8
Liebe Leserin, lieber Leser Vor 50 Jahren befand sich die katholische Kirche mit der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Kon- zils am 11. Oktober 1962 in einer optimistischen Aufbruchsphase. Viele Erwartungen wurden ge- weckt. In dieser Zeit wurde auch Fastenopfer ge- gründet. Als Antwort auf die Ausbeutung, die Ar- mut und Marginalisierung der Menschen entstand die Befreiungstheologie. Bischöfe, Ordensleute, Priester und Laien lies- sen sich zum Nachdenken und Handeln inspirieren. Heute scheinen sich Resignation und Desinteresse breit zu machen. Doch für Fastenopfer ist das Konzilsjubiläum Grund genug, hoffnungs- voll und mit grossem Engagement in die Zukunft zu blicken. Getreu unserem Leitgedanken «Menschen stärken Menschen» will unser Hilfswerk mit Ihnen, mit den Pfarreien und mit den Partnerorganisatio- nen im Süden einstehen für Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und ein menschenwürdiges Leben für alle. «Wie kann ich den Armen von Gottes Güte und Liebe erzählen, ohne zynisch zu wirken?», das sei der Kern der Befreiungstheologie, sagt Padre Gustavo Gutierrez. Die Berichte in diesem INFO erzählen ein kleines Stück vom Engagement, das dieser Aussage zugrunde liegt. Danke, dass Sie diese Zuversicht mittragen! Herzlich Antonio Hautle, Direktor Fastenopfer Nr. 4 | 2012 Keine Steuergelder für Landraub Das darf nicht sein: Die Schweiz unterstützt über Ent- wicklungsbanken das Land Grabbing. Seite 2 Konliktanalyse im Praxistest Auf zum Dialog: Ein neues Instrument hilft, gesell- schaftliche Spannungen zu vermeiden. Seite 7 Spenden mit Runden Gutes tun: Mit einer PostFinance Card kann man jetzt regelmässig und kostenlos spenden. Seite 8 GERECHTIGKEIT ERLEBEN

INFO 4/12

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Regelmässige Informationen für Spenderinnen und Spender über die Arbeit von Fastenopfer

Citation preview

Page 1: INFO 4/12

Liebe Leserin, lieber Leser

Vor 50 Jahren befand sich die katholische Kirche mit der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Kon-zils am 11. Oktober 1962 in einer optimistischen Aufbruchsphase. Viele Erwartungen wurden ge-weckt. In dieser Zeit wurde auch Fastenopfer ge-gründet. Als Antwort auf die Ausbeutung, die Ar-mut und Marginalisierung der Menschen entstand

die Befreiungstheologie. Bischöfe, Ordensleute, Priester und Laien lies-sen sich zum Nachdenken und Handeln inspirieren.Heute scheinen sich Resignation und Desinteresse breit zu machen. Doch für Fastenopfer ist das Konzilsjubiläum Grund genug, hoffnungs-voll und mit grossem Engagement in die Zukunft zu blicken. Getreu unserem Leitgedanken «Menschen stärken Menschen» will unser Hilfswerk mit Ihnen, mit den Pfarreien und mit den Partnerorganisatio-nen im Süden einstehen für Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und ein menschenwürdiges Leben für alle.«Wie kann ich den Armen von Gottes Güte und Liebe erzählen, ohne zynisch zu wirken?», das sei der Kern der Befreiungstheologie, sagt Padre Gustavo Gutierrez. Die Berichte in diesem INFO erzählen ein kleines Stück vom Engagement, das dieser Aussage zugrunde liegt.Danke, dass Sie diese Zuversicht mittragen! Herzlich

Antonio Hautle, Direktor Fastenopfer

Nr. 4 | 2012

Keine Steuergelder für Landraub

Das darf nicht sein: Die Schweiz unterstützt über Ent-wicklungsbanken das Land Grabbing. Seite 2

Konliktanalyse im Praxistest

Auf zum Dialog: Ein neues Instrument hilft, gesell-schaftliche Spannungen zu vermeiden. Seite 7

Spenden mit Runden

Gutes tun: Mit einer PostFinance Card kann man jetzt regelmässig und kostenlos spenden. Seite 8

GERECHTIGKEIT ERLEBEN

Page 2: INFO 4/12

Die Schweiz trägt die Weltbank, in-ternationale Entwicklungsbanken und weitere Finanzierungsinstitutio-nen für Entwicklungsprojekte im Süden doppelt mit. Sie bringt Kapi-tal ein und gehört Leitungsgremien

Südsicht

Das Ende des Mayakalenders ist für unser Volk eine Zeit der Evalua-tion und des Bewusstwerdens. Wir alle sind eingeladen, unser eigenes und gemeinsames Leben zu be-werten, zu analysieren, zu relek-tieren und es in seiner ganzen Di-mension zu verstehen: Kosmos, Natur und Mensch.Wir müssen uns des Erbes be-wusst werden, das wir künftigen Generationen überlassen, damit sie gute Lebensbedingungen vor-inden und im Einklang mit der Natur leben. Der durch die menschliche Gier verursachte Raubbau an der Natur führt zu Konsum und Abfällen mit verhee-renden Auswirkungen.Der Kalenderwechsel ist nicht ein fatalistisches Ereignis, das zum Ende der Welt führt, wie manche Leute glauben. Ebenso wenig ist es ein messianisches Ereignis, dass die Menschheit nach dem 21. De-zember in den kompletten Wohl-stand eintritt. Die Energien sind nicht festgelegt. Der Mensch be-stimmt mit seinem Willen und Tun das Leben und die Entwicklung.Die neue Ära birgt Herausforde-rungen nicht nur für die Maya, sondern für alle Menschen. Wir erhalten eine Chance, für alle ein Leben in Würde zu erschaffen. Es braucht dringend eine Erneuerung des Lebensentwurfs, ein Überden-ken der Art, wie wir leben und uns verhalten. Denn die Katastrophen und Veränderungen im natürlichen Kreislauf werden nicht durch die Maya-Prophezeiungen hervorge-rufen, sondern durch die grossen wirtschaftlichen Kräfte.Juan Zapil Xivir, Komon Ajq‘ijab‘,

Guatemala

KEINE STEUERGELDER FÜR LANDRAUBMit Steuergeldern aus der Schweiz werden riesige Agrarprojekte unter-

stützt, die zu Lasten der Bevölkerung gehen. Fastenopfer und Brot für

alle verlangen: «Keine öffentlichen Gelder für Land Grabbing.»

an. «Ziel der Entwicklungsbanken ist, Armut und Hunger zu vermin-dern. Doch allzu oft bewirken ihre grossen Projekte das Gegenteil», folgert Birgit Zimmerle in einer Stu-die für Fastenopfer und Brot für alle.

Oft würden Menschenrechte ver-letzt und die Umwelt beeinträchtigt. Verschärft habe sich die Situation seit der Finanzkrise: «Land» wird von Finanzinvestoren vermehrt für Spekulation missbraucht. Dafür werden in Afrika, Asien oder Latein-amerika riesige Flächen Land zu-sammengerafft. Darum verlangen Fastenopfer und Brot für alle, dass mit öffentlichem Geld kein Land Grabbing unterstützt wird. Die Schweizer Regierung muss sich für grifige Richtlinien einset-zen. So lässt sich verhindern, dass den lokalen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern wortwörtlich der Boden unter den Füssen weggezogen wird.Mehr: fastenopfer.ch/landraub

fastenopfer info 4|2012

Entwicklungsbanken dürfen nicht Land Grabbing unterstützen: Eugenia

Pablo bei der Quinoa-Ernte in Perus Altiplano.

Sie war Kampagnen-Gast 2008 in der Schweiz, als es um den Zugang zu Land ging. Noch heute koordi-niert Mercia Andrews vom Netzwerk TCOE in Südafrika mit Unterstüt-zung des Fastenopfers eine Vielzahl von Organisationen, um eine ge-rechtere Landverteilung zu errei-chen. Als im August in Marikana die Polizei auf streikende Minenarbeiter schoss und 44 von ihnen tötete, half sie in Kapstadt das Marikana Soli-darity Comittee zu gründen.

Welche Bedeutung hat das Massa-ker von Marikana?Marikana ist ein Wendepunkt in un-serer Geschichte. Der Bergbau wird

«MARIKANA IST EIN WENDEPUNKT»nicht mehr der-selbe sein. Noch immer sind viele Fragen unbeant-wortet. Wer gab den Schiessbe-fehl? Weshalb

ging die Polizei mit scharfer Muniti-on nach Marikana? Weshalb vertei-digt die Polizei Privatbesitz statt die Leben der Bürger? Darauf wollen wir Antworten der Regierung.

Wozu braucht es Solidaritätskomi-tees?Zur ersten öffentlichen Sitzung in Kapstadt kamen über 600 Men-schen. Gewöhnliche Menschen, die

nicht in den Minen arbeiten. Sie sagten sich: Morgen könnte es uns treffen! Unsere Aufgabe ist es, Geld und Unterstützung für die Hinter-bliebenen und streikenden Bergar-beiter zu organisieren.

Gibt es Parallelen zur Apartheid?Tatsächlich wurden auch während der Apartheid Streiks und Proteste immer niedergeschlagen. Aber im neuen Südafrika wollen wir das Recht zu streiken und zu protestie-ren. Das ist es, was das Ende der Apartheid bedeutet: ein neues de-mokratisches Südafrika.Ganzes Interview:

fastenopfer.ch/marikana

Neuer EinBlick

Um Unterernährung zu bekämp-fen, braucht es nicht intensivere Anbaumethoden, sondern einen Kurswechsel in der Landwirt-schaft. Der neue EinBlick zeigt auf, was sich ändern muss.fastenopfer.ch/einblick

Bestellen (5.–):

041 227 59 59

Page 3: INFO 4/12

3 Fragen

Martin Dahinden, Deza-Direktor

Wie kann die Schweiz das Leben armer Menschen verbessern? Armut bekämpfen, nachhaltige Entwicklung fördern und mehr Gerechtigkeit schaffen gehören eng zusammen. Die Schweiz kann noch besser in Allianzen umwelt- und klimaverträgliche Entwicklungswege öffnen, die Wohlstand mehren, einen nach-haltigen Umgang mit Ressour-cen ermöglichen und die Lebens-bedingungen armer Menschen verbessern.

Welche Rolle übernimmt dabei Fastenopfer? Fastenopfer ist sehr gut vernetzt. Die Programme spielen eine wichtige Rolle zur Stärkung der Zivilgesellschaft und demokrati-scher Prozesse. Die kritische und konstruktive Stimme von Fasten-opfer belebt die internationale Zusammenarbeit der Schweiz und unterstützt die Suche von wirkungsvollen Lösungen.

Könnte die Ahndung von Men-schenrechtsverletzungen durch Schweizer Firmen im Ausland die Armutsbekämpfung verbessern?Die Erfahrung zeigt, dass diese Annahme grundsätzlich plausi-bel ist. Bislang wurden allfällige Versäumnisse von multinationa-len Unternehmen mit Sitz in der Schweiz und deren Auswirkun-gen auf die internationale Zu-sammenarbeit der Schweiz nicht vertieft untersucht. Solide Aussa-gen erfordern sorgfältige Recher-chen durch aussenstehende Ak-teure und eine genaue Prüfung der Rechtslage.

Konliktanalyse im Praxistest: In Tiburon erarbeiten einstige Opponenten

eine Konliktlandschaft.

VOM STREIT ZUM DIALOGEntwicklungsprojekte können zu gesellschaftlichen Spannungen führen.

Um dies zu vermeiden, hat Fastenopfer die psychosoziale Konliktanalyse

entwickelt. Die Einführung auf Haiti verdeutlichte die Notwendigkeit: Es

gab Streit.

Effektive Entwick-lungszusammen-arbeit setzt vor-aus, die Konlikte und Hintergründe zu kennen. Alle wichtigen Akteure

müssen miteinbezogen werden. Sonst können Projekte Schaden an-richten. Wird beispielsweise in einem Dorf nur eine Gruppe unterstützt, fühlen sich andere benachteiligt oder fürchten um ihre Stellung. Des-halb hat das Beratungsbüro OPSI im Auftrag von Fastenopfer ein Instru-ment entwickelt: die psychosoziale Konliktanalyse. Die Deza trägt das Projekt mit.Das Fastenopferteam in Haiti hat mit Partnerorganisationen im September solche Analysen durchgeführt. Die Notwendigkeit hat sich eindrücklich im Dorf Tiburon gezeigt. Bereits vor Beginn des Workshops gab es im In-nenhof heftige Diskussionen. Vier Männer schrien, dass der Vorstand der landwirtschaftlichen Genossen-schaft nicht korrekt gewählt sei, Geld vergeudet wurde und der Workshop nicht stattinden darf.

Die Workshopleitung bat alle Teilneh-menden in den Saal und stellte die-sen Konlikt ins Zentrum der Analyse. Die Teilnehmenden deinierten die Akteure, überlegten sich die verschie-denen Sichtweisen und Interessen, diskutierten die Gründe des Konlik-tes und das Verhalten der Beteiligten. Daraus entwickelten sie zusammen das Bild einer Konliktlandschaft, welche die vielen Aspekte des Kon-liktes aufzeigt. Die Grundlage war geschaffen, dass die zerstrittenen Teilnehmenden ge-meinsam Lösungen und Aktivitäten entwickelten: die Kommunikation verbessern, Schwächen in den Pro-jekten beheben etc.Natürlich konnten nicht alle Konlik-te gelöst werden. Aber die konfron-tative Haltung wurde aufgeweicht und es wurde die Basis für einen Di-alog geschaffen. Eine wichtige Vor-aussetzung, damit die Bevölkerung sich für eine gemeinsame Entwick-lung stark macht. Ihre Spende hilft den Men-

schen in Haiti voranzukommen:

PK 60-19191-7

Felix Wertli, Haiti-Programm

Die Zahl:

2083Zehn der grössten Konzerne der Rohstoffbranche, darunter Glen-core aus der Schweiz vor der Fu-sion mit Xstrata, besitzen 2083 Filialen in Steueroasen. Durch die Verlagerung von Unternehmens-gewinnen entgehen armen Län-dern wichtige Steuereinnahmen, die sie für das Erreichen ihrer Ent-wicklungsziele brauchen.Diese Zahl hat François Mercier, bei Fastenopfer Fachmann für Finanzierungsfragen, am Sozial-forum am UNO-Menschen-rechtsrat am 2. Oktober in Genf präsentiert. Als Konsequenz for-dert er mehr Transparenz, um heikle Verträge von Grosskonzer-nen mit korrupten Regierungen zu verunmöglichen (Quelle: Pub-lish What You Pay).

fastenopfer info 4|2012

Noch bis Ende Jahr leitet Yvonne Buschor bei Fastenopfer den Bereich Süden mit den Entwicklungspro-grammen in 14 Schwerpunktlän-dern. Danach geht die 62-Jährige in den verdienten Ruhestand, um mehr Zeit für sich und ihre Enkelkinder zu haben. Ihr Fazit nach 22 Jahren bei Fastenopfer, davon zwölf als Be-reichsleiterin: «Fastenopfer bewirkt mit seiner Arbeit, dass die Leute ihre Rechte kennen und einfordern, ihre Lebensgrundlagen sichern und die Hoffnung nicht aufgeben. Damit tra-gen wir entscheidend zur Verbesse-rung ihrer Lebensqualität bei.»Geführt wird der Bereich Süden ab 1. Januar 2013 neu von Markus Brun, bislang Bereichsleiter Entwick-lungspolitik und Grundlagen. Seine Nachfolge tritt Susann Schüepp an.

Rochade bei Fastenopfer

Buschor, Brun, Schüepp (v. l.).

Page 4: INFO 4/12

Agenda

27. November, Solothurn:

Swiss Fair Trade Forum zum Thema Kaffee (9.30–16.30 Uhr, Landhaus). swissfairtrade.ch/de/aktuelles,

061 260 21 60

15./16. Dezember, Schenkon:

Tanzshow «Teenage» zugunsten Fastenopfer (19 Uhr, Aula Kanti Sursee).

12. Januar 2013, St. Gallen und

Zürich:

Ökumenische Impulstagung mit Re-feraten und Workshops zur Kampa-gnenthematik (9–16 Uhr, St. Man-gen resp. H50).oekumenischekampagne.ch

9. März, ganze Schweiz:

Rosenaktion: Verkauf von 160 000 Rosen für das Recht auf Nahrung.

Eine bunte Gruppe von Vertreterin-nen und Vertretern der katholischen Kirche der Schweiz (mit Kirchen-ratspräsidentin, Weihbischof, Spital-seelsorgerin, Pfarrer usw.) hat im Ok tober auf einer zweiwöchigen Lernreise des Fastenopfers mehr über das vielfältige Leben auf Ma-dagaskar erfahren: Sie besuchten Fastenopfer-Projektpartner, sangen

Blickfang

Spenden mit Runden

Kundinnen und Kunden von PostFi-

nance können jetzt beim Einkaufen

unkompliziert für Fastenopfer spen-

den: mit dem E-Kässeli.

Ob Bijouterie, Billettautomat oder Bistro – mit dem E-Kässeli legen Sie bei jeder Bezahlung mit der PostFi-nance Card automatisch Geld beisei-te und ermöglichen so Menschen im Süden ein Leben in Würde. Das E-Kässeli ist Ihr virtuelles Münzkässeli.Sie entscheiden, ob der Betrag auf den nächsten Franken oder die nächs-ten zehn Franken aufgerundet wer-den soll. Wenn Sie auf «1 Franken» runden, spenden Sie bei einem Betrag von beispielsweise 14.30 Franken ge-nau 70 Rappen an das Hilfswerk. Bei drei Einkäufen pro Woche legen Sie im Monat bis zu 12 Franken für Fas-tenopfer auf die Seite. Beim Run-dungsbetrag «10 Franken» kommen beim Einkauf für 14.30 Franken exakt 5.70 Franken ins E-Kässeli, bei drei Zahlungen pro Woche sind es im Monat bis zu 120 Franken.Einrichten und Betrieb des E-Kässeli kosten nichts. So können Sie regel-mässig und kostengünstig benach-teiligten Menschen helfen.Richten Sie sich Ihr E-Kässeli

ein: 0848 888 710 oder auf

www.fastenopfer.ch/ekaesseli

Impressum

Alpenquai 4, Postfach 28566002 LuzernTelefon +41 41 227 59 59Telefax +41 41 227 59 [email protected] 60-19191-7

Herausgeber FastenopferDas INFO erscheint vier Mal jährlich. Die Post gewährt uns den günstigen Zeitungstarif. Einmal pro Jahr werden dafür Fr. 3.– vom Spendenertrag als Abonnementsbetrag abgezogen.

Redaktion Patricio Frei-Gisi

Fotos Patricio Frei (S. 1, 2 Porträt unten, 3, 5 rechts, 7 links, 8 oben), Fastenopfer Archiv (S. 2 Porträt links), Christoph Wider (S. 2), Claudia Fuhrer (S. 4, 5 links), Valérie Lange (S. 6 links), Tobias Buser (S. 6 rechts), Kathrin Groninger (S. 7), Priska Ketterer (S. 7 Porträt), Deza (S. 7 Porträt rechts), Johanna Lauber (S. 8)

Cartoon Daria Lepori

Konzept graikcontainer Luzern

Layout/Druck Zoinger Tagblatt AG, Medien- und Printunternehmen, www.ztonline.ch

fastenopfer info 4|2012

bei Gottesdiensten mit, tauschten sich mit kirchlichem Personal aus, führten Fachdiskussionen mit den Fastenopfer-Koordinatoren und ge-wannen einen Einblick in die faszi-nierende Tierwelt dieser Insel. Die Berührung mit der Armut und die vielen Begegnungen schaffen neue Motivation für den Einsatz für eine gerechtere Welt!

Tanzen für Fastenopfer

Als Maturarbeit organisieren Alina Eggerschwiler und Johanna Lauber aus Schenkon eine Tanzshow – zu-gunsten Fastenopfer in Kenia. Lau-ber: «Wir wollen den Menschen etwas weitergeben.» Teenage ist das Thema der 40-minütigen Show: erste Liebe und Partys. Bei der Pla-nung überliessen die zwei 18-Jähri-gen nichts dem Zufall: Budget, Sponsoring, Werbung, Choreogra-phie und natürlich die Proben mit 15 Tänzerinnen (15./16.12., Aula der Kanti Sursee).

BEGEGNUNGEN MOTIVIEREN

Page 5: INFO 4/12

IndIenIn Indien leben 70 Millionen indigene Adivasi in Armut und Unterdrückung. Vertrieben von

ihrem angestammten Land fristen sie ein menschenunwürdiges Dasein als Leibeigene auf

den Feldern der Grossgrundbesitzer. Zur Ausbeutung gehört auch sexueller Missbrauch.

Jetzt haben sich die Adivasi mit Unterstützung des Fastenopfers organisiert und fordern

ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in Einklang mit der Natur und der eigenen Spi-

ritualität. Voraussetzung dafür ist der Zugang zu Land. Der Weg dahin kennt viele Hinder-

nisse und dauert mehrere Jahre.

Page 6: INFO 4/12

es ist brütend heiss in namalavanka, einem Adi-vasidorf zirka zwei Autostunden entfernt von der Stadt Chittoor im Bundesstaat Andhra Pradesh. die Monsunzeit kündigt sich an. 15 Familien der vor acht Jahren gegründeten dorforganisation versammeln sich zum Gespräch mit Ramakrishna, dem Projektkoordinator von Sheds, einer Partnerorganisation von Fastenopfer. Sie beinden sich im Prozess der Wiederaneig-nung von Land und Wald. der benachbarte Grossgrundbesitzer und das Forstdepartement versuchen sie mit einschüchterungen daran zu hindern. deshalb wollen sie ihre Situation am nächsten Treffen des regionalen netzwerkes von

deR LAnGe WeG ZUM eIGenen LAnd260 Adivasi-dorforganisationen in Chittoor mit anderen dörfern besprechen, Ratschläge und re-gionale Unterstützung einholen, um ihre Landti-tel registrieren und legalisieren zu können. noch vor einigen Jahren, als noch alle Familien beim Grossgrundbesitzer verschuldet waren und in Leibeigenschaft lebten, wäre dies unvorstellbar gewesen.

Befreiung dank Selbstorganisation und

Sparen

Von der Regierung aus ihren angestammten Waldgebieten vertrieben, liessen sich die 15 Adi-vasifamilien vor etwa 15 Jahren in namalavanka

Page 7: INFO 4/12

nieder. Ohne eigenes Land, das ihnen als ernäh-rungsgrundlage dienen konnte, gelangten sie bald in Schuldknechtschaft des Grossgrundbesit-zers: der Tageslohn von 45 Rupien (umgerechnet 80 Rappen) für die Feldarbeit reichte nicht für die nahrung. deshalb mussten sie beim Grossgrund-besitzer Kredite zu Wucherzinsen aufnehmen und verschuldeten sich. Fortan waren sie gezwungen, beim Grossgrund-besitzer zu leben und ihre religiösen Traditionen aufzugeben. Ihre Frauen und Töchter mussten dem Gutsherren sexuell zur Verfügung stehen. So erging es auch Ishwaramma und ihrer Tochter Jyothi. Als Ishwarammas Mann starb, wurden sie

und Jyothi zu Sexsklavinnen des Grossgrund-besitzers. Vor acht Jahren beschlossen die Familien, sich zu wehren: Unter Begleitung von Sheds schlossen sie sich zu einem «Sangam», einer dorforganisa-tion, zusammen und begannen gemeinsam zu sparen, um sich gegen notsituationen abzusi-chern. Seither sparten die Frauen alle zwei Wo-chen einen Becher Reis (ca. 250 g) und die Män-ner Geld (2 Rupien).In notlagen können nun die Mitglieder Reis und Geld ausleihen. Beispielsweise bei Hunger und Krankheiten. Für die Schule kann kein Geld aus-geliehen werden, da der Staat dafür aufkommen

Haben sich freigespart: die Adivasi von Namalavanka mit einem Sack ihres Reisvorrats (linke Seite).

Gemeinsam für Gerechtigkeit: Ishwaram-ma wurde immer wieder vom Grossgrund-besitzer missbraucht (oben links).

Die Leibeigenschaft beendet: Adivasi beim Plügen eines Feldes (oben rechts).

Land besetzen, um Selbstversorgung sicherzustellen: eine Schale Waldfrüchte (nächste Seite links).

Nach der materiellen die spirituelle Befreiung: Die Trommel steht wieder im Zentrum eines Adivasirituals (nächste Seite rechts).

Adivasi ist die Selbstbezeichnung der Urbevöl-kerung Indiens und bedeutet «die ersten Men-schen im Land». 70 Millionen Adivasi teilen sich in über 400 ethnische Gruppen mit unterschied-lichen Sprachen und Kulturen, wie Bhil, Irula, Santal, Oraon. Allen gemeinsam ist die enge spirituelle Beziehung zur natur. Aufgrund der symbiotischen Verbindung zwischen Land, Wald und der Spiritualität sind ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten auf Selbstversorgung ausgerichtet. Wobei dazu auch Tauschhandel und gelegentli-cher Verkauf von gesammelten Waldprodukten gehört.die indische Verfassung räumt der Urbevölke-rung und den niederen Kasten explizit gleiche Rechte wie den höheren Kasten ein. dies ge-schieht mit dem System der «positiven diskrimi-nierung». darin wird die kulturelle Identität der Adivasi als «scheduled tribes» anerkannt und ihnen das Recht auf angestammte Waldgebiete und Quoten an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen eingeräumt. Zudem gibt es verschiedene spezii-sche Gesetze, um sie vor Vertreibungen und Übergriffen zu schützen. Allerdings werden die-

se durch jeweilige Gesetzgebungen der roh-stoffreichen Bundesstaaten wie Chhattisgarh und Jharkhand systematisch ausgehöhlt, damit sich internationale und indische Rohstoffkonzer-ne das begehrte Land «legal» aneignen können. Im Gegenzug versuchen diese Bundesstaaten in entwicklungsprogrammen zwangsumgesiedelte Adivasi als Lohnarbeitende in die Hindugesell-schaft zu integrieren.diese diskriminierung der Adivasi ist nährbo-den für die naxaliten. die maoistischen Rebel-len gewinnen in den rohstoffreichen Gebieten an einluss. Sie rekrutieren Adivasi für ihre Kampftruppen und treiben in deren dörfern Geld und nahrungsmittel ein.die Regierung in Chhattisgarh hat unter diesem Vorwand (als Reaktion auf die naxaliten) das Gesetz zur öffentlichen Sicherheit (2005) und das Gesetz zur Regulierung der ausländischen Beiträge (2010) erlassen. diese kriminalisieren die Bestrebungen der Adivasi auf Selbstbestim-mung und schränken die Arbeit der Hilfsorgani-sationen mit noch nicht zwangsumgesiedelten Adivasi erheblich ein.

BedROHTe Und dISKRIMInIeRTe AdIVASI

Page 8: INFO 4/12

muss. Wo dies nicht geschieht, ist es Sache des regionalen netzwerkes dieses Recht einzufor-dern.

Leben vom Wald

dank der ersparnisse konnten Schulden begli-chen und neue Kredite verhindert werden. Inzwi-schen haben sich zwei drittel aller Mitglieder aus der Schuldknechtschaft befreit. Sie arbeiten zwar weiterhin auf dem Land des Grossgrundbesitzers, konnten aber gemeinsam einen um einen drittel besseren Lohn (60 Rupien) aushandeln. In einem nächsten Schritt hat das dorf bei der lokalen Regierung erfolgreich Identitäts- und Waldnutzungskarten eingefordert. Letztere erlau-ben es der dorfbevölkerung, Waldprodukte für nahrung und traditionelle Medizin sowie Saatgut von Wildplanzen zu gewinnen. Auch hat sie un-genutztes Land im Wald besetzt, um traditionelle Hirse und Hülsenfrüchte anzubauen.

Die spirituelle Befreiung

die Bevölkerung von namalavanka hat sich nicht nur materiell, sondern auch spirituell von der Ab-hängigkeit des hinduistischen Grossgrundbesit-zers befreit. Sie hat ihre eigenen Gottheiten zu-rück ins dorf geholt und trägt ihnen mit rituellen Feierlichkeiten (z. B. erntefeste) Sorge.die Spiritualität verbindet die Adivasi eng mit der natur, insbesondere mit dem Land und dem Wald. die wiedererlangte Verbundenheit mit der eigenen spirituellen Welt und ihren Manifestatio-nen im alltäglichen Leben gibt den Adivasi aus namalavanka Schutz und Kraft, ihre Lebensweise selbst zu bestimmen und ihre Landrechte einzu-fordern.

Konlikt ums Land

Trotz aller errungenschaften bleibt die Situation hinsichtlich des Landzugangs schwierig. die Fami-lien von namalavanka haben gemäss Waldrechts-gesetz ihre Landrechtsanträge bei den Behörden korrekt eingereicht. dies hat zu Konlikten mit dem Grossgrundbesitzer und der Forstbehörde

geführt. diese haben Interesse, die Adivasifamili-en weiterhin als Leibeigene oder billige Arbeits-kräfte einsetzen zu können. Landregistrierungs-prozesse sind immer konliktiv und können je nachdem bis zu zehn Jahre dauern.Am Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern an-derer dorforganisationen in Chittoor stellen die Mitarbeitenden von Sheds, dharmayya, Peddado-raiswamy und Laxmi, die aktuelle Lage in nama-lavanka dar. nach einer intensiven debatte wird Folgendes entschieden: namalavanka beginnt neu auch traditionelles, selbst gewonnenes Saat-gut zu sammeln, um die Bewirtschaftung des be-setzten Landes sicherzustellen. dies ist eine wich-tige strategische Massnahme – einerseits, um zu zeigen, dass das Land benötigt wird, und ande-rerseits, um die Selbstversorgung sicherzustellen. der Landrechtsfall soll weitergezogen und die Lobbyarbeit in der Region verstärkt werden. dies soll über die gezielte Mobilisierung des ganzen Fastenopfer-Regionalnetzwerks von Chit-toor, also unter Beteiligung von 260 dörfern, ge schehen.

Erfolg für missbrauchte Frauen

einen erfolg erzielten die sexuell missbrauchten Ishwaramma und Jyothi dank Unterstützung be-nachbarter dörfer, die zum Chittoor-netzwerk des Fastenopfers gehören. eine delegation der dörfer hat die Frauen begleitet, um den Gross-grundbesitzer bei der Polizei wegen Vergewalti-gung anzuzeigen. da die Behörden den Fall nicht weiterverfolgten, haben die dörfer einen Protest-marsch organisiert und ihre ersparnisse zusam-mengelegt, um eine Klage beim Gericht einzu-reichen. der Grossgrundbesitzer wurde schuldig gesprochen und musste den beiden Frauen eine Genugtuung bezahlen. Für Menschen, die ein Le-ben lang Willkür und Unterdrückung erdulden mussten, ist diese erfahrung von Gerechtigkeit von unschätzbarem Wert. ein Meilenstein auf einem langen Weg.

Claudia Fuhrer, Fachfrau für nahrungssicherheit

Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 LuzernTelefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 [email protected] 60-19191-7

Stichwort: IndienÜber die Hälfte der Inderinnen und Inder sind arm. 43 % sind mangelernährt. Betroffen von Armut und Hunger sind besonders die Urein-wohner Adivasi und «unberührbaren» dalits, die zusammen ungefähr einen Viertel der indi-schen Bevölkerung von 1,2 Milliarden Men-schen ausmachen. In den Stammesgebieten der Adivasi beinden sich viele Bodenschätze. Selbst wenn ihnen die Gerichte das Recht auf ihr Land zusprechen, werden die Beschlüsse nicht umgesetzt: die Politiker ziehen es vor, dass multinationale Un-ternehmen die Bodenschätze ausbeuten kön-nen. die Vertreibung der Menschen stellt denn auch eine grosse Herausforderung für die Ar-beit des Fastenopfers dar.

Selbstorganisation statt Abhängigkeit

Fastenopfer ermöglicht den Adivasi und dalits Überlebenschancen und das Weiterbestehen ihrer Kultur: die Menschen in den dörfern or-ganisieren und analysieren ihre Lebensbedin-gungen. In einem zweiten Schritt gründen sie Sparkassen, um aus der Abhängigkeit von Geldverleihern herauszukommen. die Projekte des Fastenopfers stärken ihre Rechte, ihre er-nährungssicherheit und ihre Lebensgrundlagen (Land, Anbau, nutzung von Waldprodukten u. a.). Sie fördern ihr kulturelles und spirituelles Leben. die Ziele sind ein Leben in Würde und Selbstorganisation.

Helfen Sie den Menschen in Indien, sich

aus eigener Kraft zu befreien: Spenden

Sie auf PK 60-19191-7, Vermerk Indien.

nov

embe

r 201

2