32
Rechtsprechung > § 15 FAO Selbststudium BVerfG: Keine vorläufige Außerkraftsetzung der Vorratsdatenspeicherung 243 > BGH: Keine bundesweite Werbung für lokal be- grenztes Angebot 244 > BGH: Unzulässige Angabe kostenpflichtiger Mehr- wertdienstenummern im Impressum 245 > § 15 FAO Selbststudium OLG Karlsruhe: Keine Be- schlagnahme von Computern bei E-Mail-Belästi- gung 246 > OLG Frankfurt: Zulässige Weitergabe eines nicht aktivierten Produktschlüssels 248 > OLG München: Zulässige Verknüpfung mit Bildern Dritter in Verkaufsportal 249 > LAG Baden-Württemberg: Keine Kündigung wegen Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige Ausgestaltung von Emp- fehlungsfunktionen 251 Hinweise zur Vertragsgestaltung Hörl/Braun > Gestaltung von Pflegeverträgen für Individualsoft- ware 256 Engels > § 15 FAO Selbststudium Rechtliche Grenzen der Suchmaschinenoptimierung 260 Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016 | 16. Jahrgang | Seiten 241264 Informationsdienst für IT-Recht und Datenschutz Berater-Modul IT-Recht In Kooperation mit: Arbeitsgemeinschaft IT-Recht Online Volltext aller Entscheidungen § 15 FAO Beitrag zum Selbststudium

Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Rechtsprechung

>> § 15 FAO Selbststudium BVerfG: Keine vorläufigeAußerkraftsetzung der Vorratsdatenspeicherung

243

>> BGH: Keine bundesweite Werbung für lokal be-grenztes Angebot

244

>> BGH: Unzulässige Angabe kostenpflichtiger Mehr-wertdienstenummern im Impressum

245

>> § 15 FAO Selbststudium OLG Karlsruhe: Keine Be-schlagnahme von Computern bei E-Mail-Belästi-gung

246

>> OLG Frankfurt: Zulässige Weitergabe eines nichtaktivierten Produktschlüssels

248

>> OLG München: Zulässige Verknüpfung mit BildernDritter in Verkaufsportal

249

>> LAG Baden-Württemberg: Keine Kündigung wegenBeleidigung durch Emoticons

249

Beiträge für die Beratungspraxis

IT-Rechtsfragen aus der Praxis

Indenhuck/Strobl

>> Freunde finden: Zulässige Ausgestaltung von Emp-fehlungsfunktionen

251

Hinweise zur Vertragsgestaltung

Hörl/Braun

>> Gestaltung von Pflegeverträgen für Individualsoft-ware

256

Engels

>> § 15 FAO Selbststudium Rechtliche Grenzen derSuchmaschinenoptimierung

260

Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016 | 16. Jahrgang | Seiten 241–264

Informationsdienst fürIT-Recht und Datenschutz

Berater-ModulIT-Recht

In Kooperation mit:

ArbeitsgemeinschaftIT-Recht

OnlineVolltext aller Entscheidungen

§ 15 FAOBeitrag zum

Selbststudium

Page 2: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Die Fortbildungspflicht für Fachan-wälte beträgt inzwischen 15 Zeit-stunden, 5 Stunden davon können

im Selbststudium absolviert werden. Für Sie als Leser des ITRBist es ein Leichtes, diese Anforderung zu erfüllen: Denn dieZeitschrift bietet Ihnen die Möglichkeit, mit Online-Tests zueinzelnen Beiträgen das entsprechende Fortbildungszertifikatzu erwerben.

ITRB bietet pro Jahrgang eine Vielzahl von Beiträgen, zu denenLeser eine Lernerfolgskontrolle online absolvieren können. Teil-nehmer erhalten nach bestandenem Test ein Fortbildungszerti-fikat zur Vorlage bei den Kammern. Exklusiv und kostenlos fürITRB-Abonnenten!

www.itrb.de/15FAO

Freischaltcode vergessen? Anruf genügt: 0221 93738-997

ITRB bietet Beiträge zum Selbststudiumin den Heften 4, 6, 10 und 11/2016.Alle Beiträge sind online bis 31.12.2016verfügbar. Exklusiv und kostenlos fürITRB-Abonnenten!

Selbststudium nach § 15 FAOmit ITRB und davit

Fortbildungspflicht 2016schonerfüllt?

Fachanwalt bleiben leicht gemacht – für ITRB-Abonnenten!

Page 3: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Inhaltsverzeichnis

Aktuelle Kurzinformationen (Auszug)

>> EuGH: Urheberrechtsverletzende Verlinkung 241

>> OLG Köln: Unzulässige Tagesschau-App 241

>> HmbBfDI: Anordnung gegen Datenabgleich zwi-

schen WhatsApp und Facebook 242

>> Accountlöschung nach AGB-Änderung von Whats-

App 242

>> EU-Kommission: Filmabgabepflicht ausländischer

Streaminganbieter 242

>> EU-Kommission: Vorschläge zur Urheberrechts-

modernisierung 242

Rechtsprechung

>> § 15 FAO Selbststudium Keine vorläufige Außer-

kraftsetzung der Vorratsdatenspeicherung

BVerfG, Beschl. v. 8.6.2016 – 1 BvQ 42/15, 1 BvR 229/

16 243

>> Keine bundesweite Werbung für lokal begrenztes

Angebot

BGH, Urt. v. 28.4.2016 – I ZR 23/15 244

>> Unzulässige Angabe kostenpflichtiger Mehrwert-

dienstenummern im Impressum

BGH, Urt. v. 25.2.2016 – I ZR 238/14 245

>> § 15 FAO Selbststudium Keine Beschlagnahme von

Computern bei E-Mail-Belästigung

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.8.2016 – 11 W 79/16 (Wx) 246

>> Zulässige Weitergabe eines nicht aktivierten Pro-

duktschlüssels

OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.5.2016 – 6 W 42/16 248

>> Zulässige Verknüpfung mit Bildern Dritter in Ver-

kaufsportal

OLG München, Urt. v. 10.3.2016 – 29 U 4077/15 249

>> Keine Kündigung wegen Beleidigung durch Emoti-

cons

LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.6.2016 – 4 Sa 5/16 249

Beiträge für die Beratungspraxis

IT-Rechtsfragen aus der Praxis

Dr. Moritz Indenhuck/Henrike Strobl

251>> Freunde finden: Zulässige Ausgestaltung von Emp-

fehlungsfunktionen – Zugleich Besprechung von

BGH, Urt. v. 14.1.2016 – I ZR 65/14

In der Entscheidung zur „Freunde finden“-Funktion

des sozialen Netzwerks Facebook zieht der BGH

enge Grenzen für die lauterkeitsrechtliche Zulässig-

keit sog. Empfehlungs-E-Mails. Zudem formuliert er

zugunsten der Nutzer Anforderungen an die erfor-

derlichen Informationen bei der Bereitstellung sol-

cher Funktionen. Aus der Entscheidung lassen sich

Schlüsse für die rechtlich zulässige Ausgestaltung

sog. Tell a friend-Funktionen ziehen.

Hinweise zur Vertragsgestaltung

Dr. Bernhard Hörl/Stefan Braun

256>> Gestaltung von Pflegeverträgen für Individualsoft-

ware – Vertragliche Unterschiede zur Standardsoft-

warepflege aus Anbieter- und Anwendersicht

Pflegeverträge aus dem Standardsoftwarebereich

werden in der Praxis oft auch als Vorlage für die In-

dividualsoftwarepflege herangezogen. Das führt zu

rechtlichen Unsicherheiten, weil es zwischen Stan-

dard- und Individualsoftware wesentliche Unter-

schiede gibt. Der Beitrag zeigt getrennt aus Anbie-

ter- und Anwendersicht auf, worin diese Unterschie-

de bestehen und welchen Einfluss sie auf eine inte-

ressengerechte Vertragsgestaltung haben.

Dr. Thomas Engels

260>> § 15 FAO Selbststudium Rechtliche Grenzen der

Suchmaschinenoptimierung – SEO: Rechtsprechung

und Konsequenzen für die Praxis

Die Bedeutung von Suchmaschinen für den Erfolg

einer Internetseite ist groß. Es gibt kaum eine ge-

werblich betriebene Internetpräsenz, wie z.B. einen

Webshop, der nicht darauf angewiesen ist, in Such-

maschinen zu den einschlägigen Suchbegriffen auf

den vorderen Rängen aufzutauchen. Der Beitrag

zeigt einige vertragliche und gesetzliche Hürden

auf dem Weg in die oberen Suchmaschinenplätze.

Literaturempfehlungen

>> Schadensersatz wegen illegaler Teilnahme an Inter-

nettauschbörsen 263

Vorschau auf die nächste Ausgabe

Beiträge zu folgenden Themen sind geplant:

>> Direktmarketing nach der DSGVO, Schirmbacher

>> Kontrollfreie Individualvereinbarung oder AGB, Lapp

ITRB 11/2016 Inhalt III

cr-online.de

Neues unter www.cr-online.de

Schallbruch, Kein Treppenwitz – Schutz von Webservernvor Angriffen kann IP-Adressen erfordern

Page 4: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Bearbeiter

Der IT-Rechtsberater (ITRB),

ehemals Computerrecht Intern (CI) 1998–2000

Herausgeber:

>> RA Prof. Dr. Jochen Schneider

Redaktion:

>> RAin Stefanie Fuchs-Galilea, LL.M. (verantw. Redakteurin)

>> Veronika Schindhelm (Redaktionsassistentin), Anschrift

des Verlages, Tel. 02 21/9 37 38-1 89 (Redaktions-Sekr.) bzw.

-9 97 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung), Fax 02 21/9 37 38-

9 03 (Redaktions-Sekr.) bzw. -9 43 (Vertrieb/Abonnementsver-

waltung),

E-Mail: [email protected], Internet: www.itrb.de

Aktuelle Kurzinformationen:

>> RA German von Blumenthal, Berlin >> RAin Silke Minnerup,

Hannover >> RAin Vilma Niclas, Berlin

Rechtsprechung:

>> RA Thomas Elteste, LL.M., Frankfurt/M. >> RA Dr. Thomas

Engels, LL.M., LEXEA Rechtsanwälte, Köln >> RA Dr. Carsten

Intveen, Corso Rechtsanwälte LLP, Köln >> RA Dr. Ingemar

Kartheuser, LL.M., Linklaters LLP, Frankfurt/M. >> RA Dr.

Niclas Kunczik, Köln >> RA Markus Rössel, LL.M., Köln >> RA Dr.

Aegidius Vogt, RAYERMANN DITTMEIER, München >> RA Dr.

Christian Wolff, Brock Müller Ziegenbein, Kiel >> RA Dr.

Thomas Wülfing vBP, Wülfing Zeuner Rechel, Hamburg

IT-Rechtsfragen aus der Praxis:

>> RA Frieder Backu, Schneider Schiffer Weihermüller, Mün-

chen >> RAin Elke Bischof, Schneider Schiffer Weihermüller,

München >> RA Prof. Klaus Gennen, LLR LegerlotzLaschet

Rechtsanwälte, Köln >> RA Dr. Malte Grützmacher, LL.M.,

Hamburg >> RA Dr. Michael Karger, TCI Rechtsanwälte, Mün-

chen >> RA Dr. Mathias Lejeune, München >> RA Dipl.-Inform.

Dr. Helmut Redeker, Rechtsanwälte Heinle & Partner, Bonn >>RAin Birgit Roth-Neuschild, Bender Harrer Krevet, Karlsruhe

>> Detlef Ulmer, Meister Rechtsanwälte, München >> RA

Andreas Witte, München

Hinweise zur Vertragsgestaltung:

>> RAin Dr. Astrid Auer-Reinsdorff, Berlin >> RAin Dr. Christiane

Bierekoven, Rödl Partner, Nürnberg >> RA Prof. Dr. Stefan

Ernst, Freiburg/Br. >> RA Prof. Niko Härting, Berlin >> RA Dr.

Bernhard Hörl, Stuttgart >> RA Michael Intveen, Schindler

Rechtsanwälte, Düsseldorf >> RA Dr. Frank A. Koch, München

>> RA Sascha Kremer, LOGIN Partners, Pulheim >> RA Dr.

Thomas Lapp, IT-Kanzlei dr-lapp.de, Frankfurt/M. >> RA Prof.

Dr. Jochen Schneider, Schneider Schiffer Weihermüller, Mün-

chen >> RAin Michaela Witzel, LL.M., Schneider Schiffer Wei-

hermüller, München

Literaturempfehlungen:

>> Dipl. iur. Julia Höltge, LL.M., Berlin

IV Inhalt ITRB 11/2016

Arbeitet heraus,was essenziell ist.

Mit Erfahrung und Sachkenntnis ansWerk gehen, mit BedachtdasWesentliche sichtbar machen: Auf dieseWeise entstehenüberzeugende Strukturen, Leitlinien und Positionen, die inmittender schwierigen und komplexen Rechtsmaterie des Internatio-nalen Steuerrechts für Klarheit sorgen.

Am Schaumburg arbeiten erstklassige Experten, die ihr Metierseit vielen Jahren kennen und prägen: die sich kritisch mitGesetzgebung und Rechtsprechung auseinandersetzen, die vorallemmit großer inhaltlicher Tiefe, stringenten Begründungenund fundierten Lösungen für die Praxis überzeugen.

Schon seit über zwei Jahrzehnten ist er eine vertraute Markefür das Internationale Steuerrecht. Jetzt ist der Schaumburgendlich wieder da – natürlich topaktuell.

Gleich informieren und bestellen unterwww.otto-schmidt.de/sis4

Schaumburg Internationales SteuerrechtBearbeitet von RA/FAStR Prof. Dr. Harald Schaumburg, RA/StB/FAStR Dr. Arne vonFreeden, LL.M. und RA/FAStR Dr. Nils Häck. 4. Auflage 2017, ca. 1.500 Seiten Lexikon-format, gbd. 189,– €. Erscheint im Februar. ISBN 978-3-504-26023-1

NEUAUFLAGE

Page 5: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Aktuelle Kurzinformationen

>>>>>> EuGH: Urheberrechtsverletzende Verlinkung

Der EuGH hatte sich im Rahmen eines Vorabentschei-dungsersuchens des Hoge Raad der Nederlanden mit derFrage zu beschäftigen, ob und unter welchen Vorausset-zungen das Setzen eines Hyperlinks auf eine Webseite zuurheberrechtlich geschützten Werken, die ohne Erlaubnisdes Urheberrechteinhabers frei zugänglich sind, eine „öf-fentliche Wiedergabe“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 RL 2001/29/EGdarstellt (EuGH, Urt. v. 8.9.2016 – Rs. C-160/15 – GS Me-dia BV ./. Sanoma Media Netherlands BV, Playboy Enter-prises International Inc., Britt G. Dekker, http://curia.eu-ropa.eu).

Nach Auffassung des EuGH ist hier eine Einzelfallent-scheidung unter Abwägung der beiderseitigen Interessensowie individueller Beurteilung des Begriffs der „öffent-lichen Wiedergabe“ und weiterer Kriterien vorzunehmen.Damit ein Link als urheberrechtswidrig beurteilt werdenkönne, müsse der Link-Setzer vorsätzlich handeln. Zudemmüsse der Link für die Öffentlichkeit bereitgestellt wer-den. Maßgebend sei schließlich, dass die Verlinkung Er-werbszwecken diene.

Mit seiner Entscheidung weicht der EuGH von den Emp-fehlungen des Generalanwalts (EuGH, Schlussanträge desGeneralanwalts v. 7.4.2016 – Rs. C-160/15) ab. Hatte die-ser eine Urheberrechtsverletzung verneint, schränken dieRichter die Linkfreiheit für kommerzielle Anbieter ein. Eshandle sich bei der Bereitstellung eines Links um eine „öf-fentliche Wiedergabe“, wenn erwiesen sei, dass der Link-Setzer gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass LinkZugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichtenWerk verschaffe, z.B. weil er vom Urheberrechteinhaberdarauf hingewiesen worden sei. Würden Links mit Ge-winnerzielungsabsicht gesetzt, könne an den Setzer einhöherer Sorgfaltsmaßstab angelegt und davon ausgegan-gen werden, dass er die erforderliche Nachprüfung vor-nehme. Auch ohne Kenntnis von der Rechtswidrigkeit lie-ge dann eine Urheberrechtsverletzung vor. Die Kenntnisvon der Rechtswidrigkeit werde in diesem Fall vermutet.

Für Privatpersonen gelte weiterhin Linkfreiheit. Von ei-nem normalen Nutzer könne nicht erwartet werden, dasser jeden Link daraufhin überprüfe, ob er auf eine Webseiteverweise, die urheberrechtlich geschützte Inhalte rechts-widrig darstelle. Erlange die Privatperson jedoch Kenntnisvon der Urheberrechtswidrigkeit oder habe sie den Linkin Kenntnis der Urheberrechtswidrigkeit gesetzt, müssesie den Link sofort löschen (notice and take down).

RAin Vilma Niclas/RA German von Blumenthal/Dipl. iur. Julia Höltge, LL.M., Berlin

Mehr zum Thema: Härting, „Playboy“-Urteil: DieKommunikationsfreiheit ist beim EuGH in schlech-ten Händen, www.cr-online.de/blog v. 8.9.2016

>>>>>>OLG Köln: Unzulässige Tagesschau-App

Der seit Jahren schwelende Rechtsstreit um die Tages-schau-App, wie am Beispielstag, dem 15.6.2011 abrufbar,wurde nunmehr durch die Entscheidung des OLG Kölnzunächst beendet (OLG Köln, Urt. v. 30.9.2016 – 6 U 188/12). Elf der führenden Verlagshäuser Deutschlands hattenARD und NDR auf Unterlassung verklagt, weil die Appzu einer Wettbewerbsverzerrung führe, da sie mit demRundfunkbeitrag finanziert werde. Nach § 11d RStV dürf-ten presseähnliche Angebote, die nicht sendungsbezogenseien, nicht von öffentlich-rechtlichen Anbietern verbrei-tet werden. Die Inhalte der App seien zu textlastig undnicht direkt auf Sendungen der Anstalten bezogen gewe-sen.

Zunächst hatte das OLG Köln die Klage abgewiesen, daim Telemedienkonzept des Rundfunkrats des NDR dieTagesschau-App als nicht presseähnlich bewertet wurde(OLG Köln, Urt. v. 20.12.2013 – 6 U 188/12, ITRB 2014,51). Der BGH befand im Anschluss, dass die Entschei-dung des Rundfunkrats keine Bindungswirkung für dasGericht entfaltet. Die Sache wurde an das OLG Köln zu-rückverwiesen mit der Maßgabe, über die Presseähnlich-keit des Angebots zu befinden. Als Maßstab für die neuer-liche Überprüfung gab der BGH vor, dass das Angebotder App für eine Zulässigkeit den Schwerpunkt in hör-funk- oder fernsehähnlicher Gestaltung haben muss. Esdürfe nicht durch Texte und Bilder geprägt sein (BGH,Urt. v. 30.4.2015 – I ZR 13/14).

Daran gemessen hat das OLG Köln nunmehr eine Presse-ähnlichkeit festgestellt. Sowohl auf der Übersichtsseite alsauch den nächsten Ebenen fänden sich am BeispieltagNachrichtentexte und Standbilder. Diese stünden bei derGestaltung im Vordergrund. Damit sei es zu einer Wett-bewerbsverzerrung gekommen, da die öffentlich-recht-lichen Rundfunkanstalten die App aus dem Rundfunkbei-trag finanziert hätten.

Da das OLG Köln die Revision nicht zugelassen hat, wäreder letzte Weg nunmehr eine Nichtzulassungsbeschwerdezum BGH oder u.U. eine Verfassungsbeschwerde.

RAin Silke Minnerup, Hannover

ITRB 11/2016 Aktuelle Kurzinformationen 241

cr-online.de

Page 6: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

>>>>>>HmbBfDI: Anordnung gegen Datenabgleichzwischen WhatsApp und Facebook

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und In-formationsfreiheit hat eine Verwaltungsanordnung erlas-sen, die es Facebook ab sofort untersagt, Daten von deut-schen WhatsApp-Nutzern zu erheben und zu speichern.Facebook wird ferner aufgegeben, bereits durch Whats-App an das Unternehmen übermittelte Daten zu löschen.Anlass für diesen Schritt waren die neuen Nutzungsbedin-gungen von WhatsApp, denen die Nutzer im September2016 zustimmen sollten.

Facebook und WhatsApp sind selbständige Unternehmen.Sie verarbeiten die Daten ihrer Nutzer auf Grundlage je-weils eigener Nutzungs- und Datenschutzbedingungen.Nach Zusicherung der Unternehmen sollte es dabei blei-ben, obwohl Facebook seit 2014 Eigentümer von Whats-App ist. Nun jedoch scheint sich diese Praxis zu ändern,so dass Facebook ebenfalls Zugriff auf Daten von Whats-App-Nutzer hat.

Neben der Irreführung von Nutzern und Öffentlichkeitliegt nach der Anordnung auch ein Verstoß gegen das na-tionale Datenschutzrecht vor. Ein solcher Austausch seinur zulässig, wenn die Unternehmen entsprechende Ein-willigungen der Nutzer erhielten. Facebook müsse die Re-gelungen des deutschen Datenschutzrechts respektieren.

Im Juli hat der EuGH bestätigt, dass nationales Daten-schutzrecht anwendbar ist, wenn ein Unternehmen imZusammenhang mit einer nationalen Niederlassung Da-ten verarbeitet. Dies tut Facebook in Deutschland durchseine Niederlassung in Hamburg, die das deutschsprachi-ge Werbegeschäft betreibt. Neben den ca. 35 Mio. Whats-App-Nutzern können viele Millionen anderer Personenbetroffen sein, die weder Kunde von Facebook nochWhatsApp sind, deren Kontaktdaten aber aus den Adress-büchern der Nutzer in WhatsApp hochgeladen wurden.

Quelle: HmbBfDI, PM v. 27.9.2016, https://www.daten-schutz-hamburg.de

RA German von Blumenthal/RAin Vilma Niclas, Berlin

>>>>>>Accountlöschung nach AGB-Änderung vonWhatsApp

Bis 26.9.2016 mussten Nutzer von WhatsApp neuen Nut-zungsbedingungen zustimmen. Diese sehen u.a. vor, dassdie Daten des Nutzers selbst sowie alle Daten aus seinemAdressbuch an Facebook weitergegeben werden dürfen.Außerdem sollte der Nutzer zusichern, dass er von allenKontakten seines hochgeladenen Adressbuchs selbst diefür diesen Vorgang notwendigen datenschutzrechtlichenEinwilligungen eingeholt hat.

Viele Nutzer wollten diesen sehr weitgehenden Vorgabennicht zustimmen und sich bei WhatsApp abmelden. DieAccountlöschung vor dem Stichtag war möglich. Wer je-

doch bis zu diesem Termin den neuen AGB nicht zuge-stimmt hat, kann die App nicht mehr nutzen, die Ac-countlöschung lässt sich jedoch ohne Zustimmung zu denneuen Nutzungsbedingungen ebenfalls nicht durchführen,weil die Funktion „Account löschen“ nur in den Einstel-lungen der App vorhanden ist, die ohne Zustimmung zuden neuen AGB nicht aufgerufen werden können. Stim-men Nutzer zu diesem Zweck zu und löschen den Ac-count, verfügt WhatsApp über eine Einwilligung zur Da-tenweitergabe und es besteht keine Kontrolle, wie die er-hobenen Daten durch die Dienste verwendet werden.

Letztendlich können ehemalige Kunden eine Löschungdes Account sowie aller Daten per Post unter Hinweis auf§ 35 BDSG verlangen, dem gemäß Daten zu löschen sind,sobald sie für den Anbieter nicht mehr erforderlich sind.Bei Verstößen müssten die Verbraucher sich an die jewei-lige Landesdatenschutzbehörde wenden.

RA German von Blumenthal/RAin Vilma Niclas, Berlin

>>>>>> EU-Kommission: Filmabgabepflicht auslän-discher Streaminganbieter

Schon länger ist in § 66a Abs. 2 Satz 2 Filmfördergesetz(FFG) geregelt, dass Streaminganbieter mit Sitz im Aus-land zu Filmabgaben herangezogen werden können. DieseVorschrift wurde jedoch nicht angewandt und lag der EU-Kommission zur Prüfung vor. Nach der nunmehr bekanntgewordenen Entscheidung der EU-Kommission ist derWeg für diese Filmabgabe frei. Auch Streamingdienste mitSitz im Ausland können demnach zu Filmabgaben nachdem FFG herangezogen werden. Während Fernsehsenderund Kinobetreiber die Filmabgabe bereits bezahlen, wer-den künftig auf Dienste wie Netflix, Amazon Prime undandere Video-on-demand-Dienste zur Kasse gebeten wer-den können. Insb. die Allianz deutscher Produzenten –Film und Fernsehen e.V. (Produzentenallianz) begrüßtebenso wie die Staatsministerin für Kultur und Mediendiese Entscheidung als wichtigen Schritt hin zu mehr Ab-gabegerechtigkeit.

RAin Silke Minnerup, Hannover

>>>>>> EU-Kommission: Vorschläge zur Urheber-rechtsmodernisierung

Die EU-Kommission hat am 14.9.2016 Vorschläge zurModernisierung des Urheberrechts im digitalen Binnen-markt vorgelegt. Mit dem Reformpaket will sie die kul-turelle Vielfalt in Europa und die Verfügbarkeit von Inhal-ten über das Internet fördern und klare Regeln für alle In-ternetakteure festlegen (EU-Kommission, PM v.14.9.2016, http://europa.eu). Die Vorschläge haben dreiSchwerpunkte:

Mehr Auswahl und leichterer Zugang zu Inhalten: Insb.Rundfunkveranstaltern soll es erleichtert werden, ihreSendungen europaweit über das Internet bereitzustellen,

242 Aktuelle Kurzinformationen ITRB 11/2016

Page 7: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

indem für sie künftig das Herkunftslandprinzip gilt. DieMitgliedstaaten sollen Verhandlungsstellen einrichten, dieden Abschluss von Lizenzvereinbarungen zwischen Rech-teinhabern und Videoabruf-Plattformen grenzüberschrei-tend vereinfachen. Museen, Archive und andere Einrich-tungen, die das kulturelle Erbe sichern, sollen die Mög-lichkeit bekommen, vergriffene und verwaiste Werke zudigitalisieren und sie grenzüberschreitend der Öffentlich-keit verfügbar zu machen.

Verbesserungen im Hinblick auf Bildung, Forschung,das Kulturerbe und die Eingliederung von Menschenmit Behinderungen: Für die bisher restriktiven Schran-kenregelungen für Bildung und Wissenschaft sollen ver-bindliche Ausnahmen eingeführt werden. So will man dassog. Text- und Data-Mining zur Auswertung großer Da-tenmengen ermöglichen und Einrichtungen des kulturel-len Erbes sollen Werke digital aufbewahren können.

Gerechterer und tragfähigerer Markt für Urheber, Kul-tur und Kreativwirtschaft und Presse: Ziel ist es, Urhe-ber und Rechteinhaber zu stärken, indem ein Leistungs-schutzrecht für Presseverleger eingeführt werden soll. Ver-leger und Produzenten sollen den Urhebern und ausüben-den Künstlern genau mitteilen, welche Gewinne mit ihrenWerken erzielt wurden. Verleger werden dadurch recht-lich als Rechteinhaber anerkannt.

Noch im Herbst sollen weitere Vorschläge folgen, umRechte des geistigen Eigentums besser durchzusetzen. Bis

zum Jahresende will die EU-Kommission alle angekündig-ten 16 Initiativen vorlegen.

RAin Vilma Niclas/RA German von Blumenthal/Dipl. iur.Julia Höltge, LL.M., Berlin

>>>>>>Gesetzentwurf zum autonomen Fahren

Das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung für das auto-nome Fahren (BT-Drucks. 18/8951 v. 28.6.2016) hat am29.9.2016 den Bundestag passiert. Vorgesehen ist, dassFahrassistenzsysteme zulässig sein sollen, wenn sie denVorgaben der Wirtschaftskommission der Vereinten Na-tionen für Europa (UN-ECE) entsprechen. Bereits im Ver-kehr befindliche technische Fahrsysteme sollen dann ein-setzbar sein, solange der Fahrer noch eingreifen kann.Auch soll die Entwicklung dieser Assistenzsysteme unter-stützt werden.

Nach Ansicht verschiedener Bundestagsabgeordnetermehrerer Parteien sind jedoch noch viele Fragen zu klä-ren. Bspw. stünden noch die Herstellerhaftung sowie derDatenschutz zur Debatte. Auch die Art und Weise derSpeicherung der Daten darüber, ob der Fahrer oder dastechnische Fahrsystem das Fahrzeug kontrolliere, sei nochunklar. Eine neu eingesetzte Ethikkommission soll fortanrechtliche Rahmenbedingungen erstellen. Der Schwer-punkt liegt dabei darauf, wie die Computersteuerung der-artiger Assistenzsysteme Prioritäten in Gefahrensituatio-nen festlegt.

RAin Silke Minnerup, Hannover

Rechtsprechung

>>>>>> § 15 FAO Selbststudium Keine vorläufige Au-ßerkraftsetzung der Vorratsdatenspeicherung

Mit der Datenspeicherung allein ist noch kein derartschwerwiegender Nachteil verbunden, dass er die Au-ßerkraftsetzung eines Gesetzes erforderte. Darüber hi-naus hat der Gesetzgeber den Abruf von Telekommuni-kations-Verkehrsdaten von qualifizierten Vorausset-zungen abhängig gemacht, die das Gewicht der durchden Vollzug der Vorschrift drohenden Nachteile imVergleich mit den Nachteilen für das öffentliche Inte-resse an einer effektiven Strafverfolgung weniger ge-wichtig erscheinen lassen. (red.)

BVerfG, Beschl. v. 8.6.2016 – 1 BvQ 42/15, 1 BvR 229/16TKG §§ 113a bis 113g; StPO §§ 100g, 101a, 101b

Das Problem

Die Nutzer verschiedener Telekommunikationsdienste fürprivate und berufliche Zwecke begehren mit einem Eil-antrag, die eingeführte Vorratsspeicherung von Telekom-munikations-Verkehrsdaten zu Zwecken der öffentlichenSicherheit außer Kraft zu setzen. Die angegriffenen Rege-lungen finden sich in den am 10.12.2015 neu geschaffenen§§ 113a bis 113g TKG, in dem neu gefassten § 100g StPOund den neu geschaffenen §§ 101a und 101b StPO.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seiabzulehnen.

Vorläufige Anordnung: Das BVerfG könne einen Zu-stand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln,wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhin-derung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichti-gen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten sei

ITRB 11/2016 Rechtsprechung 243

cr-online.de

Page 8: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

(§ 32 Abs. 1 BVerfGG). Dabei hätten die Gründe, die fürdie Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktsvorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu blei-ben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweise sichvon vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbe-gründet. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrenssei eine Folgenabwägung vorzunehmen.

Aussetzung eines Gesetzesvollzugs: Das BVerfG dürfevon seiner Befugnis, den Vollzug eines in Kraft getretenenGesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Ge-brauch machen, da der Erlass einer solchen einstweiligenAnordnung stets ein erheblicher Eingriff in die Gestal-tungsfreiheit des Gesetzgebers sei. Insoweit sei von ent-scheidender Bedeutung, ob die Nachteile irreversibeloder nur sehr erschwert revidierbar seien, um das Ausset-zungsinteresse durchschlagen zu lassen.

Einschüchterungseffekt durch Speicherung: Zwar könnedie umfassende und anlasslose Bevorratung sensibler Da-ten über praktisch jedermann einen erheblichen Ein-schüchterungseffekt bewirken, weil das Gefühl entstehe,ständig überwacht zu werden. Der in der Speicherung fürEinzelne liegende Nachteil für ihre Freiheit und Privatheitverdichte und konkretisiere sich jedoch erst durch einenAbruf der Daten zu einer möglicherweise irreparablen Be-einträchtigung. Dies gelte auch für die Speicherung derDaten von Berufsgeheimnisträgern.

Keine Trennung von Kommunikationsinhalten: Ein dieAussetzung der Speicherpflicht erfordernder besondersschwerer Nachteil ergebe sich auch nicht daraus, dassbeim Short Message Service (SMS) Verkehrsdaten undKommunikationsinhalte möglicherweise nicht getrenntwerden könnten. Nach dem klaren Wortlaut des § 113bAbs. 5 TKG dürften der Inhalt der Kommunikation, Da-ten über aufgerufene Internetseiten und Daten von Diens-ten der elektronischen Post aufgrund dieser Vorschriftnicht gespeichert werden. Wenn die Trennung technischzur Zeit noch nicht möglich sein sollte, rechtfertige dasnicht, sich über die Maßgabe des Gesetzes hinwegzuset-zen; vielmehr seien dann zunächst die technischen Bedin-gungen zu schaffen, um die Speicherpflicht erfüllen zukönnen.

Datenübermittlung: Im Verkehrsdatenabruf nach § 100gAbs. 1 und 2 StPO liege ein schwerwiegender und nichtmehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grund-recht aus Art. 10 Abs. 1 GG. Doch habe der Gesetzgebermit § 100g Abs. 2 StPO den Abruf von Telekommunikati-ons-Verkehrsdaten i.S.d. § 113b TKG von qualifiziertenVoraussetzungen abhängig gemacht, die das Gewicht derdem Einzelnen und der Allgemeinheit durch den Vollzugder Vorschrift drohenden Nachteile für die Übergangszeitbis zur Entscheidung über die Hauptsache hinnehmbarund im Vergleich mit den Nachteilen für das öffentlicheInteresse an einer effektiven Strafverfolgung weniger ge-wichtig erscheinen ließen.

Verfahrensregelung: Auch in Blick auf die das zu beach-tende Verfahren regelnden §§ 101a, 101b StPO sei eineeinstweilige Anordnung nicht geboten. Ob und ggf. in

welcher Weise die GRC oder sonstiges Unionsrecht fürdie Beurteilung der angegriffenen Vorschriften Bedeutungentfalte, sei im Hauptsacheverfahren zu entscheiden. DassUnionsrecht dazu verpflichten könnte, die angegriffenenVorschriften schon im Eilverfahren im Weg der einstwei-ligen Anordnung außer Kraft zu setzen, sei weder substan-tiiert vorgetragen noch ersichtlich.

Konsequenzen für die Praxis

Das erste, u.a. eine Speicherfrist von sechs Monaten vor-sehende Vorratsdatenspeicherungsgesetz von 2008 wurde2010 vom BVerfG für verfassungswidrig und die zugrundeliegende EU-Richtlinie 2006/24/EG 2014 vom EuGH we-gen Unvereinbarkeit mit der GRC für ungültig erklärt.Das neue, nicht mehr auf EU-Recht beruhende Gesetzvom 18.12.2015 sieht Fristen von vier und zehn Wochenvor. Gleichwohl wird die Entscheidung der EuGH zurVerhältnismäßigkeit, Beendigung der Totalerfassung undfehlenden Ausnahme von Berufsgeheimnisträgern auchBedeutung für das neue Gesetz haben. Die neuerliche Ab-lehnung einer vorläufigen Außerkraftsetzung wie bereitszuvor (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvQ 55/15)bedeutet keinen Hinweis auf die Beurteilung der angängi-gen Hauptsacheverfahren (1 BvR 3156/15; vgl. u.a. auch 1BvR 141/16 und 1 BvR 17/16).

BeraterhinweisErst muss die BNetzA die technischen Anforderungenspätestens Ende 2016 definieren. Anschließend habendie Telekommunikationsanbieter bis zum 1.7.2017 Zeit,die notwendige Technik zu installieren. Es ist allerdingsunklar, ob das BVerfG bis dahin noch in der Haupt-sache entscheiden wird.

RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln

Selbststudium nach § 15 FAO mit ITRB und davit:Zu diesem Beitrag finden Sie die Lernerfolgskon-trolle bis 30.6.2017 online unter www.itrb.de/15FAO.

>>>>>>Keine bundesweite Werbung für lokal be-grenztes Angebot

Wer auf bundesweit ausgerichteten Portalen im Inter-net für Telekommunikationsleistungen wirbt und we-der nach der Natur der Sache noch aufgrund entspre-chender Hinweise als allein lokal oder regional aus-gerichtetes Unternehmen zu erkennen ist, erweckt denEindruck einer grundsätzlich bundesweiten Verfügbar-keit seiner Waren und Dienstleistungen. (red.)

BGH, Urt. v. 28.4.2016 – I ZR 23/15(OLG Stuttgart, Urt. v. 22.12.2014 – 2 U 56/14; ; LG Stutt-gart, Urt. v. 23.4.2014 – 40 O 67/13 KfH)UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1

244 Rechtsprechung ITRB 11/2016

Page 9: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Das Problem

Ein Anbieter von Telekommunikationsleistungen warb imInternet mit einem Banner. Dieses war auch außerhalbBaden-Württembergs abrufbar, während die Internet-anschlüsse des werbenden Anbieters nur innerhalb desBundeslandes verfügbar waren. Durch ein Geo-Targeting-Verfahren war es dem Anbieter zwar möglich, mit derWerbung mit einer Genauigkeit von 95 Prozent Verbrau-cher in Baden-Württemberg zu erreichen, allerdings zufünf Prozent auch Personen in anderen Bundesländern.Der Anbieter führte in seinem Unternehmensnamen dasKürzel „BW“.

Entscheidung des Gerichts

Der Anbieter habe die Werbung außerhalb Baden-Würt-tembergs zu unterlassen, da sie unlauter sei.

Täuschung: Die Werbung des Anbieters außerhalb seinesVertriebsgebiets sei geeignet, Verbraucher über die räum-liche Verfügbarkeit der beworbenen Angebote zu täuschen(§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG). Den angesprochenen Ver-brauchern werde eine bundesweite Verfügbarkeit der Te-lekommunikationsleistungen suggeriert. Das Unterneh-menskennzeichen „BW“ könne diesen Eindruck nichtausschließen, da es nicht ohne weiteres als Kurzbezeich-nung für Baden-Württemberg verstanden werde undnicht zwingend andeute, ein Unternehmen sei nur in die-sem Bundesland tätig. Der Werbung des Anbieters seien –ungleich etwa stationären Betrieben wie Restaurants oderHotels – keine Hinweise auf eine räumliche Beschränkungzu entnehmen. Dies gelte auch deshalb, weil der Anbieterüber bundesweit verfügbare Internetseiten geworben habe.

Relevanz der Irreführung: Die Irreführung der Verbrau-cher sei auch relevant. Sie könne die Verbraucher zu Ent-scheidungen veranlassen, die sie ansonsten nicht getroffenhätten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UWG). Bezugspunkt für die Täu-schung seien allein die von der beanstandeten Werbungangesprochenen Verkehrskreise. Eine relevante Irrefüh-rung liege grundsätzlich etwa schon dann vor, wenn einbeworbenes Produkt nur in einer von 100 Filialen einesHandelsunternehmens nicht verfügbar sei. Zu fünf Pro-zent würden Verbraucher außerhalb Baden-Württem-bergs angesprochen und zu einem erheblichen Teil überdie territoriale Verfügbarkeit des Angebots getäuscht. Diessei ein relevanter, bewusst in Kauf genommener Streu-verlust und nicht nur ein „Ausreißer“, den der Anbietereinfach ausschließen könne. Der Annahme einer Täu-schung stehe es nicht entgegen, dass diese noch rechtzeitigvor Beginn eines Bestellvorgangs ausgeräumt werde.

Konsequenzen für die Praxis

Der BGH lässt das Geo-Targeting-Verfahren nicht als Ar-gument gelten, eine Irreführung der angesprochenen Ver-braucher zu vermeiden.

Geschäftliche Entscheidung: Nach Ansicht des BGH wardie Werbung des Anbieters geeignet, die Verbraucher zueiner „geschäftlichen Entscheidung“ i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1UWG zu veranlassen, die sie ansonsten nicht getroffenhätten. Dieser Begriff umfasst nicht nur die Entscheidung

über den Erwerb eines Produkts, sondern bereits unmittel-bar damit zusammenhängende Entscheidungen wie dasBetreten eines Geschäfts (EuGH, Urt. v. 19.12.2013 – Rs.C-281/12). Dem steht das Aufsuchen einer Internetseitegleich. Diesen Schluss hatte der BGH bereits in einer frü-heren Entscheidung gezogen (BGH, Beschl. v. 28.1.2016 –I ZR 231/14 – MeinPaket.de). Dafür spricht, dass auch dasAufsuchen einer Internetseite unmittelbar mit dem Er-werb der dort angebotenen Produkte zusammenhängt.

Relevanter Teil des Verkehrs: Das Gericht geht davonaus, dass ein relevanter Teil des Verkehrs irregeführt wird.Dies mag erstaunen, da aufgrund des Geo-Targeting-Ver-fahrens lediglich fünf Prozent der Verbraucher außerhalbBaden-Württembergs angesprochen wurden und derBGH annimmt, dass auch davon nur ein Teil getäuschtwird. Entscheidend ist also, ob auch nur ein ganz geringerTeil der angesprochenen Verkehrskreise von der Täu-schung betroffen ist, z.B. Ware in nur einer von vielen Fi-lialen nicht erhältlich ist.

BeraterhinweisWer seine Leistungen nur territorial begrenzt anbietet,sollte – sofern es sich nicht um einen stationären Be-trieb wie etwa ein Hotel handelt – in seiner Onlinewer-bung diese Begrenzung deutlich machen.

RA Dr. Ingemar Kartheuser, LL.M., Linklaters LLP,Frankfurt/M.

>>>>>>Unzulässige Angabe kostenpflichtiger Mehr-wertdienstenummern im Impressum

Die Angabe einer kostenpflichtigen Telefon- oder Fax-nummer im Impressum stellt keinen zulässigen wei-teren Kommunikationsweg i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMGdar, wenn die beim Nutzer anfallenden Gebühren überdem Grundtarif liegen. (red.)

BGH, Urt. v. 25.2.2016 – I ZR 238/14(OLG Frankfurt, Urt. v. 2.10.2014 – 6 U 219/13, CR 2015,50 = ITRB 2015, 7)BGB § 312d Abs. 1; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 u.6; RL 2011/83/EU Art. 6 Abs. 1c), f); RL 2000/31/EGArt. 5 Abs. 1c); TKG § 66d Abs. 1; TMG § 5 Abs. 1 Nr. 2;UWG § 3a

Das Problem

Eine Anbieterin gab auf ihrer Website für die Möglichkeitder Kontaktaufnahme neben ihrer Postanschrift die E-Mail-Adresse sowie eine Telefon- und Faxnummer an,wobei für letztere Kosten i.H.v. 0,49 € pro Minute ausdem Festnetz und bis zu 2,99 € pro Minute aus dem Mo-bilfunknetz anfielen. Zu klären war, ob hierin einen Ver-stoß gegen die Informationspflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 2TMG liegt.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, dieeinen Unterlassungsanspruch der Mitbewerberin bejaht

ITRB 11/2016 Rechtsprechung 245

cr-online.de

Page 10: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

hatte (s. Vogt, ITRB 2015, 7), und wies die Revision zu-rück.

Marktverhaltensregelung: § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG stelleeine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG (§ 4 Nr. 11UWG a.F.) dar. Die Informationspflichten dienten derTransparenz von geschäftsmäßig erbrachten Telemedien-diensten und dabei auch dem Verbraucherschutz. Demstehe nicht entgegen, dass die Informationspflichten glei-chermaßen gegenüber Verbrauchern und Unternehmernbestünden. Nachdem § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG seine Grund-lage in Art. 5 Abs. 1 c) RL 2000/31/EG habe, sei diese Ein-ordnung auch mit Blick auf die durch die RL 2005/29/EGerfolgte vollständige Harmonisierung des Lauterkeits-rechts mit Unionsrecht vereinbar.

Weiterer Kommunikationsweg: Anbieter seien verpflich-tet, neben der E-Mail-Adresse einen weiteren schnellen,unmittelbaren und effizienten Kommunikationsweg zurVerfügung zu stellen. Nach der Rechtsprechung desEuGH erfordere dies nicht zwingend die Angabe einer Te-lefon- oder Faxnummer. So könne der weitere Kommuni-kationsweg bspw. auch mittels einer elektronischen Anfra-gemaske oder durch Angabe eines persönlichen Kontaktsmit einer verantwortlichen Person in den Räumen desAnbieters eröffnet werden (vgl. EuGH, Urt. v. 16.10.2008– Rs. C-298/07, ITRB 2009, 27 = CR 2009, 17).

Vorgaben für Telefon- und Faxnummern: Nach Aus-legung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG und Art. 5 Abs. 1 c) RL2000/31/EG seien überhöhte Kommunikationskosten un-zulässig. Schon nach dem Wortlaut und der Entstehungs-geschichte der Normen seien über den gewöhnlichen Ver-bindungsentgelten liegende Kosten nicht effizient, da Nut-zer hierdurch von einer Kontaktaufnahme abgehaltenwerden könnten – vor allem, da die Dauer des Telefonatsnicht abschätzbar sei. Zudem sei es Sinn und Zweck derVorschriften, dem Nutzer neben der vorvertraglichen In-formationsmöglichkeit auch die nachvertragliche Rechts-durchsetzung oder Anzeige von Rechtsverletzungen einesAnbieters auf dessen Website schnell, unmittelbar und ef-fizient zu ermöglichen. Demnach müsse zwar keine ge-bührenfreie Nummer vorgehalten werden. Die dem Nut-zer bei der Kontaktaufnahme entstehenden Kosten dürf-ten jedoch keinesfalls über den Grundtarifen für einenTelefonanruf oder Faxversand liegen. Die Preishöchst-grenzen für Premium-Dienste i.S.d. § 66d Abs. 1 TKG sei-en insoweit nicht entscheidend. Unabhängig von konkretberechneten Verbindungsentgelten sei allein maßgeblich,ob bei einem normalen Telefonanruf besondere Kostenanfielen, die üblicherweise nicht entstünden.

Kein Widerspruch zum Fernabsatzrecht: Nach Art. 6Abs. 1 c), Abs. 1 f.) RL 2011/83/EU bzw. § 312d Abs. 1BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 u. 6 EGBGB dürftenUnternehmer gegenüber Verbrauchern für den Abschlusseines Fernabsatzvertrags zwar eine kostenpflichtige Tele-fonnummer angeben, wenn dies vorab mitgeteilt werde.Allerdings beträfen diese Informationspflichten andereRegelungsmaterien und seien folglich für die streitgegen-ständliche Fragestellung ohne Bedeutung. Denn die tele-medienrechtlichen Vorschriften regelten unabhängig von

einem bevorstehenden oder bereits erfolgten Vertrags-schluss und losgelöst von dem zum Vertragsschluss einge-setzten Kommunikationsmittel jegliche Form der Kon-taktaufnahme des Nutzers zum Anbieter. Eine Vorlage anden EuGH sei mangels vernünftiger Zweifel an diesemVerständnis nicht veranlasst.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung des BGH bringt hinsichtlich des Einsat-zes kostenpflichtiger Telefon- oder Faxnummern erfreuli-che Rechtssicherheit.

Keine Kosten über dem Grundtarif: Soweit sich Anbieterentscheiden, neben der Angabe der obligatorischen E-Mail-Adresse als weitere Möglichkeit der Kontaktaufnah-me eine Telefon- oder Faxnummer anzubieten, dürfen diebeim Nutzer anfallenden Gebühren maximal den Grund-tarif betragen. Dies gilt freilich auch für die Kosten ande-rer von den Anbietern ggf. eröffneter Kommunikations-wege.

Keine Bagatellschwelle: Weiter stellt die Entscheidungklar, dass Verstöße gegen den Katalog der Informations-pflichten des § 5 Abs. 1 TMG stets als spürbar i.S.v. § 3aUWG einzustufen und damit lauterkeitsrechtlich relevantsind. Auf eine – vermeintliche – Bagatellschwelle könnensich Anbieter in diesem Bereich damit nicht mehr zurück-ziehen. Zur Vermeidung von Beanstandungen sollten An-bieter Ihre Angaben also nicht nur hinsichtlich kosten-pflichtiger Telefon- oder Faxnummern überprüfen undggf. umgehend anpassen.

BeraterhinweisAls zusätzliche Kontaktmöglichkeit i.S.d. § 5 Abs. 1Nr. 2 TMG wird man wohl auch auf Messengerdiensteverweisen können, soweit diese – wie etwa WhatsApp –einen hinreichend großen Verbreitungsgrad besitzen.

RA, FA IT-Recht Dr. Aegidius Vogt, München

>>>>>> § 15 FAO Selbststudium Keine Beschlagnahmevon Computern bei E-Mail-Belästigung

Bei einer auf Polizeirecht gestützten richterlichen An-ordnung einer Wohnungsdurchsuchung zum Zweck derBeschlagnahme von Computern und Routern mit demZiel, die Versendung von E-Mails an die Polizei zu un-terbinden, müssen im Einzelfall als mildere Mittel auchtechnische Maßnahmen berücksichtigt werden. (red.)

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.8.2016 – 11 W 79/16 (Wx)(AG Bruchsal, Beschl. v. 22.6.2016 – 3 XIV 7/16)GG Art. 13; PolG BW §§ 5, 31 Abs. 2 Nr. 2, 33 Abs. 1Nr. 1; FamFG § 62 Abs. 1

Das Problem

Ein Absender verschickte innerhalb von etwa 12 Stundeninsg. 57 E-Mails an fünf Polizeireviere und -posten; zweiTage zuvor 39 E-Mails. Die E-Mails enthielten größten-teils wirre Angaben, teilweise in Bezug auf eine Polizei-

246 Rechtsprechung ITRB 11/2016

Page 11: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

beamtin und teilweise in ausfälliger Wortwahl. Daraufhinbeantragte der Leiter des Bezirksdiensts eines der Polizei-reviere die Beschlagnahme von internetfähigen PC nebstRoutern des Absenders nach § 33 PolG BW. Dem wurdedurch das AG nach §§ 31 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, 33 Abs. 1Nr. 1 PolG BW stattgegeben. Daraufhin wurden in derWohnung des Absenders ein PC, drei Laptops und zweiRouter beschlagnahmt. Einen Tag später gingen wieder 19Mails ein, wobei unklar ist, wie diese versendet wurden.

Die Entscheidung des Gerichts

Unter Zurückweisung des Antrags auf Herausgabe der si-chergestellten Sachen als unzulässig wurde festgestellt,dass die Durchsuchungsanordnung den Absender in sei-nen Rechten verletzt hat.

Rechtsweg und sachliche Zuständigkeit: Hinsichtlich derHerausgabe der sichergestellten Gegenstände sei allein derRechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben (OLGHamm, Beschl. v. 10.8.2010 – I-15 W 86/10, NVwZ-RR2010, 921). Im Rahmen der Eröffnung des Rechtswegs zuden ordentlichen Gerichten sei das OLG sachlich zustän-dig (§ 31 Abs. 5 Satz 3 PolG BW, § 119 Abs. 1 Nr. 1bGVG: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.3.2010 – 14 Wx 9/10).

Erledigung in der Hauptsache: Das nach § 62 Abs. 1FamFG erforderliche berechtigte Interesse an der Feststel-lung, dass gem. § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG i.d.R. bei schwer-wiegenden Grundrechteingriffen vorliege, sei bei einerDurchsuchung der Wohnung gegeben (OLG München,Beschl. v. 4.9.2012 – 34 Wx 219/12, NVwZ-RR 2013, 78).

Keine technische Überlastung: Es gebe keine Anhalts-punkte dafür, dass die E-Mails des Absenders zu einertechnischen Überlastung des Mailsystems der Polizei undauf diese Weise zu einer Beeinträchtigung oder faktischenBlockade der Kommunikationsstrukturen der Polizei ge-führt hätten.

Keine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit: Betroffensei der Arbeitsablauf innerhalb der Polizeidienststellen inder Weise, dass in den Posteingangsfächern der jeweiligenE-Mail-Konten der Polizei die E-Mails des Absenders zurKenntnis genommen worden seien und dies personelleKapazitäten für die Bearbeitung anderer, wichtigerer E-Mails gebunden habe. Es sei zweifelhaft, ob dadurch be-reits die Schwelle einer polizeirechtlich relevanten Beein-trächtigung der Arbeitsfähigkeit der Polizei überschrittenworden sei. Insofern sei zu berücksichtigen, dass die E-Mails des Absenders größtenteils wirr und unverständlichseien, so dass sie nicht einer sofortigen Bearbeitung be-durft hätten.

Keine Geeignetheit: Auch wenn eine komplette Gefah-renabwehr durch die angeordnete Maßnahme nicht Vo-raussetzung sei, sondern ein Beitrag zur Erreichung desZiels ausreiche, sei angesichts der weit verbreiteten Mög-lichkeiten der Versendung von E-Mails insb. mit Mobilge-räten zweifelhaft, ob die Maßnahme als tauglich anzuse-hen sei.

Keine Erforderlichkeit: Zunächst hätte für das Amts-gericht nach § 26 FamFG eine Amtsermittlung dahin-

gehend nahegelegen, ob sich das Ziel, die E-Mail-Kom-munikation zu unterbinden, statt durch einen Grund-rechtseingriff zum Nachteil des Absenders nicht durchtechnische Maßnahmen auf Empfängerseite hätte erreichtwerden können, also durch eine client- oder servermäßigeSperre oder Aussortierung. Auch wenn der Verfasser ver-schiedene E-Mail-Adressen als Absender verwendet habe,seien diese nicht so zahlreich gewesen, als dass sie nichteffektiv hätten gesperrt werden können.

Händische Aussortierung: Eine entsprechend abgeänder-te interne Arbeitsweise der Polizei wäre das mildere Mittelgem. § 5 PolG BW gewesen. Auch hier sei wiederum zuberücksichtigen, dass die E-Mails des Absenders größten-teils wirr und unverständlich seien. Vor diesem Hinter-grund wäre es eine ressourcenschonende und der Priori-sierung wichtigerer Aufgaben entsprechende Vorgehens-weise der Polizei gewesen, die E-Mails des Absenders alsSofortmaßnahme zunächst ungelesen in ein gesondertesPostfach zu verschieben.

Konsequenzen für die Praxis

Gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2 PolG BW kann die Polizei eineWohnung nur durchsuchen, wenn Tatsachen die Annah-me rechtfertigen, dass sich eine Sache in der Wohnung be-findet, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden darf.Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW kann die Polizei eineSache u.a. beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz einesEinzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbarbevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oderOrdnung erforderlich ist.

Zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gehört der Be-stand des Staats und seiner Einrichtungen und deren un-gestörte Funktionsfähigkeit. Daher kann die Behinderungpolizeilicher Tätigkeit die öffentliche Sicherheit tangie-ren. Eine unmittelbar bevorstehende Störung im polizei-rechtlichen Sinn liege vor, wenn der Eintritt eines Scha-dens in nächster Zeit und mit an Sicherheit grenzenderWahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Bloße Belästigungen,Unbequemlichkeiten und Geschmacklosigkeiten werdenvon dem polizeilichen Gefahren- bzw. Schadensbegriffnicht erfasst.

BeraterhinweisVorliegende Entscheidung darf nicht darüber hinweg-täuschen, dass in anderen Fällen eine Wohnungsdurch-suchung durchaus zulässig sein wird. Denn die hän-dische Aussortierung von über hunderten E-Mails oderdie Einrichtung automatischer Systeme kann die Poli-zeiarbeit unerträglich beeinträchtigen, insb. wenn einEnde nicht abzusehen ist, unterschiedliche E-Mail-Adressen verwendet oder mehrere Absender aktiv wer-den. Immerhin lassen sich E-Mail-Adressen wesentlichleichter beschaffen als internetfähige Hardware.

RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln

ITRB 11/2016 Rechtsprechung 247

cr-online.de

Page 12: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Selbststudium nach § 15 FAO mit ITRB und davit:Zu diesem Beitrag finden Sie die Lernerfolgskon-trolle bis 30.6.2017 online unter www.itrb.de/15FAO.

>>>>>>Zulässige Weitergabe eines nicht aktiviertenProduktschlüssels

Ob der Erwerber zur Nutzung eines Produktschlüsselszur erstmaligen Herstellung eines Vervielfältigungs-stücks des Computerprogramms berechtigt ist, hängtallein davon ab, ob der Rechteinhaber dieser Vervielfäl-tigung zustimmt. Angebot und Verkauf des Produkt-schlüssels sind nur dann irreführend, wenn der Rechte-inhaber die Zustimmung verweigern wird. (red.)

OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.5.2016 – 6 W 42/16, rkr.(LG Frankfurt/M., Beschl. v. 31.3.2016 – 2-3 O 86/16)UWG § 5

Das Problem

Die Beschwerde wendet sich gegen die Weitergabe einesnoch nicht aktivierten und nicht zum Download des Pro-gramms benutzten Produktschlüssels durch einen Verkäu-fer als irreführend und unlauter, da der Erwerber keinRecht zum Download und zur bestimmungsgemäßenNutzung des Programms erhält bzw. soweit der Veräuße-rer nicht bestimmten Informationspflichten hinsichtlichder Ausgestaltung der Rechte des Erwerbers, der Existenzweiterer Programmkopien sowie der Vorerwerber nach-kommt. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts

Nein. Das Angebot sei nicht unlauter; es bestünden keineweiteren Informationspflichten.

Keine Irreführung: Irreführend sei das Angebot von Pro-duktschlüsseln nur dann, wenn feststehe, dass der Erwer-ber kein Recht zum Download des Programms und zurbestimmungsgemäßen Benutzung erhalte, etwa weil derRechtsinhaber die erforderliche Zustimmung zur Verviel-fältigung verweigern würde. Dazu sei hier aber nichts vor-getragen.

Keine Gebrauchtsoftware: Der Produktschlüssel dienehier der erstmaligen Herstellung eines Vervielfältigungs-stücks, nicht der unkörperlichen Weitergabe eines bereitsexistierenden Vervielfältigungsstücks i.S.d. UsedSoft-Rechtsprechung des EuGH und des BGH. Unter diesenUmständen stelle sich die Frage, ob in Bezug auf eine wei-tergegebene Programmkopie eine Erschöpfung des Ver-breitungsrechts des Rechtsinhabers eingetreten sei, hierebenso wenig wie die Frage, ob der Veräußerer eine beiihm verbliebene Programmkopie unbrauchbar gemachthabe.

Konsequenzen für die Praxis

Die nur knapp mit Sachverhalt versehene und begründeteEntscheidung des einstweiligen Rechtsschutzes differen-

ziert die Rechtsprechung zu den Fällen der Produktschlüs-selweitergabe.

Gebrauchtsoftwarehandel: Ist der Produktschlüssel akti-viert und bereits das versprochene Vervielfältigungsstücküberlassen worden, kommt die Used Soft-Rechtsprechung(EuGH, Urt. v. 3.7.2012 – Rs. C-128/11 – UsedSoft/Ora-cle, CR 2012, 496 = ITRB 2012, 171; BGH, Urt. v.17.7.2013 – I ZR 129/08 – UsedSoft II, CR 2014, 168 =ITRB 2014, 75; Urt. v. 11.12.2014 – I ZR 8/13 – Used-Soft III, CR 2015, 429; OLG Frankfurt, Urt. v. 5.4.2016 –11 U 113/15, CR 2016, 495 = ITRB 2016, 152; BGH, Urt.v. 19.3.2015 – I ZR 4/14 – Green-IT, CR 2015, 711 = ITRB2015, 277) zur Reichweite des urheberrechtlichen Er-schöpfungsgrundsatzes zur Anwendung, die den Weiter-verkauf (auch durch Nutzung oder Download eines wei-teren Vervielfältigungsstücks, dabei aber sogar Überlas-sung der aktuellen Version jedenfalls bei Bestehen einesPflegevertrages) unter bestimmten Voraussetzungen(Überlassung zur Nutzung zumindest für die gesamte Zeitder Funktionsfähigkeit des Programms, Inverkehrbringenmit Zustimmung des Rechtsinhabers in EU/EWR, Nach-weis der Lizenzkette und der vorherigen Entäußerung hin-sichtlich der Programmkopie, keine unzulässige Aufspal-tung von Server-Client Lizenzen) zulässt. Anders aberwohl bei Kombinationswerken aus Computerprogrammund z.B. Filmwerk (LG Berlin, Urt. v. 11.3.2014 – 16 O73/13, CR 2014, 291 = ITRB 2014, 155) oder Kopplungmit einem Benutzerkonto (BGH, Urt. v. 11.2.2010 – I ZR178/08 – Half Life 2, CR 2010, 565 = ITRB 2010, 222).

Nicht aktivierter Produktschlüssel: Ist dagegen lediglichein Produktschlüssel überlassen, der Produktschlüsselaber nicht aktiviert und der Download des Vervielfälti-gungsstücks noch nicht vollzogen worden, so kann derErsterwerber diesen bzw. das Recht auf den Downloadweiterverkaufen, soweit der Vertrag mit dem Rechteinha-ber nichts anderes (etwa in Form eines Abtretungs-/Wei-tergabeverbots) vorsieht und der Rechteinhaber denDownload ermöglicht.

BeraterhinweisIm Zusammenhang mit der Weiterveräußerung vonProduktschlüsseln kommen regelmäßig Ansprüche ausUrheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht sowie gegenden eigentlichen Vertragspartner auch aus Vertrag inBetracht. Dabei kann nicht nur mit Unterlassung-, Aus-kunfts-, Schadensersatz- sowie Vernichtungs-/Lö-schungsansprüchen, sondern in der Regel sogar ohneAbmahnung im einstweiligen Rechtsschutz auch mit ei-nem Sequestrationsanspruch auf Herausgabe der Pro-duktschlüssel an einen Gerichtsvollzieher gegen einenRechtsverletzer vorgegangen werden (LG Frankfurt/M.,Urt. v. 18.2.2015 – 2-06 O 431/14, CR 2015, 359 = ITRB2015, 185).

RA Thomas Elteste, LL.M., Frankfurt/M.

248 Rechtsprechung ITRB 11/2016

Page 13: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

>>>>>>Zulässige Verknüpfung mit Bildern Dritter inVerkaufsportal

Erscheinen Produkte eines Verkäufers mit von diesemnicht eingestellten oder aktiv verknüpften Lichtbildernauf einer Verkaufsplattform, ist dieser nicht Täter oderTeilnehmer und kann auch nicht als Störer auf Unter-lassung in Anspruch genommen werden. (red.)

OLG München, Urt. v. 10.3.2016 – 29 U 4077/15(LG München, Urt. v. 9.10.2015 – 21 O 1173/15)UrhG §§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a, 72 Abs. 1, 97 Abs. 1

Das Problem

Eine Herstellerin wandte sich gegen den Verkäufer ihrerProdukte auf einer Handelsplattform, weil bei den Ange-boten Produktabbildungen angezeigt wurden, deren ex-klusiven Verwertungs- und Nutzungsrechte bei der Her-stellerin liegen. Die Bilder wurden nicht von dem Händlereingestellt, sondern in der Datenbank der Plattform vor-gehalten und mit den entsprechenden Angeboten ver-knüpft.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Berufung der Herstellerin gegen das klageabweisendeUrteil der Vorinstanz wurde zurückgewiesen.

Keine Täterschaft oder Teilnahme: Der Händler sei we-der als Täter noch als Teilnehmer zur Unterlassung eineröffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) oder Ver-vielfältigung (§ 16 UrhG) verpflichtet. Er habe die Bildernicht i.S.v. § 19a UrhG vorgehalten, da dies erfordere, dassdie Bilder sich in seiner Zugriffssphäre hätten befindenmüssen. Auch ein Zueigenmachen scheide vorliegend aus.Anders als bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungs-ansprüchen komme es einzig auf die Vornahme der urhe-berrechtlichen Nutzungshandlung an. Für eine Teilnahmefehle es an einem bewussten und gewollten Zusammen-wirken des Beklagten mit dem Plattformbetreiber. Dieserentscheide vielmehr allein über die Verknüpfung von Bil-dern und Produkten. Eine Beihilfe sei schon aufgrund desfehlenden subjektiven Tatbestandes abzulehnen.

Keine Haftung als Störer: Auch eine Störerhaftung beste-he nicht. Der Händler habe schon keine Möglichkeit, aufden Plattformbetreiber einzuwirken, was daran deutlichwerde, dass auch nach Entfernung seiner Angebote dieBilder noch dort vorgehalten würden.

Konsequenzen für die Praxis

Das OLG München bestätigt mit dem vorliegenden Urteilseine bereits 2014 geäußerte Rechtsauffassung (OLGMünchen, Urt. v. 27.3.2014 – 6 U 1859/13, MMR 2014,694 ff.). Sollte sich diese Ansicht durchsetzen, würden dieInhaber der urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwer-tungsrechte regelmäßig auf den Plattformbetreiber als An-spruchsgegner verwiesen. Dessen Haftung in derartigenFällen wurde bereits durch das LG Berlin bestätigt (LGBerlin, Urt. v. 27.1.2015 – 16 O 279/14, ZUM-RD 2015,

741). Eine letztinstanzliche Entscheidung in dieser Sachesteht indes noch aus.

BeraterhinweisInhabern von Urheberrechten ist zu raten, genau zuanalysieren, wie und durch wen die auf Plattformen ge-zeigten Werke (i.d.R. Lichtbilder) bei Drittangebotenbereitgestellt und mit ihnen verknüpft wurden. Einevoreilige, weil nur auf den ersten Blick naheliegendeAbmahnung des Produktanbieters birgt Kosten- undZeitrisiken. Aber auch die Abmahnung des Plattform-betreibers ist aufgrund der nicht abschließend geklärtenRechtslage nicht risikolos.

Plattformbetreiber sind gut beraten, die Entwicklungder Rechtsprechung zu beobachten und in deren Lichteinerseits die Bildeinbindung durch die Anbieter unddie dahinterliegenden vertraglichen Grundlagen zu prü-fen und evtl. zu überdenken, um eine Eigenhaftung zuvermeiden bzw. im Fall einer solchen Haftung angemes-sene vertragliche Mechanismen vorzuhalten, um Re-gressansprüche durchsetzen zu können.

RA Dr. Niclas Kunczik, Köln

>>>>>>Keine Kündigung wegen Beleidigung durchEmoticons

Die Verbreitung von beleidigenden Emoticons in sozia-len Netzwerken kann grundsätzlich dazu geeignet sein,eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigungzu begründen. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Kün-digung setzt jedoch, jedenfalls bei langfristig beschäftig-ten Arbeitnehmern, eine vorherige Abmahnung voraus.

(red.)

LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.6.2016 – 4 Sa 5/16,rkr.BGB §§ 626 Abs. 1, 314 Abs. 2 i.V.m. 323 Abs. 2; KSchG§ 1 Abs. 2, 9 Satz 2

Das Problem

In der Kommentarfunktion eines Facebook-Posts in ei-nem öffentlichen Profil entwickelte sich eine lebhafte Dis-kussion, an der sich einige Mitarbeiter eines Unterneh-mens beteiligten. Einer der Arbeitnehmer postete Kom-mentare wie „Das fette Schwein dreht durch!!!“ oder „DerBärenkopf auch!!!“. Die Worte „Schwein“ und „Bär“ wur-den dabei jeweils mit einem passenden Emoticon dar-gestellt. Hiervon erlangte die Arbeitgeberin Kenntnis undidentifizierte in den so bezeichneten Personen zwei Vor-gesetzte des Arbeitnehmers. Sie kündigte das Arbeitsver-hältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LAG Baden-Württemberg hat die Entscheidung desArbG bestätigt und die Berufung als unbegründet zurück-gewiesen. Das Arbeitsverhältnis sei nicht durch Kündi-gung aufgelöst.

ITRB 11/2016 Rechtsprechung 249

cr-online.de

Page 14: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Wichtiger Grund: Die Beleidigung von Vorgesetzten imInternet könne an sich einen wichtigen Grund gem. § 626Abs. 1 BGB bilden (LAG München v. 8.8.2007 – 11 Sa469/06; LAG Schleswig-Holstein v 8.4.2010 – 4 Sa 474/09;Müller-Glöge in Erfurter Kommentar, Aufl./Jahr, § 626BGB Rz. 86). Dies gelte auch dann, wenn die Beleidigungmittels Emoticons in einem öffentlich einsehbaren Face-bookprofil erfolge.

Interessenabwägung: Ein Arbeitsverhältnis könne beiVorliegen eines wichtigen Grunds fristlos gekündigt wer-den, wenn die Gesamtwürdigung der beiderseitigen Inte-ressenlagen die Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeberunzumutbar mache. Die Interessenabwägung falle vorlie-gend gegen den Arbeitgeber aus. Insb. fehle es an einereinschlägigen Abmahnung.

Erforderlichkeit der Abmahnung: Unter Berücksichti-gung der Gesamtumstände wäre es ausreichend gewesen,den Arbeitnehmer abzumahnen. Das gelte vor allem dann,wenn wie vorliegend die Vertragsverletzung auf steuer-barem Verhalten des Arbeitnehmers beruhe und daraufschließen lasse, dass schon aufgrund der Androhung derBeendigung des Arbeitsverhältnisses eine wiederholte Ver-tragsverletzung nicht erfolgen werde. Aus dem auch in§ 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kom-menden Verhältnismäßigkeitsprinzip ergebe sich, dassauf eine Abmahnung nur verzichtet werden könne, wenneine Wiederholungsgefahr zu befürchten sei, die Pflicht-verletzung besonders schwer wiege und die erstmaligeHinnahme eine Unzumutbarkeit darstelle (BAG v.25.10.2012 – 2 AZR 495/11 AP). Zu bedenken sei hierbei,dass das Verbreitungsmedium Facebook einen besondersbreiten und unbekannten Adressatenkreis anspreche.Zudem habe der Arbeitnehmer keine Einflussmöglichkei-ten auf den Öffentlichkeitsstatus des Posts, da dieser sichnicht in seiner eigenen Chronik befunden habe. Der Öf-fentlichkeitsstatus könne durch wenige Klicks auch nach-träglich geändert werden. Andererseits habe der Arbeit-nehmer Spitznamen benutzt, die nur eingeweihte Per-sonen hätten zuordnen können. Aufgrund einer Abmah-nung habe der Arbeitnehmer Einsicht zeigen und die Un-rechtmäßigkeit seines Handelns erkennen können. Dafürsprächen auch 16 Jahre unbeanstandete Arbeitsleistungund die Tatsache, dass der Arbeitnehmer nicht im ständi-gen Kontakt mit seinen Vorgesetzten stehe. Darüber hi-naus würde eine Kündigung den leicht behinderten Ar-beitnehmer aufgrund seiner schwierigen sozialen Lage be-sonders schwer treffen. Daher sei auch eine hilfsweise or-dentliche Kündigung nicht sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2KSchG.

Konsequenzen für die Praxis

Die Arbeitsgerichte müssen sich zunehmend mit beleidi-genden Äußerungen via Facebook beschäftigen (ArbGDuisburg v. 26.9.2012 – 5 Ca 949/12; ArbG Hamburg v.18.9.2013 – 27 Ca 207/13; ArbG Mannheim v. 19.2.2016 –6 Ca 190/15). Die vorliegende Entscheidung macht deut-lich, dass nicht jede Beleidigung in sozialen Netzwerken

automatisch zu einer wirksamen (fristlosen) Kündigungführt. Unter dem vermeintlichen Schutz der Anonymitäteskalieren Diskussionen auf solchen Plattformen schnellund es werden Aussagen getroffen, die bei einer unmittel-baren Konfrontation oftmals nicht fallen würden. Einederartige Beleidigung ist damit keinesfalls akzeptabel, je-doch sind an den wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGBbesonders strenge Anforderungen zu stellen und insb. dieSchnelllebigkeit des Internets und das „Hochschaukeln“durch andere Nutzer in die Prüfung mit einzubeziehen.Darüber hinaus wird regelmäßig eine vorherige Abmah-nung erforderlich sein.

BeraterhinweisBei einer Beleidigung im Internet, bspw. über die Platt-form Facebook, ist eine Abmahnung oft unumgänglich,bevor eine verhaltensbedingte (fristlose) Kündigungausgesprochen werden kann. Es ist daher dringend zuempfehlen, zum Umgang mit sozialen Netzwerken be-reits Regelungen im Arbeitsvertrag oder in Betriebs-vereinbarungen vorzusehen. Sind dort bereits deutlicheWarnhinweise enthalten, kann nämlich eine Abmah-nung ggf. auch als nicht erforderlich angesehen werden,da der Arbeitnehmer dann damit rechnen muss, dasseine Billigung durch den Arbeitgeber schlechterdingsausgeschlossen ist. Im Übrigen sind dergestalt deutlicheWarnhinweise auch dazu geeignet, solchem Fehlverhal-ten von vorneherein vorzubeugen.

RA, FAArbR, Wirtschaftsmediator Bahram Aghamiri,WZR Wülfng Zeuner Rechel, Hamburg

250 Rechtsprechung ITRB 11/2016

So gehtFortbildungheute!Die Online-Fachseminareerfüllen §15 FAO

www.otto-schmidt.de/telelex

Page 15: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Beiträge für die Beratungspraxis

IT-Rechtsfragen aus der Praxis

Freunde finden: Zulässige Ausgestaltung von Empfehlungs-funktionen

Zugleich Besprechung von BGH, Urt. v. 14.1.2016 – I ZR 65/14

von Dr. Moritz Indenhuck/Henrike Strobl*

In der Entscheidung zur „Freunde finden“-Funktion des so-zialen Netzwerks Facebook zieht der BGH enge Grenzenfür die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit sog. Empfehlungs-E-Mails. Zudem formuliert er zugunsten der Nutzer Anfor-derungen an die erforderlichen Informationen bei der Be-reitstellung solcher Funktionen. Aus der Entscheidung las-sen sich Schlüsse für die rechtlich zulässige Ausgestaltungsog. Tell a friend-Funktionen ziehen.

I. AusgangssituationDer wirtschaftliche Erfolg sozialer Netzwerke steht undfällt mit der Anzahl ihrer Nutzer. Betreiber sozialer Netz-werke haben daher ein großes Interesse daran, so vieleNutzer wie möglich zu gewinnen. Was liegt näher, als zuversuchen, auf die „Netzwerke“ der einzelnen Nutzer zu-zugreifen?

Die Funktion „Freunde finden“ der Betreiberin des Inter-net-Netzwerks Facebook1 in Europa, zielt darauf ab, überdie Kontaktdaten von Facebook-Mitgliedern neue Nutzerzu gewinnen. Der BGH hat Anfang des Jahres entschie-den, dass die Versendung von E-Mails im Zusammenhangmit dieser Funktion sowie ihre (vormalige) Ausgestaltungwettbewerbswidrig waren.2

Die Entscheidung des BGH hat Breitenwirkung. Denn ne-ben Facebook, dem mit weltweit über 1,7 Mrd. Nutzerngrößten sozialen Netzwerk, verwenden auch andere An-bieter, bspw. LinkedIn und Twitter, ähnliche Funktionenwie „Freunde finden“. Außerdem versuchen neben sozia-len Netzwerken auch Onlineshops und sonstige Unter-nehmenswebseiten mit „Tell-a-friend“-Funktionen dienst-leistungs- oder produktbezogene Nachrichten an Dritte(Empfehlungs-E-Mails) zu versenden.3

Die „Freunde finden“-Entscheidung des BGH ist die dritteobergerichtliche Entscheidung zu Empfehlungs-E-Mails4

und die erste, in der diesbezügliche Unterlassungsansprü-che auf rein lauterkeitsrechtliche Erwägungen gestütztwerden. Zu den Anforderungen an Informationen für den

Nutzer von „Tell a friend“-Funktionen äußert sich derBGH hier zum ersten Mal.

II. SachverhaltIm Ausgangsverfahren vor dem LG Berlin – und in zwei-ter Instanz vor dem KG – hatte der klagende Bundesver-band der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände– Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) Face-book wegen der Funktion „Freunde finden“, der Aus-gestaltung der AGB sowie der Datenschutzrichtlinien aufUnterlassung in Anspruch genommen.5

Gegenstand der BGH-Entscheidung war noch die in denmittlerweile geänderten Registrierungsprozess eingebetteteFunktion „Freunde finden“. Im Verlauf dieses Registrie-rungsprozesses wurde der neue Nutzer gefragt, ob seineFreunde schon bei Facebook registriert sind. Es wurde er-läutert, dass der schnellste Weg, dies festzustellen, dasDurchsuchen des E-Mail-Accounts des Nutzers ist:

„Viele deiner Freunde sind schon hier: Das Durchsuchendeines E-Mail-Kontos ist der schnellste Weg, um deineFreunde bei Facebook zu finden.“

ITRB 11/2016 Freunde finden: Ausgestaltung von Empfehlungsfunktionen | Indenhuck/Strobl | Beiträge für die Beratungspraxis 251

cr-online.de

* Die Autoren sind Rechtsanwälte bei der Kanzlei lindenpartnersin Berlin.

1 Allgemein zum Umgang mit Daten durch Facebook unter demBlickwinkel des BDSG und des UWG: Buchner in Alexanderu.a., FS Köhler, 2014, S. 51.

2 BGH v. 14.1.2016 – I ZR 65/14, CR 2016, 596 = GRUR, 2016,946, gekürzt in MDR 2016, 1033.

3 Hierzu Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht derelektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, § 7 Rz. 140 ff.; Solmecke inHoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, 42. Erg.-Lfg. 2015,Teil 21.1 Rz. 59 ff.

4 Zuvor BGH v. 20.5.2009 – I ZR 218/07 – E-Mail-Werbung II,MDR 2009, 1234 = CR 2009, 733 = ITRB 2010, 56, und BGH v.12.9.2013 – I ZR 208/12 – Empfehlungs-E-Mail, CR 2013, 797 =ITRB 2014, 27.

5 KG v. 24.1.2014 – 5 U 42/12, CR 2014, 319 = ITRB 2014, 154;LG Berlin v. 6.3.2012 – 16 O 551/10, GRUR-RS 2012, 05714; ge-kürzt in CR 2012, 270.

Page 16: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Sodann konnte der Nutzer unter Angabe seiner E-Mail-Adresse und seines Passworts sowie durch Betätigung desButtons „Freunde finden“ das Durchsuchen seines E-Mails-Kontos veranlassen. Unterhalb des Buttons befandsich der als Link ausgestaltete Hinweis „Dein Passwortwird von Facebook nicht gespeichert“. Erst wenn der Nut-zer diesen Link betätigte, erschien ein Pop-up-Fenster mitfolgender Information:

„Wir können die E-Mail-Adressen, die Du mithilfe desImporteurs hochgeladen hast, dazu benutzen, um dir beider Vernetzung mit deinen Freunden zu helfen. Dies be-inhaltet auch das Generieren von Freundschaftsvorschlä-gen für dich und deine Kontakte auf Facebook.“

Nach Anklicken des „Freunde finden“-Buttons wurden ineinem ersten Schritt E-Mail-Kontakte des Nutzers, die be-reits Mitglieder bei Facebook waren, aufgelistet. Die E-Mail-Adressen seiner Kontakte, die nicht Mitglieder wa-ren, wurden importiert und ebenfalls in einer Liste ange-zeigt. Dort befand sich vor jedem Kontakt ein Feld mit ei-nem voreingestellten Häkchen, welches der Nutzer manu-ell entfernen konnte (Opt-out). Unterhalb dieser Liste sahder Nutzer zwei Buttons mit der Bezeichnung „Einladun-gen versenden“ bzw. „Überspringen“. Die ursprünglicheKlage stützte sich auf mehrere Einladungs-E-Mails, dieDritte nach Aktivierung der „Freunde finden“-Funktionerhielten, ohne dass sie in den Erhalt dieser E-Mails einge-willigt hatten.

III. EntscheidungDer BGH nahm zugunsten der vzbv einen wettbewerbs-rechtlichen Unterlassungsanspruch an und stützte diesenauf § 8 Abs. 1, 3 Nr. 3, § 7 Abs. 1, 2 Nr. 3 Fall 3 bzw. §§ 3,5 Abs. 1 UWG. Dabei hatte er zum einen über die lauter-keitsrechtliche Zulässigkeit des Versendens der Ein-ladungs- und Erinnerungs-E-Mails zu entscheiden (hierzuunter 1.). Dieser Komplex berührt das Verhältnis zumEmpfänger derartiger E-Mails. Zum anderen ging es – imHinblick auf das Verhältnis zum jeweiligen Facebook-Nutzer – darum, ob die (damalige) Ausgestaltung der„Freunde finden“-Funktion diesem gegenüber eine irre-führende geschäftliche Handlung darstellte (hierzu unter2.).

1. Wettbewerbsrechtliche Maßstäbe für den Versand

von Empfehlungs-E-Mails

Im Mittelpunkt des ersten Komplexes der Entscheidungstand die Frage, ob die beanstandeten Einladungs-E-Mailsgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG verstoßen. Nach dieser Vor-schrift sind geschäftliche Handlungen unzulässig, durchdie Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigtwerden. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 Fall 3 UWG ist eine unzu-mutbare Belästigung dabei stets anzunehmen bei Wer-bung in Form von elektronischer Post, die ohne vorherigeausdrückliche Einwilligung des Adressaten erfolgt.

Da es an einer solchen Einwilligung fehlte, musste derBGH untersuchen, ob die im Rahmen der „Freunde fin-den“-Funktion versandten E-Mails unter den Begriff derWerbung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG zu fassen sind (hier-

zu unter 1.1.). Ferner galt es zu klären, ob Facebook fürdie Versendung der Einladungs-E-Mails als Täterin haftet(hierzu unter 1.2.).

a) Belästigende Werbung

Ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch und unterBerücksichtigung von Art. 2 lit. a RL 2006/114/EG über ir-reführende und vergleichende Werbung versteht der BGHunter Werbung6 „jede Äußerung bei der Ausübung einesHandels, Gewerbes, Handwerkes oder freien Berufs mitdem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung vonDienstleistungen zu fördern“. Bereits aus der Rechtspre-chung des EuGH7 folge, dass diese besonders weite Defini-tion ganz unterschiedliche Werbeformen erfasse und kei-nesfalls auf „klassische“ Fälle von Werbung beschränktwerden könne.

Gemessen daran handele es sich bei den Einladungs-E-Mails um Werbung i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 3UWG (Tz. 29 ff.).8 Aus Sicht des angesprochenen Ver-kehrskreises (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UWG) diene die E-Mailauch dazu, den Adressaten auf das Angebot von Facebookaufmerksam zu machen und damit jedenfalls zugleich da-zu, den Absatz von Facebook zu fördern. Denn neben derInformation über die Facebook-Registrierung des Nutzersenthalte die E-Mail einen Hinweis auf die Möglichkeit ei-ner Registrierung bei Facebook und einen Link zur Regis-trierungsseite.

Nach Auffassung des BGH wird der werbliche Charakterder Einladungs-E-Mail nicht dadurch in Frage gestellt,dass ihre Versendung letztlich auf dem Willen des jeweili-gen Facebook-Nutzers beruht. Zwar könne es an einer be-lästigenden Werbung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG fehlen,wenn bei einer durch einen Dritten ausgesprochenenEmpfehlung der private Charakter der Mitteilung im Mit-telpunkt stehe. Hiervon sei aber grundsätzlich nicht aus-zugehen, wenn der Versand einer entsprechenden Mittei-lung mithilfe einer vom Unternehmer auf der eigenen In-ternetseite bereitgestellten Empfehlungsfunktion erfolge.Da eine derartige Funktion offensichtlich dazu diene,Dritte auf das eigene Leistungsangebot aufmerksam zumachen, sei der werbliche Charakter hier nicht anders zubeurteilen als bei vom Unternehmen unmittelbar selbstversandten Werbe-E-Mails. Auch die streitgegenständli-che „Freunde finden“-Funktion stelle insoweit keine Aus-nahme dar. Sie ziele zumindest auch darauf ab, die Adres-saten der Einladungs-E-Mails auf die Leistungen der Netz-

252 Beiträge für die Beratungspraxis | Freunde finden: Ausgestaltung von Empfehlungsfunktionen | Indenhuck/Strobl ITRB 11/2016

6 So schon BGH v. 20.5.2009 – I ZR 218/07 – E-Mail-Werbung II,MDR 2009, 1234 = CR 2009, 733 = ITRB 2010, 56; BGH v.12.9.2013 – I ZR 208/12 – Empfehlungs-E-Mail, CR 2013, 797 =ITRB 2014, 27.

7 EuGH v. 11.7.2013 – Rs. C-657/11 – Best/Visys, CR 2013, 794(795) = GRUR 2013, 1049, 1050, Tz. 35.

8 So schon zu Empfehlungs-E-Mails BGH v. 12.9.2013 – I ZR208/12 – Empfehlungs-E-Mail, CR 2013, 797 = ITRB 2014, 27;Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 7 Rz. 201;Schöler in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 3. Aufl.2013, § 7 Rz. 335; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016,§ 7 Rz. 67.

Page 17: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

werkbetreiberin aufmerksam zu machen. Dass der Nutzermöglicherweise zugleich ein rein privates Interesse daranhabe, seinen Freundeskreis bei Facebook zu erweitern, än-dere an diesem Ergebnis nichts.

Der BGH stellt in seiner Argumentation also nicht daraufab, ob bei der Funktion private oder kommerzielle Zweckeim Vordergrund stehen. Vielmehr soll bereits die Tatsa-che, dass die Funktion auch der Absatzförderung der Fa-cebook-Dienstleistungen dient, dazu führen, dass die überdie Funktion versandten Einladungen unter § 7 Abs. 2Nr. 3 Fall 3 UWG fallen.

b) Täter

Wie schon die Vorinstanz geht auch der BGH davon aus,dass Facebook als Täterin für die belästigende Werbunghaftbar ist (Tz. 39 ff.). Allerdings weicht er in seiner Be-gründung von der Argumentation des KG ab.

aa) KG

Das KG hatte geprüft, ob Facebook nach den vom BGH inder Entscheidung „Empfehlungs-E-Mail“ entwickeltenGrundsätzen als Täterin anzusehen ist. Nach diesenGrundsätzen haftet ein Unternehmen für von einem Drit-ten versandte Empfehlungen, wenn der Versand auf einegerade zu diesem Zweck zur Verfügung gestellte Weiter-empfehlungsfunktion des Unternehmens zurückgeht unddas Unternehmen beim Empfänger einer Empfehlungs-E-Mail als Absender erscheint.9 Nach Auffassung des KGfehlte es im vorliegenden Fall allerdings an der zweitenVoraussetzung. Nicht Facebook erscheine beim Empfän-ger der Einladungs-E-Mail als Absender, sondern der je-weilige Nutzer, der bei seiner Registrierung die E-Mail-Anschrift zur Verfügung gestellt habe.10

Eine solche Einladung sei jedenfalls dann dem privatenNutzer zuzurechnen, wenn dieser sich eigenverantwortlichzu ihrer Versendung entschließe. Der werbende Effektwerde dann durch den privaten Zweck der Einladungs-E-Mail verdrängt. Eine eigenverantwortliche Entscheidungkönne aber nur angenommen werden, wenn der Nutzersich in Kenntnis der wesentlichen Umstände zur Versen-dung der Einladungs-E-Mails entschließe. Dem Nutzer seidie entsprechende Kenntnis durch die streitgegenständli-che Registrierungsfunktion jedoch gerade nicht vermitteltworden. Er habe nicht erkennen können, dass mithilfe dervon ihm zur Verfügung gestellten E-Mail-Adressen auchPersonen kontaktiert werden sollten, die noch nicht Nut-zer von Facebook seien. Aufgrund der im Verlauf der Re-gistrierung mitgeteilten Informationen sei dies nicht hin-reichend deutlich erkennbar. Da es somit an einer eigen-verantwortlichen Entscheidung des Nutzers fehle, hafteFacebook als Täterin.

In der Sache begründet das KG die Verantwortlichkeitvon Facebook danach mit den Grundsätzen der mittel-baren Täterschaft. Indem Facebook den Nutzer über denKreis der potentiellen Empfänger der Einladungs-E-Mailsim Unklaren lässt, steuert es den Geschehensablauf.11

bb) BGH

Der BGH gelangt mit geringerem Aufwand zum selbenErgebnis. Nach seiner Auffassung muss sich Facebook dieEinladungs-E-Mails bereits nach den in der Entscheidung„Empfehlungs-E-Mail“12 entwickelten Grundsätzen zu-rechnen lassen. Anders als die Vorinstanz angenommenhabe, sei unter Berücksichtigung des maßgeblichen Ver-kehrsverständnisses davon auszugehen, dass die Adressa-ten der Einladungs-E-Mails erkennen würden, dass derVersand auf den Betreiber des sozialen Netzwerks zurück-gehe, der mit der Mitteilung auf seine Dienstleistungenaufmerksam machen wolle. Hierzu sei auf den Gesamt-eindruck der Einladungs-E-Mail abzustellen.13 Neben denAngaben des Absenders seien die Mitteilung über die Ein-richtung eines Facebookprofils durch den Absender, dieweiteren Textbestandteile der Nachricht sowie ihre äußereGestaltung einzubeziehen. Dafür, dass die Empfänger derEinladungs-E-Mails die Netzwerkbetreiberin als Absende-rin wahrnähmen, spreche bereits, dass in der Nachrichtnicht die private E-Mail-Adresse des jeweiligen Nutzers,sondern lediglich ein Funktionspostfach angegeben sei.Auch sei die Einladungs-E-Mail nur vordergründig alspersönliche Nachricht des Nutzers ausgestaltet. DerAdressat einer solchen Nachricht werde aber schon wegender deutlichen Hinweise auf das Angebot von Facebookund angesichts des erkennbar vorformulierten Texts da-von ausgehen, dass der Versand der E-Mail auf Facebookzurückgehe.

In tatsächlicher Hinsicht dürfte dies der Erfahrung dermeisten Internetnutzer entsprechen: Kaum jemand, derschon einmal eine von einer Empfehlungsfunktion gene-rierte Einladungs-E-Mail erhalten hat, wird wohl ernsthaftdavon ausgegangen sein, dass es sich dabei um eine vomjeweiligen Nutzer individuell erstellte Einladung handelte.Rechtlich wird man das Urteil an dieser Stelle als Fortent-wicklung der in der Entscheidung „Empfehlungs-E-Mail“aufgestellten Grundsätze begreifen müssen. Absender unddamit Täter i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist nicht nur der-jenige, in dessen Namen eine Einladungs-E-Mail versen-det wird. Absender kann vielmehr auch sein, wer aus Sichtdes Durchschnittsempfängers maßgeblichen Einfluss aufdie Gestaltung einer solchen Mitteilung nimmt, um hier-durch auf die von ihm angebotenen Dienstleistungen auf-merksam zu machen.

ITRB 11/2016 Freunde finden: Ausgestaltung von Empfehlungsfunktionen | Indenhuck/Strobl | Beiträge für die Beratungspraxis 253

cr-online.de

9 BGH v. 12.9.2013 – I ZR 208/12 – Empfehlungs-E-Mail, Tz. 23,CR 2013, 797 = ITRB 2014, 27.

10 KG v. 24.1.2014 – 5 U 42/12, CR 2014, 319, 321 = ITRB 2014,154.

11 Im Entscheidungstext wird der Rückgriff auf die Figur der mit-telbaren Täterschaft allerdings nur angedeutet, vgl. KG v.24.1.2014 – 5 U 42/12, CR 2014, 319 (321 f.) = ITRB 2014, 154.

12 BGH v. 12.9.2013 – I ZR 208/12 – Empfehlungs-E-Mail, CR2013, 797 = ITRB 2014, 27.

13 So schon BGH v. 18.1.2012 – I ZR 104/10, GRUR 2012, 942.

Page 18: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

2. Wettbewerbsrechtliche Anforderungen an Kontakt-

funktionen

Soweit der BGH darüber zu entscheiden hatte, ob die da-malige Ausgestaltung der „Freunde finden“-Funktionwettbewerbswidrig war, kam ein Anspruch des vzbv aus§ 8 Abs. 1 Satz1, Abs. 3 Nr. 3, §§ 3, 5 Abs. 1 UWG in Be-tracht.

a) Geschäftliche Handlung

Hierzu war zunächst zu klären, ob es sich bei der Bereit-stellung der „Freunde finden“-Funktion im Rahmen desRegistrierungsvorgangs um eine geschäftliche Handlungi.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG handelt. Nach der dortigenLegaldefinition umfasst diese „jedes Verhalten einer Per-son zugunsten des eigenen oder eines fremden Unterneh-mens [...] vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss,das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs vonWaren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschlussoder der Durchführung eines Vertrags über Waren oderDienstleistungen objektiv zusammenhängt“. Richtigerwei-se war bei der Subsumtion unter diesen Zentralbegriff desLauterkeitsrechts14 allein das Merkmal des „objektivenZusammenhangs“ näher in den Blick zu nehmen. Weilder Begriff der „geschäftlichen Handlung“ den Anwen-dungsbereich des Lauterkeitsrechts gegenüber dem all-gemeinen Deliktsrecht abgrenze, sei er funktional zu ver-stehen.15 Demnach müsse die Handlung darauf gerichtetsein, „durch Beeinflussung der geschäftlichen Entschei-dung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmerden Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungendes eigenen oder eines fremden Unternehmens zu för-dern.“16

Dem BGH zufolge zielt die hier fragliche Handlung – insb.die Angaben zu Gegenstand und Funktionsweise der„Freunde finden“-Funktion im Rahmen des Registrie-rungsprozesses – gleich in zwei Richtungen auf die För-derung des Absatzes von Dienstleistungen (Tz. 69): Zumeinen solle sie den Nutzer dazu veranlassen, durch Betäti-gung der „Freunde finden“-Funktion eine weitere Leis-tung der Betreiberin in Anspruch zu nehmen, nämlich dieAuswertung seines E-Mail-Kontos im Hinblick auf Kon-taktdaten. Neben der Auswertung stellten auch der Importder Kontaktdaten sowie das Generieren von Freund-schaftsvorschlägen Dienstleistungen des Netzwerks dar,deren Absatz gefördert werden sollte. Zum anderen be-zwecke die so ausgestaltete „Freunde finden“-Funktion,den Absatz der Dienstleistungen gegenüber Dritten – denKontakten des Nutzers, die noch nicht Facebook-Mitglie-der sind – zu fördern.

Auch wenn diese Absatzförderung erst in einem zweitenSchritt möglich ist und davon abhängt, dass der Nutzerdie „Freunde finden“-Funktion und den „Einladungenversenden“-Button betätigt, ändert dies nichts an der Ziel-setzung der Handlung. Damit ist klargestellt, dass ein un-mittelbarer Kausalzusammenhang zwischen der Handlungund der Absatzförderung nicht erforderlich ist.17 Zweckder hier relevanten Handlung ist es, Dritten werblicheNachrichten18 zukommen zu lassen und damit den Ab-satz zu fördern. Dies ist angesichts der Ausführungen des

BGH im ersten Teil der Entscheidung nur konsequent. So-fern man die Versendung von Einladungs-E-Mails anDritte als Werbung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG begreift,19

wird man auch die der Versendung vorgeschaltete Bereit-stellung der entsprechenden Funktion als geschäftlicheHandlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ansehen müssen.

b) Unlautere Irreführung

Problematischer war die Frage, ob das beanstandete Ver-halten eine unlautere Irreführung i.S.d. § 5 Abs. 1 Sätze 1,2 Nr. 1 UWG darstellt (Tz. 71 ff.). Dies ist nach ständigerRechtsprechung der Fall, wenn die Handlung „geeignetist, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Ver-kehrskreise irrige Vorstellungen hervorzurufen und die zutreffende Marktentschließung in wettbewerblich relevan-ter Weise zu beeinflussen“.20

Bei der Subsumtion stellt der BGH zu Recht darauf ab, obder Facebooknutzer irregeführt wird. Das KG hatte zu-sätzlich noch einen Irrtum des Empfängers der Empfeh-lungs-E-Mail angenommen.21 Diese Frage war nach Auf-fassung des BGH nicht vom entsprechenden Klageantragumfasst, da dieser sich allein auf den Registrierungsvor-gang bezog. Angaben im Zusammenhang mit dem Regis-trierungsvorgang könnten aber denknotwendig nur eineFehlvorstellung beim Facebooknutzer, nicht beim Emp-fänger der E-Mail auslösen.

Im Folgenden stellt der BGH anhand der einzelnen Schrit-te bei Betätigung der „Freunde finden“-Funktion fest, dassder Nutzer nicht hinreichend darüber unterrichtet wurde,dass die Betreiberin die Daten nutzt, um nicht bei Face-book registrierten Dritten Einladungs-E-Mails zukommenzu lassen. Wie schon das KG geht auch der BGH davonaus, dass der Hinweis im ersten Schritt des Registrierungs-vorgangs unter der Überschrift „Sind deine Freunde schonbei Facebook?“ bereits aufgrund seines Wortlauts vomVerkehr so aufgefasst wird, dass es nur um die Suche nachschon bei Facebook registrierten Kontakten geht. Die hier-durch hervorgerufene Fehlvorstellung des Nutzers werdeim weiteren Verlauf des Registrierungsprozesses nichtausgeräumt. Der unter dem „Freunde finden“-Button an-gebrachte Hinweis, „Dein Passwort wird von Facebook

254 Beiträge für die Beratungspraxis | Freunde finden: Ausgestaltung von Empfehlungsfunktionen | Indenhuck/Strobl ITRB 11/2016

14 Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 2 Rz. 3.15 BGH v. 14.1.2016 – I ZR 65/14 – Tz. 67, GRUR 2016, 946, 952 =

CR 2016, 596; zuvor BGH v. 10.1.2013 – I ZR 190/11, CR 2013,592, Tz. 17; BGH v. 11.12.2014 – I ZR 113/13 – Bachblüten,MDR 2015, 782, Tz. 21 = CR 2015, 540 = ITRB 2015, 228 =GRUR 2015, 694, 969.

16 BGH v. 14.1.2016 – I ZR 65/14 – Tz. 67, CR 2016, 596 = GRUR2016, 946, 952.

17 Zum Begriff des Kausalzusammenhangs Köhler in Köhler/Born-kamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 2 Rz. 47.

18 Zum Begriff der Werbung s. BGH v. 14.1.2016 – I ZR 65/14 –Tz. 26 ff., CR 2016, 596 = GRUR 2016, 946 (949) = MDR 2016,1033, hier unter II.1.1.1.

19 S.o. unter II.1.1.1.20 Vgl. nur BGH, v. 10.4.2014 – I ZR 43/13, GRUR 2014, 1114,

m.w.N.21 KG v. 24.1.2014 – 5 U 42/12, CR 2014, 319 (322) = ITRB 2014,

154.

Page 19: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

nicht gespeichert“, könne nicht als Hinweis über den tat-sächlichen Umgang mit den E-Mail-Kontaktdaten ver-standen werden. Deshalb könne schon nicht angenommenwerden, dass der Nutzer diesen Hinweis betätige. Dochselbst wenn er dem nachgehe, könne er den folgenden An-gaben nicht entnehmen, dass an nicht bei Facebook regis-trierte Personen Einladungs-E-Mails versendet würden.Soweit die Datenschutzrichtlinien des Netzwerks darüberaufklärten, sei nach der Lebenserfahrung davon auszuge-hen, dass sie dem Nutzer – sollte er sie überhaupt gelesenhaben – während des Registrierungsvorgangs nicht gegen-wärtig seien. Schließlich erfahre der Nutzer auch anhandder Liste mit seinen Kontakten nicht, dass an nicht bei Fa-cebook registrierte Personen E-Mails versendet würden.Denn in dem Fall, dass keiner seiner Kontakte bei Face-book registriert sei, sehe er nur eine Liste. Diese räumeden Eindruck, es werde nur nach Facebook-Mitgliederngesucht, nicht aus.

Letztlich sei die so hervorgerufene Fehlvorstellung überdie Art und den Umgang mit den Kontaktdaten von nichtFacebook-Mitgliedern auch wettbewerblich relevant.Denn sie sei geeignet, die Entscheidung des Nutzers überdie Preisgabe von Kontaktdaten zu beeinflussen. Art undUmfang der zu erwartenden Nutzung der eigenen Datenund solcher Daten, aus denen Rückschlüsse auf Kontaktezu Dritten geschlossen werden könnten, stellten ein fürdie Inanspruchnahme von Leistungen eines Social-Media-Dienstes wie Facebook wesentliches Kriterium dar, das fürdie Entschließung des potentiellen Nutzers, die angebote-ne Leistung in Anspruch zu nehmen, von erheblicher Be-deutung sei.22 Die Ansicht, dass die angenommene Nut-zung eigener und fremder Daten für die Entscheidung ei-nes Nutzers bei seiner Entscheidung für eine Dienstleis-tung von maßgeblicher Bedeutung ist, dürfte angesichtsihrer Allgemeinheit weit über den Komplex der Empfeh-lungs-E-Mails und der „Tell a friend“-Funktionen hinausAuswirkungen zugunsten des Verbraucherschutzes ha-ben.

Auffällig ist hier, dass der BGH – anders als das KG23 unddas LG24 – ausdrücklich offen lässt, ob die Entscheidungbezüglich der Ausgestaltung der „Freunde finden“-Funk-tion auch auf datenschutzrechtliche Erwägungen gestütztwerden könnte.25

IV. Bewertung und Empfehlungen für die PraxisIm Mittelpunkt des Urteils stehen Grundbegriffe desWettbewerbsrechts, die der BGH genau durchdekliniert.

Den Begriff der Werbung legt er in Festigung seinerRechtsprechung zur Empfehlungs-E-Mail weit aus. Insb.spielt es für ihn keine Rolle, ob die E-Mail teils auch pri-vaten Charakter hat, solange sie werbliche Elemente um-fasst. Kurz: Enthält eine generierte Empfehlungs-E-Mailauch werbliche Anteile, stellt sie in aller Regel Werbungi.S.d. UWG dar, ohne dass es darauf ankommt, ob ihrewerbliche oder private Natur im Vordergrund steht. Die-ser Ansatz lässt sich ohne weiteres auf ähnliche Marke-tingformen übertragen, bei denen Kunden angehaltenwerden, Dritte mit dem Angebot eines Unternehmens in

Berührung zu bringen. Es kann damit gerechnet werden,dass es hier künftig zu einer verstärkten Überprüfungdurch Verbraucherschützer und Gerichte kommen wird.Ob dabei der häufig auch private Charakter solcher Funk-tionen wirksam in Stellung gebracht werden kann, er-scheint fraglich.26 Zwar soll es nach dem BGH an einemVerstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG fehlen, wenn bei ei-ner Empfehlung der private Charakter einer Mitteilug imVordergrund steht. Bei Empfehlungsfunktionen dürftedas aber nur selten anzunehmen sein.

Auch einer Haftung als Täter werden sich Unternehmen,die auf ihren Webseiten Empfehlungsfunktionen bereit-halten, künftig nur noch schwer entziehen können. Insb.reicht es – anders als noch nach dem KG – nicht längeraus, eine solche Funktion für den Nutzer transparent zugestalten. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass der be-troffene Adressatenkreis die entsprechende Nachricht alsMitteilung des jeweiligen Nutzers begreift. Auch hier sinddie Anforderungen hoch. Es kommt etwa nicht allein da-rauf an, wer als Absender der E-Mail erscheint.

Die transparente Ausgestaltung von Empfehlungsfunk-tionen ist nach dem BGH hingegen unter dem Aspekt derunlauteren Irreführung des Nutzers zu berücksichtigen.Der Nutzer muss vor Abgabe seiner Empfehlung über Artund Umfang der Datennutzung informiert werden. DieAngaben dürfen nicht hinter missverständlichen Verlin-kungen versteckt werden. Ausführungen in den Nut-zungsbedingungen oder in der Datenschutzerklärung rei-chen hierzu alleine nicht aus.

Möchte ein Unternehmen trotz dieser strengen Vorgabeneine entsprechende Funktion einrichten, sollten mit Blickauf das Lauterkeitsrecht27 folgende Punkte berücksichtigtwerden:

Checkliste

£ Die Empfehlungs-E-Mail sollte keine eindeutig werblichen

Aspekte enthalten (etwa Verlinkungen auf Registrierungs-

seiten, Versprechungen etc.).

£ Als Absender der Empfehlungs-E-Mail sollte zumindest

auch der Nutzer mit seiner privaten Adresse erscheinen.

£ Der Nutzer sollte Einfluss auf die Gestaltung des Texts

und die Auswahl des Adressatenkreises haben. Auf die au-

tomatische Vorgabe der Empfängeradressen sollte ver-

zichtet werden. Wird ein vorformulierter Text verwendet,

ITRB 11/2016 Freunde finden: Ausgestaltung von Empfehlungsfunktionen | Indenhuck/Strobl | Beiträge für die Beratungspraxis 255

cr-online.de

22 BGH v. 14.1.2016 – I ZR 65/14 – Tz. 63, CR 2016, 596 = GRUR2016, 946.

23 KG v. 24.1.2014 – 5 U 42/12, CR 2014, 319 (322 ff.) = ITRB2014, 154.

24 LG Berlin v. 6.3.2012 – 16 O 551/10, GRUR-RS 2012, 05714,Tz. 32 ff.; gekürzt in CR 2012, 270 (272); hierzu s.a. Wieczorek,WRP 2012, 539 (540).

25 BGH v. 14.1.2016 – I ZR 65/14 – Tz. 63, CR 2016, 596 = GRUR2016, 946 (952).

26 Dazu Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 7 Rz. 67.27 Darüber hinaus berühren Empfehlungsfunktionen auch ver-

schiedene datenschutzrechtliche Fragestellungen, auf die hiernicht näher eingegangen werden kann. Vgl. hierzu insb. KG v.24.1.2014 – 5 U 42/12 = CR 2014, 319 (325) = ITRB 2014, 154.

Page 20: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

sollte der Nutzer diesen ändern oder zumindest zwischen

Alternativtexten wählen können.

£ Der Nutzer sollte vor Abgabe seiner Empfehlung vollstän-

dig und verständlich über die Verwendung seiner Daten

und den Ablauf der Empfehlungsfunktion informiert wer-

den. Ein entsprechender Hinweis sollte unmittelbar im

Zusammenhang mit der Betätigung der Funktion erteilt

werden.

Insgesamt hat der BGH durch ein weites Verständnis derhier relevanten Begriffe des Lauterkeitsrechts den Ver-braucherschutz gestärkt. Für die Betreiber von Webseitengilt, dass sie weiter innovative Werbeformen wie „Tell afriend“-Funktionen anbieten können, dabei aber strengeAnforderungen beachten müssen.

Hinweise zur Vertragsgestaltung

Gestaltung von Pflegeverträgen für Individualsoftware

Vertragliche Unterschiede zur Standardsoftwarepflege aus Anbieter- und Anwendersicht

von Dr. Bernhard Hörl/Stefan Braun*

Softwarepflege wird in aller Regel auf der Basis von Verträ-gen vereinbart, die auf die Pflege von Standardsoftware zu-geschnitten sind. Solche Pflegeverträge aus dem Standard-softwarebereich werden in der Praxis mangels passenderMuster oft auch als Vorlage für die Individualsoftwarepfle-ge herangezogen. Das führt sowohl für den Anwender alsauch für den Anbieter zu rechtlichen Unsicherheiten, weiles zwischen der Standardsoftwarepflege und der Pflege vonkundenspezifischer Individualsoftware wesentliche Unter-schiede gibt. Der Beitrag zeigt getrennt aus Anbieter- undAnwendersicht auf, worin diese Unterschiede bestehen undwelchen Einfluss sie auf eine interessengerechte Vertrags-gestaltung haben. Die Unterschiede und ihre vertraglichenAuswirkungen hängen entscheidend von zwei zentralenWeichenstellungen ab, die in der Praxis viel zu selten aus-reichend thematisiert werden.

1. Interessenlage der Parteien und zentrale Wei-chenstellungen

a) Anbieterinteressen

Zur geschäftlichen Nutzung einer Software (Individual-wie Standardsoftware) ist der Anwender darauf angewie-sen, dass sein aufgrund des Softwareüberlassungsvertragserworbenes Produkt auf Dauer die mit der Software ver-bundenen Geschäftsvorgänge für seine Zwecke zuverlässigabdeckt und damit seine Investition in die Softwareschützt. Der Vorteil der Standardsoftwarepflege liegt fürden Anbieter in der Standardisierung seiner Prozesse füreine Vielzahl von Kunden, bei der dem einzelnen Anwen-der im Regelfall nur die vom Anbieter einseitig festgelegteund standardisierte Pflegeleistung (Hotfixes, Updates undoptional Upgrades und neue Releases) als Dienstleistungangeboten wird. Demgegenüber handelt es sich bei derPflege von Individualsoftware um die Wartung einer nichtreleasefähigen Software, deren Code individuell auf einenspeziellen Anwender zugeschnitten ist. Pflegeleistungenfür solche Individualsoftware sind genauso kundenspezi-

fisch und individuell wie die ursprüngliche Planung undProgrammierung der Individualsoftware.

Während bei Standardsoftware Dritte durchaus in derLage sein können – z.B. basierend auf einer offenen Platt-form – bestimmte Softwarepflegeleistungen anzubietenoder als Zwischenhändler solche Produkte zu verkaufen,sind Pflegevertragspartner (Anbieter und Anwender) ei-ner Individualsoftware dieselben, die auch die Individual-softwareerstellung miteinander kontrahiert haben. Pfle-geanbieter bei der Individualsoftware ist mit anderenWorten also der Softwareersteller selbst, nicht nur einZwischenhändler. Die zentrale Herausforderung für ihnist, auf welche Weise er das für die Individualsoftwarepfle-ge erforderliche Know-how und mit welchen Ressourcener die nötigen Arbeitskapazitäten vorhält. Schließlich istdie Pflege von Individualsoftware eine langfristige, oft vie-le Jahre andauernde Aufgabe, die aber kein kontinuierli-ches, sondern eher fallbezogen projekthaftes Tätigwerdenfür nur einen einzigen Anwender erfordert. Diese indivi-duelle Ressourcen- und Kapazitätsplanung des Anbie-ters stellt Weichen nicht nur für den verfügbaren Leis-tungsumfang der Pflegeleistungen, sondern bestimmtauch das Vergütungsmodell, die Vertragsdauer und ande-re zentrale Punkte.

b) Anwenderinteressen

Ein Anwender greift zu maßgeschneiderter Individualsoft-ware entweder, wenn er am Markt keine kommerziell er-hältliche Standardsoftware findet, die seinen Bedürfnissenhinreichend gerecht wird. Dieser Anwender ist der Erst-kunde, von dem aus die für ihn entwickelte Individual-software vielleicht später zum Standard weiterentwickelt

256 Beiträge für die Beratungspraxis | Gestaltung von Pflegeverträgen für Individualsoftware | Hörl/Braun ITRB 11/2016

* Dr. Bernhard Hörl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht in Stuttgart. Stefan Braun ist General Counsel EMEA beiDiebold Nixdorf und Fachanwalt für IT-Recht in Paderborn.

Page 21: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

wird. Oder der Anwender entscheidet sich bewusst gegenStandardsoftware und trotz potentiell höherer Gesamtkos-ten für eine individuelle Lösung, weil er sich davon einenWettbewerbsvorteil oder den Schutz seines Geschäftspro-zess-Know-hows verspricht.

Dieser Unterschied in der Motivation der Anwender istwichtig, denn nur die Erstkunden können mit der Stan-dardisierung und Verbreitung ihrer Individualsoftware le-ben, die Know-how-Beschützer hingegen nicht. DieseWeichenstellung spielt sowohl für die Pflegekosten der In-dividualsoftware als auch für die Pflegevertragsgestaltungeine ganz entscheidende Rolle, denn schließlich verteiltdie Überführung einer Individualsoftware in eine Stan-dardsoftware die Pflegekosten auf die Schultern aller An-wender.

2. Leistungsbeschreibung

a) Anbietersicht

Im Zentrum jeder Softwarepflege steht die Fehlerbehe-bung durch den Anbieter. Bei der Pflege von geschäftskri-tischer Standardsoftware sind vertragliche Zusagen zurReaktion und Fehlerbeseitigung (sog. Service Level) desAnbieters marktüblich. Die unterschiedlichen Reaktions-und Fehlerbehebungszeiten in diesen Service Levels wer-den von der Schwere des Fehlers bestimmt. Um solcheZusagen eingehen zu können, muss der Anbieter ein qua-lifiziertes Mitarbeiterteam vorhalten, das Fehlermeldun-gen entgegennimmt, analysiert und zur Fehlerkorrekturbei Bedarf den Softwarecode ändert. Demgegenüber ver-fügt der Anbieter der Individualsoftware nur für den Zeit-raum eines konkreten Softwareerstellungsprojekts überein qualifiziertes Team von Entwicklern, das sich kurzfris-tig um solche Belange kümmern könnte. Nach Abschlussdes Softwareentwicklungsprojekts ist mit der Gesamt-abnahme dieser Umfang an qualifizierten Ressourcennicht mehr verfügbar und nur für einen einzelnen Anwen-der auf Abruf auch nicht wirtschaftlich tragbar, weil kaumein Anwender bereit ist, die anfallenden Vorhaltekostenkomplett zu übernehmen.

Hier sollten Anbieter darauf achten, dass unter einer fes-ten monatlichen Servicepauschale nur die Überlassungder Bug Fixes und maximal das Ausarbeiten von Work-arounds zum Standardleistungsinhalt zählen. Sobald derAnbieter an einer konkreten qualitätsgesicherten Behe-bung eines Softwarefehlers und der Migration in die Indi-vidualsoftwareumgebung des Anwenders arbeitet, solltedies unter einem gesondert zu vergütenden Projektauf-trag erfolgen und gesondert vergütet werden. Währendbei der Standardsoftware eine kundenunabhängige Umge-bung zur Reproduzierbarkeit einer Fehlermeldung füreine schnelle Identifikation von echten Softwarefehlernmöglich ist, kann eine solche klare Trennung in der Mi-grationsumgebung der Individualsoftware beim Anwen-der häufig nicht durchgeführt werden.

BeraterhinweisDie Fehlerbeseitigungen stellt funktional immer eineFortschreibung der Individualsoftware dar, welche derAbnahme durch den Anwender unterliegen kann und

aus Sicht des Anbieters auch unter eine Prüfungs- undAbnahmeverpflichtung des Anwenders gestellt werdensollte. Die Abnahme führt hierbei zu einer klaren Been-digung des kleinen Softwareprojekts, welches zur Feh-lerbeseitigung oder Erweiterung der Funktionalitätenim Rahmen eines neuen Releases aufgesetzt wurde. Dierechtliche Wirkung der Abnahme ist aber auch die un-verzügliche Kontrolle der Leistung. Hierdurch wird derAnwender im Rahmen des § 640 BGB in die Lage ver-setzt, eventuelle Fehler zur Kenntnis zu nehmen, so dassdie Verjährungsfristen der Mangelhaftung zu laufen be-ginnen.

b) Anwendersicht

Neben der Fehlerbehebung können Pflegeleistungen auchdie Weiterentwicklung der Individualsoftware umfassen.Anders als bei Standardsoftware muss das bei der Pflegevon Individualsoftware jedoch immer ausdrücklich ver-einbart werden, denn der Anbieter wird die individuali-sierte Software nicht ohne einzelnen Auftrag des Anwen-ders funktional erweitern. Ist für den Anwender absehbar,dass seine Individualsoftware während der Pflegedauerweiterentwickelt werden muss (z.B. in Form von zusätzli-chen Modulen, Plattformerweiterungen, Mehrsprachig-keit), so ist er gut beraten, das als gemeinsames Ziel imPflegevertrag so konkret wie möglich zu fixieren. Zugleichsollte er den Anbieter vertraglich verpflichten, diese Wei-terentwicklungen auf Wunsch umzusetzen, denn der An-wender ist auf den Anbieter angewiesen.

Erstkunden sollten zudem darauf achten, dass sie vonkünftigen Weiterentwicklungen profitieren können, dieder Anbieter bei der Überführung der ursprünglich indivi-dualisierten Software in eine Standardsoftware erstellt.Das heißt zum einen, dass sich der Erstkunde ein Recht(aber nicht die Pflicht) zur – möglichst kostenfreien –Nutzung künftiger standardisierter Softwarereleases ein-räumen lässt. Zum anderen sollte der Erstkunde wirt-schaftlich davon profitieren,1 dass der Anbieter sich durchdie Standardisierung weitere Umsatzquellen für die Soft-ware erschließt, deren Erstentwicklung ihm der Erstkundevoll bezahlt hat.

BeraterhinweisWeiterentwicklungsaufträge sind in aller Regel nichtmit Pflegepauschalen abgegolten, sondern müssen vomAnwender zusätzlich vergütet werden. Weil der Anwen-der vom Anbieter abhängig ist, sollte er versuchen, imPflegevertrag zumindest Vergütungsgrundsätze (Pau-schalpreise, Tagessätze oder ähnliches) auch für Zu-satzaufträge wie Erweiterungen der Individualsoftwarezu verankern. Wichtig ist es zudem, den Anbieter zurAnpassung der Software an neue gesetzliche oder regu-

ITRB 11/2016 Gestaltung von Pflegeverträgen für Individualsoftware | Hörl/Braun | Beiträge für die Beratungspraxis 257

cr-online.de

1 In Frage kommt dafür z.B. eine Rückvergütung vom Anbieter anden Erstkunden, deren Höhe von den Softwareumsätzen desAnbieters mit anderen Anwendern abhängt. Denkbar ist auchdie Reduktion der Softwarepflegekosten für den Erstkunden, so-bald der Anbieter seine Pflegeaufwände auf die Schultern meh-rerer Anwender verteilen kann.

Page 22: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

latorische Bedingungen zu verpflichten, so dass der An-bieter hier das volle Leistungsrisiko der rechtlichenNutzbarkeit der Software für den vereinbarten Einsatz-zweck während der gesamten Pflegedauer trägt.

3. Vergütung

a) Anbietersicht

Die Softwarepflege ist zunächst als Nachfolgeleistung zueinem abgeschlossenen Erstellungsvertrag von Individual-softwareprogrammierung mit einem neuen eigenen Ver-gütungsmodell anzubieten. Hierzu eignen sich sowohl dieregelmäßige monatliche oder jährliche Vergütung untereiner Dienstverpflichtung mit entsprechender Laufzeit alsauch die Kalkulation nach tatsächlichem Aufwand oderprojektbezogener Pauschalvergütung pro Überarbeitungmit werkvertraglichem Charakter. Der Anbieter kann hiernach seiner eigenen Interessenlage das passende Angebotfür den Anwender zusammenstellen, abgestimmt auf seinejeweilige Ressourcen- und Kapazitätsplanung.

Dem Anbieter stehen auf rechtlicher Seite bereits währendder Gewährleistungsfrist genügend Gründe zur Seite, dieLeistung unter einem Wartungsvertrag als einen erhebli-chen Mehrwert gegenüber der gesetzlichen Gewährleis-tungsverpflichtung anbieten zu können. Dies beginnt be-reits bei der Möglichkeit des Anwenders zur Fehlermel-dung. Eine gesetzliche Vorgabe für die Art, wie der Fehlerschnellstmöglich angenommen werden muss, gibt esnicht. Im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung geltennur die offiziellen vom Anbieter angegeben Kontaktadres-sen, also zunächst Post und Fax für den wirksamen Zu-gang einer Fehlermeldung. Bei der telefonischen Meldungeines Fehlers im Rahmen der Gewährleistung hat der An-wender keinen Anspruch auf einen kompetenten An-sprechpartner und eine weitere Bearbeitung. Dies ist beider Softwarepflege mit Erreichbarkeit eines telefonischenHelpdesk oder einer softwaregestützten Kontaktaufnahmezur Fehleranzeige mit den entsprechenden Tools ganz an-ders und für den Anwender wesentlich komfortabler.

b) Anwendersicht

Vom Ansatz her möchte der Anwender nur konkret er-brachte Pflegeleistungen vergüten. Für Fehlerbehebung inder Individualsoftware will der Anwender also dem An-bieter keine Vorhaltekosten erstatten und wird argumen-tieren, dass die Vorhaltekosten bspw. für ein Team, dasFehler entgegennimmt und behebt, nur anfallen, weil inder ursprünglich erstellten Software noch Fehler enthaltensind. Über diesen Punkt wird oft intensiv verhandelt, bisein Kompromiss gefunden ist, mit dem beide Parteienwirtschaftlich leben können.

Umfasst die Individualsoftwarepflege nur die Fehlerbehe-bung, so hat der Anwender gute Argumente, während derGewährleistungsdauer des ursprünglichen Software-gewerks keine Pflegevergütung für die eigentlichen Arbei-ten des Anbieters an gemeldeten Fehlern zu zahlen.Schließlich kann der Anwender aus dem Softwareerstel-lungsvertrag die unentgeltliche Behebung dieser Fehlerverlangen, denn vom Ansatz her ist jeder Fehler in der

Software ein gewährleistungspflichtiger Mangel im Sinnedes Erstellungsvertrags. Als Nacherfüllungsanspruch istdas mit der Vergütung für die Softwareerstellung abgegol-ten, und aus Sicht des Anwenders ist nicht einzusehen,dass dieselbe Leistung ein zweites Mal in Form von Pflege-vergütung bezahlt werden soll. In diesen Konstellationenwird der Anwender im Rahmen der Pflege allenfalls fürdas Vorhalten eines Helpdesks o.Ä. bezahlen wollen.

BeraterhinweisHier sind beim Pflegevertrag die Interessengegensätzeder Parteien denkbar groß und Kompromisse schwer zuerzielen. Deshalb ist es für alle Beteiligten ratsam, dasVerhältnis der Gewährleistung aus dem Erstellungsver-trag zu den Pflegeleistungen und ihrer Vergütung nichterst zu später Zeit im Pflegevertrag zu thematisieren,sondern gleich zu Beginn im Erstellungsvertrag. Sinn-vollerweise werden der Erstellungsvertrag und der Pfle-gevertrag zeitgleich geschlossen und gerade in diesemPunkt sorgfältig synchronisiert, so dass ein wirtschaftli-cher Kompromiss in beiden Verträgen verankert ist.

4. RechteregelungDie Regelung der Nutzungsrechte an Updates, Upgradesund anderen Pflegeergebnissen einer Individualsoftwarefolgt in aller Regel der Einigung über die Nutzungsrechteaus dem Softwareerstellungsvertrag. Welche Rechterege-lung für Pflegeergebnisse im konkreten Fall angemessenund sachgerecht ist, hängt zentral von der Weichenstel-lung ab, ob die erstellte Individualsoftware über die ge-samte Pflegedauer für den einen Anwender maßgeschnei-dert bleiben soll (das ist zentral für den Know-how-Schutzdieses Anwenders) oder ob sie vom Anbieter in einenSoftwarestandard überführt und sukzessive auch anderenAnwendern zugänglich gemacht werden soll. Letzteres istbei Erstkunden das Ziel.

Beachten Sie: In der Praxis werden zum Teil Pflegever-tragsmuster verwendet, die überhaupt keine Nutzungs-rechtsklauseln beinhalten. Das ist nicht empfehlenswert,weil dann die Nutzungsrechte der Parteien an den Pfle-geergebnissen durch Auslegung (des Pflegevertrags undauch des ursprünglichen Beschaffungsvertrags) ermitteltwerden müssen. Diese Auslegung bringt Unsicherheitenund Streitpotential. Jeder Softwarepflegevertrag sollte eineeigene Nutzungsrechtsklausel enthalten, und sei es auchnur in Form eines einfachen klarstellenden Verweises aufdie Rechteregelung des vorangehenden Softwareerstel-lungs- oder -überlassungsvertrags, soweit diese auch fürsämtliche nachfolgenden Pflegeergebnisse passt.

a) Anbietersicht

Der Anwender hat sich u.U. im Erstellungsvertrag mitden ausschließlichen Nutzungsrechten an der Individual-software einen Wettbewerbsvorteil gesichert und will da-mit verhindern, dass die von ihm bereits bezahlten Ar-beitsergebnisse anderen Mitbewerbern ebenfalls zur Ver-fügung gestellt werden. Auch diese Konstellation solltedem Anbieter die Möglichkeit belassen, an verwendetenZwischenergebnissen, Tools und Werkzeugen ein weiter-gehendes eigenes Verwertungsrecht zu behalten und diese

258 Beiträge für die Beratungspraxis | Gestaltung von Pflegeverträgen für Individualsoftware | Hörl/Braun ITRB 11/2016

Page 23: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

in die eigene Standardsoftware für andere Anwender inte-grieren zu dürfen, soweit dadurch kein schützenswertesKnow-how des ersten Anwenders offenbart wird. Der An-bieter einer Individualsoftware stellt dem Anwender imRahmen ausschließlicher Nutzungsrechte im Regelfall nurdie endgültigen Arbeitsergebnisse zur Verfügung und soll-te sich deshalb immer vorbehalten, alle Zwischenergebnis-se, Methoden, Ideen, eigenes Know-how und seine Toolsauch für andere Anwender einsetzen zu können. Diese an-deren Anwendern überlassenen Elemente dürfen, auchaus Gründen der Vertraulichkeit der Geschäftsgeheimnis-se des Anwenders, keine 1:1-Kopie der individuellen Ar-beitsergebnisse für den Anwender sein, sondern allenfallseigenständige Ableitungen aus Zwischenergebnissen undeigenem Know-how des Anbieters.

Einem Erstkunden sollte der Anbieter anbieten, die Indi-vidualsoftware mit jeder Lieferung der Updates und Up-grades immer mehr in einen Standard zu überführenund damit die Migrationsaufwände des Erstkunden zu re-duzieren, sobald die Software ihre Marktreife als Stan-dardprodukt erreicht hat und der Anbieter andere Pflege-kunden gewonnen hat. Entscheidend für den Anbieter istes, diesen Standard möglichst weitgehend selbst bestim-men zu können und diese Freiheit auch im Pflegevertragzu verankern. Je freier der Anbieter den künftigen Stan-dard selbst definieren kann, desto flexibler ist er in derAusrichtung der Standardsoftware, etwa bei Entschei-dungen zu Plattform, Systemanforderungen, Funktionali-tät, Softwarearchitektur, Schnittstellen usw. Im Gegenzugmuss der Erstkunde auf die ausschließlichen Nutzungs-rechte an den Weiterentwicklungen verzichten, so dassder Anbieter für alle Anwender hieraus einen Mehrwertziehen kann. Nur über eine solche Überführung in denStandard kann der Anwender von der Möglichkeit regel-mäßiger Upgrades profitieren, da diese vom Anbieter nurfür die Standardsoftware im Rahmen seiner marktabhän-gigen Software-Roadmap angeboten werden können. Un-verzichtbar für den Anbieter ist deshalb im Pflegevertragmit einem Erstkunden eine präzise Rechteregelung, dieden Übergang der Individualsoftware in eine künftigeStandardsoftware in der Rechtehoheit des Anbieters vor-bereitet und ermöglicht.

b) Anwendersicht

Aus Anwendersicht muss die Rechteregelung im Pflege-vertrag die Investitionsentscheidung des Anwenders fürseine maßgeschneiderte Individualsoftware und gegenStandardsoftware schützen. Das bedeutet konkret, dassder Softwarepflegevertrag die Nutzungs- und Verwer-tungsrechte nicht aushebeln oder schmälern darf, die derAnwender im ursprünglichen Erstellungsvertrag an derIndividualsoftware erworben hat.

Wer als Anwender sein schützenswertes Know-how in dieIndividualsoftware eingebracht hat und es darin dauerhaftschützen will, muss darauf bestehen, dass keine Pflegeleis-tung die Exklusivität seiner ursprünglichen Nutzungs-rechte beeinträchtigt. Dazu können auch Mitspracherech-te bei der Pflege und Fortentwicklung der Individualsoft-ware gehören, etwa bei der Entscheidung, ob Open Sour-

ce-Elemente in den Softwarecode integriert werden dürfenoder ob eine neue Schnittstelle oder Funktion individuellprogrammiert oder über einen zugekauften Standardbau-stein realisiert wird. Solche Mitspracherechte und Vor-gaben sind natürlich Kostentreiber, weil sie die Flexibilitätdes Anbieters in der Arbeit am Softwarecode mehr oderweniger stark einschränken. Wer sich als Anwender des-sen bewusst ist und sich gerade für eine maßgeschneiderteIndividualsoftware entscheidet, hat mit der Rechterege-lung im Erstellungsvertrag und im Pflegevertrag die pas-senden Stellschrauben, um sein eingebrachtes Know-howund seinen Wettbewerbsvorteil dauerhaft zu schützen.Das kann im Extremfall so weit gehen, dass der Anbieterzugunsten des Anwenders spezielle Arbeitsvertragszusät-ze mit seinen angestellten Softwareentwicklern vereinbart,um die Rechteübertragung an den Anwender und dessenKnow-how-Schutz bestmöglich abzusichern.

Für den Erstkunden ist der umfassende Schutz seiner er-worbenen Softwarerechte nicht so wichtig. Im Gegenteilist der Erstkunde daran interessiert, im Rahmen der Pflegemöglichst rasch und gut wirtschaftlich davon zu profitie-ren, dass die Individualsoftware in einen Softwarestandardfür viele Anwender überführt wird.2 Der Erstkunde mussin diesem Fall aber gleichzeitig sicherstellen, dass trotznachfolgender Standardisierung und Marktausrichtungdie Software auch seine Bedürfnisse dauerhaft erfüllt. Dasist nicht nur ein Thema der Rechteregelung im Pflegever-trag, sondern sollte auch in der Leistungsbeschreibungverankert werden, bspw. durch Festschreibung von Min-destfunktionalitäten, Schnittstellen, Performancewerten,die der Anbieter trotz Standardisierung dauerhaft beibe-halten muss.

5. FazitDie dargestellten Besonderheiten der Individualsoftware-pflege, welche nach dem Abschluss des Softwareentwick-lungsprojekts zwischen den gleichen Parteien zu einerÜberleitung in ein Dauerschuldverhältnis führt, verlangenim Vergleich mit dem Pflegevertrag für Standardsoftware-pflege zusätzliche und abweichende Regelungen. Diese Re-gelungen müssen für jeden Pflegevertrag maßgeschneidertwerden und sind maßgeblich bestimmt von den Weichen-stellungen, wie der Anbieter die Pflegeleistungen operativerbringt und kalkuliert und warum sich der Anwender füreine Individuallösung anstelle einer Standardsoftware ent-schieden hat. Diese Weichenstellungen müssen die Partei-en vor dem Vertragsabschluss offen miteinander bespre-chen, sonst sind Missverständnisse und unpassende Ver-träge vorprogrammiert. Sind die Entscheidungen erst ein-mal transparent getroffen, lassen sich auch scheinbar ge-gensätzliche Interessen der Parteien in den kommerziellenKernpunkten der Softwarepflege (Leistungsbeschreibungund Service Level, Vergütung, Rechteregelung) zu trag-fähigen Kompromissen zusammenführen, die einer lang-fristigen Pflegebeziehung die nötige Stabilität geben.

ITRB 11/2016 Gestaltung von Pflegeverträgen für Individualsoftware | Hörl/Braun | Beiträge für die Beratungspraxis 259

cr-online.de

2 S. dazu oben 2.b).

Page 24: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Mehr zum Thema: Die Überlassung bzw. Erstellung und die Pflegevon Standard- und Individualsoftware werden, jeweils aus Anbie-ter- und aus Anwendersicht, von verschiedenen Autoren ausführ-

lich dargestellt in Intveen/Gennen/Karger (Hrsg.), Handbuch desSoftwarerechts – Softwareverträge aus Anbieter- und Anwender-sicht, das 2017 im Deutschen AnwaltVerlag erscheinen wird.

§ 15 FAO Selbststudium Rechtliche Grenzen der Suchmaschi-nenoptimierung

SEO: Rechtsprechung und Konsequenzen für die Praxis

von Dr. Thomas Engels*

Die Bedeutung von Suchmaschinen für den Erfolg einer In-ternetseite ist groß. Es gibt kaum eine gewerblich betriebeneInternetpräsenz, wie z.B. einen Webshop, der nicht daraufangewiesen ist, in Suchmaschinen zu den einschlägigenSuchbegriffen auf den vorderen Rängen aufzutauchen. Ne-ben bezahlten Suchmaschinenanzeigen sind die sog. organi-schen Suchergebnisse eine sichere Möglichkeit, um Besucherauf die eigene Internetseite zu lenken. Der Beitrag zeigt ei-nige vertragliche und gesetzliche Hürden auf dem Weg indie oberen Suchmaschinenplätze.

I. AusgangssituationUnter dem Begriff des Suchmaschinenmarketings werdeneine Vielzahl von Maßnahmen verstanden, die in ihrerGesamtheit dazu dienen sollen, mehr Besucher auf eineInternetseite zu bringen. Unterteilt werden diese Maßnah-men zunächst in den Bereich der Suchmaschinenwer-bung (Search Engine Advertising, SEA) und den hier be-handelten Bereich der Suchmaschinenoptimierung(Search Engine Optimization, SEO). Daneben existierennoch eine Vielzahl von Hilfsmaßnahmen, wie bspw. dasTracking von Besuchern, um deren Verhalten bessernachvollziehen und die eigene Internetseite optimal da-rauf abstimmen zu können. Diese Leistungen werden amMarkt von einer unüberschaubar großen Zahl an Agentu-ren angeboten, die sich darauf spezialisiert haben.

II. Verträge über SuchmaschinenoptimierungDie Positionierung in den Ergebnissen einer Suchmaschi-ne basiert auf der Relevanz, die eine Suchmaschine der je-weiligen Seite beimisst, und ist das Ergebnis eines geheimgehaltenen Algorithmus. Bemessungsgrundlage ist dabeider Inhalt der Seite (On-Page) und die Wahrnehmbarkeitder Seite aufgrund von Hyperlinks, die zu ihr führen (Off-Page).1

1. Vertragstypologie

a) Off-Page-Maßnahmen

Mit den Off-Page-Maßnahmen hat sich das LG Ambergauseinandergesetzt und die Frage beurteilt, welchem Ty-pus ein Vertrag zuzuordnen ist, der das Setzen von sog.Backlinks, also Verweisen auf eine bestimmte Internetsei-te, vorsieht.2 Das Gericht hat diesen Vertrag als Werkver-trag i.S.d. § 631 BGB angesehen und dazu ausgeführt,

dass die Verpflichtung, über einen Zeitraum von drei Mo-naten hinweg 684 Backlinks zu einem monatlichen Entgeltvon 177 € zu setzen, in der Herbeiführung eines Erfolgsbesteht und nicht nur ein bloßes Bemühen geschuldet ist.Unerheblich sei, ob das Setzen dieser Backlinks ohne wei-teres möglich sei oder ob die jeweiligen Seitenbetreiber,bei denen die Links anzubringen seien, dem noch hättenzustimmen müssen.

Das OLG Köln ist bei seiner Bestimmung des Vertrags-typus’ eines SEO-Vertrags zu einem abweichenden Ergeb-nis gekommen und hat entschieden, dass ein solcher Ver-trag dem Dienstvertragsrecht unterfällt.3 Allerdings warder Leistungsumfang auch ein anderer. Ausweislich desVertrags hätten sich die Verpflichtungen nicht allein aufeine Optimierung des Webshops beschränkt. Vielmehrhätten die Parteien einen Marketingvertrag geschlossen,der den Webshop über verschiedene Vertriebswege habebewerben und vermarkten sollen. So sei auch die Schal-tung von Suchmaschinenanzeigen vereinbart worden.Auch die Leistungsinhalte Affiliate Marketing und die Lis-tung bei den einschlägigen Preissuchmaschinen würdenvor allem in der Zusammenschau mit der Vereinbarungdes monatlich zu entrichtenden Pauschalhonorars Marke-tingaktivitäten beschreiben, bei denen nicht etwa der Ent-wurf einer Anzeige oder eines Vertragswerks mit demWerbepartner als werkvertragliche Leistung im Vorder-grund stehe, sondern die eine Dienstleistung zum Inhalthätten. Das Bündel der einzelnen unterschiedlichen Ele-mente war hier ausschlaggebend um Dienstvertragsrechtanzunehmen.

b) On-Page-Maßnahmen

Die Durchführung von On-Page-Maßnahmen war Gegen-stand einer Entscheidung des LG Köln, das ebenfalls überdie vertragstypologische Einordnung zu entscheiden hat-te.4

260 Beiträge für die Beratungspraxis | Rechtliche Grenzen der Suchmaschinenoptimierung | Engels ITRB 11/2016

* Dr. Thomas Engels, LL.M., ist Fachanwalt für IT-Recht und alsRechtsanwalt in Köln tätig.

1 Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl.2015, UWG, § 4 Rz. 299.

2 LG Amberg, Urt. v. 22.8.2012 – 14 O 417/12.3 OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 16.1.2014 – 19 U 149/13.4 LG Köln, Urt. v. 20.2.2015 – 12 O 186/13.

Page 25: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Neben den unstreitig zu erbringenden Leistungen im Be-reich der Erstellung von Texten für eine Internetseite unddazugehörigen Programmierleistungen war aber auch eineVielzahl anderer Leistungen Gegenstand des Vertrags,nämlich die Beratung, das Schalten von Online-Werbe-mitteln (z.B. Banner), die Suchmaschinenwerbung (SEA,z.B. Google-Adwords/Facebook), das Affiliate undNewsletter Marketing sowie eine umfassende Beratungund Analyse. Zudem wurden die Leistungen als „Flatrate“zu einem Pauschalpreis erbracht.

Neben der Bezeichnung des Vertrags als Dienstvertrag,der allerdings nur Indizwirkung zukomme, begründe auchdie Vertragsstruktur eine Einordnung als Dienstvertrag.Ein wesentlicher Teil dieser Leistungen bestehe aus On-linemarketingmaßnahmen, die dienstvertraglich zu quali-fizieren seien, weil lediglich ein Tätigwerden – etwa all-gemeines Projektmanagement, Beratung, Suchmaschinen-optimierung und -werbung – geschuldet sei. Die Verfüg-barkeit auch werkvertraglich zu qualifizierender Leistun-gen begründe hingegen nicht eine Einordnung als Werk-vertrag insgesamt.

2. Urheberrecht

Unabhängig von der Einordnung als Dienst- oder Werk-vertrag spielt auch die Einordnung des jeweiligen Arbeits-ergebnisses eine Rolle. Soweit nämlich On-Page-Maßnah-men, vor allem also die Erstellung von suchmaschinen-optimierten Texten, geschuldet sind, stellt sich die Fragenach der rechtlichen Einordnung dieser Texte.

Das OLG Rostock hat solchen Texten Werkqualität bei-gemessen und daher einen urheberrechtlichen Schutz fürdiese Art von Texten angenommen.5 Sie unterstünden alsSprachwerke dem Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Zwarweise die auf den Webseiten verwendete Alltagssprache ansich keine Besonderheiten auf. Die sprachliche Gestal-tung führe jedoch dazu, dass die Webseiten bei Eingabeder entsprechend plakativen Suchwörter in die Such-maschine Google unter den ersten Suchergebnissen er-scheine. Weil die Suchmaschinen im Internet ihre Ergeb-nisse auf der Grundlage der in den Quelltexten enthalte-nen sog. Metatags sowie dem Auftreten der Suchbegriffeim Dokumententitel oder in Überschriften sortierten,komme der zielführenden Verwendung der Sprache beider Suchmaschinenoptimierung erhebliche Bedeutung zu.

Um gleichwohl für eine gewisse Dauer die Auflistung derWebseiten an der Spitze der Suchergebnisse zu erreichen,bedürfe es daher besonderer Kenntnisse und Fähigkeitenbei der Gestaltung des Internetauftritts. Darin liege diepersönliche geistige Schöpfung gem. § 2 Abs. 2 UrhG. DieAuswahl, Einteilung und Anordnung der Suchbegriffeaus der Alltagssprache auf den Webseiten und im Quell-text bildeten hier die individuelle schöpferische Eigenheitdes gestalteten Internetauftritts. Die Gestaltung mit Mit-teln der Sprache erreiche die für die Urheberrechtsschutz-fähigkeit hinreichende Gestaltungshöhe, denn sie überstei-ge deutlich das Schaffen eines durchschnittlichen Webde-signers.

In ähnlicher Weise argumentierte auch das OLG Düssel-dorf zu einem Internetwerbetext für Roben.6

3. Vertragsgestaltung

Die einschlägigen Entscheidungen haben erhebliche Fol-gen für die Gestaltung der Verträge mit der jeweiligenAgentur. So muss verhandelt werden, was genau geschul-dete Leistung sein soll und wie diese Leistung rechtlich zubewerten ist. Insb. ist darauf zu achten, dass die häufig an-zutreffende Zusage, dass man unter die ersten Suchtreffergelangt, auch tatsächlich verankert und ggf. mit entspre-chenden Pönalen versehen ist, wenn das Dienstvertrags-recht auf anderem Wege keine Ansprüche bietet.

Der Aspekt der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit vonTexten muss auch bei der Vertragsgestaltung beachtetwerden; sinnvollerweise lässt sich der Seitenbetreiber um-fassende Rechte einräumen, die es ihm ermöglichen, imeigenen Namen gegen mögliche Mitbewerber vorzugehen,die sich bei den spezifischen Texten bedienen und dieseeinfach kopieren.

III. Grenzen der SuchmaschinenoptimierungIm Ergebnis beruht die Technik der Suchmaschinenopti-mierung auf der Beeinflussung eines unbekannt arbeiten-den Algorithmus’ und damit auf dem Ausnutzen be-stimmter Techniken, die sich bekanntermaßen positivauswirken. Dieses Ausnutzen von Techniken ist jedochrechtlichen Grenzen unterworfen, die im Wettbewerbs-recht, aber auch – und vor allem – im Markenrecht liegen.

1. Wettbewerbsrecht

Das OLG Hamm hatte in einer wettbewerbsrechtlichenAuseinandersetzung darüber zu entscheiden, ob das Ein-setzen von suchmaschinenbeeinflussenden Techniken zueinem Unterlassungsanspruch führen kann.7 Konkret ginges um das Erstellen einer Vielzahl von vermeintlich leerenInternetseiten, die nur für Suchmaschinen sichtbaren Textenthielten, um den Mitbewerber von den ersten Positio-nen zu bestimmten Suchbegriffen zu verdrängen. Hierinkönne eine gezielte wettbewerbsrechtliche Behinderungliegen, die jedoch nicht allgemein auf die verwendeteTechnik gestützt werden könne. Vielmehr könne das Ver-wenden von allgemeinen Begriffen noch als zulässig ange-sehen werden. Unzulässig sei aber das Verwenden vonNamen eines Konkurrenten, um diesen aus den erstenSuchergebnisrängen zu verdrängen.

2. Markenrecht

In markenrechtlicher Hinsicht hatte der BGH vor zehnJahren schon ähnliche Fragestellungen zu entscheiden. Sowurde das Verwenden von fremden Marken in Metatags,also den nicht sichtbaren Steuerbegriffen für Suchmaschi-nen, als Markenverletzung angesehen.8 Gleiches entschied

ITRB 11/2016 Rechtliche Grenzen der Suchmaschinenoptimierung | Engels | Beiträge für die Beratungspraxis 261

cr-online.de

5 OLG Rostock, Beschl. v. 27.6.2007 – 2 W 12/07.6 OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.5.2014 – I-20 U 174/12.7 OLG Hamm, Urt. v. 18.6.2009 – 4 U 53/09.8 BGH, Urt. v. 18.5.2006 – I ZR 183/03.

Page 26: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

der BGH auch für die „weiße Schrift auf weißem Grund“,die auch nur dazu eingesetzt wurde, um Suchmaschinenzu beeinflussen.9 Auch andere Techniken, wie z.B. dieVerwendung von Marken im Alternativtext für Bilder, diebei barrierefreien Internetseiten und bei rein textbasierterBetrachtung zum Einsatz kommen, wurden als Marken-verletzung angesehen.10

Neuere gerichtliche Entscheidungen setzen sich jedochmit wesentlich ausgeklügelteren Techniken auseinanderals der bloßen Nennung von fremden Marken im Quell-text.

a) Kombinierte Trefferliste

Das OLG Frankfurt hatte über On-Page-Maßnahmen,nämlich über die Beeinflussung des Verhaltens eines aufder eigenen Webseite eingesetzten Suchalgorithmus‘, zuentscheiden.11 Die Beeinflussung führte dazu, dass beiEingabe eines bestimmten Markenbegriffs und Betätigungder Suchfunktion der Seite unter einer die Marke wieder-holenden Überschrift eine Trefferliste erschien, in derauch Angebote nicht vom Markeninhaber stammenderWaren erschienen. Sie wurden nicht abgesetzt, sondernim Rahmen einer einheitlichen Ergebniszusammenstel-lung angezeigt und ließen sich nicht unschwer als Wett-bewerbsprodukte erkennen.

Hierin liege eine Verletzung der Herkunftsfunktion ei-ner Marke. Die Verwendung einer Marke als Suchworthabe, anders als die Verwendung eines Gattungsbegriffs,dem Wesen nach die Funktion, Produkte dieser Marke alsSuchergebnis herauszufiltern. Wer in einem Kaufhausnach Produkten einer Marke frage, der erwarte, dass ihmder Verkäufer auch diese Markenprodukte und nicht de-ren Konkurrenzprodukte zeige. Die Beeinträchtigung derHerkunftsfunktion liege dann sowohl beim virtuellen wieauch beim physischen Einkauf darin, dass dem Interessen-ten auf die konkrete Frage nach dem Markenprodukt un-gefragt die Wettbewerbsprodukte präsentiert würden.

b) Lenkung auf andere Hersteller

In gleicher Weise urteilte auch das OLG Köln.12 Durchden Einsatz eines Algorithmus‘, mit dessen Hilfe interes-sierte Kunden auf bestimmte Angebote gelenkt würden,nach denen sie nicht direkt gesucht hätten, verlasse dieBetreiberin der Seite die Rolle einer reinen Plattform-betreiberin und könne sich daher nicht darauf zurückzie-hen, die betreffenden Angebote seien nicht von ihr, son-dern Dritten in die Plattform eingestellt worden. Sie haftedaher jedenfalls als Mittäterin für die aufgrund ihres Algo-rithmus’ eintretenden Rechtsverletzungen.

Internetnutzer, die auf einer Verkaufsplattform, von dersie wüssten, dass dort Produkte unterschiedlicher Herstel-ler angeboten würden, ein ihnen geläufiges Zeichen alsSuchwort eingäben, erwarteten in erster Linie, dass ihnenProdukte, die unter diesem Zeichen vertrieben würden,angeboten würden. Sie kämen nicht ohne weiteres auf denGedanken, dass ihnen ausschließlich Produkte andererHersteller, die zu dem Markeninhaber keinerlei Beziehungaufwiesen, vorgeschlagen würden, solange sie keinen aus-

drücklichen Hinweis in dieser Richtung erhielten. Wiede-rum in Analogie zum Kaufhausbesuch geht das Gerichtdavon aus, dass der Kunde, der einen Verkäufer nach demStuhl „X“ fragt, vielleicht noch damit rechnet, dass ihmder Verkäufer auch „Y“ und „Z“ anbietet. Er erwarte abernicht, dass ihm der Verkäufer stillschweigend nur dieStühle „Y“ und „Z“ vorstellt, ohne zumindest einleitenddarauf hinzuweisen: „,X‘ haben wir leider nicht. Aber,Y‘und,Z‘ sind vergleichbar.“. Insoweit gibt das OLG Kölnaber auch einen Ausblick, wie die Gestaltung hätte aus-sehen können, indem es ausführt, dass etwa sinngemäßein Hinweis wie folgt angebracht gewesen wäre: „Ihre Su-che ergab keine Treffer. Folgende Produkte könnten Sieauch interessieren: ...“.

c) Zwischenspeicherung von Suchanfragen

Mit Off-Page-Maßnahmen hatte sich der BGH in der Ent-scheidung „Poster-Lounge“ auseinanderzusetzen.13 Be-troffen war der Betreiber einer Onlineverkaufsplattform,der eine Technik eingesetzt hatte, mit der auf der Platt-form durchgeführte Suchen von Benutzern zwischen-gespeichert wurden. Diese Zwischenspeicherung führtedazu, dass die Seiten von Google in den Suchindex auf-genommen und angezeigt wurden, wenn der gesuchte Be-griff darin vorkam. So wurde die Plattform unter den vor-deren Ergebnissen in der Suchmaschine aufgeführt, ohnedass auf der damit verlinkten Seite oder an anderer Stelleauf der Plattform die Waren des Markeninhabers erhält-lich waren.

Dieses Verhalten hat der BGH als ausreichend angesehen,um eine Haftung des Plattformbetreibers sogar als Täterder Markenverletzung anzunehmen. Die aktive Beeinflus-sung des Ergebnisses des Auswahlverfahrens einer Inter-netsuchmaschine im eigenen wirtschaftlichen Interesseführe zu einer Tatherrschaft über den Lebenssachverhalt,der zu der streitgegenständlichen Markenverletzung ge-führt habe.

Die Entscheidung des BGH erfasst nicht nur das Betäti-gungsfeld von Marktplatzbetreibern, sondern kann auchganz normale Onlineshops betreffen. Schon das OLGHamburg hatte im Jahr 2007 angenommen, dass eine leereKategorie in einer Versteigerungsplattform als „Nicht-An-gebot“ zu werten ist und damit eine Markenverletzungdarstellt.14 Dies lässt sich nahtlos auch auf Webshops mitnicht (mehr) verfügbaren Waren übertragen oder auf dievom OLG Köln ins Spiel gebrachte Möglichkeit der „auchinteressanten“ Angebote. Erfolgt hier kein konkretes An-gebot und ist die Seite trotzdem darunter in Suchmaschi-nen auffindbar, liegt eine Rechtsverletzung nahe.

262 Beiträge für die Beratungspraxis | Rechtliche Grenzen der Suchmaschinenoptimierung | Engels ITRB 11/2016

9 BGH, Urt. v. 8.2.2007 – I ZR 77/04.10 OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2011 – I-20 U 68/11.11 OLG Frankfurt, Urt. v. 11.2.2016 – 6 U 16/15.12 OLG Köln, Urt. v. 20.11.2015 – 6 U 40/15.13 BGH, Urt. v. 30.7.2015 – I ZR 104/14.14 OLG Hamburg, Urt. v. 21.6.2007 – 3 U 302/06.

Page 27: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

IV. FazitDie Bestandsaufnahme zeigt, dass der Bereich der Such-maschinenoptimierung und der damit verbundenen Tech-niken in der Rechtsprechung keine wesentliche Rollespielt.

Der Bereich der Vertragsgestaltung ist durch von Agentu-ren vorgegebene Standardverträge geprägt, die, wie dieoben skizzierten Entscheidungen zeigen, für den Auftrag-geber durchaus nachteilig ausfallen können. Nicht zuletztaus urheberrechtlicher Sicht ist bei der VertragsgestaltungVorsicht geboten.

Die Grenzen der Optimierung in Form des Wettbewerbs-und vor allem Markenrechts zeigen jedoch, dass gut bera-

ten ist, wer die Verträge mit der Agentur auch dahin-gehend überprüft, ob diese bei Verletzungen als haftungs-rechtlicher Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Mehr zum Thema: Umfassend zur Gestaltung des SEO-Vertrags s.das neue Muster (Juni 2016) von Schirmbacher in Redeker (Hrsg.),Handbuch der IT-Verträge, Kap. 3.6.

Selbststudium nach § 15 FAO mit ITRB und davit:Zu diesem Beitrag finden Sie die Lernerfolgskon-trolle bis 30.6.2017 online unter www.itrb.de/15FAO.

Literaturempfehlungen

Julia Höltge*

>>>>>> Schadensersatz wegen illegaler Teilnahme anInternettauschbörsen

Mit seinem zweiten Gesetz zur Änderung des Telemedien-gesetzes v. 21.7.2016 (BGBl. I 2016, 1766) hat der Gesetz-geber die in Deutschland bisher geltende Störerhaftungdes Anschlussinhabers zumindest für den Bereich der sog.Hotspots zum 27.7.2016 faktisch aufgehoben. Mit demneuen § 8 Abs. 3 TMG wird klargestellt, dass der in § 8Abs. 1 TMG geregelte Haftungsausschluss von Accesspro-vidern auch für WLAN-Betreiber gilt. In seinem Aufsatzin MDR 2016, 1117, untersucht Dr. Christopher Woitke-witsch, inwieweit Rechteinhaber ihre Ansprüche vor demZivilgericht geltend machen können und ob künftig dieHaftung von Privatpersonen bei Missbrauch ihresWLAN-Zugangs durch Dritte ausgeschlossen ist.

Sobald der Anschlussinhaber ermittelt ist, erhält er zu-nächst eine vorgerichtliche Abmahnung. Neben einerstrafbewehrten Unterlassungserklärung wird er aufgefor-dert, Verletzungshandlungen künftig zu unterlassen (§ 97Abs. 1 UrhG), Schadensersatz zu leisten (§ 97 Abs. 2UrhG) sowie die Kosten der Abmahnung zu zahlen (§ 97aUrhG). Zu beachten ist, dass eine vom Schuldner unter-zeichnete strafbewehrte Unterlassungserklärung noch keinSchuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB darstellt. Al-lenfalls könnte dies zu einer Beweislastumkehrung bzgl.der Haftung führen.

Im Verletzungsverfahren muss der Kläger hinreichend be-weisen, dass ihm zum fraglichen Zeitpunkt die ausschließ-liche Nutzungs- und Vermarktungsrechte für den deut-schen Raum zustanden. Zudem muss es sich um einschutzwürdiges Werk i.S.d. §§ 94, 2 Abs. 2 UrhG handeln.

Auch obliegt dem Kläger die Pflicht nachzuweisen, dassdie dynamische IP-Adresse und die Hashwerte zutreffendermittelt wurden und die Zuordnung zum Inhaber desAnschlusses und dem streitgegenständlichen Werk fehler-frei erfolgt ist. Dies kann mittels Screenshots oder vom In-ternetprovider durchgeführter Zuordnung anhand desFilesharings erfolgen. Ebenso kann mit dem Nachweiskleinster Datensplitter die Teilnahme an der Tauschbörsebzw. der Rechtsverletzung belegt werden. Regelmäßig er-gibt sich der zwingende Rückschluss auf weitergehendeDatenübertragungen i.S.d. § 286 ZPO.

In der Praxis sind zudem Beweislastverteilung und sekun-däre Darlegungslast bei der Frage nach Täter und Teilneh-mer von Bedeutung. In Filesharing-Fällen ist zuerst zuklären, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Ver-mutung vorliegen, dass der Anschlussinhaber auch derTäter ist. Erfüllt der Anschlussinhaber die dagegen gerich-tete sekundäre Darlegungslast, trifft den Anspruchsstellerdie Beweislast. Andernfalls muss der Anschlussinhaberden Gegenbeweis erbringen. Er kann vortragen, dass erzum Tatzeitpunkt keine internetfähigen Geräte bzw. kei-nen Router besessen hat oder dass andere Personen selb-ständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten. ImRahmen des Zumutbaren ist der Anschlussinhaber zuNachforschungen verpflichtet. Abhängig vom Zeitpunktder Abmahnung kann ein allgemeiner Hinweis auf diePersonen genügen, die zum Tatzeitpunkt in der fraglichenWohnung lebten oder zugegen waren und Zugang zumAnschluss hatten. Unzumutbar ist das Ausspähen fremderComputer oder Auskünfte zum Verhalten der eigenen

ITRB 11/2016 Literaturempfehlungen 263

cr-online.de

* Dipl. iur. Julia Höltge, LL.M., Berlin.

Page 28: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

Kinder, wenn der Inhaber die Tat nicht beobachtet hat.Nach § 138 Abs. 1 ZPO muss der Anschlussinhaber expli-zit und wahrheitsgemäß vortragen, dass er die Tat zumbehaupteten Zeitpunkt nicht begangen hat. Nachdem erdie in Frage kommenden Personen namentlich bezeichnethat, muss der Anspruchsteller dies wiederum bestreiten.Die benannten Personen sind sodann als Zeugen anzubie-ten, um zu beweisen, dass sie Zugriff auf den Netz-anschluss hatten. Der Anspruchsteller seinerseits sollte diePersonen als Zeugen anbieten, um zu beweisen, dass siedie Tat nicht begangen haben. Familienangehörige kön-nen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383Abs. 1 Nr. 1-3, 2 ZPO und sonstige Zeugen von ihremAuskunftsverweigerungsrecht gem. § 384 Nr. 1, 2 ZPOGebrauch machen. Lebten zum Tatzeitpunkt mehrereVolljährige und Minderjährige im Haushalt, ist die Klageim Zweifel auch bei nicht nachweisbarer Belehrung abzu-weisen. Der Nachweis der unerlaubten Handlung i.S.e.Mittäterschaft gem. § 830 BGB wird nicht geführt.

Rechtsfolge ist in der Praxis ein Schadensersatzanspruchnach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gem. §§ 97Abs. 2 S. 1, 2, 97a Abs. 1 UrhG.

Mit der Novellierung des § 8 TMG besteht auch im pri-vaten Bereich keine Obliegenheit zur Ergreifung von Si-cherheitsmaßnahmen. Der Anschlussinhaber haftet nurdann, wenn der Anspruchsteller nachweisen kann, dass erselbst als Täter oder Teilnehmer an der unerlaubtenHandlung beteiligt war. Hingegen bleibt es bei der Haf-tung der Eltern für unerlaubte Urheberrechtsverstöße ih-rer minderjährigen Kinder, da sich die Belehrungspflichtprimär aus dem Obhutsverhältnis ergibt. Auch für den ge-werblichen bzw. öffentlichen Bereich entfällt die Störer-haftung mangels Nachweismöglichkeiten des Rechteinha-bers.

Fundstelle: Woitkewitsch, MDR 2016, 1117

Impressum

Der IT-Rechtsberater (ITRB),

ehemals Computerrecht Intern (CI) 1998–2000

Herausgeber: RA Prof. Dr. Jochen Schneider

Redaktion: RAin Stefanie Fuchs-Galilea, LL.M. (verantw.

Redakteurin), Veronika Schindhelm (Redaktionsassistentin),

Anschrift des Verlages, Tel. 02 21/9 37 38-1 89 (Redaktions-

Sekr.) bzw. -9 97 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung),

Fax 02 21/9 37 38-9 03 (Redaktions-Sekr.) bzw. -9 43 (Vertrieb/

Abonnementsverwaltung),

E-Mail: [email protected], Internet: www.itrb.de

Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58,

50968 Köln, Postfach 51 10 26, 50946 Köln,

Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Köln.

Anzeigenverkauf: sales friendly Verlagsdienstleistungen,

Pfaffenweg 15, 53227 Bonn, Tel. 02 28/9 78 98-0, Fax 02 28/

9 78 98-20, E-Mail: [email protected],

gültig ist die Preisliste 16 vom 1.1.2016.

Satz: Griebsch & Rochol Druck GmbH, Gabelsberger Straße 1,

59069 Hamm

Druck: msk marketingserviceköln gmbh, www.mzsued.de

Erscheinungsweise: Jeweils zum 1. eines Monats.

Bezugspreis: Jahresabonnement 234,– € (Print-Anteil

223,– €*/Online-Anteil 11,– €**), für Mitglieder der Arbeits-

gemeinschaft IT-Recht im Deutschen Anwaltverein (davit)

jährlich 204,– € (Print-Anteil 193,– €*/Online-Anteil 11,– €**),

Einzelheft 22,30 €*. Alle Preise verstehen sich inkl. gesetz-

licher MwSt. *7 % oder **19 % sowie zzgl. Versandkosten.

Die Rechnungsstellung erfolgt jährlich zu Beginn des Be-

zugszeitraumes für das aktuelle Kalenderjahr (ggf. anteilig).

ISSN 1617-1527

Bestellungen bei jeder Buchhandlung sowie beim Verlag.

Kündigungstermin für das Abonnement 6 Wochen vor

Jahresschluss.

Hinweis für den Leser: Der Zeitschrifteninhalt wird nach

bestem Wissen erstellt, Haftung und Gewähr müssen jedoch

wegen der Komplexität und des ständigen Wandels der

Rechtslage ausgeschlossen werden.

Urheber- und Verlagsrechte: Manuskripte werden nur zur

Alleinveröffentlichung angenommen. Der Autor versichert,

über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an seinem Bei-

trag einschließlich aller Abbildungen allein verfügen zu kön-

nen und keine Rechte Dritter zu verletzen. Mit Annahme des

Manuskripts (Aufsatz, Bearbeitung, Leitsatz) gehen für die

Dauer von vier Jahren das ausschließliche, danach das ein-

fache Nutzungsrecht vom Autor auf den Verlag über, jeweils

auch für Übersetzungen, Nachdrucke, Nachdruckgenehmi-

gungen und die Kombination mit anderen Werken oder Tei-

len daraus. Das Nutzungsrecht umfasst insbesondere auch

die Befugnis zur Einspeicherung in Datenbanken sowie zur

weiteren Vervielfältigung und Verbreitung zu gewerblichen

Zwecken im Wege fotomechanischer, elektronischer und an-

derer Verfahren einschließlich CD-ROM und Online-Diensten.

Die Zeitschrift und alle veröffentlichten Beiträge und Abbil-

dungen sind urheberrechtlich geschützt. Dies gilt auch für

Entscheidungen und deren Leitsätze, soweit sie redaktionell

oder vom Einsender redigiert bzw. erarbeitet wurden. Jede

vom Urheberrechtsgesetz nicht ausdrücklich zugelassene

Verwertung bedarf vorheriger schriftlicher Zustimmung des

Verlags. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Bearbei-

tung, Übersetzung, Mikroverfilmung und Einspeicherung,

Verarbeitung bzw. Wiedergabe in Datenbanken oder ande-

ren elektronischen Medien und Systemen. Fotokopien dür-

fen nur als Einzelkopien für den persönlichen Gebrauch her-

gestellt werden. Das Zitieren von Rezensionen ist in vollem

Umfang erlaubt.

264 Impressum ITRB 11/2016

Page 29: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

ITRB 11/2016 Impressum V

cr-online.de

Danke für den Applaus!

Vergessen Sie nicht, den aktuellen Zöller zu bestellen! DasMeisterwerk der Prozess-rechtsliteratur. Richtungweisend, meinungsbildend, kritisch, argumentativ.

„Die Verlässlichkeit undHomogenität eines Kommentars, die ihn zumunverzichtbarenWerkzeug der Rechtsanwendung (und Rechtswissenschaft) macht, wird im Falle desZöller eben nicht zuletzt durch personelle Kontinuität und perfekte Abstimmunggesichert.“ Professor Dr. Wolfgang Hau inMDR 01/2016

Überzeugen Sie sich selbst. Mit einer Leseprobe und anschließender Bestellung bei:www.der-zoeller.de

Zöller ZPO

31., neu bearbeiteteAuflage 2016, 3.502 Seiten Lexikonformat,gbd., im Schuber 169,– €.ISBN 978-3-504-47022-7

Page 30: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

VI Impressum ITRB 11/2016

Ihr Einmaleins zur DSGVO.

Das ändert sich. Das bleibt. Das ist zu beachten.

Im April wurde das erste europäische Datenschutzrecht offiziell verabschiedet, ver-bindlich wird die DSGVO im Frühjahr 2018. Bis dahin müssen Betriebe handeln und aufdas neue Recht umstellen.

Welche organisatorischen und technischenMaßnahmen sollten auf denWeg gebrachtwerden?Was ändert sich bei den Datenschutzrecht-Grundlagen? Gibt es Lösungen fürCloud Computing und Big Data?Was gilt für Betroffenenrechte, Datenschutzaufsichtund Selbstregulierung?

Prof. Niko Härting stellt altes und neues Recht einander gegenüber und zeigt, wasbleibt und was sich ändert. Zu den zentralen betriebspraktischen Themenkomplexenbringt er auf den Punkt, was rund um die DSGVO zu beachten ist – als Informations-quelle, Leitfaden und Checkliste unverzichtbar!

Leseprobe unterwww.otto-schmidt.de/dsgvo

HärtingDatenschutz-Grundverordnung

Das neue Datenschutzrecht in derbetrieblichen Praxis.Von RA Prof. Niko Härting, 2016,212 Seiten, brosch., 39,80 €.ISBN 978-3-504-42059-8

Page 31: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

ITRB 11/2016 Impressum VII

cr-online.de

DAV IT-RECHT

davit

10:00 – 10:30 Uhr Registrierung und BegrüßungDr. Astrid Auer-Reinsdorff, Vorsitzende davit, Prof. Dr. Peter Bräutigam

10:30 – 12:30 Uhr Vorstellung der Teilnehmer und Themen

12:30 – 13:30 Uhr 1. Session

13:30 – 14:00 Uhr Networking Break (Imbiss und Erfrischungen)

14:30 – 15:00 Uhr 2. Session

15:00 – 15:30 Uhr Networking Break (Imbiss und Erfrischungen)

15:30 – 16:30 Uhr 3. Session

16:30 – 17:00 Uhr Verabschiedung

Programmänderung vorbehalten. Die jeweils aktuelle Fassung istunter www.davit.de abrufbar. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Dieim Zusammenhang mit der Teilnahme an der Veranstaltunggemachten Fotos, Filmaufnahmen und Interviews des Teilnehmersin Rundfunk, Fernsehen, Printmedien, Büchern, fotomechanischenVervielfältigungen können von den Veranstaltern ohne Anspruchauf Vergütung verbreitet und veröffentlicht werden.

www.barcampdavit.de

Veranstaltungsort:NOERR LLP ∙ Speditionsstraße 1 ∙ 40221 Düsseldorf

Anmeldung:

DAVIT GOES BARCAMP!

Ein neues dynamisches Format der Davit für angehende Juristen, Studierende, Referendare und junge(sowie auch ältere) Rechtsanwälte und Juristen. Bringen Sie Ihren eigenen Vortrag mit und diskutierenSie Ihre Thesen mit Gleichgesinnten.

Das Barcamp wird sich von A-Z mit Themen der Digitalisierung beschäftigen, mögliche Vorträge könnenalso insbesondere folgende Themen betreffen:Autonomes Fahren, Big Data, Block Chain Technology, Cloud, Datenbankherstellerrecht, Datenschutz,Eigentum an Daten, E-Person, FinTech, InsurTech, Haftung, Robotics und Willenserklärung/Zivilprozessim digitalen Umfeld.

Folgende Referenten sind schon fest vorgesehen: Dr. Astrid Auer-Reinsdorff, Prof. Dr. Peter Bräutigam,Dr. Thomas Lapp, Prof. Dr. Ulrich Luckhaus und Jörn Erbguth.

INDUSTRIE 4.0 UND DIGITALISIERUNG6. Dezember 2016 – Düsseldorf

Page 32: Heft 11/16 | PVSt 45904 1. November 2016Beleidigung durch Emoticons 249 Beiträge für die Beratungspraxis IT-Rechtsfragen aus der Praxis Indenhuck/Strobl > Freunde finden: Zulässige

VIII Impressum ITRB 11/2016

Zwei auf einen Streich.

Er ist der erfrischend innovative Praxiskommentar zum Bundesdatenschutzgesetz –jetzt topaktuell auchmit der neuen DSGVO in einem Band.

BisMai 2018müssen sichUnternehmenund Betriebe auf das künftige europäischeDaten-schutzrecht einstellen. Zuverlässige Orientierungshilfe bieten Ihnen Dr. Kai-Uwe Plathund das erfahrene Autorenteammit einer ersten Kommentierung der offiziell verab-schiedeten Fassung der DSGVO.

Wie aber mit dem geltenden Datenschutzrecht verfahren? Das erfahren Sie aus derumfassend aktualisierten Kommentierung des BDSG. Offene Fragen werden hier prag-matisch, lösungsorientiert und bewusst unternehmensfokussiert angepackt – IhrMehrwert, um handlungsfähig zu bleiben.

Heute schon die Zukunft gestalten:www.otto-schmidt.de/bdsg

PlathBDSG/DSGVO

Kommentar zum BDSG und zur DSGVOsowie den Datenschutzbestimmungendes TMG und TKMHerausgegeben von Dr. Kai-Uwe Plath.Bearbeitet von 13 erfahrenen Praktikerndes Datenschutzrechts, 2. neu bearbeite-te und erweiterte Auflage 2016, 1.648Seiten DIN A5, gbd., 139,– €.ISBN 978-3-504-56074-4

NEU!