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DieUniversitaet-online.at Universität Wien Dr.-Karl-Lueger-Ring 1 1010 Wien [email protected] www.dieuniversitaet-online.at drucken Foto: Roland Dreger Institut für Theoretische Physik Herbert Pietschmann: Physiker ohne Scheuklappen Roland Dreger (Redaktion) am 6. Juli 2004 Der bekannter Physiker, Mathematiker, Philosoph, Autor und Beethoven-Liebhaber o. Univ.-Prof. Dr. Herbert Pietschmann war über lange Jahre Vorstand des Instituts für Theoretische Physik an der Universität Wien. Zu seiner Emeritierung ein ganz persönliches Interview über die Zeit an der Universität Wien und die Zukunftspläne eines bekennenden Langschläfers. Redaktion: Sie sind im März 1968 als Professor der theoretischen Physik an die Universität Wien berufen worden, haben vorher hier Mathematik und Physik studiert. Was wird Ihnen von dieser Zeit am stärksten in Erinnerung bleiben? Herbert Pietschmann: Die stärksten Eindrücke waren sicherlich die Vorlesungen von Erwin Schrödinger. Er ist 1956 nach Österreich zurückgekehrt und ich konnte so noch einige seiner Vorlesungen, z.B. in Allgemeiner Relativitätstheorie, hören. Ich erinnere mich noch genau daran, als er einmal den Begriff der Weltlinie gebracht hat. Das ist eine Trajektorie eines Teilchens in der Raumzeit. Er hat vorher gezögert und dann gesagt: "Ich sage so ungern Weltlinie, da zur Welt ja so viel mehr gehört als nur die Trajektorie eines Ereignisses in Raum und Zeit" - und das so mitten unter der Allgemeinen Relativitätstheorie. Ich war dann auch einige Male bei ihm persönlich eingeladen. Also das waren schon wunderbare Stunden. Redaktion: Wann war für Sie klar, dass es die Physik sein sollte? Pietschmann: Ursprünglich wollte ich eigentlich Erfinder werden. Ich habe mit 17 Jahren einige Erfindungen gemacht, von denen ich dann allerdings feststellen musste, dass sie schon erfunden waren. In der achten Klasse vor der Matura bekam ich in der Salzburger Bibliothek dann ein Buch über die Relativitätstheorie in die Hände. Das hat mich so fasziniert, dass ich sofort gewusst habe, ich muss Physik studieren. Und dann war es irgendwie selbstverständlich, dass ich die wissenschaftliche Laufbahn einschlage. Redaktion: Was hat sich seit Ihrem Studium an der Universit ät am meisten verändert? Pietschmann: Zu meiner Zeit haben wir nicht gefragt, welche Vorlesung müssen wir hören, sondern die Frage war vielmehr: Welche Vorlesung kann ich denn schon hören, was verstehe ich denn schon. Das ist eine ganz gravierende Änderung im Geist der Universit ät. Redaktion: Zu Ihren größten Leistungen auf dem Gebiet der Physik zählt die von Ihnen initiierte Methode der Stromalgebra oder etwa zahlreiche Beiträge zur Erforschung subatomarer Teilchen. Was aber waren für Sie persönlich große Erfolge? Pietschmann: Da geht es mir wie meinem Lehrer in Mathematik, Edmund Hlawka. Der hat mir einmal gesagt: "Wenn man älter wird, dann ist das, was man publiziert hat, nicht mehr so wichtig. Wichtig werden dann die Schüler, die man gehabt hat." Redaktion: Neben der Physik und Philosophie halten Sie auch immer wieder Vorträge über Beethoven und den Buddhismus. Gibt es denn ein Seite 1 von 2 Herbert Pietschmann: Physiker ohne Scheuklappen 14.06.2005 http://www.dieuniversitaet -online.at/index.php?id=70&tt_news=1935&tx_faq_faq=&t ...

Herbert Pietschmann Physiker Ohne Scheuklappen

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    Institut fr Theoretische Physik

    Herbert Pietschmann: Physiker ohne Scheuklappen

    Roland Dreger (Redaktion) am 6. Juli 2004

    Der bekannter Physiker, Mathematiker, Philosoph, Autor und Beethoven-Liebhaber o. Univ. -Prof. Dr. Herbert Pietschmann war ber lange Jahre Vorstand des Instituts fr Theoretische Physik an der Universitt Wien. Zu seiner Emeritierung ein ganz persnliches Interview ber die Zeit an der Universitt Wien und die Zukunftsplne eines bekennenden Langschlfers.

    Redaktion: Sie sind im Mrz 1968 als Professor der theoretischen Physik an die Universitt Wien berufen worden, haben vorher hier Mathematik und Physik studiert. Was wird Ihnen von dieser Zeit am strksten in Erinnerung bleiben? Herbert Pietschmann: Die strksten Eindrcke waren sicherlich die Vorlesungen von Erwin Schrdinger. Er ist 1956 nach sterreich zurckgekehrt und ich konnte so noch einige seiner Vorlesungen, z.B. in Allgemeiner Relativittstheorie, hren. Ich erinnere mich noch genau daran, als er einmal den Begriff der Weltlinie gebracht hat. Das ist eine Trajektorie eines Teilchens in der Raumzeit. Er hat vorher gezgert und dann gesagt: "Ich sage so ungern Weltlinie, da zur Welt ja so viel mehr gehrt als nur die Trajektorie eines Ereignisses in Raum und Zeit" - und das so mitten unter der Allgemeinen Relativittstheorie. Ich war dann auch einige Male bei ihm persnlich eingeladen. Also das waren schon wunderbare Stunden. Redaktion: Wann war fr Sie klar, dass es die Physik sein sollte? Pietschmann: Ursprnglich wollte ich eigentlich Erfinder werden. Ich habe mit 17 Jahren einige Erfindungen gemacht, von denen ich dann allerdings feststellen musste, dass sie schon erfunden waren. In der achten Klasse vor der Matura bekam ich in der Salzburger Bibliothek dann ein Buch ber die Relativittstheorie in die Hnde. Das hat mich so fasziniert, dass ich sofort gewusst habe, ich muss Physik studieren. Und dann war es irgendwie selbstverstndlich, dass ich die wissenschaftliche Laufbahn einschlage. Redaktion: Was hat sich seit Ihrem Studium an der Universit t am meisten verndert? Pietschmann: Zu meiner Zeit haben wir nicht gefragt, welche Vorlesung mssen wir hren, sondern die Frage war vielmehr: Welche Vorlesung kann ich denn schon hren, was verstehe ich denn schon. Das ist eine ganz gravierende nderung im Geist der Universit t. Redaktion: Zu Ihren grten Leistungen auf dem Gebiet der Physik zhlt die von Ihnen initiierte Methode der Stromalgebra oder etwa zahlreiche Beitrge zur Erforschung subatomarer Teilchen. Was aber waren fr Sie persnlich groe Erfolge? Pietschmann: Da geht es mir wie meinem Lehrer in Mathematik, Edmund Hlawka. Der hat mir einmal gesagt: "Wenn man lter wird, dann ist das, was man publiziert hat, nicht mehr so wichtig. Wichtig werden dann die Schler, die man gehabt hat." Redaktion: Neben der Physik und Philosophie halten Sie auch immer wieder Vortrge ber Beethoven und den Buddhismus. Gibt es denn ein

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    Gebiet, in dem sie sich berhaupt nicht auskennen? Pietschmann: Ich werde oft gefragt, wie lange ich schlafe. Denn wenn man so viele Interessen hat, kann man nur wenig schlafen. Ich bin aber ein Langschlfer. Der Trick ist einfach der, dass ich immer nur das mache, was mir Freude bereitet. Es gibt Leute, die sich wundern, dass ich so oft in Paris war, und noch nie die Mona Lisa gesehen habe. Aber das ist ein Gebiet, wo es mich nicht hinzieht. Und nur dorthin zu gehen, weil es heit, man muss sie gesehen haben, das mache ich eben nicht. Redaktion: Hat Ihnen Ihre Lehrttigkeit immer Freude gemacht? Pietschmann: Ja. Ich wrde fast sagen, Vortragen und Lehren ist eine der Quellen meiner Lebenskraft. Redaktion: Jeder, der Sie kennt, wird wissen, dass fr Sie mit der Emeritierung keineswegs der Ruhestand folgt. Werden Sie auch in Zukunft an der Universitt unterrichten? Pietschmann: Die Katholisch-Theologische Fakultt hat mich bereits gebeten, meine Vorlesung dort weiter zu halten, was mir groe Freude macht. Die Philosophisch-naturwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft geht weiter und auch meine Ttigkeit beim Postgraduate-Management-Lehrgang an der Wirtschaftsuniversitt Wien. Und an der Wiener Internationalen Akademie fr Ganzheitsmedizin halte ich weiterhin die philosophische Einfhrung bei einem Postgraduate-Lehrgang. Redaktion: Sie sind Verfasser zahlreicher Bcher. Wird man in nchster Zeit wieder etwas Neues von Ihnen lesen knnen? Pietschmann: Mein nchstes Buch wird im Herbst erscheinen. Es heit "Vom Spa zur Freude". Redaktion: Ist Ihnen eines Ihrer Bcher besonders wichtig? Pietschmann: Eines meiner letzten, "Eris und Eirene. Anleitung zum Umgang mit Widersprchen und Konflikten.", halte ich fr ein ganz wichtiges Buch. Unsere Gesellschaft ist geneigt, Widersprche als Fehler zu betrachten und zu eliminieren. Wenn irgendetwas schief geht, sucht man den Schuldigen. Oder man trennt sich, wenn es Konflikte gibt. Dass Konflikte und Widersprche notwendig sind zur Entwicklung, das wird bei uns noch viel zu wenig gesehen. In diesem Buch habe ich meinen eigenen Weg dazu dargelegt. (ro) Literaturtipp: Herbert Pietschmann: Eris und Eirene. Eine Anleitung zum Umgang mit Widersprchen und Konflikten. Wien: Ibera Verlag 2002. Herbert Pietschmann: Quantenmechanik verstehen. Einfhrung in den Welle-Teilchen-Dualismis fr Lehrer und Studierende. Berlin: Springer Verlag 2003.

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