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Gheorghe Madalina Gruppe IIIB4 Rumanisch - Deutsch GROßSTADTMORGEN ARN O HOLZ 1885-1886 "Der Dichter ... ist in seiner Weise ein Experimentator, wie der Chemiker, der allerlei Stoffe mischt, in gewisse Temperaturgrade bringt und den Erfolg beobachtet. Natürlich: der Dichter hat Menschen vor sich, keine Chemikalien. Aber... auch diese Menschen fallen ins Gebiet der Naturwissenschaften. Ihre Leidenschaften, ihr Reagieren gegen äußere Umstände, das ganze Spiel ihrer Gedanken folgen gewissen Gesetzen, die der Forscher ergründet hat und die der Dichter bei dem freien Experimente so gut zu beachten hat, wie der Chemiker, wenn er etwas Vernünftiges und keinen wertlosen Mischmasch herstellen will, die Kräfte und Wirkungen vorher berechnen muß, ehe er ans Werk geht und Stoffe kombiniert." Literaturtheoretiker Wilhelm Bölsche, "Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie" (1887) Die Ideen der Naturalisten gehen um eine innere Fähigheit des menschlichen Wesens mit der äußeren Natur eine besondere Beziehung festzuhalten. Das macht auch Arno Holz in seinem Gedicht: er experimentiert nicht nur mit seinen Gefühle, sondern auch mit den Eindrücke, die die Natur bewirkt. Dieses tiefe Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist von dem Dichter mit einem bioligischen Instrumentarium dargestellt. In dieser Gleichung spielt die Daseinkampf eine sehr wichtige Rolle und ist gleichzeitig, ein sehr bekanntes Motiv des Naturalismus von Charles Darwin bestimmt. 1

Grossstadtmorgen Von Arno Holz Fur Phonetik

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Gheorghe Madalina Gruppe IIIB4Rumanisch - Deutsch

GROßSTADTMORGEN ARNO HOLZ 1885-1886

"Der Dichter ... ist in seiner Weise ein Experimentator, wie der Chemiker, der allerlei Stoffe mischt, in gewisse Temperaturgrade bringt und den Erfolg beobachtet. Natürlich: der Dichter hat Menschen vor sich, keine Chemikalien. Aber... auch diese Menschen fallen ins Gebiet der Naturwissenschaften. Ihre Leidenschaften, ihr Reagieren gegen äußere Umstände, das ganze Spiel ihrer Gedanken folgen gewissen Gesetzen, die der Forscher ergründet hat und die der Dichter bei dem freien Experimente so gut zu beachten hat, wie der Chemiker, wenn er etwas Vernünftiges und keinen wertlosen Mischmasch herstellen will, die Kräfte und Wirkungen vorher berechnen muß, ehe er ans Werk geht und Stoffe kombiniert." Literaturtheoretiker Wilhelm Bölsche, "Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie" (1887)

Die Ideen der Naturalisten gehen um eine innere Fähigheit des menschlichen Wesens mit

der äußeren Natur eine besondere Beziehung festzuhalten. Das macht auch Arno Holz in seinem

Gedicht: er experimentiert nicht nur mit seinen Gefühle, sondern auch mit den Eindrücke, die die Natur

bewirkt. Dieses tiefe Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist von dem Dichter mit einem

bioligischen Instrumentarium dargestellt. In dieser Gleichung spielt die Daseinkampf eine sehr

wichtige Rolle und ist gleichzeitig, ein sehr bekanntes Motiv des Naturalismus von Charles Darwin

bestimmt.

Das Gedicht beginnt mit dem Auftauchen des Ichs in einer Welt von Schmutz und Elend

bewältigt. Die Müdigkeit erinnert uns an einer ontologischen Müdigkeit. Das Leiden und der innere

Schmerz sind eine zweite Natur des naturalisten Menschen.

Der Mensch kann nicht mehr seinen Platz in der Gesellschaft finden, weil er von

historischem Hintergrund, Vererbung und Milieu determiniert ist. Und hier kommt ein anderes sehr

wichtiges Motiv der naturalistischen Verfassungen vor – die Determiniertheit. Die Dirnen, die

Betrunkene unde die Bettler sind die häufigste Bevölkerung die in naturalistischen Werke vorkommen:

mich die Dirnen schamlos angelacht, mir ein Trunkner in den Weg gekommen, ein Bettler auf der

Weidendammer Brücke.

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Die Naturalisten wählen ihre Helden von den niedrigsten Soziallschichten aus, weil sie eben

diese Bedingtheit betonen wollen. Die Kunst ist für Naturalisten als eine Pflicht für Rationalität,

Kausalität, Objektivität und Determinismus angesehen: mechanisch sah ich nach der Uhr, An was ich

dachte weiss der Kuckuck nur, wies gekommen, wars auch schon verschwunden.

Die Helden sind passiv dargestellt. Sie nehmen nicht mit ihren Stimme an dem Großstadtleben teil,

sondern nur mit ihren flüchtigen Anwesenheiten. Sie sind wie Gespenster von der Welt abgerissen. Der

Laster und der Trieb machen Opfern, und diese Opfern sind die Hauptfiguren im naturalistischen

Werke.

Das Ich beobachtet die Realität ohne seine persönliche Empfindungen eindringen zu lassen :

ich stumpf davon Notiz genommen. Das Ich spürte das Unrecht, es beobachtet es, aber es kann keine

Verbesserungshöffnung herausfinden - der Unternehmungsgeist fehlt bei Naturalisten. Für sie bedeuten

die Natur, die Wahrheit, das Leben, wie sie sind, die Realität. Hier kann man auch Arno Holz` Formel

der Kunst besprechen : die Kunst ist die Natur minus X, wo das X die künstlerischen Mittlen und

Kreativität bezeichen, die möglichst nach Null tendieren müssen. Also die Kunst sollte

naturentsprechend sein - wie sie im Holz`Gedicht dargestellt ist.

Die Armut und das Elend sind im konzertrierten Form beobachtet, mit der Schärfe eines

Wissenschaftler. Die Naturalisten arbeiten mit exakten, naturwissenschaftlichen Methoden. Das macht

auch Arno Holz im sein Gedicht. Er fürchtet sich nicht vor Verdrängtes und Hässlichen, wie die

Antiker z.B., sondern ästhetisiert sie. Das ist ein Weg der Moderne, den die Naturalisten eröffnet, und

den Moderner fortgeführt haben: die „Ästhetik des Hässlichen“ – bei Charles Baudelaire, Tudor

Arghezi.

Im Mittelpunkt des Gedichts steht der Traum von einem idyllischen Sommertag, die wie ein

Sprung in eine ferne, vergangene Zeit anmutet. Die strukturelle Oppositon Land – Stadt ist weiter

dargestellt.

Die Flucht aus der Großstadt, aus Berlin, erscheint dem Ich als eine Rettung. Die Suche nach

Kontemplation und Ruhe bringt ihm im Mitten der Natur. Eine reife, unschädliche Natur, in der man

niemals die Sünde treffen könnte. Ein naturhaftes Sein ist das Ideal der Naturalisten. Die Natur ist als

ein primordiälles Wesen angesehen.

Dieser Absatz bricht von einem illo tempore aus, und materialisiert sich im drei flüchtige

Sekunden. Hier kann man von einer modernen Technik sprechen, die schon mit Marcel Proust, Virginia

Woolf und James Joyce vervollständigt ist – die Ausdehnung, die Erweiterung der Zeit. Die ganze und

genaue Naturbeschreibung, wovon man die Aufmerksamkeit für Details bemerken kann, dauert nur ein

Sonnenblitz, drei flüchtige Sekunden.

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Es gibt eine proteische Mischung von allen menschlichen Sinne: das Sehen – grünen Hügel,

Zügel locker, lang und laß, rupfte buschelweise das Gras, ein ganz, ganz blaßblauer Himmel, fuchsrot

beschienen, Feld Lupinen, mahlten drei Mühlen am Horizont, das Hören - still war mein Herz und

fröhlich und ruhte, leise unter mir schnupperte meine Stute, rauschend reifte, das Riechen und das

Schmecken - roch die Garben, dazwischen roch es nach Ackerkrumen, und das Tasten – ich konnt es

förmlich mit den Händen greifen. Diese Genauigkeit der Details bis im Kleinsten ist ein Merkmal des

Naturalismus.

Der Sekundenstil ist eine experimentelle Ausdrucksweise: die photographische und

phonographische Registrierung der kleinsten Bewegungen – mechanisch sah ich nach der Uhr, ich

fühlte seinen Atem mich umstreifen , Geräusche – Lerchengewimmel, hörte den Wind wehn, und

optische Eindrücke- die Flügel...mahlten drei Mühlen am Horizont.

Man versucht dem natürlichen Sprechen nahezukommen. Das Ziel des Sekundenstils ist also

eine starke Annäherung zwischen der äußeren und inneren Wirklichkeit – es ist versucht mehr zu

vermitteln als über Raumbeschreibungen. Die poetischen Bilder bekommen stärkere Bedeutung durch

inovative Wortkombinationen.

Der optische Ausdruck, die lautmalerische Buchstabenkombinationen und die Nutzung

graphischer Elemente – „Kauft-Wachs-streich-hölzer!Schwedische-Storm-und-Wachs-streich-hölzer...“

– bereiten den Weg für die konkrete Poesie vor. In diese Richtung zu bleiben, kann das Naturalismus

als eine Steigerung der Moderne – Dadaismus – verstanden sein. So entstehen Synästhesien und

Methaphern, Oxymoronen – die Verbindung zweier sich widersprechender Begriffe – strukturelle

Aufbaumethode der modernen Lyrik: die Flügel mahlten drei Mühlen am Horizont, roch nach

Ackerkrumen, fuchsrot beschienen – Feld Lupinen, der Blick schweifte.

Arno Holz benutzt eine andere Technik die sich in der Zeitspanne der Moderne zur

Vollendung gebracht wurde: der Spiel mit Symbolen. Hier ist ein ganzes Bild der Symbolistik der

Freiheit dargestellt: die Stute – kann man als ein Alter-Ego des Ichs sehen, als ein freier Geist, der nicht

ein Opfer des soziallen und äußerlichen Unterdrücks werden kann; die Stute die schnupperte und rupfte

ist hier als ein rauhes Tier, das nicht gezähmt sein kann. Die Zügel – die in Natur locker, lang und laß

sind – die sozialle Sitte und Konventionen besagen, während das Gras eine größe Freiheitsportion ist.

Wenn wir an Don Quixote denken, können wir die drei Mühlen am Horizont als Symbolen der

Vergeblichkeit und der Sinnlösigkeit ansehen. Das Ich ist also von seinem flüchtigen Leben bewusst

und nimmt sein Zustand, seine Gegebenheit mit Abdankung an. Er ist nicht ein Idealister, wie die

Romantiker, zum Beispiel, und benutzt deshalb keinen elegischen Ton.

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Die Naturalisten bemühen sich dem Ungeschlieffenen, Unterprivilegierten und Hässlichen

einen Platz in der Kunst zu verschaffen. Das macht Arno Holz auch auf lexikalischem Niveau: er zieht

vor, auf die grobe, unraffinierte Wörter mit semantischem Gewicht zu legen. Er sucht sie nicht in

hochgehobene Sprache, sondern nimmt sie wovon er auch seine Hauptfiguren nimmt. Sie haben also

dasselbe strukturelle Hintergrund.

Die Vorliebe für die „phonographische Methode“ kann man sehr leicht im Holz Gedicht

herausfinden durch die Verwendung des Soziolekts – schichtspezifische Ausdrucksweise: Bettler,

Betrunkene, Dirnen, die Ausrufe, das Stammeln und Stottern, die unvollständigen Sätze. Das Ziel ist

die photographische Darstellung der Wirklichkeit. Ein Beispiel aus der umgangsprachlichen Sammlung

ist: Dinger , Krücke.

Auch die geographischen Hinweise – Friedrichstrasse, Weidendammer Brücke, helfen dem

Dichter ein exaktes Abbild der Realität zu liefern.

Auf dem phonetischen Niveau kann man die Trennung von klassischer Form des Gedichtes

sehen. Arno Holz ist für die „Revolution der Lyrik“ schuldig, durch das Verzicht auf Tradition und

Epigonentum, auf Konventionen des Verses und der Strophe, die nicht mehr eine genaue Form haben

sollen.

Dadurch gilt Arno Holz nicht nur als ein Vertreter des

Naturalismus sondern auch der Moderne. Er orientiert sich an

neuen lyrischen Formen, wie zum Beispiel, Prosalyrik, ein

Gedicht das mit Erzählungsmitteln lesbar ist. Er experimentiert

mit einem reimlosen Stil. Die Freiheit des Ausdrucks ist von

einem inneren Rhythmus bestimmt und die ganz verschiedene

Einteilung in Strophen ist ein Beispiel für die neue literarische

Technik der Naturalisten. Die Schreibweise kann man sagen dass

unkonventionell für eine lyrische Verfassung ist, wenn wir an dem

Spiel mit graphischen Elemente – die Zeichensetzung im diesem

Vers, z.B. „Kauft-Wachs-streich-hölzer!Schwedische-Storm-und-

Wachs-streich-hölzer...“ – und mit der Aufteilung des Gedichts

denken. Man kann einfach den Spiel zwischen große und kleine

Buchstaben bemerken, die an einer erzählerischen Passage

erinnert.

Der freie Vers, ohne Reim, Rhythmus und Versmaß, ist ein Merkmal des Naturalismus, im

kleinsten, und der Moderne, im größten. Der Dichter verwendet Alliterationen und Assonanzen, um

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größere Emphase oder Betonung zu schaffen : stumpf – dumpf, selbst die Zigarre schmeckte schlecht,

Krumm an seiner Krücke. Dadurch verteilt er dem Text eine innere Musik.

Das Ende ist symetrik mit dem Anfang gebildet. Das Zurückkommen auf das Großstadtleben

betont eben die Höffnungslösigkeit der Naturalisten. Das Thema der Flucht aus einer erstickenden

Stadt und der „Zurück zur Natur“ worüber Jean Jacques Rousseau spricht, wird man später bei den

Expresionisten finden. Aber verdoppelt, und in Form eines Schreies nach geistlicher Freiheit gepackt.

Schlussfolgerung

Durch die Verwendung naturalistischer Begriffe –

Darstellung der Wirklichkeit von Armut und Elend

beherrscht, Pflicht für Objektivität, die sozialle Thematik

der unterprivilegierten Schichten, das Determinismus

(Bedingtheit durch Milieu, Vererbung und historisches

Hintergrund), die Revolution der Lyrik ( Sekundenstil ) –

kann man dieses Gedicht als Manifest des Naturalismus

bezeichen. Aber mit der Darstellung des Menschen als

autonomes Wesen, und mit der wegweisenden Problematik

der modernen Großstadt, macht dieses Gedicht einen

großen Schritt in Erwartung der Moderne.

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Ein bischen Geographie...

Weidendammer BrückeMitte (Dorotheenstadt/Spandauer Vorstadt), sie überspannt die Spree als Teil des Straßenzuges Friedrichstraße und verbindet Am Weidendamm und Reichstagufer am südlichen Spreeufer mit dem Schiffbauerdamm am nördlichen Spreeufer.Vor 1685 gab es bereits an gleicher Stelle eine hölzerne Zugbrücke, die Dorotheenstädtische Brücke, später Spandauische Brücke. 1824–1826 wurde diese

durch eine gußeiserne Konstruktion ersetzt. 1895–1897 wurde von Otto Stahn (1859–1930) eine Dreibogenbrücke errichtet, die 1914 im Zusammenhang mit dem Tunnelbau der U-Bahn abgetragen und 1922 bis auf die Fahrbahnerweiterung unverändert wiederhergestellt wurde. Gestaltet wurde sie mit schmiedeeisernen Ziergittern. Auf jeder Seite über den Brückenpfeilern sind Kandelaber in Form schlanker Gittermasten von M. Fabian angebracht. Beidseitig in der Mitte thronen übergroße kunstgeschmiedete Adler. Die W. steht unter Denkmalschutz.

Die Friedrichstraße liegt in den Berliner Ortsteilen Mitte und Kreuzberg. Sie ist eine der bekanntesten Straßen im Zentrum Berlins und wurde nach dem Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg benannt. Dieser regierte von 1688 bis 1713 und war ab 1701 als Friedrich I. König in Preußen.Um die Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts galt die Friedrichstraße als Handelsplatz für Edelsteine und Gold und war ein Zentrum der Prostitution.

Das Dachatelier (1930 photographiert von Wilhelm Niemann)

Bibliographie :

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http://www.literaturwelt.com/epochen/natural.html

Walter Hettche, Großstadtlyrik um 1890, im Die Decandence ist da. Theodor Fontane und die Literatur der Jahrhundertwende, von Gabriele Radecke, Verlag Königshausen&Neumann, Würzburg, 2002, Seiten 79 -95 - books.google.de/books

Matthias Harder und Almut Hille, Weltfabrik Berlin. Eine Metropole als Sujet der Literatur, Königshaus&Neumann, 2006 - books.google.de/books

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