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- 692 - Hohere Terpenverbindungen XIP). Zur Kenntnis des Fichtelits und der Stereochemie hydrierter Phenanthrenderivate von L. Ruzicka, Fr. Balas und H. Schinz. (4. VI. 23.) 1. Uber die Konstitution des Fichtelits. Der Fichtelit wurde von Fikentscher an vertorften Fohrenstammen aufgefunden und spater noch ofters in verschiedenen Landern an alten Fichtenresten im Torf und Moor angetroffen, teils allein, teils gemein- sam mit Reten. Bromeis2) gelang dann die Reindarstellung des Fichtelits vom riehtigen Smp. 46". Wahrend schon Bromeis und spater auch Hells) richtige Analysen des Fichtelits ausgefuhrt hatten, war He2Z auf Grund falscher Werte der Dampfdichtebestimmung der Meinung, dass der Fichtelit ein Sesquiterpen- oder ein Triterpenderivat sei. Kurz darauf konnten Bamberger und Strasser4) beim Arbeiten unter Sauer- stoffausschluss Werte bei der Dampfdichtebestimmung erzielen, die snit der Formel C,H,, im Einklang stehen6) und sprechen daher die Vermutung aus, dass der Fichte!it wahrscheinlich das vollstandig hydrierte Reten vorstellt und beide als Umwandlungsprodukte der Harzverbindungen beim Vertorfungsprozess zu betrach ten sink Ein exakter Beweis fur die direkten Beziehungen zwischen diesen beiden fossilen Kohlenwasserstoffen war aber bis heute noch nicht gelungen, denn der Fichtelit erwies sich als ausserst widerspenstig bei Versuchen, charakterisierbare Verbindungen daraus zu gewinnen. Bamberger und #trusserQ) liessen auf Fichtelit die verschiedensten Oxydationsmittel einwirken, wobei der Kohlenwasserstoff entweder unverandert blieb oder zu weitgehend abgebaut wurde. Verschiedene Dehydrierungs- 1) XI. Mitt. Helv. 6, 677 (1923). 2, A. 37, 304 (1841). 3, B. 22, 499 (1889). 4, B. 22, 3361 (1889). 9 Auch die Molekulargewichtsbestimmungen von Plzak nach der kryoskopischen Methode stimmen damit iiberein, Z. Kr. 44, 341 (1908).

Höhere Terpenverbindungen XII. Zur Kenntnis des Fichtelits und der Stereochemie hydrierter Phenanthrenderivate

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Hohere Terpenverbindungen XIP). Zur Kenntnis des Fichtelits und der Stereochemie

hydrierter Phenanthrenderivate von

L. Ruzicka, Fr. Balas und H. Schinz. (4. VI. 23.)

1. Uber die Konstitution des Fichtelits.

Der Fichtelit wurde von Fikentscher an vertorften Fohrenstammen aufgefunden und spater noch ofters in verschiedenen Landern an alten Fichtenresten im Torf und Moor angetroffen, teils allein, teils gemein- sam mit Reten. Bromeis2) gelang dann die Reindarstellung des Fichtelits vom riehtigen Smp. 46". Wahrend schon Bromeis und spater auch Hells) richtige Analysen des Fichtelits ausgefuhrt hatten, war He2Z auf Grund falscher Werte der Dampfdichtebestimmung der Meinung, dass der Fichtelit ein Sesquiterpen- oder ein Triterpenderivat sei. Kurz darauf konnten Bamberger und Strasser4) beim Arbeiten unter Sauer- stoffausschluss Werte bei der Dampfdichtebestimmung erzielen, die snit der Formel C,H,, im Einklang stehen6) und sprechen daher die Vermutung aus, dass der Fichte!it wahrscheinlich das vollstandig hydrierte Reten vorstellt und beide als Umwandlungsprodukte der Harzverbindungen beim Vertorfungsprozess zu betrach ten sink Ein exakter Beweis fur die direkten Beziehungen zwischen diesen beiden fossilen Kohlenwasserstoffen war aber bis heute noch nicht gelungen, denn der Fichtelit erwies sich als ausserst widerspenstig bei Versuchen, charakterisierbare Verbindungen daraus zu gewinnen. Bamberger und #trusserQ) liessen auf Fichtelit die verschiedensten Oxydationsmittel einwirken, wobei der Kohlenwasserstoff entweder unverandert blieb oder zu weitgehend abgebaut wurde. Verschiedene Dehydrierungs-

1) XI. Mitt. Helv. 6, 677 (1923). 2, A. 37, 304 (1841). 3, B. 22, 499 (1889). 4, B. 22, 3361 (1889). 9 Auch die Molekulargewichtsbestimmungen von Plzak nach der kryoskopischen

Methode stimmen damit iiberein, Z. Kr. 44, 341 (1908).

- 693 - operationen blieben auch ohne nennenswerten Erfolg, so Uberleiten uber gluhendes Bleioxydl), Erhitzen mit konzentrierter Schwefels&ure, Zinkstaubdestillation, Kochen mit Platinschwamm im Sauerstoffstrome und Erhitzen mit Schwefel. Auch Behaadeln mit der fiir die Uber- fuhrung in Reten berechneten Menge Jod fuhrte nur zu Schmieren, da- gegen konnte beim Erhitzen des Fichtelits mit 1 Mol Jod ein flussiger Kohlenwasserstoff, der Dehydro-fichtelit C,H, erhalten werden, den so- wohl Bamberger und Strasser wie auch SpiegeP) als identisch betrachten mit dem von Liebermunn und SpiegeP) durch Reduktion des Retens mit Jodwasserstoff und Phosphor erhaltenen Dodekahydro-reten C,H,. Die beiden Kohlenwasserstoffe sind jedoch flussig und irgend ein che- mischer Zusammenhang wurde nicht au€gefunden. Eine vollstandige Reduktion des Retens zum Perhydro-reten C,Hsa ist erst Ipatiew4) durch katalytische Reduktion mit Nickel unter hohem Druck und Temperatur gelungen, aber auch dieser Kohlenwasserstoff ist flussig und konnte zu Fichtelit in keine Beziehungen gebracht werden.

Wenn man auch annimmt, dass die Formel C,,Hse fur Fichtelit richtig ist, so ubersahen die genannten Autoren doch ein wesentliches Hindernis fur eine synthetische Gewinnung des Fichtelits aus Reten, und zwar die optische Aktivitat des ersteren. P. WuZden5) fand fur eine Chloroformlosung des Fichtelits [ a ] ~ = + 19,0° und Pkak (1. c.) bei einem Praparat aus Borkovic6) in Bohmen [ a ] ~ = +18,08O. Da uns Herr Prof. Dr. Fr. Plxuk in Prag von diesem reinen Fichtelit (Smp. 46O) eine grossere Menge in freundlicher Weise uberliess, unternahmen wir eine erneute Untersuchung des interessanten Kohlenwasserstoffs. Trotz- dem Barnberger und Strasser keinen Erfolg bei der Dehydrierung des Fichtelits mit Schwefel aufzuweisen hatten'), wiederholten wir diese Operation und erhielten dabei reichliche Mengen von Retens).

30 gr Fichtelit wurden mit 25,7 gr Schwefel (7 Atom) im olbade wahrend 20 Stunden allmahlich yon 180° bis auf 250° erhitzt, wonach die Gasentwicklung aufhorte. Das Reaktionsprodukt wurde direkt

l) Vergl. auch Bamberger, B. 22, 635 (1889). 2, B. 22, 3369 (1889). 3, B. 22, 780 (1889). 4, B. 42, 2092 (1909). s, Ch. Z. 30, 393 (1900). 6 ) Der Fichtelit von Borkovic ist vollstiindig frei von Reten. ') Die Aufarbeitungsmethode dieeer Autoren ist wahrscheinlich nicht zweckmiiiseig. 8 ) Diese Reaktion ist umso bemerkenawerter, als es nicht gelungen kt, die Ent-

stehung von Cadalin beim Behandeln von Tetrahydro-cadinen mit Schwefel nachzu- weisen, Helv. 5, 367 (1922).

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bei 12 mm destilliert und das gesamte Destillat (bis Olbad 300O) noch- mals bei 12 mm in zwei Fraktionen zerlegt:

1. Sdp. 182--186O, ca. 8 gr, ziemlich dunnflussiges, gelbes 01, wohl aus unverandertem Fichtelit und partiellen Dehydrierungs- produkten bestehend, und weder ein Pikrat noch ein Styphnat liefernd.

2. Sdp. hauptsachlich 210-230°, ca. 4 gr, erstarrt nach einigem Stehen grosstenteils zu Krystallen. Diese wurden abgenutscht und schmelzen nach zweimaligem Umlosen aus Alkohol bei 98O. Die weissen Blattchen geben, mit dem gleich aussehenden und schmelzenden Reten gemischt, keine Schmelzpunktsdepression. Auch das daraus hergestellte Pikrat erwies sich nach Smp. und Mischprobe (lMo) als identisch mit Retenpikrat .

Dadurch sind nun die Bexiehungen des Fichtelits zum Reten und den Abietinsauren klargelegt und wir halten es fur moglich, dass der Fichtelit ein Zwischenprodukt bei der Vertorfung der Fichtenharz- sauren der Abietinsauregruppe zum Reten darstellt.

Im Zusammenhang damit mochten wir gleich auch einen noch unsicheren Punkt der Konstitution des Fichtelits beruhren. Es ist keineswegs sicher, dass die Formel desselben C18H32, entsprechend Per- hydroreten, sein muss; es kommt dafiir auf Grund der Analysen und der Molekulargewichtsbestimmungen ebenso gut auch die Formel C1,H3, also einer decarboxylierten Tetrahydro-abietinsaure, in Betracht. Die Analysenwerte und Molekulargewichte der beiden Formeln liegen zu nahe beieinander, um eine auch nur einigermassen sichere Unter- scheidungsmoglichkeit zu bieten. Wir untersuchten daher noch die Molekularrefraktion, ohne aber zii einem klaren Ergebnis in dieser R.ichtung kommen zu konnen. Es wurde sowohl eine Bestimmung im unterkuhlten Zustand wie bri 58O ausgefiihrt.

d M = 0,9380

d: = 0,9185

n! = 1,5052

n5* = 1,4942 4

D 22

22

M D ber. fur CBH3% = 78,72; gef. M , = 78.54 und M : = 78,753

M D ber. fur C,H,, = 83,34; gef. M D = 82,92 und M F = 83,16

2. Uber die Stereochemie h ydrierter Phenanthrenderivate. Eine weitere Unsicherheit bezuglich der Konstitution des Fichte-

lits wie auch der anderen hydrierten Phenanthrenabkommlinge liegt noch darin begrundet, dass bei diesen Verbindungen eine verschiedene gegenseitige Lagerung einzelner Ringe mijgljch ist. auf die bisher noch nicht hingewiesen wurde.

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Mit Hilfe des Aufbaus des Naphtalin- und Phenanthrenringes aus Tetraedermodellen lbst sich zeigen, dam bei diesen Ringsystemen die einzelnen Sechsringe in der gleichen Ebene liegen und dies gilt auch bei den hydrierten Derivaten so lange, als noch die Kondensations- stellen durch Kohlenstoffdoppelbindungen gebildet werden, wie z. B. bei den Verbindungen I und 11:

CH, CHs CH, CH, H a C A P :3Q2 H&)\/

CH', I H2 CH2 CH, 0::

Ha I1

Befinden sich an den Kondensationsstellen der Sechsringe einfache Rindungen, so miissen die benachbarten Ringe miteinander den bekannten normalen V'inkel der Kohlenstoffvalenzen von ca. 109O bilden, unter Voraussetzung naturlich, dass sich bei der Ringkondensation nur die cis-Valenzen der beiden gemeinsamen Kohlenstoffatome beteiligen. Fur das Dekahydro-naphtalin kommt man so nur zu einem Modell, dem Grundring der entsprechend hydrierten Sesyuiterpenverbindungen. Beim Tetradekahydro-phenanthren, dem Grundring des Fichtelits und der Tetrahydro-fichtenharzsauren hat man jedoch zwei Moglich- keiten: die beiden ausseren Ringe konnen zu einander in Cis- oder in Trans-Stellung stehen, entsprechend den Fig. I11 und IV:

111 cis. IV trctns.

1118 Projektion von 111 1) IVb Projektion von IV1)

l) Shtt ,,10So" sol1 88 heissen: logo.

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Eine weitere Isomeriemoglichkeit besteht noch bei solchen Dodeka- hydro-phenanthren-derivaten, die in den beiden ausseren Ringen un- gleich substituuert sind (wie z. B. die Retenabkommlinge). Liegt nam- lich die Kohlenstoffdoppelbindung an einer Ringkondensationsstelle,

&\ !& t% < V VI

so sind wieder zwei Ring-isomerien moglich: entweder liegen die Ringe 1 und 2 (Fig. V) oder diejenigen 2 und 3 (Fig. VI) in einer Ebene, mit welcher der restierende Ring einen Winkel von ca. 109O bildet.

Alle diese Isomerien konnen bei den Reten- und Abietinsaure- ahkommlingen noch durch verschiedene cis-trans-Stellungen der ein- zelnen Substituenten ungemein vermehrt werden, so dass das Auftreten der zahlreichen - oft ausserst labilen - Isomeren in dieser Gruppe keineswegs wundernimmt .

Schliesslich ware noch von Interesse, zu prtifen, ob in den physi- kalischenl) Eigenschaften wenigstens die groberen Isomerieunterschiede (hauptsachlich die cis-trans-Stellung der Ringe) ausgepragt sein werden. Auwers2) und S7eita3) haben in letzter Zeit wiederholt darauf hingewiesen, dass sich bei mehrfach substituierten Hexahydro-benzolderivaten die cis-Verbindungen durch hohere Dichte4) von den entsprechenden trans- Derivaten unterscheiden. Es sei hier nur als Beispiel ein besonders krasser Fall angefuhrt5) :

cis-Hexahydro-p-xylol d = 0,795 trans-Hexahydro-p-xylol d = 0,769

Weit grossere Unterschiede sind naturlich zu erwarten, wenn ganze Ringe in Raumisomerie treten, und man kann - wenn bei bestimmten isomeren hydrierten Phenanthreiiderivaten abnormale Dichteunter-

1) Entsprechende chemische Eigenschaften werden nur in den seltensten Fiillen

2, Vergl. z. B. A. 420, 84 (1920). 3) Vergl. z. B. A. 427, 255 (1922). 4, hdiches gilt auch fur Lichtbrechung und Siedepunkt. s, Chavanne und Becker, Bull. SOC. chim. belg. 31, 95 (1922).

zur Verfugung stehen.

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schiede auftreten - mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass dem Korper mit der hoheren Dichte die Cis-Form (entspr. Schema 111) zukommen wird. Es seheint uns daher auch die Behauptung von Jonas1), dass die Abietinsaure und der Fichtelit auf Grund physika- lischer Daten keinen hydrier.ten Retenring aufweisen konnen, voll- standig einer stichhaltigen Begrundung zu entbehren. Es seien hier noch zum Vergleich die Konstanten einjger Abietinsaure-abkommlinge einerseits und hydrierter Retenderivate mit gleieher Zahl von Doppel- bindungen andererseits zusammengestellt, die zeigen, dass die Unter- schiede durchaus das zu erwartende Mass nicht ubertreffen.

n,=1,606

I Reten-Deriv&te2) I Abietinsiiure-Derivate

Perhydro-reten ClBH32 1 - 1 - 1

Dih ydroabietd)

lbieten ClgH, 2 lbietin ClsH, g E)')

Methylabietin c20%0 4,

C1&32 0,947

0,967

0,977

Dodekahydro-reten CiBH,

Dekahydro-reten CisHas

d = 0,899 1,613

0,934 1,532

Ziirich, Chem. Institut der Eidg. Techn. Hochschule.

nD = 1,485

1,516

l ) Z. ang. Ch. 35, 322 (1922). a) Nach Virtuan, B. 53, 1880 (1921). 8 ) Vergl. eine spiltere Arbeit. 4, Ruzicka und Meyer, Helv. 5, 590 (1922).