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Herausforderungen des Neuen Erwachsenenschutzrechts für Alters- und Pflegeheime Grundlagen für die Zusammenarbeit mit BewohnerInnen/Angehörigen/BeiständInnen und Erwachsenenschutzbehörden 12. Januar 2012 Peter Mösch Payot, Mlaw LL.M. Prof. Hochschule Luzern [email protected]

Grundlagen für die Zusammenarbeit mit BewohnerInnen ... · [email protected] 19.01.12 8 Im Besonderen: Vorsorgeauftrag II (Art. 360 ff. nZGB) - KESB überprüft bei Urteilsunfähigen

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Herausforderungen des Neuen Erwachsenenschutzrechts für Alters- und Pflegeheime Grundlagen für die Zusammenarbeit mit BewohnerInnen/Angehörigen/BeiständInnen und Erwachsenenschutzbehörden 12. Januar 2012

Peter Mösch Payot, Mlaw LL.M. Prof. Hochschule Luzern

[email protected]

19.01.12 [email protected] 2

Inhalt 1.  Was bleibt gleich? 2.  Zielsetzung der Revision 3.  Relevante Aspekte für Personen im Heim 4.  Massnahmen zur Stärkung der Selbstbestimmung

und neue gesetzliche Vertretungsrechte für Angehörige

5.  Regelung für Urteilsunfähige im Heim 6.  Neues Massnahmensystem: Beistandschaften und

Fürsorgerische Unterbringung (FU) 7.  Die neuen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden 8.  Fazit

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1. Erwachsenenschutzrecht: was bleibt gleich?

- Grundsätze der Rechtsstellung Erwachsenen -  Mündigkeit und Urteilsfähigkeit = Handlungsfähigkeit -  Gewährung eigenständiger Entscheidrechte für urteilsfähige Unmündige

und Personen unter Beistandschaft (insb. im Bereich höchstpersönlicher Rechte)

-  Zielsetzung: Schutz bei Schutzbedürftigkeit bzw. spezifischen Schwächezuständen

- Anwendung nach Prinzip der Verhältnismässigkeit, Subsidiarität und Komplementarität

-  Erwachsenenschutzmassnahmen subsidiär -  Massnahmen verhältnismässig (Art. 389 nZGB) -  Massnahmen komplementär zu Hilfsbedarf (Art. 388 nZGB)

- Verwaltungsrechtliches Verfahren

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2. Zielsetzungen der Revision

•  Stärkung der Selbstbestimmung

•  Behördliche Massnahmen „massgeschneidert“

•  Zeitgerechte Terminologie im Erwachsenenschutz

•  Besserer Schutz von Urteilsunfähigen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen

•  Fachbehörden als Entscheidinstanzen

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3. Neue Regeln für Personen im Heimbereich: Überblick – Regelung der selbstbestimmten Vorsorge und der

Vertretungsbefugnisse (bei urteilsunfähigen Personen) – Vorsorgeauftrag, Art. 374 ff. nZGB – medizinische Massnahmen (Art. 377 ff. nZGB)

– Regelung der Bewegungseinschränkungen in Heimen (Art. 383 ff. nZGB, Art. 438 nZGB)

– für urteilsunfähige Personen (Art. 383 ff. nZGB) – für Personen, die fürsorgerisch untergebracht sind („neuer FFE“)

– Neues Massnahmensystem und neue Behördenorganisation

– Regelung der medizinischen Zwangsmassnahmen und der ambulanten Nachbetreuung für Personen, die fürsorgerisch untergebracht sind bzw. waren (Art. 434 nZGB)

– 

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4. Neue Selbstvorsorgemassnahmen und gesetzliche Vertretungsrechte im Überblick –  Selbstvorsorgemassnahmen

–  Vorsorgeauftrag –  Patientenverfügung – Ziel: Sichern der vorsorgenden Selbstbestimmung für den Fall der

Urteilsunfähigkeit

–  Gesetzliche Vertretungsrechte – Zielsetzung: Subsidiarität behördlicher Massnahmen

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Im Besonderen: Vorsorgeauftrag I (Art. 360 ff. nZGB)

- Was? - Gesetzlich geregelter Auftrag einer handlungsfähigen Person -  an eine natürliche oder juristische Person -  zur Übernahme von Aufgaben

-  der Personensorge oder/und -  der Vermögenssorge oder/und -  der Vertretung im Rechtsverkehr

- Wie? Eigenhändige, handschriftliche, datierte Erklärung oder öff. Beurkundung; Eintrag Infostar möglich und sinnvoll

- Widerruf möglich, so lange Urteilsfähigkeit vorliegend

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Im Besonderen: Vorsorgeauftrag II (Art. 360 ff. nZGB)

- KESB überprüft bei Urteilsunfähigen -  Vorsorgefall, Vorliegen Vorsorgeauftrag, Gültigkeit -  Eignung Person, Notwendigkeit allfälliger weitere Mn.

- Nichtannahme durch Beauftragten möglich

-  Einschreiten KESB zum Schutz möglich (Art. 368 nZGB)

- Kündigung durch Beauftragten möglich (2 Mt., fristlos bei wichtigen Gründen)

-  Entschädigung und Spesen -  gemäss Vorsorgeauftrag -  nach Festlegung KESB -  aus Vermögen der auftraggebenden Person -  subsidiär möglich für mittellose Personen nach Leistungsvertrag mit KESB

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Im Besonderen: Patientenverfügung (Art. 370 ff. nZGB)

- Was? - Gesetzlich geregelter Auftrag einer urteilsfähigen Person -  über das Entscheidzuständigkeit und/oder den Entscheidinhalt bei

medizinischen Massnahmen -  für den Fall eigener Urteilsunfähigkeit

- Wie? -  schriftlich, datiert und unterzeichnet; Vermerk Hinterlegungsort auf

Versichertenkarte möglich

- Grenzen der Wirksamkeit - widerrechtlich, Willensmängel, mutmasslicher Wille - Sonderregelung bei FU wegen psychischer Erkrankung

-  Einschreiten KESB zum Schutz möglich (Art. 368 nZGB)

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Im Besonderen: Neue gesetzliche Vertretungsrechte

–  Gesetzliche Vertretungsrechte bei Urteilsunfähigkeit

– Ehegattenvertretung

– Sonderregeln für medizinische (insb. somatisch bedingten) Massnahmen und Aufenthalt in Wohn- und Pflegeeinrichtungen

– Vertretungsrechte sind subsidiär zu Vorsorgeauftrag/Patientenverfügung

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Vertretung durch Ehegatten (Art. 374 nZGB)

- Für wen? - Ehegatten/eingetr. Partner/in in gemeinsamem Haushalt oder der/die

regelmässigen persönlichen Beistand leistet

- Was? : „Alltagsgeschäftsvertretung“ - Vertretung bei allen Rechtshandlungen, die zur Deckung des

Unterhaltsbedarfs üblicherweise erforderlich -  ordentliche Verwaltung von Einkommen und Vermögen - wo nötig: Post öffnen und erledigen

- Im Zweifel und bei Schutzbedarf: Einschreiten KESB

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Vertretung bei medizinischen Massnahmen: Kaskade Art. 378 nZGB

1.  In Patientenverfügung/Vorsorgeauftrag genannte Person

2.  Beistand mit entsprechendem Vertretungsrecht

3.  Ehegatte/eingetr. Partner und gemeinsamer Haushalt oder regelmässigen persönlichen Beistand

4.  Person in gemeinsamem Haushalt UND mit regelmässig persönlichem Beistand

5.  Nachkommen, wenn sie regelmässig und persönlich Beistand leisten

6.  Eltern, wenn sie regelmässig und persönlich Beistand leisten

7.  Geschwister, die regelmässig und persönlich Beistand leisten

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5. Schutzmassnahmen für Urteilsunfähige in Alters- und Pflegeheimen

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Insb. Aufenthalt in Wohn- und Pflegeeinrichtungen von Urteilsunfähigen: Betreuungsvertrag

•  Notwendigkeit Betreuungsvertrag

•  Inhalt Betreuungsvertrag

•  Wünsche des Betroffenen bzgl. Leistungen

•  Stellvertretung von Urteilsunfähigen bzgl. Betreuungsvertrag

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Aufenthalt in Wohn- und Pflegeeinrichtungen von Urteilsunfähigen: Persönlichkeitsschutz und Kontakte

•  Allgemeine Verpflichtung auf den Persönlichkeitsschutz (Art. 386 nZGB)

•  Konkrete Verpflichtungen (Art. 386 Abs. 1, 2 und 3 nZGB) – Förderung von Kontakten zu Personen ausserhalb der Einrichtung – Informationspflicht, wenn sich niemand von extern um Betroffene/n

kümmert – Gewähr freier Arztwahl (ausser bei wichtigen Gründen)

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Aufenthalt in Wohn- und Pflegeeinrichtungen von Urteilsunfähigen: Beschränkungen der Bewegungsfreiheit I

•  Was sind Beschränkungen der Bewegungsfreiheit?

•  Voraussetzungen der Beschränkung der Bewegungsfreiheit

– Verhältnismässigkeit/Notwendigkeit: sachlich/zeitlich

– Zulässiges Motiv – Gefahrabwehr Betroffene/Dritter – Schwerwiegende Störung des Gemeinschaftsleben beseitigen

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Aufenthalt in Wohn- und Pflegeeinrichtungen von Urteilsunfähigen: Beschränkungen der Bewegungsfreiheit II

•  Formelle Voraussetzungen und Regeln

– Zuständigkeit: Heim!!! – Aufklärung des Betroffenen (was, warum, wie lange, wer zuständig, wo

kann man sich beschweren?) – Regelmässige Überprüfung – Protokollierung (Anordnende Person, Zweck, Art, Dauer) – Informations- und Einsichtsrecht (Vertreter bei med. Massnahmen/Aufsicht) – Beschwerderecht bei Erwachsenenschutzbehörde (Legitimation Betroffene/

r und Nahestende/r; schriftlich, Weiterleitungspflicht des Heims) – Aufsicht

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Was gilt bzgl. medikamentösen bewegungseinschränkenden Massnahmen?

•  Gilt als medizinische Massnahme: Anordnung durch Ärztin oder Arzt; durch Einrichtung nicht möglich!

•  Bedarf somit der Voraussetzungen für med. Massnahmen - Einwilligung Betroffene Person - Einwilligung Vertreter/in

- Vertreter/in gemäss Patientenverfügung od. Vorsorgeauftrag - Beistand - Vertretungsberechtige Person

•  Formelle Voraussetzungen und Regeln -Umfassende ärztliche Aufklärung vorausgesetzt -Dokumentation, Protokollierung etc. ??? - Beschwerdeinstanz KESB

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6. Neues Massnahmensystem: Beistandschaften und FU

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Voraussetzungen für Massnahmen

–  Voraussetzungen personenbezogene Massnahmen: Beistandschaft – Subsidiarität zu eigener Vorsorge und freiwilligen Mn. (Art. 389 nZGB) – Schwächezustand und Schutzbedürtigkeit – Belastung und Schutz von Angehörigen und Dritten sind zu

berücksichtigen – Von Amtes wegen oder auf Antrag

–  Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts: Unterbringung

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Massnahmen im Überblick

- Begleitbeistandschaften (Art. 393 nZGB)

-  Vertretungsbeistandschaft (Art. 394 f. nZGB)

- Mitwirkungsbeistandschaft (Art. 396 n ZGB)

- Umfassende Beistandschaft (Art. 398 nZGB)

-  Fürsorgerische Unterbringung (Art. 426ff. ZGB)

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Fürsorgerische Unterbringung (Art. 426 ff. nZGB)

- Bestimmung über Aufenthalt der Person: Unterbringung in einer „Einrichtung“ durch KESB (kurzfristig: Amtsarzt)

-  bei psych. Störungen, geistiger Behinderung oder schwerer Verwahrlosung

-  Verhältnismässigkeit mit Blick auf Ziel der Personensorge: -  „sofern Ziel der Betreuung und Behandlung nicht anders erfolgen kann“.

- Bewegungseinschränkende Mn. durch Institution nach üblichen Regeln (aber Beschwerdeinstanz Gericht)

- Medizinische Massnahmen durch Patient/Vertreter nach üblichen Regeln

(aber Beschwerdeinstanz Gericht)

-  Zwangsmassnahmen nur bei psychisch Erkrankten durch Chefarzt (Art. 433/434 nZGB)

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7. Die neuen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden

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Bundesrechtliche Vorgaben bzgl. Entscheidbehörde (Art. 440 nZGB)

-  Fachbehörde

-  Mind. drei Mitglieder

-  Aufgaben im Kindes- und Erwachsenenschutz

-  Aufgabenvielfalt - Alle Kindesschutz- und Erwachsenenschutzmassnahmen, inkl. Entziehung

elterlicher Sorge - Genehmigung der Sterilisation eines Entmündigten - Fürsorgerische Unterbringung (vorsorgl. FU durch Ärzte, für max. 6 Wochen) - Neue Aufgaben bei Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung, Vertretung bei med.

Massnahmen, Schutzregeln bei Heimaufenthalt - Ergänzende Aufgabe bzgl. Kindesvertretung bei Regelung persönl. Verkehr, Entzug

elterlicher Obhut und Regelung elterlicher Sorge

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8. Fazit

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Neues Erwachsenenschutzrecht: Reflexion

-  Was wird wirklich neu? –  Fachbehörden –  Massschneiderung für Massnahmen –  Gesetzliche Vertretungsrechte/Selbstvorsorgeinstrumente –  Heimgesetzfragmente

- Was dürften Knackpunkte sein für Alters- und Pflegeheime? - Bestimmung Urteilsfähigkeit (Voraussetzung Schutzregeln) - Management der gesetzliche Vertretungsrechte und der Angehörigen - Umgang mit Freiheitsbeschränkungen gegenüber Urteilsfähigen:

lückenhafte Regelung - BeM oder FU? - Freie Arztwahl ….