünglich ein grausames römisches Folter- und Hinrichtungsinstrument, an dem Tausende qualvoll ihr Leben lassen mußten. Es war von Anfang an ein kolossaler Fehler des Katholizismus, ein solch barbarisches Marterwerkzeug überhaupt in den Stand der Heiligkeit zu versetzen. Genauso abstrus wäre es, würde eine neuzeitliche Sekte ihren erhängten Anführer durch Sakrierung des Galgens verehren.

181.

Frage: Wie läßt sich eine friedliche, lebenswerte Welt ohne Gewalt, Krieg und Militär erreichen? Die deprimierende Antwort: gar nicht – die anthropomorphen Kreaturen sind schlicht zu dumm, egoistisch und primitiv dafür. Erst nach dem zu erwartenden Omnizid, d.h. nachdem sich die insuffiziente Menschheit vollständig vernichtet und ausgerottet hat, wird die Welt eine irenische.

182.

Die Kirchen thematisieren nicht die vorgebrachten Kritiken, sie anathematisieren die monierenden Kritiker!

183.

Manchen katholischen Heiligen kann man eine gewisse schwarzhumorige Ironie bezüglich ihrer individuellen Zuweisung als Schutzpatron oder Nothelfer nicht absprechen. So wurde beispielshalber der Apostel Bartholomäus, genauso wie Jesus schon vor ihm, von seinen Widersachern gekreuzigt – jedoch erst, nachdem man ihm lege artis und bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen hatte. Seither gilt er für gläubige Katholiken als prädestinierter Schutzheiliger für Gerber, Lederverarbeiter und Metzger, des weiteren wird er bei den verschiedensten Hautkrankheiten um Hilfe angerufen. Oder nehmen wir den heiligen Pantaleon, weiland Leibarzt des römischen Kaisers Maximian: ihm wurde beim Versuch, ihn anläßlich seiner fortgesetzten Missionierungsversuche zu enthaupten, durch das Henkersschwert der Schädel gespalten. Seitdem flehen ihn die Gläubigen u.a. bei Kopfschmerzen um Beistand an – kalkulierter Klerikalsarkasmus?

184.

i Ein Friede geht über unzählige Triumpheii Frieden ist das beste aller Dinge

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Page 36: Gedankensplitter

An manch deprimierenden Tagen erweist sich jedes gesprochene Wort als nichtig, unangemessen oder falsch, respektive wird vom aktiv mißgestimmten Adressaten a priori äußerst negativ aufgefaßt. Zu solch kommunikationsdefizitären Zeiten der intendierten Fehlinterpretation und der interindividuellen Angespanntheit, in denen das gefährlich knisternde, emotionsgeladene Aggressionspotential fast greifbar in der unheilschwangeren Luft liegt, sollte man, im Sinne einer friedlich harmonisierenden Deeskalation, einfach einmal schweigen und Ruhe geben – denn silentium aurum esti. Allein, die meisten Menschen können nicht anders und referieren wie radotieren trotzdem unermüdlich und ohne Rücksicht auf Verluste munter weiter (denn dumm daherreden können sie alle) – woraus schließlich die kleinlichen, unnötigen, unerquicklichen Sozialkonflikte und zwischenmenschlichen Mißverständnisse des Alltags entstehen.

185.

Das spirituelle Potential der Menschheit wäre im Prinzip gut, nur der Mensch, respektive das, was sich Mensch nennt, ist es nicht.

186.

Die wohlbekannte, oft verwendete und äußerst dramatisch anmutende Sentenz ‚ein Buch ist eine Waffe’ ist m.E. ziemlich verfehlt (außer man wirft es), denn letzten Endes wird niemand gezwungen, bzw. kann gezwungen werden, ein bestimmtes Buch gegen seinen Willen zu lesen.

187.

Die misanthropische, bösartig-hinterhältige Feigheit pseudoreligiös-fundamentalistischer Terroristen und Selbstmordattentäter ist augenfällig daran zu erkennen, daß sie beinahe ausschließlich unbeteiligte, ahnungslose und unbewaffnete Zivilisten – inklusive Frauen und Kinder – angreifen und niedermetzeln. Und solche ehrlosen, abartigen Unmenschlichkeiten sollen ein gottgefälliges Werk sein? Blasphemistischer Nonsens! – seit wann ist Gott ein gewaltbereiter Terroristenführer oder Kopf einer frevlerischen Mörderbande? Im Prinzip zeigt sich in diesen höchst pathologischen, rein kriminellen Aktivitäten einzig und allein die ausgeprägt imbezile Schwachsinnigkeit dieser radikal-idiotischen Glaubenspervertierten – anthropomorphe Kreaturen, deren asoziales, unwürdiges Dasein jeglicher menschlichen Existenzberechtigung entbehrt.

188.

Nichts auf der Welt ist umsonst – nur vergebens…

189.

Es verwundert nicht, daß die Welt ist, wie sie ist, wenn die meisten Menschen nicht einmal in der Lage sind, ohne größere Probleme mit einem Aufzug zu fahren.

190.

i Schweigen ist Gold

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Page 37: Gedankensplitter

Pseudoreligiös fundamentalisierte Attentäter und Terroristen wollen immer gleich einen als religionskritisch oder freigeistig erkannten Publizisten ermorden (bzw. deren geistig luxierter spiritus rector lobt ein Kopfgeld für diese gottlose Tat aus) und setzen in der Folge alles daran, ihr aggressives, paganes, rein kriminelles Vorhaben in die Tat umzusetzen – Tod dem bösen Ungläubigen! Nur sehen sie in ihrer eindimensionalen und unidirektionalen Betrachtungsweise nicht, daß sie mit dieser intelligenzfreien Gebarung dem ach! so verhaßten Kritiker zu einhundert Prozent Recht geben – von der daraus folgenden unverhofften Publicity für die Werke des betroffenen Autors ganz zu schweigen. Viele unbekannte Arbeiten von vordem weitgehend unbeachteten Literaten wurden erst durch solche – im Endeffekt für die konfessionellen Meuchelmörder kontraproduktiven – blutrünstigen Aktionen einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgemacht. Hätten die orthodoxen Extremisten einfach nichts unternommen, die als despektierlich erachteten Manuskripte des mißfälligen Verfassers wären höchstwahrscheinlich sang- und klanglos in der gewaltigen Medienflut der Gegenwart untergegangen…

191.

Die im Katholizismus immer noch oft und gern praktizierte Verehrung diverser Heiligenreliquien wirkt in unserer heutigen Zeit ein wenig befremdlich und grotesk, wenn man sich die zahlreichen weltweit adorierten körperlichen Überreste exemplifikatorisch ad oculos demonstriert. Demnach müssen viele der Sanktifizierten mindestens fünf Hände, dreißig Finger und acht Köpfe mit einigen hundert Zähnen gehabt haben. Das erscheint dann doch ein wenig unglaubwürdig (oder ist gerade das das Zeichen ihrer Heiligkeit?). Und schon Erasmus von Rotterdam vertrat vor einem halben Jahrtausend die Auffassung, daß die allenthalben aufbewahrten Splitter des heiligen Kreuzes ausreichen würden, um daraus ein ganzes Schiff zu zimmern…

192.

Kein Mensch braucht Märtyrer – nur Ideologien brauchen Märtyrer, und zwar einzig und allein, um sie in ihrem Sinne als effektvolles, nachahmenswertes Anschauungsmaterial auszuschlachten.

193.

Warum wird bei Blasphemieprozessen der Betroffene nicht in den Zeugenstand gerufen?

194.

Wissen induziert Depression – Nichtwissen effiziert Euthymie. beati pauperes spiritu…i

195.

Ich möchte mit meinen kritischen Schriften niemandem seine persönlich präferierte religiöse Ideologie abspenstig machen – soll doch jeder glauben, was er will. Nur soll er nicht verbissen auf deren absolute, unumstößliche Richtigkeit beharren und aggressiv wie penetrant versuchen, andere ungefragt davon zu überzeugen, denn wirklich bewiesen wurde bis dato definitiv keine einzige. Auch ein frommer Spruch wie: ‚Der christliche (oder irgendein anderer) Glaube muß generell und uneingeschränkt wahr sein, schließlich existiert er schon seit 2.000 Jahren, und was so lange all die grotesken Wirren der Zivilisationsgeschichte

i Glücklich sind die geistig Armen

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überlebt, muß de facto als richtig erachtet werden’ ist grundsätzlich gegenstandslos. Denn was soll’s? Der altägyptische Götterglaube beispielsweise bestand mehr als 4.000 Jahre, trotzdem starb er letzten Endes aus. Auch den prädeistischen Polydämonismus der Altsteinzeit, der über mehrere zehntausend Jahre vor der ersten Zivilisationsentwicklung bestand und unseren naturwissenschaftlich unbedarften Vorfahren heilig war, gibt es nicht mehr. Das heißt, Religionen und transzendentale Überzeugungen können zwar weitreichende, weltbewegende, epochale Erscheinungen sein, doch jede noch so glaubensvolle und potente Epoche geht irgendwann einmal vorbei – die eine früher, die andere später.

196.

Die Christen hätten als verbindendes äußerliches Zeichen ihrer Religion den Fisch (ίχθύς gr.: Ichthys; symbolträchtiges Apronym für: Iesous CHristos THeou Yios Soter = Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser) beibehalten sollen. Dieser signitive Ansatz wäre zumindest friedlicher und freundlicher gewesen, als ein unmenschliches, todbringendes Folter- und Mordwerkzeug dazu zu bestimmen. Der fragwürdige Hintergedanke, der diesen drakonischen Schritt bewirkte, war wohl, potentiellen Abtrünnigen zu zeigen, was ihnen blüht, falls sie infamerweise konvertieren sollten.

197.

Jede Art von aggressiver ideologischer Missionierungsarbeit – sogenannte Proselytenmacherei –, die sua sponte ihre unbedarften Opfer gewaltsam indoktrinieren will, und welche sich ostensiv bar jedweder perzeptiblen Intention geriert, antagonistische Anschauungen oder schlüssige Gegenargumente zuzulassen, respektive selbige gar nur anzuhören, ist gleichsam inhuman (dem eigenverantwortlichen, selbstbestimmten Individuum gegenüber) wie kontraproduktiv (der objektiv verifizierbaren Realität gegenüber), und somit a priori strikt zu negieren.

198.

Die überwiegende Mehrheit der gegenwärtig existenten und praktizierten Glaubensrichtungen, vor allem die großen Volks- und Weltreligionen4, haben das protreptisch-paränetische Ansinnen, das hehre und positive Bestreben, aus ihren frommen Anhängern bessere, verträglichere und friedlichere Menschen zu machen – letztendlich also die irenische Generierung von ethisch wahrhaftigen Erdenbürgern. Dies bedeutet und beweist jedoch auch zweifelsfrei, daß sämtliche fundamentalistischen Selbstmordattentäter und extremistischen Terroristen, ebenso wie deren geistige Korrumpierer, die ultraorthodoxen Glaubensverführer, nur einer bösartigen, pervertierten Abart ihrer im Prinzip achtbaren Konfession nachhängen, die sie durch ihre rein kriminellen und barbarischen Aktivitäten permanent entehren und höchst charakterlos mit Füßen treten.

199.

Die Menschen brauchen keinen Gott, aber ein Gott braucht die Menschen.

200.

Ein starker religiöser Glaube, positiv gelebt und menschenfreundlich praktiziert, mag für manchen die spirituelle Erfüllung seines irdischen Lebens sein – doch der ehrlich Wahrheitssuchende sollte auch im angemessenen Maße seine sakrale Meinung revidieren und

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modifizieren können, wenn sich etwa herausstellen sollte, daß manche dieser frommen Ansichten so nicht richtig sind, oder es auf Grund neuester naturwissenschaftlicher Erkenntnisse gar nicht sein können. Vieles, was in den diversen heiligen Büchern steht, hat geradeso, im augenfälligen Literalsinn, mit Sicherheit nicht stattgefunden. Wenn nun beispielsweise die Entstehungsgeschichte der Erde gerade einmal den kurzen Zeitraum von ein paar Stunden oder wenigen Tagen in Anspruch nimmt, kann auf Grund der phänomenalen astrophysikalischen Erkenntnisse der Gegenwart tatsächlich insinuiert werden, daß diese minimalistische Frist von den gottesfürchtigen Autoren, welche bei dem beschriebenen Ereignis ohnehin nicht zugegen waren, eher metaphorisch gemeint war und vermutlich nur zum ostentativen Herausstellen des omnipotenten Numinosen dieserart formuliert wurde. Des weiteren erweist sich unsere Erde als erheblich älter, als es manche Glaubensrichtungen annehmen, bzw. die es von ihren heiligen Büchern so vorgegeben bekommen – auch hierzu gibt es schlüssige Begründungen und sogar handfeste Beweise, z.B in Form von viele Millionen Jahre alten Fossilien oder lithogenen Erkenntnissen aus dem Fachgebiet der Plattentektonik, die jeden geologisch Interessierten anschaulich nachvollziehen lassen, daß die Welt eben nicht erst seit wenigen tausend Jahren besteht. Warum sollte nun ein gläubiger Religionsanhänger aktiv und wider besseren Wissens die offensichtliche Realität verleugnen, und das nur, weil es irgendwo in einem Buch geschrieben steht? – zu Papier gebracht von unbekannten Menschen mit unbekannter Intention, verfaßt in einer unbekannten Epoche mit unbekannter Kultur, womöglich noch in unbekannter Sprache und einer unbekannten Schrift? Ergo sollten sich Religionen in ihren Aktivitäten ausschließlich auf das Metaphysische und dem Seelenheil ihrer Gläubigen beschränken, und nicht permanent wie apodiktisch physikalische Realitäten bestreiten – das schadet letzten Endes nur dem offiziell dargebotenen Infallibilitätsanspruch.

201.

Was ist ‚Nichts’? Nichts ist ein Gasballon ohne Gas und Gummihülle. Nichts ist ein Loch ohne Rand. ‚Nichts’ ist eine Definitionssache, die (fast) jeder versteht: ein ‚Nichts’ ist nichts. Versuchen Sie, sich ein ‚Nichts’ vorzustellen, woran denken Sie? Die Frage wirft sich auf, ob es ein wirkliches Nichts gibt. Ist es begrenzt, ist es unendlich, lebt es? Ein begrenztes Nichts gibt es nicht, die Grenze ist schließlich ‚Etwas’. Anzunehmen, daß es unbegrenzt ist, aber dann wäre es überall, und wir wären nicht da. Die Astronomen behaupten, hinter der Urknallshülle ist nichts, ein angeblich grenzenloses, unendliches Nichts. In diesem ‚Nichts’ ist aber ein Sandkorn, ein Makel – unser Kosmos. Ergo ist dieses Nichts ein Etwas, da es schließlich etwas enthält. Die Behauptung steht im Raum, der Urknall hätte im Nichts stattgefunden, der Kosmos ist aus ebendiesem ‚Nichts’ entstanden. Im Nichts hört aber die Zeit auf (und sie fängt auch nicht an), und ohne Zeit kann nie etwas entstehen. Die Geburt des Kosmos setzt also eine Zeit voraus. Die Zeit des Nichts ist die Ewigkeit. Ewigkeit wiederum ist unendlich, keine Zeit in dem Sinne, eine Un-Zeit. Demzufolge würde der Zustand vor der Geburt des Alls noch immer andauern. Dies der erste Einwand. Der zweite: Aus Nichts kann nichts entstehen. Ein Nichts kann man auch nicht verdoppeln oder halbieren. Ein Nichts hat keine Materie, keine Substanz. Es kann aus sich kein All hervorbringen, da es ja nichts beinhaltet. Ein reines ‚Nichts’ gibt es nicht, da es zwangsläufig ein Ende geben muß, sonst wäre letzten Endes unsere eigene Existenz in Frage gestellt. Der vorsokratische Philosoph Parmenides von Elea, einer der Hauptvertreter der eleatischen Schule, spricht am Anfang seines Lehrgedichts Über die Naturi von einer Göttin, die den denkenden Menschen (homo sapiens) aufnimmt und ihm verheißt, daß er von ihr der ‚Wahrheit unerschütterlich Herz’ erfahren werde. Die göttliche Offenbarung lautet: es ist nur Sein. Zwei Wege kommen demnach ernsthaft in Frage: der Weg des Seins und der Weg des Nichtseins. Ganz absurd

i Siehe Anhang VI.

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wäre dagegen, Sein und Nichtsein für dasselbe zu halten. Aber auch der Weg des Nichtseins ist per se nicht denkbar; denn was nicht ist, kann auch nicht gedacht werden – alles, was gedacht werden kann, ist. So bleibt allein der Weg des Seins übrig. Wenn aber das Seiende notwendig ist und in keiner Weise mit dem Nichtseienden kombiniert werden darf, dann muß das Seiende ungeworden und unvergänglich sein, denn sonst wäre es irgendwann einmal nicht gewesen. Es muß tatsächlich kontinuierlich, unveränderlich, vollkommen seiend und ein einziges sein, denn sonst wäre das Seiende hinsichtlich eines veränderlichen Attributes zugleich nicht oder es wäre mit anderem Seienden nicht identisch. Das Ergebnis hieraus lautet: Wenn es tatsächlich ein echtes Nichts gibt, kann es kein Sein, also Leben geben, da im Nichts nie ein All oder sonst etwas entstehen konnte! Mit anderen Worten: unser Dasein ist ein Gespinst, denn es gibt kein Leben – oder es gibt kein Nichts. Nun werden die frommen Anhänger aller erdenklichen Glaubensrichtungen aufschreien und insistieren: Unser Gott – je nach Religion auch gerne im polytheistischen Plural – hat es so gewollt! Er hat die Welt und das Leben aus dem Nichts geschaffen. Aber: Im Nichts gibt es nichts. Im Nichts gibt es keinen Gott, auch er ist nicht ungeworden und unsterblich. Er braucht auch eine Geburt. Ein Gott lebt und existiert im Glauben seiner Verehrer. Keine Verehrer – kein Gott. Der große Zauberer hext den Kosmos aus dem Nichts? Nun denn, wohl dem, der daran glaubt. Auch ein Gott kann solche Wunder nicht vollbringen. creatio ex nihilo? nihil ex nihilo!i Gott ist die Erfindung und die ideologische Stütze derjenigen, die glauben, daß das Leben einen transzendenten Sinn haben muß. Sie zerbrechen ohne Gott und Sinn. Aber das Leben hat keinen Sinn, da es kein Leben gibt – oder es gibt kein Nichts. Die naturwissenschaftlichen akademischen Disziplinen haben zur Frage nach dem Nichts einen eigenen Zugang gefunden. Der holländische Uhrmacher, Astronom und Physiker Christiaan Huygens beschrieb als erster die Effekte der Brechung und Beugung von Licht in Kristallen mathematisch exakt, indem er die Formeln für Schallwellen auf das Licht anwendete (Wellentheorie des Lichtes). Da man davon überzeugt war, das sich das Licht wellenförmig von der Sonne zur Erde ausbreitet, das Universum aber nach den damaligen Vorstellungen nichts enthielt, was als Transportmedium verwendet werden konnte, hat sich der Begriff des ‚Äthers’ eingebürgert, welcher das ganze Weltall als unsichtbares Medium erfüllen sollte. Erst durch die einsteinsche Relativitätstheorie wurde der Äther als nicht existent enttarnt und durch das Vakuum ersetzt, wobei es sich um Raum handelt, in dem weder Materie noch Energie vorkommt. Womit wir, zumindest vorübergehend, wieder beim Nichts – wenn auch nur ein partielles – angekommen wären. Zwischenzeitlich hat sich mit der Quantenmechanik und ihrem sogenannten Welle-Teilchen-Dualismus und ähnlichen Theorien das Blatt erneut gewendet. Die Wissenschaft hat sich wieder vom Nichts verabschiedet, da man nun zur erfolgreichen Erklärung der Entstehung der Materie ein allgegenwärtiges Higgs-Feld benötigt, welches dem Universum seine Masse verleiht. Unsere aktuelle Vorstellung vom Universum hängt hauptsächlich davon ab, daß das Teilchen namens Higgs-Boson tatsächlich existiert. Die ersten vagen Meldungen, wonach man das Higgs-Teilchen entdeckt hat, welches etwas übertrieben auch ‚das schöpferische Teilchen’ oder ‚das Teilchen Gottes’ genannt wird, fanden sich bereits in einigen Printmedien und im Internet. Sollte dieses Teilchen aufgespürt werden, dann hätte das Universum keine leeren Stellen mehr, sondern wäre voll von Higgs-Teilchen, Lichtquanten und Neutrinos. Das Higgs-Boson ist somit das Ende des Nichts in der gegenständlichen Welt und versetzt es endgültig ins Intellektuelle und Metaphysische.

202.

Mehr noch als die ‚ungläubigen’ Amerikaner scheinen die islamistischen Fundamentalisten sich selbst zu hassen, wie sonst ließe sich die absolut sinnlose schiitisch-sunnitische

i Erschaffung aus dem Nichts? Nichts entsteht aus Nichts!

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Page 41: Gedankensplitter

Selbstzerfleischung, beispielsweise im Irak, rational erklären? So kann man ihnen nur zurufen: schließt erst einmal mit euch selbst Frieden, bevor ihr andere angreift!

203.

Der Versuch, mit einem orthodoxen Gläubigen kritisch über seine Religion zu diskutieren, ist wie mit einer Wand zu sprechen – beide lassen sich nicht einen Deut bewegen. Eine eigene Meinung zu haben, dagegen kann man absolut nichts sagen, aber selbige nicht modifizieren oder substituieren zu können, wenn es an der Zeit wäre – das ist schlicht konservative, bornierte geistige Unbeweglichkeit. Falls sich nun also eine der immerwährend glaubenshungrigen anthropomorphen Kreaturen in den dunklen, klandestinen Abgründen eines opportunen spirituell-ideologischen Winkels verrannt hat, kann sie nur sehr schwer dort wieder herausgeholt werden. Mit uralten, vorgefertigten Anschauungen, die schon Tausende vor ihr teilten und mehr oder weniger akzeptabel mit diesen koexistieren konnten, lebt es sich eben leicht, man bleibt unter seinesgleichen, medisiert unisono alle anderen, und auch das tiefere Denken wird einem weitestgehend erspart.

204.

Wenn sich die sogenannten Menschen hier auf Erden tatsächlich auch wie solche aufführten, einfach mehr Menschlichkeit, Humanität und Altruismus an den Tag legen würden, müßte ich das alles hier nicht schreiben…

205.

Heute las ich im Feuilleton einer großen deutschen Tageszeitung, daß sich etliche Autoren und Schriftsteller ungern in der Öffentlichkeit oder in den Medien zeigen, und, sooft es eben geht, heimlich in der privaten Versenkung, in der gesellschaftlichen Anonymität verschwinden (der betreffende Artikel Ästhet des Verschwindens5 von Hendrik Werner handelte vom ex aequo agierenden Schriftsteller und Drehbuchautor Patrick Süskind, anläßlich der Verfilmung6 seines literarischen Werkes Das Parfüm. Die Geschichte eines Mörders7). Dieser sukzessiv zunehmende Privatismus diverser Künstler, eventuell in argwöhnischer ‚Personalunion’ mit ein wenig unterschwelligem Persekutionsdelirium, ist wahrlich auch kein großes Wunder, da sie anderenfalls in unserer gewalttätigen, kleinkarierten und intoleranten Welt ständig befürchten müßten, von irgendwelchen radikalisierten Chaoten oder quasireligiösen Fundamentalisten bedroht, entführt oder ermordet zu werden, und das alles nur auf Grund von einigen kleinlichen Meinungsverschiedenheiten oder perfide denunzierenden Mißdeutungen. Leider kann man es nicht allen recht machen, und der Planet Erde ist groß – d.h. was in der einen sozialen bzw. religiösen Kulturgemeinschaft instantan eine tödliche Reaktion provoziert, kann für eine andere absolut irrelevant sein, und wenn jemand unbedingt etwas negatives oder medisierendes in einen kritisch verfaßten Text hineininterpretieren will, dann kann man ihn unerfreulicherweise nicht davon abbringen. Doch anstatt sich nutzbringend und mit schlüssigen Gegenargumenten einer konstruktiven Diskussion über die von ihm beanstandete Semantik zu stellen, erläßt er ob der ‚ungebührlichen Dissidenz’ lieber einen völlig überzogenen, unangebrachten Mordaufruf für den ‚häretischen’ Schreiber, und setzt als pointierte Argumentationsbestärkung und taktische Überzeugungshilfe noch ein irrational überhöhtes Kopfgeld auf ihn aus. Bekanntestes Beispiel der letzten drei Jahrzehnte ist hierbei der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie, dessen Kopfgeld sich auf satte drei Millionen US-Dollar belief. Ausgelobt für sein als islamfeindlich deklariertes Werk The Satanic Verses (Die satanischen Verse)8 im Jahr 1989 von der iranischen Regierungsführung

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unter ihrem damaligen Staatsoberhaupt Ayatollah Khomeini – und nur zwei Jahre später wurde es sogar noch einmal verdoppelt! crede mihi, bene vixit, qui bene latuiti, wußte schon Ovid – und ein prophylaktisches Pseudonym kann auch nicht schaden.

206.

Schreiben ist mein präferiertes Instrumentarium, um mental das alltägliche Grauen zu kompensieren.

207.

Die chthonische Menschheit, dieses irrelevante, impotente Konglomerat aus ideologiegesteuerter Inkompetenz und insolenter Intoleranz, ist es einfach nicht wert – und war es tatsächlich auch noch nie –, sich die Erde untertan zu machen. Es ist doch in der Tat allenthalben ersichtlich, was sie unseligerweise daraus gemacht hat – ausbeuten, ausrotten und zerstören, ja, das kann er, der Mensch, zu recht viel mehr hat es bisher leider nicht gereicht. Abgesehen davon, wie wollen die anthropomorphen Kreaturen sich förderlich und wohlwollend um unseren nochblauen Planeten kümmern, um seine gesamte diffizile, ständig metamorphosierende Komplexität aus Flora und Fauna, aus geologischen und klimatischen Aktivitäten etc., mitsamt deren komplizierten Konnexen, Koppelungen und Korrelationen, wenn sie bis heute nicht einmal in der Lage sind, mit sich selbst, geschweige denn mit ihrem Nächsten, in Frieden zu leben.

208.

Menschlichkeit und Altruismus bringen bedauerlicherweise keinen Profit, der Dank der Welt äußert sich meist nur in schönen Worten. Wenn überhaupt…

209.

Die interindividuelle Gewalt des homo sapiens erweist sich als eine eindeutig archaische, präzivilisatorische Ausdrucksform – unsere prähistorischen Vorfahren wendeten sie in einer Zeit an, als es noch keine funktionierende abstrakte Kommunikationsstruktur gab. Durch physische Gewalt wurde, wie bei den meisten anderen Tieren auch, die soziale Rangfolge und somit der gesellschaftliche Status eines Rudelmitglieds ermittelt – das altbekannte Gesetz der Wildnis: der Stärkere hat recht, der Klügere gibt nach. Leider verblieben die meisten ‚modernen’ Menschen, wohl wegen ihrer vielgeliebten Tradition, in diesem sprachlosen Primatenstadium – wobei unsere steinzeitlichen Ahnen auf Grund ihrer relativ einfachen Lebensstruktur wenigstens noch eine einigermaßen reelle Basis für ihr aggressives Verhalten hatten. Heute wurzeln die gewaltproduzierenden Substrate jedoch vorwiegend in irgendeiner der vielfältigen und phantasievollen (weil weder rational noch naturwissenschaftlich verifizierbaren) ideologisch motivierten Transzendenzen. Angesichts der hundertprozentigen Unbeweisbarkeit dieser partiell nahezu ‚unglaublichen’ Gedankenkonstruktionen verwundert es doch außerordentlich, daß immer noch so viele Zeitgenossen so ausnehmend beharrlich auf die uneingeschränkte Richtigkeit ihrer Theorie insistieren, und nicht wenige sogar bereit sind, andere dafür zu ermorden oder gar ihr eigenes Leben hinzugeben. Das heißt, sämtliche religionsfundamentalistischen Terrorakte, sakralen Ritualmorde und blutig-frommen Glaubenskriege, die unsere streitbare Zivilisationsgesellschaft bis dato hervorgebracht hat und durchleben mußte, dienten letzten Endes einzig und allein zur kompromißlosen Verbreitung und Verteidigung von arbiträren und jederzeit substituierbaren Annahmen. Anstatt also mit

i Glaube mir, glücklich hat gelebt, wer sich gut verborgen hielt

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der absolut revolutionären Gabe der Sprache den desiderablen Weg des konstruktiven Dialogs und der gemeinsamen geistigen Reife zu beschreiten, nutzen die anthropomorphen Kreaturen sie lieber, um wirres Zeug, obskure Ideen und irrationale ‚Wahrheiten’ zu verbreiten, welche sie dann beschönigend und als opportunes Alibi für Verfolgung, Mord und Krieg vorschieben. Sie wälzen ungeniert ihre ureigenste Verantwortung auf eine Imagination, eine sachdienliche metaphysische Phantasmagorie ab, die sich weder äußern noch zur Rechenschaft gezogen werden kann. Der Mensch als ‚Krone der Schöpfung’? Wohl eher das tragische Paradigma einer verfehlten Evolution…

210.

Nationalismus ist dumpfe, kleinkarierte Borniertheit – wir sollten endlich lernen, Menschen zu sein.

211.

Glaubt nur nicht, daß das hochverehrte Papsttum, nur, weil es sich gegenwärtig mehr oder weniger als ruhig, allgemeinverträglich und zivilisiert präsentiert, nicht auch völlig anders könnte. Der säkulare Staat, der absolut souverän und unbeschädigt die ideologisch-religiösen Stürme der Zeit übersteht, wurde noch nicht geboren, und wenn sich dereinst die sozialen und politischen Zeiten wieder ändern, werdet ihr schon sehen…

212.

In mancher tragischen medizinischen Ausnahmesituation, wie etwa einer diagnostizierten Inkurabilität bei austherapierten Tumor- oder Schmerzpatienten, sollte dem menschenunwürdig leidenden, todgeweihten Kranken legitim die humane Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe angeboten werden, bei der er mittels einer adäquaten humantoxischen Substanz physisch schmerzfrei und mental entspannt entschlafen darf – wenn klinisch vertretbar, sogar in bekannter, heimischer Umgebung. Lieber ein schnelles, würdevolles, selbstinszeniertes Lebensende, als schleichendes, qualvolles, elendes Siechtum – denn sterben wird der Unheilbare ohnehin, früher oder später. Also warum soll er nicht selbst in Ruhe – und solange er es noch kann – den Zeitpunkt seines irdischen Abgangs determinieren? Leider müssen wir überbürokratisierten Deutschen für diese hehre Gnade des individuellen Todes immer noch ins benachbarte Ausland fahren, weil im eigenen Land die ethisch unglaublich verklemmte Staatsführung die altertümliche medizinpolitische Doktrin des desperaten ‚Überlebens um jeden Preis’ hochhält und sogar verbissen per Gesetz (§ 216 StGB)i

verteidigt. Doch wer das global verbriefte Recht auf Leben hat (Artikel 3 der Internationalen Menschenrechte)ii, sollte auch das garantierte persönliche Recht haben, selbstbestimmt und ohne richterliche Stolpersteine aus selbigem zu scheiden; wobei im Prinzip der zweite Artikel des deutschen Grundgesetzesiii eigentlich gereichen sollte – von wegen ‚ Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit […]’ respektive ‚Die Freiheit der Person ist unverletzlich.’ Mit anderen Worten: laßt doch die Leute sterben, wenn sie wollen…

213.

Es fällt auf Dauer unglaublich schwer, ständig mit seinen pessimistischen Prognosen und deprimierenden Unkenrufen recht zu behalten – vor allem, weil einem vor dem

i Siehe Anhang V.ii Siehe Anhang III.iii Siehe Anhang IV.

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vorhergesagten Desaster keiner glauben mag (man fühlt sich wie Kassandra, die gleichfalls ungehörte Seherin Trojas). Und statt eines Danks für diesen gar freundlich gemeinten Hinweis vernimmt man nur laufend unqualifizierte, abweisende Äußerungen à la ‚es wird schon alles gutgehen – seien sie doch nicht immer so defaitistisch und negativ mit ihren ewigen Schwarzmalereien.’ Aber warum denn nicht? Die meisten meiner schriftlichen Kritiken könnten ohnehin stereotyp mit den Worten: ‚ich habe es euch ja gleich gesagt’ beginnen. Doch die Menschen sind einfach zu sehr von ihren eigenen minderwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten überzeugt, und können es schlicht nicht ertragen, wenn es tatsächlich jemand besser weiß, als sie – dementsprechend gibt es in der deutschen Sprache auch kein euphemistisches Antonym für den nachteilig vorbelasteten Begriff Besserwisser.

214.

Wenn Gott einstmals auf die Erde käme, um eine gewisse Zeit unerkannt unter den Menschen zu wohnen, welche Religion würde er annehmen?

215.

Ich liebe die Welt, ihre Flora und Fauna, und auch ihre vielfältigen technischen Möglichkeiten begeistern mich – aber die mehr oder minder anthropomorphen Kreaturen, die meine kontemplative Idylle trüben, die sogenannten Menschen, die verabscheue ich. Und wer nun ernsthaft wissen will, warum das so ist, braucht nur eine Woche Nachrichten zu sehen (– oder meine Bücher lesen).

216.

An manchen Tagen ist es extrem schwierig, eine plausible Antwort zu finden auf die essentielle, existentielle Frage: was hält mich hier in diesem Leben?

217.

98 Prozent der Menschen sind chronisch süchtig nach Glauben, sozusagen schwer Religionsabhängig – gibt es dafür keine kurative Entziehungsmöglichkeit?

218.

Die Welt braucht dringend einen fundamentalen Paradigmenwechsel – vom gewaltbereiten Egoismus zum friedfertigen Altruismus.

219.

Religiöse Zwistigkeiten sind zweifelsohne die unnötigsten und unsinnigsten Differenzen in der komplexen interindividuellen Kommunikation. Doch wenn die Menschen sich ihrer nicht bedienen könnten, würden sie sich eben wegen irgendwelchen anderen ideologisch fundierten Nichtigkeiten gegenseitig den Schädel einschlagen – denn ein metaphysischer Vorwand ist so gut wie der andere. Sie können einfach keine Ruhe geben…

220.

Noch nie hat eine höhere Wesenheit hier auf Erden einen für alle Erdenbürger ex aequo sicht- und überprüfbaren Nachweis ihrer extramundanen Existenz hinterlassen. Und eine als solche

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offerierte ‚göttliche Offenbarung’ enthält letzten Endes auch nur die schriftlich fixierten Gedankengänge eines falliblen Menschen – kreativ und wohlkomponiert zwar, doch ohne jeden wirklichen Erweis einer aktiven ambrosischen Inspiration. Im Prinzip kann jeder, der ein wenig Zeit, Motivation und Ahnung von der metaphysischen Materie hat, ein adäquates ‚Glaubensbekenntnis’ mit dazugehöriger ‚Bibel’ verfassen; wie in der Vergangenheit schon des öfteren gesehen, wird von den intendiert sakral stimulierten Religionsstiftern in spe auch gern ein schon vorhandenes heiliges Werk verwendet, und nur an einigen passenden Stellen angemessen modifiziert oder diverse inopportun erscheinende Textpassagen sachdienlich uminterpretiert – und wenn der phantasiebegabte Erzeuger dieses hochehrwürdigen Elaborats Glück und einflußreiche Fürsprecher hat, wird’s irgendwann geglaubt.

221.

Buddha sprach, Leben erzeugt Leideni. Ich sage: Wissen erzeugt Leiden; denn wer von nichts weiß und auch von nichts wissen will, sondern nur stur und phlegmatisch in Körper und Geist den trivialen, ausgetretenen Pfaden seiner althergebrachten landestypischen Traditionen folgt, der hat tatsächlich nicht viel, woran er wirklich leiden könnte – und selig sind die geistig Armen, referierte schon Jesus bei seiner Bergpredigt (Mt 5,3). Je mehr Kenntnis und Erfahrung aber jemand hat, desto mehr gewahrt er auch die verwirrenden Zusammenhänge und multiplexen Verflechtungen von Religion, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst, welche sich dem interessierten Beobachter leider allzuoft als zutiefst negativ, destruktiv, inhuman und asozial präsentieren – und somit sinkt das intellektuelle Wohlbefinden und wächst das Leiden an dieser Welt. Depression qua Information…

222.

Der manisch-depressive Geisteszustand mit seinen unerquicklichen Stimmungswechseln erweist sich letztlich als ein klassisches Nullsummenspiel – was die ingeniöse Manie euphorisch aufbaut und auch zu erreichen vermag, zerstört die unweigerlich folgende Depression wieder.

223.

Als Papst Benedikt XVI. Anfang September 2006 Deutschland, bzw. seine alte Heimat Bayern besuchte, predigte er u.a. auch auf dem Islinger Feld bei Regensburg. Nach der zelebrierten Freiluftmesse fragte ein kühner Fernsehreporter eine zufällig anwesende Frau, was sie denn im allgemeinen vom Pontifex und seinen glaubensspezifischen Äußerungen halten würde. Sie empfand die Show als einmalig, und äußerte die glorreiche Ansicht: „der Papst ist besser als Robbie Williams“, denn den habe sie auch schon gesehen9. Diese verwegene Antwort allein beweist wieder einmal den chaotisch-kuriosen spirituellen Gemütszustand der Menschen in diesem unseren Lande: geistige Oberhäupter in gleichberechtigter Union mit Popstars, Leinwandhelden und Comic-Figuren! Ob Stellvertreter Christi oder Robbie Williams – Hauptsache, die Show ist gut, und anbeten kann man irgendwie beide! Doch wer mehr oder weniger öffentlich postuliert, an eine transzendente Kraft oder Wesenheit zu glauben, der sollte es auch wirklich tun – und nicht nur nominell, respektive wenn es gerade opportun erscheint. Wer sich der Religion/en dieserart selektiv und saisonal bedient, braucht eigentlich gar keine – er hat es nur noch nicht erkannt, verstanden und akzeptiert (– oder will sich nicht ohne Not vor seinen Verwandten, Freunden und Arbeitskollegen als ‚gottloser Ungläubiger’ outen).

i Pali: Dukkha – eines der drei Daseinsmerkmale und die erste der vier edlen Wahrheiten im Buddhismus

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224.

Das seit ihrem dunkelsten Anbeginn feststehende, erklärte Ziel des ruhelosen, allzeit gewaltbereiten Menschengeschlechts besteht eindeutig und offensichtlich in seiner eigenen exhaustiven Ausrottung, in der selbstproduzierten menschheitsvernichtenden Apokalypse eines global exerzierten Omnizids. Mit anderen Worten: die ungesteuerte biologische Urwüchsigkeit, das natürliche Gleichgewicht der Welt, wie es vor dem akzidentellen Unglück der historischen Hominisation auf dem Planeten herrschte, wird wieder hergestellt; obwohl es bis zur vollständigen Heilung sicherlich eine längere Zeit dauert, da die unzähligen giftigen Rückstände und strahlenden Hinterlassenschaften der experimentierfreudigen anthropomorphen Kreaturen wohl noch für Jahrtausende das kontaminierte Antlitz der malträtierten Erde beflecken werden. Im Hinblick auf die gegenwärtige Epoche der weltweit stationierten und ad nauseam erprobten Massenvernichtungswaffen, der selbstverursachten Klimaveränderungen und dementsprechend zunehmenden Umweltkatastrophen, sowie der unkoordinierten Ausbreitung von letalen Krankheiten und multiresistenten Seuchen, ist bedauerlicherweise (oder glücklicherweise?) auch zu befürchten, daß das finale Desaster nicht mehr lange auf sich warten läßt. Eine unaufhaltbare nukleare Kettenreaktion einer irrtümlich explodierten Atomrakete hier, ein außer Kontrolle geratenes, hochansteckendes, hundertprozentig tödliches Virus da, vielleicht noch ein unabänderlicher Klimazusammenbruch mit humantoxischen Atmosphärenumwandlungen infolge des mittlerweile unübersichtlichen Chemikaliencocktails in Erde, Luft und Wasser – das sollte eigentlich genügen, um uns endgültig den Garaus zu machen. Doch wenn tatsächlich noch einige Hartnäckige nach diesem reinigenden Armageddon leben sollten, schlägt eben ein großer Meteorit ein, und beendet auf diese Weise das irdische Trauerspiel der von Anfang an unnötigen menschlichen Existenz (statistisch gesehen wäre ein solcher Global Killer sowieso längst überfällig); – und wer dieser pessimistischen, misanthropischen Prognose nicht zustimmen mag, der hat kein Auge für die Realität.

225.

Was ist nur aus der sakralen Institution des wahren, dithyrambischen Glaubens – der ehrlich praktizierten Religion – geworden, wenn sich selbst ein – nicht einmal gemeinnütziger (jedenfalls im wahrsten Sinne des Wortes nicht; nur nominell) – Verein wie Scientology eine Kirche nennen darf? Bei einer solch gravierenden Konfessionsdegeneration, wie sie nun schon seit einigen Jahrhunderten wahrnehmbar ist, wäre es da für das eigene ‚Seelenheil’ nicht besser, sich gleich seiner ohnehin nur simulierten Glaubensrichtung zu entledigen? Das wäre wenigstens aufrichtig und seriös, im Gegensatz zur gegenwärtig präsentierten Bigotterie…

226.

Neulich sprach mich einer meiner Leser dahingehend an, daß meine Publikationen bisweilen doch ein wenig schwer zu lesen bzw. zu verstehen wären; auf Grund der kryptisch-exklusiven Diktion und diverser spezieller Termini in den Texten müsse er des öfteren seine Lexika bzw. das Internet zu Rate ziehen oder anderweitige Sekundärliteratur bemühen. Dies verdeutlicht jedoch auch eines meiner didaktischen Anliegen, die ich mit meinen Schriften verfolge: Wer sich wirklich und ernsthaft mit einem bestimmten existentiellen Thema auseinandersetzen und ein diesbezügliches, schwierig zu erfassendes Manuskript bearbeiten sowie die kausal dahinterstehende Absicht des Autors erkennen und dessen persönliche Position der erörterten Problematik gegenüber verstehen möchte, der sollte auch nicht davor zurückschrecken, sich

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bei eventuellen stilistischen, semantischen oder orthographischen Unklarheiten systematisch andernorts zu informieren – so kann er nur dazulernen und seinen geistigen Horizont erweitern. Wer sich hingegen mit einer Lektüre nur mental entspannen und seicht berieseln lassen will, sollte eher zu den einschlägigen Vertretern der Gattung Trivialliteratur greifen, also zu Romanen, modernen Märchen, Reiseberichten, Prominentenautobiographien, Comics etc. Aber ein innovatives Realisat zu einer komplexen Materie wurde ursprünglich mit Sicherheit nicht dazu geschaffen, sozusagen ‚im Vorübergehen’ konsumiert zu werden (– oder, wie es der athenische General und Historiker Thukydides bereits vier Jahrhunderte vor der Zeitenwende formulierte, κτήμά τε ές αίεί μάλλον ή άγώνισμα ές τό παραχρήμα άκούιν ξύγκειταιi); der Leser soll sich dementsprechend auch intensiv, detailliert und konstruktiv mit dem expressiven Inhalt befassen, diesen im gesamten verstehen und sich letzten Endes seine eigene Meinung bezüglich des analysierten Sujets bilden – das ist der tatsächliche Sinn und zentrale Zweck eines Buches. (Des weiteren verhindert ein spezieller literarischer Duktus, daß sich gleichermaßen ungebildete wie gefährliche Individuen eingehender mit den subtilen Veröffentlichungen befassen, diese intendiert mißverstehen oder fehlinterpretieren und somit eventualiter zu einer nicht zu unterschätzenden physischen Bedrohung für den arglosen Verfasser mutieren – und nicht zuletzt kann ein Autor solcherart schriftgewordener Änigmatiken immer noch leichten Herzens behaupten, man hätte ihn und seine amphibolischen Werke nur nicht richtig verstanden…)

227.

Ein großer Fehler des weitverbreiteten mikrologischen Intellekts ist es, seine Mitmenschen zu verurteilen oder gar anzugreifen, nur weil sie anderer Ansicht sind (– in jeder Beziehung des Wortes).

228.

Was charakterisiert den typischen realitätsabstinenten, militanten, pseudoreligiös motivierten Fundamentalisten? Sein eindimensionales, schablonenhaftes Verhalten: nicht erst fragen oder darüber reden – gleich zuschlagen und abmurksen, wenn ein vermeintlicher Glaubensgegner gesichtet wird! Wieder einmal deutlich zu Tage trat dieser destruktive Habitus nach dem Papstbesuch in Deutschland im September 2006, während dem der Pontifex auch eine theologische Vorlesung mit dem Titel Glaube, Vernunft und Universität – Erinnerungen und Reflexionen an der Universität Regensburg hielt. Auf Grund des Zitates eines über 600 Jahre alten Ausspruchs nun – also nicht einmal infolge seiner eigenen Worte oder Gedankengänge –, das zwar den Islam in Mißkredit bringt, jedoch völlig aus dem tatsächlichen vortragsinhaltlichen Zusammenhang gerissen wurde, brennen nun Papstpuppen im Nahen Osten, von unangebrachter Kreuzfahrermentalität wird geredet und eine islamistische Extremistengruppe hat die Jagd auf den Papst angekündigt. Was soll das alles? Darf man jetzt nicht einmal mehr eine kritische Schriftpassage zitieren, die seit 600 Jahren ohnehin jeder selbst nachlesen kann? Hat es die große und ehrenvolle Religion des Islam wirklich nötig, daß sich einige ihrer radikalisierten, gewaltbereiten Anhänger ständig wegen irgendwelcher Nichtigkeiten beleidigt oder persönlich angegriffen fühlen, sofort mit unverhältnismäßiger Rache und mit Mord drohen oder gleich einen Djihad gegen alles und jeden ausrufen? Im Iran wurde unlängst als Reaktion auf den Karikaturenstreit vor einem knappen Jahr10 eine Ausstellung mit Parodien über den Holocaust gezeigt – haben da irgendwo auf der Welt pikierte Juden oder Christen Moscheen und Koranschulen angezündet? Oder gab es irgendwelche Gewalt- oder Mordandrohungen Moslems gegenüber? Nein, denn in einer

i Als ein Besitz für jegliche künftige Zeit eher denn als ein Wettkampf-Glanzstück für den Ohrengenuß im Vorübergehen ist es geschrieben

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ideologischen Auseinandersetzung müssen immer die Relationen gewahrt bleiben, und wegen eines trivialen Mißverständnisses, einer unbedeutenden Indiskretion darf nie zu Entführung, Mord und Totschlag aufgerufen werden. Auch haben orthodoxe Gläubige schon öfter rechtfertigend ins Feld geführt, daß die Christen während der blutigen Kreuzzüge im Mittelalter ebenfalls Tausende unschuldiger Moslems unnachgiebig verfolgten und grausam ermordeten. Das stimmt wohl, aber sollten wir uns als Menschheit im gesamten nicht während der vergangenen zehn Jahrhunderte menschlich und verstandesmäßig weiterentwickelt haben? Aus tausend Jahren Geschichte nichts gelernt? Was damals richtig war, muß es heute nicht mehr sein – die Welt ändert sich eben, und physische Gewalt wird erfahrungsgemäß nie zu einer allgemein befriedigenden Konfliktbewältigung im überaus kontrastreichen Glaubensbereich beitragen können. Zumindest das sollten wir als ideologische Wiederholungstäter inzwischen wissen…

229.

…wenn nun aber irgendein namenloser radikal-islamistischer Fundamentalist meint, ich müsse mich für meine offenen Worte entschuldigen, dann tue ich das hiermit (– der Stärkere hat recht, der Klügere gibt nach) – dies ändert jedoch nichts an den feststehenden Tatsachen, und somit ändert sich auch nichts an der Richtigkeit meiner Ausführungen…

230.

…damit wir uns richtig verstehen: ich halte hier ein kritisches Plädoyer für Frieden, Dialog, Kooperation, Wissen und Realität – für mehr Menschlichkeit. Geistiges Kulturgut, das der großen Masse unserer Weltgesellschaft offensichtlich fehlt…

231.

Eine möglichst weltweite Neuauflage der Sintflut wäre nicht schlecht (und so, wie es aussieht, arbeiten wir zielstrebig darauf zu)…

231.

‚Die Deutschen sterben aus’, gellte allenthalben der fassungslose Aufschrei, als die Medien die Nachricht des dramatischen Geburtenrückgangs bei der autochthonen Bevölkerung verbreiteten – vortrefflich, dann gehen wir wenigstens mustergültig und mit gutem Beispiel voran…

232.

An manch stumpfsinnigen Tagen überkommt einen das ebenso verstörende wie deprimierende Gefühl, als hätte man von nichts mehr Ahnung, als hätte man nie etwas gelernt. Diese trostlosen Tage sind unrettbar verloren – sie bringen einem nur schmerzlich zu Bewußtsein, daß man eben auch nur so ein unbedeutender, unzulänglicher Mensch ist.

233.

Von Zeit zu Zeit wäre es wünschenswert und zweifelsohne angebracht, sein Gehirn gleich dem Darm entleeren zu können, um schädliche oder schadhafte Gedanken und Erinnerungen

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dauerhaft aus dem Köper zu entfernen – die Sondermülldeponien müßten entsorgungstechnisch verbessert und immens vergrößert werdeni…

234.

Ein durchschnittlich begabter, psychisch leicht unbeständiger Mensch a, welcher sich in dieser alltäglichen Kombination nicht gerade als eine kuriose Ausnahmeerscheinung präsentiert, liest zum unterhaltsamen Zeitvertreib ein beliebiges Buch – eine Anthologie, einen Roman, eine Sage, ein Märchen, eine Biographie –, worin der einfallsreiche Autor plakativ die dramatische Geschichte eines asozialen, geisteskranken Mörders und seiner bizarren Taten aufzeigt. Leider fühlt sich unser unsteter Mensch a nach der Lektüre dieses spannenden, höchst anregenden Werks äußerst inspiriert und besessen von der abstrusen Idee, die blutrünstige Phantasie des Erzählers zur horriblen Realität werden zu lassen, und er beginnt ungesäumt, gleich dem in der Publikation eindrucksvoll beschriebenen Killer, sozusagen nach literarischer Vorlage, seine unbedarften Mitmenschen brutal zu quälen und zu töten. An dieser unerfreulichen Stelle erhebt sich immer wieder die Frage nach der Schuld des Dichters, respektive dessen individueller Verantwortung für die Folgen seiner Werke. Meiner Ansicht nach gibt es eine solche nicht – ansonsten wäre jeder Literat ein potentieller Krimineller, allezeit mit einem Bein im Gefängnis, beständig überwacht von den scharfen Argusaugen der Sekundanten Justitias. Ein Schriftsteller sollte jedoch von seiner Leserschaft im Prinzip soviel differenzierende Intelligenz erwarten können, daß sie seine Schriften nicht als unumstößliche, sofort auszuführende Direktiven versteht, sondern als das, was sie wirklich sind – gebundene, persönliche Gedankengänge eines durchaus fehlbaren Menschen. Wenn jeder Urheber für die – leider zumeist unabsehbaren – Konsequenzen seiner Schriften verantwortlich wäre, hätte nie ein Buch geschrieben werden dürfen, denn außer bei technischen Bedienungsanleitungen, Preislisten und Telephonbüchern handeln sie fast immer von irgendwelchen menschlichen Schicksalen, die einen unreifen, labilen Leser auf negative Weise faszinieren und zur unglückseligen Nachahmung reizen können. Tragödien, Moritaten, Kriminalromane, Erlebnisberichte, Tagebücher, Zeitungen, ja, selbst heilige Bücher wie die Bibel dürfte es nicht geben, wenn man beispielshalber an die diversen bösartigen Protagonisten in dieser denkt, denen – oder deren zeitgenössischem, tragischem Imitat – man lieber nicht in facto begegnen möchte. Das Verhängnis ist bedauerlicherweise, daß die meisten Künstler ihren profanen Mitmenschen mehr Wissen, Verstand, Kritik- und Unterscheidungsfähigkeit zutrauen, als viele von ihnen haben – trotzdem sollte sich ein aufstrebender, kreativer Geist davon nicht beengen, beeindrucken und beirren lassen; denn warum sollte man sich nicht selbst mental weiterentwickeln dürfen? Etwa nur, weil ein paar misologische Individuen dies nicht immediat nachvollziehen und erfassen können? Wenn unser Mensch a also den Inhalt eines arbiträren Buches willkürlich und akritisch als unumstößliche Wahrheit oder gar als seine wesenseigene spirituelle Bestimmung versteht, und nicht nur als persönliche Meinungsäußerung oder Phantasiekonstruktion eines falliblen Autors, ist er letzten Endes selbst schuld und somit auch alleinig für seine daraus resultierenden gesetzwidrigen Aktionen verantwortlich.

235.

Warum gibt es in diesem Buch mehr Paragraphen zu Sacrum als zu Profanum? Die Lösung dieses Phänomens ist einfach – über spekulative Phantasmagorien läßt sich eben mehr philosophieren und theoretisieren, als über die harten, nachprüfbaren Fakten der realen, naturwissenschaftlichen Welt. Glaube hingegen erweist sich immer als variabel, disputabel und physikalisch nicht revidierbar.

i Siehe Anhang V.

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Profanum

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Politik & Gesellschaft1.

Warum behandeln Politiker die Bürger ihres Landes so, als wären diese geistig minderbemittelt, ebenso einfach wie gefahrlos manipulierbar und leicht zu übertölpeln? Weil sie bei der Mehrheit der tumben Bevölkerung bedauerlicherweise recht mit diesem niederschmetternden Urteil haben.

2.

Wenn man manchmal dem sinnentleerten Gerede diverser publicitygeiler Politiker lauscht, fragt man sich ernsthaft, warum sie überhaupt vor die Kameras treten und den Mund aufmachen, da sie doch ohnehin nichts zu sagen haben. Die simple Antwort hierauf lautet: Intensive Öffentlichkeitsarbeit fördert den persönlichen Bekanntheitsgrad – vielleicht hilft es ja bei der nächsten Wahl…

3.

Die Politiker der sogenannten ‚Großen Koalition’ in Berlin diskutieren, wie mehr gespart werden könnte. Man könnte doch beispielsweise die derzeitigen teuren Politiker einsparen und billigere einsetzen, man könnte etliche Ministerien einsparen und zusammenlegen, man könnte den überflüssigen Beamtenstatus abschaffen, oder man könnte kostspielige Bürokratie und wirtschaftspolitische Fehlinvestitionen vermeiden – man könnte so vieles Unnötige einsparen, doch unsere realitätsentfremdeten Politiker denken beim Wort Sparen ausschließlich an Steuererhöhungen und Sozialabbau. Armes Deutschland… Doch wie heißt es so schön? Jedes Land hat die Regierung, die es verdient. ita voluerunt, ita factum esti – ihr habt sie gewählt, ihr habt sie bekommen!

4.

Leider handeln viele (um nicht zu sagen: die überwiegende Mehrheit) der Führungsverantwortlichen nach Ovids phlegmatischem ut desint vires, tamen est laudanda voluntasii. Dies jedoch ist ein grobfahrlässiger Fehler, denn in der heutigen Zeit der verschärften Konkurrenz und multilateral vernetzten Globalisierung zählen letzten Endes nur harte Fakten und greifbare Erfolge. Allerdings erklären sich damit trefflich sowohl das sukzessive Absacken der sozialen und gesellschaftspolitischen Standards wie auch der massive Innovationsschwund in den verschiedensten Bereichen der Existenz.

5.

Man sollte meinen, Politiker wie Regierungsvertreter wissen um die grundlegenden Sorgen und Wünsche des gemeinen Wahlvolks – die erforderliche Intelligenz und generell gebotene Sachkompetenz dazu sollten sie doch wohl haben –, also könnte ihnen, bei den von den meisten dieser elitären Spezies an den Tag gelegten, nicht unbedingt populären Arbeits- und Verfahrensweisen, auch die intrinsische, opportune Maxime video meliora proboque;

i So haben sie es gewollt, so ist es geschehenii Wenn auch die Kräfte fehlen, so ist der Wille doch zu loben

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deteriora sequori unterstellt werden. Leider erweist sich dieser egozentrische Sachverhalt als charakteristisch menschlich: tunica propior pallio estii.

6.

quousque tandem abutere, Angela, patientia nostra?iii

7.

Die neuerdings vielfach angeordneten und praktizierten Zeiterfassungstechniken in Betrieben und Institutionen sind, nüchtern betrachtet, reine Kontroll- und Überwachungsinstrumentarien. Nur ein apprehensiver Arbeitgeber, der seinen Angestellten mißtraut und/oder unlautere Absichten hinsichtlich der zu erbringenden Arbeitszeit unterstellt, benötigt ein observierendes Zeiterfassungssystem.

8.

Das Unglaubwürdigste an Deutschland sind, nur knapp geschlagen von den Klerikern, dessen Politiker.

9.

Wie würde die religiöse Weltkarte heute aussehen, hätten weiland die Römer mit ihrem christianos ad leonesiv nachhaltigen Erfolg gehabt?

10.

Demokratie mag im Prinzip gut sein, aber das gegenwärtig in diesem praktizierte Parteiensystem ist es nicht.

11.

Kann man Parteien wegen krimineller Bandenbildung belangen?

12.

Warum sind politische Parteien nur in der Opposition sozial aufgeschlossen und allgemein verträglich gestimmt? Denn kaum in der Regierungsverantwortung angekommen, scheint dies alles wie weggeblasen – als wäre es nie existent gewesen. Strikt nach der uralten Politikerweisheit: Was interessiert mich mein albernes Geschwätz von gestern?

13.

Vor der Bundestagswahl im Oktober 2005 meinte die CDU/CSU, sie würde die Mehrwertsteuer um zwei Punkte anheben. Die SPD war generell und vehement gegen eine Erhöhung und bezeichnete sie publicitywirksam als ‚Merkelsteuer’. Jetzt sind beide an der Regierung (die großen Verlierer rauften sich nach dem desaströsen Wahldebakel

i Ich sehe das Bessere und erkenne es an; dem Schlechteren folge ichii Das Hemd ist einem näher als der Rockiii Wie lange schließlich noch willst du, Angela, unsere Geduld mißbrauchen?iv Die Christen vor die Löwen

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schadensbegrenzend zusammen), und die Mehrwertsteuer steigt sogar um satte drei Prozent. Dieser Umstand allein beweist die kolossale, völlige Unglaubwürdigkeit und soziale Inkompetenz dieser sogenannten Volksparteien, von der scham- und vorbehaltlosen Bereitschaft zu Lüge und Betrug ganz zu schweigen.

14.

Warum fallen die Wähler immer wieder auf dieselben unzulänglichen Parteien herein? Denn souverän regieren kann keine, wie man bedauerlicherweise während der vergangenen Jahrzehnte durchgängig erkennen konnte bzw. mußte, weder einzeln noch als kollaborative Koalition. Aber in diesen Dingen sind die Menschen leider schnell vergeßlich…

15.

Das Leben wäre für das gemeine Volk um ein Vielfaches erträglicher, würden die Landesführer ihre zweifellos vorhandene Intelligenz mehr in echte Menschlichkeit und sinnvolle Fürsorge investieren, und nicht so impertinent offensichtlich in persönlicher Vermögenspotenzierung und egoistischem Machterhalt.

16.

Die große Majorität der Emporkömmlinge jedweder öffentlicher oder privater Unternehmenshierarchie vergißt exorbitant schnell ihre eigentliche Herkunft – der klägliche Rest ein wenig später. Kaum fällt ein opportunistischer Speichellecker die sich allgemein als nepotistisch manifestierende Karrieretreppe hoch, beginnt er auch schon frohgemut, kraftvoll nach unten zu treten.

17.

Die meisten leitenden Angestellten sind mikrologische Bürokraten und zu einer humanen und konstruktiven Menschenführung weder geschaffen noch befähigt.

18.

Meinungsfreiheit bedeutet für viele Führungskräfte im Hinblick auf ihre subalternen Angestellten noch immer deren völliges Freisein von jeglicher eigenen Meinung.

19.

Die Bevölkerung der Teilrepublik Montenegro (Republika Crna Gora; 13.812 km2, 621.000 Einwohner, Stand 2004) hat heute, am 21. Mai des Jahres 2006, per Referendum entschieden, das Land endgültig von Serbien zu separieren und einen eigenen, unabhängigen Staat zu führen (im diffizilen Rahmen des vielleicht Möglichen). Hier sehen wir beispielhaft eine weitere Tragik in der kleinkrämerischen Geschichte der unbelehrbaren Menschheit: anstatt sich konstruktiv zu größeren, handlungsfähigen Einheiten zusammenzuschließen, um sukzessive und gemeinschaftlich realisierbare Lösungen für all die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu finden, die doch sowieso weltumspannend gesehen mehr oder weniger die gleichen sind – zumindest jedoch bei benachbarten Nationen –, will jedes noch so kleine und unbedeutende Völkchen mit mehr als fünfzig Angehörigen immer gleich einen eigenen, independenten Staat gründen, sobald sich auch nur irgendwie der potentielle Ansatz einer Eventualität dazu ergibt. Traditionalismus, Nationalismus und

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Patriotismus indes sind archaisch-primitive ideelle Werte, die in der heutigen globalisierten und vollinformierten Gesellschaft augenfällig anachronistisch und absolut sinnlos geworden sind (Shaw behauptet sogar: „Patriotismus ist eine gefährliche, psychopathische Form des Schwachsinns“). Wem das Leben in seinem eigenen Land auf dieser weiten Erde nicht gefällt, der geht eben in ein anderes – warum sollte er sich ersterem gegenüber in irgendeiner Weise enger verbunden fühlen? fortunato omne solum patria esti. Und ohne kontrollierte Landesgrenzen – expressis verbis als freier und reisefreier Weltbürger – wäre das alles noch viel einfacher. Doch eine längerfristig bestehende multinational friedlich unierte und kooperierende Humangesellschaft verhindert zielgerichtet und erfolgreich der offensichtlich unausrottbare, menschheitscharakteristische mikrologische Egoismus. semper idem…ii

20.

Demokratie ist die freundliche Paraphrasierung von konstitutiv-konstitutioneller Mehrheitsdiktatur.

21.

Ich würde nicht in die Politik wollen, für so etwas bin ich zu realistisch und zu ehrlich – oder, wie Juvenal es adäquat formulierte: quid Romae faciam? mentiri nescioiii.

22.

Sämtliche Strafgesetze, die solcherart ‚Vergehen’ ahnden, die ausschließlich den Täter selbst schädigen (Drogenkonsum, Selbstmord u.a.), sollten als veraltet abrogiert werden. Wozu gibt es schließlich das liberalistische Recht auf persönliche Selbstbestimmung…

23.

Die beiden großen Volksparteien in Deutschland (CDU/CSU und SPD) können im Prinzip sans gêne machen, was sie wollen, weil das dumme Volk bei der nächsten Wahl sowieso wieder eine davon zur Regierungsmacht nominiert (und wenn beide verlieren, gibt es eben eine Große Koalition). Die Bürger sind nicht mündig und konsequent genug, diese aufgeblasenen, egozentrischen Machtkonstrukte abzustrafen und einmal kollektiv nicht zu wählen. Es ist schließlich schon fast eine genetisch verankerte Tradition: ‚Die Eltern und die Großeltern haben schon die Schwarzen/Roten gewählt, also machen wir das auch.’ Denn was vor fünfzig Jahren vielleicht richtig war, kann schließlich so schnell nicht falsch geworden sein? Doch wer aus der Geschichte nichts lernt und sie mißachtet, ist verdammt, sie zu wiederholen („Those who cannot remember the past are condemned to repeat it“, schrieb George Santayana in seinem Text Reason in Common Sense11), gleichwohl plura faciunt homines e consuetudine quam e rationeiv.

24.

Wenn die nationalen, im Prinzip volksvertretenden Regierungen im politisch-diplomatischen Umgang miteinander wirklich ehrlich und wahrhaftig währen, bräuchten Staaten keine dubiosen, illegal operierenden Geheimdienste.

i Dem Glücklichen ist jedes Land sein Vaterlandii Immer das gleicheiii Was soll ich in Rom? Zu lügen verstehe ich nichtiv Die Menschen handeln mehr aus Gewohnheit denn aus Vernunftgründen

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Page 56: Gedankensplitter

25.

Wie soll gesellschaftsorientierte Globalisierung funktionieren, wenn jedes noch so kleine, unbedeutende Herrschaftsgebiet obstinat auf seine unumschränkte Eigenständigkeit beharrt? Eine internationale Konföderation mit weisungsbefugtem Vorsitz (eventuell kombiniert mit einer weltweit einheitlichen Währung) wäre unter den ‚richtigen’ Umständen vielleicht ein positiver Anfang.

26.

Wenn man sich die meisten Firmen- und Geschäftsphilosophien ansieht und miteinander vergleicht, können sie auf zwei einfache Punkte reduziert werden. Punkt eins: Der Angestellte soll arbeiten, und nicht denken. Punkt zwei: Wenn dem Angestellten etwas nicht paßt, kann er ja gehen. Kritik ist Querulanz.

27.

Im Krieg gibt es weder Ruhm noch Ehre – nur Tod, Leid und Zerstörung.

28.

Was ist an Fußball so überaus faszinierend, daß weltweit die Menschen jedes Wochenende in Scharen in die modernen Arenen strömen? Ist es der subtile Reiz, das wahnsinnig tiefsinnige und erbaulich-prickelnde Erlebnis, 22 sportlich und gesellschaftlich überbewertete Millionäre, die glorifizierten Gladiatoren der Neuzeit, apathisch-fatigant eine Lederkugel über den Rasen schubsen zu sehen? ad bestiasi – wo bleiben die Löwen…?

29.

Wie soll die dramatisch niedrige Geburtenrate in Deutschland erhöht werden, wenn eine Geburt mittlerweile (bzw. immer noch, denn dieser Zustand herrscht nicht erst seit gestern) die sukzessive Verarmung der Familie nach sich zieht? Ursula von der Leyen, seit dem Jahr 2005 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, gab der darbenden Bevölkerung daraufhin als staatlich gefördertes Remedium das Elterngeld – welches, auf ein Jahr begrenzt (maximal 14 Monate, wenn der Vater auch pausiert), aus 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens besteht – als finanziellen Anreiz, mehr Kinder in die Welt zu setzen. Abgesehen davon, daß dieses Elterngeld meist nicht einmal für die monatliche Miete, respektive für die festen, laufenden Kosten reicht, beginnt die schleichende Pauperisation, der monetäre und soziale Abstieg der jungen Familie, eben erst ein Jahr später. Ob das die gebärverweigernden Bundesbürger wirklich überzeugt?

30.

Während meiner Gymnasialzeit hatte ich einen allgemein ziemlich unbeliebten Lehrer (welcher zudem eine höherwertige Position innehatte), der im Unterricht die trostlose Maxime vertrat: „Deutschland ist ein Pennerstaat.“ Damals wollte ich nicht widersprechen, heute kann ich es nicht mehr – er hatte recht (und hat es immer noch).

31.

i Zu den Tieren

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Prominenz hat absolut nichts mit Genialität, Wissen, Begabung oder Intelligenz zu tun. Auch der sechsbeinige Esel, das Klonschaf Dolly, Kader Loth und Daniel Küblböck sind prominent.

32.

Was echauffiert sich das gemeine Volk so über Armin Meiwes, den sogenannten Kannibalen von Rotenburg? Mittlerweile sollte doch dank der präzisen Berichterstattungen der sensationslüsternen Medien allgemein bekannt sein: alles, was ein Mensch einem anderen antun kann, wird auch irgendwo in der Gesellschaft praktiziert, und wer noch an so etwas wie das Gute im Menschen glaubt, muß sich durch die gewalttätige Realität täglich eines Besseren belehren lassen. Doch wer immer pessimistisch wie fatalistisch das Schlimmste erwartet, wird auch nicht von einem sophisticated Menschenfresser überrascht. Das Negative und Grauenvolle der menschlichen Seele kennt keine restriktiven Grenzen – ein zutiefst inhumaner, beklemmender Abgrund ohne erkennbaren Boden.

33.

Ein typisches Beispiel unangebrachter Unverhältnismäßigkeit: seit vielen Jahrzehnten gibt es international wie national die an sich positive und respektable Tradition, allgemein wichtigen Ereignissen oder brennenden Themen unserer Zeit ein Ehrenjahr oder einen bestimmten Gedächtnistag zu widmen, z.B. der ‚Weltfrauentag’, der ‚Tag des Baumes’, der ‚Vogel des Jahres’ oder der Tag einer bedrohten Tier- oder Pflanzenart etc. Doch auch hier verfällt zusehends der zugrundeliegende seriöse und wohlgemeinte Hintergedanke, auf anhaltende Mißstände und wenig beachtete, nicht hinnehmbare Unbotmäßigkeiten hinzuweisen – und die im Prinzip ernsthaft-feierlichen Gedenktage tendieren inhaltlich schleichend zu einer zweckentfremdeten, undienlichen Lächerlichkeit. So wurde etwa der 22. Oktober des Jahres 2005 zum bundesweiten ‚Tag des Zweithaars’ gekürt. Was für ein unprofessioneller Nonsens – war so etwas wirklich nötig? Denn durch solche undurchdachten, merkwürdigen Aktionen wird die ehrenwerte Gedenkabsicht dieser kulturellen Institution zweifellos unnötig degradiert bzw. zu ihrem Nachteil persifliert. Der freundlich-humanitäre Grundgedanke, edelmütig den bedauernswerten Opfern aus dem vielfältigen Bereich der naturgegebenen oder krankhaften Alopezie zu helfen – vor allem den davon betroffenen Frauen, die unter dieser haarigen Unannehmlichkeit erheblich mehr leiden als Männer (der Autor spricht aus eigener Erfahrung) –, ist zwar per se lobenswert und zweifelsohne zu begrüßen. In Anbetracht der allgemein prävalierenden dramatischen Weltlage (Kriege und Naturkatastrophen, Vogelgrippe, Schweinepest, Rinderwahn und andere Tierseuchen, Genozid, Hungersnöte und Umweltverschmutzung, Vergewaltigungen, Mord und Totschlag, um nur einige der ungeklärten Problematiken zu thematisieren) jedoch offensichtlich nicht so überaus wichtig und notwendig, um diesem eher sekundären Thema gleich einen offiziellen nationalen Gedächtnistag zuzugestehen. Diese speziellen Tage der Kommemoration sollten, auf Grund ihres inhärenten kulturkritischen und appellierenden Charakters, tatsächlich bedeutungsvollen und weitreichenden Angelegenheiten vorbehalten bleiben. Aber offenbar ist dieser eindeutig realsatirische, karikierende Trend, der bedauerlicherweise auch sukzessive in unzähligen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens deutlich bemerkbar Einzug hält, nicht wieder umzukehren. Und so warten wir demütig auf den offiziellen ‚Tag des Gummibärchens’, den ‚Tag des Vorderreifens’, den ‚Tag der Currywurst’ oder den ‚Tag der in der Waschmaschine verlorenen Socke’ – es fehlt der ‚Tag der Dummheit’ und der ‚Internationale Tag der Toren’!

34.

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Der schwedische Kanzler, Greve (Graf) Axel Gustaffson Oxenstierna af Södermöre, belehrte weiland vor 400 Jahren seinen Filius: an nescis, mi fili, quantilla prudentia mundus regatur?i

– und das ist das menschheitsinhärente Dilemma, unsere historienbegleitende Tragödie: alle wußten es, wir wissen es auch alle, nur unternimmt niemand etwas dagegen. Denn sobald ein in dieser Richtung potentiell wegbereitendes Individuum nur ein wenig Macht in Händen hält, nutzt es sie auch schon schamlos aus – es mutiert zum egozentrischen, realitätsentfernten Politiker. Das charakterisiert und deskribiert den Menschen, seitdem er einst dem tellurischen Urschleim entsprungen ist: jeder kleine, unbedeutende Wicht will ein großes, autokratisches Alphamännchen sein und seine neugewonnene Autorität auch demonstrativ zur Schau stellen – Ich Chef, du nix. Dafür sind sie anstandslos bereit, alles zu machen: nach oben buckeln, nach unten treten; kleingeistiger Opportunismus pur: Wes’ Brot ich eß’, des’ Lied ich sing. Und bei ihren öffentlich abgehaltenen Präsentationen halluzinieren sie (wider besseren Wissens) Wohlstand und blühende Oasen ad captandum vulgusii. Schade, daß man nicht seine Menschheitszugehörigkeit, die peinliche Mitgliedschaft im Verein der unzulänglichen anthropomorphen Kreaturen, ablegen oder abmelden kann; dann müßte man sich nicht fortwährend schämen, daß man auch so einer ist. Seneca der Jüngere schrieb zwar kurz nach der Zeitenwende reichlich optimistisch: iniqua numquam regna perpetuo manentiii, doch das kommt immer auf die Definition dieses extensiblen Zeitrahmens an – ein solch folgenschwerer, umwälzender Vorgang kann kurz und heftig sein, aber auch mehrere Jahrhunderte andauern. Außerdem: was folgt danach? Wird es besser? Ändert sich die monierte Situation? Nein (allenfalls kurzfristig – muß aber nicht), denn jede nachrevolutionäre Regierung rekonstituiert sukzessive die negativen – jedoch lukrativen und machterhaltenden – Angewohnheiten des abgesetzten Vorgängerregimes (nur eben unter den eigenen Vorzeichen) – bis zum nächsten Umsturz. Dann beginnt der ideologische Blutreigen aufs neue. Wie langweilig – man sollte meinen, die Menschheit wäre ob ihrer angeblichen Intelligenz ein wenig klüger und lernfähiger, doch seit Anbeginn der primitivsten Herrschaftssysteme waltet, ab und an vielleicht mit minimalen Abweichungen, die jedoch nicht weiter ins Gewicht fallen, der mikrologische status idem in den bis dato zwanghaft autoritären Regierungsformen. Der ‚ideale Staat’ wurde leider immer noch nicht entdeckt, weder theoretisch noch praktisch. Und so resümierte bereits Augustinus von Hippo vor über eineinhalb Jahrtausenden: regna nisi magna latrociniaiv. (Der ideale Staat ist der, den das Volk nicht merkt; und wäre die engstirnige Menschheit etwas verständiger, verständnisvoller, respektive geistig etwas fortgeschrittener, bräuchte sie gar keinen)

35.

Obwohl die Menschen früher nicht so alt wurden wie heute, hatten sie trotzdem viel mehr Zeit und Muße. Wir ruhelosen, allzeit erreichbaren, vollinformierten Fortschrittskrüppel…

36.

Viele machtbesessene, megalomanisch veranlagte Potentaten streben die absolute Weltherrschaft an – doch wozu? Und was würden sie machen, wenn sie sie erreichten?

37.

i Weißt du nicht, mein Sohn, mit wie geringer Klugheit die Welt regiert wird?ii Um das gemeine Volk auf seine Seite zu bringeniii Ungerechte Staaten währen nicht ewigiv Staaten sind nichts anderes als große Räuberbanden

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Was würde der Menschheit weiterhelfen? Wenn sich jeder – jeder Staat, jede Ideologie und jeder einzelne – nicht so maßlos übertrieben wichtig nehmen würde.

38.

Die Welt bräuchte eine übergeordnet weisungsbefugte politische Instanz, die rein auf humanitären Grundsätzen agiert (z.B. den Internationalen Menschenrechten), ansonsten konstitutiv ideologiefrei und unparteiisch ist, und der sich ausnahmslos alle Nationen beugen müßten. Wenn dann ein abgehobener Machthaber meint, sein Volk unterdrücken oder ein unliebsames Nachbarland angreifen zu müssen, würde er rückstandsfrei entfernt und durch einen besseren ersetzt.

39.

Kleider machen Leute hieß eine bekannte Novelle, die Gottfried Keller im 19. Jahrhundert zu Papier brachte. Diese Feststellung besagt, daß die überwiegende Mehrheit der Menschen sich eben viel mehr um den schönen Schein als um das wahre Sein kümmert, welches auch bereits mehrfach durch diverse wissenschaftliche Untersuchungen im In- und Ausland bestätigt wurde. Dabei sollten wir oberflächlichen Erdenbewohner wirklich mehr nach den wahren inneren Werten und den tatsächlich gegebenen Fähigkeiten unseres Gegenübers gehen. Nur wer körperlich groß, wohlproportioniert und einigermaßen ansehnlich ist, ist noch lange nicht kompetent, sozialkompatibel und honorabel. Der kleine, schmutzige Clochard in seinem verschlissenen Mantel kann mehr Ehre, Herz und Weisheit besitzen als die facegeliftete, überbezahlte Führungskraft in ihren teuersten Designerklamotten. Dieses bereits 150 Jahre alte proverbiale Apophthegma beweist also nur die omnipräsente Substanzlosigkeit, die erschreckende Banalität des homo sapiens im soziokulturellen Miteinander, die schon vorher so war und sich bis heute nicht im mindesten verändert hat.

40.

Plötzlich auftretende, heftige Attacken interindividueller, menschlicher Enttäuschung zeigen dem ernüchterten Gesellschaftsanachoreten immer wieder, daß er leider doch noch nicht ganz den sozietären Faden zur verabscheuten Menschheit verloren hat – zwar manifestieren sich diese unerquicklichen pauschalgesellschaftlichen Depressionen nur periodisch, dafür aber permanent.

41.

Viele Führungskräfte sind ausschließlich auf Grund ihrer mehr oder weniger eloquenten Rhetorik auf dem einflußreichen Posten, auf dem sie eben sind. Denn wer sich positiv und vorteilhaft zu präsentieren weiß, dem werden oft und gerne mangelnde Führungsqualitäten und ungenügende Fachkompetenzen nachgesehen (wozu hat man schließlich seine subalternen Berater und Konsultanten, die einem das Denken abnehmen – und denen man, nach einem politischen Desaster, die Schuld zuweisen kann).

42.

Rechtsradikalismus ist genauso vehement abzulehnen wie Linksextremismus. Grundsätzlich muß jede Form von gewaltgetragenem -ismus a priori negiert und, wenn möglich, verhindert werden. Außerdem ist festzustellen, daß die starren, psychisch-ideologisch konstruierten Strukturen dieser -ismen meist auf der torpiden, geistigen Immobilität ihrer verblendeten

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Führer und Vertreter fußen (wobei den etwas intelligenteren Häuptlingen eher noch eine mikrologisch-egoistische Geld- und Machtgier zu unterstellen ist).

43.

Bei vielen Berufspolitikern ist schon an der aufgesetzten Mimik zu erkennen, daß sie das tumbe, subalterne, aber bedauerlicherweise wahlberechtigte Volk als lästiges, unumgängliches Übel, das alle vier Jahre umworben und gütlich gestimmt werden muß, ansehen.

44.

panem et circenses, Brot und billige Zerstreuung, ebenso wie Zuckerbrot und Peitsche - darauf basieren immer noch alle bekannten Staatssysteme. Wenn das untergebene Volk satt, in Spannung und bei Laune gehalten wird, denkt es nicht nach und revoltiert auch nicht.

45.

Traditionen sollten von Zeit zu Zeit auf ihre Konsistenz und Sozialkompatibilität überprüft werden. Viele Dummheiten, Verbrechen und Perversitäten geschehen nur deshalb, weil bereits die Urgroßeltern weiland die strittigen Situationen genauso handhabten. Doch was vor hundert oder zweihundert Jahren noch einigermaßen ‚richtig’ war, muß es schon lange nicht mehr sein, und was man damals als falsch ansah, wurde bis heute auch nicht unbedingt richtiger. Denn wenn man danach geht, kann jeder losziehen und dem nächsten Fremden den Schädel einschlagen, unsere Ahnen machten das schließlich irgendwann vor Tausenden von Jahren auch schon so – alles kann zur Tradition werden. Es ist bedauerlich, daß Frieden, Toleranz, Humanität und Intelligenz keine Traditionen sind.

46.

Die Mehrheit der Menschen existiert nur, um manipulierbare Masse zu sein.

47.

Prominenz ist der Tod jedweder Privatsphäre – penetrante Paparazzi lauern allerorten. Dabei gibt es nichts Langweiligeres, als irgendwelchen Berühmtheiten beim Einkaufen, Joggen oder ähnlichen Banalitäten zusehen zu müssen. Sie sollten ausschließlich ihrer Leistungen wegen bewertet werden, und nicht danach, ob sie dann und wann einen über den Durst trinken oder eine exotische sexuelle Marotte pflegen. Pressefreiheit und Aufklärungsjournalismus mögen zwar schön und gut sein, aber was für einen höheren Informationsgehalt oder welchen Wert für den Fortbestand der Menschheit hat es, Brad Pitt beim urinieren zuzusehen?

48.

Die Rassismusdiskussion in Deutschland ist mittlerweile soweit gediehen, daß man sehr sorgfältig aufpassen muß, was man wann und zu wem sagt. Sage ich als weißes Rundauge zu einer anderen weißen Langnase: ‚Du beschränkter Weißer’, dann ist das eine Feststellung bzw. eine simple Beleidigung. Sage ich hingegen zu einem Schwarzen: ‚Du beschränkter Schwarzer’, dann ist das instantan ein rassistischer An- und Übergriff, obwohl es nur als eine rein diagnostizierende und herkunftsunabhängige Aussage gedacht war. Aber wie man es

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auch nimmt, manche sind einfach hypersensibel und finden auch noch an der harmlosesten Äußerung etwas zu mäkeln.

49.

FiFa Fußball-WM hört sich fast so an wie BiBaButzemann – Absicht? Damit es sich die einfacher strukturierten Fans des runden Leders besser merken können?

50.

Die allgemein prävalierende deutsche Bürokratie ist ein repräsentatives Paradebeispiel des im Jahre 1969 von Laurence J. Peter und Raymond Hull so treffend artikulierten Peter-Prinzips: ‚In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.12’ Das heißt also, jeder ist in dem Maße inkompetent, in dem er es kann…

51.

Eine primäre Ursache für die vielfältigen interkulturellen Probleme der heutigen Welt ist das ubiquitäre traditionelle geistige Verhaftetsein in der lokalen bzw. nationalen Geschichte. Eine gemeinschaftliche ideologische ‚Stunde Null’ und ein kooperativer, konstruktiver Neuanfang unter berücksichtigender Beteiligung aller wäre in dieser Situation durchaus positiv und wünschenswert. Doch unser schon jahrtausendelang mitgeschlepptes Erbe der diskriminierungsfreudigen Vergangenheit behindert und trübt den klaren Blick auf eine allgemein erstrebenswerte Zukunft.

52.

Die Menschen sind von Grund auf mental relativ einfach strukturiert und sie mögen das Elementare, Übersichtliche (sozusagen the simple life). Die globalisierte Welt ist vielen von ihnen jedoch mittlerweile schon zu kompliziert geworden. Es herrscht eine negative gesellschaftskulturelle Dissonanz: Wissenschaft und Technik schreiten seit geraumer Zeit wesentlich schneller voran als die Intellektualität derer, denen sie eigentlich nutzen soll. Und so stellt sich die gegenwärtige Situation immer noch so dar, wie Einstein sie schon sah: „Technischer Fortschritt ist wie eine Axt in den Händen eines pathologischen Kriminellen.“

53.

Armes Deutschland: so viele Gesetze, so viele Steuern, so viel Staat – und so wenig Effizienz.

54.

Heute lief bei einem deutschen Privatsender eine wissenschaftliche Sendung über die Frage, ob die Chinesen Amerika einige Zeit vor Kolumbus entdeckten. Auch daß die Wikinger schon lange vor ihm dort gewesen sein sollen, wurde bereits des öfteren behauptet und zu beweisen versucht. Ich dachte eigentlich immer, die amerikanische Landmasse wurde von den Vorfahren der Indianer entdeckt und erstmalig besiedelt? Alle anderen nach ihnen waren nur Usurpatoren.

55.

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Wie ‚geheim’ sind eigentlich Geheimbünde, die auf eigenen Websites im Internet um Mitglieder und Förderer werben? Die wirklichen Geheimbünde kennt die Bevölkerung nicht (deshalb sind sie ja geheim), und deren hermetische Mitglieder werden sich hüten, ihr internes Wissen an die profane Öffentlichkeit zu tragen.

56.

Die Anzahl wirklich vertrauenswürdiger Regierungen auf dieser Welt tendiert im unteren einstelligen Bereich (optimistisch kalkuliert).

57.

Der weitaus größte Teil menschlicher Geschichtsschreibung besteht lediglich aus den einseitigen Ansichten und subjektiv beeinflußten Überlegungen der damaligen Herrscher, Usurpatoren und Kolonialmächte. Auch die angeblich ‚freien’ Künstler, Dichter und Denker waren nicht selten von mehr oder weniger einflußreichen Geldgebern abhängig und verhielten sich in ihrer Diktion dementsprechend loyal und opportun. Wer die Staatsgewalt innehatte, überwachte die Verfasser der nationalen Chroniken und lokalen Annalen, und formte unverdrossen die Historie nach seinem Gutdünken und zu seinem Vorteil (dieses geschichtsverfälschende Verfahren wird selbst heute noch leidlich erfolgreich in etlichen Ländern der sogenannten dritten und zweiten Welt praktiziert – doch nicht nur dort). Auch Montgomery konkludierte: „Die Geschichtsschreibung ist der zweite Triumph der Sieger über die Besiegten.“ Das wirklich Interessante, das wahre Leben der normalen Bürger, oder das pure Überleben der Bevölkerung in annektierten Gebieten, wird wohl niemals oder nur höchst selten wahrheitsgemäß zu eruieren sein. Und so kann bzw. muß die gesamte Historiographie der menschlichen Zivilisation nur als vager Anhaltspunkt, als diffuse Halbwahrheit gewertet werden (einmal mehr, einmal weniger). Die nackten Zahlen, Ereignisse und Zeitpunkte mögen vielleicht noch stimmen, die geschilderten Zusammenhänge, Prämissen und Ergebnisse müssen deswegen aber noch lange nicht die nuda veritasi darstellen.

58.

Der Mensch ist ein Herdentier – wenn ein Idiot in den Krieg zieht, rennen tausend weitere Idioten hinterher (unius dementia dementes efficit multosii). Bipedische Lemminge…

59.

Vergangenheit (vor allem die jüngere) hat die folgenschwere Eigenschaft, ausschließlich glorifiziert oder kondemniert zu werden. Einer kritisch-objektiven Kontemplation wird nur unterzogen, was schon Jahrhunderte entfernt stattfand.

60.

Ich kann und mag das unüberlegte, romantisierte Gerede à la ‚Früher war alles besser’ wirklich nicht mehr hören. Früher sind die Menschen mangels angemessener medizinischer Versorgung selbst an eigentlich harmlosen Infektionskrankheiten und kleinen, unbedeutenden Verletzungen nach unwürdigem Siechtum qualvoll krepiert, sie mußten meist bis zu ihrem verfrühten Tod (durchschnittliche Lebenserwartung: 30 bis 40 Jahre) von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang körperlich schwer schuften, ideelle wie materielle Sicherheiten gab es noch

i Die nackte Wahrheitii Ein Narr erzeugt weitere

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weniger als heute, und die zivilisierten mediävalen Städter hingen ihren Allerwertesten aus dem Fenster und defäkierten auf die Straße. Ja, ja – die gute alte Zeit…

61.

Ehrenwerte Gegner sind eine bedrohte, aussterbende Gattung.

62.

Der Bestseller-Roman The Da Vinci Code (Sakrileg)13 von Dan Brown ist m.E. eindeutig überbewertet. Vor allem erscheint hier der offerierte Stil als ein rhetorisch zu simpler und primär auf breite Popularität fixierter. Und auch der angediente Inhalt ist so neu nicht: ein thematisch äquivalentes Werk mit wesentlich anspruchsvollerem Duktus wäre beispielsweise Il pendolo di Foucault (Das foucaultsche Pendel)14 von Umberto Eco aus dem Jahr 1988. Nur waren es bei ihm die imaginierten TRES (Templi Resurgentes Equites Synarchici), und nicht eine fiktive Prieuré de Sioni.

63.

Schwüre und Eide sind letztendlich nur eine überholte, theatralisch-pathetische Farce einer überholten Gerichtstradition, denn selbst für den Fall, daß ein überführter Schwerverbrecher bei seinem und dem Leben seiner Familie sowie bei allen Göttern und Heiligen gelobt, nichts als die reine Wahrheit zu sagen, kann man ihm doch kein bißchen trauen. Und für den Rest der ethisch insuffizienten Menschheit gilt leider das gleiche – wer schwört, sagt noch lange nicht die Wahrheit…

64.

Die politisch-ideologisch fundierte Frage: ‚Wen sehen sie lieber an der Regierung, die CDU/CSU oder die SPD?’ entspricht in etwa dem pathologischen Härtegrad der rein existentiellen Fragestellung: ‚Woran sterben sie lieber, an Lungenkrebs oder an Darmkrebs?’ Denn wo liegt der Spaß oder das emotionale Erfolgserlebnis, wenn man nur unter zwei inferioren, unerwünschten Plagen zu wählen hat?

65.

Wieso sollen Horror- und Gewaltfilme für die zunehmende Schar mordlüsterner Jugendlicher verantwortlich sein? Die berühmt-berüchtigten Daily Soaps oder die ebensolchen Telenovelas können doch auch nicht für bösartige Volksverdummung und instantanem Gehirntod bei akzidenteller Überdosierung haftbar gemacht werden.

66.

Die Menschen in Deutschland leben immer länger. Lag die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen anno 1950 noch bei 68,5 Jahren und für Männer bei 64,6 Jahren, waren es im Jahr 2000 bei den Frauen bereits 80,6 Jahre, bei den Männern 74,7 Jahre. Eigentlich eine erfreuliche Tatsache, doch wenn man sich die dramatischen, partiell äußerst i Wobei das kleine Wörtchen fiktiv in diesem Zusammenhang nicht ganz den Tatsachen entspricht, denn eine geheimgesellschaftliche Vereinigung namens Prieuré de Sion gab es wirklich – jedoch nicht in der dargestellten Weise. Der echte Verein mit dem Namen Prieuré de Sion wurde am 7. Mai 1956 von Pierre Plantard in der Unterpräfektur Saint-Julien-en-Genevois im Département Haute-Savoie (Hochsavoyen in Frankreich) gegründet und bestand für etwa ein Jahr

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inhumanen Zustände in den pflegerisch wie medizinisch chronisch unterversorgten Alten- und Pflegeheimen der knapp kalkulierenden und gewinnorientierten Gegenwart so ansieht (nullifizierte Lebensqualität), fragt man sich ernsthaft, ob ein hohes Alter, mit all seinen anhaftenden Gebrechen, überhaupt erstrebenswert ist. Ein gesellschaftlich unstigmatisierter, freiwillig gewählter, würdiger Abgang, eine selbstinszenierte und -initiierte Selbstannullierung, solange man noch in der körperlichen und geistigen Verfassung dazu ist, wäre die adäquatere, menschlichere Alternative. Leben – ja, aber nicht qualvolles, dahinvegetierendes Überleben um jeden Preis.

67.

Wenn ein Mensch von Kultur spricht, so meint er seine Kultur, und das, was er für eine solche hält – alles andere ist für ihn häretische Unkultur und wird herzhaft bekämpft (erkennbar an den vielen wissensvernichtenden Bilderstürmereien und Bücherverbrennungen im Gang der menschlich-zivilisatorischen ‚Kultur’-Geschichte), zumindest jedoch arrogant und demonstrativ mißachtet – denn meine Wahrheit ist besser als deine.

68.

Artikel eins der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, welche am 10. Dezember des Jahres 1948 als Resolution 217 A (III) von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (United Nations, UN) verabschiedet wurden, besagt gleich im ersten Satz: Alle Menschen sind frei […] geboreni. Doch das stimmt so selbstverständlich nicht, eher das explizite Gegenteil ist richtig: kein Mensch ist frei geboren. Denn schon die eigene Geburt war nicht unbedingt ein freiwilliger Vorgang, und auch die Epoche, die Nationalität, die Sprache, das Geschlecht oder auch nur das individuelle Aussehen waren a priori nicht verhandelbar. Es folgen diverse natürliche oder politische Sachzwänge, soziokulturelle Umgangsformen und restriktive Gesellschaftskonventionen, die partiell dem eigenen Begehr, bzw. der persönlichen Freiheit, widersprechend oder gar zuwiderlaufend sein können. Die Sentenz in der Resolution müßte also heißen: Jeder Mensch muß für sich selbst sehen, ob und wie er mit dem zurechtkommt, was er eben hat. Jedenfalls noch mindestens solange, wie die Welt so ist, wie sie eben ist…

69.

Die (gerechtfertigte) Todesstrafe erscheint eigentlich viel zu gut für viele der überführten Gewaltverbrecher. Sie sollten alle gnadenlos und ohne irgendwelche Vergünstigungen bis an ihr unbedeutendes, klägliches Lebensende von der Welt unbeachtet im tiefsten Kerker dahinsiechen und verrotten – so werden Märtyrer vermieden…

70.

Öffentliche Verwaltungen erinnern frappierend an die Hydra der griechischen Mythologie: ist ein inkompetenter Bürokrat nach vielen trost- und ergebnislosen Jahren endlich aus seinem Amt geschieden (hiatus maxime deflendusii), stehen schon geringstenfalls zwei weitere unqualifizierte Schreibtischathleten für die disponible Sinekure parat, die zumindest genauso unfähig sind, wie es ihr Vorgänger zu seinen besten Zeiten war.

71.

i Siehe Anhang III.ii Eine höchst beweinenswerte Lücke

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Deutsche Politiker sollten verpflichtet werden, vor Amtsantritt ein Quartal als Hartz IV-Empfänger zu leben, damit sie wenigstens kurzfristig wissen und nachempfinden können, wie die Mehrheit des Volkes zu Zeiten der Großen Koalition existieren muß.

72.

Das Lebensmotto einer stets gutgelaunten Kollegin war: Wer nichts macht, macht nichts verkehrt. Eine simple, aber richtige Einstellung. Viele historische Katastrophen hätten vermieden werden können, wenn sich ihre Urheber vor dem Desaster Gedanken gemacht hätten, ob sie die Aufgabe überhaupt bewältigen können.

73.

Die primären Grundbedürfnisse der Menschen sind wenige und schon lange hinreichend bekannt. Doch selbst diese geringfügigen Begehrlichkeiten können die überforderten Organisatoren, also die durch langen und bürokratisierten Staatsdienst realitätsentfremdeten Politiker, nicht befriedigen. Die Staatsform der Demokratie ist zwar im Moment das beste, was wir haben (mehr oder weniger), doch sie hat sich mittlerweile überlebt, und es wäre an der Zeit, etwas Neues zu probieren – etwas mit mehr sozialer Humanität und weniger nepotistischer Wirtschaftsdiktatur.

74.

Kritisches Denken ist für viele Vorgesetzte nur eine lästige, unerwünschte Angewohnheit ihrer subalternen Mitarbeiter, welche mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft und mit Stumpf und Stiel ausgemerzt werden muß.

75.

Sozialethische Erziehung sollte bzw. müßte primär von den Eltern ausgehen, doch der überwiegende Teil dieser sogenannten Eltern selbst hat keine. Und so regiert in den meisten Haushalten das infantile, schlagkräftige Prinzip der Gosse – der Stärkere hat recht, der Klügere gibt nach.

76.

Neulich sah ich im Fernsehen einen 16jährigen palästinensischen Selbstmordattentäter, wie er in seinem obligatorischen Abschiedsvideo mit zitternder Stimme einen völlig albernen Abschiedstext von einem vorbereiteten Blatt Papier ablas. Danach zog er los und sprengte sich in Israel in die Luft und tötete dabei viele unbeteiligte Personen. Ich glaube nicht, daß der Junge wirklich wußte, was er da tat – dazu fehlte im schlicht die nötige Reife und der Verstand. Nein, er folgte lediglich den hinterhältigen Einflüsterungen irgendwelcher pseudoreligiös verdrehter Idioten, die einfach zu feige waren, das gottesleugnerische Attentat selbst durchzuführen. Diese inhumanen Vorkommnisse sind höchst bedauerlich und beschämend für jeden einzelnen der Gattung Mensch (inklusive jenen, die grundlos meinen, auch einer zu ein).

77.

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Page 66: Gedankensplitter

Die menschliche Zivilisation existiert der offiziellen Meinung nach etwa seit 10.000 Jahren. Noch einmal soviel wird sie nicht schaffen, vermutlich nicht einmal ein Zehntel. Und warum sollte sie auch?

78.

Zeigt mir einen ehrlichen Politiker (oder Wirtschaftsführer etc.), der stets die Wahrheit sagt, und ich zeige euch das Ende des Regenbogens. Scham- und reueloses Lügen gehört zum – bzw. ist das – Geschäft der Chefetagen; mundus vult decipi, ergo decipiaturi. Arme, unwissende Untertanen…

79.

Wenn Politiker krank werden, kann man nur dithyrambisch hoffen, es sei ihr permanent überfordertes schlechtes Gewissen. Aber zumeist haben sie gar keines…

80.

Warum geschehen so viele Verkehrsunfälle? – ganz klar, wer zu dumm zu leben ist, kann auch nicht anständig mit dem Auto fahren.

81.

Alle diese hochgelobten, penetrant fröhlichen, aufgesetzt glücklichen Motivationstrainer, Karriereexperten und Erfolgscoaches, die doch so positiv inspirierend, enthusiasmierend und mitreißend sein wollen, haben bei mir nur die übelsten Depressionen ausgelöst. So viel infantiles Gaudium konzentriert in einer hampelnden, dauergrinsenden Person ist einfach unerträglich. Ob diese krankhaft optimistischen Leute wirklich glauben, was sie den ganzen Tag radotieren und einem so indiskret aufnötigen möchten?

82.

Wenn sich gewaltbereite Hooligans bei Fußballspielen bekämpfen – warum schreitet die Polizei ein? Bewaffnet die Idioten und verhaftet die Überlebenden!

83.

Die weiland aus energiepolitischen Überlegungen eingeführte Sommerzeit bewirkt, daß das elektrische Licht abends eine Stunde später eingeschaltet wird, dafür morgens eine Stunde länger brennt – also nichts. Das einzige tatsächlich bemerkbare Ergebnis ist, daß die Menschen eine Woche lang planlos wie komatöse Zombies durch die Gegend wanken, wirre Worte von sich geben und einen Lapsus nach dem anderen fabrizieren. Mit anderen Worten: sie benehmen sich wie immer, nur noch ein wenig peinlicher und desaströser.

84.

Je mehr die Macht eines Individuums steigt, um so mehr sinken seine Skrupel. Ein Machthaber, der angeblich volksnah und ‚auf dem Teppich geblieben’ ist, ist nur ein guter Schauspieler.

i Die Welt will betrogen sein, also werde sie betrogen

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Page 67: Gedankensplitter

85.

Ich habe vorhin den jordanischen Terroristen Abu Musab az-Zarqawi in seiner neuesten Videobotschaft vom 25. April 2006 in den Nachrichten gesehen. Die einzig wirklich interessante Aussage dieses ansonsten unbedeutenden Bandes war: ganz schön fett geworden, der az-Zarqawi, seitdem man ihn das letztemal im TV gesehen hat (nun ja, auch er wird langsam älter und unbeweglicher) – der Rest war unsinniges Geschwafel. Er hätte schweigsam und subversiv in der kriminellen Versenkung bleiben sollen, anstatt uns mit seiner impertinenten Mediengegenwart zu belästigen. Aber das war schon immer so: die, die am wenigsten zu sagen haben, schreien am lautesten. (Nachtrag 8. Juni 2006: Jetzt ist er tot, so schnell kann es gehen – ob das mit der Videobotschaft wirklich so eine gute Sache war…?)

86.

Vor kurzem wurde der arglose Betreiber eines Internet-Providers von einem deutschen Gericht schuldig gesprochen und verurteilt, weil über seinen Online-Dienst der freie Zugang zu Sites mit kinderpornographischem Inhalt gegeben war. Doch wie kann jemand, der einen Zugang zum World Wide Web anbietet, überhaupt verhindern, daß sich sinistre Verbraucher verbotene Sites auf den heimischen Computer ziehen? Das wäre in etwa so, als würde man die Straßenbetreiber für die vielen unnötigen Unfallopfer durch alkoholisierte Fahrer verantwortlich machen, denn sie haben ja den freien Zugang zur Straße angeboten. Wie der Internet-Anbieter nicht wirklich wissen kann, was sich seine Kunden ansehen bzw. welche Inhalte die vielen Millionen privaten Website-Betreiber wann und wo ins Netz stellen, weiß auch der Straßenbetreiber nicht, ob die unzähligen Fahrer auf seiner Straße alkoholisiert sind oder nicht. Doch das ist nicht das punctum saliens, denn was man im Internet bekommen kann, kann man auch ohne bekommen, d.h. genau wie im wirklichen Leben gilt im Internet das ökonomische Prinzip von Angebot und Nachfrage. Wenn nun das WWW kriminellerweise von kinderpornographischen Sites überschwemmt wird, bedeutet das doch, daß es eine immense Nachfrage nach diesen illegalen Bildern gibt. Wir sprechen also über eine kranke Gesellschaft, die sich nächtens in ihrer dunklen Stube dem prickelnden Rausch des Verbotenen hingibt, tagsüber aber lautstark dagegen wettert und eifrig versucht, dem bösen Internet mit seinem schändlichen Wirken Einhalt zu gebieten. Aber wenn man über die Landesgrenze nach Belgien mit seinen diversen Kinderpornographie-Skandalen sieht, weiß man auch, daß sich, ebenso wie bei uns, im Deutschland der Dichter und Denker, nichts in Richtung eines geistig gesünderen Volkes bewegen wird, denn hier wie dort gehören mehr als zwei Drittel der Abnehmer dieser unstatthaften Bilder der sogenannten elitären Gesellschaftsschicht an, also Akademiker, Politiker, Industrielle, Advokaten, Geistliche, Sportler und andere Prominente, und eine Krähe hackt der anderen bekanntlich kein Auge aus. Da ist es doch viel einfacher und mehr opportun, den Schwarzen Peter den Providern zuzuschieben und sich publikumswirksam Gedanken über Verordnungen und Gesetze gegen das teuflische Internet zu überlegen, als etwas für die nötige Verbesserung der ungesunden Gesellschaftsmoral zu tun. Das für potentiell alles und jeden offene, global zugängliche Internet ist das liberalste und demokratischste Medium auf dieser Welt. Jeder kann hineinsetzen, was er will, und jeder kann finden, was er will. Wenn die supranationale Netzgemeinde etwas nicht sehen möchte, wird auch das Angebot weniger (was aber nicht heißt, daß es ganz verschwindet, denn irgendwer wird immer so etwas sehen wollen), und so wird es immer eine unendliche Vielfalt von Angeboten und Meinungen im Internet geben, mal mehr gute, öfter mal weniger gute, aber abgesehen von einem weltumspannenden Stromausfall gibt es tatsächlich nichts, selbst keine kleinen, lokalen Gesetzchen, die etwas daran ändern könnten. Denn was interessiert schon den international operierenden Anbieter von gesetzeswidrigen Inhalten – mit Serverstandorten in allen möglichen Ländern – eine

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gesetzliche Verordnung im fernen Deutschland? Er wird vermutlich nicht einmal von deren Existenz erfahren, geschweige denn sich danach richten. Das World Wide Web spiegelt eben die wirkliche soziokulturelle Welt wider. Wie sprach nicht weiland Georg Christoph Lichtenberg: „Wenn ein Affe [in den Spiegel] hineinschaut, kann kein Apotheker heraussehen“, nur die modernisierte Variante lautet: „Wenn ein Schwein ins Internet schaut, schaut auch ein Schwein heraus!“

87.

Seit einiger Zeit werden die ohnehin schon etlichen Repressalien ausgesetzten Raucher zusätzlich mit dem unheilschwangeren Satz „Rauchen kann tödlich sein“ auf jeder Schachtel Zigaretten konfrontiert. Nach diesem ersten Schritt folgte nun die großangelegte Ausweitung, es werden jetzt auch die Päckchen mit losem Tabak mit dieser drastischen Aufschrift versehen. Da die meisten Raucher jedoch die Gefahren des längerfristigen Tabakkonsums sowieso schon kennen, wird diese staatlich verordnete Alibiaktion nichts fruchten. Sie läßt aber ungeahnte Perspektiven erkennen, denn wenn diese paradoxe Kennzeichnungsentwicklung so weiter geht, werden als nächstes vermutlich alkoholische Getränke wie Bier, Wein, Hochprozentiges oder Mixgetränke mit dem Spruch „Alkohol kann tödlich sein“ verziert, denn schließlich sterben durch Alkoholmißbrauch mehr Menschen als durch das Rauchen, und auch die Gesundheitskosten für die Solidargemeinschaft sind höher. Danach können wir dazu übergehen, andere potentiell gefährliche Produkte mit einem Denkspruch zu schmücken, alsda wären z.B.: Kraftfahrzeuge und Motorräder. Durch Verkehrsunfälle sterben viele tausend Menschen im Jahr, warum schreiben wir nicht „Autofahren (bzw. Motorradfahren) kann tödlich sein“ auf jede vakante Stoßstange? Oder wie wäre es mit „Sport kann tödlich sein“ auf Sport- und Freizeitprodukten, denn nicht wenige Athleten und Freizeitsportler verletzen sich oder sterben sogar während der Ausübung ihrer Leibesertüchtigungen. Auch könnte man an ein „Essen kann tödlich sein“ auf diversen Designer- oder Fast-food-Produkten denken, wenn man sich die verschiedenen ungesunden chemischen oder genmanipulierten Inhaltsstoffe mancher Lebensmittel vor Augen führt. Ein „Kochen kann tödlich sein“ auf Gasherden könnte auch möglich sein, schließlich hört man immer wieder von vergifteten Opfern und explodierten Wohnhäusern durch defekte Gasinstallationen. Diese Absurditäten ließen sich ad infinito fortführen bis zu einem „Denken kann tödlich sein“ in totalitären Staaten, „Atmen kann tödlich sein“ in der Nähe von Chemiefabriken oder einem freundlichen „Leben kann tödlich sein“ im Umkreis eines Atomkraftwerks. Das Dasein ist nun einmal voller unvorhergesehener Gefahren, sowohl in der Arbeit als auch in der Freizeit, eine absolute Sicherheit vor Unfällen oder gesundheitlichen Schäden gibt es nicht und kann uns niemand geben. Deswegen sollte man diesen Beschriftungs- und Hinweisschilderwahn unterlassen bzw. möglichst stark einschränken, sonst gibt es irgendwann kein Produkt mehr, auf dem nicht ein „…kann tödlich sein“ prangt. Außerdem wissen die meisten Menschen sehr genau, welchen Gefahren sie sich durch ihre mannigfaltigen Aktivitäten aussetzen, nicht zu vergessen der mit der Zeit eintretende Gewöhnungs- und Abstumpfungseffekt durch diese permanenten, unterschwelligen Gefährdungswarnungen. Wenn wir versuchen, jede Eventualität des menschlichen Lebens bis ins kleinste Detail zu reglementieren und regulieren, wird sich bald niemand mehr in diesem labyrinthischen Dschungel von Hinweisen, Vorschriften, Empfehlungen und Gesetzen zurechtfinden. Leider befinden wir uns verdientermaßen auf Grund unserer eigenen, unglaublich mikrologischen Geisteshaltung zur Zeit auf diesem unglücklichen Wege.

88.

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Durch meine Tätigkeit bei einer offiziellen Einrichtung verfüge ich über Einsicht in diverse sowohl interne als auch öffentliche Stellenausschreibungen. Dabei ist mir schon seit geraumer Zeit aufgefallen, daß für Arbeitsstellen im IT- und EDV-Bereich als eine der wichtigsten Voraussetzungen immer öfter explizit ein naturwissenschaftliches Studium gefordert wird. Warum dieses? Ich verstehe die abstrusen Gedankengänge der hierfür verantwortlichen Personalleiter nicht, weshalb ein Mensch, der z.B. Chemie, Biologie oder Veterinärmedizin studiert hat, besser mit Computern, Software oder Netzwerken umgehen sollen könnte, als ein ausgebildeter oder durch eigenes Engagement erfahrener EDV-Fachmann mit Ingenieurstitel, aber ohne Studium. Panische Frage an den promovierten Tierarzt im Serverraum: „Das Netzwerk ist zusammengebrochen! Wir sind mit unserer Firmen-Website nicht mehr im Internet, das DHCP funktioniert nicht mehr im Vertriebssubnet B, und der File-Server ist auch nicht zu erreichen – können sie uns bitte helfen?“ Antwort: „Eigentlich nicht, aber ich könnte ihren Wachhund einschläfern.“ Wo ist bei dieser personalpolitischen Überlegung der tiefere, mir offenbar nicht zugängliche Zusammenhang zwischen Veterinärmedizin und Netzwerkarchitektur? Das Problem bei uns in Deutschland ist, daß viel mehr darauf geachtet wird, welche Voraussetzungen, Scheine, Abschlüsse und Beziehungen eine Person hat, als auf ihr handwerkliches Können und Geschick im geforderten Sachgebiet. Selbiges schlägt sich auch in den gegenwärtigen Vorstellungsgesprächen, inklusive zweistündigem ‚Verhör’ durch einen (Pseudo-)Psychologen, der unter anderem die Motivation des Kandidaten eruieren soll, nieder. Aber was nützt mir als potentieller Dienstherr ein Angestellter, der zwar hochmotiviert und loyal ist, jedoch von der Materie seines zukünftigen Arbeitsbereichs definitiv keine Ahnung hat? Das Können rückt somit in den Hintergrund, das Erscheinungsbild (und sei es nur auf dem Papier) des Bewerbers zählt. Ein möglicher Lösungsansatz in diesem Dilemma wäre, wenn der Proband in einer – in jedem größeren und auf Sicherheit bedachten Unternehmen vorhandenen – Testumgebung unter Aufsicht eines geschulten Fachmanns ein real existierendes (simuliertes) Problem erkennen, analysieren und reparieren muß. Wenn er die Aufgabe in der zuvor veranschlagten Zeit erfolgreich löst, kann man immer noch, falls nötig, etwaige schriftlich vorliegenden Voraussetzungen als nachgelagerte Entscheidungshilfen zu Rate ziehen – wenn nicht, sollte dem Anwärter auch ein eventuell absolviertes Studium aus oben genannten Gründen nicht zum Vorteil gereichen (dieses System wird bereits in einigen anderen Ländern, zum Beispiel in den USA, seit längerem erfolgreich praktiziert). Ein Umdenken in der gegenwärtigen EDV-Personalpolitik (eigentlich in der gesamten Personalkultur, da dieses Problem leider nicht nur den Aufgabenkreis der elektronischen Datenverarbeitung betrifft) ist dringend erforderlich, denn bei der momentanen Art des personellen Auswahlverfahrens in Deutschland verwundert es nicht, wenn relativ viele Bedienstete auf höheren Positionen im IT-Bereich über alle Maßen unfähig sind und nur durch einen Stab erfahrener Mitarbeiter und Ratgeber ihre berufliche Existenz halbwegs rechtfertigen. Aber sie haben immerhin etwas studiert, bzw. erfüllen andere (willkürlich ausgesuchte?) Bedingungen, die jedoch zumeist nichts mit dem eigentlichen Aufgabenbereich zu tun haben, respektive nur formeller Natur sind, während den subalternen Angestellten, die es erheblich besser wissen und können würden, aufgrund ‚mangelnder Qualifikation’ oder ‚fehlender Voraussetzungen’ der wohlverdiente Aufstieg in höhere Ämter verwehrt bleibt.

89.

Nach der letzten Gesundheitsreform, respektive nach Einführung des Fallpauschalensystems (inklusive den DRGs: Diagnosis Related Groups – Diagnosebezogene Fallgruppen) spielt in den Krankenhäusern medizinische Qualität keine Rolle mehr (Stichwort: Blutige Entlassung) – die Maxime lautet nun: größtmögliche Schadensbegrenzung. Mittlerweile wurde auch die ärztliche und pflegerische Dokumentation wichtiger als der Patient selbst. Der Mensch ist tot, aber die Statistik stimmt – typisch deutsche Bürokratie.

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90.

Selbst in die Vereinigten Staaten von Amerika kann man nicht mehr ungefährdet reisen – zu viele fundamental-christliche Fanatiker…

91.

Latein (lingua latina) ist auf Grund seiner Artikelfreiheit eine komplexe Sprache, bei der man vor dem Reden genau überlegen muß, was man eigentlich sagen will. In den gegenwärtig aktuellen Sprachen mit Artikel ist dies nicht mehr unbedingt nötig, deswegen salbadern die Menschen permanent soviel Unsinn. Doch wer nichts zu sagen hat, sollte einfach einmal den Mund halten, und nicht ständig seinen Nächsten mit sinn- und nutzlosem Geschwätz belästigen – soll er doch ein Buch darüber schreiben, das muß man dann wenigstens nicht lesen.

92.

Menschen unterscheiden sich in vielen endemisch auftretenden Äußerlichkeiten: an der landestypischen Physiognomie kann man ohne Probleme einen Amerikaner, einen Italiener, einen Deutschen, einen Iraner, einen Engländer etc. erkennen – trotzdem sind sie alle Menschen derselben Art. Vermeintliche Rassenunterschiede gibt es demnach nur in den Köpfen derer, die solche gerne haben würden. Rassenunterschiede gibt es per exemplum zwischen Gorilla und Mensch, aber nicht zwischen Mensch und Mensch, nur weil die Hautfarbe oder die Form der Nase ein wenig variiert. Das sind nur willkürlich gewählte Unterschiede; genauso könnte man sagen, Personen bis zu einer Körpergröße von 1,75 m gehören einer anderen Rasse an als die darüber (oder: Menschenrasse 1: bis 80 kg Körpergewicht, Menschenrasse 2: bis 160 kg, und Menschenrasse 3 sind alle, die darüber liegen). Alle Menschen sind Weltbürger – ein gepflegter Nationalismus und ein kultiviertes Heimatbewußtsein, dagegen ist sicherlich nichts zu sagen, wenn es in normalen Bahnen abläuft und nicht in kleingeistig-dumpfem Traditionalismus endet; doch kein Angehöriger irgendeiner Staatszugehörigkeit kann sich besser oder privilegierter wähnen als der einer anderen.

93.

Staaten sollten die Todesstrafe kategorisch vermeiden, denn diese transformiert Täter zu Opfer und Verbrecher zu Märtyrer. Besser ist es, die Delinquenten lebenslänglich im Gefängnis schmoren und in anonymer Vergessenheit verrotten zu lassen. Die Todesstrafe ist zu gut für Gewaltverbrecher.

94.

Wenn die Menschen nur etwas menschlicher wären, hätten sie Institutionen wie die Internationalen Menschenrechte – oder die Todesstrafe – nicht nötig.

95.

Ein freundlicher Tip zum Energiesparen: Im Sommer ist es abends zu hell zum einschlafen, und morgens zu dunkel, um ohne Licht auskommen zu können. Schafft die teure, im Jahre 1980 eingeführte Sommerzeit endlich wieder ab, und beide Probleme wären auf einmal

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erledigt. (laut verschiedenen Expertenberichten hat sich auch die erwartete Energieeinsparung nie eingestellt – im Gegenteil, die einzigen, die wirklich etwas davon hatten, waren die Energiekonzerne und, auf Grund höherer Steuereinnahmen, der Staat)

96.

Schon Cicero resümierte: fundamentum est iustitiae fidesi. Leider findet sich in der gegenwärtigen politischen Landschaft niemand, der dieses Vertrauen wirklich verdiente. Doch wenn bereits die Prämissen nicht stimmen, können die nachfolgenden Resultate und Konsequenzen selbstverständlich nur suboptimal bis kontraproduktiv sein.

97.

Die Regierung Deutschlands besteht seit langem schon aus einem bunten Sammelsurium nichtvorhandener Kompetenzen (nur die jederzeit austauschbaren Interpreten wechseln). Ein unkoordinierter, rein propagandistischer, unqualifizierter Aktionismus par excellence, leicht erkennbar an den unzulänglichen, zahnlosen Ergebnissen. Viel Gerede – nichts dahinter. Carl von Ossietzky argwöhnte schon vor über 70 Jahren: „Deutschland ist das einzige Land, wo Mangel an politischer Befähigung den Weg zu den höchsten Ehrenämtern sichert.“ Seitdem hat sich nicht viel verändert (ausgenommen – und unter Vorbehalt – die kurze zweite Gründerzeit mit integriertem Wirtschaftswunder nach Ende des 2. Weltkriegs).

98.

Demokratur = demokratische Diktatur; d.h. die Bürger dürfen frei wählen, wer sie die nächste Legislaturperiode froissiert und ausbeutet. Heinrich Wiesner bemerkt in diesem Sinne: „Freiheit ist die Fähigkeit, eine Wahl zu treffen, deren Gefangener man hinterher ist.“

99.

Beim täglichen Blick in die Zeitung hilft nur das vorsichtige Hoffen auf bessere Zeiten. Doch schon Billy Wilder erkannte: „Das Licht am Ende des Tunnels ist der Expreßzug, der direkt auf dich zufährt.“ Erst wenn man glaubt, es geht nicht mehr schlimmer, kommt das dicke Ende (und dann noch eines).

100.

Der vielbejubelte Fortschritt kann nicht immer positiv bewertet werden, denn auch Diktatoren, Mörder und Terroristen entwickeln sich weiter. Oder, wie Thornton Wilder es artikulierte: „Unter Fortschritt versteht man eher das Tempo als die Richtung.“

101.

Reisen bildet – man erkennt: anderswo ist’s auch nicht anders, nur die Landschaft wechselt.

102.

Mit Gewalt- und Sexualverbrechern wird in Deutschland im allgemeinen immer noch viel zu nachlässig und gutgläubig umgegangen. Zumindest Wiederholungstäter sollten lebenslänglich aus der Gesellschaft entfernt werden – rein prophylaktisch gesehen: im Zweifel für die

i Grundlage der Gerechtigkeit ist Vertrauen

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potentiellen Opfer (denn wenn die Resozialisierungsmaßnahmen während des ersten Gefängnisaufenthalts nichts fruchteten, werden sie es während des zweiten wieder nicht). Leider bewertet bei uns bisweilen, wie eigentlich in allen kapitalistisch orientierten Staaten, der Gesetzgeber Eigentumsdelikte höher, dringlicher, als durch soziokulturelle Defekte und Defizite ausgelöste interindividuelle und viktimogene Aggressionseruptionen. Staat und Wirtschaft sollten offensichtlich mehr und gezielter in die sukzessiv verrohende, primitivierende psychisch-emotionale Volksgesundheit investieren, doch das ist gegenwärtig in unserer profitorientierten Welt der besitzverliebten Plutokraten bedauerlicherweise nicht lukrativ genug – die Bürger dürfen sich ruhig gelegentlich gegenseitig vergewaltigen und umbringen, ab und zu verschwindet eben ein Kind, die Hauptsache ist doch, die sakrierte Umsatzstatistik stimmt und die Gewinne steigen. In einer dekadenten Zivilisationsgesellschaft, in der schnöder Mammon mehr zählt als der einzelne Mensch, verwundert es demnach auch nicht, wenn persönliche Unversehrtheit degradiert und juristisch zweitrangig behandelt wird.

103.

Politische Macht ist etwas für intelligente Menschen ohne Sinn und tieferes Verständnis für Realität, Humanität und Historie.

104.

Wenn ein Delphin plötzlich zu uns spräche – würden wir ihm zuhören und seiner phantastischen Geschichte lauschen? Nein, wir würden ihn aufschneiden, um zu sehen, wie er das gemacht hat.

105.

Die deutsche Presse bezeichnet Amerika gerne als ‚globalen Sheriff’. Diesbezüglich fand ich bei Behan die treffliche Sentenz: „Die Welt ist ein Irrenhaus, und deshalb ist es nur richtig, daß sie von bewaffneten Idioten bewacht wird.“ Ein wahres Wort, durchaus…

106.

Am diffizilen und zutiefst mikrologisch-egoistisch motivierten Hickhack um eine gemeinsame EU-Verfassung in Brüssel kann wieder einmal eindeutig festgestellt werden, daß die Menschheit noch sehr weit von einer nötigen generellen Weltverfassung mit allgemeinverbindlichem Gesetzesstatus entfernt ist.

107.

Warum sollten wir den Politikern auch nur ein Wort glauben? Sie haben uns vor der Wahl belogen, sie werden es auch weiterhin tun.

108.

22. Juni 2006: Bayerns Ministerpräsident Stoiber fordert allen Ernstes drei Jahre Gefängnis für Gotteslästerung. Wie innovativ und tolerant – wie wäre es noch mit einer vorhergehenden Inquisition? Inklusive Streckbank, Daumenschraube und Spanischem Stiefel? Tschüß, Fortschritt – Hallo, Mittelalter… Doch das ist typisch für religionsvernebelten Aktionismus: zuerst großartig Aufgeschlossenheit, Verständnis und Nächstenliebe predigen, aber dann, bei

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kleinster Kritik, instantan nach empfindlicher Bestrafung für den ach! so ketzerisch-blasphemischen Querulanten schreien (anstatt konstruktive Gegenargumente vorzubringen und einen für beide Seiten innovativ-produktiven Dialog zu initialisieren). Und was sagt das Grundgesetz dazu? Eine Zensur findet nicht statt (Artikel 5) i. Aber das ist wohl, wie so oft, politisch-opportunistisch geprägte Interpretationssache. Wenn Stoibers Vorschlag jedoch national gültiges Gesetz werden sollte, müßten unzählige einheimische Schriftsteller, Regisseure, Maler und andere Kunstschaffende um ihre Freiheit fürchten – des Ministerpräsidenten angestrebte Vision: die Gedanken sind frei, aber die Künstler im Knast…

109.

Freie Wahlen und gelebte Demokratie sind im Prinzip positiv zu bewerten, nur die seit etlichen Dekaden immer gleichen nominierten Parteien und Personen sind größtenteils humanitär insuffizient – doch bei der prävalierenden politischen Situation und Konstellation bedauerlicherweise konkurrenzlos.

110.

Laut Statistik begehen rund ein Viertel aller Geisterfahrer (die mit einem Unfall endeten) ihre folgenschwere Falschfahrt in suizidaler Absicht und töten oder verletzen dabei zusätzlich andere, unschuldige Verkehrsteilnehmer, die fatalerweise zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Letztere sollten diesbezüglich besser geschützt werden, indem man potentiellen Lebensverweigerern – im allgemeinen, also nicht nur den Falschfahrern – eine angemessene, rechtlich abgesicherte Möglichkeit an die Hand gibt, ihre gequälte Existenz schmerzfrei und unbürokratisch zu annullieren.

111.

Manche Zeitgenossen verbringen ihr tristes Dasein permanent pendelnd zwischen delirium tremens und dementia senilis.

112.

Kanzlerin Merkel bezeichnete Ende Juni 2006 Deutschland als einen Sanierungsfall. Das stimmt so nicht: die Regierung ist der Sanierungsfall.

113.

Montag, 26. Juni 2006, 450 Uhr: Nun haben sie also den sympathisch-nonkonformistischen Braunbären Bruno (alias Problembär JJ1) getötet – typisch Mensch: unoriginell, unkreativ, eklektizistisch (und ein herber Rückschlag für den Natur- und Artenschutz); Lebewesen, mit denen er nicht instantan zurechtkommt (bzw. denen er offensichtlich geistig unterlegen ist), werden gnadenlos abgemurkst – Grüße aus der Steinzeit. Deutschland soll angeblich eine der fortgeschrittensten Industrie- und Technologienationen sein, aber trotzdem ist es augenscheinlich völlig unfähig, innerhalb mehrerer Wochen ein einzelnes, nicht gerade kleines oder unauffälliges Tier aufzuspüren und zu fangen. Aber man kann es auch anders formulieren: der ideelle Wert des unersetzlichen Daseins dieses armen Geschöpfes wurde wohl leider nicht so hoch eingeschätzt, als daß die politischen Verantwortlichen die nötigen finanziellen Mittel für ein unblutiges Einfangen des Bären bereitgestellt hätten. Geiseln, die sich selbst und bewußt in Gefahr brachten, werden vom Staat freigekauft – aber Bruno, der

i Siehe Anhang IV.

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nur sein junges Leben leben wollte, wird erbarmungslos erschossen. Er wurde dem schnöden Mammon geopfert – ein Bärenmärtyrer – und ein dicker Minuspunkt für die einfallslose, dumpf-desinteressierte Menschheit. Tragisch…

114.

Wissen gepaart mit Intelligenz kann eine desaströse Mischung sein – entweder für den Betroffenen selbst, oder für alle anderen; wenn auch noch Macht oder Popularität hinzukommen, ausschließlich für die anderen.

115.

Tierquäler haben eklatante kognitive Defizite und sind definitiv potentielle Gewalttäter. Sie sollten härter bestraft und psychiatrisch behandelt werden. Anschließend lebenslängliches Tierhaltungsverbot.

116.

Sterben kannst du auch zuhaus’, doch schneller geht’s im Krankenhaus.

117.

Es ist schon äußerst traurig für Deutschland und seine morbid-insuffizienten Einwohner, wenn man sehen muß, wie sich die jederzeit austauschbaren und dementsprechend frei flottierenden Regierungsparteien seit Jahrzehnten mit ihren immer offensichtlicher und dreister werdenden Inkompetenzen gegenseitig überbieten.

118.

Wenn man sich die endlos lange Reihe gebrochener Wahlversprechen des vergangenen Vierteljahrhunderts kritisch ad oculos demonstriert, dürfte es dementsprechend für die so agierenden staatsverantwortlichen Akteure auch kein größeres Problem darstellen, wenn das gemeine Volk auf die überwiegende Majorität der Politiker die mittlerweile synonymisierten Termini ‚Lügner’ und ‚Betrüger’ anwendet. Wessen nichtssagendes Gerede eben nur einen Wahrheits- und Realitätsgehalt von durchschnittlich etwa 20 Prozent enthält, braucht sich anschließend auch nicht wundern oder sich darüber echauffieren, daß er dieserart distanz- und respektlos tituliert wird – und das zurecht; man braucht nur die desaströsen Ergebnisse nach der Bundestagswahl 2005 zu betrachten, als partiell das eklatante Gegenteil von dem, was die stimmenheischenden Volksvertreter während des Wahlkampfes versprachen, zu Gesetzen wurde. Da haben sie sich wohl nur versehentlich ‚versprochen’?

119.

Als Altbundeskanzler Kohl im Jahre 2004 den ersten Teil seiner Biographie15 veröffentlichte, erstand ich es mit doch relativ hohen Erwartungen – welche jedoch schon nach wenigen Seiten maßlos enttäuscht wurden. Nach knapp der Hälfte dieser unglaublichen Selbstbeweihräucherung mußte ich das Buch zur Seite legen – soviel Gutmensch-Dasein, ‚Helmut hat die Welt gerettet’ und ‚ohne mich wäre Deutschland nie zu dem geworden, was es ist’ schlug mir gehörig auf den Magen. Der Mann hat einfach keine Fehler, so wie er sich selbst beschreibt (jedenfalls keine, die er öffentlich diskutiert sehen möchte); ein Held des Alltags, der Menschenliebe und der Tradition – da könnte sich so mancher Papst eine Scheibe

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abschneiden. Das Werk erscheint als märchenhaftes Heldenepos mit einem Fünkchen Historismus – hätte es ein anderer geschrieben, wäre es eventuell ein wenig objektiver und realistischer geworden…

120.

Wenn ein freundlich-optimistischer Sozialarbeiter einen freundlich-obstinaten Häftling, der bereits mehrfach vorbestraft und rückfällig wurde, ein weiteres mal als erfolgreich therapierbar einschätzt, sollte er, bevor er leichtfertig eine unentschuldbare Torheit begeht, an ein altes, immer noch aktuelles römisches Sprichwort denken: lupus pilum mutat, non mentemi. Nicht umsonst ist ein Wiederholungstäter ein Wiederholungstäter.

121.

Die schon lange gegebenen unfreundlich-asozialen Zustände in der Politik präsentieren sich so bedrückend desolat, weil die sogenannten verantwortlichen (nicht zu verwechseln mit: verantwortungsvollen) Politiker schlechterdings keine sind, sondern nur unzureichend als Politiker getarnte Wirtschaftsfunktionäre – und als solche kümmern sie sich eben hauptsächlich um die eigenen, vornehmlich finanziellen Interessen und Besitzstände, als um die fundamentalen Sorgen und Nöte des gemeinen, subalternen Volkes, welches von ihnen zumeist bloß als notwendiges, lästiges Übel angesehen und behandelt wird. Vor anstehenden Wahlen gleisnerisch-servil umschmeichelt (bzw. wider besseren Wissens belogen und betrogen), danach eiskalt und herzlos abgezockt und ausgenommen. Was las ich vor kurzem? ‚Politiker sind der nutzlose Abschaum der Menschheit’ – dem kann man, in Anbetracht der deprimierenden Konstellationen in der Staatsführung, im Prinzip nur uneingeschränkt zustimmen. Und falls sich nun einer der Betroffenen über diese negative Evaluation echauffieren sollte, muß man ihm klar sagen: eindeutig selber schuld, denn an euren Taten werdet ihr gemessen.

122.

Politiker und Wirtschaftsfunktionäre (im Prinzip synonyme Termini) sind die herz- und gnadenlosen Raubritter der Moderne.

123.

Die derzeitig forcierte Globalisierung ist nichts anderes als grundsätzlich illegale Kartellbildung zum Wohle weniger und zum Schaden vieler (und nur die wenigen Profitierer behaupten permanent wie vehement das Gegenteil).

124.

BRD = Bananenrepublik Deutschland (deprimierend, aber wahr)

125.

Und wieder einmal beginnen in Deutschland die Sommerferien, und wieder einmal steigen schmerzhaft die Benzinpreise, und wieder einmal versprechen unsere scheinheiligen Politiker, sie wollen diesen unschönen Zustand nicht hinnehmen und das Kartellamt einschalten, und wieder einmal schieben die berechnenden und geldgierigen Konzerne die Preiserhöhung auf

i Der Wolf wechselt sein Haar, nicht seinen Geist

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den Weltmarkt, und wieder einmal wird sich nicht das geringste an dieser deprimierenden Situation ändern – wie jedesmal bei einem Ferienbeginn. Und wieso sollte es auch – steigen die Benzinpreise, steigen gleichfalls die Steuern, und der Staat verdient kräftig mit. Warum sollte er also diese lukrative Sachlage ändern wollen? Es ist schon traurig, für wie einfältig und vergeßlich die exploitierte Bevölkerung gehalten wird…

126.

Pressemitteilung des ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) vom 25.07.2006: Peter Harry Carstensen, seines Zeichens amtierender Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, übernimmt eine Gastrolle in der ZDF-Serie Der Landarzt. Wofür manche unserer umtriebigen Politiker doch alles Zeit haben – nun ja, Landesführung ist wohl nicht so schwer und wichtig; die Hauptsache ist doch, er hat seinen Spaß daran (als ob er nicht schon oft genug im Fernsehen präsent wäre).

127.

Die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Verbündeten (incl. Deutschland) brauchen sich nicht so melodramatisch über die endlose Nahostkrise befremden oder echauffieren, denn schließlich waren sie es (unter anderen), die den beteiligten Konfliktparteien die nun verwendeten Waffen lieferten. Was glaubten sie denn, was diese damit anfangen? Ins Museum stellen? Aber das ist charakteristisch für die bigotte Weltpolitik und ihrem globalisierten Wirtschaftsdenken: erst für viel Geld tonnenweise Waffen in Krisengebiete liefern, und sich dann überrascht wundern, wenn diese tatsächlich eingesetzt werden.

128.

Wenn all die finanziellen Mittel und geistigen Ressourcen, die seit Jahrtausenden, um nicht zu sagen: seit Anbeginn der destruktiven menschlichen Zivilisationsgesellschaft, in die Entwicklung von Militär- und Waffentechniken gesteckt und somit sinnlos verschleudert wurden, ausschließlich für zivile Forschung sowie sozialen und kulturellen Fortschritt verwendet worden wären – die Welt wäre bei weitem nicht so kriminell, verseucht und humandefizitär, wie sie sich heute eben präsentiert. Doch Tod und Vernichtung sind leider um ein Vielfaches lukrativer als Frieden und Freiheit, und Geld war bedauerlicherweise schon immer die einzige Triebfeder der mikrologisch-egoistischen Menschheit (bzw. deren politischer und spiritueller Anführerschar).

129.

Aktiven Politikern in Deutschland sollten sämtliche ihrer lukrativen ‚Nebentätigkeiten’, also die vielgeliebte und oft praktizierte Ämterhäufung, strikt und unter expliziter Strafandrohung verboten werden. Schließlich sind Politiker exklusiv gewählt worden, um eine ordentliche, gesellschaftsverträgliche und zukunftsfähige Politik für das Land zu gestalten – und da dies eine äußerst diffizile und höchst arbeitsintensive Angelegenheit ist (zumindest, wenn sie gut und gewissenhaft erbracht werden soll), können sie im Prinzip gar keinen zeitaufwendigen Zweitjob wahrnehmen. Sie sollten lieber ihr eines, vom Volk zugewiesenes politisches Mandat förderlich und akkurat gestalten, statt in mehreren z.T. adversativen, miteinander konkurrierenden Beschäftigungen mehr schlecht als recht vor sich hin dilettieren (– denn nicht umsonst nennt man Politiker auch ‚Volksvertreter’, und nicht Wirtschaftsfunktionäre, Lobbyisten o.ä., obwohl diese negativ belasteten Termini des öfteren weitaus zutreffender wären). So können auch keine politischen oder wirtschaftlichen Interessenskonflikte auftreten,

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wie dies immer wieder, um nicht zu sagen: fortwährend, in unserer von illegalen Insidergeschäften und beinahe öffentlich zelebrierten Korruptionsaffären durchzogenen, dramatisch asozialen Bananenrepublik geschieht.

130.

Ein deutsches Paradoxon: Verwaltungen sind und waren seit jeher der unproduktive Teil einer Organisation. Doch während sie sich immer mehr aufblähen, verzweigen und als immer ineffizienter erweisen, werden die Menschen, die tatsächlich durch ihre individuell erbrachte Arbeit das Geld für das Unternehmen erwirtschaften, immer weniger (siehe die seit Jahren anhaltende deprimierende und demotivierende Entlassungswelle in Deutschland). Wann sehen es die verantwortlichen Führungskräfte endlich ein, daß ein monströs aufgedunsener Verwaltungsapparat allein nicht überlebensfähig ist?

131.

Das (laut Grundgesetz Artikel 5i eigentlich nicht vorhandene) Zensurwesen, besonders im deutschen Filmgeschäft, präsentiert sich mir als absolut überflüssig und unverständlich – so habe ich sämtliche nach § 131 StGBii beschlagnahmten Spielfilme von A bis Z gesehen, quasi von Antropophagus16 bis Zombie17, doch nichts war brutaler, gewaltverherrlichender und menschenverachtender als The Passion of the Christ18 von Mel Gibson. Dieser tatsächlich ernstgemeinte Film zeigt über 120 Minuten explizit, in Farbe und in Nahaufnahmen, wie ein einzelner Mensch verhöhnt, erniedrigt, gequält, gefoltert, verstümmelt und letztendlich grausam ermordet wird. Und dieses zutiefst verstörende, bluttriefende und ultrabrutale Machwerk gaben unsere planlosen Tugendwächter unglaublicherweise für Zuschauer ab 16 Jahren frei (– doch nur, weil man einem timonischen Metzelwerk den Hauch eines religiösen Anstrichs verleiht, mutiert es noch lange nicht zur Kunst), während selbstironisch arrangierte, splattermäßig überzogene Horrorkomödien, wie etwa The Evil Dead19 oder Mother’s Day20, welche in anderen Ländern bereits im nachmittäglichen Fernsehprogramm zu sehen sind, in Deutschland beschlagnahmt und rigoros verboten wurden. Man muß sich wirklich fragen, von welch humorlosen Kunstbanausen und nach welch absonderlichen Kriterien Filme in unserem Land bewertet werden…

132.

Einen Tag vor der Tour de France 2006 wurden von der Tourleitung die hochgehandelten Favoriten Jan Ullrich, Ivan Basso, Francisco Mancebo, Joseba Beloki, Oscar Sevilla und noch einige weitere Fahrer (die spanischen Behörden präsentierten eine Liste mit 58 Verdächtigen) wegen des dringenden Dopingverdachts von der Teilnahme ausgeschlossen. So hofften die arglosen Organisatoren, eine dopingfreie Frankreich-Rundfahrt zu gewährleisten (mehr oder weniger) – doch schon kurz nach Tour-Ende wurde der Sieger Floyd Landis positiv auf synthetisches Testosteron getestet (sowohl bei der A-Probe als auch einige Zeit später bei der B-Probe), so ein Pech aber auch – sollte man nun die Tour de France in ‚Tour de Dope’ umbenennen? Es ist jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß dies nur die Spitze eines gigantischen Eisbergs bedeutet und noch viele weitere Hochleistungssportler aus allen Disziplinen oft und gerne zu solchen sogenannten verbotenen Substanzen greifen, ohne die sie ihre herausragenden Leistungen wohl nie erreichen würden. Nur hatten diese Athleten offensichtlich das zweifelhafte Glück, unbeschadet die diesbezüglichen Kontrollen zu überstehen. Warum gibt man in Anbetracht dieser andauernden

i Siehe Anhang IV.ii Siehe Anhang V.

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bzw. stetig eskalierenden Situation das Doping nicht einfach generell frei? Schließlich wollen die sensationslüsternen Zuschauer ständig neue Höchstleistungen und Rekorde sehen, und im medizinischen Endeffekt schaden die Sportler nur ihrem eigenen Körper. Ein wenig Doping hier, ein wenig Genmanipulation da, und den Kopf braucht man sowieso nur noch, um irgendwo die Medaille hinzuhängen. Und auch die teuren Dopingkontrollen, Testverfahren und überwachenden Institutionen könnte man zukünftig getrost einsparen (für das viele Geld könnte dann im Labor eine völlig neue Art von Wettkämpfern kreiert und herangezüchtet werden). Schöne neue Sportlerwelt…

133.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (United Nations Security Council), angeblich deren mächtigste Institution, präsentiert sich in unserer opportunistischen Welt mehr und mehr als uneffektives, taktisches Possenspiel, als ein ganz und gar unzulänglicher, zahnloser Papiertiger: zuerst dauert es auf Grund des absolut unzweckmäßigen Vetorechts der fünf ständigen Mitglieder (China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, USA) unglaublich lang, bis er sich endlich zu einer einstimmigen Resolution durchringt, an die sich anschließend ohnehin niemand wirklich gebunden fühlt – und am wenigsten die Länder, auf die sich diese rhetorisch abgeschwächten und politisch ineffizienten Beschlüsse beziehen. Außerdem: warum muß es ein einstimmiges Dekret sein? Eine simple Zweidrittel- oder Dreiviertelmehrheit der mittlerweile 15 Teilnehmerstaaten sollte doch wohl ausreichend genug für eine Entscheidung des Sicherheitsrats sein, wozu gibt es denn schließlich die allseits vielbeschworene Demokratie? Es kann doch nicht angehen, daß ständig eine einzelne Nation durch ihr rein politisch-strategisch motiviertes Veto die Beschlüsse der 14 anderen blockiert.

134.

1. August 2006: Nun gilt sie also, die mehrfach reformierte Reform der Rechtschreibreform aus dem Jahre 1996 – wie dem auch sei, ich verwende weiterhin die alte, originale, richtige, prächaotische Orthographie. Man muß schließlich nicht jeden unausgegorenen Schwachsinn mitmachen…

135.

Die meisten deutschen Verwaltungen (99,9 Prozent, Tendenz: steigend) sind ad nauseam aufgedunsen, hoffnungslos überbürokratisiert, sukzessive ineffizient und reine Geldvernichtungsmaschinerien.

136.

Die unglaubliche soziale und ethische Inkompetenz der anthropomorphen Kreaturen: in den diversen, beliebig austauschbaren, parallel existierenden Krisenregionen dieser Erde sterben täglich tausendfach die Menschen, allenthalben toben Krieg und Terrorismus, Kinder verhungern, es wird sinn- wie endlos gefoltert, vergewaltigt und gemordet, die mikrologische Menschheit verroht sukzessive und die überforderte Welt taumelt haarscharf am Rande der totalen Destruktion von einer humanitären Katastrophe zur nächsten – doch trotzdem gibt es nicht wenige Erdenbürger, denen es angesichts solcher menschenunwürdigen Situationen gleichwohl erheblich wichtiger ankommt, welche Farbe das Kleid der Queen bei ihrem nächsten offiziellen Auftritt hat, wie Naomi Campbell mit ihren intermittierenden

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Aggressionsausbrüchen umgeht, oder ob Britney Spears’ nächstes Kind ein Mädchen, ein Junge oder irgendwas dazwischen sein wird.

137.

Politisches Kalkül 2006: Simultaneität von Fußballweltmeisterschaft und Mehrwertsteuererhöhung – Zuckerbrot und Peitsche in offensichtlicher Reinkultur.

138.

Jetzt ist es also im angeblich so liberalen Europa schon soweit gekommen: laut amtlich veröffentlichter Richtlinie der Europäischen Union (EU)21 dürfen Raucher ab sofort (August 2006) bei der Arbeitssuche offiziell diskriminiert werden – und das, obwohl wir in Deutschland doch so ein tolles Antidiskriminierungsgesetz (ADG), respektive das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)22 haben –; die Stellenangebote dürfen in Zukunft und ohne schlechtes Gewissen für die Inserenten den eindeutig ausgrenzenden Zusatz: ‚Raucher brauchen sich nicht zu bewerben’ aufweisen. Mit anderen Worten, der nun verfassungsmäßig unerwünschte Raucher mag zwar objektiv die besseren beruflichen Qualifikationen haben und die ausgeschriebenen Tätigkeiten wesentlich wirtschaftlicher und gewinnbringender ausführen können, aber der Nichtraucher ist wenigstens ein Nichtraucher – und da soll man sich nicht ungerecht behandelt fühlen? Nun denn, werden wir eben nolens volens Lügner (‚selbstverständlich bin ich von Grund auf und aus vollstem Herzen ein militanter Raucherhasser – wo denken sie hin? – schlagt sie alle tot!’) – oder Alkoholiker. Alkoholismus gilt zumindest als Krankheit, und aus gesundheitlichen Gründen fällt es einem Betrieb nicht so leicht, einen fachlich versierten Bewerber abzuweisen – außerdem braucht man doch als potentieller, eventuell sogar genetisch bedingter Abhängigkeitsgefährdeter irgendeine adäquate Ersatzbefriedigung (und Kaugummis brennen so schlecht). Rauchen zählt zwar, genau wie das Potatorium, in vielen Ländern ebenfalls zu den behandelnswerten Suchtkrankheiten, doch es ist ja allgemein bekannt, daß die ingeniösen Leuchten in Brüssel de facto nicht allzu hell strahlen, und eine Krankheit ist eben nur das, was die Europabürokraten dazu erklären. Gleichermaßen ist nur das eine Diskriminierung, was sie als eine solche anerkennen – trotz der Artikel 1, 2, 7 und 23 der vielbeschworenen (doch selten beachteten) Internationalen Menschenrechtei (bzw. deren wohlwollende Kombination). Warum dürfen aber dann, trotz der extrem negativen und intoleranten Vorgaben für die Freunde des blauen Dunstes, immer noch landesweit die verschiedensten Tabakwaren legal verkauft werden, wenn die Staatsführung schon so massiv gegen die verschreckten Raucher vorgeht und sie sogar gesetzlich abgesichert verunglimpfen läßt? – andere Drogen und Suchtmittel sind schließlich auch verboten? Die simple und ewig gleiche Antwort in unserer kleptokratischen Plutokratie lautet: weil die Regierung kräftig daran mitverdient – und auf die vielen Steuermilliarden kann und will sie nicht verzichten! Dennoch ist dieser heuchlerische Sachverhalt leider nur ein weiteres offensichtliches Beispiel unter unzähligen anderen für die gleisnerische Bigotterie in der Politik der Bananenrepublik Deutschland (doch nicht nur dort) – letztendlich dreht sich eben alles nur um das allseits benötigte Geld, und pecunia non oletii, wußte schon der ideenreiche Vespasian.

139.

Strategisch günstig placierte Radwege, vorhanden fast in jeder größeren menschlichen Ansiedlung, entwickelten sich über die Zeit zu einer nicht zu unterschätzenden

i Siehe Anhang III.ii Geld stinkt nicht

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verkehrsberuhigenden und vor allem lebensrettenden Einrichtung. Deswegen begreife ich einfach die primär effizierende Motivation nicht, warum die meisten Fahrradfahrer trotzdem immer noch, genauso plan- und gedankenlos wie eh und je, völlig selbst-, fremd- und verkehrsgefährdend mit ihren knautschzonenfreien Vehikeln auf den gefährlich vielbefahrenen Straßen der Großstädte herumeiern müssen. Am besten noch ohne Helm, ohne Licht, ohne Hirn und gegen die Verkehrsrichtung. Sind das alles kleine Selbstmörder, oder sind sie nur zu apathisch und zu infantil, einen durch Schilder und Markierungen exakt ausgewiesenen Fahrradweg als solchen zu erkennen? Doch was soll’s – die überwiegende Mehrheit der desinteressierten, sicherheitsbewußtseinsresistenten Radler fährt sowieso in einer schaurig konfusen Art und Weise, als hätte sie noch nie etwas von Verkehrsregeln gehört, geschweige denn ein Verkehrsschild oder eine Ampel gesehen. Schade ist letztendlich nur, daß ein Autofahrer automatisch eine Teilschuld erhält, wenn er ohne eigenes Zutun mit so einem ahasverischen Chaoten kollidiert. Nichtsdestoweniger sollten auch Fahrräder ein eindeutig erkennbares, amtlich zugeteiltes Nummernschild haben müssen, damit man als rechtlich benachteiligter Fahrzeuglenker wenigstens weiß, wen man zu verklagen hat, wenn einem wieder einmal ein militanter Zweiradfahrer ohne Licht mitten in der Nacht und auf der falschen Straßenseite (trotz offensichtlich vorhandenem Fahrradweg) die Vorfahrt nimmt (denn ‚rechts vor links’ ist ihnen ebenso unbekannt) – und der zu allem Überfluß auch noch bösartig ausfallend bis handgreiflich rabiat wird, wenn man es unvorsichtigerweise wagt, ihn darauf anzusprechen.

140.

Bei jeder neuen Ölpest in einem der sowieso schon immens belasteten Gewässer und Weltmeere wird von den mitleidheuchelnden Medien und Politikern die dramatische Situation der davon betroffenen Menschen beweint (à la ‚viele Fischer und Bootsverleiher fürchten um ihr Einkommen’). Ehrlich gesagt, die Menschen kümmern mich herzlich wenig, schließlich werden sie zumeist von den schwerreichen Verursacherkonzernen entschädigt oder können sich sonstwie eine neue Existenz aufbauen – mich dauern mehr die unzähligen unschuldigen und wehrlosen Tiere; Myriaden von schützenswerten Meeres- und Küstenbewohnern, welche durch die exorbitante Unfähigkeit, Gier und Ignoranz der egoistischen Menschen jämmerlich verrecken müssen. Jeder tote Fisch, jeder verendete Küstenvogel etc. – also jedes einzelne bei einer solchen Umweltkatastrophe verstorbene Tier – sollte für das verantwortliche Unternehmen eine empfindliche Konventionalstrafe von mindestens 100.000 US-Dollar nach sich ziehen, vielleicht konstruieren sie dann endlich sichere Tanker, Förderanlagen und Pipelines (was sie leider bislang aus purer Profitgier und dank ihrer politischen Verbindungen erfolgreich vermeiden konnten).

141.

Das hohe Amt des deutschen Bundespräsidenten könnte im Prinzip ersatz- und problemlos – und ohne daß es jemand wirklich merkt oder bedauert – instantan abgeschafft werden, denn es erscheint faktisch als eine politisch wie gesellschaftlich überflüssige Staatsposition ohne greifbaren Wert (außer für den Inhaber – der freut sich über seine lukrative Sinekure). So hört das Volk meistens nicht sehr viel von ihm, und wenn er sich tatsächlich doch einmal bemerkbar macht und eine eigene Meinung äußert, geschieht bzw. ändert sich in der Folge trotzdem nichts Wesentliches an der von ihm angesprochenen Situation – das deutsche Bundespräsidententum manifestiert sich schlicht als ein ausschließlich repräsentatives Amt für offizielle Photographieaktionen und pathetisch-expressive Eröffnungsfeierlichkeiten, jedoch ohne eine erkennbare Spur von realpolitischem Einfluß.

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142.

Politiker reden sich leicht von wegen Lohnverzicht, Einkommenseinbußen und massiven Steuererhöhungen für die zunehmend finanziell überforderte Bevölkerung, schließlich sind sie eine der wenigen exklusiven Berufsgruppen, die ihr exorbitantes Gehalt (wobei sich der von ihnen bevorzugte euphemistische Terminus ‚Diäten’ als äußerst irreführend und bagatellisierend präsentiert, schließlich soll, der öffentlichen Meinung nach, bei einer Diät ab- und nicht zugenommen werden) selbst bestimmen können und weder Abgaben noch irgendwelche Versicherungen zahlen müssen. Und diese ihre Einkünfte sind wahrlich nicht zu knapp, wenn man bedenkt, daß ein durchschnittlicher Minister in einem Monat mehr Geld erhält (ich schreibe bewußt ‚erhält’, denn ob sie es wirklich verdienen, steht auf einem anderen Blatt), als viele Bundesbürger im ganzen Jahr erwirtschaften können. Selbst wenn man die üppige Besoldung sämtlicher Regierungsmitglieder halbieren würde und sie ihre eigenen Steuern bezahlen sowie ihre Alters- und Gesundheitsabsicherung selbst bestreiten müßten, nagten sie noch lange nicht am Hungertuch – doch sie wären endlich einmal etwas näher an der Allgemeinheit (zumindest finanziell gesehen), und würden vielleicht einsehen, daß das Senken der staatlichen Ausgaben sozial besser verträglich ist als das permanente Erhöhen von steuerlichen Abgaben.

143.

Nach Rückkehr aus seiner diesjährigen Sommerfrische forderte Finanzminister Peer Steinbrück am 17. August 2006 die konsternierten Bundesbürger auf, zugunsten ihrer Altersversorgung auf ihren Urlaub zu verzichten. Doch nach diesem offensichtlich unüberlegten Statement würden die zu Recht entrüsteten Deutschen allerdings lieber auf Steinbrück als auf ihre wohlverdienten Ferien verzichten (bzw. sind der verständlichen Ansicht, dieser solle selbiges mit seinem politischen Amt machen, bevor er weiterhin leichtfertig derartigen Nonsens von sich läßt und gesellschaftliches Ungemach verbreitet). Solch dreiste Worte aus dem Munde eines Spitzenverdieners sind die absolut unangebrachte, pure Impertinenz. Da erhebt sich natürlich die berechtigte Frage, ob es den Menschen ohne diesen zynischen Volksverächter nicht wesentlich besser ginge – doch die anderen Regierungsmitglieder erweisen sich leider auch nicht als ersprießlicher.

144.

Die große ungelöste Frage unserer Demokratie: Warum entscheiden sich Politiker, die vor einer anstehenden Wahl permanent versprechen, ausschließlich zum Wohl und im Sinne der Staatsbürger zu handeln, nach gewonnener Wahl mehrheitlich dafür, den Rest der Legislaturperiode vornehmlich gegen das Volk zu arbeiten?

145.

August 2006: Auf Grund der steigenden Terrorismusgefahr in Deutschland – u.a. zwei Kofferbombenfunde Ende Juli in nordrhein-westfälischen Regionalzügen von Köln nach Dortmund und Koblenz – wollen unsere umtriebigen Politiker die Videoüberwachung auf Bahnhöfen und Flughäfen massiv ausweiten. Doch das einzige, was dieser kostenintensive Aktionismus wirklich bringt, ist, daß man nach erfolgten Anschlägen eventuell die Täter auf den Videoaufzeichnungen identifizieren kann (wofür jedoch die gegenwärtig vorhandenen Observationsanlagen im Prinzip völlig ausreichend wären, was beispielsweise am schnellen Fahndungserfolg bezüglich ebengenannter Kofferbomben ersichtlich ist – mehr oder weniger, denn eigentlich kamen die entscheidenden Hinweise zur Ergreifung eines der Täter vom

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Geheimdienst aus dem Libanon, während der zweite sich persönlich den Sicherheitsorganen seines Heimatlandes stellte) – die viktimogen konzipierten Attentate selbst können dadurch allerdings mitnichten verhindert werden. Und falls es sich bei den mordlustigen Terroristen auch noch um religiös-fundamentalistische Selbstmordattentäter handelt, kann man unbesehen davon ausgehen, daß es diesen letztendlich völlig egal ist, ob man sie nach vollbrachter Untat auf irgendwelchen Bändern erkennen kann, oder nicht (wie etwa bei den barbarischen Anschlägen vom 11. September 2001 in Amerika oder vom 7. Juli 2005 in Großbritannien gesehen; bei beiden wurden die Killer auf Überwachungsvideos festgehalten und post mortem identifiziert) – schließlich haben sie sich durch ihren a priori einkalkulierten Tod jedweder irdischen Rechtsprechung erfolgreich entzogen.

146.

Nichts deprimiert einen kapablen, kompetenten Angestellten mehr (außer ein unangemessen unterdurchschnittliches Gehalt), als grenzenlos unqualifizierte und unfaire Vorgesetzte, die lediglich auf Grund der momentan richtigen Parteizugehörigkeit oder der besseren Beziehungen arriviert wurden, und die außerdem der absolut ungerechtfertigten Ansicht verfallen sind, sie wüßten und könnten alles besser, nur weil sie derzeit in der nepotistischen Hierarchie eine halbe Stufe höher stehen.

147.

Die politische Immunität bzw. Indemnität von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern (festgelegt im Grundgesetz, Artikel 46)i müßte instantan und auch rückwirkend aufgehoben werden, da sie dem ungehemmten, schrankenlosen Amtsmißbrauch Tür und Tor öffnet – die Geschichte beweist diesen ungesunden Sachverhalt immer wieder.

148.

Wenn auch nur die Hälfte der Anschuldigungen, die der Publizist Jürgen Roth in seinem Buch Der Deutschland-Clan23 erhebt, der Wahrheit entsprechen, muß man sich ernsthaft fragen, warum die Bundesregierung nicht geschlossen im Gefängnis sitzt (nebst sämtlichen Richtern, Staatsanwälten und Wirtschaftsführern). Die Antwort darauf jedoch ist relativ einfach: clericus clericum non decimatii; mit anderen Worten: steckt sie alle in einen Sack und schlagt mit dem Knüppel darauf – ihr werdet keinen falschen treffen.

149.

Jede Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens, ob bei den Tieren oder bei den Menschen, erfordert ein Mindestmaß an ethisch-moralischen Verhaltensregeln bzw. Gesetzen, damit ein mehr oder weniger friedlich-harmonisches soziokulturelles Zusammenleben der Individuen gewährleistet sein kann. Dies sind die sozialethischen Grundrechte und -pflichten, und sie stellen eine Art Ur-Codex dar, inhaltlich vergleichbar etwa mit dem, was eben den Fortbestand einer nomadisierenden, aus Jägern und Sammlern bestehenden Kleinsippe zu Beginn des Holozäns garantiert hat. Daraus entstanden, aus naturwissenschaftlichem Unverständnis und dem Gefühl von Machtlosigkeit der gefahrvollen Umwelt- und Lebensbedingungen gegenüber, als mystisch-mythologische Erklärungsversuche verschiedene naturreligiöse Glaubensströmungen mit ihren angeschlossenen Gesetzestexten. Mit der

i Siehe Anhang IV.ii Ein Geistlicher nimmt von einem Geistlichen keinen Zehent; soll heißen: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus

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Schaffung diverser Staatsformen kamen die profanen Gesetzbücher hinzu, deren Zahl seit dem Beginn des Industriezeitalters im 18. Jahrhundert exponentiell ansteigt. Denn die Menschheit ist erfinderisch, wenn es darum geht, einen mißliebigen Mitbürger zu diskreditieren, und kommt auf die verwegensten Ideen, ihm zu schaden. Emotional unreif, unausgeglichen und zu einer argumentativen Konsensfindung nicht fähig, sind die meisten Menschen zusätzlich willige Spielbälle von skrupellosen Agitatoren, die die Masse manipulieren und in jede gewünschte Richtung lenken können. Als hilflose Reaktion darauf, und um die immense Kriminalitätsflut einzudämmen, versuchen die überforderten Gesetzesgeber, jede auch noch so kleine und unbedeutende Eventualität der menschlichen Existenz zu reglementieren und mit einer Vorschrift oder Anordnung zu versehen. Leider wird sich diese ungute Entwicklung weiter fortsetzen, denn es ist in näherer Zukunft nicht zu erwarten, daß sich die Menschheit eine über Jahrtausende offensichtlich liebgewonnene Eigenart plötzlich abgewöhnen wird. Dazu braucht man sich nur den Staatsverwaltungsaufwand und die immer größer werdende zivil- und strafrechtliche Prozeßlawine vom Anfang des letzten Jahrhunderts bis heute vor Augen führen, um zu erkennen, daß der Weg zu einem geringeren Verwaltungswesen lang und steinig ist. Reglementierungen und Gesetze können durchaus ein probates Mittel sein, das Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu steuern, nur sollte man es nicht übertreiben und vehement versuchen, jede noch so unbedeutende Konstellation der Existenz mit einem eigenen Gesetz oder einer eigenen Vorschrift zu bedenken. Schon allein die bittere Tatsache, daß es eine EU-Richtlinie gibt, die den Grad der Krümmung von Bananen bestimmt, ist doch wohl als Realsatire, als trauriger Witz anzusehen. Wenn man beobachtet, wie desolat es im Moment in unserem ‚globalen Dorf’ Erde zugeht (Kriege, Terrorismus, Völkermord, Vertreibung, Hungersnöte, Seuchen und viele weitere z.T. hausgemachte Katastrophen), sollte man meinen, die hohen Herren in Brüssel hätten andere, wichtigere Probleme zu behandeln als Bananenkrümmungen oder Apfelgrößen. Offensichtlich gibt es viel zu viele von diesen kleinkarierten Europa-Abgeordneten, denn sonst kämen sie doch wohl nicht auf diesen blühenden Blödsinn. Und wie im Großen, so im Kleinen, d.h. wenn schon Europa hoffnungslos mikrologisch und überbürokratisiert ist, sind es die beteiligten Länder erst recht – und das jedes auf seine Art und Weise. Die rigorose Straffung und Vereinfachung des aufgeblähten Verwaltungsapparats ist längst überfällig und sollte möglichst schnell und expressis verbis ‚unbürokratisch’ in Angriff genommen werden, damit die sprachlos-verblüffte Bevölkerung endlich wieder verstehen kann, wofür ihre horrenden steuerlichen Aufwendungen eigentlich verwendet – um nicht zu sagen: verbraten und zum Fenster hinausgeworfen – werden. Nach der rigorosen Entrümpelung des maroden Behördenwesens müßte anschließend noch jemand unseren lustlos-sauertöpfischen Staatsdienern den unabdingbar nötigen Blick für das Wesentliche und die unverzichtbare Freude an der Arbeit beibringen, damit ein durchdacht strukturierter, funktionierender Verkehr mit der Öffentlichkeit entstehen kann. Leider sind wir von einer Entbürokratisierung der Behörden und der Straffung des Vorschriften- und Gesetzeswusts sehr weit entfernt, wie man unschwer bei jedem Blick in eine Zeitung oder einem anderen investigativen Medium erkennen kann. Mehrmals pro Jahr treten diverse neue Gesetze und Verordnungen in Kraft, werden Gesetzesänderungen bzw. -erweiterungen bei bereits bestehenden durchgeführt und neue, unnötig verwirrende Vorschriften jedweder Art aufgestellt, auch wenn öfter einmal die dafür Verantwortlichen bzw. deren Pressevertreter und PR-Manager versuchen, das genaue Gegenteil zu behaupten. Lobend zu erwähnen wäre immerhin, daß sich ab und an doch noch einige prima facie einsichtige Staatsbedienstete finden, die zumindest versuchen, ein wenig Ordnung in den schier unüberwindlichen Berg von unsinnigen Verfügungen zu bringen – ob mit Erfolg, muß erst die mittel- bis langfristige Zukunft zeigen. Da gibt es z.B. die im Jahr 2003 gestartete Initiative Bürokratieabbau, welche in ihrer aufschlußreichen Broschüre schreibt: „Die Initiative hat zum Ziel, die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen spürbar von

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überflüssigen bürokratischen Vorgaben zu entlasten. Sie gibt damit mehr Raum für bürgerschaftliches und unternehmerisches Engagement, schafft so ein ‚Mehr’ an Lebensqualität und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland!24“ Aber eines der Probleme solcherart hehrer Ansinnen ist und war schon immer, daß auf große Worte k(l)eine Taten folgen.

150.

In einer im Prinzip säkular regierten Demokratie wie Deutschland obliegt es den offiziell aufgestellten Parteien, grundsätzlich religiös neutral zu sein und selbiges auch zu bleiben. Dementsprechend sollten sich die beiden großen Volksparteien mit dem christlichen C in ihrem Namen entweder umbenennen oder auflösen – wobei letzteres zum Wohle der Bevölkerung sicherlich zu präferieren wäre.

151.

Tagesschau der ARD vom 29.08.2006: Die gegenwärtig laborierende Regierung der sogenannten Großen Koalition – genauer gesagt, deren erschreckend unkoordinierte Führungsebene, Nochkanzlerin Merkel und ihr roter Appendix, Nochvizekanzler Müntefering – lobt sich wieder einmal äußerst selbstbeweihräuchernd (aber schlichtweg ungerechtfertigt) über den grünen Klee ob ihrer ach! so tollen und angeblich fortschrittlichen Reformen. Warum wird dann ständig und unverkennbar alles schlechter und kostspieliger für die konsternierten Bürger, also das impertinente Gegenteil von dem, was vor der Bundestagswahl anno 2005 vollmundig versprochen wurde? Im Prinzip beschließt dieses exorbitant chaotische Parteienkonglomerat nur ausnehmend einfallslos und höchst offensichtlich gegen das Wohl des exploitierten Volkes eine unfaire Steuererhöhung nach der anderen, ab und zu unterbrochen von diversen Subventionskürzungen und weitreichendem, insolentem Sozialabbau – also drakonische, ja, sogar riskante Einsparungen bei denen, die sowieso nicht viel haben. Und dann wundert sich diese trostlos-desaströse Landesführung auch noch baß erstaunt, warum ihre ständig desolater werdenden Umfragewerte im freien Fall in den tiefsten Keller sacken. Tja, man kann eben seinen Untergebenen nicht laufend und mit voller Absicht selbst die kleinsten steuerlichen Vergünstigungen streichen, und dafür auch noch ein devotes ‚Dankeschön’ von den dieserart abgezockten Betroffenen erwarten.

152.

In vielen größeren Firmen, Organisationen und öffentlich-rechtlichen Institutionen werden in letzter Zeit immer mehr der sogenannten Mitarbeitergespräche geführt. So ein Mitarbeitergespräch, welches vorgeblich als förderliches Instrument zur Verbesserung des allgemeinen Betriebsklimas und zur motivierenden Mitarbeiterführung eingesetzt werden soll, ist ein etwa einstündiger direkter Dialog unter vier Augen zwischen einem Angestellten und seinem direkten Vorgesetzten. Mit anderen, präzisierenden Worten: es ist ein rein restriktives Kontrollwerkzeug ohne jedwede reelle Erfolgsaussicht – weil die subalternen Mitarbeiter lieber ihre Ruhe haben, als unvorsichtigerweise die bittere Wahrheit zu sagen; u.a. da die zu erwartenden Folgen für dieserart offenherzige Zeitgenossen meist im unverdienten, aber sofortigen Verlust des Arbeitsplatzes liegen. Bedauerlicherweise (bzw. erstaunlicherweise) wird mit einem solchen Mittel jedoch erst dann begonnen, wenn die innerbetrieblichen human relations durch andauernde Fehlleistungen der Führungsebene sowie durch überzogene Material- und Personalkürzungen bereits dauerhaft vergiftet wurden. Eine gut strukturierte und vernetzt organisierte Institution mit zufriedenem Personal und angemessenem, ausreichendem Arbeitsmaterial indes hat Mitarbeitergespräche nicht nötig, und wenn die

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entscheidungsberechtigten Führungskräfte rechtzeitig auf die Wünsche und Anregungen ihrer Angestellten hören und in gewissem Maße dementsprechend handeln würden (und nicht nur starr fixiert auf den Profit schielten), bräuchte man sie auch gar nicht in Erwägung ziehen. Die meisten Menschen benötigen in ihrer beruflichen Anstellung folgende grundlegende Sicherheiten und Rechte, um einen gewissen Grad an persönlicher Zufriedenheit zu erreichen: (1) Die Sicherheit des Arbeitsplatzes – das bedeutet einen zumindest längerfristigen bis unbegrenzten Arbeitsvertrag, denn mit Ein- bis Zweijahresverträgen kann niemand dauerhaft seine wirtschaftliche Zukunft planen und größere Verpflichtungen für Neuanschaffungen bzw. Investitionen auf sich nehmen, da der dieserart Beschäftigte nicht weiß, ob er nach diesem verhältnismäßig kurzen Zeitraum eine Vertragsverlängerung respektive woanders eine neue Anstellung erhält. Des weiteren fällt die persönliche Bindung und Identifikation mit der arbeitgebenden Einrichtung (Corporate Identity) recht gering aus, wenn der Arbeitnehmer a priori weiß, daß er voraussichtlich sowieso nur ein oder zwei Jahre in diesem Betrieb verbringt. (2) Genügend Einkommen zur Lebenserhaltung und etwas Luxus – die Angestellten brauchen nicht nur ein finanzielles Existenzminimum, sie möchten darüber hinaus auch kleine, fiskalische Erfolge verbuchen können. Dementsprechend sollte man ihre Leistung zumindest mit, wenn nicht sogar ein bis zwei Prozent über dem Tariflohn vergüten. Nebenbei könnte die Geschäftsführung noch ein Punkte- bzw. Bonussystem für hervorragende Leistungen einführen – das hält die Arbeitskräfte bei Laune und steigert die Produktion. (3) Ein gerechtes Arbeitspensum – immer mehr Arbeit für immer weniger Angestellte, wie im Moment auf Grund übertriebener Sparmaßnahmen unfähiger und schlecht organisierter Abteilungs- und Personalleiter zumeist üblich, verschärft erheblich die innerbetriebliche Lage, ist nachweislich nicht produktionsfördernd und läßt latente, gefährliche Fehlerquellen entstehen. Bevor diese selbstverursachte riskante Situation eskaliert, müßte man einfach mehr Personen einstellen, damit die wenigen vorhandenen Arbeitskräfte nicht permanent überfordert werden und durch z.B. streß- und überlastungsbedingte Krankheiten öfter ausfallen oder sogar innerlich kündigen – wodurch die Qualität und Produktivität natürlich noch weiter sinkt (Stichwort Überstunden: Im Jahr 2003 waren es in der Bundesrepublik Deutschland immerhin noch durchschnittlich mehr als 45 Stunden pro Berufstätigem, obwohl die Zahl mittlerweile wieder langsam abnimmt). (4) Ein Mitentscheidungsrecht bei betrieblichen Veränderungen – bevor die Geschäftsleitung durch irgendwelche Arbeitsgruppen oder ausgelagerten Ausschüssen – die meistens nicht einmal den Arbeitsbereich, über den sie entscheiden, richtig kennen oder gar besucht haben – beschlossene strukturelle oder arbeitszeitliche Veränderungen einführt, sollten alle Betroffenen bzw. deren Vertreter aus Fairneß zumindest angehört werden, ob die Endergebnisse grundsätzlich sinnvoll und auch durchführbar sind. Denn nichts ist schlimmer, als mehr oder weniger wohlgemeinte Umstrukturierungen und Erneuerungen, sprich ‚innovative Verbesserungen’, die dann aber leider den kontradiktorischen Effekt haben. Vernetztes Denken ist hierzu ein Begriff und sollte der entscheidende Leitfaden in diesem wichtigen Themenbereich sein. Fazit: Wenn die vorgenannten vier Eckpunkte beachtet und erfolgreich praktiziert würden, wäre sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern gedient. Durch leistungsorientierte, psychisch ausgeglichene Mitarbeiter und dem daraus resultierenden positiven Betriebsklima wird natürlich auch die Führungsebene eine gesteigerte Produktivität – und damit zugleich einen höheren monetären Gewinn – erfahren. Somit sind personalpolitische Überwachungsinstrumente wie z.B. das Mitarbeitergespräch ad absurdum geführt. Wer zufriedene Angestellte hat, kann sich die sogenannten mitarbeiterführenden Werkzeuge sparen, finanziell als auch ideell, aber leider hängen die meisten Dienstherren immer noch der illusorischen Meinung nach, durch intensiven Personalabbau und konsequente Materialausdünnung wäre am meisten einzusparen. Für diesen kurzzeitigen, putativen Erfolg nehmen sie jedoch höchst fahrlässig eine Senkung der Produktion und infolgedessen höhere Kosten aufgrund Nichteinhaltung obiger Punkte in Kauf.

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Bedauerlicherweise müssen viele der Führungsverantwortlichen immer erst selbst die schlechten Ergebnisse ihrer minderwertigen und undurchdachten Planung erleiden, bevor sie ein wenig Einsicht zeigen – statt daß sie sich bereits vorher mit jemandem verständigen, der sich mit dieser komplexen Materie auskennt; zugegeben, dieses ist vermutlich der schwierigste Part in diesem neuralgischen Unterfangen, denn die meisten der sogenannten Berater- und Consultingfirmen, welche zu Hunderten durch das Internet wuseln und sich gegenseitig mit ihrer (nicht vorhandenen) Fachkompetenz überbieten, haben genausoviel bzw. genausowenig Ahnung wie der unkundige Anfrager. So zitiert beispielsweise Thomas Leif den Wirtschaftsprofessor und Spezialisten für Unternehmensberatungen Dietmar Fink mit den Worten: „44 Prozent der Beratergelder fließen in Projekte, die nicht den gewünschten Erfolg bringen.“ Grundlage dieser deprimierenden Aussage war eine Umfrage unter 45 der 100 umsatzstärksten Firmen sowie 53 weiteren Großunternehmen in Deutschland25. Aber dieses normalerweise nützlich angelegte Geld, wenn schließlich doch ein akkurates Unternehmen gefunden wurde, amortisiert sich meist schneller als erwartet.

153.

Jeder Mensch wird durch Zeugung und Geburtsvorgang in sein irdisches Leben geworfen, ob er will oder nicht, und ohne vorher gefragt worden zu sein. Niemand kann sich aussuchen, wann und wo er das zumeist glanzlose Licht der Welt erblicken muß und in welche sozialen und kulturellen Verhältnisse er dabei gerät. Nur vergleichsweise wenige genießen den beruhigenden Vorzug, in eine relativ begüterte oder privilegierte Familie sowie einem annehmbaren psychosozialen Umfeld hineingeboren zu werden – und, wenn möglich, noch in einem liberalen, aufgeklärten Land. Die meisten Erdenbürger hingegen wachsen unter ärmlichen Bedingungen und erheblichen gesellschaftlichen Defiziten auf, partiell auch in Ländern mit Hungersnot, Wasserknappheit, staatlichen Repressionen, Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen, die von unfähigen, korrumpierbaren und/oder despotischen Regierungen in den Ruin getrieben wurden, welcher zumeist relativ einfach hätte vermieden werden können. Aber auch in den mehr oder minder wohlhabenden Ländern der Industrienationen, der sogenannten Ersten Welt, gibt es für die mediengeprägte Bevölkerung ungezählte Situationen unerträglicher persönlicher (v.a. körperlicher oder seelisch-emotionaler) Belastungen, beispielsweise medizinisch schwer bzw. nicht zu behandelnde, qualvolle und/oder entstellende Krankheiten, irreparable physische und psychische Unfallfolgen, oder tiefgreifende seelische Traumata – auch auswegloser, privat oder beruflich bedingter Streß gehört hierher, ebenso die generelle Integrations- bzw. Existenzüberforderung und -müdigkeit, oder das wertungsfreie, pauschale odium generis humanii –, um nur einige zu nennen. Das seelisch-moralische Dilemma vieler dieser verunsicherten Menschen ergibt sich zumeist aus dem subjektiv-emotionalen Empfinden der als hoffnungslos und desolat wahrgenommenen Lebenssituation gegenüber, ihre als desaströs prognostizierte Progression bis hin zum erwarteten finalen Desaster, und der intolerant-negativen Einstellung des Einzelnen gegenüber dieser innerlich vehement abgelehnten Streßfaktoren, möglicherweise noch erschwerend verbunden mit einem pseudoreligiös reflektierten, ethisch-spirituellen Konflikt. Deswegen, um dieser desolaten Situation entfliehen zu können, sollten die Menschen wenigstens frei entscheiden können und dürfen, wann sie aus diesem komplizierten, zersetzenden, tristen Dasein scheiden. Niemand sollte juristisch zu einer trostlosen, im wahrsten Sinne des Wortes ‚unmenschlichen’, Existenz gezwungen werden, die bar jeder Lebensqualität und ohne die geringste Aussicht auf Besserung ist. Betrachten wir an dieser konvenablen Stelle kurz den Inhalt des Films Soylent Green26 (keine Sorge, er gehört im weiten Sinne mit zum Thema): Im Jahr 2022 ist die Erde absolut überbevölkert, der Treibhauseffekt hat das Ökosystem zerstört, Natur ist praktisch

i Haß gegen das gesamte Menschengeschlecht

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nicht mehr vorhanden. Es gibt immer noch einige Wohlhabende, die in bewachten Appartement-Komplexen leben, doch die meisten Menschen vegetieren auf den Straßen oder zu mehreren in kleinen Zimmern, am Leben erhalten nur durch eine neue, plättchenförmige Nahrung aus den Soylent-Werken, die sie per rationierter Zuteilung erhalten. Der momentane Verkaufserfolg ist Soylent Grün, ein Nahrungsmittel, das angeblich aus Meeresplankton hergestellt wird. Als ein Angehöriger der Soylent-Werke brutal ermordet wird, macht sich der wißbegierige Polizist Thorn, hervorragend gespielt von Charlton Heston, an die Arbeit. Schnell ist ein möglicher Schuldiger gefunden, doch Thorn gräbt tiefer, trotz massiver Behinderung seitens der offiziellen Stellen und seiner Vorgesetzten. Er findet einen geheimen Geschäftsbericht des Konzerns und läßt ihn von seinem Mitbewohner Sol Roth, dargestellt von Edward G. Robinson in seiner letzten Rolle – er starb im selben Jahr –, prüfen. Letzterer erfährt auf diese Weise die schreckliche Wahrheit über dieses Nahrungsmittelunternehmen, und meldet sich daraufhin selbst in einer Selbstmordklinik an. Thorn kann Sols finalen Schritt nicht mehr verhindern, doch als er der Leiche folgt, wie Roth ihn gebeten hat, kommt ihm eine fürchterliche Erkenntnis: Soylent Grün besteht aus Menschenfleisch27. Soviel zum Inhalt dieses sehr interessanten und dabei immerhin schon über dreißig Jahre alten Films. Die Grundidee ist einer genaueren Betrachtung wert: Menschen ab einem bestimmten Alter werden sozusagen ‚eingeschläfert’ und zu einem Nahrungsmittel für die notleidende Bevölkerung verarbeitet, d.h. das Volk hat zu essen, es gibt keine Renten- und Versorgungsprobleme, die Friedhöfe brauchen weniger Platz und eine Überalterung der Gesellschaft wird erfolgreich bekämpft. An sich ein Generationenvertrag par excellence, alles positive Effekte für die Öffentlichkeit – wenn diese ethisch-moralisch nicht so penibel wäre –, nur die Prämissen müßten etwas modifiziert werden. Beispielsweise sollte die segensreiche Option zur Existenzbeendigung generell jedem Erdenbürger offenstehen, nicht nur Personen ab einem gewissen Alter. Außerdem muß die Entscheidung völlig freiwillig gefällt worden sein, niemand darf gezwungen werden, diesen Weg zu gehen. Auch keine wie auch immer geartete öffentliche oder private Institution hat das Recht, jemanden dazu zu verurteilen oder zu bestimmen (siehe z.B. die pervertierte Abart der Euthanasie im Dritten Reich – so etwas soll und darf nie wieder geschehen). Angehörige oder richterlich als Vormund bestellte Personen besitzen ebenso kein uneingeschränktes Entscheidungsrecht, da sie den potentiellen Wunsch des Betroffenen bestenfalls erahnen und nie hundertprozentig sicher sein können, diesem tatsächlich zu entsprechen. In der Vorbereitungsphase werden die Interessenten psychologisch beraten, betreut und beurteilt, damit gesichert ist, daß der Todeswunsch nicht aus einer seelischen oder gehirnorganischen Erkrankung, die durch entsprechende medizinische Behandlung geheilt oder gelindert werden könnte, resultiert. Den letztendlichen Weg aus dem Dasein kann der konsequent Existenzüberdrüssige schließlich nach persönlichem Belieben frei gestalten, bis das biologische Finale schließlich vom medizinischen Begleitpersonal möglichst schmerzfrei (je nach individueller Neigung) eingeleitet wird. Für den Patienten und seine Angehörigen entstehen durch das Procedere keinerlei Kosten, da ja der Körper dem karitativen Gemeinwohl zukommt. Die darauf folgende Verarbeitung zu schmackhaften Lebensmitteln der verschiedensten Art wird, vollständig bzw. so weit wie möglich automatisiert, selbstverständlich in abgelegenen, anonymen Gebäuden durchgeführt, damit keine überempfindlichen Arbeiter oder etwaige zimperliche Passanten ethische/religiöse Anwandlungen bekommen müssen. Solcherart abgeschirmt produzierte Nahrungsmittel können durch diverse Aromen, Ingredienzien, Kolorite und Matrizen in jede gewünschte Form gebracht und anschließend vertrieben und konsumiert werden. Daraufhin können die Hinterbliebenen die wenigen, nichtverwertbaren Überreste kremieren (falls gewünscht) und pietätvoll beisetzen lassen, wobei die benötigten Ruhestätten – aufgrund der geringeren Masse – erheblich kleiner ausfallen (Urnengräber) und somit den Friedhofsbetrieben eine Überfüllung ihrer sowieso permanent zu kleinen Begräbnisanlagen ersparen. Auch dadurch sinken die Kosten für alle beteiligten Parteien.

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Doch genug mit den morbiden Gedankenspielen, wenden wir uns wieder dem Grundthema zu. In den wenigsten Ländern ist der elektive Selbstmord strafrechtlich relevant, mit der Sterbehilfe, ganz egal, ob aktiver oder passiver Natur, sieht es hingegen vollkommen anders aus28. Damit soll gesetzlich garantiert werden, daß möglichst niemand ungefragt und ungewollt zu Tode kommt. Im Prinzip eine gute Sache, aber was macht ein querschnittsgelähmter, komatöser oder sonstwie psychisch-physisch eingeschränkter Mensch, der nicht mehr selbst planen und aktiv handeln kann, jedoch vor seiner Misere schriftlich oder mündlich um ein gnädiges Ende gebeten hat? Ein weiteres Hindernis für die zu diesem Schritt Entschlossenen ist die – keineswegs freie – Wahl zwischen den verschiedenen Freitod-Methoden, von denen die meisten bekanntermaßen recht langwierig, schmerzhaft und qualvoll sind. Nicht jeder hat die günstige Gelegenheit oder ist in der vorteilhaften, glücklichen Lage, an zweckdienliche Geräte, Hilfsmittel, Drogen oder Medikamente zu gelangen, die das Vorhaben relativ einfach und schmerzfrei gelingen lassen könnten. Für diese tragischen Fälle sollte eine unter medizinischer Aufsicht stehende Institution eingerichtet werden, die diesen lebensmüden – respektive mit unstillbarem odium vitaei

angefüllten – Menschen die entsprechenden Möglichkeiten bietet (z.B. etwas modifiziert nach dem holländischen Modell). Solche Einrichtungen müßten gesetzlich reglementiert und juristisch abgesichert sein, damit keine strafrechtlich relevanten Grauzonen entstehen können, auch muß eine eventuelle Beeinflussung durch religiös aktive Gruppen jedweder Glaubensrichtung kategorisch ausgeschlossen sein, nur eine universell ethisch-psychologische Betreuung dürfte installiert werden. Diese existenzbeendende Option steht wertungsfrei jedem offen. Wären solche liberalen Voraussetzungen gegeben, dann würden per exemplum selbstmörderische Amok- oder Geisterfahrer keine anderen Verkehrsteilnehmer mehr gefährden, sie könnten statt dessen schmerz- und streßfrei in einer adäquaten Sterbeeinrichtung ihr überfordertes Leben beenden. Auch ist – wenn der betreffende Patient eine entsprechende und gültige Verfügung hinterlegt hat – in den meisten wachkomatösen oder tetraplegischen Fällen ein schneller, gnädiger Tod einem jahrzehntelangen, eventuell qualvollen Dahinvegetieren – expressis verbis als human vegetable, als ‚lebendes Gemüse’ – mit Sicherheit vorzuziehen. Die Menschheit sollte sich viel schneller und endgültiger ihrer zwar heißgeliebten, aber nichtsdestoweniger vom Leben bereits seit langem überholten Traditionen entledigen, welche auch noch großteils auf irgendwelchen archaisch-metaphysischen Offenbarungen und unverifizierbar-transzendenten Empirien basieren. Wer das Recht zu Leben hat, sollte auch das Recht haben, selbstbestimmt zu sterben und den Zeitpunkt selbst zu wählen.

154.

Wer einige Zeit ein wenig genauer die gegenwärtige Lage in der Weltpolitik verfolgt, kommt früher oder später an einen Punkt, an dem er indigniert allen beteiligten Akteuren zurufen möchte: Könnt ihr nicht einmal für einen einzigen Tag wahrhaftig, intrigenfrei, verantwortungsvoll und konstruktiv miteinander umgehen? Und im wirklichen Sinne eurer Staatsangehörigen handeln? Wo ist euer Verantwortungsbewußtsein?

155.

Ehrliche, authentische Demokratie könnte per exemplum via Teledialog (TED) realisiert werden. Gesetzesabstimmung per Fernbedienung (denkbar auch eine spezielle Version für Mobiltelephone) – das wäre dann die wahre, gelebte Herrschaft des Volkes.

156.

i Lebensüberdruß

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Blasphemie wird in unserer liberalistischen Bundesrepublik Deutschland mit drei Jahren Gefängnis bestraft, Amtsmißbrauch bzw. Untreue hingegen mit einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren (ein Fall mit letzterem Urteil zeigte das ZDF beispielshalber am 4. September 2006 in den 15-Uhr-Nachrichten) – wo liegt hier die Relation? Und wer hat wohl der Allgemeinheit mehr geschadet? Die Gesellschaft würde zweifellos des öfteren anders urteilen, als unsere Gerichtshöfe: von wegen ‚im Namen des Volkes’! Außerdem: eine angebliche – eventuell sogar offiziell als solche gewählte – Vertrauensperson in öffentlicher Anstellung hat a priori die explizit auferlegte Pflicht, ihre unumschränkte Integrität zu bewahren – oder sie soll ihren Hut nehmen –, aber niemand hat die ausdrückliche Pflicht, irgendeiner Religion anzugehören (Artikel 18 der Internationalen Menschenrechte)i, oder gar sich seiner Kritik versagen zu müssen (Artikel 19 der Internationalen Menschenrechte)ii.

157.

Politikern ist aus strategischer Parteiräson jeglicher Ansatz einer eigenen Meinung verboten…

158.

Warum sind amerikanische Spielfilme in ihrem weltweiten Buhlen um die riesige Schar der Kinogänger und Video- bzw. Fernsehzuschauer im internationalen Vergleich eindeutig erfolgreicher, als beispielsweise deutsche Produktionen? Ganz einfach – bei amerikanischen Streifen kann das Publikum getrost 90 Minuten das Gehirn abschalten und puren visuellen Spaß erleben, während die deutschen Regisseure in ihren Filmen erfahrungsgemäß zu einem großen Teil irgendwelche bedeutungsschwangere, schwerverdauliche Botschaften transportieren möchten. Und das Gros der (zumeist von vorneherein schon) geistig überforderten Menschheit möchte im Kino eben somnolent entspannen, und nicht auf Spielfilmlänge tiefschürfend nachdenken müssen.

159.

Wie soll, wie kann unsere gegenwärtig großkoalitionäre Regierung die gravierenden Probleme in der maroden deutschen Gesundheitspolitik bewältigen? Schaut unverzagt ins europäische Ausland, dort gibt es manch adäquates Vorbild – unsere innovationszurückhaltende, indeterminierte Landesführung müßte nur endlich einmal ein wenig Mut aufbringen und sich gegen diverse Lobbyisten (sowie den eigenen Wirtschaftsinteressen) durchsetzen. Kontinuierliche Aufblähung der Bürokratie und sukzessive Erhöhung der Mitgliederbeiträge kann auf Dauer nicht wirklich die Lösung sein. Eine solch eklektizistische Verfahrensweise zeugt im Prinzip nur von einer exorbitanten Ideen-, Plan- und Richtungslosigkeit.

160.

Große Koalition bedeutet nichts anderes als eine sich reziprok obstruierende Politik zweier gleichberechtigter, antithetischer Ideologienkonglomerate auf kleinstem gemeinsamem Nenner – mit anderen Worten: vier Jahre Regression.

161.

i Siehe Anhang III.ii Siehe Anhang III.

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Permanent, und das zumindest seit ein bis zwei Dekaden schon, beanstanden frustrierte Medien, Lehrer, Sozialarbeiter sowie Personal- und Ausbildungsleiter verschiedenster Handwerks- oder Großbetriebe die deprimierend minderwertigen Umgangsformen unserer illiteraten, computer-, fernseh- und handyabhängigen deutschen Jugendlichen, beispielsweise die grottenschlechten bzw. nicht vorhandenen Tischmanieren, die generell inexistente Allgemeinbildung oder das kolossal unvorteilhafte Erscheinungsbild bei etwaigen Bewerbungsgesprächen (nicht bei allen, aber je nach Branche bei bis zu 90 Prozent der Lehrstellenaspiranten). Doch woher soll denn ein gesellschaftlich angemessenes, vorteilhaftes Benehmen kommen? Schaut euch doch nur die sogenannten Eltern an! Nicht umsonst besagt ein altes deutsches Apophthegma, der Apfel fällt nicht weit vom Stamme, und wenn die somnolenten Alten schon keine adäquate Erziehung genossen haben, a priori exorbitant unfähig und von ihrem eigenen kleinen Leben hoffnungslos überfordert sind, wie bzw. woher sollen es die pubertätsgeplagten, prinzipiell renitenten Jungen besser wissen?

162.

Früher veräußerte man Domizile mit lebendem Inventar, also Leibeigene, mit denen nach Gutdünken der neuen Besitzer verfahren wurde. Heute verkauft man ganze Firmen und Organisationen inklusive Belegschaft, mit der dann ebenfalls nach Gutdünken der neuen Besitzer verfahren wird – sozusagen die moderne, juristisch legitimierte Form der Sklaverei.

163.

Ihr Politiker redet immer von ‚Arbeitsplätze schaffen, Arbeitsplätze schaffen’ – na, dann schafft doch endlich welche! (– oder versucht wenigstens, eine arbeitsplatzfreundliche Politik zu gestalten…)

164.

Leider hat unsere mikrologische Staatsführung mit ihrer konfusen und ineffizienten Politik ohne Not aus dem einst blühenden Land der Dichter und Denker ein marodes Land der Richter und Henker generiert – einen mitleiderregenden Sanierungsfall. Geist zählt nicht mehr, nur noch der schnelle Zuwachs an Geld und Macht. Ersteres läßt sich per exemplum an unserem desaströsen, unterfinanzierten Bildungssystem und, als dessen tragisches Ergebnis, an den höchst unrühmlichen Ergebnissen der Pisa-Studien verifizieren, respektive der schlicht nicht vorhandenen Allgemeinbildung sowie der gleicherweise absenten Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit eines durchschnittlichen illiteraten Jugendlichen – aber dieses dramatische und gesellschaftsschädigende soziokulturelle Trauerspiel ist eigentlich auch kein Wunder, bei den Eltern (…und dem Milieu, und den Zukunftsperspektiven, und der politischen Umgebung, und, und, und…)…

165.

Ungarns Einwohner demonstrierten Mitte September 2006 temperamentvoll gegen ihren Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsáni, als ein Tonbandmitschnitt einer internen Rede öffentlich bekannt wurde, in der er offenherzig zugab, während des vergangenen Wahlkampfes das Volk belogen zu haben. Na sowas – und was soll man dazu sagen? Hallo, ihr unbedarften neuvolksherrschaftlichen Ungarn – ein herzliches Willkommen in der demokratischen Realität der ‚westlichen’ Welt!

166.

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Seit Jahren schon kämpfe ich gegen das blindwütige Zensieren und Indizieren bei Spielfilmen (ganz im toleranten Sinne von „Eine Zensur findet nicht statt. i“), und ich versuche immer, wo die Möglichkeit besteht, einen Originalfilm zu bekommen, da ich der liberalen Meinung bin, das deutsche Publikum sei durchaus reif und erwachsen genug, einen Film im Originalzustand (d.h. ohne Schnitte und Zensur) psychisch zu verkraften. Daß im Fernsehen Filme mit der Freigabe FSK 18 gekürzt werden, um jüngere Zuseher zu schützen, ist da gerade noch einzusehen. Doch was ich am 29. Dezember des Jahres 2002 bei dem Zeichentrickfilm Felidae29 erleben mußte30, war ohne Zweifel ein einsames Highlight des exzessiven Zensurwahns und veranlaßte mich zum Schreiben dieser Zeilen. Sämtliche Schlüsselszenen (so z.B. Francis’ Träume) waren rigoros und bis auf einige spärliche Fragmente entfernt worden, ebenso das dramatische Ende von Claudandus. Dadurch wurde der Film nicht nur in sich unflüssig, sondern auch teilweise, vor allem für den, der den – ungeschnittenen – Streifen oder das Buch nicht kennt, unverständlich. Bei solch abstrusen Verstümmelungen der künstlerischen Freiheit wäre es wohl besser gewesen, auf die Ausstrahlung dieser zusammenhangslosen Bruchstücke zu verzichten, anstatt seinem Publikum dieses unnötige Ärgernis zuzumuten. Mich hat dieses indignierende Ereignis jedoch wieder einmal darin bestätigt, Filme im Fernsehen nur im äußersten Notfall anzusehen und Werke mit der Freigabe FSK 12 oder höher aus der Videothek zu holen – obwohl, selbst Die lustige Welt der Tiere31 wurde schon ‚werbungsgerecht’ geschnitten.

167.

Die Europäische Union (EU) präsentiert sich der politischen Welt als ein uneiniges, inhomogenes, von gegenseitigem Mißtrauen getragenes Staaten- und Kulturenkonglomerat, das sich nicht einmal zu einer gemeinsam erarbeiteten Verfassung auf einem kleinsten gemeinsamen Nenner durchringen kann – schaurig, und so etwas insuffizientes vergrößert sich auch noch…

168.

Es ist schon traurig – aber auch überaus dreist und arrogant –, für wie beschränkt und unkritisch die Werbekreativen ihr tagtägliches Publikum halten. Am Offensichtlichsten zeigt sich diese distanzlose Situation gegenwärtig bei den ständig und überall gesendeten Reklamespots der diversen Mobilfunkgesellschaften. In diesem Zusammenhang häufig gehörter Slogan: ‚Für nur x Euro kostenlos in das deutsche Festnetz und das eigene Mobilfunknetz telephonieren!’ Also was jetzt – für nur x Euro oder kostenlos? Wenn mir von irgendeinem beliebigen Anbieter vollmundig etwas als ‚kostenlos’ offeriert wird, möchte ich keine x Euro dafür bezahlen müssen – denn dann darf es sich, meiner bescheidenen Meinung nach, schon nicht mehr kostenlos nennen…

169.

Und wieder einmal, wie jedes Jahr im Herbst, diesmal war es das Jahr 2006, erschien das deprimierende, äußerst indignierende Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler (BdSt). Und wieder einmal wurden nachweislich an die 30 Milliarden Euro Steuergelder von unseren ach! so ‚vorausschauenden’ Staats- und Landesführungen sinnlos verschleudert, approximativ soviel wie letztes Jahr – wann wird endlich die exhaustive Politikerhaftungii eingeführt? Ein jeder ‚normale’ Bundesbürger in diesem Land kann für sein aberwitziges Tun vollständig zur

i Siehe Anhang IV.ii Siehe hierzu auch Anhang I.

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Verantwortung gezogen werden, nur die sakrosankten Politiker nicht (einmal abgesehen von den Wirtschaftsmagnaten) – und die verschwenden am meisten; sie müssen das verpraßte Geld schließlich nicht verdienen – wozu hat man denn sein abgabenpflichtiges Volk und seinen treuen, allzeit dräuenden vultur avidus namens Finanzamt? Und wenn nötig, erhöht man eben ein paar von diesen Steuern – vielleicht die Mehrwertsteuer? Die Kapitalertragsteuer? Die Tabaksteuer? Oder erfinden wir eine neue lukrative Steuer? –, dann hat man wieder etwas zum hemmungslosen, widersinnigen verwirtschaften.

170.

…natürlich war es angebracht, die Gedankensplitter so schnell zu veröffentlichen – vor allem im Hinblick auf die politikbezogenen Sentenzen, denn niemand kann genau sagen, wie lange diese ‚Große Koalition’ noch vor sich hin dilettieren wird. Und nichts ist inaktueller, als kritische Schriften über eine Regierung, die nicht mehr existiert…

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EpilogWer nun in Anbetracht vorstehender, partiell ziemlich giftig-misanthropischer Äußerungen und defaitistischen Ansichten prima facie zu erkennen glaubt, daß sich der Autor arrogant als exklusiven, ‚besseren’ Menschen wähnt, der hochmütig, von allem befreit und unbeeindruckt über den desaströsen Stürmen des irdischen Daseins schwebt, der befindet sich im Irrtum. Auch der temporär erdgebundene Verfasser unterliegt zu seinem eigenen Bedauern permanent den profanen menschlichen, allzumenschlichen Irrungen und Wirrungen der interindividuellen Interaktionen (respektive deren inadäquaten Aggressivitäten, Reaktionen und Anmaßungen), d.h. er schreibt aus einer profunden Kenntnis und Erkenntnis des gewöhnlichen Daseins heraus; und er muß immer wieder feststellen, daß auch er nur ein begrenzter, unzulänglicher, unbedeutender Mensch ist, alltäglich den seit Jahrtausenden überlieferten und ererbten humanen Insuffizienzen unterworfen.

Wovon er sich jedoch tatsächlich ein wenig von der Majorität der chthonischen anthropomorphen Kreaturen absetzt, ist seine absolute und konsequente Ablehnung der physischen Gewaltanwendung sowie der destruktiv-ideologischen Indoktrination (bzw. der quasiphilosophischen Geistesmanipulation im allgemeinen – denn wer denken kann, soll auch selber denken dürfen), aus welcher extremistisch-orthodoxen Ecke sie auch kommen mag. Körperliche Gewalt ist das primitivste Ausdrucksmittel, dessen sich ein angeblich vernunftbegabter Mensch einem anderen gegenüber bedienen kann – ein hilfloser, stummer Schrei der lebenden Gehirntoten –, und zeigt nur die erschreckende Unwissenheit und mikrologische Ignoranz der bornierten Erdenbewohner; denn im Prinzip gibt es kein einziges Problem, das nicht durch eine konstruktive Diskussion unter gleichberechtigten Partnern gelöst werden könnte – und ohne daß ein beteiligtes Individuum dabei zu Schaden kommen muß. Doch das Gros der humanitär katastrophal unbedarften Menschheit präsentiert sich auf dieser Welt als völlig ungebildet, starrsinnig und per se nicht konsensfähig – jeder hat seine eigene kleine, belanglose Wahrheit, auf die er aber trotzdem renitent insistiert und keinen noch so berechtigten Widerspruch duldet. Terenz reklamierte bereits zwei Jahrhunderte vor der Zeitenwende: quot homines, tot sententiaei, was anschaulich und auf eine tragische Art beweist, daß diese kategorische Kleingeistigkeit, dieses phlegmatisch-egoistische Desinteresse gepaart mit einer unglaublichen, lebensgefährlichen Hybris, dem unerfreulicherweise völlig toleranz- und konsensfreien Menschen leider schon immer inhärent war.

Selbiges gilt für die religiös motivierten Intoleranzen und Kontroversen, die noch nicht einmal auf verifizierbaren Realitäten oder faktischen Empirien basieren – quot capita, tot sensusii. Wer denn für seine Lebensführung unbedingt eine Religion braucht, habeat sibi – aber er soll sie in soziokulturell angemessenem Rahmen zelebrieren und seine Mitmenschen nicht damit belästigen. Doch unglücklicherweise handeln die Menschen mehr nach Senecas nemo errat uni sibi, sed dementiam spargit in proximosiii. Habermas vertritt zwar in seiner philosophischen Art die zurückhaltende, friedfertige Auffassung, man dürfe sich nicht erlauben, zynisch zu sein32 – doch diese gesellschaftskritische Attitüde ergibt sich zum größten Teil zwangsläufig: einer fortgesetzt zynischen Welt kann man auf Dauer nur zynisch begegnen; wobei sich unser beider Zynismus primär in der physikalischen Prämisse unterscheidet: der Zynismus der gewalttätigen Welt ist realiter, meiner verbaliter.

S.E. & O.

Der VerfasserDeutschland, im November 2006

i So viele Menschen, so viele Meinungenii So viele Köpfe, so viele Ansichteniii Niemand irrt für sich allein, sondern verbreitet den Unsinn in seiner Umgebung

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Anhang

I. Anmerkungen zur Bundestagswahl 2005ProblemeLösungsversuche

II. PersonenregisterA - Z

III. Auszüge aus den Internationalen MenschenrechtenArtikel 1Artikel 2Artikel 3Artikel 7Artikel 18Artikel 19Artikel 23

IV. Auszüge aus dem deutschen GrundgesetzArtikel 2 GGArtikel 5 GGArtikel 46 GG

V. Auszüge aus dem deutschen Strafgesetzbuch§ 11 StGB§ 131 StGB§ 166 StGB§ 216 StGB§ 326 StGB

VI. Fragment aus Parmenides’ ‚Über die Natur’

VII. Quellenangaben

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I. Anmerkungen zur Bundestagswahl 2005Die Idee zu diesem heimatbewußten Bericht zur gegenwärtig recht unlustigen Lage der deutschen Nation reifte im theatralisch überzogenen Wahlkampf zur und während der letzten Bundestagswahl am 18. September des Jahres 2005; grauenvoll – ein wahres Trauerspiel, was da der Welt und dem fassungslosen Wähler dargeboten – um nicht zu sagen: zugemutet – wurde. Die dramatische Unfähigkeit der verschiedenen involvierten Lager (Parteien, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und similär angelegte Interessensvereinigungen) trat so kraß und für jeden offensichtlich zutage, daß der ebenso konsternierte Autor nicht umhin kam, diese politische Farce mit einem beurteilenden Kommentar zu bedenken. quamquam animus meminisse horret luctuque refugit, incipiami: Es ist schon tragisch, wenn man sich kritisch ad oculos demonstrieren muß, was die sogenannten ‚großen Volksparteien’ im Verlauf des letzten Vierteljahrhunderts aus dem einst optimistisch gestimmten, blühenden Land des selbstgeschaffenen Wirtschaftswunders gemacht haben. Und diese inkompetenten, egozentrischen Dilettanten wollen den maroden, festgefahrenen Karren aus der eindeutig selbstverursachten Misere ziehen? Beträchtliche Zweifel hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Potentials und dessen Qualifikation dürften angebracht sein. Denn eines der primären Kardinalprobleme der mehr oder weniger etablierten deutschen Parteien ist ihre gravierende, massive Inhalts-, Ideen- und Perspektivlosigkeit, bzw. die katastrophale Unfähigkeit, ihre dünnen, größtenteils unpopulären Zielvorstellungen und fadenscheinigen Argumente angemessen zu transportieren, positiv zu promoten und dem potentiellen Wähler einigermaßen verständlich zu erklären – aber auch nicht zu simpel und reduziert, das merkt das bauernschlaue Wahlvolk und nimmt Anstoß. Im Prinzip brauchen Politiker ihre Wähler doch nur, um ihre transnormale Existenz zu rechtfertigen und um an die lukrative Staatsführung zu gelangen. Nach erfolgreich überstandener Wahl machen die Sieger sowieso ausschließlich das, was sie wollen – und was ihnen am einträglichsten scheint; ganz gleich, was sie vorher der Öffentlichkeit ruhmredig und propagandistisch versprochen haben – und auch die Wünsche der Bürger werden für den Rest der Legislaturperiode geflissentlich ignoriert.

ProblemeWie bei dieser Bundestagswahl gesehen, waren die meisten der schriftlich präsentierten Parteiprogramme in etwa um die 60 Seiten stark (nur Bündnis 90/Die Grünen fielen mit ihren 124 Seiten wohltuend aus der Reihe, aber leider nur quantitativ) – da fragt sich doch ein aufklärungsbedürftiger Durchschnittsbundesbürger: Kann man denn wirklich das Schicksal und die Zukunft einer ganzen Nation mitsamt ihren vielfältig-diffizilen internen wie externen Angelegenheiten und Verflechtungen (inklusive dem Leben von über 80 Millionen Individuen) auf lächerlichen 60 Seiten wahrheitsgemäß definieren und zukunftsorientiert gestalten? Die kurze Antwort hierauf lautet klar und eindeutig: Nein, kann man nicht! Und wie auch, schließlich wurden wieder einmal nur populistische Schlagworte und ebensolche nichtssagende Parolen offeriert, die vermutlich nie oder nur in sehr geringem Maße umgesetzt und eingehalten werden; ebenso, wie es bei fast allen der vollmundig angedienten Wahlversprechen der letzten 20 Jahre, ganz egal, von welcher Partei präsentiert, geschah – sie sind nicht einmal das Papier wert, auf dem sie stehen. Und warum ist das so? Weil ein ehrlicher Politiker (contradictio in adiecto), der tatsächlich einmal die allgemein bekannte Wahrheit verkündet (‚Alles wird teurer, die Einkommen und Renten sinken, die Steuern werden erhöht und auch sonst sieht es nicht rosig aus; nur wir Politiker verschwenden wie eh und je die Staatseinnahmen, und die sowieso schon Reichen werden noch reicher’), von der intellektuell minderbemittelten Bevölkerung – also der überwältigenden Mehrheit – mit

i Wie sehr auch mein Sinn schaudert, sich zu erinnern, und in Trauer davor zurückweicht, so will ich doch beginnen

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Sicherheit nicht gewählt werden würde (dies haben diverse unabhängige Meinungsumfragen wiederholt bestätigt – wer hätte das gedacht?). Also handeln unsere zustimmungsheischenden, opportunen Volksvertreter nach dem guten, mediävalen Motto: mundus vult decipi, ergo decipiaturi – und das ist die traurige Wahrheit.

Ein weiterer Negativpunkt im Ergebnis dieser Wahl ist die unnötig zunehmende Aufblähung des sowieso schon aufgedunsenen und überbürokratisierten Regierungsapparats – z.B. ein weiteres Ministerium durch Aufteilung des bisher zusammengefaßten Wirtschafts- und Arbeitsministeriums, oder sechs (!) stellvertretende Bundestagspräsidenten (einer oder maximal zwei sollten doch völlig ausreichend sein – denn wer hat jemals eine nutzbringende Äußerung von einem dritten oder vierten Surrogat dieses Amtes vernommen? Die sind nur teuer, sonst nichts) etc. –, anstatt rigoros zu straffen und überflüssige Ministerien, Ämter und Posten ersatzlos zu streichen oder ähnlichgelagerte zusammenzulegen, um dem durch Lohnverzicht und rasant steigenden Lebenshaltungskosten bereits überforderten Steuerzahler nicht allzusehr bzw. noch mehr auf der leeren Tasche zu liegen. Der Staat verlangt mitleidlos von seinen Bürgern drastisches Sparen, er selbst aber wird immer feister und kostspieliger. Ein Ministerium kostet das Volk 500 Millionen Euro Steuern pro Jahr, also könnten mit dem Wegfall von vier Ministerien, bzw. deren Anbindung und Integration an andere, allein schon mindestens 2 Milliarden Euro (!) eingespart werden, die an anderer Stelle mit Sicherheit sinnvoller angelegt wären. Aber da müssen in der Bananenrepublik Deutschland (BRD) immer wieder obskure Parteiseilschaften bedient und entsprechend nebulöse Klüngeleien mit parteinahen Wirtschaftsverbänden o.ä. getätigt werden (klarer Fall von feudalistisch geartetem Nepotismus; schon Menander schrieb: χείρ χείρα νίπτει, δάκτυλοι δέ δακτύλους ii), sonst fühlt sich irgendeiner der selbstverliebten Landesverbände übergangen und mißachtet – wobei es doch im Prinzip völlig einerlei ist, wer die nächsten vier Jahre das Land kaputtregiert (aber eben nur im Prinzip). Diese groteske Tragik ist eindeutig an der dubiosen Tatsache zu erkennen, daß den sogenannten Volksparteien SPD und CDU/CSU schon vor Beginn ihrer tatsächlichen Koalitionsverhandlungen das lustige Postengeschachere offensichtlich bei weitem wichtiger war, als irgendwelche echten Inhalte oder gar innovativen Sanierungspläne, die Deutschland und seiner verunsicherten, durch Führungslosigkeit und Existenzangst geprägten Allgemeinheit wirklich weiterhelfen würden. Wieso werden erst die profitablen Pöstchen verteilt, wenn noch nicht einmal sicher ist, ob die angediente ‚Große Koalition’ letztendlich überhaupt zustande kommt? Das erzeugt wahrlich keinen guten Eindruck in der Öffentlichkeit, weder in der nationalen noch in der internationalen, und zeigt nur die insistierende Machtbesessenheit und unangemessene Hybris der beteiligten, ziemlich wirklichkeitsentfernten Akteure. Auch haben sich beide Parteien nach dieser denkwürdigen Wahl schamlos und unberechtigterweise als große, strahlende Sieger gesehen, anstatt sich ehrlich die harte Wahrheit einzugestehen, daß sie beide fulminant (und wahrlich berechtigt) verloren haben – und eigentlich nur noch aus trauriger Ermangelung an echten Alternativen gewählt wurden.

Was Deutschland im Augenblick, bzw. kurz- bis mittelfristig wirklich weiterhelfen würde, wären völlig neue, ehrliche, wahrhaftige Parteien, sowie das zumindest temporäre Versinken in totaler Bedeutungslosigkeit der gegenwärtig bestehenden – und zwar so lange, bis sich eine neue, landesfreundliche und endlich einmal regierungsfähige Politikergeneration herangebildet und etabliert hat. Vielleicht würden die aktuellen, mehrheitlich realitätsentfremdeten Fraktionen dann wieder einen klareren Blick für die evozierenden Gründe der Politikverdrossenheit und Subsistenzsorgen des unprivilegierten, normalverdienenden Volkes bekommen. Aber bei einem Gerhard Schröder, der wie ein trotziges Kind insistiert: ‚Ich will aber Kanzler bleiben – ich will, ich will!’, und einer ebenso starrsinnigen Angela Merkel: ‚Ich will aber erste Kanzlerin werden – ich will, ich will auch

i Die Welt will betrogen sein, also werde sie betrogenii Die eine Hand wäscht die andere, die einen Finger die anderen

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einmal!’ (was sie sich dann auch teuer erkauft hat – ob zu teuer, wird erst die ungewisse Zukunft zeigen), die beide auch noch mehr oder weniger vehement von ihren Vereinigungen unterstützt werden, läßt nicht darauf hoffen, daß die politische Situation Deutschlands auch nur ansatzweise besser wird – zumindest nicht für die breite Masse der Bevölkerung. Und nach ebendieser desaströsen Wahl für die großen Parteien haben die verantwortlichen Spitzenfunktionäre bei oben erwähntem Postenkarussell leider wieder nicht die für das exploitierte Land wichtigen und richtigen Konsequenzen gezogen, und haben viel zu wenig neue, unverbrauchte Persönlichkeiten in die Regierung genommen. Nein, sie haben sich sogar zielgenau dazu erblödet, im Prinzip inakzeptable politische Altlasten der letzten 20 Jahre mitzuschleppen und kritiklos zu übernehmen – ob aus mangelnden Alternativen oder purer Führungsschwäche, sei einmal dahingestellt –, obwohl diese doch schon zur Genüge und ad nauseam bewiesen haben, daß sie es nicht können und den monumentalen Anforderungen bei weitem nicht gewachsen sind – die gleichen Probleme, die gleichen Personen, die gleiche Unfähigkeit. Da wären bei der CDU/CSU die Exminister Wolfgang Schäuble und Horst Seehofer (die u.a. für die Misere mitverantwortlich sind), oder bei der SPD die gerade aus der letzten impotenten Bundesregierung entlassenen Minister Franz Müntefering, Ulla Schmidt und Heidemarie Wieczorek-Zeul, die alle wieder ihre politischen Spielwiesen beziehen dürfen – aber warum? Das einzige Wahlversprechen dieser antiquierten Politiker, das wirklich glaubhaft wäre, lautet doch wohl: Wir haben die gravierenden Probleme des Landes das letztemal nicht in den Griff bekommen, wir werden es auch diesmal nicht schaffen!

Daneben hat für die neuen alten Politikverantwortlichen das kleine Wörtchen Sparen eine exhaustiv andere Bedeutung als für den normalsterblichen Durchschnittsbürger. Dieser erkennt darin ein angemessenes Herunterfahren der Ausgaben in eigener Sache, während die realitätsentfremdeten Politiker darin beinahe ausschließlich eine drastische Erhöhung der steuerlichen Einnahmen vermuten. Erkennbar ist das z.B. daran, daß nach dem deprimierenden Kassensturz der Nation – mit dem Ergebnis, daß 35 Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden müssen – nicht etwa die Diäten und sonstige Bezüge der Minister und Abgeordneten gekürzt und Ministerien zusammengelegt wurden. Nein, es wurden nur Themen besprochen, die den Bürger weiter belasten, wie etwa eine Mehrwertsteuererhöhung, Kürzungen von Zulagen und Pauschalen, PKW-Maut etc. Doch wer will, daß seine Wähler sparen, sollte mit gutem Beispiel vorangehen, denn die Politiker mit ihren gewaltigen Einkommen, von denen ein normal arbeitender Mensch nur träumen kann, wissen einfach nicht, wie es ist, ein Gehalt von knapp 1.000 Euro netto monatlich zu beziehen, davon 700 Euro Miete zu bezahlen und nun auch noch von den spärlichen restlichen Mitteln, die bis dato gerade eben zur Familienversorgung ausgereicht haben, Steuererhöhungen und Lohneinbußen hinnehmen zu müssen. Demnach ist es auch kein Wunder, daß die sogenannten Verbraucherinsolvenzen seit Ihrer offiziellen Einführung kontinuierlich ansteigen. Nach dieser eindeutigen und offensichtlichen Wahlschlappe für die sogenannten etablierten Parteien hätten diese endlich einmal den Mut aufbringen müssen, sich von den althergebrachten, ausgedienten Köpfen, die ihr Versagen und ihre Unfähigkeit wohl lange und anschaulich genug bewiesen haben, zu trennen und dem frischen, innovativen Nachwuchs den steinigen Weg in die internationale Politik zu ebnen. Aber diese egozentrischen Machtmenschen kleben eben auf ihren lukrativen Sesseln und wollen womöglich immer noch mehr an Macht und Einfluß haben, und kein noch so triftiges, eingängiges Argument kann ihnen verdeutlichen, daß ihre Zeit schon lange abgelaufen ist; armes Deutschland! Es hätte mehr geradlinige Staatsmänner vom Schlage eines Joschka Fischer verdient, die spüren und wissen, wann ihr politisches Ende gekommen ist, und die schließlich mit Anstand und Würde die Bühne der Staatsverantwortlichkeit verlassen. Welch eine Blamage – ein Grüner, dessen Fraktion noch lange nach ihrer Gründung nicht ernstgenommen wurde, muß heute den verknöcherten Vertretern der großen Parteien vorleben, was im Grunde genommen ehrlich und richtig ist.

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LösungsversucheWie bereits festgestellt, wäre es für Deutschland im Moment das Beste, sämtliche bestehenden politischen Konstruktionen und Verstrickungen ersatzlos aufzulösen, und eine neue, wahrhaftige Demokratie mit Personen und Parteien aufzustellen, die von sich aus ehrlich und tatsächlich nur das Volkswohl im Auge haben. Da dies aber märchenhafte Utopie und nur ein irrealer, phantastischer Tagtraum ist – und offensichtlich auch bleiben wird –, braucht das Land andere zukunftsweisende Ideen und gangbare politische Ansätze, um das horrende Defizit aufzuarbeiten. Zwei zwar bekannte, aber aus sturem Egoismus und ängstlicher Besitzstandsicherung nicht beachtete Vorschläge, deren dringliche Verwirklichung aber schon lange überfällig ist, wären die vollständige Abschaffung des komplett überflüssigen Berufsbeamtentums und die Einführung der haftenden Politikerverantwortlichkeit: Beamte sind eine seit langem schon antiquierte Standesgruppe, die problemlos durch ‚normale’ Angestellte zu ersetzen wären. Diese zahlen wenigstens Steuern und sind bei offensichtlicher Unfähigkeit leichter aus ihrer Position zu entfernen, während bei den Beamten meist nur eine Krankheit, das Alter oder das öffentliche Bekanntwerden krimineller Machenschaften das Trauerspiel beenden. Bewerkstelligt werden könnte dies durch eine einfache gesetzliche Anordnung der Statusänderung unter Berücksichtigung geleisteter Dienstjahre, welche nach Wirkungsbeginn die immensen Pensionszahlungen und sonstigen Ausgaben für Vergünstigungen langfristig senken und letztendlich abschaffen würden. Die Politiker hingegen sollten endlich gesetzlich für ihr z.T. äußerst gedankenloses und unorganisiertes Tun haftbar gemacht werden – denn wenn sie erst für ihre gegenwärtig finanziell desaströsen Prestigeobjekte (wie etwa viele Millionen Euro teure Brücken, die keiner braucht und die ins Nichts führen) persönlich und mit eigenem Vermögen einstehen müßten, wären solche Steuergeldvernichtungsaktionen sicherlich nicht so häufig. Selbiges sollte für die internationalen Wirtschaftsführer gelten. Die sogenannten Abfindungen oder Prämien, die diverse Manager erhalten, sind teilweise so hoch, daß sie das Lebenseinkommen (!) eines Durchschnittsbeschäftigten darstellen oder sogar weit übersteigen. Das kann nie gerecht oder gar verdient sein. Außerdem deprimiert es den kleinen Angestellten, wenn er sehen muß, daß seine Lebensleistung, also die Arbeit und der Verdienst seines gesamten Lebens, für andere nur eine lächerliche Abfindung oder eine nette Beigabe darstellt. So, wie die Wirtschaftsführer solche Gratifikationen erhalten, wenn ihre Leistung gut war, genauso sollten sie persönlich dafür haften müssen, wenn sie es nicht war. Aber es wird wohl so bleiben, wie es eben seit Jahrtausenden schon unverändert vonstatten geht: quidquid delirant reges, plectuntur achivii.

An dieser Stelle ist selbstverständlich auch der dezente Hinweis auf das Schwarzbuch des Bunds der Steuerzahler angebracht, der für letztes Jahr eine Verschwendung von Steuergeldern in Höhe von 30 Milliarden Euro aufgezeigt hat – wobei das nur die Kosten für die publik gewordenen Fälle sind, die Dunkelziffer jedoch ist bedeutend höher und wird von den Steuerexperten auf fast 5 Prozent der öffentlichen Ausgaben geschätzt. Das bedeutet doch in dem Fall der angestrebten Einsparungen in Höhe von 35 Milliarden Euro, daß nur der politischen Verschwendungssucht Einhalt geboten werden müßte, und der Finanzmangel wäre behoben. Wenn dann noch einige Ministerien fusioniert und die Bürokratie gestrafft werden würde, wären die Kapitalien des Landes sogar im positiven Bereich – ein dringend benötigter Einnahmeüberschuß, der durch wohlüberlegte Investitionen, Subventionsprogramme etc. die angespannte Lage in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt wesentlich entschärfen könnte. Dann bräuchte es für die Bevölkerung auch keine Steuererhöhungen und anderweitig geartete Einkommenskürzungen. Und die benötigten Lösungen der Landesprobleme müssen schnell gefunden, durchgreifend initiiert und längerfristig beibehalten werden, sonst dräut dem säumigen Staat mißvergnügliches Ungemach, wie etwa weiland der Weimarer Republik,

i Was immer die Herrscher Wahnwitziges unternehmen, die Achäer [im übertragenen Sinne: das gemeine Volk, KvS] müssen dafür büßen

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welche ebenso katastrophal plan- und ziellos vor sich hinlaborierte (siehe u.a. Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit), bis schließlich ein politisch insuffizientes Deutschland in sich windender Agonie einem skrupellosen Diktator namens Adolf Hitler in die Hände fiel – principiis obstai, mahnte bereits der römische Dichter Ovid, denn so etwas braucht das Land wirklich nicht ein zweites mal.

Kain L. von SpreewinklDeutschland, im Dezember 2005

i Wehret den Anfängen

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II. Personenregister

AAugustinus von Hippo (354 - 430)

BBartholomäus: Nathanaël Bar-Tolmai (um 0 - um 51)Basso, Ivan (geb. 1977)Behan, Brendan Francis Aidan (1923 - 1964)Beloki Dorronsoro, Joseba (geb. 1973)Benedikt XVI.: Joseph Alois Ratzinger (geb. 1927)Benn, Gottfried (1886 - 1956)Bismarck-Schönhausen, Otto Eduard Leopold von (1815 - 1898)Boëthius: Anicius Manlius Torquatus Severinus Boëthius (um 480 - 525)Brown, Dan (geb. 1964)Buddha: Siddhartha Gautama Shakyamuni (um 563 - um 483 a.Chr.n.)

CCampbell, Naomi (geb. 1970)Carstensen, Peter Harry (geb. 1947)Cheilon von Lakedemonien (6. Jhd. a.Chr.n.)Cicero: Marcus Tullius Cicero (106 - 43 a.Chr.n.)Cioran, Emil Mihai (1911 - 1995)Cyprian von Karthago (um 200 - 258)

DDolly (1996 - 2003)Donatus, Aelius (4. Jhd.)Dschaziri, Yasir al- (geb. 19??)

EEco, Umberto (geb. 1932)Einstein, Albert (1879 - 1955)Elizabeth II.: Elizabeth Alexandra Mary Windsor (geb. 1926)Epikur (um 340 - um 270 a.Chr.n.)Erasmus Desiderius von Rotterdam (um 1466 - 1536)

FFink, Dietmar (geb. 1967)Fischer, Joseph Martin (geb. 1948)Fleischer, Richard (1916 - 2006)

GGibson, Mel Columcille Gerard (geb. 1956)Goethe, Johann Wolfgang von (1749 - 1832)Gyurcsáni, Ferenc (geb. 1961)

HHabermas, Jürgen (geb. 1929)Herodot von Halikarnassos (um 485 - 425 a.Chr.n.)

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Heston, Charlton (geb. 1923)Hieronymus (347 - 420)Higgs, Peter Ware (geb. 1929)Hitler, Adolf (1889 - 1945)Horaz: Quintus Horatius Flaccus (65 - 8 a.Chr.n.)Hull, Raymond (1919 - 1985)Huygens, Christiaan (1629 - 1695)

JJesus von Nazareth (um 7 a.Chr.n. - um 30 p.Chr.n.)Juvenal: Decimus Iunius Iuvenalis (um 60 - um 130)

KKeller, Gottfried (1819 - 1890)Khomeini, Ruhollah Musawi (1900 - 1989)Kohl, Helmut Josef Michael (geb. 1930)Kolumbus, Christoph (1451 - 1506)Kraus, Karl (1874 - 1936)Küblböck, Daniel (geb. 1985)

LLaden, Osama bin: Usāma ibn Muhammad ibn Awad ibn Lādin (geb. 1957)Landis, Floyd (geb. 1975)Laub, Gabriel (1928 - 1998)Leif, Thomas (geb. 1959)Leyen, Ursula Gertrud von der (geb. 1958)Lichtenberg, Georg Christoph (1742 - 1799)Loth, Kader (geb. 1975)

MMadonna: Madonna Louise Veronica Ciccone (geb. 1958)Mancebo, Francisco (geb. 1976)Mao Tse-tung (1893 - 1976)Maximian: Marcus Aurelius Valerius Maximianus Herculius (um 240 - 310)Meiwes, Armin (geb. 1961)Menander: Menandros (um 342 - um 292 a.Chr.n.)Merkel, Angela (geb. 1954)Montgomery, Bernard Law (1887 - 1976)Müntefering, Franz (geb. 1940)

NNietzsche, Friedrich Wilhelm (1844 - 1900)

OOssietzky, Carl von (1889 - 1938)Ovid: Publius Ovidius Naso (43 a.Chr.n. - 17 p.Chr.n.)Owen, John (um 1564 - 1622)Oxenstierna af Södermöre, Axel Gustaffson (1583 - 1654)

PPantaleon (um 250 - 305)

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Parmenides von Elea (um 540 - um 470 a.Chr.n.)Persius: Aulus Flaccus Persius (34 - 62)Peter, Laurence J. (1919 - 1990)Pitt, William Bradley (geb. 1963)Plantard, Pierre (1920 - 2000)Pol Pot: Saloth Sar (1928 - 1998)Popper, Karl Raimund (1902 - 1994)

RRasputin, Grigori Jefimowitsch (1869 - 1916)Robinson, Edward G. (1893 - 1973)Roth, Jürgen (geb. 1945)Rushdie, Salman (geb. 1947)

SSallust: Gaius Sallustius Crispus (86 - 35 a.Chr.n.)Santayana, George (1863 - 1952)Schäuble, Wolfgang (geb. 1942)Schmidt, Ursula (geb. 1949)Schröder, Gerhard Fritz Kurt (geb. 1944)Seehofer, Horst Lorenz (geb. 1949)Seneca der Jüngere: Lucius Annaeus Seneca (um 4 a.Chr.n. - 65 p.Chr.n.)Sevilla Ribera, Oscar Miguel (geb. 1976)Shaw, George Bernard (1856 - 1950)Silius Italicus: Titus Catius Asconius Silius Italicus (um 25 - um 100)Skupy, Hans-Horst (geb. 1942)Snipes, Wesley (geb. 1962)Solon (um 640 - 559 a.Chr.n.)Spears, Britney Jean (geb. 1981)Stalin, Josef: Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili (1878 - 1953)Steinbrück, Peer (geb. 1947)Stoiber, Edmund (geb. 1941)Süskind, Patrick (geb. 1949)

TTerenz: Publius Terentius Afer (um 190 - 59 a.Chr.n.)Thukydides (um 460 - um 399 a.Chr.n.)Tonini, Ersilio (geb. 1914)Tucholsky, Kurt (1890 - 1935)Tugendhat, Ernst (geb. 1930)Twain, Mark: Samuel Langhorne Clemens (1835 - 1910)

UUllrich, Jan (geb. 1973)

VVespasian: Titus Flavius Vespasianus (9 - 79)Voltaire: François-Marie Arouet (1694 - 1778)

WWerner, Hendrik (geb. 1966)

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Wieczorek-Zeul, Heidemarie (geb. 1942)Wiesner, Heinrich (geb. 1925)Wilder, Samuel (1906 - 2002)Wilder, Thornton Niven (1897 - 1975)Williams, Robert Peter (geb. 1974)

ZZarqawi, Abu Musab az-: Ahmad Nazzāl al-Chalaila (1966 - 2006)

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III. Auszüge aus den Internationalen Menschenrechten

Artikel 1Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Artikel 2Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand. Des weiteren darf kein Unterschied gemacht werden auf Grund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebietes, dem eine Person angehört, gleichgültig ob dieses unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder sonst in seiner Souveränität eingeschränkt ist.

Artikel 3Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

Artikel 7Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung.

Artikel 18Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.

Artikel 19Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

Artikel 23Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit. Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen. Jeder hat das Recht, zum Schutze seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten.

[notabene: Im Vorgängerwerk des Autors findet sich eine Kritik33 sowie der vollständige originale und ins deutsche übersetzte Text34 der Internationalen Menschenrechte, welche als Resolution 217 A (III) am 10. Dezember des Jahres 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (United Nations, UN)35 verabschiedet wurden, KvS]

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IV. Auszüge aus dem deutschen Grundgesetz

Artikel 2 GG1. Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die

Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

2. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Artikel 5 GG1. Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu

verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

2. Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

3. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Artikel 46 GG1. Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer

Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.

2. Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.

3. Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen einen Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.

4. Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Artikel 18 gegen einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Bundestages auszusetzen.

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V. Auszüge aus dem deutschen Strafgesetzbuch

§ 11 StGBPersonen- und Sachbegriffe

1. […]2. […]3. Den Schriften stehen Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere

Darstellungen in denjenigen Vorschriften gleich, die auf diesen Absatz verweisen.

§ 131 StGBGewaltdarstellung

1. Wer Schriften (§ 11 Abs. 3), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,1. verbreitet,2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen,wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

2. Ebenso wird bestraft, wer eine Darbietung des in Absatz 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet.

3. Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Handlung der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient.

4. Absatz 1 Nr. 3 ist nicht anzuwenden, wenn der zur Sorge für die Person Berechtigte handelt; dies gilt nicht, wenn der Sorgeberechtigte durch das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen seine Erziehungspflicht gröblich verletzt.

§ 166 StGBBeschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

1. Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

2. Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

§ 216 StGBTötung auf Verlangen

1. Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

2. Der Versuch ist strafbar.

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§ 326 StGBUnerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen

1. Wer unbefugt Abfälle, die1. Gifte oder Erreger von auf Menschen oder Tiere übertragbaren gemeingefährlichen Krankheiten enthalten oder hervorbringen können,2. für den Menschen krebserzeugend, fruchtschädigend oder erbgutverändernd sind,3. explosionsgefährlich, selbstentzündlich oder nicht nur geringfügig radioaktiv sind oder4. nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind,a) nachhaltig ein Gewässer, die Luft oder den Boden zu verunreinigen oder sonst nachteilig zu verändern oderb) einen Bestand von Tieren oder Pflanzen zu gefährden,außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage oder unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren behandelt, lagert, ablagert, abläßt oder sonst beseitigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

2. Ebenso wird bestraft, wer Abfälle im Sinne des Absatzes 1 entgegen einem Verbot oder ohne die erforderliche Genehmigung in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt.

3. Wer radioaktive Abfälle unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten nicht abliefert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

4. In den Fällen der Absätze 1 und 2 ist der Versuch strafbar.5. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe

1. in den Fällen der Absätze 1 und 2 Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe,2. in den Fällen des Absatzes 3 Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

6. Die Tat ist dann nicht strafbar, wenn schädliche Einwirkungen auf die Umwelt, insbesondere auf Menschen, Gewässer, die Luft, den Boden, Nutztiere oder Nutzpflanzen, wegen der geringen Menge der Abfälle offensichtlich ausgeschlossen sind.

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VI. Fragment aus Parmenides’ ‚Über die Natur’Wohlan, so will ich denn verkünden (Du aber nimm mein Wort zu Ohren), welche Wege der Forschung allein denkbar sind: der eine Weg, daß (das Seiende) ist und daß es unmöglich nicht sein kann, das ist der Weg der Überzeugung (denn er folgt der Wahrheit), der andere aber, daß es nicht ist und daß dies Nichtsein notwendig sei, dieser Pfad ist (so künde ich Dir) gänzlich unerforschbar. Denn das Nichtseiende kannst Du weder erkennen (es ist ja unausführbar) noch aussprechen. Denn (das Seiende) denken und sein ist dasselbe. Dies ist nötig zu sagen und zu denken, daß (nur) das Seiende existiert. Denn seine Existenz ist möglich, die des Nichtseienden dagegen nicht; das heiß' ich Dich wohl zu beherzigen. Es ist dies nämlich der erste Weg der Forschung, vor dem ich Dich warne. Sodann aber auch vor jenem, auf dem da einherschwanken nichts wissende Sterbliche, Doppelköpfe. Denn Ratlosigkeit lenkt den schwanken Sinn in ihrer Brust. So treiben sie hin stumm zugleich und blind die Ratlosen, urteilslose Haufen, denen Sein und Nichtsein für dasselbe gilt und nicht für dasselbe, für die es bei allem einen Gegenweg gibt. Denn unmöglich kann das Vorhandensein von Nichtseiendem zwingend erwiesen werden. Vielmehr halte Du Deine Gedanken von diesem Wege der Forschung ferne. So bleibt nur noch Kunde von Einem Wege, daß (das Seiende) existiert. Darauf steh’n gar viele Merkzeichen; weil ungeboren, ist es auch unvergänglich, ganz, eingeboren, unerschütterlich und ohne Ende. Es war nie und wird nicht sein, weil es zusammen nur im Jetzt vorhanden ist als Ganzes, Einheitliches, Zusammenhängendes (Kontinuierliches). Denn was für einen Ursprung willst Du für das Seiende ausfindig machen? Wie und woher sein Wachstum? (Weder aus dem Seienden kann es hervorgegangen sein; sonst gäbe es ja ein anderes Sein vorher), noch kann ich Dir gestatten (seinen Ursprung) aus dem Nichtseienden auszusprechen oder zu denken. Denn unaussprechbar und unausdenkbar ist es, wie es nicht vorhanden sein könnte. Welche Verpflichtung hätte es denn auch antreiben sollen, früher oder später mit dem Nichts zu beginnen und zu wachsen? So muß es also entweder auf alle Fälle oder überhaupt nicht vorhanden sein. Auch kann ja die Kraft der Überzeugung niemals einräumen, es könne aus Nichtseiendem irgend etwas anderes als eben Nichtseiendes hervorgehen. Drum hat die Gerechtigkeit Werden und Vergehen nicht aus ihren Banden freigegeben, sondern sie hält es fest. Die Entscheidung aber hierüber liegt in folgendem: es ist oder es ist nicht! Damit ist also notwendigerweise entschieden, den einen Weg als undenkbar und unsagbar beiseite zu lassen (es ist ja nicht der wahre Weg), den anderen aber als vorhanden und wirklich zu betrachten. Wie könnte nun demnach das Seiende in der Zukunft bestehen, wie könnte es einstmals entstanden sein? Denn entstand es, so ist es nicht und ebensowenig, wenn es in Zukunft einmal entstehen sollte. So ist Entstehen verlöscht und Vergehen verschollen. Auch teilbar ist es nicht, weil es ganz gleichartig ist. Und es gibt nirgend etwa ein stärkeres Sein, das seinen Zusammenhang hindern könnte, noch ein geringeres; es ist vielmehr ganz von Seiendem erfüllt. Darum ist es ganz zusammenhängend; denn ein Seiendes stößt dicht an das andere. Aber unbeweglich liegt es in den Schranken gewaltiger Bande ohne Anfang und Ende; denn Entstehen und Vergehen ist weit in die Ferne verschlagen, wohin sie die wahre Überzeugung verstieß; und als Selbiges im Selbigen verharrend ruht es in sich selbst und verharrt so standhaft alldort. Denn die starke Notwendigkeit hält es in den Banden der Schranke, die es rings umzirkt. Darum darf das Seiende nicht ohne Abschluß sein. Denn es ist mangellos. Fehlte ihm der, so wäre es eben durchaus mangelhaft. Denken und des Gedankens Ziel ist ein und dasselbe; denn nicht ohne das Seiende, in dem es sich ausgesprochen findet, kannst Du das Denken antreffen. Es gibt ja nichts und wird nichts anderes geben außerhalb des Seienden, da es ja das Schicksal an das unzerstückelte und unbewegliche Wesen gebunden hat. Darum muß alles leerer Schall sein, was die Sterblichen (in ihrer Sprache) festgelegt haben, überzeugt, es sei wahr: Werden sowohl als Vergehen, Sein sowohl als Nichtsein, Veränderung des Ortes und Wechsel der leuchtenden Farbe. Aber da eine letzte Grenze

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vorhanden, so ist (das Seiende) abgeschlossen nach allen Seiten hin, vergleichbar der Masse einer wohlgerundeten Kugel, von der Mitte nach allen Seiten hin gleich stark. Es darf ja nicht da und dort etwa größer oder schwächer sein. Denn da gibt es weder ein Nichts, das eine Vereinigung aufhöbe, noch kann ein Seiendes irgendwie hier mehr, dort weniger vorhanden sein als das Seiende, da es ganz unverletzlich ist. Denn (der Mittelpunkt), wohin es von allen Seiten gleichweit ist, zielt gleichmäßig auf die Grenzen.

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VII. Quellenangaben1 Forbidden World/Mutant – das Grauen im All, USA 1982, Regie: Allan Holzman2 Blade: Trinity, USA 2004, Regie: David S. Goyer3 E.M. Cioran: Lehre vom Zerfall, Klett-Cotta; ISBN 3-608-93302-6, S. 1884 Kain L. von Spreewinkl: Gedanken zur Todesstrafe, Mein Buch; ISBN 3-86516-707-1, S. 319 f.5 Hendrik Werner: Ästhet des Verschwindens, Die Welt, 07.09.2006, S. 276 Das Parfüm – Die Geschichte eines Mörders, D/F/ESP 2006, Regie: Tom Tykwer7 Patrick Süskind: Das Parfüm. Die Geschichte eines Mörders, Diogenes; ISBN 3-2572-2800-78 Salman Rushdie: The Satanic Verses, Vintage; ISBN 0-9632-7070-29 Pro7 Newstime, 12.09.2006, 2000

10 Kain L. von Spreewinkl: Gedanken zur Todesstrafe, Mein Buch; ISBN 3-86516-707-1, S. 299 ff.11 George Santayana: The Life of Reason, Prometheus; ISBN 1-5739-2210-212 Laurence J. Peter & Raymond Hull: Das Peter-Prinzip, Rowohlt; ISBN 3-499-61351-413 Dan Brown: Sakrileg, Lübbe; ISBN 3-785-72152-814 Umberto Eco: Das foucaultsche Pendel, dtv; ISBN 3-423-11581-515 Helmut Kohl: Erinnerungen 1930-1982, Droemer Knaur; ISBN 3-426-27218-016 Man-Eater/Antropophagus, I 1980, Regie: Joe d’Amato17 Dawn of the Dead/Zombie, I/USA 1978, Regie: George A. Romero18 The Passion of the Christ/Die Passion Christi, I/USA 2004, Regie: Mel Gibson19 The Evil Dead/Tanz der Teufel, USA 1982, Regie: Sam Raimi20 Mother’s Day/Muttertag, USA 1980, Regie: Charles Kaufman21 Europäische Union (www.europa.eu)22 Beratung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (www.gleichbehandlungsgesetz.org)23 Jürgen Roth: Der Deutschland-Clan, Eichborn; ISBN 3-8218-5613-024 Staat Modern (www.staat-modern.de)25 Thomas Leif: beraten & verkauft, Bertelsmann; ISBN 3-570-00925-4, S. 3126 Soylent Green – J ahr 2022 …die überleben wollen, USA 1973, Regie: Richard Fleischer27 Online-Filmdatenbank (www.ofdb.de)28 Ernst Tugendhat: Das Euthanasieproblem in philosophischer Sicht (1993) aus: Derselbe: Aufsätze 1992-2000, Suhrkamp; ISBN 3-518-29135-329 Felidae, BRD 1994, Regie: Michael Schaack30 RTL II, 29.12.2002, 1130

31 Animals are beautiful People/Die lustige Welt der Tiere, ZA 1974, Regie: Jamie Uys32 Jürgen Habermas: Zwischen Naturalismus und Religion, Suhrkamp; ISBN 3-518-58447-2, S. 2633 Kain L. von Spreewinkl: Gedanken zur Todesstrafe, Mein Buch; ISBN 3-86516-707-1, S. 139 ff.34 Kain L. von Spreewinkl: Gedanken zur Todesstrafe, Mein Buch; ISBN 3-86516-707-1, S. 323 ff.35 United Nations (www.un.org)

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