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MENSCHEN FÜR ANDERE Nr. 2 | 2012 Das Magazin der Jesuitenmission Von guten Mächten

Heft 02, 2012

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Magazin der Jesuitenmission Wien

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MENSCHEN FÜR ANDEREN

r. 2

| 201

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Das Magazin der Jesuitenmission

Von guten Mächten

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Liebe Freundinnen und Freunde unserer Missionare und Partner weltweit!

„Von guten Mächten wunderbar geborgen“ - der Text von Dietrich Bonho-effer geht mir nicht nur um Neujahr durch den Kopf und durchs Herz. In der Begegnung mit ausgesetzten Menschen ist er wie eine Bitte um Zuwendung; ein ständiger Segenswunsch.

2012 ist ein Jahr, das eine breite Palette von Stimmungen auslöst. Von großen Hoffnungen und Erwartungen bis hin zu Katastrophenszenarien. Realistische Schritte in die richtige Richtung setzen. Den langen Atem für positive Ent-wicklungen einüben. Das sind Auferstehungserfahrungen, die uns durch das Jahr hindurch begleiten. Oder mit einem anderen Wort von Bonhoeffer: „Je-des Werden in der Natur, im Menschen, in der Liebe muss abwarten, geduldig sein, bis seine Zeit zum Blühen kommt.“

Sie halten unser Magazin in den Händen. Wir versuchen von Orten und tä-tigen Beispielen des Aufblühens zu erzählen. Menschen ergreifen Initiative, um Vertriebenen, die ohne Lebensgrundlage und Perspektiven waren, Hoff-nung zu schenken und Unterstützung zu geben. In einem Spital in Simbabwe, bei Flüchtlingen in Kenia, beim Ziegenprojekt in Burundi, oder im Projekt meines Mitbruders Georg Sporschill SJ bei den Roma Familien in Siebenbür-gen/Rumänien. Überall passiert Veränderung. Junge Menschen entschließen sich, Monate ihres Lebens in den Dienst von MENSCHEN FÜR ANDERE zu stellen und es selber zu werden.

Das alles sind für mich lebendige Beispiele und Modelle, die zur Nachah-mung anregen. Es sind keine globalen Zauber-Lösungen, aber es sind Ansätze, die vielleicht dazu beitragen, dass die Welt zum Positiven verändert wird und Menschen wieder Hoffnung schöpfen können. Es gibt sie, die guten Mächte. Mit den Hoffnungs-Kindern in Rumänien dürfen wir beten: „Lieber Gott, ich danke Dir, für den Engel neben mir.“ Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit!

Hans Tschiggerl SJ

MENSCHEN FÜR ANDERE

EDITORIAL

ImpressumJESUITENMISSION - MENSCHEN FÜR ANDERE, 2012 - Heft 2 Medieninhaber und Herausgeber: Missionsprokur der Gesellschaft Jesu in Österreich, Mag. Johann Tschiggerl SJDr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 Wien, Tel +43 01 5125232 - 56, [email protected], www.jesuitenmission.at Redaktion und Gestaltung: P. Johann Tschiggerl SJ, Stefan Reichel SJ & Team, Druck: LDD Communication Ziel dieser Publikation ist die Information der Spender über die aktuellen Entwicklungen in den Hilfsprojekten. Bildnachweis: Jesuitenmission (S.2, 6-11,15-17, 21-24), Judith Benen (S.1), JRS (S.12f), Katie Allen (S.3-5), Renate Pistrich (S.18-20), Jonathan Rashad - Wiki Commons (S.14).DVR 0029874 (234), P.b.b. Verlagsort 1010 Wien GZ 02Z032649M. ZVR Zahl 530615772, SO 1345 MENSCHEN FÜR ANDERE

Eine Mutter mit ihrem Jungen beim Ernäh-rungs-Not-

programm des JRS in Nairobi

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Die Arbeit des JRSDer JRS-Ostafrika begleitet seit ei-nigen Jahren verstärkt sogenann-te „Urbane Flüchtlinge“ in den drei zentralen Städten der Region: Nai-robi in Kenia, Kampala in Uganda und Addis Abeba in Äthiopien. Die Schwerpunkte der Arbeit sind Not-hilfe, Ausbildung, Gesundheitsfür-sorge, psychologische Beratung und Rechtsberatung im jeweiligen Land. Ankommende Asylsuchende werden aufgenommen und in ihrem schwie-rigen Integrationsprozess begleitet. Ist einmal der Flüchtlingsstatus erreicht, ist das nächste Ziel eine Arbeit zu finden. Besonders vulnerable Flücht-linge und Migranten ohne Doku-mente werden zusätzlich unterstützt.

Warum Flüchtlingen helfen?Große Städte bargen immer schon die Hoffnung, dort leichter Arbeit zu finden. Das meinen auch die vielen Vertrieben, die sich um ihre Familien kümmern müssen. Doch in Ostafri-ka leben die meisten Stadtbewohner selbst an oder sogar unter der Armuts-grenze. Das tägliche Leben besteht aus der verzweifelten Suche nach Einkommen und dem hilflosen Um-gang mit den unmenschlichen Be-dingungen der Straße. So ist das Le-ben für die „Fremden“ doppelt hart. Erfahrungen von Fremdenfeindlich-keit, Sprachbarrieren und die schwie-rigen Voraussetzungen, überhaupt ar-beiten zu können, führen manche in den Alkohol und in die Kriminalität.

In den letzten Jahren gab es große Flüchtlingsströme in Afrika. Wegen der schwierigen Lage in den Flüchtlingslagern versuchen viele ihr Glück in der Stadt. Doch dort sind die Chancen nicht viel größer. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst hilft bei der Integration.

Einsatz für urbane Flüchtlinge

Begabte Flücht-lingskinder bekommen eine besondere Unterstützung für ihre Ausbildung

Schutz für die verletzlichsten Gruppierungen unter den Flüchtlingen: Traumatisierte Mütter mit ihren Kindern

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URBAN REFUGEES

Bedürfnisse wahrnehmenDer zentrale Wert des JRS ist Gast-freundschaft. Im Vordergrund steht die Bemühung, die Flüchtlinge will-kommen zu heißen und ihnen bei der Integration in die Gesellschaft vor Ort zu helfen. Als Anlaufstellen die-nen immer mehr die Pfarren, die ge-meinsam ein Auffangnetz für die Zeit des Asylantrages bilden. Nahrung, Haushaltsgegenstände und medizi-nische Versorgung werden zur Verfü-gung gestellt. Was am meisten zählt, ist die menschliche Zuwendung, das Wahrnehmen der Bedürfnisse des einzelnen Menschen.

Eine Chance für MiriamMiriam, eine junge Mutter aus So-malia, wird als besonders gefährdete Flüchtlingsfrau vom JRS betreut. Zweimal pro Woche erhält sie bei ih-rer Pfarre Reis und Bohnen. Wäh-rend der Flucht wurden ihr Mann und ihr Vater erschossen. Sie lebt jetzt mit ihrer Mutter und den bei-den Kindern in Nairobi. Während sie um das Überleben kämpfte, hatte sie zusätzlich Schwierigkeiten mit einem Mann, der sie unter Druck setzte und

ihr eines der Kinder wegnehmen wollte, damit sie ihn heirate. So wur-de ihr und ihrer Familie der JRS zu einem rettenden Schutz in der Groß-stadt. Mit einer aktuellen Initiati-ve sollen die Gender-Einstellungen der Flüchtlinge überdacht werden. Bei abwechslungsreichen Workshops können Paare praktische Anleitungen für ihre gemeinsamen Aufgaben in der neuen Lebenswelt mitnehmen. Trotz anfänglicher Skepsis durch die kulturelle Prägung erfreuen sie sich inzwischen großer Beliebtheit.

GesundheitsvorsorgeDer JRS ist sich der Notwendigkeit der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge bewusst. Die tägliche Hy-giene und Krankheitsprävention sind immer wieder Thema. So konnte der JRS im letzten Jahr zum Beispiel in Addis Abeba 1.500 Flüchtlingen Zu-gang zu medizinischer Behandlung ermöglichen. Gesundheitskontrollen für schwangere Frauen und pharma-kologische Unterstützung bei psy-chischen Traumata sind regelmäßige Interventionen. Ohne diese Ange-bote hätte Sara aus dem Südsudan die Geburt ihrer Tochter vielleicht nicht überlebt. Durch die Begleitung hat sie den sonst fehlenden Rückhalt der eigenen Familie erfahren und wieder

Ehemalige Flüchtling kön-

nen zum Beispiel mit Kunsthand-

werk eine Werk-statt aufbauen

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OSTAFRIKA

Mut für ihre Verantwortung als junge Mutter schöpfen können.

Bildung ist HoffnungBildung ist eines der entscheidenden Werkzeuge der Hoffnung für Flücht-linge. JRS versucht alles, damit gerade den Kindern die Möglichkeit gebo-ten werden kann, mit den Alterskol-legen der neuen Heimat in die Schu-le gehen zu können. Auch bei den Eltern wird häufig der Bedarf festge-stellt, eine Ausbildung nachzuholen. Soziale Kompetenzen und Sprachfä-higkeiten stehen ganz oben am Pro-gramm. Im letzten Jahr konnten durch die Unterstützung junger Flüchtlinge in Kampala Englischkurse angeboten werden, die für das weitere Hilfspro-gramm eine Voraussetzung darstellen. „Durch den Kurs fanden einige Teil-nehmer schon während des Englisch-lernens eine Arbeit, andere konnten weiterführende Ausbildungen besu-chen“, berichtet Tabea, eine einhei-mische Englischlehrerin des JRS.

Eigenes Einkommen schaffenSind die Menschen einmal von den Behörden als Flüchtlinge anerkannt, dann ist die Suche nach einem regel-mäßigem Einkommen der nächste Schritt. In der Großstadt gestaltet sich die Suche nach Arbeit als Herausfor-derung. Ohne Startkapital und ausrei-chende Bildung entsteht leicht eine „erlernte Hilflosigkeit“. In Nairobi werden daher Gewerbe-Trainings an-geboten und Mikrokredite vergeben. Alex ist einer jener, der über einen solchen Workshop ein eigenes Ge-schäft aufmachen konnte. Mit dem Mikro-Kredit konnte er sich Materi-al und Werkzeuge kaufen und einen

Handwerksladen eröffnen. Zwar ist der Wettbewerb groß, aber mit Ge-schick und Eifer fand er in der wach-senden Stadt eine Nische für seine Dienste. Ein anderes Beispiel ist der Mikono-Laden in Nairobi (Mikono bedeutet auf Kiswahili „Hand“), bei dem siebzig Flüchtlinge von ihren Handwerksprodukten leben können. (Info unter: http://jrsea.org/mikono)

Perspektiven 2012 wird JRS seine Arbeit in Nairo-bi, Addis und Kampala weiterentwi-ckeln. Für die Städte ist der Einsatz einer solchen Institution ungemein nützlich. Das Leben vieler Flücht-linge und Asylsuchender hängt davon ab. In einigen Gebieten ist JRS aktuell der einzig präsente Flüchtlingsdienst! Entsprechend groß ist die Hoffnung der Flüchtlingsgemeinschaft auf Un-terstützung in ihren Nöten. In einer großen Stadt als Flüchtling zu leben ist nicht einfach. Es braucht Durch-haltevermögen, die Kraft der Hoff-nung und die Förderung durch eine Organisation wie den Jesuit Refugee Service.

Katie Allen, JRS Ostafrika

Marie Eleonore Liechtenstein mit Margarete Erber bei der Ausgabe von Lebensmitteln in Nairobi

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Lebensrealität in KeniaDie Bilder, die in Europa mit Ke-nia assoziiert werden, sind oft auf ei-nige Aspekte reduziert: Ehemalige britische Kronkolonie, erster Mini-sterpräsident Jomo Kenyatta nach Erlangen der Unabhängigkeit 1963, schöne Strände am Indischen Oze-an, Hauptstadt Nairobi, Hollywood-film „Out of Africa“, Fotosafari in romantischen Touristen-Lodges mit orangeroten Sonnenuntergängen und wilden Tieren. Bilder, die mehr mit Abenteuer im Osten des Kontinents Afrika verbunden werden. Im Som-mer 2011 erreichten Berichte und Aufnahmen von Hungernden die europäischen Medien. Mangels Re-

gen und der folgenden Dürre konn-ten sie sich nach wochenlangen Ge-waltmärschen und mit wortwörtlich „letzten Kräften“ nach Kenia retten. Die Nachbarstaaten Kenias sind So-malia, Äthiopien, Uganda, Tansania und der Süd-Sudan. Das Land wird von rund vierzig Millionen Men-schen bewohnt und fünfzig verschie-dene Sprachen und Dialekte werden gesprochen, Swaheli und Englisch sind die Amtssprachen. Zusammen mit Tansania gehört Kenia zu den sta-bilen Ländern Ostafrikas. Es hat al-lerdings mit schwerwiegenden Bela-stungen und Problemen zu kämpfen. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in den rasch wachsenden Städten.

Marie Eleonore Liechtenstein war Anfang des Jahres zu Besuch bei den Jesuiten in Kenia. Im Gespräch mit dem Provinzial P. Orobator SJ und dem Regionaldirektor des JRS P. Pflüger SJ konn-te sie sich vom Einsatz für Flüchtlinge ein Bild machen.

Vorbild an Gastfreundschaft

Rita mit ihren Zwillingen - nach Jahren der Flucht immer noch kein

Zuhause

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KENIA

Schul- und Gesundheitssystem sind in der Entwicklungsphase und ein selbstverständlicher Zugang ist nicht gewährleistet.

Auf der FluchtEin Flüchtling wird als Person defi-niert, die aus politischen, religiösen, wirtschaftlichen oder ethnischen Gründen ihre Heimat rasch verlassen muss und dabei ihren Besitz zurück-gelassen hat. Diese Menschen haben ihre Heimat bzw. das Land, aus dem sie stammen, zu dessen Volk bzw. Nation sie gehören, dem sie sich zugehörig fühlen, verlassen müssen. Sachliche Definitionen sind in der Theorie ein-deutig und klar. Was aber „Flüchtling sein“ für einen Menschen bedeutet, ist nicht nachvollziehbar. Hinter je-dem Flüchtling verbirgt sich eine Ge-schichte, die wir uns anhören sollten, um nicht angesichts der Zahlen und Massen abzustumpfen und zu ver-allgemeinern. Viele der Heimatlosen irren jahrelang herum, von Land zu Land, von Lager zu Lager, mit Kin-dern, Alten und Kranken.

Zuflucht für (zu) vieleDadaab ist ein Ort in der Nord-Ost-Region Kenias, deren Bevölkerung ursprünglich aus Nomaden bestand. Hundert Kilometer von der Gren-ze Somalias entfernt, hat Dadaab seit den 90er Jahren 400.000 Flüchtlinge aus Somalia aufgenommen. Laut UNHCR wurden - in einem 50 km2 großen Areal, in der Wüste, 3 separate Camps errichtet, die „nur“ 90.000 Menschen beherbergen sollten. Bis zu fünf Familien teilen sich heute eine Wohneinheit, die ursprünglich für eine Familie konzipiert wurde.

Ein trauriges JubiläumKakuma ist ein zweites Flüchtlingsla-ger im Nord-Westen des Landes. Es wurde 1992 für zunächst 25.000 Kin-der und Jugendliche aus dem Südsu-dan eingerichtet, mittlerweile leben 90.000 Menschen dort. In Kakuma leben Menschen aus acht verschie-denen Nationen; die lokale Turkana-Bevölkerung ist in der Minderheit.

Keine Hoffnung in SichtDie Begegnung mit der 30jährigen Rita aus dem Kongo hat mir gehol-fen, diesen Zahlen und Fakten ein Gesicht zu geben. Rita lebt mit ih-ren sechs Kindern in einem Slum von Nairobi. Sie stammt aus dem Kongo und ist zusammen mit ihrem Mann vor den Massakern in ihrer Heimat nach Ruanda geflüchtet. An Bleiben war nicht zu denken und es ging wei-ter über Uganda in das Lager von Ka-kuma, wo sich die Familie sechs Jahre lang aufhielt. Ihr ältestes Kind ist 12 und die kleinen Zwillingsmädchen sind 18 Monate alt. Nun sind sie in Nairobi angelangt, da sie sich in der Stadt bessere Lebensmöglichkeiten und Zukunftschancen erhofft hatten.

Ein kleiner Obst-stand am Straßenrand in Nairobi, ermöglicht durch einen Mikrokredit

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die Zuteilungen von Mehl, Reis und Milchpulver organisiert. Die Unter-künfte müssen sich die „urban refu-gees“ selber organisieren. Regelmä-ßige Arbeit ist kaum zu bekommen, einige nähen, andere schnitzen und basteln Kunstwerke, die im JRS-Shop verkauft werden. Gespräche und an-dere Begegnungen sollen helfen, et-was Abwechslung in den Überlebens-kampf zu bringen.

Grenzen der Überforderung Wir Europäer leben, Gott sei Dank, in der Gewissheit, dass Hilfe für Not-leidende, Kranke und Sterbende vom Staat und anderen Organisationen geleistet wird. Kenia, als hilfsbereites und gastfreundliches Land, hat sich jahrelang Mühe gegeben, dem steten Strom an Flüchtlingen das traditio-nelle Gastrecht einzuräumen. Jedoch hat die fortdauernde Überforderung mit Flüchtlingen sogar in Kenia eine fremdenfeindliche Stimmung auf-kommen lassen.

Lernen von KeniaMir hat dieses Hintergrundwissen geholfen, zu verstehen, warum sich Tausende jedes Jahr in überbesetzten Booten über das Meer hinweg auf den Weg machen, um in Lampedu-sa europäischen Boden zu erreichen - in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für sich und ihre Familien. Den Flüchtlingen, die Europa lebend erreichen, wird der Alltag durch die europäische Asylpolitik nicht leicht gemacht. Im Vergleich zu Kenia ist die Anzahl der Flüchtlinge in Europa niedrig. Lernen wir von der Solidari-tät und Gastfreundschaft Kenias.

Marie Eleonore Liechtenstein

Die Odyssee überlebtEmotionslos nach Außen, schwer traumatisiert und gezeichnet von den Erlebnissen erzählt sie von der jah-relangen Odyssee: Gewalt, Hunger, Angst, Ablehnung, Einsamkeit. Die beiden Kleinen hängen an ihren Brü-sten und wollen trinken. Es gibt kaum etwas zu essen. Ihr Mann Leo macht sich jeden Tag auf den Weg, um nicht Zuhause mitansehen zu müssen, dass er nichts tun kann. In der kleinen Hütte, die sie bewohnen, steht ein einziges Bett für die sechs Kinder. In einem großen Plastikfass wird Wasser aufbewahrt, das von einem weit ent-fernten Brunnen mühsam herange-schafft wird. Auf dem Boden befindet sich eine kleine Feuerstelle, ein Vor-hang trennt den Raum von der Ecke, in der die Eltern schlafen.

Hilfsangebote des JRSDer Jesuit Refugee Service betreut in Nairobi Menschen, die einen Lebens-weg wie Rita und ihre Familie haben. Über das Verteilernetz von katho-lischen Pfarren werden regelmäßig Nahrungsmittelrationen ausgegeben, je nach Größe der Familie, werden

PROJEKTREISE

Eine Gruppe junger Frauen,

die in der Land-wirtschaftsschule

lernen, ein Feld zu bestellen

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„Die Menschen hier in Afrika wer-den geboren, leben und sterben - un-bemerkt“, sagt Fr. Felipe SJ, ein chile-nischer Jesuit, der seit einigen Jahren in Burundi arbeitet. Das gilt nicht mehr für die 6.000 Familien in Ruta-na, im Osten Burundis. Sie haben sich nach dem Bürgerkrieg, den sie in Flüchtlingslagern in Tansania ver-bracht haben, wieder in ihrer Heimat angesiedelt. Seit einiger Zeit unter-stützt der JRS sie dabei, sich Grundla-gen für ein neues Leben, für gesicher-te Nahrung und die Möglichkeit, die eigene Familie selbst zu versorgen, zu schaffen. Das Ziegenprojekt, das dort eingesetzt wird, ist inzwischen über-regional bekannt und erfolgreich.

Dieses Jahr wurde die Farming School in Kibimba, genannt „Jesus, der gute Hirte“, eröffnet. Einige Wochen da-nach sind die Gebäude mit Leben ge-füllt. 30 Mädchen und einige Frau-engruppen kommen wöchentlich zusammen, die älteren Frauen jeweils für einen Tag, die Mädchen über-nachten dort. Das Programm ist ab-wechslungsreich und intensiv. Alpha-betisierung, Landwirtschaft, Hygiene, das Entdecken eigener Fähigkeiten - all das wartet auf die Teilnehmerin-nen. Es eröffnet sich für sie eine un-bekannte Welt - alles ist neu und eine Herausforderung: elektrischer Strom, Duschen, ein Bett für jede, Türen, die man öffnen und schließen kann …

Katrin Morales und Margarete Erber besuchten die Farming School des JRS in Burundi. Dort werden die Ziegen gezüchtet, die später an die Heimkehrer vergeben werden. Die Menschen kön-nen lernen, was sie für ein Leben in Unabhängigkeit brauchen.

Wenn aus Bildung Nahrung wird

Das Gelernte weitergebenWir treffen eine Gruppe junger Frauen; ihre Lehrerin, Claudine, sollte eigentlich jeden Tag mit dem Fahr-rad zum Unterricht kommen. Gleich am ersten Tag musste Fr. Tony Calleja SJ, der Leiter des Projektes, feststellen, dass weder sie, noch ihre Kolleginnen jemals Fahrradfahren gelernt hatten und mit dem zur Verfügung gestell-ten Rad nichts anfangen konnten. Eine Lösung wurde gefunden. Die vier Lehrerinnen wohnen jetzt selbst auf der Farm, fühlen sich wohl und sind für ihre Schülerinnen jederzeit ansprechbar. Auch für sie, die Sech-zehnjährigen, die selbst erst die Schu-le abgeschlossen haben, ist diese neue Aufgabe ein großer Schritt in der ei-genen Persönlichkeitsentwicklung.

Selbstständigkeit fördernAls eine chilenische Pädagogin, die zu Besuch kommt, ihnen bestätigt, dass sie mit ihren pädagogischen An-sätzen auf dem richtigen Weg sind, ist der Stolz groß. In der Teamsitzung, an der wir teilnehmen, schlägt Clau-

dine eine Lehrplanänderung vor, um sicherzustellen, dass alle Lehrziele er-reicht werden. Zwei Wochen zuvor wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Sie, die junge Frau, schlägt Fr. Tony, einem Weißen, Mann, Prie-ster und deutlich älter als sie, etwas vor, wird gehört und bestätigt. Be-stätigung und Wachstum gibt es also nicht nur für die Schülerinnen. Da-rum geht es in Kibimba, sei es im Unterricht, in den Landwirtschafts-kursen oder im Ziegenprojekt: Den Menschen ermöglichen, Neues ken-nenzulernen, Perspektiven zu ent-wickeln, selbständig zu werden und dazu eine Starthilfe zu bekommen.

Maniok und ZiegenAuf den Feldern treffen wir eine zweite Gruppe Schülerinnen. Sie be-arbeiten mit Chrysostom, dem Leiter der Landwirtschaft, ein Feld. Durch eigene Erfahrung lernen sie, wie Dünger angewendet wird, wie durch den richtigen Anbau der beste Ertrag für die Versorgung der Familie erzielt werden kann. In Gruppen und Fami-lienverbänden bekommen sie Saatgut als Starthilfe. Wenn sie einen Kom-posthaufen angelegt und selbst einen

Schwierige Fa-miliensituation: Sechs Kinder und kein Vater

Katrin Morales mit einer Dorf-bewohnerin

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PROJEKTREISE

Stall gebaut haben, bekommen sie zwei Ziegen. Der Ziegenmist kann als ergiebiger, kostenloser Dünger verwendet werden. Die Ziegen die-nen zur Nahrungsversorgung und als Einnahmequelle. Ein Ziegenbesitzer, den wir zu Hause besuchen, plant, ei-nige seiner Ziegen zu verkaufen und eine Kuh anzuschaffen. Andere ver-kaufen den Überschuss ihrer Ernte und erzielen damit ein Einkommen. 10% der Erträge der Gruppen geht an Menschen, die nicht in der Lage sind, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Bereitschaft zur HilfeDas Team des JRS hat in jeder Sied-lung eine Ansprechperson, die die Menschen kennt und weiß, wer Hilfe benötigt. Wir dürfen einen Tag lang mit ihnen unterwegs sein. Wir wer-den bestaunt, herzlich empfangen und versuchen, mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Es beginnt zu regnen und wir finden in der Hüt-te einer Frau Zuflucht. Sie erzählt uns, dass sie als Schwangere von ih-rem Mann verstoßen wurde, weil sie Lepra hatte. Die Krankheit hat unü-bersehbare Spuren an Händen und Füßen hinterlassen. Jetzt lebt sie mit ihrem Kind in einer winzigen Lehm-hütte. Mit Tränen in den Augen ver-traut sie uns das für sie Wichtigste an: dass ihr Kind gesund ist.

Schritt für SchrittMonatlich gibt es Treffen der Zie-genbesitzer. Dort ist ein Tierarzt an-wesend, der die Tiere untersucht und mit Rat zur Verfügung steht. Alle Mit-arbeiter der Farming School kommen aus der Umgebung und sind vom JRS

Katrin Morales und Margarete

Erber zu Besuch bei Tony Calleja SJ und seinem

Team

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BURUNDI

sorgfältig ausgewählt. Für Fr. Felipe SJ ist es wichtig, mit den Menschen vor Ort zu arbeiten, sich ihren Bedürfnis-sen und auch ihrer Geschwindigkeit anzupassen. „Manchmal geht es nicht so schnell, wie ich das gerne hätte, aber dafür kommt es wirklich bei den Menschen an. Das Team lernt Verant-wortung zu übernehmen und Initia-tive zu entwickeln.“ Als Weißer, der zupackt und sich auch „schmutzig“ macht, ist er Vorbild und stößt Um-denkprozesse an.

Katrin Morales

Unsere Hilfe in BurundiZusammen mit der Firma Biomin und der Erber AG unterstützen wir in Burundi den regionalen Aufbau-plan des JRS. Darunter fallen sowohl Bildungsprojekte wie die Landwirt-schaftsschule in Kibimba, als auch die direkte Versorgung der heimgekehr-ten Flüchtlinge durch das Ziegen-projekt und den daraus entstehenden Produktionsgemeinschaften.Projektname: Landwirtschafts-schule Burundi

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Reinhold Niebuhr (1892 - 1971)

Der Tahir-Platz bei Nacht.Bilder, die um die Welt gingen

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Der arabische Frühling, als Aufstand gegen die autokratischen Regime in den arabischen Ländern, hat die Welt überrascht. Beginnend mit der Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi in Tunesien, im Dezem-ber 2010, bis hin zu den noch an-dauernden Kämpfen in Syrien: Der große Wunsch nach Freiheit und das einende Verlangen der Menschen, ihr Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen, hat einen Flächenbrand aus-gelöst. Im Lauf der Zeit wich jedoch der Optimismus, den der arabische Frühling entfacht hatte, Ängsten und Sorgen, dass Parteien mit einer radikal islamischen Identität die Oberhand gewinnen. Die Tatsache, dass in bei-

nahe allen arabischen Ländern isla-mistische Parteien und Bewegungen Unterstützung suchen und finden, ist ein Zeichen, dass ihre Botschaf-ten Resonanz finden bei den Massen. Das zeigt sich vor allem in den ver-armten Bevölkerungsschichten, wo sie besonders aktiv bei der Bereitstel-lung von sozialen Diensten sind. Mit Ausnahme von Al-Nour in Ägypten haben diese Parteien eine lange Op-positionsgeschichte im Kampf ge-gen die gestürzten Regime. Ihre be-achtenswerte Präsenz in den lokalen Gemeinschaften hat ihnen eine si-gnifikante Mitgliederbasis gesichert und ihre Anführer der breiten Öf-fentlichkeit bekannt gemacht. So ist

Arabischer Winter?

Norbert Litoing SJ aus Kenia wurde in den letzten Jahren durch seine Arbeit im gesellschaftspolitischen Bereich zum Insider der weltbewegenden Veränderungen in Nordafrika. Ein Blick auf Chancen und Risiken der aktuellen Aufbruchsbewegung.

Dr. Norbert Litoing SJ aus

Nigeria

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REFLEXION

es logisch, dass sie bei Umfragen vor-ne liegen. Wenn man das Entstehen dieser Bewegungen genauer betrach-tet, vor allem im Rahmen des globa-len Jihad, der von Al-Qaida getragen wird, dann gibt es viele gute Gründe, sich über die Zukunft der ethnischen und religiösen Minderheiten in die-sen Ländern Sorgen zu machen.Sowohl bei den ägyptisch-musli-mischen als auch bei den christlichen jungen Menschen weckte der ara-bische Frühling große Hoffnungen auf mehr Demokratie und Achtung der Menschenrechte. Für Christen im speziellen war das die Hoffnung auf eine Ära, frei von allen Formen der religiösen Diskriminierung. Die Zu-nahme der religiös motivierten Ge-walt und der Aufruf von fundamenta-listischen Stimmen, Ägypten als einen islamischen Staat zu etablieren, ver-ringern diese Hoffnungen und isolie-ren die Christen zunehmend. Vor Beginn der ägyptischen Revolu-tion hatten die Christen das Gefühl, dass sie aufgrund der andauernden Konflikte nichts in ihrem Land zu sa-gen hätten. Aber während der De-monstrationen, die schließlich Staats-chef Mubarak zum Sturz brachten, wich die religiöse Identität einem ei-nenden Nationalstolz. Religion, Al-ter, Geschlecht und soziale Schicht spielten keine Rolle mehr. Es ging um eine Nation, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen wollte. Auch wenn manche kirchlichen Au-toritäten weiterhin das Regime Mu-barak unterstützten, in der Meinung, er wäre als einziger in der Lage, das Land zu regieren, wandten sich doch viele Christen ab und schlossen sich ihren muslimischen Landsleuten an.

Am 4. Februar 2011, unter den Revoluti-onären bekannt als der „Freitag der Ab-reise“, bildeten Kop-ten ein menschliches Schutzschild, um ihre muslimischen Mitbürger während des Freitagsgebets zu schützen. Am Sonn-tag, dem 6. Febru-ar, wurde ein christ-liches Gebet am Tahir-Platz organi-siert, unter Teilnahme von Christen aller Konfessionen und Muslimen. Für den Fall, dass Ägypten zu einem totalitär islamischen Staat wird, wür-den religiöse Minderheiten innerhalb des Landes mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert werden: entweder sich der zunehmenden reli-giösen Verfolgung unterwerfen - oder auswandern. Diese Tatsache lässt je-den scharfen Beobachter fragen, ob die aktuellen Entwicklungen nicht die tiefsten Sehnsüchte der Men-schen zunichte machen, die den Ta-hir-Platz zu Hunderttausenden be-setzten und mit großer Leidenschaft und unter Einsatz ihres Lebens für ei-nen Neubeginn gekämpft haben.

Norbert Litoing, SJ

Brückenbauer des Friedens und der Verständigung:An der Gregorianer unterstützen wir ein Stipendienprojekt für Studenten aus Konfliktzonen, wie z.B. Syrien. Die Konfliktpartner lernen sich ken-nen und werden später beruflich zu-sammen arbeiten können. Projektname: Brückenbauer

Ruth Zenkert beim Trommel-kurs in Neudorf (Sibiu/Rumänien)

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Ein Slum in EuropaAus den Dörfern Siebenbürgens sind nach 1989 fast alle der seit 800 Jahren ansässigen Sachsen ausgewandert. Die Häuser sind inzwischen verwahrlost und verfallen. Es bildeten sich Slums, in denen Roma-Familien in bitterer Armut leben. Wir möchten Wärme, Licht, Hoffnung und Musik in die perspektivenlose Lage bringen. Noch sind wir im Anfang. Doch nach den ersten Kontakten bildet sich bereits ein erstes Netzwerk heraus. Ange-kommen sind wir zuerst in Neudorf. Dieser Name gibt auch das Ziel vor: In der Armut und der Arbeitslosigkeit ein neues Sozialzentrum für die Dör-fer ringsherum zu bauen.

Erste HilfeWir geben den jungen Familien im Dorf Möglichkeiten zur Grund-versorgung, damit sie die täglichen Sorgen ums Überleben tragen kön-nen. Sie brauchen Lebensmittel und Holz, für die Kinder Kleidung und Schuhe. Am wichtigsten ist aber der Zuspruch, den wir ihnen durch un-sere Präsenz und unser Engagement geben.

Fähigkeiten vermittelnAusbildung steht neben der Fami-lienhilfe an erster Stelle. Wir küm-mern uns darum, dass alle Kinder in die Dorfschule gehen können. Die Kinder können zuhause ohne Tisch,

Ruth Zenkert und P. Georg Sporschill SJ starten ein neues Projekt: In den völlig verarmten Orten Neudorf und Rothberg wird ein Sozialzentrum für die marginalisierte Roma-Bevölkerung gebaut. Eine Einladung dabei mitzuhelfen.

Hoffnung für ein ganzes Dorf

Eine Roma-Familie in Neu-dorf: Kein Platz in der kleinsten

Hütte

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RUMÄNIEN

Licht und Hefte nicht lernen. Darum bieten wir am Nachmittag Hausauf-gabenbetreuung in der Schule an. Die meisten der jungen Eltern haben selbst die Schule nicht abgeschlossen. Im Programm „Die zweite Chance“ können sie lesen und schreiben ler-nen.

Musik motiviertDie Musikschule hat erfolgreich be-gonnen. Durch die Musik gewin-nen wir die Herzen der Kinder. Im Musikunterricht und in den Trom-melgruppen lernen die Kinder, auf-einander zu hören, miteinander ei-nen Rhythmus zu finden und sich auszudrücken. Es entsteht eine Ge-meinschaft, die jedem einzelnen beim Wachsen hilft.

Wer mithelfen will, der braucht ein gutes Durchhaltever-mögen und viel Phantasie. Wir er-warten von Dir die Bereitschaft zu einem einfachen Lebensstil, dass Du Dir Zeit für unsere Lebensgemein-schaft nimmst, dass Du selbst zupackst bei den täglichen Hausarbeiten, dass Du die Gebetszeiten mitträgst, dass Du mit Freude und Kreativität und mit Deinen Begabungen unseren All-tag mitgestaltest. Dann wird es sicher eine reichhaltige Zeit, in der Du viel lernen und beitragen kannst.

VoraussetzungenZur Vorbereitung wird es Treffen ge-ben, bei denen Du unsere Organisa-tion, das Team und einiges über das Projekt kennen lernen kannst. Die Reisekosten musst Du selbst über-nehmen, für den Rest kommen wir auf. Du solltest mindestens 18 Jahre

alt sein und die Schule abgeschlos-sen haben. Mitarbeiten kannst Du in Haus und Garten, bei Musik, bei der Lernhilfe, bei Sport und Spielen uvm.

Was wir anbieten:Wir stellen für Dich Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung, ebenso einen Einstiegskurs für Rumänisch. Du bekommst ein Taschengeld von 50 Euro/Monat und die Möglich-keit, das Land und die Leute kennen-zulernenUnser Sommervolontariat beginnt am 6. August 2012, für mindestens 14 Tage, bis zum 2. September 2012. Für Einsätze ab 6 Monate kannst Du ab dem 2. September 2012 kommen.

Ruth Zenkert

Wenn du interessiert bist schreib an:[email protected] & [email protected] Wir freuen uns auf deine Bewerbung.

Dieses Projekt ist eine Kooperation der Jesuitenmission mit Concordia Transilvania.

Dr. Renate Pistrich mit ihrem Team während eines Dorfbe-suches

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Das „Rupert-Mayer-Mission-Hospi-tal“ ist etwa 100 km entfernt von der nächsten größeren Stadt Chinhoyi und über eine endlos lange, holprige Schotterpiste erreichbar.

Aufgrund der langsam arbeitenden Einwanderungsbehörde in Simbabwe, die acht Monate zur Ausstellung mei-ner Arbeitsbewilligung benötigte, be-gann mein Einsatz gleich einmal mit Warten. Die Arbeit im Krankenhaus war mir verwehrt, ich konnte mich zwar mit Englisch ganz gut verstän-digen, doch nicht in der Landesspra-che Shona; noch dazu war ich ohne Telefon und Internet von der rest-lichen Welt abgeschnitten. Das war

keine leichte Zeit, aber im Nachhin-ein kann ich selbst für diese „Wü-stenerfahrung“ dankbar sein, sonst hätte ich all die schönen Momente und Begegnungen nicht erlebt.

Während meines Pflichtpraktikums im „Chinhoyi Provincial Hospi-tal“ wurde ich mit der Behandlung von AIDS und Tuberkulose vertraut, ich übte mich in Kaiserschnitten, kämpfte mit Misstrauen und Ableh-nung, freute mich über Freundschaft und Wertschätzung. Ich sah die be-grenzten Möglichkeiten meines übergeordneten Spitals, wohin ich meine Patienten später zu überwei-sen hatte, wenn wir ihnen im Missi-

Die Ärztin Renate Pistrich war für 18 Monate auf einem Freiwilli-geneinsatz im Rupert Mayer Mission Hospital in Simbabwe. Eine kritische Reflexion über Möglichkeiten und Grenzen des Helfens und die prägenden Erfahrungen in einem verarmten Land.

Ärztin mit einer Mission

Im bescheiden eingerichteten

St. Ruperts Mission Hospital, mit Mitarbeitern

und Patienten

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FREIWILLIGENEINSATZ

onsspital nicht mehr helfen konnten.Endlich war es dann soweit, im April begann ich meine Arbeit in St. Rupert´s, die Freude war allseits groß. Manche fühlten sich allein dadurch besser, dass ich mir ihre Beschwerden angehört hatte, auch wenn ich dafür einen Dolmetscher brauchte.

Ich lernte zu improvisieren und Kno-chenbrüche auch ohne Röntgen ein-zurichten, ich setzte mein theore-tisches Wissen in der Geburtshilfe praktisch um. Ich behandelte eben-so Epilepsie wie Bluthochdruck und Zuckerkrankheit. Meine Diagnosen musste ich vor allem auf die Schilde-rung der Beschwerden und die kör-perliche Untersuchung stützen, wei-terführende Untersuchungen waren oft nicht möglich oder zu teuer. Eine Krebsbehandlung, ja selbst eine aus-reichende Schmerztherapie (Mor-phine), ist für viele Menschen uner-schwinglich.

Ich begann bei beinahe 300 HIV-po-sitiven Menschen mit der lebensnot-wendigen antiretroviralen Therapie. Wir fuhren dazu hinaus in die Dörfer, um jene zu erreichen, die sonst nie zu einem Arzt gekommen wären. Es war erhebend zu sehen, wenn Men-schen, die sich von HIV und Tuber-kulose gezeichnet ins Krankenhaus geschleppt hatten, wieder aufrecht nach Hause gingen. Ich war froh um jedes HIV-negative Kind einer posi-tiven Mutter und bangte, dass es auch gesund bleiben möge.

Die Krankenschwestern nutzten die Möglichkeit, ihr medizinisches Wis-sen zu verbessern, sie waren wieder

motiviert zu lernen. Trotz allem war der Mangel an qualifiziertem Perso-nal erschreckend. Es war für mich be-schämend und für die betreffenden Frauen belastend, sie für einen Kai-serschnitt nach Chinhoyi überweisen zu müssen, weil der Operationssaal nicht funktionstüchtig und niemand für Narkose ausgebildet war. Es war lähmend, wochenlang auf Untersu-chungsergebnisse warten zu müssen, die ein Labortechniker vor Ort in ei-ner Stunde erledigt hätte. Auch ge-lang es in all den Monaten nicht, das Röntgengerät zu reparieren.

In diesem Jahr wurden meine Ge-duld und mein Durchhaltevermögen auf die Probe gestellt. Der nachlässige Umgang mit der Zeit, die kollektive Unpünktlichkeit waren für mich be-sonders im Zusammenhang mit der Arbeit nur schwer zu ertragen. Ande-rerseits haben die Menschen Zeit für-einander, sie sind gastfreundlich, of-fen, freundlich und humorvoll. Ich fühlte mich als Mitglied der weltwei-ten Familie der katholischen Kirche und erlebte ihre Gastfreundschaft, mein Glaube wurde weiter und tiefer.

Bei einer Hochzeit in St. Ruperts feiern alle mit - ein farbenpräch-tiges und laut-starkes Fest

Der Eingang des St. Rupert Missi-on Hospitals

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Ich persönlich habe an Bestimmtheit und Entscheidungsfreude gewon-nen und gelernt, mit Begrenztheit und Unvollkommenem zu leben. Ich glaube, dass ich dadurch eine bessere Ärztin geworden bin.

In diesem Jahr habe ich erfahren, was es heißt, allein in einem frem-den Land zu sein, angewiesen auf den Entscheid einer undurchsichtigen Behörde. Während ich auf meine Ar-beitsbewilligung wartete, bekam ich eine Ahnung davon, wie sich bei uns Flüchtlinge fühlen müssen, die auf ihren Asylbescheid warten.Seit ich wieder zuhause bin, habe ich immer weniger Verständnis für Men-schen, die sich über Kleinigkeiten be-klagen. Ich schätze es sehr, in einer funktionierenden Demokratie zu le-ben und frei meine Meinung äußern zu dürfen.

Dieses Jahr hat für mich viele Fragen aufgeworfen. Was brauchen die Men-schen wirklich? Was ist gute Hilfe? Kein Mensch ist gerne schwach und hilfsbedürftig. Kann dann Hilfe nicht

auch als entwürdigend empfunden werden? Handeln wir aus schlechtem Gewissen oder ehrlichem Mitgefühl? Doch das Wichtigste im weltweiten Umgang miteinander ist Gerechtig-keit, und es stimmt, dass die Barm-herzigkeit von heute die Gerechtig-keit von morgen ist.

Dr. Renate Pistrich

FREIWILLIGENEINSÄTZESowohl Renate Pistrich mit ihrem Einsatz in Simbabwe, Nini Reichl in Haiti oder Peter Hochrainer in Kenia, über die wir im letzten Jahr berich-tet haben, sind Teil unseres interna-tionalen Freiwilligendienstes „Jesu-it Volunteers“. Dieses Programm ist eine Kooperation der Jesuitenmissi-onen Deutschland, Österreich und Schweiz und seit neuem ein Zusam-menschluss der beiden Formate „Je-suit Mission Volunteers“ und „Jesuit European Volunteers“.

Es richtet sich an junge und jung-gebliebene Menschen ab 18, die Al-tersgrenze ist nach oben hin offen. Wir sind ein Team mit einem gene-rations-, professions- und kulturüber-

SIMBABWE

Ein Workshop für zukünftige

Volontäre im CPH Bildungs-

haus in Nürnberg

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Schulen in Ecuador, eine Maturantin arbeitet in einem offenen Jugendzen-trum in Bosnien, zwei junge Frauen begleiten ehemalige KZ-Häftlinge in Polen uvm.

Einsatzdauer ist grundsätzlich ein Jahr. Einsatzbeginn ist im Sommer, nach Absolvierung der Vorberei-tungszeit. Unsere Freiwilligen erhal-ten am Einsatzort Unterkunft und Taschengeld und lassen sich bewusst auf einen einfachen Lebensstil in einem kirchlich geprägten Umfeld ein. Begleitet werden die Freiwilligen durch eine Kontaktperson in Öster-reich/Deutschland und durch eine/n Verantwortliche/n vor Ort.

Dieses Jahr nehmen an dem Pro-gramm fünf Österreicherinnen mit verschiedensten beruflichen Hinter-gründen und Altersstufen teil. Ein er-stes Kennenlerntreffen fand Ende Fe-bruar in Nürnberg statt.

Weitere Informationen und Bewer-bungsunterlagen unter:[email protected]

VOLONTARIAT

greifenden Programm. Das bedeutet, dass sich in der sechs-monatigen Vor-bereitungszeit eine buntgemischte Gruppe gemeinsam auf den Weg macht. In mehreren Seminaren wer-den wichtige Aspekte des Einsatzes aufgezeigt und bearbeitet. Es geht um Begegnung mit neuen Kulturen, um Glaube und Gerechtigkeit, um Ent-wicklungspolitik und vieles mehr.

Die Einsätze sind in Absprache mit uns, dem Bewerber und dem Projekt-partner in den Ländern Asiens, Afri-kas, Lateinamerikas und Osteuropas in den unterschiedlichsten Aufgaben-bereichen möglich.

Beispiele für ProjekteEine Maturantin gibt Geigenunter-richt in Paraguay, ein Bauingenieur hilft beim Schulbau in Simbabwe, eine Pädagogin leitet Frauenprojekte in Haiti, eine Psychologin betreut traumatisierte Flüchtlinge in Kenia, ein Maturant arbeitet mit Straßen-kindern in Peru, ein Informatiker gibt Kurse in Indien, ein Landschafts-gärtner weckt Umweltbewusstsein in

Das neue Buch von P. Luis Gutheinz SJ,erschienen im Grünewaldverlag

Die Lange Nacht der Kirchen in Wien am 01. Juni 2012

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IN KÜRZE

Lange Nacht der KirchenAuch heuer ist die Jesuitenmission wieder in Kooperation mit der Vereinigung der Altkalksburger bei der „Langen Nacht der Kirchen“ vertreten. In den Clubräumlichkeiten, im Inneren Burghof/Amalientrakt in der Hofburg, wird ab 18:45 ein facettenreiches Programm geboten. P. Markus Inama SJ wird von seinem Sozialprojekt in Sofia erzählen, Dr. Renate Pistrich berichtet von ih-rem Freiwilligeneinsatz in Simbabwe und Jairo Morales & Band begleiten den Abend mit stimmungsvollen Klängen aus Südamerika. Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.langenachtderkirchen.at/wien

Das Benefizkonzert an der Jesuitenkirche Wienzugunsten der Geigenkinder vom HimalajaDas Vienna Conservatory Chamber Orchestra unter der Leitung von Chri-stian Birnbaum wird wie im letzten Jahr ein Benefizkonzert zugunsten von Schulprojekten der Jesuitenmission spielen. Die gesammelten Spenden kom-men diesmal der Ghandi-Ashram-School in Darjeeling zugute. Termin: Sonntag, 24.6.2012, 16.00 - Dr. Ignaz Seipel Platz, 1010 WienAuf Ihr Kommen freut sich - Das Team der Jesuitenmission.

Luis Gutheinz: Chinesische Theologie im Werden Ein Blick in die Werkstatt der christlich-chinesischen Theologie

Sich zur führenden Weltmacht zu entwickeln, heißt für China nicht, mit alt-ehrwürdigen Traditionen zu brechen – und das Bekenntnis zum Christentum ist nicht gleichbedeutend mit der Absage an all das, was der chinesische Dao-ismus, Konfuzianismus und Buddhismus zum Menschsein beizutragen haben.

Luis Gutheinz führt im vorliegenden Band in den kulturell und religiös rei-chen chinesischen Kontext ein, in dem sich aktuell trotz restriktiver Religi-onspolitik ein lebendiges Christentum herausbildet. Als Brückenbauer zwi-schen chinesischer und westlicher Welt gewährt er Einblick in die Werkstatt einer chinesischen Theologie, die notwendig ökumenisch, interkulturell und interreligiös ausgerichtet ist – und die einen wichtigen Beitrag zu Theologie und Weltkirche zu leisten hat.

JRS Führungskräfte-Training in WienVom 29. Oktober bis zum 3. November wird im Kardinal-König-Haus in Wien Lainz für die Regionaldirektoren des JRS ein „Leadershiptraining“ stattfinden. Die Verantwortlichen für die 10 Einsatzregionen werden dort mit P. Peter Balleis SJ, dem Internationalen Direktor des JRS, neben der Manage-ment-Fortbildung auch Exerzitien machen können. Der Direktor des Kar-dinal-König-Hauses, P. Christian Marte SJ, wird den Kurs mit Mag. Georg Nuhsbaumer leiten. Die neuen strategischen Ziele des JRS für die nächsten 3 Jahre finden Sie unter: www.jrs.net/about

Dirigent Christian Birnbaum in Aktion

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Ja, schicken Sie mir bitte „MENSCHEN FÜR ANDEREDas Magazin der Jesuitenmission“ab der nächsten Ausgabe kostenlos zu (für neue AbonnentInnen).

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Liebe Leserin, lieber Leser!

In den Städten ist es besonders schwierig, Flüchtlin-gen eine würdige Hilfe zukommen zu lassen. Dennoch zieht es die Flüchtlingsströme in Afrika in die Städte. Dort erhoffen sie sich schnellere Integration und Ar-beitsmöglichkeit. Viele landen in tiefstem Elend. Unterstützen Sie unsere URBAN REFUGEE INITIATIVE. Wir ermöglichen dem Flüchtlingsdienst der Jesuiten in Nairobi und in den Städten der Hungerzonen Afri-kas den Vertriebenen nachhaltig zu helfen:• Essensausgaben für Kinder und Familien• Gesundheitsvorsorge• Ausbildung für Kinder und Jugendliche• Mikrokredite für einen Start ins selbständige Leben

Danke für Ihre Spende!

Hans Tschiggerl SJMENSCHEN FÜR ANDERE

P.S.: Die Hungerkrise in der Sahelzone ist alarmierend. Mehr als 2 Millionen Kinder in der Region gelten als mangelernährt. Mit einer Spende unter dem Kenn-wort „Sahel“ helfen Sie Menschen in dieser Region.

UNSERE BITTE: Urban Refugees ein Zuhause geben

Ihre Spende ist gemäß § 4a Z. 3 und 4 EstG absetzbar! ZVR-Zahl 530615772 / SO 1345

Spendenkonto: PSK 7086 326 / BLZ: 60000MENSCHEN FÜR ANDEREProjektname: Urban Refugees

An die JesuitenmissionDr. Ignaz Seipel Platz 1A - 1010 - Wien

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