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REZENSION Heilmann, S., & Schmidt, D. (2012). Außen- politik und Außenwirtschaft der Volksrepu- blik China. Wiesbaden: Springer VS, 201 S., ISBN: 978-3531174471, € 19,95 Saskia Hieber Das exzellente Fachbuch bietet in Einzelkapiteln konzentrierte Analysen zu Chinas Staats- system und seinen politischen und wirtschaftlichen Interessen. Heilmanns und Schmidts neues Buch ist die beste zeitaktuelle Darstellung der relevanten Entwicklungen Chinas auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Die Autoren repräsentieren höchste Kompetenz in der China-Politikforschung. Die Inhaltskonzentration des Buches ist gleichzeitig sein einziges Problem: Es ist zu kurz. Dadurch wirkt die Dichte der Fachinformationen beson- ders hoch, scheinen Zusammenhänge verkürzt. Auf dieses Buch hat die Community gewartet, es ist hervorragend. In konzentrier- ten Einzelkapiteln werden Grundlagen und neue Ausrichtungen von Chinas Außen- und Sicherheitspolitik, einzelne Politikfelder (Umwelt, Menschenrechte), die wirtschaftliche Entwicklung und Schwerpunkte der bilateralen Beziehungen dargestellt, jeweils ergänzt durch vielfältige Übersichten. Ein Schlusskapitel über die Darstellungskonventionen chi- nesischer Außenpolitik und ein ausführliches Literatur- und Quellenverzeichnis schließen das Buch ab. Die Darstellung der außenpolitischen Grundlagen und Ziele (Wiederherstellung his- torischer Größe, Wahrung nationaler Souveränität und territorialer Integrität, politische Stabilität und wirtschaftliche Modernisierung) wird verbunden mit einem Blick auf die kontroversen Debatten in Chinas politischen und akademischen Leitungsebenen über die zukünftige außenpolitische Modernisierung. Die Autoren sind in den jüngsten Diskur- sen, sowohl in China selbst, wie auch im Fach Internationale Politik zu Hause. Auch die innerchinesische Diskussion über Chinas Status als Entwicklungsland, Regional- macht oder Großmacht und das neue außen- und sicherheitspolitische Selbstbewusstsein wird aufgegriffen. Sektorale Interessen und konkurrierende Akteure machen den außen- politischen Verhandlungs- und Entscheidungsprozess undurchsichtig, wie die Autoren im Kapitel „Außenpolitische Entscheidungsfindung“ herausarbeiten. Die Auslöser für Neuorientierungen in der chinesischen Außenpolitik (Asienkrise, Golfkrieg) dienen als Einstig für eine gute und knappe Beschreibung des rasanten Bedeutungsaufstiegs Chinas Z Außen Sicherheitspolit (2013) 6:305–307 DOI 10.1007/s12399-013-0320-9 Online publiziert: 29.03.2013 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Dr. S. Hieber () Akademie für Politische Bildung, Buchensee 1, 82327 Tutzing, Deutschland E-Mail: [email protected]

Heilmann, S., & Schmidt, D. (2012). Außenpolitik und Außenwirtschaft der Volksrepublik China. Wiesbaden: Springer VS, 201 S., ISBN: 978-3531174471, € 19,95

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Rezension

Heilmann, S., & Schmidt, D. (2012). Außen-politik und Außenwirtschaft der Volksrepu-blik China. Wiesbaden: Springer VS, 201 S., ISBN: 978-3531174471, € 19,95

Saskia Hieber

Das exzellente Fachbuch bietet in einzelkapiteln konzentrierte Analysen zu Chinas staats-system und seinen politischen und wirtschaftlichen interessen. Heilmanns und schmidts neues Buch ist die beste zeitaktuelle Darstellung der relevanten entwicklungen Chinas auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Die Autoren repräsentieren höchste Kompetenz in der China-Politikforschung. Die inhaltskonzentration des Buches ist gleichzeitig sein einziges Problem: es ist zu kurz. Dadurch wirkt die Dichte der Fachinformationen beson-ders hoch, scheinen zusammenhänge verkürzt.

Auf dieses Buch hat die Community gewartet, es ist hervorragend. in konzentrier-ten einzelkapiteln werden Grundlagen und neue Ausrichtungen von Chinas Außen- und sicherheitspolitik, einzelne Politikfelder (Umwelt, Menschenrechte), die wirtschaftliche entwicklung und schwerpunkte der bilateralen Beziehungen dargestellt, jeweils ergänzt durch vielfältige Übersichten. ein schlusskapitel über die Darstellungskonventionen chi-nesischer Außenpolitik und ein ausführliches Literatur- und Quellenverzeichnis schließen das Buch ab.

Die Darstellung der außenpolitischen Grundlagen und ziele (Wiederherstellung his-torischer Größe, Wahrung nationaler souveränität und territorialer integrität, politische stabilität und wirtschaftliche Modernisierung) wird verbunden mit einem Blick auf die kontroversen Debatten in Chinas politischen und akademischen Leitungsebenen über die zukünftige außenpolitische Modernisierung. Die Autoren sind in den jüngsten Diskur-sen, sowohl in China selbst, wie auch im Fach internationale Politik zu Hause. Auch die innerchinesische Diskussion über Chinas status als entwicklungsland, Regional-macht oder Großmacht und das neue außen- und sicherheitspolitische selbstbewusstsein wird aufgegriffen. sektorale interessen und konkurrierende Akteure machen den außen-politischen Verhandlungs- und entscheidungsprozess undurchsichtig, wie die Autoren im Kapitel „Außenpolitische Entscheidungsfindung“ herausarbeiten. Die Auslöser für neuorientierungen in der chinesischen Außenpolitik (Asienkrise, Golfkrieg) dienen als einstig für eine gute und knappe Beschreibung des rasanten Bedeutungsaufstiegs Chinas

z Außen sicherheitspolit (2013) 6:305–307Doi 10.1007/s12399-013-0320-9

Online publiziert: 29.03.2013 © springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Dr. s. Hieber ()Akademie für Politische Bildung, Buchensee 1, 82327 Tutzing, Deutschlande-Mail: [email protected]

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vom entwicklungsland zu einem der führenden Weltwirtschaftsmächte und beschreibt Chinas Weg in multilaterale organisationen. im detaillierten Unterkapitel 4.2 über die Bedeutung der entwicklungs- und schwellenländer für China lösen die Autoren eines der Versprechen des Buches ein: eine differenzierte Beschreibung chinesischer Rohstoff- und investitionspolitik, die die Leserinnen mit zentralen erkenntnissen und Argumenten versorgt.

Grundlage für die Beschreibung der sicherheitspolitik sind zunächst die Verteidi-gungsweißbücher der chinesischen Regierung. Die Frage nach China als militärischer Bedrohung, die große China Threat-Debatte, wird nur auf knapp zwei seiten angespro-chen. Das Kapitel „China in der Weltwirtschaft“ überzeugt beispielsweise durch die Dar-stellung von Praxis und Problematik chinesischer Wechselkurs- und investitionspolitik und versäumt nicht, Chinas wachsende Rolle als internationaler investor zu diskutieren. Das Kapitel zur Umwelt- und Klimapolitik informiert konzentriert über Chinas Konfe-renz- und Vertragspolitik und schildert die damit verbundenen Dilemmata für Chinas Regierung.

„Die Taiwanfrage“ ist eines der ausführlichsten Kapitel des Buches: Es beschreibt innerchinesische Politikdynamik, dient auch als Anwendungsspiegel chinesisch-ameri-kanischer Beziehungen und deutet an, wie ein potentieller Regionalkonflikt langsam von der Aufmerksamkeitsbühne internationaler Sicherheitskonflikte verschwindet. Das Kapi-tel über die wechselvollen chinesisch-amerikanischen Beziehungen ist bestürzend kurz, beschreibt aber die große wirtschaftliche interdependenz und das sicherheitspolitische Blockpatt beider Großmächte.

es ist zu vermuten, dass das Kapitel „Chinas Beziehungen zu europa und Deutsch-land“ dem deutschsprachigen Buchmarkt zu verdanken ist. Die Autoren selbst diagnos-tizieren der EU weder als „Gegenbild noch als Leitbild eine maßgebliche Rolle“. In den chinesischen Außenbeziehungen, insbesondere in der Politik, spiegelt sich wenig Bedeu-tung. Warum aber ein Kapitel über europa und Deutschland und keines über Russland und die zentralasiatischen nachbarn, mit denen China in der shanghai Cooperation orga-nisation (sCo) verbunden ist?

Schließlich das Schlusskapitel „Imperium und Guerilla“. Es ordnet den Charakter chinesischer Außenbeziehungen in eine neue Betrachtungsstruktur: imperial, interde-pendent (insbesondere im Wirtschaftsbereich), unkonventionell und „Guerilla-Außenbe-ziehungen“, was mit „illegal“ zu übersetzen ist. Chinas neo-imperiale Ambitionen sind in ihrer Tragweite unterschiedlich zu beurteilen, die wirtschaftliche Verflechtung Chinas hingegen ist so groß, dass sie gleichzeitig ein Garant für stabilität sein muss. Unkonven-tionelle Außenbeziehungen tragen den schwachpunkt mangelnder zentraler Kontrollier-barkeit. Dies trifft vermehrt zu bei den beschriebenen „Guerilla-Außenbeziehungen“, die der offiziellen Außenpolitik teilweise entgegenlaufen und Chinas Streben nach interna-tionalem Ansehen und mehr Einfluss schädigen. Organisiertes Verbrechen ist kein guter Werbeträger.

ist es ein politikwissenschaftliches Buch? streng genommen nicht. Doch dieser Anspruch wird nicht erhoben. Bewusst wird auf eine Theorieeinbettung verzichtet. Die iB-Debatten in China und über China sind ein eigenes Forschungsfeld (z. B. nele noes-selt 2009). Details der politischen Entscheidungsfindung, der verborgenen Strukturen,

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der wechselnden Akteure in Peking, sind auch für langjährige Beobachterinnen kaum einzusehen.

Die Kürze des Buches ist der einzige schwachpunkt. so sympathisch es ist zu bewei-sen, dass ein Fachbuch nicht aus über vierhundert seiten bestehen muss – zu knapp sollte es auch nicht sein. Der Ansatz, die große expertise beider Autoren auf 200 seiten (inkl. Literatur) zu destillieren, wird dem eigenen Anspruch und dem Ruf der von sebastian Heilmann maßgeblich geprägten China-Politikforschung und der Analysen von Dirk schmidt nicht gerecht und kann den Ansprüchen der Autoren nicht genügen. 20 Jahre Forschungsarbeit, die im Vorwort angegebene Basis des Buches, lassen sich nicht auf 180 Textseiten destillieren.

Gegen ende des Buches wird das Versprechen, die Vielschichtigkeit chinesischer Außenpolitik und die Beurteilungsperspektiven noch einmal aufzugreifen, eingelöst. Die Leserinnen haben wichtige Werkzeuge für eine einordnung chinesischer Außenpolitik mitbekommen. Das Quellen-, Literatur- und internetverzeichnis ist wegweisend und über jeden Zweifel erhaben. Das Ziel, die LeserInnen in „Studium und Beruf“ mit Informatio-nen und erkenntnissen über die politischen und wirtschaftlichen entwicklungen Chinas zu versorgen und Einblicke in „kontroverse Aspekte“ der chinesischen Außenpolitik zu geben, ist herausragend erreicht.