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Informelles Musiklernen in digitalen Lern-Lehr-Settings
zwischen Gegenbild, Abbild und Utopie
Malte Sachsse
1. Ausgangspunkte – Begriffe – Anliegen
2. Diskurse und eigener Zugriff
3. Zwei Beispiele
4. Zusammenfassung und Perspektiven
2
Gliederung
1. Ausgangspunkte – Begriffe –Anliegen
3
Arbeitstitel »Informelles musikalisches und musikbezogenes Lernen vor dem Hintergrund von Digitalisierung, virtueller Vergemeinschaftung und Intermedialität«
4
Rahmen: Habilationsprojekt
»Diese umfassende gesellschaftliche Differenzierung geht mit vielfältigen Zugängen
zu Wissen einher (systematisch – unsystematisch), Einbindung in
unterschiedliche Lernwelten, Praxis mannigfacher Lernstile usw.
Neue Medien und moderne digitale
Technologien erzwingen gewissermaßen situatives, selbstgesteuertes informelles Lernen.« (Tully & Wahler, 2008, S. 201)
5
Transformationen von Lernen und Bildung im Zuge der Digitalisierung
6
Informelles Lernen »im Trend«
2016 2018 2018
7
Familie
Peer Groups
Medienwelten
Instanzen (z.B.)
Informelles Lernen
selbsttätig, indirekt, ungeplant/zufällig, beiläufig,
situativ
Charakteristika
vorschulische Bildung Musikschule
Volkshochschule
Instanzen (z.B.)
Non-formales Lernen
institutionell, aber freiwillige Nutzung
Förderung sozialer und personaler Kompetenzen
Kein Lehrplan, keine Zertifizierung
Charakteristika
Schule
Ausbildung
Hochschule
Instanzen (z.B.)
Formales Lernen
vgl. Harring et. al., 2018, S. 17
Charakteristika
curricular arrangiert
zielgerichtet
Qualifizierung+Zertifizierung
… wird charakterisiert »nicht allein durch den Ort, sondern auch
durch die Form«
Rohs, M. (2016). Vorwort. In M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Informelles Lernen (1. Aufl., S. v–ix). Wiesbaden: Springer VS, S. vi
8
Informelles Lernen …
9
Informelles Musiklernen
2002 2008
10 2008
Informelles Musiklernen
• Welche Vorstellungen von (schulischem und außerschulischem) informellem Lernen und informellen Musikpraxen mit digitalen Medien werden in ausgewählten aktuellen musikdidaktisch-konzeptionellen Überlegungen entfaltet?
• In welchen Zusammenhang werden Diagnosen (vorgängiges informelles Musiklernen, Digitalisierung, Mediensozialisation) und didaktische Forderungen (bzgl. Zielen, Inhalten und Methoden) in diesen Texten gestellt?
11
Forschungsfragen
• Versuch eines systematisierenden Zugriffs auf Diskurse über informelles Musiklernen mit digitalen Medien
• Sichtbarmachung konzeptioneller Positionierungen
• Klärung und Diskussion heterogener Begriffsverwendungen und Diskursstrategien
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Ziele
2. Diskurse und eigener Zugriff
13
14
Ashworth, D. (2007). Electrifying Music. A Guide to Using ICT in Music Education.
Abgerufen von https://www.musicalfutures.org/wp-content/uploads/1970/01/electrifyingmusiccol.pdf
»Anna Gower, head of music, has therefore allowed students to bring MP3 players to the music lessons; Anna feels that this technology has become an integral part of the informal learning work that is occurring in her school, and has challenged the school rules in order to accommodate this.« (S. 9)
→methodische und inhaltliche Konsequenzen aus jugendlicher Mediennutzung für MU
15
Ashworth (2007)
»Schools are already starting to explore home–school access via
intranet sites and mobile technologies. This is especially
significant for music educators as it allows them to tap into the vast amount of music making that goes on outside school […]. We
now have the opportunity to extend music study into the home provided we tap into the culture, content and means of
production of the young people.« (S. 8)
→ »Anzapfen« außerschulischer Lernwelten als Ressource für
den MU
→Verzahnung von Freizeitbereich und Musikunterricht
16
Ashworth (2007)
• als Indikator für übergeordnete Fragen nach dem Zusammenhang zwischen außerschulischem und schulischem Musiklernen
• weitere ›Marker‹ für die Sichtung relevanter Textstellen:
- außerschulisches Musiklernen / außerschulische Musikpraxis
- Musiksozialisation
… mit digitalen Medien / mit dem Internet / in virtuellen Lernwelten / with music-technology
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»Informelles Musiklernen« als Arbeitsbegriff
3. Zwei Beispiele
18
19
Mönig (2019)
Allsup (2016)
20
Mönig, M. (2019). Wenn das gesellschaftlich Faktische zum pädagogisch Wünschenswerten erhoben wird. Gedanken zum Lernen mit digitalen Medien im Musikunterricht. Diskussion Musikpädagogik, 82(2), 22–27.
»Die Frage der Kompensation (mangelnder) lebensweltlicher Erfahrungen
durch die Schule verweist schließlich auf Bereiche des Musikunterrichts,
die es gilt, entweder gegen eine nachhaltige Durchdringung mit digitalen
Medien zu schützen oder sie diesen bewusst als Gegenpol
entgegenzusetzen.« (S. 25)
»In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Schule nicht ein Stück
weit auch eine Gegenwelt zur Erfahrungswelt der Schülerinnen und
Schüler bilden und in dieser Funktion kompensatorische Funktionen
übernehmen sollte, beispielsweise indem dem multimedialen Feuerwerk digitaler Medien bewusst ‚Ruhe, Konzentration und Achtsamkeit‘ [Lembke
& Leipner, 2015] entgegengesetzt wird.« (S. 25)
21
Mönig (2019)
→ Konfrontation: digitale Lebenswelt <> schulischer Bildungsauftrag
→ Problem fehlender »Sinnlichkeit« beim digitalen Lernen (S. 25)
→ anders als Lernen »mit Kopf, Herz und Hand« (S. 25)
→ Forderung an mupäd Diskurs, »ggf. obligatorisch zu bewahrende ‚analoge Oasen‘ zu benennen und zu verteidigen« (S. 26)
22
Mönig (2019)
23
Allsup, R. E. (2016). Remixing the Classroom. Toward an Open Philosophy of Music Education. Bloomington ; Indianapolis: Indiana University Press.
24
Allsup (2016), S. 73-74
»forces of innovation«
Formal Master-Apprentice-Relationship
»new technologies«
experience based learning
»laboratory side of life«
»new historical circumstances«
»evolving cultures«
»Furthermore, when faced with changing conditions – new
media, new technologies, new understandings of learning
and the mind, new ways of living – our long-running
pedagogy of excellence and achievement appears closed or
at least hostile to innovation and popular input.« (S. 39)
→ Tradition vs. Innovation
→ Exzellenz-/Leistungsorientierung vs. das Populäre
25
Allsup (2016)
»In a world of expanding knowledge, where information is accessible to anyone with a mobile telephone [...], the Master must come to grips with his partiality. […] he must concern himself with his students and their world, […] he must embrace a style of teaching that is much more difficult, one that accepts, and even welcomes, the muddled and messy.« (S. 68-69)
→ Aus Lernwelt der SuS ergehen Ansprüche an LuL
→Konsequenz »Learning in Laboratories« (u.A.: offene Unterrichtsformen, entdeckendes & problemorientiertes Lernen)
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Allsup (2016)
4. Zusammenfassung und Perspektiven
27
Entwurf von Vorstellungen informellen Musiklernens außerhalb der Schule …
• … als Vorbild für räumlich-zeitliche Disposition von Lernprozessen im MU (Ashworth)
• … als Katalysator für die Veränderung von Inhalten, Methoden, Kommunikations-, Interaktions- und Machtverhältnissen im MU (Allsup)
• … teilweise als Gegenwelt zum MU (Mönig)
Informelles Musiklernen erscheint …
1. … als Konstrukt/Setzung/Hypothese (hinsichtlich außerschulischen Lernens)
2. … als – immer unterschiedlich konzipierte – Konsequenz daraus28
Zusammenfassung
… als »Hoffnungsträger« und »als Konstrukt, das nicht nur
mit verschiedensten und teils konträren Erwartungen
behaftet ist, sondern auch sehr vielfältigen
Interpretationen unterliegt.«
Rohs, M. (2016). Vorwort. In M. Rohs (Hrsg.), Handbuch
Informelles Lernen (1. Aufl., S. v–ix). Wiesbaden: Springer VS, S. vi
29
Informelles Lernen …
30
»Paradox, dass ein initiiertes informelles Lernen keines ist, sondern lediglich eine
Methode formalen Lernens und ein nicht-intendiertes informelles Lernen keine pädagogische Maßnahme sondern ein
Sozialisationsvorgang«
(Ladenthin, 2016, S. 202)
Konstruktion von und Arbeit mit Dichotomien, z.B.:
• Sinnlichkeit – Nicht-Sinnlichkeit (z.B. Vergleich analoge Instrumente <> digitale Instrumente)
• Innovation <> Tradition
• Musik der SuS <> Musik der LuL/des Curriculums
• face-to-face-Interaktion <> virtuelle Interaktion
• Mystery <> Mastery
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Zusammenfassung
• Diskursanalyse zu konzeptionellen Überlegungen bzgl. der Schnittstelle zwischen informellem und formalem Lernen mit digitalen Medien
• Foki z.B.
- Zusammenhänge zwischen angenommenen außerschulischem und gefordertem schulischem Lernen
- Medien- und Lernbegriffe
• Reflexion vor dem Hintergrund u.A. bildungsphilosophischer Forschung (z.B. zur Rolle von Autonomie)
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Perspektiven
• Beitrag zu einer musikpädagogischen Bearbeitung der Frage der KMK: »Was heißt Bildung in der digitalen Welt?«
• Auf lange Sicht Skizzierung von Antworten, die mehr sind als eine bloße Übertragung jener Forderung ins digitale Zeitalter, die Loriot einst in Bezug auf das Fernsehen aufstellte…
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Perspektiven
34
–Loriot
Der Säugling und das Fernsehen, Berlin 1970, Rede, In Loriot: Sehr verehrte Damen und Herren… Reden und Ähnliches, hrsg. v. Daniel Keel, Zürich 1993:
Diogenes. S. 29
»Jeder Säugling sollte sich so früh wie möglich mit einem Fernsehgerät beschäftigen, denn später hat er ja
auch nichts anderes…«
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
35
• Allsup, R. E. (2016). Remixing the Classroom. Toward an Open Philosophy of Music Education. Bloomington ; Indianapolis: Indiana University Press.
• Ashworth, D. (2007). Electrifying Music. A Guide to Using ICT in Music Education. Abgerufen von https://www.musicalfutures.org/wp-
content/uploads/1970/01/electrifyingmusiccol.pdf [05.11.2019].
• Green, L. (2002). How Popular Musicians Learn: A Way Ahead for Music Education (New ed). Aldershot, Hants ; Burlington, VT: Ashgate.
• Green, L. (2008). Music, Informal Learning and the School: A New Classroom Pedagogy (New ed). Farnham: Ashgate.
• Harring, M., Witte, M. D., & Burger, T. (Hrsg.). (2016). Handbuch informelles Lernen. Interdisziplinäre und internationale Perspektiven.
Weinheim und Basel: Beltz Juventa.
• Höfer, F. (2017). Digitale Medien im Musikunterricht der Sekundarstufe: Eine empirische Studie an österreichischen Schulen (1. Aufl.).
Augsburg: Wißner-Verlag.
• Kahnwald, N., & Täubig, V. (2018). Informelles Lernen: Standortbestimmungen. Wiesbaden: Springer VS.
• Kultusministerkonferenz. (2016, Dezember). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. https://
www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2017/Strategie_neu_2017_datum_1.pdf [05.11.2019].
• Ladenthin, V. (2016). Informelles Lernen aus philosophischer Perspektive. In M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Informelles Lernen (S. 165–
206). Wiesbaden: Springer VS.
• Medienberatung NRW. (2019). Medienkompetenzrahmen NRW. https://medienkompetenzrahmen.nrw/fileadmin/pdf/
LVR_ZMB_MKR_Broschuere_2019_06_Final.pdf [05.11.2019].
• Mönig, M. (2019). Wenn das gesellschaftlich Faktische zum pädagogisch Wünschenswerten erhoben wird. Gedanken zum Lernen mit
digitalen Medien im Musikunterricht. Diskussion Musikpädagogik, 82(2), 22–27.
• Rohs, M. (2016). Vorwort. In M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Informelles Lernen (S. v–ix). Wiesbaden: Springer VS.
• Tully, C. J., & Wahler, P. (2008). Ergebnislinien zum außerschulischen Lernen. In P. Wahler, C. J. Tully, & C. Preiß (Hrsg.), Jugendliche In Neuen Lernwelten: Selbstorganisierte Bildung jenseits institutioneller Qualifizierung (2., erweiterte Aufl., S. 201–223). Wiesbaden: VS
Verlag für Sozialwissenschaften.
• Wright, R., Younker, B. A., & Beynon, C. (Hrsg.). (2016). 21st Century Music Education: Informal Learning and Non-Formal Teaching Approaches in School and Community Contexts. Waterloo, ON, Canada: Canadian Music Educators’ Association.
Literatur
www.tu-dortmund.de