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Herbert Sperber Wirtschaft verstehen 112 Lernmodule zur VWL 5. Auflage LEHRBUCH

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Herbert Sperber

Wirtschaft verstehen112 Lernmodule zur VWL

5. Auflage

LEHRBUCH

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Herbert Sperber

Wirtschaft verstehen112 Lernmodule zur VWL

5., überarbeitete Auflage

2016Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

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Autor:Prof. Dr. Herbert Sperber lehrt Volkswirtschaft sowie Bank- und Finanzmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

Dozenten finden Folienvorlagen, Antworten auf die Kontrollfragen und weitere Aufgaben mit Lösungen für dieses Lehrbuch unter: www.sp-dozenten.de (Registrierung erforderlich)

Bibliografische Information Der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Print ISBN 978-3-7910-3696-0 Bestell-Nr. 20532-0002EPDF ISBN 978-3-7910-3697-7 Bestell-Nr. 20532-0151

Die ses Werk ein schließ lich al ler sei ner Tei le ist ur he ber recht lich ge schützt. Je de Ver wer tung au ßer halb der en gen Gren zen des Ur he ber rechts ge set zes ist oh ne Zu stim mung des Ver la ges un zu läs sig und straf bar. Das gilt ins be son de re für Ver viel fäl ti gun gen, Über set zun gen, Mi kro ver fil mun gen und die Ein spei che rung und Ver ar bei tung in elekt ro ni schen Sys te men.

2016 Schäf fer-Poe schel Ver lag für Wirt schaft · Steu ern · Recht GmbH www.scha ef fer-poe schel.deservice@scha ef fer-poe schel.de

Fo tos: Umschlagabbildung MEV Verlag GmbH, Augsburg; S. 14, 147, 150 DIZ Dokumentations- und Informationszentrum München; S. 15, 157 dpa Picture-Alliance Frankfurt; S. 144 Adam Smith-Archiv, Nürnberg

Umschlagentwurf: Goldener Westen, BerlinUmschlaggestaltung: Kienle gestaltet, StuttgartLektorat: Bernd Marquard, Stuttgart

Layout: Ingrid Gnoth | GD 90, 79256 BuchenbachGrafik: Doris Sperber | variable-design, Reutlingen Satz: primustype Robert Hurler GmbH, Notzingen

Juli 2016

Schäf fer-Poe schel Ver lag Stutt gartEin Toch ter un ter neh men der Haufe Gruppe

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Vorwort zur fünften Auflage

Dieses Buch ist ein grundlegendes und einführendes Lehrbuch der Volkswirtschaft. Was ist das Besondere daran?

Es verfolgt das Ziel, die Leserinnen und Leser in übersichtlicher und leicht ver-ständlicher, ja unterhaltsamer Form mit den wesentlichen volkswirtschaftlichen Zusammenhängen vertraut zu machen. Die Ausführungen haben einen starken Realitätsbezug und sind topaktuell. Das Buch ist modular aufgebaut. Jedes Modul widmet sich einem Baustein der Gesamtproblematik und ist grundsätzlich für sich allein genommen verständlich. Am Ende jedes (modulübergreifenden) Kapitels steht ein Interview. Hier beantworten namhafte Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Fragen, die im Rahmen des vorgehend behandelten The-mengebiets von herausragendem Interesse sind. Die Sprache des Buches und das analytische Vorgehen sind durchweg klar und einfach. Für viele Leser dürfte das Werk deshalb eine Brücke zum besseren Verständnis der üblichen, eher formalen Volkswirtschaftsbücher schlagen.

In diesem Sinne lag bei der Bearbeitung dieser 5. Auflage ein Hauptaugenmerk darauf, den Seitenumfang des Buches so knapp wie möglich zu halten. Neben der Aktualisierung des gesamten Datenmaterials und der Vornahme vereinzelter in-haltlicher Korrekturen habe ich die Makroökonomik in Kapitel 4 zusammengefasst und die Ausführungen zu den Finanzmärkten (Kapitel 8) gestrafft. In der Rubrik »Nachgehakt« habe ich einige weitere spannende Themen in ihrer Kernproblema-tik kurz aufgegriffen.

Mit dieser Konzeption richtet sich das Buch in erster Linie an Studierende der Wirtschaftswissenschaften und anderer Disziplinen, die sich volkswirtschaftliches Wissen aneignen möchten bzw. müssen. Daneben ist es meines Erachtens in beson-derem Maße für den Einsatz an Gymnasien und Berufskollegs bzw. Fachoberschu-len sowie in der beruflichen Weiterbildung geeignet. Nicht zuletzt soll das Buch den Lesern des Wirtschaftsteils von Zeitungen und all denen nützen, die Interesse an volkswirtschaftlichen Fragen haben.

Ich möchte zuerst Kerstin Schramm danken. Wie immer hat sie mir mit der Recherche zahlreicher Fachbegriffe, Daten und Literaturquellen wertvolle Zuliefer-dienste geleistet. Meiner Assistentin Susanne Hofer danke ich dafür, dass sie mir – neben einiger Schreibarbeit – viele lästige Verwaltungsaufgaben abgenommen hat. Ich danke meinen Interviewpartnern für die Zeit, die sie sich zur Beantwor-tung meiner Fragen genommen haben. Großen Dank schulde ich wieder Bernd Marquard. Mit seinem Sachverstand und Perfektionismus ist er eine sichere Bank für jeden Autor. Nicht zuletzt danke ich Frank Katzenmayer, der mit großer Ruhe die Richtung vorgibt.

Nürtingen, im April 2016 Herbert Sperber

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InhaltsverzeichnisVorwort zur fünften Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VEinleitung: Der Untersuchungsgegenstand dieses Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Aufbau und Inhalt des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1 Was heißt hier ökonomisch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.1 Leben heißt wirtschaften – das Problem der Knappheit . . . . . . . . . . . 61.2 Was, wie, für wen? Die Grundfragen der Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.3 Input und Output – das Unternehmen Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . 101.4 Die unsichtbare Hand – der Koordinationsmechanismus

des Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121.5 Der deutsche Weg: Die Soziale Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141.6 Zweck und Mittel – Aufgaben und Methodik der

Volkswirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171.7 Das magische Viereck – Probleme der Stabilisierungspolitik . . . . . 181.8 Kompetenz und Macht – die Träger der Wirtschaftspolitik . . . . . . . 201.9 So funktioniert eine Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2 Im Großen und Ganzen – Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2.1 Die Gesamtrechnung bitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.2 Leistung zählt – das Bruttoinlandsprodukt als Gradmesser . . . . . . . 332.3 »Und jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern

das Bruttosozialprodukt« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362.4 Von Forderungen und Verbindlichkeiten –

volkswirtschaftliche Saldenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382.5 Grenzüberschreitender Verkehr –

internationale Güter- und Kapitalströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412.6 Gut und Geld – zur gesamtwirtschaftlichen

Bedeutung des Geldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442.7 Warum ist Inflation schlecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462.8 Die Wirkungen einer Währungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492.9 Das Schreckgespenst der Deflation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502.10 Merkwürdige Verkettungen – die Messung des

Wirtschaftswachstums und der Inflationsrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532.11 Das Interview: Karlheinz Ruckriegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

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Inhaltsverzeichnis

3 Produktion, Märkte und Preisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593.1 Produzieren ist der Anfang von allem –

die Produktionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603.2 Die Produktivität und weitere volkswirtschaftliche

Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633.3 Angebot und Nachfrage – die mikroökonomische Perspektive . . . 653.4 Kosten und Erlös: Ein Beispiel zur Ableitung

der Angebotskurve einer Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693.5 Auf die Elastizität kommt es an – die Reaktion

der Haushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713.6 . . . und die Reaktion der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743.7 Gut geplant – das Marktgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753.8 Die Konkurrenz schläft nicht – Funktionen des

Preismechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773.9 Nichts ist vollkommen – welche Marktformen gibt es? . . . . . . . . . . . . . 793.10 Monopoly – Größenvorteile und New Economy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 803.11 Missbrauchsgefahr – Angebot und Preis bildung im Monopol . . . . . 823.12 Weniger kann auch mehr sein – das Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843.13 Marc O’Polo, Diesel, Boss – das heterogene Polypol . . . . . . . . . . . . . . . . . 863.14 Wenn der Staat eingreift – die Wirkungen

von Höchst- und Mindestpreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883.15 Subventionen für alle! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 903.16 Arbitrageure und andere Halunken – Funktionsweise und

Bedeutung von Arbitrage und Spekulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923.17 Das Interview: Andreas Mundt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

4 Konjunktur und Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 994.1 Das Phänomen der Konjunktur – Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1004.2 Boom, Boom, Boom, Boom – die Phasen eines

Konjunkturzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1034.3 Live dabei – die zweite Weltwirtschaftskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1054.4 Eine kurze Geschichte der internationalen Finanz- und

Wirtschaftskrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1084.5 Gesamtwirtschaftliches Güterangebot und

gesamtwirtschaftliche Güternachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1104.6 Warum schwankt die Wirtschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1144.7 Von Antreibern und Bremsern – Einflussfaktoren der

Konjunkturentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1164.8 Der große Multiplikator – wie sich eine Änderung

des Volkseinkommens vervielfachen kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1184.9 Kann man die Konjunktur vorhersagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1224.10 Lohn und Brot – das Problem der Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1244.11 Und was sind die Ursachen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

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Inhaltsverzeichnis

4.12 Im Brennpunkt: Die strukturelle Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1304.13 Münchhausen lässt grüßen – die Kaufkrafttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1344.14 Ist Arbeiten Pflicht? Wege aus der Unterbeschäftigung . . . . . . . . . . . . 1364.15 Das Interview: Clemens Fuest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

5 Welche Möglichkeiten hat die Wirtschaftspolitik? . . . . . . . . . . . . . 1435.1 Der Nachtwächterstaat oder das System der Klassik . . . . . . . . . . . . . . . . 1445.2 Kennen Sie Keynes? Vom Glauben an die Globalsteuerung . . . . . . . . 1475.3 Friedman und die eiserne Lady – Monetaristen

sind auch Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1495.4 Keine einfache Beziehung – die Phillipskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1525.5 »Sticky Prices« – neuere Ansätze der Makroökonomik . . . . . . . . . . . . . 1545.6 Wie jetzt? Sechs Schlüsselfragen der makroökonomischen

Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1575.7 Das Interview: Marcel Fratzscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

6 Vom Staat und seinem Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1656.1 Alles im Griff – der Staat im Wirtschaftskreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1666.2 Das Gesetz der wachsenden Ausdehnung der Staatstätigkeit . . . . 1686.3 »Hunde, wollt ihr ewig leben?« – das deutsche Sozialsystem . . . . 1706.4 Run through the Jungle – Steuerarten und -tarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1746.5 Wo wohnt Sebastian Vettel? Steuern und ihre Wirkungen . . . . . . . . 1776.6 Staatsverschuldung – notwendig oder gefährlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1796.7 Können Staaten pleitegehen? Yes, they can . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1836.8 Zielsetzung, Instrumente und Probleme der Fiskalpolitik . . . . . . . . . 1886.9 Die Alternative – das Konzept der angebotsorientierten

Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1906.10 Das Interview: Bernd Raffelhüschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

7 Die Politik des großen Geldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1977.1 Geld ist, was gilt – Begriff und Funktionen des Geldes . . . . . . . . . . . . 1987.2 Die Geldmenge – eine der wichtigsten Größen

der Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2007.3 Wie kommt Geld in den Wirtschaftskreislauf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2017.4 Kein Wunder – die multiple Geldschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2067.5 Auch die Geldmenge resultiert aus Angebot und Nachfrage . . . . . . 2087.6 Lizenz zum Drucken – Stellung und Ziele

der Europäischen Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2117.7 Einsatz in Mainhattan – die Instrumente der

Europäischen Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2137.8 Die Praxis der Liquiditätssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2187.9 Wenn die Pferde saufen – die Wirkungsweise der Geldpolitik . . . 2207.10 Auf zwei Säulen – die Strategie der

Europäischen Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2237.11 Das Interview: Jens Weidmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

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Inhaltsverzeichnis

8 Money on the Move – Finanzmärkte und Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . 2318.1 Der Weltfinanzhund – Finanzmärkte und ihre Funktionen . . . . . . . 2328.2 New York, London, Tokio – zur Struktur der Finanzmärkte . . . . . . . 2348.3 Finanzmarktprodukte von A wie Anleihen bis Z

wie Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2378.4 Heuschreckenalarm – die Akteure auf den Finanzmärkten . . . . . . . 2428.5 Zinsen als Finanzmarktpreise –

gesamtwirtschaftliche Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2478.6 Im Reich der Bullen und Bären – die Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2498.7 Rock around the Clock – der Wertpapierhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2538.8 Lassen sich Aktienkurse prognostizieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2558.9 Wie Finanzkrisen entstehen und sich auswirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2588.10 Der Hund bleibt an der Leine – verhalten sich die

Finanzmarktakteure rational? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2638.11 Nicht nur für Rentner – Investieren in Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2648.12 Das Interview: Hans-Peter Burghof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

9 Wie die Welt zusammenhängt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2719.1 Globalisierung – warum lohnt sich Außenhandel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2729.2 Freier internationaler Handel – Pro und Kontra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2769.3 Global Governance – Institutionen und Regeln

der Weltwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2789.4 Der gute und der böse Onkel – Weltbank

und Internationaler Währungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2819.5 Wir und der Rest der Welt – der internationale

Wirtschaftszusammenhang im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2859.6 Wie funktioniert der internationale Zahlungs-

und Kreditverkehr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2879.7 Locomotive Breath – der internationale

Konjunkturzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2909.8 Ansteckungsgefahr – der internationale Preiszusammenhang . . . 2919.9 Rasend schnell – der Strom des internationalen

Finanzkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2949.10 Vielschichtig – die Wirkungen einer Wechselkursänderung . . . . . . . 2959.11 Was kostet ein Big Mac? Die Kaufkraftparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2989.12 Das internationale Währungssystem – Grundlagen und

Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3009.13 Im Vergleich: Das System flexibler Wechselkurse ... . . . . . . . . . . . . . . . . 3029.14 ... und das System fester Wechselkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3049.15 Globale Ungleichgewichte – Ausmaß, Ursachen und Folgen . . . . . . . 3069.16 Grundlagen und Probleme der Europäischen Währungsunion . . . 3089.17 Die Staatsschuldenkrise in der EWU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3119.18 Das Interview: Joachim Starbatty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

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XI

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10 Devisenmarkt und internationaler Kapitalverkehr . . . . . . . . . . . . 32510.1 Der Devisenmarkt – Knotenpunkt der Weltwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . 32610.2 Räderwerk einer Präzisionsmaschine –

die Devisenmarktgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32810.3 Warum schwanken die Wechselkurse?

Fundamentale Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33010.4 James Tobin und die Spekulanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33310.5 Die Zähmung des Monsters – Grundfragen und Probleme der

Internationalen Finanzarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33710.6 Das Interview: Jörg Krämer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

11 Umwelt und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34511.1 Tatort Erde – Dimensionen und Ursachen der

Umweltproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34611.2 Ziele und Instrumente der Umweltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34811.3 Warum sind manche Länder reich und andere arm? . . . . . . . . . . . . . . . . . 35211.4 Werden die Entwicklungsländer ausgebeutet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35511.5 Was die Rohstoffpreise bewegt oder die Geschichte

vom bösen Weizen-Zocker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35611.6 Das Interview: Hans-Werner Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364Allgemeine Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

Inhaltsverzeichnis

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Einleitung: Der Untersuchungsgegenstanddieses Buches

Das Ziel der folgenden Ausführungen ist es, den Lesern zunächst einen Überblick über das »System Volkswirtschaft« zu geben. Darauf aufbauend werden die in diesem Buch behandelten Themengebiete kurz vorgestellt. Zur Veranschaulichung dient Abbildung 1. Es handelt sich dabei um eine zwar nicht vollständige, gleich-wohl recht umfassende und detaillierte Darstellung des Wirtschaftskreislaufs. Die meisten der in der Volkswirtschaftslehre untersuchten Sachverhalte können jeweils als Ausschnitt bzw. Subsystem in diesem erweiterten Kreislaufdiagramm »verortet« werden. Erfahrungsgemäß ist die behandelte Thematik dadurch besser verständlich. Wir werden deshalb in diesem Buch immer wieder auf Abbildung 1 Bezug nehmen. Nun aber zum Lehrstoff.

In der Sichtweise der Volkswirte spielt sich der Wirtschaftsprozess zwischen vier Sektoren ab: den privaten Haushalten, den Unternehmen, dem Staat und dem Ausland. Diese Sektoren der Volkswirtschaft sind durch Geldströme miteinander verbunden, und zwar so, dass ein in sich geschlossener Kreislauf entsteht – ähn-lich dem Blutkreislauf eines Menschen. In Abbildung 1 fließt ein Geldstrom von den inländischen Unternehmen (dazu gehören übrigens auch die Niederlassungen ausländischer Firmen im Inland) zu den privaten Haushalten. Dieser Geldstrom entspricht dem Faktoreinkommen, das die Haushalte als Eigentümer von Produkti-onsfaktoren – also Arbeit, Boden, Sach- und Finanzkapital – beziehen. Sie verkau-fen die Nutzung dieser Produktionsfaktoren auf den Faktormärkten (bzw. auf den Finanzmärkten) und erhalten dafür Lohn-, Gewinn-, Zins- und Mietzahlungen.

Außer ihrem Einkommen von inländischen Unternehmen fließen den Haushal-ten Faktoreinkommen vom Staat (Gehälter und Zinsen auf staatliche Wertpapiere) sowie aus dem Ausland (so genannte Primäreinkommen) zu. Letztere beinhalten die Löhne von Grenzgängern sowie empfangene Zinsen bzw. Dividenden auf Schuld-verschreibungen und Aktien ausländischer Kapitalnehmer. Zusätzlich beziehen die Haushalte staatliche Transferzahlungen (also Geldgeschenke in Form von Renten, Arbeitslosengeld, Kindergeld etc.). Andererseits müssen sie Steuern (und Sozial-abgaben) entrichten. Typischerweise leisten die deutschen privaten Haushalte per Saldo auch laufende Transferzahlungen an das Ausland (Beispiel: Überweisungen von Gastarbeitern an ihre Familien im Heimatland). Ihr letztlich verfügbares Ein-kommen verwenden sie für privates Sparen und für Konsumausgaben. Ein Teil der Konsumausgaben fließt zur Bezahlung von Importen (vor allem für Urlaube) ins Ausland ab. In wesentlich größerem Umfang strömen die Geldmittel der Haushalte über die Konsumgütermärkte zu den inländischen Unternehmen.

Die Unternehmen verzeichnen neben den Einnahmen aus inländischen Kon-sumgüterverkäufen einen Zustrom von Geld aus staatlichen Güterkäufen sowie aus Exporten. Des Weiteren erhalten sie Subventionen vom Staat. Im Gegenzug zahlen die Unternehmen Steuern (und Sozialabgaben). Außerdem führen Importe sowie Lohn-, Dividenden-, Zins- und Mietzahlungen an das Ausland (Primäreinkommen) zu einem Geldabfluss.

Der erweiterteWirtschaftskreislauf

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Einleitung

EZB

Staat

Ausland

Finanzmärkte

Konsum-güter-märkte

Faktor-märkte

Devisen-märkte

Investitions-güter-märkte

Unternehmen Haushalte

Staatliche Güterkäufe

Subventionen

Steuern

Konsumausgaben

Faktoreinkommen

Exporteinnahmen

Importausgaben

Primäreinkommen

Transferzahlungen

Importausgaben

Primäreinkommen

Nettokapitalexport

Sparen

Eigen- und Fremd-kapital

Investitions-ausgaben

Kredite an den Staat

Steuern

Transferzahlungen

Faktoreinkommen

Abb. 1

Die Geldströme durch die Volkswirtschaft

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Einleitung

Der von den Haushalten nicht für Konsumausgaben verwendete Teil ihres ver-fügbaren Einkommens, das private Sparen, wird über die Finanzmärkte auf dem Kreditwege (Fremdkapital) oder in Form des Anteilserwerbs (Eigenkapital) in In-vestitionsausgaben der Unternehmen gelenkt. Der durch das Sparen generierte Geldstrom dient darüber hinaus der Deckung der staatlichen Kreditaufnahme. Der Rest fließt – über die Devisenmärkte – als Nettokapitalexport ins Ausland. Die Bezeichnung Nettokapitalexport bedeutet, dass dem Inland natürlich auch von ausländischen Kapitalanlegern Finanzierungsmittel zufließen. Beispielsweise ist das Ausland der größte Gläubiger des deutschen Staates. Per Saldo aber exportiert Deutschland traditionell weitaus mehr Kapital, als es importiert. Das korrespon-diert mit der Stellung Deutschlands als einer der weltweit führenden Exporteure von Waren und Dienstleistungen.

Wenn wir nun zum Abschluss der hier versuchten überblicksartigen Darstel-lung einer Volkswirtschaft nochmals auf das Bild des Blutkreislaufs zurückkom-men, dann entspricht die Rolle der Finanzmärkte offenkundig der des Herzens: Über die Märkte für Bankkredite, Aktien und verzinsliche Wertpapiere werden Finanzierungsmittel in die Adern der Volkswirtschaft gepumpt. Der reibungslose Geldtransport auf den Finanzmärkten ist notwendig, um die im Wirtschaftsprozess entstehenden Finanzierungslücken des Sektors Unternehmen, des Staates und des Auslandes zu schließen. Andernfalls müsste der Umfang der gesamtwirtschaftli-chen Aktivität merklich schrumpfen.

Aufbau und Inhalt des Buches

Gegenstand des 1. Kapitels ist die Erläuterung grundlegender Begriffe und Frage-stellungen der Volkswirtschaftslehre. Im Mittelpunkt steht die Analyse des markt-wirtschaftlichen Wirtschaftssystems. Das 2. Kapitel widmet sich der Messung der Wirtschaftsleistung im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Dort werden die in Abbildung 1 gezeigten Geldströme systematisch erfasst. Derartige Rechnungen geben Aufschluss über die materielle Situation bzw. Entwicklung ei-ner Volkswirtschaft; sie bilden die unverzichtbare Grundlage der makroökonomi-schen Theorie und Politik.

Im 3. Kapitel kommen wir zur Mikroökonomik. Bezogen auf Abbildung 1 be-leuchten wir hier insbesondere das Verhalten von Haushalten und Unternehmen auf den Güter- und Faktormärkten. Die Kapitel 4 und 5 befassen sich mit der Makroökonomik. Sie analysiert die Bestimmungsgründe des Einkommens und der Beschäftigung eines Landes und sucht nach den »richtigen« Wegen der Wirt-schaftspolitik. Also: Warum ist in Abbildung 1 der Pegel der Geldströme manchmal zu hoch und manchmal zu niedrig? Wie lässt sich der Kreislauf der Wirtschaft stabilisieren?

Thema des 6. Kapitels ist die Finanzwissenschaft, deren Erkenntnisinteresse sich auf die Rolle des Staates richtet. Abbildung 1 zeigt, über welche Geldströme die öffentliche Hand mit der privaten Wirtschaft verbunden ist. An dieser Stelle sei

Die Rolle der Finanz-märkte

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Einleitung

noch erwähnt, dass der Staat selbstverständlich auch mit dem Ausland Wirtschafts-beziehungen unterhält. Zum Beispiel könnte die Bundeswehr Kampfhubschrauber bei dem US-Unternehmen Boeing bestellen. Aus Gründen der Anschaulichkeit ha-ben wir die mit derartigen Transaktionen verbundenen Geldströme zwischen dem (inländischen) Staat und dem Ausland in Abbildung 1 unberücksichtigt gelassen. Neben dem Staat – also der Regierung – ist die Zentralbank der zweite große Akteur der Wirtschaftspolitik. Wir haben die Europäische Zentralbank deshalb als weiteren Sektor in Abbildung 1 aufgenommen. Sie entfaltet ihren Einfluss über die Finanzmärkte. Die Analyse ihrer Geldpolitik ist Gegenstand des 7. Kapitels. Im 8. Kapitel widmen wir uns den Vorgängen auf den Finanzmärkten im Einzelnen. Wie gesagt, bilden die Finanzmärkte das »Herz« des Wirtschaftskreislaufs. Wenn es nicht funktioniert, bricht eine moderne Volkswirtschaft zusammen.

Das 9. Kapitel befasst sich mit dem internationalen Wirtschaftszusammen-hang. Anhand von Abbildung 1 sind die zwischen dem In- und Ausland fließenden Einnahme-, Ausgabe- und Finanzierungsströme ersichtlich. Eine enge weltwirt-schaftliche Verflechtung, wie sie für Deutschland konstatiert werden kann, hat zweifellos große Vorteile, ist aber nicht unproblematisch. Man denke etwa an die Schwierigkeiten in der Europäischen Währungsunion. Wie Abbildung 1 zeigt, müs-sen alle zwischen unterschiedlichen Währungsräumen fließenden Geldmittel auf den Devisenmärkten in die jeweils gewünschte nationale Währung umgetauscht werden. Was auf den Märkten für den Tausch und den Handel von Devisen genau passiert, fragen wir in Kapitel 10.

Das 11. Kapitel behandelt die zentralen Aspekte der Umwelt- und der Entwick-lungsökonomie. Es schließt mit einer kompakten Erläuterung der Preisbildung auf den Rohstoffmärkten.

Zuletzt möchten wir noch auf Folgendes hinweisen: Am Ende eines jeden Kapi-tels (mit Ausnahme von Kapitel 1) führen wir »Das Interview«. Dabei befragen wir namhafte Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu aktuellen und grundsätzlichen ökonomischen Themen unserer Zeit. Diese Interviews bilden eine wertvolle und hochinteressante Vertiefung und Ergänzung des jeweils zuvor behandelten Lehrstoffes. Wir möchten deren Lektüre deshalb unseren Lesern be-sonders ans Herz legen.

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1Was heißt hier ökonomisch?

Lernziele

Sie wissen, mit welchen zentralen Fragen sich die Volkswirtschafts-lehre beschäftigt und mit welcher Methode sie arbeitet.

Sie kennen die Wesensmerkmale der unterschiedlichen Wirtschafts-systeme.

Sie verstehen den volkswirtschaft-lichen Produktionsprozess.

Sie können das marktwirtschaft-liche System beurteilen und sind mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft vertraut.

Sie kennen die Ziele sowie die Akteure der Wirtschaftspolitik, wissen, über welche Instrumente diese verfügt und verstehen deren Wirkungsweise.

In New York le ben gan ze Be völ ke rungs tei le zu sam men mit Mil lio nen von Rat ten in den un ter ir di schen Schäch ten der Ka na li sa ti on. Wenn ei ner der mensch li chen Be woh ner he raus kriecht, um in den Müll ton nen der Stadt nach weg ge wor fe nen Fast-Food-Res ten zu su chen, und sich da bei ein we nig auf fäl lig be nimmt, so kann es schon vor kom men, dass er von der um die öf fent li che Si cher heit be sorg ten Po li zei fest ge nom men wird. Den ge mäch lich pas sie ren den Fah rer des schwar zen Lam bor ghi ni Dia bo lo, der ge ra de sei ne an der Wall Street no tier ten Ak ti en op tio-nen mit hun dert Mil lio nen Ge winn ver kauft hat, dürf te das ver gleichs wei se we nig be ein dru cken. Wa rum auch? That’s li fe. Oder?

In der Drit ten Welt ver hun gern täg lich meh re re tau send Kin der, wäh rend in den Industriestaaten Milliarden Tonnen Nahrungsmittel verschwendet werden, weil sie in Größe und Aussehen nicht den Vorgaben der Supermärkte entsprechen. Ist das in Ord nung? Nor mal nicht, aber es ist ei ne Er schei nungs form der wirt schaft li chen Rea li tät. Was ist das für ei ne Rea li tät?

In den Aus füh run gen die ses ers ten, grund le gen den Ka pi tels wer den wir zu-nächst die Knapp heit, das heißt die Be grenzt heit der zur Ver fü gung ste hen den Mög lich kei ten der Gü ter pro duk ti on als zent ra les Prob lem der Öko no mie he raus-stel len. Aus ihm er ge ben sich zwangs läu fig drei Grund fra gen, näm lich was, wie und für wen in ei ner Volks wirt schaft pro du ziert wer den soll. Wir be trach ten da bei das Sys tem Volks wirt schaft als ein rie si ges Un ter neh men, das sich aus ei ner Viel-

»Denn der Sinn des Le bens be steht nicht da rin, dass ein Mensch auf grund sei nes gro ßen Ver mö gens im Über fluss lebt.«

Lu kas 12, 15

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Was heißt hier ökonomisch?Leben heißt wirtschaften – das Problem der Knappheit

zahl je weils nur am ei ge nen Vor teil ori en tier ter Ent schei dungs trä ger, sozusa gen »Pro fit-Cen tern«, zu sam men setzt. So man cher, der schon ein mal die Zent ra le ei ner gro ßen Bank, ei nes In dust rie un ter neh mens oder ei ne Be hör de von in nen ge se hen hat, wird sich ver mut lich ge fragt ha ben, wie die un zäh li gen Ein zel ak tio nen, Ab-läu fe und Ent schei dun gen in ei nan dergrei fen, so dass am En de ein mehr oder we-ni ger ver nünf ti ges Er geb nis re sul tiert. Das sel be gilt na tür lich für ein gan zes Land oder für die Welt ins ge samt. Wa rum mün det das al les nicht im Cha os? Wie, nach wel chem Grund prin zip, funk tio niert die ka pi ta lis ti sche Markt wirt schaft? Und wo lie gen ih re dunk len Sei ten? Mit die sen und ähn li chen Fra gen wol len wir uns auf den nächs ten Sei ten be fas sen. Besondere Beachtung schenken wir der in Deutsch-land realisierten Wirtschaftsordnung, der Sozialen Marktwirtschaft. Erläutert wer-den des Weiteren die Auf ga ben und Me tho dik der Volks wirt schafts leh re so wie die Zie le und Träger der Wirt schafts po li tik. Auch geben wir eine zusammenfassende Darstellung der wirtschaftspolitischen Instrumente und deren Wirkung.

1.1 Leben heißt wirtschaften – das Problem der Knappheit

Die Leh re von dem wirt schaft li chen Ge sche hen in der Welt nennt man Öko no mie. Manch mal spricht man auch von Öko no mie und meint da mit all ge mein »die Wirt-schaft« (so zu sa gen als Ort die ses Ge sche hens). Als Ent de cker der Öko no mie gilt ge mein hin Aris to te les (384–322 v. Chr.). Der be rühm te ös ter rei chi sche Öko nom Jo sef Schum pe ter (1883–1950) ver moch te zwar in des sen Bei trä gen le dig lich ei nen »ehr ba ren, pro sa i schen, ir gend wie mit tel mä ßi gen und recht schwüls ti gen, ge sun-den Men schen ver stand« zu er ken nen. Ge nau da rum geht es aber!

Die Öko no mie be schäf tigt sich näm lich mit dem ganz ge wöhn li chen, mensch-li chen Prob lem des Man gels oder der Knapp heit. Es er gibt sich da raus, dass je der Ein zel ne von uns ei ne un end lich gro ße Fül le von Wün schen bzw. Be dürf nis sen hat, die vor han de nen Mög lich kei ten zu de ren Er fül lung aber be grenzt sind. Die Fol ge da von ist, dass vie le Gü ter, eben weil sie hef tig be gehrt wer den, knapp sind. Sol che Gü ter be zeich nen wir als öko no mi sche Gü ter. So ge nann te freie Gü ter sind da ge gen, ge mes sen an den Wün schen der In di vi du en, in be lie bi ger Men ge vor han-den. Der ar ti ge Gü ter ha ben ty pi scher wei se auch kei nen Preis. Al ler dings fällt es schwer, da für Bei spie le zu fin den. Sand in der Sa ha ra wä re et wa ei nes. Oder fau le Ei er. Sie mö gen viel leicht sel ten sein, aber knapp im öko no mi schen Sin ne sind sie nicht. Sehr vie le Gü ter, die frü her ein mal frei wa ren, wie Was ser, sau be re Luft oder Park plät ze, sind in des mitt ler wei le zu knap pen und da mit teu ren Gü tern ge wor-den. Aus der Knapp heit re sul tiert die Not wen dig keit, sich auf ei ne sinn vol le Aus-wahl be stimm ter Be dürf nis se zu be schrän ken. Je der Mensch mit ei nem be grenz-ten Ein kom men – und das sind die meis ten – kennt das. Er muss »wirt schaf ten«. Wirt schaf ten be deu tet stets den mög lichst zweck mä ßi gen Ein satz knap per Mit tel. Die se Not wen dig keit be trifft je de han deln de Wirt schafts per son (in der Spra che des Öko no men: je des Wirt schafts sub jekt) – egal ob Pri vat haus halt, Ak ti en ge sell-

Ökonomische Güter

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Leben heißt wirtschaften – das Problem der Knappheit

schaft oder staat li che Ein rich tung. Ge mein sa mer Ori en tie rungs maß stab ist da bei das »öko no mi sche Prin zip«. Es ver langt, mit ge ge be nen Mit teln ei nen mög lichst ho hen Er trag zu er zie len (Ma xi mal prin zip) oder ein ge ge be nes Ziel mit mög lichst ge rin gem Auf wand zu er rei chen (Mi ni mal prin zip). Bei nä he rer Be trach tung be-steht un ser gan zes Le ben aus lau ter sol chen Op ti mie rungs ent schei dun gen. Das ist auch der Grund, wes halb die Öko no mie längst nicht mehr nur bei der Er klä rung ih rer tra di tio nel len wirt schafts be zo ge nen Fra ge stel lun gen An wen dung fin det. So lie fert heut zu ta ge die öko no mi sche Theo rie der Po li tik, der Bü ro kra tie, der Ehe bzw. Fa mi lie, der Kri mi na li tät, der Dro gen oder der Re li gi on hochin te res san te Ein-sich ten in die Ge sell schaft und ih re Ver hal tens wei sen. Abbildung 1-1 zeigt die tra di tio nel le Glie de rung der Wirt schafts wis sen schaf ten.

Abb. 1-1

Einteilung der Wirtschaftswissenschaften

Betriebswirtschaftslehre

Wirtschaftswissenschaften

Wirtschaftstheorie

Mikroökonomik Makroökonomik Außenwirtschaftslehre

Wirtschaftspolitik Finanzwissenschaft

Volkswirtschaftslehre

Die Be triebs wirt schafts leh re ana ly siert die Ent schei dun gen der Un ter neh men. Die Volks wirt schafts leh re wid met sich den Vor gän gen des Wirt schafts le bens ins ge samt. Sie wird in die Wirt schafts theo rie, die Wirt schafts po li tik und die Fi nanz wis sen-schaft un ter glie dert.

Ge gen stand der Wirt schafts theo rie ist zum ei nen die Mik ro ö ko no mik. Sie be-fasst sich mit dem Ver hal ten ein zel ner Haus hal te und Un ter neh men so wie mit der Funk ti ons wei se des Mark tes. Auf ga be der Mak ro ö ko no mik ist es zu er klä ren, wie sich die Ent schei dun gen von Un ter neh men, Haus hal ten und Staat in ih rer Ge-samt heit aus wir ken. Wie kommt es zu Kon junk tur schwan kun gen, Ar beits lo sig keit und In fla ti on? Wel che Rol le spielt das Geld? Die Mak ro ö ko no mik soll auf die ser Ba sis Hand lungs vor schlä ge für die Wirt schafts po li tik be reit stel len. Die Au ßen­wirt schafts leh re fragt nach den Kon se quen zen, die aus der in ter na tio na len Ver-flech tung ei nes Lan des ent ste hen. Im Rah men der Wirt schafts po li tik geht es um Mög lich kei ten des staat li chen Ein griffs in die Wirt schafts ord nung und den Wirt-schafts ab lauf. Was sol len Zent ral bank und Re gie rung tun? Wel che Re zep te gibt es zur Be wäl ti gung der wirt schaft li chen und so zia len Prob le me ei ner Na ti on? Ei ne ra tio na le Wirt schafts po li tik wird sich da bei auf die Er kennt nis se der Wirt schafts­

Ökonomisches Prinzip

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1.28

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Was heißt hier ökonomisch?Was, wie, für wen? Die Grundfragen der Ökonomie

theo rie stüt zen. Die Fi nanz wis sen schaft un ter sucht die Auf ga ben des Staa tes im Wirt schafts ge sche hen. Ihr In te res se rich tet sich auf die Wir kun gen von Steu ern, Staats aus ga ben und öf fent li chen Schul den.

1.2 Was, wie, für wen? Die Grundfragen der Ökonomie

In je der Volks wirt schaft sind in fol ge der nur be grenzt ver füg ba ren Pro duk ti ons-mög lich kei ten drei Grund fra gen zu be ant wor ten: Was soll pro du ziert wer den? Wel che Ar ten von Gü tern sol len in wel chen Men gen her ge stellt wer den?Wie soll pro du ziert wer den? Wel che Pro duk ti ons mit tel – Ma schi nen, Ar beits kräf te etc. – sol len in

wel chem Um fang ein ge setzt wer den? Wo, an wel chen Stand or ten soll pro du ziert wer den?

Für wen soll pro du ziert wer den? Wer er hält wie viel des Pro duk ti ons er geb nis ses? Wel cher Teil der Pro duk ti on

soll so fort kon su miert, wel cher Teil soll in ves tiert wer den und so da zu die nen, die Pro duk ti ons mög lich kei ten in der Zu kunft zu er hö hen?

Die auf die Lö sung die ser drei Kern prob le me ge rich te ten Ent schei dun gen kön-nen von ei ner zent ra len Pla nungs be hör de (oder auch von meh re ren Be hör den) ge trof fen wer den. Das ist ei ne Mög lich keit. Ge wöhn lich setzt sie vo raus, dass auch die Pro duk ti ons mit tel – das »Ka pi tal« – die ser Be hör de un ter stellt, al so ver ge-sell schaf tet sind oder dem Staat ge hö ren. Man spricht dann von so zia lis ti scher Zent ral ver wal tungs wirt schaft (sie he Abbildung 1-2). In der Re gel wer den in ei nem sol chen Wirt schafts sys tem auch die Prei se für die pro du zier ten Gü ter so wie die Löh ne etc. staat lich fest ge legt. Die Er fah run gen mit die ser Or ga ni sa ti ons form ei-ner Volks wirt schaft sind aber we nig er mu ti gend. Man den ke et wa an die Hin ter-las sen schaft der ehe ma li gen UdSSR: ver seuch te Seen und Flüs se, ver al te te oder funk ti ons un fä hi ge Ma schi nen, he run ter ge kom me ne Fab rik ge bäu de, ver brei te ter Al ko ho lis mus und teil wei se bit te re Ar mut. Leh rer und Sol da ten bei spiels wei se sol-len mo na te lang über haupt kein Ge halt be kom men ha ben. Vie le Pro duk te waren und sind nur am »Schwarz markt« er hält lich und Kor rup ti on scheint ei ne gro ße Rol le zu spie len. Auch die Beispiele Kuba oder Nordkorea zeigen, dass die Kern-prob le me ei ner Volks wirt schaft mit zentraler Planung nicht zu frie den stel lend zu be wäl ti gen sind.

Auf der an de ren Sei te steht die ka pi ta lis ti sche Markt wirt schaft, in der Mil lio nen von Pri vat haus hal ten und Un ter neh men ei gen ver ant wort lich (de zent ral) da rü ber ent schei den, was, wie und für wen pro du ziert wird. Die Pro duk ti ons mit tel be fin-den sich hier in pri va ter Hand und die Len kung der Gü ter her stel lung in die »rich-ti gen«, das heißt von den Käu fern ge wünsch ten Ver wen dungs be rei che ge schieht über die er ziel ba ren Prei se und Ge win ne. Als Ex po nen ten die ses Sys tems gel ten

Ein Wirtschaftssystem (Wirtschaftsordnung) ist die Gesamtheit der rechtlichen Vorschriften, Koordinationsmecha-nismen, Zielsetzungen, Verhaltensweisen und Institutionen, die den Aufbau und Ablauf einer Volkswirtschaft bestimmen

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Was, wie, für wen? Die Grundfragen der Ökonomie

die USA, Hong kong oder Mo na co. Der in die sen Län dern er reich te ma te ri el le Wohl-stand lässt die markt wirt schaft li che Lö sung als haus hoch über le gen er schei nen. Aber auch sie hat ih re Schwä chen (sie he Kapitel 1.4).

Abb. 1-2

Wirtschaftssysteme

WirtschaftswissenschaftenDie einzelnen Wirtschaftssysteme ergeben sich aus der Kombination der Bauelemente »Koordinationsprinzip« und »Eigentumsordnung«

Privateigentum an Produktionsmitteln

Gemeineigentum anProduktionsmitteln

sozialistischeMarktwirtschaft

sozialistischeZentralverwaltungswirtschaft

kapitalistischeZentralverwaltungswirtschaft

zentralePlanung

dezentralePlanung

Koordinations-prinzip

Eigentums-ordnung

kapitalistischeMarktwirtschaft

Die ka pi ta lis ti sche Zent ral ver wal tungs wirt schaft dürf te kei ne ernst haf te Rea li sie-rungs chan ce ha ben. Im Mo dell der so zia lis ti schen Markt wirt schaft gibt es grund-sätz lich die Mög lich keit, dass die Pro duk ti ons mit tel über wie gend Staats ei gen tum sind. Ty pi scher wei se hat hier auch die zent ra le staat li che Pla nung noch er heb li-ches Ge wicht. So etwa in Un garn bis En de der 1980er-Jah re und in Chi na in den 1980er-Jah ren bis heute. Al ter na tiv kön nen die Pro duk ti ons mit tel über wie gend Ge sell schafts ei gen tum sein: Sie ge hö ren den Be schäf tig ten der ein zel nen Be trie be. Über ih re Nut zung ent schei den die Mit ar bei ter im Rah men der »Ar bei ter selbst ver-wal tung«. Die ses Mo dell war in An sät zen in Ju go sla wi en bis En de der 1980er-Jah re ver wirk licht. Die meis ten heu tigen Wirt schafts sys te me kom bi nie ren Ele men te der ka pi ta lis ti schen und der so zia lis ti schen Markt wirt schaft. Hier zu ge hö ren et wa die fran zö si sche »Pla ni fi ca ti on«, in der be stimm te »Mak ro grö ßen« (vor al lem die In-ves ti tio nen) zent ral vor ge plant wer den, oder das »schwe di sche Mo dell«, wel ches der Voll be schäf ti gung und so zia len Si cher heit obers te Prio ri tät ein räumt. Auch die un ter der Ver ant wor tung von Lud wig Er hard (1897–1977) in Deutsch land eta-blier te So zia le Markt wirt schaft bil det ei ne Misch form, in der dem Staat die Auf ga be zu kommt, len kend ein zu grei fen und als ne ga tiv emp fun de ne Wir kun gen der frei en Markt wirt schaft ab zu mil dern.

Die in der Realität zu beobachtenden Wirt-schaftssysteme stellen Mischformen dar

Soziale Marktwirtschaft

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Was heißt hier ökonomisch?Input und Output – das Unternehmen Volkswirtschaft

1.3 Input und Output – das Unternehmen Volkswirtschaft

Für un se re wei te ren Über le gun gen be nö ti gen wir noch ei ni ge be griffl i che Klä run-gen. Hier zu ist es hilf reich, sich die Volks wirt schaft als ein rie si ges Un ter neh men vor zu stel len, des sen Er zeug nis se zu sam men ge nom men das so ge nann te In lands-pro dukt bil den (es ist eng ver wandt mit dem So zi al pro dukt bzw. Na tio nal ein kom-men). Zu sei ner Er stel lung wer den die Pro duk ti ons fak to ren Ar beit, Bo den und Ka-pi tal ein ge setzt bzw. ge nutzt (sie he Abbildung 1-3).

Abb. 1-3

Der Produktionsprozess einer Volkswirtschaft

Wirtschaftswissenschaften

Inlandsprodukt

Technologie

ProduktionsfaktorenArbeitBodenKapital

volks-wirt-schaft-licheProduk-tion

In dem von Öko no men be vor zug ten »Deng lisch« wer den die ein ge setz ten, so zu sa-gen hi nein ge steck ten, Pro duk ti ons fak to ren als In put be zeich net. Da bei ver ste hen wir un ter Ar beit sämtliche Er werbs per so nen ei nes Lan des, al so die Zahl der ins ge-samt ver füg ba ren Ar beitskräf te bzw. de ren Ar beits zeit. (In wie weit die ses Po ten zi al tat säch lich aus ge schöpft wird, ist ei ne an de re Fra ge!) Zum Fak tor Bo den ge hö ren die gan ze für wirt schaft li che Ak ti vi tä ten ver wend ba re Bo den flä che so wie die Bo-den schät ze – da zu zäh len et wa auch die Wind- und Solar ener gie oder der Fisch be-stand im Bo den see. Ka pi tal um fasst die vor han de nen Ma schi nen, Werk zeu ge, tech-ni schen An la gen, Ge bäu de, Ver kehrs we ge, Te le fon lei tun gen etc. Ge nau er spricht man vom Ka pi tal stock oder Re al ka pi tal. So ge nann tes Fi nanz ka pi tal ist hin ge gen kein ei ge ner Pro duk ti ons fak tor, viel mehr kann es als Mit tel zur Be schaf fung von Re al ka pi tal ver stan den wer den. Ver grö ße run gen des Ka pi tal stocks werden als In­ves ti tio nen bezeichnet. Sie er hö hen die zu künf ti gen Pro duk ti ons mög lich kei ten ei ner Volks wirt schaft. Der prin zi pi ell glei che Ef fekt geht üb ri gens von ei ner Ver-bes se rung der Pro duk ti ons tech no lo gie aus. Auf grund ih rer gro ßen Be deu tung wird die Tech no lo gie, das tech ni sche und sons ti ge Wis sen in ei ner Volks wirt schaft, heu-te oft auch als ei gen stän di ger Pro duk ti ons fak tor auf ge fasst.

Wen den wir uns nun dem ge samt wirt schaft li chen Pro duk ti ons er geb nis zu, dem In lands pro dukt oder Out put (al so dem, was hin ten he raus kommt). Grund sätz lich

Neben den dauerhaften Produktionsmitteln werden auch nicht dauerhafte Produktions-mittel eingesetzt, die im Produktionsprozess als Vorleistungen verbraucht bzw. verarbeitet werden

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Input und Output – das Unternehmen Volkswirtschaft

kann es sich hier um Sach gü ter (auch: Wa ren) oder um Dienst leis tun gen wie et wa Trans port, Fern seh un ter hal tung, Kran ken pfle ge oder Bil dung han deln. Je nach-dem, ob die se Gü ter von pri va ter Hand oder vom Staat be reit ge stellt wer den, spricht man von pri va ten oder von öf fent li chen Gü tern. Das The ma, wa rum der Staat über haupt be stimm te Leis tun gen selbst pro du ziert bzw. an bie tet, dis ku tie-ren wir spä ter (siehe Kapitel 6.1). An die ser Stel le bleibt aber fest zu hal ten, dass das In lands pro dukt in ei nem mehr stu fi gen Pro zess ge schaf fen wird, wie dies für den in Abbildung 1-4 dar ge stell ten Fall der Bro ter zeu gung gut zu se hen ist. Wie in die sem Bei spiel er gibt sich auch das am En de ste hen de In lands pro dukt ei ner gan zen Volks wirt schaft als Sum me der auf den je wei li gen Pro duk ti ons stu fen hin-zu ge füg ten Wert schöp fun gen. Die da mit ver bun de ne Ver flech tung führt zu ei ner star ken Ab hän gig keit zwi schen den be tei lig ten Wirt schafts be rei chen. Dies kann bei spiels wei se die oft be obacht ba ren Ket ten re ak tio nen bei ei nem kon junk tu rel len Auf- oder Ab schwung er klä ren.

Abb. 1-4

Die volkswirtschaftliche Wertschöpfungskette am Beispiel der Broterzeugung

WirtschaftswissenschaftenLandwirt

Wert-schöpfung

Wert-schöpfung

Wert-schöpfung

Getreide

Löhne

Löhne

Gewinn

Gewinn

Mehl

Brot

Löhne

Gewinn

Vor-leistung

Vor-leistung

Inlands-produkt

Getreidemühle Brotfabrik

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1.412

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Was heißt hier ökonomisch?Die unsichtbare Hand – der Koordinationsmechanismus des Marktes

1.4 Die unsichtbare Hand – der Koordinationsmechanismus des Marktes

In sei ner 1714 ver öf fent lich ten »Bie nen fa bel« er zählt der Hol län der Ber nard Man-de vil le von ei nem Bie nen stock, in dem gro ßer Wohl stand herrscht, aber auch gro-ßes Las ter. Die Bie nen seh nen sich nach mehr Tu gend haf tig keit und christ li cher Nächs ten lie be. Als ihr Wunsch er füllt wird, ver schwin det je doch mit dem Las ter al le Ak ti vi tät der Ein zel nen. Der Wohl stand zer bricht. Mü ßig gang, Lan ge wei le und Cha os brei ten sich aus. Die Bot schaft die ser Fa bel, die da mals ei nen Skan dal aus-lös te, trifft ziem lich ge nau den We sens kern der ka pi ta lis ti schen Markt wirt schaft. Man kann ih re Funk ti ons wei se an hand des ein fa chen Wirt schafts kreis laufs er klä-ren (sie he Abbildung 1-5): In die sem Mo dell sind al le pri va ten Haus hal te zum »Sek tor« Haus hal te und sämt li che Un ter neh men zum »Sek tor« Un ter neh men zu-sam men ge fasst. Die Un ter neh men nut zen die von den Haus hal ten an ge bo te nen Pro duk ti ons fak to ren und die se ver wen den das da für er hal te ne Ein kom men für den Kauf von Kon sum gü tern. Es fließt al so zwi schen den bei den Sek to ren ein stän di ger Strom von Kon sum gü tern und Fak tor leis tun gen (Ar beits ein satz, Bo den nut zung etc.), dem ein wert glei cher Geld strom ent ge gen ge rich tet ist. Als Platt form für den Tausch Geld ge gen Gü ter bzw. Geld ge gen Fak tor leis tun gen die nen die Kon sum gü-ter- bzw. die Fak tor märk te.

Steigt nun die Nach fra ge der Haus hal te nach ei nem Kon sum gut, sa gen wir Kar-tof feln, so wür den sich de ren Preis so wie die Ge win ne in der Kar tof fel bran che er hö hen. Dies ver an lasst die Landwirte, mehr Kar tof feln an zu bau en, und lockt au ßer dem neue An bie ter auf den luk ra ti ven Markt. Ent spre chend wer den mehr Feld ar bei ter, Pflü ge, Acker flä chen etc. be nö tigt, wor auf hin de ren Nut zungs prei se – al so Löh ne, Mie ten, Pacht etc. – an stei gen.

Das Bei spiel zeigt mit hin, dass in der Markt wirt schaft die Kon su men ten da-rü ber ent schei den, was in der Volks wirt schaft pro du ziert wird (näm lich das, was den höchs ten Ge winn ab wirft). Die ge ziel te Nach fra ge der Un ter neh men nach Fak-tor leis tun gen be stimmt da rauf hin die Ein kom men und da mit, für wen pro du ziert wird. Gleich zei tig ist das Preis ver hält nis zwi schen den Pro duk ti ons fak to ren maß-geb lich für de ren je wei li ge Ein satz men ge, al so da für, wie pro du ziert wird. An ge-nom men, die Löh ne der Feld ar bei ter wä ren im Ver gleich zu den Nut zungs kos ten ei ner Kar tof fel ern te ma schi ne zu hoch, so wür den die Landwirte ver su chen, Feld ar-bei ter (Ar beit) durch Kar tof fel ern te ma schi nen (Ka pi tal) zu er set zen. Der Wett be-werbs druck zwingt die Un ter neh men da bei zu stän di gem Nach den ken da rü ber, wie die Pro duk ti on noch kos ten güns ti ger bzw. ef fi zi en ter zu ge stal ten wä re. Das ist das Geheimnis der hohen Leistungsfähigkeit dieses Wirtschaftssystems.

Als Fa zit er gibt sich, dass in der ka pi ta lis ti schen Markt wirt schaft der Preis me­cha nis mus die Len kung des Wirt schafts pro zes ses über nimmt. Er ist je ne »un sicht-ba re Hand«, von der Adam Smith, der geis ti ge Va ter der Markt wirt schaft, 1776 in sei nem wich tigs ten Werk »Der Wohl stand der Na tio nen« ge spro chen hat. Sie bringt den Ein zel nen, der im Grun de nur sei nen ei ge nen Vor teil im Au ge hat, da zu, sich für das Ge mein wohl ein zu set zen (sie he Kapitel 5.1).

Wirtschaftskreislauf

Die Nachfrage nach Produktivleistungen ergibt sich letztlich aus der Konsumgüter-nachfrage

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Die unsichtbare Hand – der Koordinationsmechanismus des Marktes

Abb. 1-5

Der einfache Wirtschaftskreislauf

Einnahmen Ausgaben

GüterkäufeGüterverkäufe

Inputs für dieProduktion

Arbeit, Boden,Kapital

Löhne, Miete, Pacht,Zinsen, Gewinn

Einkommen

Unternehmenproduzieren und

verkaufen Güterbeschäftigen und

nutzen Produktionsfaktoren

FaktormärkteHaushalte verkaufenUnternehmen kaufen

KonsumgütermärkteUnternehmen verkaufenHaushalte kaufen

Haushaltekaufen und

konsumieren Gütersind Eigentümer der

Produktionsfaktoren und verkaufen Faktorleistungen

Die wich tigs ten Kri tik punk te am frei en Preis- bzw. Markt me cha nis musPri va te Un ter neh mer pro du zie ren nur, wenn sie da mit Ge winn ma chen kön nen.

Gü ter, die nicht oh ne Wei te res am Markt ver kauft wer den kön nen, wie Stra ßen-nut zung, Si cher heit, Bil dung oder Schutz imp fun gen ge gen Seu chen (öf fent li che Gü ter), wer den nicht an ge bo ten.

Es be steht ei ne Ten denz, den Wett be werb durch den Zu sam menschluss mit an-de ren Un ter neh men ein zu schrän ken. Da rü ber hi naus kann die ab so lu te Ge-winno ri en tie rung (zumindest kurzfristig) in Konflikt mit sozialpolitischen Zie-len, etwa der Arbeitsplatzsicherheit stehen (Stichwort Shareholder Value). Ein wei te res Prob lem sind so ge nann te ex ter ne Ef fek te. Sie lie gen bei spiels wei se vor, wenn ein Un ter neh men Gift stof fe an die Um welt ab gibt, oh ne für den Scha den zu be zah len.

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Was heißt hier ökonomisch?Der deutsche Weg: Die Soziale Marktwirtschaft

Die wirt schaft li che Ak ti vi tät schwankt. In Kri sen zei ten kommt es zu Ar beits­lo sig keit und evtl. Deflation. An de rer seits be steht die Ge fahr der Überhitzung und der In fla ti on. Den Chan cen auf ma te ri el len Wohl stand ste hen exis ten zi el le Ri si ken ge gen über. Insbesondere sind die Finanzmärkte instabil.

Ty pisch ist schließ lich die sehr un glei che Ein kom mens­ und Ver mö gens ver tei­lung. Sie ist ei ne Fol ge des zu grun de lie gen den Leis tungs prin zips, wo bei der Wert ei ner Leis tung an dem Preis ge mes sen wird, den die Käu fer da für zu zah-len be reit sind. Die Rea li tät zeigt, dass Ge sell schaf ten, die sehr ef fi zi ent ar bei-ten, die al so das meis te aus ih ren knap pen Res sour cen he raus ho len, auch gro ße so zia le Un ter schie de auf wei sen – und um ge kehrt.

1.5 Der deutsche Weg: Die Soziale Marktwirtschaft

Der 20. Juni 1948 gilt gemeinhin als Geburtstag der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Ludwig Erhard (1897–1977), zu dieser Zeit Direktor der Verwaltung für Wirtschaft in dem Teil Deutschlands, den Briten und Amerikaner – drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – besetzt hielten, ließ bekannt geben, die Preisbindung werde weitgehend aufgehoben. Erhard war davon überzeugt, dass die am gleichen Tag in Gang gesetzte Währungsreform, die Einführung der D-Mark, alleine nichts an der Mangelwirtschaft würde ändern können, in der Waren rationiert und gehortet wurden. Er wollte die Währungsreform daher mit einer Wirtschaftsreform verbinden. Sie sollte dafür sorgen, dass sich Arbeitsleistung und Unternehmergeist entfalten konnten. Die wichtigste Voraussetzung dafür war nach seiner Ansicht, den Preismechanismus wieder zuzulassen. Der Staat sollte nicht länger die Preise diktieren, diese sollten sich vielmehr am Markt als Ergebnis von Angebot und Nachfrage bilden. Man muss sich die damalige Situation vorstel-len: Die Güterpreise und Verkaufsmengen wurden gesetzlich festgelegt. Was es auf Bezugsschein gab, war billig. Zehn Reichsmark kosteten die auf Karte erhältlichen Lebensmittel für einen Monat, sie reichten aber nicht zum Leben. Konsumgüter gab es zu den dekretierten Preisen nicht im Laden zu kaufen, auf dem verbotenen Schwarzmarkt hingegen gab es alles, aber exorbitant teuer. Ohne Tauschhandel und Schwarzmarkt wären viele Menschen verhungert.

Mit der Freigabe der Preise gelang Erhard eine historische Weichenstellung in Richtung Marktwirtschaft. Die Öffentlichkeit war ebenso überrascht wie die Alli-ierten. »Alle meine Berater sind gegen Ihr Vorgehen«, kritisierte der amerikani-sche Oberbefehlshaber Clay. »Meine Berater auch«, entgegnete Erhard. Unterstüt-zung erhielt Erhard nur von wenigen, denn in allen Parteien, auch in der CDU, überwogen damals planwirtschaftliche Ansätze.

Auch wenn die Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft ihm zuerkannt wird: Ludwig Erhard plädierte keineswegs für staatliche Maßnahmen zum Zwecke des sozialen Ausgleichs. Er sprach sich vielmehr für eine reine Konkurrenzwirtschaft im Sinne des klassischen Liberalismus aus (siehe unten). Als zentrale Bauelemente der Sozialen Marktwirtschaft sah Erhard offene Märkte und eine stabile Währung.

Die Aufhebung der Preis-kontrollen bildete den Beginn des »deutschen Wirtschaftswunders«

Ludwig Erhard (1897–1977) war von 1949 bis 1963 Bundeswirtschafts-minister im Kabinett des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. In diesem Amt wurde Erhard zum »Vater des Wirtschaftswunders«. Von 1963 bis 1966 war er deutscher Bundeskanzler.

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Der deutsche Weg: Die Soziale Marktwirtschaft

Allgemeiner Wohlstand entstehe nicht durch Umverteilung, sondern nur durch Wachstum. Einen Widerspruch zwischen Markt und sozialer Gerechtigkeit sah er nicht. Im Gegenteil: Erhard wandte sich entschieden gegen den Ausbau des Sozi-alstaats, beginnend mit der Rentenreform 1957. Er befürchtete eine Entwicklung zum Versorgungsstaat, der die Eigenverantwortung untergrabe. Sein Widerstand war freilich erfolglos, ebenso die berühmten Appelle zum »Maßhalten«, als er Kanzler wurde und die Ansprüche der Bevölkerung weiter steigen sah. Erhards Gegner nutzten eine konjunkturelle Schwächephase, um ihn 1966 zu stürzen.

Den eigentlichen Begriff der Sozialen Marktwirtschaft prägte Alfred Müller­Ar­mack (1901–1978). Der Ökonom und Religionssoziologe lehrte an der Universität Köln, wechselte 1952 ins Wirtschaftsministerium (unter Erhard) und wurde Staats-sekretär für Europa. Müller-Armack setzte sich dafür ein, die Kraft des Marktes als Wohlstandsmotor mit dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit zu verbinden.

Wie die Vertreter des so genannten Ordoliberalismus (siehe nächste Seite) sah er es als Aufgabe des Staates an, den wettbewerblichen Rahmen zu setzen und für stabiles Geld zu sorgen. Eine wichtige Säule der Sozialen Marktwirtschaft bildet insofern das 1957 verabschiedete – und seitdem mehrfach überarbeitete – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – kurz »Kartellgesetz« genannt.

Das GWB ist die »Magna Charta« des deutschen Wettbewerbsrechts. Es bein- haltet das Verbot von Kartellen (also von vertraglich fixierten Preisabsprachen zwischen Unternehmen), die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen und die Bekämpfung des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen.

Müller-Armack erkannte darüber hinaus der Sozialpolitik eine größere Bedeutung zu, als es die Ordoliberalen taten. Wesentliches Instrument des sozialen Ausgleichs ist heute die Verteilungspolitik, also etwa der progressive Einkommensteuertarif, und das System der sozialen Sicherung in Form der gesetzlichen Renten-, Arbeits-losen-, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Sozialhilfe. Hinzu tre-ten die so genannte Globalsteuerung, wie sie 1967 im »Stabilitätsgesetz« veran-kert wurde, und weitere Maßnahmen der Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Umwelt- und Strukturpolitik.

Konzeptionen der Ordnungspolitik im historischen ZusammenhangNachstehend werden die wichtigsten ordnungspolitischen Konzeptionen im his-torischen Zusammenhang dargestellt. Zum Verständnis: Eine ordnungspolitische Konzeption ist die theoretische Grundlage – sozusagen das Leitbild – eines ent-sprechenden Wirtschaftssystems bzw. ist sie – wie im Fall der Sozialen Marktwirt-schaft – mit diesem gleichzusetzen. Im Zeitablauf haben sich folgende Modelle herauskristallisiert:Der Merkantilismus (ab Ende des 16. Jahrhunderts) hatte vor allem zum Ziel,

die Staatseinnahmen zu steigern und erkannte dem Staat erheblichen Einfluss zu. Haupteinnahmequelle des Staates waren neben den Steuern die Erlöse aus eigenen Betrieben.

Kernpunkte der Sozialen Marktwirtschaft

Merkantilismus

Alfred Müller-ArmackDer deutsche Ökonom und Soziologe (1901–1978) leitete von 1952 bis 1957 als enger Mitarbeiter Ludwig Erhards die Ab-teilung Wirtschaftspolitik und die Grundsatzab-teilung im Bundeswirt-schaftsministerium.

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Was heißt hier ökonomisch?Der deutsche Weg: Die Soziale Marktwirtschaft

Der klassische Liberalismus (ab Mitte des 18. Jahrhunderts) ging im Zuge der Industrialisierung von England aus. Hauptvertreter waren John Locke, David Hume, Adam Smith und Ludwig von Mises. Der Staat sollte wenig Einfluss ausüben (so genannter Nachtwächterstaat). Er hatte Eigentums- und Vertrags-schutz zu gewährleisten und nur bestimmte Kernaufgaben wahrzunehmen. An-sonsten genoss die freie Preisbildung und Koordination auf Märkten oberste Priorität. Ungleiche Einkommensverteilung, soziale Härten sowie Machtkon-zentration von Unternehmen waren zugunsten der allgemeinen Wohlstands-steigerung zu akzeptieren.

Der Sozialismus wurde um 1850 durch Karl Marx und Friedrich Engels propa-giert und hatte als Ziel den Kommunismus. Er war geprägt vom Gedanken einer »Diktatur des Proletariats«, Kollektiveigentum an den Produktionsmitteln so-wie zentraler Planung. Privateigentum führte nach Vorstellung der Sozialisten zur Ausbeutung der Arbeiterklasse, unternehmerischen Gewinn erachteten sie als vorenthaltenen Lohn, dezentrale Koordination mündete ihrer Meinung nach in wirtschaftliche Krisen infolge von Überproduktion und damit verbundener Verschwendung.

Der Neo­ oder Ordoliberalismus (beginnend 1932 mit der Gründung der »Freibur-ger Schule« durch Walter Eucken und Franz Böhm) stellte die Verwirklichung einer Wettbewerbsordnung auf der Grundlage des Privateigentums in den Mit-telpunkt. Sein Ideal war individuelle Freiheit mit vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten. Ein starker Staat sollte die dafür notwendigen Rahmenbedingun-gen setzen, insbesondere durch konsequente Wettbewerbspolitik wirtschaft-liche Machtkonzentration verhindern. Eine wichtige Rolle wurde von Eucken zudem der Eigenverantwortung der Unternehmen bzw. (heute) der Manager und – damit verbunden – der privaten Haftung zuerkannt. Weitere Vertreter dieser Denkrichtung waren Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke. Teilweise (Röpke) warben die Neoliberalen auch für eine aktive staatliche Konjunkturpolitik und nahmen damit keynesianische Ideen vorweg.

Die Soziale Marktwirtschaft ist das aus dem Neoliberalismus hervorgegangene wirtschaftspolitische Leitbild Deutschlands. Wie oben ausgeführt, wird hier ver-sucht, das marktwirtschaftliche System mit dem Ziel des sozialen Ausgleichs zu verbinden. Privateigentum und Leistungswettbewerb werden als Garant von Freiheit und Wohlstand angesehen. Sie bilden damit auch die Voraussetzung für die Kompensation sozialer Härten, insbesondere ermöglichen sie die Finan-zierung des sozialen Sicherungssystems. Die Soziale Marktwirtschaft ist eng verknüpft mit dem in Deutschland realisierten freiheitlichen, demokratischen Gesellschaftssystem.

Klassischer Liberalismus

Sozialismus

Neo- oder Ordo-liberalismus

Soziale Marktwirtschaft

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Zweck und Mittel – Aufgaben und Methodik der Volkswirtschaftslehre

1.6 Zweck und Mittel – Aufgaben und Methodik der Volkswirtschaftslehre

Es gilt als ge si cher te Er kennt nis, dass das Be griffs ver mö gen des Men schen ma-xi mal bis an die Stu fe der ei ge nen Exis tenz reicht. Das heißt, der Mensch kann ler nen, die Funk ti ons wei se ei nes Schrau ben schlüs sels, ei nes Au tos, ei nes Kern-kraft wer kes oder eben ge ra de noch ei nes Men schen zu ver ste hen. Nie mals aber wird es ihm ge lin gen, meh re re Men schen in ih rem Zu sam men wir ken voll stän dig zu er fas sen. Nun ist ei ne Volks wirt schaft im mer ei ne (gro ße) Grup pe von Men schen, die bei ih rer Le bens ge stal tung zu ei nan der in Be zie hung tre ten. Die Rea li tät, mit der es die Volks wirt schafts leh re zu tun hat, ist des halb im All ge mei nen kom pli ziert und in ih ren viel fäl ti gen Ab hän gig kei ten nicht zu über schau en. Des halb ar bei ten Öko no men – wie auch Phy si ker oder Theo lo gen – mit teil wei se stark ver ein fach ten Mo del len. An hand sol cher Mo del le wid met sich die Volks wirt schafts leh re zu nächst der Be schrei bung und Er klä rung öko no mi scher Vor gän ge. Da rauf auf bau end kann sie sich den Auf ga ben der Prog no se des zu künf ti gen Wirt schafts ab laufs so wie der Be ra tung bei des sen ziel ge rich te ter Be ein flus sung durch die Po li tik zu wen den.

Neh men wir als Bei spiel die Ar beits lo sig keit (sie he Abbildung 1-6). Ih re Ur sa-chen könn ten da rin lie gen, dass die Löh ne zu hoch sind, die Kon junk tur schlecht läuft, der tech ni sche Fort schritt Ar beits plät ze kos tet und vie les an de re mehr. Even tu ell sind die se Ur sa chen selbst Fol ge der Ar beits lo sig keit (so wird ei ne ho he Ar beits lo sig keit die Lohn for de run gen dämp fen). Zu dem be ste hen auch zwi schen den ein zel nen Ur sa chen kau sa le Be zie hun gen (zum Bei spiel kön nen ho he Löh ne die Ra tio na li sie rungs tech nik för dern). Und schließ lich wer den die ge nann ten Ur-sa chen ih rer seits durch wei te re Ein flüs se be stimmt (der schlech ten Kon junk tur könn te ein Rück gang et wa der Kon sum- oder der In ves ti ti ons nach fra ge zu grun de lie gen), die wie der um ih re ei ge nen Ur sa chen ha ben etc. In ei nem Mo dell wird die-ses ver äs tel te Be zie hungs ge flecht auf ei ne Aus wahl als we sent lich ein ge schätz ter Ein fluss ka nä le re du ziert. Dann ver sucht man, durch ge nau es Be obach ten – man nennt das »em pi ri sche For schung« – die Zu sam men hän ge mög lichst exakt zu cha-rak te ri sie ren, und kommt so zu Aus sa gen wie: Wenn die Kon junk tur um X Pro zent steigt, dann nimmt die Ar beits lo sig keit um Y Pro zent ab. Ge nau die se Be zie hung wur de üb ri gens in den USA von dem frü he ren Re gie rungs be ra ter Okun ge mes sen (für die Zeit von 1947 bis 1960). Die Er fah rungs re gel, die sich da bei er gab, hat in der Öko no mie als Okun­Ge setz ei ni ge Be ach tung ge fun den. Es lau tet:

Wächst al so die Pro duk ti on bei spiels wei se um 5 Pro zent, so sinkt die Ar beits lo sen-quo te um 1 Pro zent punkt.

Ein Mo dell ist die ver-ein fach te Dar stel lung der wirt schaft li chen Wirk lich keit an hand ei ner über schau ba ren An zahl we sent li cher Zu sam men-hän ge

Okun-Gesetz

Änderung der Arbeitslosenquote in % = –½ (%-Wachstum der Inlandsproduktion –3 %)

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Was heißt hier ökonomisch?Das magische Viereck – Probleme der Stabilisierungspolitik

Abb. 1-6

Beispiel eines ökonomischen Modells

Wirtschaftswissenschaften

Löhne Technik

Arbeitslosigkeit Konjunktur

Konsum

Investi-tionen

Er fah rungs ge mäß gibt es kein Mo dell, mit dem man die wirt schaft li che Ent wick-lung im mer völ lig rea li täts ge treu er klä ren kann. Das liegt zum ei nen da ran, dass die tat säch lich wirk sa men Ein fluss fak to ren eben nicht be kannt sind. Es kann al so sein, dass nicht die wich tigs ten aus ge wählt wur den. Au ßer dem wer den die be ste-hen den Be zie hun gen stark vom mensch li chen Ver hal ten be stimmt. Das aber un-ter liegt be kannt lich Schwan kun gen und kann des halb nicht ein für al le Mal exakt be rech net wer den (wie bei spiels wei se die Um lauf bahn ei nes Sa tel li ten). Aus die sen Grün den fin den sich in der Volks wirt schafts leh re recht häu fig für das glei che Prob-lem meh re re, mit ein an der kon kur rie ren de Er klä rungs an sät ze (auch: Theo re me oder Pa ra dig men). Um die Wir kung ein zel ner Ein fluss grö ßen klar zu er ken nen, ar bei tet die Volks wirt schafts leh re oft mit der An nah me, »dass al les Üb ri ge gleich bleibt« (Ce­te ris­Pa ri bus­Klau sel).

1.7 Das magische Viereck – Probleme der Stabilisierungspolitik

Um ih rer Be ra tungs funk ti on ge recht zu wer den, muss die Volks wirt schafts leh re die Zie le der Wirt schafts po li tik ana ly sie ren. In Deutsch land sind die ge samt wirt-schaft li chen Zie le im »Ge setz zur För de rung der Sta bi li tät und des Wachs tums der

In Deutschland, heißt es, muss das Wirtschafts-wachstum mindestens 2 Prozent betragen, damit die Beschäftigung zunehmen kann

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1.719

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Das magische Viereck – Probleme der Stabilisierungspolitik

Wirt schaft« vom 8. Ju ni 1967 (so ge nann tes »Sta bi li täts ge setz«) fest ge legt wor den (sie he Abbildung 1-7). § 1 StabG lau tet:

Bund und Län der ha ben bei ih ren wirt schafts- und fi nanz po li ti schen Maß nah-men die Er for der nis se des ge samt wirt schaft li chen Gleich ge wich ts zu be ach-ten. Die Maß nah men sind so zu tref fen, dass sie im Rah men der markt wirt-schaft li chen Ord nung gleich zei tig zur Sta bi li tät des Preis ni veaus, zu ei nem ho hen Be schäf ti gungs stand und au ßen wirt schaft li chem Gleich ge wicht bei ste ti gem und an ge mes se nem Wirt schafts wachs tum bei tra gen.

Wei te re, häu fig ge nann te Zie le sind ei ne gleich mä ßi ge re Ein kom mens- und Ver mö-gens ver tei lung so wie der Um welt schutz. Je nach dem, wie vie le die ser Zie le wirt-schafts po li tisch an ge strebt wer den, spricht man vom ma gi schen Vier eck, Fünf eck oder all ge mein vom ma gi schen Viel eck. Der Be griff »ma gisch« soll da bei aus drü-cken, dass die Zie le oft mit ein an der im Kon flikt ste hen und des halb in der Rea li tät meist nie gleich zei tig – wie im Stabilitätsgesetz ge for dert – zu er rei chen sind. Viel mehr ist die Ge fahr ge ge ben, dass die Ver bes se rung des ei nen Zie ls mit der Ver-schlech te rung ei nes an de ren Zie ls ver bun den ist. Dies er for dert dann ein Ab wä gen (Tra de­off). Bei spie le für sol che Ziel kon flik te sind zahl reich.

So kann ei ne Ver bes se rung der Um welt qua li tät da durch er reicht wer den, dass Pro duk ti ons fak to ren aus der Gü ter pro duk ti on ab ge zo gen wer den, was sich wie-der um ne ga tiv auf das Wirt schafts wachs tum aus wirkt. Um ge kehrt kann ein ho-hes Wachs tum die Um welt schä di gen. Wei ter hin geht ein schnell wach sen des Volks ein kom men zwar in der Re gel mit ei ner hö he ren Be schäf ti gung ein her, an-de rer seits ist dies oft von Preis stei ge run gen be glei tet. Das hat nor ma ler wei se zur Fol ge, dass die Im por te zu- und die Ex por te ab neh men und da mit das au-ßen wirt schaft li che Gleich ge wicht ge fähr det wer den kann. Will man et wa die Ein-kom mens si tua ti on ein zel ner Be völ ke rungs grup pen ver bes sern, in dem man die Steu er be las tung der Rei chen er höht, so ist zu be fürch ten, dass die Leis tungs-trä ger den An reiz zur Pro duk ti on ver lie ren und da mit der ge sam te »Ku chen« des sen, was ver teilt wer den kann, klei ner wird. Der wohl be rühm tes te Ziel kon-flikt schließ lich wird an hand der so ge nann ten Phil lipskur ve dis ku tiert. Dem-nach kann ei ne hö he re Be schäf ti gung zu min dest kurz fris tig durch ei ne staat-li che Kon junk tur an kur be lung un ter In kauf nah me ei ner hö he ren In fla ti ons ra te er reicht wer den. Al ler dings ist die Gül tig keit die ser Be zie hung heftig um strit ten. Wir kommen da rauf noch zu spre chen.

Die Be zie hung zwi schen den wirt schafts po li ti schen Zie len ist nicht un ver rück-bar ge ge ben, son dern ab hän gig von der je wei li gen Wirt schafts la ge und von den ge wähl ten In stru men ten der Sta bi li sie rungs po li tik. Bei spiels wei se ist es in Zei ten ei ner Mas sen ar beits lo sig keit durch aus denk bar, dass ei ne Er hö hung der Staats-aus ga ben zu ei ner Be schäf ti gungs zu nah me führt, oh ne das Ziel der Preis sta bi li tät fühl bar zu ge fähr den. Da bei spielt das Ver hal ten der Wirt schafts teil neh mer ei ne gro ße Rol le: Wenn die Ge werk schaf ten bei ei ner Ver bes se rung der Ar beits markt la-ge hö he re Löh ne for dern, wer den die Un ter neh mer das in ih re Prei se ein kal ku lie-ren, was die In fla ti on an heizt.

Stabilitätsgesetz

Bei spie le für Ziel kon flik te

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Was heißt hier ökonomisch?Kompetenz und Macht – die Träger der Wirtschaftspolitik

Abb. 1-7

Das magische Viereck

Wirtschaftswissenschaften

hoherBeschäftigungs-

stand

Stabilitätdes

Preisniveaus

stetiges undangemessenesWirtschafts-wachstum

außen-wirtschaft-

lichesGleichgewicht

Ob ein Ziel kon flikt vor liegt oder nicht, hängt da rü ber hi naus da von ab, wel ches wirt schafts po li ti sche In stru ment zum Ein satz ge langt. Über die Eig nung bzw. Wir-kungs wei se der In stru men te be ste hen in des kont ro ver se An sich ten. Die Ver tre ter der so ge nann ten An ge bots po li tik ver spre chen sich et wa von ei ner Lohn sen kung bzw. Lohn zu rück hal tung po si ti ve Ef fek te so wohl auf die Be schäf ti gung als auch auf die Preis sta bi li tät. Die Ver fech ter der so ge nann ten Nach fra ge po li tik be strei ten dies ve he ment. Wir wer den die se Fra gen wei ter hin ten sys te ma tisch ana ly sie ren (sie he Ka pi tel 5). Es dürf te aber klar ge wor den sein, mit welch schwie ri gen Prob-le men die Sta bi li sie rungs po li tik zu kämp fen hat.

1.8 Kompetenz und Macht – die Träger der Wirtschaftspolitik

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein föderalistisch aufgebauter Staat. Sie ist Mitglied der Europäischen Union und zahlreicher anderer internationaler Organi-sationen. Ihr Wirtschaftssystem basiert auf dem Prinzip der dezentralen Planung. In der Konsequenz gibt es eine Vielzahl von Trägern der Wirtschaftspolitik. Darun-ter versteht man alle Institutionen bzw. Akteure, die durch ihr Handeln die Wirt-schaftsordnung, den Wirtschaftsablauf und die Wirtschaftsstruktur eines Landes prägen. Hierbei kann man im Inland zwischen öffentlichen, das heißt staatlichen bzw. halbstaatlichen (intermediären), und privaten Trägern der Wirtschaftspolitik unterscheiden (siehe Tabelle 1-1). Hinzu tritt der internationale Sektor. In einer weiteren Unterscheidung lassen sich die wirtschaftspolitischen Akteure in Ent­

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Kompetenz und Macht – die Träger der Wirtschaftspolitik

scheidungsträger und Einflussträger differenzieren. Erstere besitzen die ihr von der Gesellschaft übertragene öffentlich-rechtliche Kompetenz, wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen und die Macht diese durchzusetzen. Entscheidungsträ-ger handeln teilweise autonom, teilweise sind sie gegenüber einer höheren Stelle – etwa einem Ministerium – weisungsgebunden. Einflussträger verfügen hinge-gen lediglich über Möglichkeiten der wirtschaftspolitischen Einflussnahme (Macht ohne Kompetenz).

Beginnen wir mit dem internationalen Sektor. Hier kann man zwischen supra-nationalen und internationalen Trägern der Wirtschaftspolitik unterscheiden. Su­pranationalen Institutionen werden Teilbereiche der nationalen Wirtschaftspolitik übertragen. Auf diese Weise besitzen sie eigenständige Machtbefugnisse auf diesen

Internationaler Sektor

Tab. 1-1

Träger der Wirtschaftspolitik

Internationaler Sektor

Supranationale Träger mit öffentlich-rechtlicher Entscheidungs-befugnis: EU-Kommission, Europäische Zentralbank

Internationale Träger ohne öffentlich-rechtliche Entscheidungs-befugnis: OECD, Internationaler Währungsfonds (IWF), Welt- bankgruppe, World Trade Organization (WTO), Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM)

Staatlicher Sektor

Träger der Wirtschaftspolitik mit öffentlich-rechtlicher Ent-scheidungsbefugnis: Legislative Bundestag, Landtage, KommunalparlamenteExekutive Bundesregierung, Landesregierungen, Kommunal-behördenJudikative Oberste Gerichte, u.a. Bundesverfassungsgericht, Arbeits- und Sozialgerichte

Träger der Wirtschaftspolitik ohne öffentlich-rechtliche Entscheidungsbefugnis: Politische Parteien

Intermediärer Sektor

Autonome Träger mit öffentlich-rechtlicher Entscheidungs-befugnis: Bundesversicherungsanstalten, Deutscher Industrie- und Handelstag, Industrie- und Handelskammern, Handwerks-kammern, Landwirtschaftskammern

Weisungsgebundene Träger mit öffentlich-rechtlicher Entschei-dungsbefugnis: Bundeskartellamt, Bundesagentur für Arbeit, Bundesamt für Umwelt, Bundesaufsichtsamt für Finanzdienst-leistungen (BaFin), Deutsche Bundesbank

Autonome Träger ohne öffentlich-rechtliche Entscheidungs-befugnis: Sachverständigenrat, Monopolkommission, Wissenschaftliche Beiräte

Privater Sektor Träger der Wirtschaftspolitik mit privatrechtlicher Entschei-dungsbefugnis: Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Unter-nehmensverbände, Bauernverband

Träger der Wirtschaftspolitik ohne privatrechtliche Entschei-dungsbefugnis: Unternehmen, Publizisten, Wissenschaftler, Forschungsinstitute, Kirche

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Was heißt hier ökonomisch?Kompetenz und Macht – die Träger der Wirtschaftspolitik

Teilgebieten. Beispiele sind etwa die EU-Kommission in Brüssel, die unter anderem die Agrar- und Strukturpolitik sowie die Wettbewerbspolitik der EU weitgehend bestimmt, oder die Europäische Zentralbank, die für die Geldpolitik der Europäi-schen Währungsunion zuständig ist. Aufgabe der internationalen Organisationen ist es, das wirtschaftspolitische Handeln der beteiligten Länder zu koordinieren, zu überwachen und beratend tätig zu sein. Sie haben in der Regel keine wirtschafts-politische Entscheidungsbefugnis, weil die Staaten keine Souveränitätsrechte auf sie übertragen. Dennoch üben sie durch ihre Tätigkeit Einfluss auf die nationale Wirtschaftspolitik aus. Als Beispiel kann man die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development – OECD) anführen. Sie ist eine Unterorganisation der Vereinten Na-tionen. Ihre Hauptaufgabe liegt in der Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, insbesondere auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe.

Naturgemäß besitzt in der Sozialen Marktwirtschaft der Nationalstaat eine besondere wirtschaftspolitische Verantwortung. Entsprechend der Aufteilung der Zuständigkeiten durch das Grundgesetz kommt den Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) als direkten Repräsentanten des Staates eine große Be-deutung zu. Innerhalb der Gebietskörperschaften hat der Bund eine überragende Position. Die Bundesregierung – vertreten durch die entsprechenden Minister – ist Inhaber der faktischen wirtschaftspolitischen Macht, wenngleich das Parlament die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wirtschaftspolitik schafft. In einem fö-derativen Staatswesen wie der Bundesrepublik Deutschland haben auch die Länder erhebliche Entscheidungsgewalt, vor allem im Bereich der regionalen und sektora-len Strukturpolitik oder der Bildungspolitik. Da auf die Gemeinden in Deutschland rund zwei Drittel der öffentlichen Investitionen entfallen, sind auch diese bedeu-tende Entscheidungsträger der Wirtschaftspolitik. Schließlich obliegt in Deutsch-land den obersten Gerichten die Aufgabe, wirtschaftspolitische Entscheidungen zu korrigieren bzw. letztlich neu zu treffen und so gestaltend einzugreifen.

Politische Parteien gelten durch ihre Aufnahme in Art. 21 GG als Verfassungs- bzw. Staatsorgane. Sie üben durch ihre Programme Einfluss auf die wirtschaftspo-litischen Konzepte der Regierung aus. Dieser Einfluss ist natürlich umso stärker, je weniger die Regierungspartei auf einen Koalitionspartner angewiesen ist. Aber auch die Oppositionsparteien können auf die wirtschaftspolitischen Entscheidun-gen einwirken, beispielsweise über den Bundesrat.

Einen Teil der Befugnisse hat der Staat auf den intermediären Sektor übertragen. Es existiert eine Vielzahl von Körperschaften des öffentlichen Rechts (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern etc.), die – als autonome Selbstverwal-tungsorgane der Wirtschaft – im Rahmen der ihnen zugestandenen Kompetenzen sowohl Funktionen der Legislative (Ausbildungsverordnungen) als auch der Exe-kutive (Abnahme von Prüfungen, Kontrolle der Beachtung gesetzlicher Bestim-mungen) und der Rechtsprechung (Ehrengerichtsbarkeit) wahrnehmen. Daneben gibt es weisungsgebundene öffentlich-rechtliche Entscheidungsträger, wie etwa die Bundesagentur für Arbeit.

Schließlich hat der Staat verschiedene Gremien etabliert, die öffentlich-recht-liche Informationsfunktionen wahrnehmen. Es handelt sich hierbei vor allem um

Staatlicher Sektor

Intermediärer Sektor

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So funktioniert eine Volkswirtschaft

den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick-lung, die Monopolkommission (zur Beurteilung der Unternehmenskonzentration) und die wissenschaftlichen Beiräte der einzelnen Fachministerien.

Kompetenzen von hoher Relevanz sind in Deutschland auch dem privaten Sek­tor zuerkannt worden. Insbesondere die den Gewerkschaften und Arbeitgeber-verbänden zugebilligte Tarifautonomie berechtigt diese zu Entscheidungen, die erhebliche gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben können. Darüber hinaus versuchen diese und die anderen Wirtschaftsverbände, im Interesse ihrer Mitglie-der Einfluss auf die übrigen Träger der Wirtschaftspolitik (vornehmlich auf die staatlichen Träger) zu nehmen. Neben den Verbänden können u.a. auch Publizis-ten oder die Kirche in dem Sinne Macht besitzen, dass sie sich Gehör zu verschaf-fen wissen, dadurch die Willensbildung und so mittelbar die wirtschaftspolitischen Entscheidungen beeinflussen.

1.9 So funktioniert eine Volkswirtschaft

Im Jahr 2005 erhielt der Linkspopulist Oskar Lafontaine nochmals eine Auszeich-nung der besonderen Art. Das Magazin Wirtschaftswoche würdigte seinen Vor-schlag, zur Überwindung der Konjunkturschwäche die Löhne kräftig zu erhöhen, als »ökonomische Dummheit der Woche« mit dem »Dodo-Preis«. Der Dodo war ein flugunfähiger, rund ein Meter großer Insel-Vogel, der wegen seines mangelnden Lern- und Anpassungsvermögens ausstarb.

Festzustellen ist, dass die Ziele der Wirtschaftspolitik im Allgemeinen wenig umstritten sind, allenfalls ist man hinsichtlich ihrer Gewichtung unterschiedlicher Ansicht. Heftigen Disput gibt es indes zwischen den politischen Lagern immer schon über die richtigen Instrumente, mit denen diese Ziele zu erreichen sind.

Ein seriöses Urteil diesbezüglich setzt erstens das Wissen darüber voraus, wel-che Instrumente grundsätzlich zur Beeinflussung einer Volkswirtschaft zur Verfü-gung stehen. Zweitens sollte man verstehen, über welche Wirkungskanäle diese Instrumente ihren Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen entfalten. Anhand dieser Betrachtung lässt sich die grundsätzliche Funktionsweise einer Volkswirtschaft dann recht gut erklären.

Jede Nation verfügt über ein breit gefächertes Instrumentarium, das zur Errei-chung der wirtschaftspolitischen Ziele (wachsende Produktion und Beschäftigung, stabiles Preisniveau, ausgeglichener Außenbeitrag) eingesetzt werden kann. Wie in Abbildung 1-8 dargestellt, werden durch diese Instrumente sowie weitere exter-ne Faktoren bestimmte Variablen einer Volkswirtschaft (Steuern, Zinsen, Wechsel-kurse etc.) beeinflusst, die ihrerseits für die Nachfrage- und Angebotsentscheidun-gen der Wirtschaftssubjekte eine große Rolle spielen. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bildet die Höhe der Ausgaben, die die Konsumenten, die Unternehmen, der Staat und das Ausland unter Berücksichtigung der gegebenen Preise, ihres Ein-kommens und anderer Kriterien tätigen wollen. Unter dem gesamtwirtschaftlichen Angebot versteht man die Ausbringungsmenge, die die inländischen Unternehmen

Privater Sektor

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Was heißt hier ökonomisch?So funktioniert eine Volkswirtschaft

zu den herrschenden Preisen und unter Berücksichtigung ihrer Kapazitäten und Kosten zu produzieren und zu verkaufen bereit bzw. in der Lage sind. Hinzu tritt das Angebot des Staates an Dienstleistungen, etwa im Bereich der Bildung, Ge-sundheit oder Sicherheit.

Als wichtiges Instrument der Wirtschaftspolitik ist zunächst die Fiskalpolitik zu nennen. Sie umfasst vor allem die Ausgaben- und Steuerpolitik des Staates. Dane-ben kommt der Geldpolitik, die von der Zentralbank verantwortet wird, eine her-ausragende Bedeutung zu. Sie bestimmt die Entwicklung der Geldmenge und der Zinssätze in der Volkswirtschaft. Wir werden auf diese beiden zentralen Hebel der Wirtschaftspolitik später ausführlich eingehen (siehe Kapitel 6 und 7). Vorläufig genügt es zu wissen, dass die Fiskal- und die Geldpolitik einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ausüben.

Wirtschafts politische Instrumente

Abb. 1-8

Das gesamtwirtschaftliche Wirkungssystem

Fiskal- undGeldpolitik

Staatsaus-gaben

Transfer-zahlungen

sonstige Variablen

Produktions-faktoren

Steuern

Geldmenge

Zinsen

Zölle

Wechselkurse

Löhne

Gewinne

Subventionen

externeEinflüsse

wirtschafts-politischeInstrumenteund externeEinflüsse

ökonomischeVariablen

Gesamt-angebotundGesamt-nachfrage

gesamtwirt-schaftliche Endziele

Außenwirt-schafts- undWährungspolitik

Lohn- undVerteilungs-politik

gesamtwirt-schaftlicheNachfrage

ProduktionundBeschäftigung

Preisniveau

Außenbeitrag

Wechsel-wirkungen zwischen Angebot

und Nachfrage

gesamtwirt-schaftlichesAngebot

Wettbewerbs-, Arbeitsmarkt-, Technologie-, Bildungs-, Umwelt- und Strukturpolitik

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So funktioniert eine Volkswirtschaft

Unter der Außenwirtschafts- und Währungspolitik sind etwa Handelsbeschrän-kungen, Zölle oder Wechselkursbeeinflussungen zu verstehen, mit denen der Staat und die Zentralbank versuchen, einen Ausgleich zwischen Exporten und Importen bzw. ein Gleichgewicht auf dem Devisenmarkt herbeizuführen. Derartige Eingriffe wirken ebenfalls vor allem auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.

Träger der Lohnpolitik sind in Deutschland (unter dem Vorbehalt evtl. gesetz-lich verankerter Mindest- oder Höchstlöhne) die Tarifpartner, also Arbeitgeberver-bände und Gewerkschaften. Bei den gezielten Maßnahmen der Verteilungspolitik unterscheidet man vermögenspolitische (z.B. Wohnungsbauprämie, Vermögensteu-er) und einkommenspolitische Instrumente. Letztere greifen insbesondere über die Einkommensteuer (etwa durch steuerliche Vergünstigungen oder den Progres-sionsverlauf im Steuertarif) oder durch Transferzahlungen, also Renten, Arbeitslo-sengeld, Kinder- oder Wohngeld. Die Maßnahmen der Lohn- und Verteilungspolitik gehören zweifellos zu den umstrittensten makroökonomischen Instrumenten. Sie wirken sich – über die Löhne, Gewinne und andere Einkommensarten – sowohl auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage als auch auf das gesamtwirtschaftliche Angebot aus. Eine Lohner höhung bspw. hat eine doppelte Wirkung: Einerseits ver-bessern steigende Löhne die Kaufkraft der Lohnempfänger. Andererseits steigen die Lohnkosten der Unternehmen. Wenn die Unternehmen daraufhin Entlassungen vornehmen, kann es sein, dass die Lohnsumme – die für die Höhe der gesamtwirt-schaftlichen Nachfrage entscheidend ist – gar nicht steigt, sondern im Gegenteil sogar sinkt (siehe Kapitel 4).

Die Geld- und Fiskalpolitik sowie weite Bereiche der Außenwirtschafts- und Währungspolitik (die Festlegung des Wechselkursregimes etwa ist eine ordnungs-politische Entscheidung) sind Teil der sog. Prozess- bzw. Ablaufpolitik. Sie um-fasst alle Maßnahmen und Mittel, die den Wirtschaftsprozess in Richtung der ge-samtwirtschaftlichen Ziele beeinflussen. Überwiegend werden diese Maßnahmen der Konjunkturpolitik zugerechnet. Die Lohn- und Verteilungspolitik hingegen gehört grundsätzlich zum Bereich der Ordnungspolitik, die darauf gerichtet ist, eine gewünschte Wirtschaftsordnung zu verwirklichen bzw. zu sichern und auszu-bauen. Die Verteilungspolitik ist das Hauptinstrument der Sozialpolitik. Im Mittel-punkt der marktwirtschaftlichen Ordnung steht die Wettbewerbspolitik, die sich in Deutschland unter anderem im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) manifestiert. Ordnungspolitik kann zu einem Gutteil als Wachstumspolitik begrif-fen werden. Eine in dieser Hinsicht bedeutsame ordnungspolitische Maßnahme ist etwa die Deregulierung von Märkten, bspw. des Arbeitsmarktes. Wachstumspoli-tische Relevanz besitzen vor allem auch die Technologie­, Bildungs­, Umwelt­ und Strukturpolitik. Letztere beinhaltet die sektorale Strukturpolitik, etwa in Form von Subventionen für bestimmte Wirtschaftsbereiche, wie Kohle, Windenergie oder Textil, weiterhin die Regionalpolitik (z.B. Förderprogramme in den neuen Bundesländern) sowie die Unterstützung kleinerer und mittlerer Unternehmen im Rahmen der Mittelstandspolitik.

Die zuletzt genannten Maßnahmen der Ordnungspolitik beeinflussen in erster Linie die auf die Angebotsseite einer Volkswirtschaft wirkenden ökonomischen Va-riablen. Unter diesen kommt den volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren, das

Ordnungspolitik

Prozesspolitik

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1.9 Was heißt hier ökonomisch?So funktioniert eine Volkswirtschaft

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heißt dem Kapitalstock, der Arbeit, den Ressourcen und der Technologie, eine be-sondere Bedeutung zu. Sie sind maßgeblich für die Fähigkeit zur Gütererstellung, also für die Höhe der potenziellen Produktion und somit für das Gesamtangebot an Gütern in der Ökonomie. Neben die wirtschaftspolitischen Instrumente treten weitere externe Einflüsse, wie etwa das Wetter, die Bevölkerungsentwicklung, Ka-tastrophen oder Auslandseinflüsse. Auch diese haben erhebliche angebots- und nachfrageseitige Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Aus den Wechselwirkungen zwischen Angebot und Nachfrage resultieren nun bestimmte wirtschaftliche Ergebnisse, die sich in den gesamtwirtschaftlichen Ziel-größen (Produktion und Beschäftigung, Preisniveau und Außenbeitrag) nieder-schlagen. Wenn sich also z.B. die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöht, steigt typischerweise das Preisniveau, die Produktion und die Beschäftigung nehmen zu. Der damit verbundene Einkommenszuwachs regt aber die Importnachfrage an, wodurch sich der Außenbeitrag (= Exporte minus Importe) verschlechtert. Wir besprechen derartige Vorgänge vor allem im 4. und 5. sowie im 9. Kapitel.

Externe Einflüsse

Die Wirtschaftsent-wicklung ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage

Auf den Punkt gebrachtBei der Lösung des Knappheitsproblems hat sich das marktwirt-schaftliche System als haushoch überlegen erwiesen. Um Kon-junktur- und Beschäftigungsschwankungen, Machtmissbrauch, Übertreibungen und soziale Härten zu begrenzen, bedarf es aber einer starken staatlichen Wirtschaftspolitik. In einer gro-ben Einteilung lässt sich diese in Ordnungs- und Prozesspolitik untergliedern. Je nachdem, ob die entsprechenden Maßnahmen das gesamtwirtschaftliche Güterangebot oder die gesamtwirt-schaftliche Güternachfrage beeinflussen, sprechen wir von Angebots- oder Nachfragepolitik. Ihre gemeinsame Zielsetzung umfasst in Deutschland das im Stabilitätsgesetz von 1967 beschriebene »magische Viereck«, ergänzt um die Ziele einer möglichst »gerechten« Einkommens- und Vermögensverteilung sowie des Umweltschutzes.

ökonomische Güter ökonomisches Prinzip Mikro- und Makroökonomik Außenwirtschaftslehre Finanzwissenschaft Wirtschaftssysteme volkswirtschaftliche Produk-tionsfaktoren Wertschöpfung Wirtschaftskreislauf Soziale Marktwirtschaft Merkantilismus klassischer Liberalismus Sozialismus Neo- oder Ordoliberalismus ökonomisches Modell magisches Viereck Angebots- und Nachfrage-politik

Schlüsselbegriffe

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1Literaturhinweise

Kontrollfragen

1. Wie lauten die Grundfragen der Ökonomie?2. Erläutern Sie die Funktionsweise der freien kapitalistischen Marktwirtschaft

anhand eines Beispiels. Wo liegen die Nachteile dieses Wirtschaftssystems?3. Welche ordnungspolitischen Konzeptionen kennen Sie? Rekapitulieren Sie diese kurz in ihrer historischen Abfolge.4. Worin bestehen die zentralen Ziele der Wirtschaftspolitik in Deutschland?

Erklären Sie die Möglichkeit von Zielkonflikten anhand eines Beispiels.5. Was versteht man unter Prozess­, was unter Ordnungspolitik? Schildern Sie deren Wirkungsweise jeweils anhand eines Beispiels.

Literaturhinweise

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