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Deutsche Parkinson Vereinigung – Bundesverband – e.V. Initiative Parkinson

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Deutsche Parkinson Vereinigung

– Bundesverband – e.V.

Initiative Parkinson

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Initiative Parkinson

Längst haben Patientenorganisationen begriffen,dass sie sich wehren sollten, wenn es um neue Gesetze oder Erlasse im Bereich der gesundheit -

lichen Versorgung geht. Der Vorstand der Deutschen Parkinson Vereinigung e. V. ergreift somit die Initiative,sich z. B. nicht nur an die Öffentlichkeit allgemein, son-dern auch an die Politik, den Petitionsausschuss Gesund-heit des Bundestages, zu wenden.

Initiative Parkinson – was bedeutet das?

Was Morbus Parkinson ist, das kann jedernachlesen. Wie es sich anfühlt damit zu leben,

das müssen wir den Menschen erzählengWir müssen uns meldenDer Petitionsausschuss des Bundestages, und das sei hiererklärt, ist sozusagen ein Seismograf, der die Stimmungder Bevölkerung aufzeichnet – auch unsere. Er überprüftdie Beschwerden oder Sorgen der Bevölkerung, und wirals Beschwerdeführer hoffen, dass der Bundestag sich fürunsere Anliegen erwärmt. Wir müssen uns also melden.Denn selbst ein wohlwollender Bundestagsabgeordneterkann im Pschychrembel nachlesen, was unter MorbusParkinson zu verstehen ist. Doch wie es sich anfühlt, mitdieser chronischen, noch immer unheilbaren Krankheit,zu leben, welche Perspektiven der Betroffene hat oderauch nicht, das müssen wir ihm erzählen.

Unzureichende Versorgung mit FachärztenUnser Anliegen ist es, die unzureichende Versorgung mitÄrzten (Fachärzten und Hausärzten) in den unterschied-

lichsten Bundesländern – auch in Ballungsgebieten – ins-besondere in den neuen Bundesländern, aufzuzeichnenund deutlich zu machen.

Weiter wollen wir uns nicht mit der derzeitigen Aut-Idem-Regelung zufrieden geben, und wir zeigen unsauch nicht damit einverstanden, dass es immer nochnicht gelungen ist, einen Pflegebedürftigkeitsbegriff zudefinieren, der sich nicht nur an den somatischen Bedürf-nissen der Pflegebedürftigen orientiert.

Parkinson auf dem Wege zur VolkskrankheitMorbus Parkinson oder Idiopathischer Parkinson ist aufGrund der demografischen Entwicklung auf dem bestenWege zu einer Volkskrankheit zu werden. Diese Tatsacheder Entwicklung einer verstärkt alternden und krankenGesellschaft findet leider immer noch nicht genügendBeachtung in Regierungskreisen.

Die Deutsche Parkinson Vereinigung – Bundesverband e. V. (dPV) – ist eine Selbsthilfe-Vereinigung, die 1981 gegründet

wurde und heute zu den größten Patienten-Organisationen in Deutschland zählt. Insgesamt drei Landesverbände, elf Lan-

desorganisationen und 450 Regionalgruppen und Kontaktstellen setzen sich für die Belange von Parkinson-Erkrankten und

deren Angehörigen ein. Vorrangiges Ziel der dPV ist es, die Lebensumstände von Parkinson-Patienten und deren Partnern

zu verbessern. Als wesentliches Anliegen betrachtet es die dPV, Patienten mit Informationen zu versorgen und das Selbst -

bewusstsein der Betroffenen nachhaltig zu stärken, sodass sie die therapeutischen Bemühungen von Ärzten und medizini-

schem Personal in kritischer Partnerschaft anerkennen und befolgen. Die dPV unterstützt mit Nachdruck alle Aktivitäten, bei

denen die kreativen Potenziale der Patienten angesprochen und gefördert werden.

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Vorwort

Magdalene Kaminski

Parkinson gehört zu den häufigsten Erkrankungen deszentralen Nervensystems und ist in hohem Maße alters-abhängig. Mit der Zunahme der allgemeinen Lebens -erwartung ist deshalb das stetige Ansteigen derErkrankung sicher und vorhersehbar.

Die Forschung geht davon aus, dass sich die Anzahl derParkinson-Erkrankungen in den nächsten 20 Jahren welt-weit verdoppeln wird. Derzeit wird nur die Zahl der soge-nannten erfassten Parkinson-Erkrankungen registriert. Sieliegt in Deutschland bei etwa 250.000 bis 300.000 Perso-nen. Die Inzidenz wird mit 16 pro 100.000 Einwohner an-gegeben. Das bedeutet, dass in Deutschland jährlich rund13.000 neue Parkinson-Erkrankungen hinzukommen.

Wir fordern deshalb eine medizinische Diagnostik undVersorgung, die dieser Entwicklung der Parkinson-Erkran-kungen gerecht werden. Als Patientenvereinigung undInteressenvertretung der an Parkinson erkrankten Men-schen und deren Angehörigen ist es unsere Aufgabe,hierfür rechtzeitig die notwendige Aufmerksamkeit zuschaffen und zugleich auch entschieden mehr Hand-lungsorientierung in die gesundheitspolitische Diskus-sion aus der Perspektive der Betroffenen zu bringen.

Herzlichst, Ihre

Magdalene Kaminski1. VorsitzendeDeutsche Parkinson Vereinigung – Bundesverband – e. V.

Inhalt

Vorwort 3

I. FaktenParkinson – Auf dem Weg zur Volkskrankheit 4Was ist Parkinson? 5Wie entsteht Parkinson? 5Diagnose: Parkinson 6Behandlung & Therapien 6Der Parkinson-Patient und seine Angehörigen 8

II. Handlungsfelder Früh- und Differentialdiagnostik 9Patientenversorgung im Fokus 10Politik & instutionelle Leistungsträger 12Forschung & Medizin 14

III. Ziele & Forderungen Initiative Parkinson – Ein Überblick 15

Parkinson kann jeden treffen

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I. Fakten

Die Initiative Parkinson verfolgt zwei grundsätz -liche Ziele. Erstens: Parkinson ist im Zuge unsererdemografischen Entwicklung in Deutschland auf

dem besten Wege eine Volkskrankheit zu werden. DieseEntwicklung erfordert Anpassungen sowohl in der medi-zinischen Diagnostik und Versorgung der Patienten alsauch in der medizinischen Ausbildung und Forschung.Diesem Anpassungsbedarf wollen wir in der gesund-heitspolitischen Diskussion rechtzeitig und dauerhaftmehr Aufmerksamkeit und Gewicht verschaffen.

und Kosteneffizienz im Gesundheitswesen müssen gesundheitspolitische Konzepte die Anforderungenchronisch kranker Patienten sehr viel spezifischer berück-sichtigen. Die Initiative Parkinson will hierzu den Ent-scheidern und Fachexperten im Gesundheitswesen eineEntscheidungs- und Handlungsorientierung aus der Perspektive und Erfahrung der Betroffenen bieten.

Die Entstehung der meisten sogenannten Volkskrank -heiten, zum Beispiel Diabetes, hängen oft mit einer feh-

lenden gesundheitsgerechten Lebensweisezusammen. Dazu gehören vor allem Fehler-nährung und Bewegungsmangel. Das trifftauf Parkinson nicht zu. Gesundheits -bewusstes Verhalten hat nahezu keinen Ein-fluss auf die Entstehung der Erkrankung.

Frühe Diagnose – individuelle TherapieEntscheidend bei Parkinson sind daher diefrühzeitige und richtige medizinische Diag-nose sowie eine individuell angepasste Therapie. Hierbei sind über die letzten 50 Jahre kontinuierlich Fortschritte erzielt worden, die den Krankheitsverlauf verlang -samen, die Arbeitsfähigkeit bei den jüngeren

Patienten länger erhalten und die allgemeine Lebens -qualität verbessern.

Parkinson ist bisher nicht heilbarDie Konfrontation mit einer unheilbaren Erkrankung stelltfür den Betroffenen und sein familiäres Umfeld eine besondere Belastung dar. Oft wird die gesamte Lebens-planung einer Familie aus der Bahn geworfen. Nicht sel-ten zerbricht nach einiger Zeit die normale Alltagsweltund die gesamte Lebenssituation muss völlig neu gestal-tet werden. In solchen Situationen kommt der psychoso-zialen Versorgung besonderes Gewicht zu, um dieallgemeine Resilienz zur Bewältigung dieser Lebenssitua-tion zu stärken, sowohl des Parkinson-Erkrankten als auchder direkten Familienangehörigen.

Parkinson – Auf dem Weg zur Volkskrankheit

Rund 250.000 bis 300.000 Menschen inDeutschland sind an Parkinson erkrankt.

Jedes Jahr gibt es zirka 13.000 neu Erkankteg

Die Initiative Parkinson soll zweitens die spezifischen Herausforderungen einmal der Erkrankung selbst, zumanderen aber auch die besonderen Belastungen des Parkinson-Erkrankten und der betroffenen Familien stär-ker und breiter in das Bewusstsein der Fachkreise und derallgemeinen Öffentlichkeit tragen. Gesundheitspolitikhat nicht nur die Aufgabe, die Rahmenbedingungen fürdie gesundheitliche Versorgung im Allgemeinen zu optimieren. Bei allen Bemühungen um mehr Effektivität

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I. Fakten

Parkinson ist eine Erkrankung des zen-tralen Nervensystems, die nicht heilbarist und fortschreitet. Überwiegend tritt

sie zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr auf.Männer sind etwas häufiger betroffen alsFrauen. Acht bis zehn Prozent der Betroffenensind jünger als 40 Jahre. Man kann also nichtmehr von einer reinen Alterskrankheit spre-chen. Was üblicherweise unter dem Begriff„Parkinson“ verstanden wird, ist eine Vielzahlvon ähnlichen Erkrankungen, deren Gemein-samkeiten sich auf die Hauptsymptome beziehen. Der Überbegriff für die verschiede-nen Parkinson-Erkrankungen ist Parkinson-Syndrom. Die gebräuchlichsten Bezeichnun-gen dafür sind Parkinsonsche Krankheit, Morbus Parkinson,Schüttellähmung, Primäres und Sekundäres Parkinson Syndrom sowie IPS, idiopathisches Parkinson Syndrom.

Zum Primären Parkinson Syndrom zählt das IdiopatischeParkinson Syndrom, kurz IPS genannt. Idiopathisch stehtfür „Ursache nicht bekannt“. Diese Gruppe macht an die 80 Prozent aller Erkrankungen aus. Zu den Primären Par-kinson Syndromen zählt auch das erblich degenerativeParkinson Syndrom. Es hat aber mit etwa 0,6 Prozent derErkrankten nur einen geringen Anteil. Die restlichen 20 Prozent verteilen sich auf:n Sekundäres Parkinson Syndromn Atypisches Parkinson Syndromn MSA Multisystematrophien PSP Progressive Supranukleäre Blickparese

Die Hauptsymptome sind verlangsamte Bewegungen(Bradykinese), Muskelsteife (Rigor), Ruhezittern (Tremor)und Haltungsinstabilität (posturale Instabilität). DieseHauptsymptome sind bei den Erkrankten unterschiedlichstark ausgeprägt, einzelne können auch ganz fehlen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche begleitende Symp-tome im Vegetativen Nervensystem, in der Psyche sowieim motorischen und sensomotorischen Bereich. Auchdiese begleitenden Symptome können im Krankheits -verlauf in ganz unterschiedlicher Ausprägung auftreten.

Was ist Parkinson?

Wie entsteht Parkinson?

Durch das Absterben von Nervenzellen in der Sub-stantia Nigra, einem Kernkomplex im Mittelhirn,kommt es zu einem Dopaminmangel im soge-

nannten Striatum, einem Teil der zum Großhirn gehören-den Basalganglien. Diese stellen einen wichtigenregulierenden Teil des motorischen Systems dar. Durchden Dopaminmangel entsteht ein Ungleichgewicht wiederum bei anderen Botenstoffen wie z. B. Glutamat undAcetylcholin. Das führt zu einer Verminderung der aktivie-renden Wirkung der Basalganglien auf die Großhirnrinde.

Die Erkrankung schreitet ständig fortBis der Erkrankte die ersten Symptome zeigt, sind 60 bis70 Prozent der dopamin-produzierenden Nervenzellenim Bereich der Substantia Nigra abgestorben mit dendann spürbaren Symptomen. Da die Zerstörung der Zellen bisher noch nicht aufzuhalten ist, schreitet die Erkrankung ständig fort.Fo

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I. Fakten

Parkinson kann mit zahlreichen unterschiedlichenund zudem unspezifischen Symptomen auftreten,besonders in der Frühphase der Erkrankung. Eine

eindeutige Diagnose bedarf deshalb oft mehrerer ergän-zender Untersuchungsmethoden. Im Rahmen einerAnamnese wird der Patient auf die Hauptsymptome derParkinson-Erkrankung hin untersucht. Dazu gehören ver-langsamte Bewegungen (Bradykinese), Muskelsteife(Rigor), Ruhezittern (Tremor) und Haltungsinstabilitäten(posturale Instabilität). Durch einen L-Dopa Test kanndann festgestellt werden, ob sich die Symptome nach derEinnahme des Wirkstoffes bessern. Tritt eine Besserungein, gilt dies als Kriterium für Parkinson.

Zur Anschluss diagnose stehen zusätzlich bildgebendeVerfahren zur Verfügung, wie die Computertomographie(CT), Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) und Single-Photonen-Emissions-Computer tomographie (SPECT).

Diagnose: Parkinson

Niedrige Dosierung, um Wirksamkeit zu erhaltenUm die Wirksamkeitsphase von L-Dopa möglichst lange zuerhalten, wird der Wirkstoff in niedrigen Dosen gegeben und mit Substanzen anderer Wirkweisen zumAusgleich des Dopaminmangels kombiniert. Hierzu gehören Dopaminagonisten, MAO-B-Hemmer und COMT-Hemmer. Jeder Patient reagiert anders auf Wirkstoffe undihre Kombinationen. In der Regel braucht es deshalb eine gewisse Zeit, bis die optimale medikamentöse Einstellung

Eindeutige Diagnosen bedürfen oft mehrererergänzender Untersuchungsmethoden

Behandlung & Therapien

Eine ursächliche Behandlung des Parkinson-Syndroms ist nicht möglich, sondern nur die Linderung der Symptome. Nach wie vor ist die

Dopamin-Ersatztherapie die wichtigste Säule im kom -plexen Behandlungskonzept eines Parkinson-Patienten.

Wirksamstes Mittel verliert gleichmäßige WirkungDas wirksamste Mittel ist Levodopa, kurz L-Dopa genannt. Es ist eine Vorstufe des Dopamins, das die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann und im Gehirn in Dopa-min umgewandelt wird. Auf diese Weise wird derbestehende Mangel dieses Botenstoffes ausgeglichen.Allerdings hat diese Behandlung einen Nachteil. Nachmehrjähriger Einnahme treten Wirkungsschwankungenauf. L-Dopa verliert seine gleichmäßige Wirkung. Viele Patienten entwickeln dann schmerzhafte Verkrampf -ungen (Dystonien), unwillkürliche Bewegungen (Dyski-nesien) oder Fluktuationen mit wechselnden Phasen vonguter und schlechter Beweglichkeit.

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I. Fakten

gefunden ist. Dafür ist der vertrauensvolle und intensiveAustausch des Arztes mit dem Patienten zwingend. DieseSituation erfordert meist lange Sprechzeiten zwischen Arztund Patient, die dem Arzt allerdings nicht vergütet werden.Der behandelnde Arzt steht damit in dem Zielkonflikt zwischen notwendigem Zeitaufwand für eine optimale Behandlung des Patienten und bezahlter Leistung.

Oral verabreichte Medikamente helfen nicht jedemBei einem kleineren Teil der Patienten gelingt es trotz ent-sprechender Erfahrung des behandelnden Arztes undguter Kooperation mit dem Patienten nicht, eine zufrie-denstellende Einstellung mit den oral verabreichten Medikamenten zu erzielen. Für diese Patienten ist diekontinuierliche Zuführung von L-Dopa oder einem Dopamin-Agonisten durch soge-nannte invasive Therapieformen eineweitere Behandlungsmöglichkeit.Diese Therapien werden auch alsPumpen behandlungen bezeichnet.Solche Pumpen sind aus der Diabe-tes-Behandlung (Insulin-Pumpe) undin der Schmerztherapie bereits bekannt. Derzeit stehen zwei solcherBehandlungsmethoden zur Ver -fügung, die Apomorphin-Pumpe unddie Duodopa-Pumpe. Bei der Apo-morphin-Pumpe wird der WirkstoffApomorphin (ein Dopamin-Agonist)über eine Dauerkanüle unter dieHaut „gepumpt“. Bei der Duodopa-Pumpe wird eine kleine Sonde durchdie Bauchwand in den oberen Dünndarmbereich gesetztund von außen durch die Pumpe der Wirkstoff L-Dopa zugeführt. Beide Pumpen müssen dauerhaft getragenwerden.

Behandlung durch Tiefe HirnstimulationEine weitere Behandlungsmöglichkeit ist die Tiefe Hirn -stimulation. Sie kommt unter bestimmten Voraussetz -ungen für Patienten in Frage, die auf Medikamente nicht

mehr ausreichend ansprechen. Dabei werden dem Patienten in einer sechs bis zwölfstündigen Operationeine oder zwei dünne Elektroden implantiert, die überein Kabel mit einem Impulsgeber unter der Haut verbun-den sind. Der Impulsgeber, ähnlich dem Herzschritt -macher, gibt dauerhaft elektrische Impulse an dieZielregion im Gehirn ab.

Die medikamentöse Therapie muss in der Regel mit be-gleitenden therapeutischen Maßnahmen ergänzt werden,die die Mobilität der Gelenke und Muskeln, den Gleich -gewichtssinn und die Feinmotorik verbessern. Jeweilsnach den am stärksten ausgeprägten Symptomen werdenkrankengymnastische, ergotherapeutische, logopädischeund psychotherapeutische Therapien eingesetzt.

Begleitende Therapien können die Mobilitätder Gelenke, den Gleichgewichtssinn und die Feinmotorik verbessern

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I. Fakten

Der Parkinson-Patient und seine Angehörigen

Die Diagnose an Parkinson erkrankt zu sein, ist fürden Betroffenen zunächst einmal eine schockie-rende Nachricht und löst schwere psychische

Belastungen aus. Der Patient steht plötzlich vor einer völlig veränderten Lebenssituation. Er muss sich damitauseinandersetzen, dass er unheilbar krank ist, bis zumLebensende auf Medikamente angewiesen ist, nichtweiß, welchen Verlauf die Erkrankung nehmen wird undseine Lebensplanung völlig neu gestalten muss.

Besonders für die acht bis zehn Prozent der Erkranktenunter 40 oder um 40 Jahre bekommt die Diagnose noch-mals eine zusätzliche Dimension. Hier kommen Problemehinzu, die bei älteren Erkrankten nicht mehr oder nur abgeschwächt auftreten. Nicht selten belasten Zukunfts-ängste und Selbstzweifel den Jungerkrankten. Wird diePartnerschaft die Belastungen verkraften? Wie reagiertdas soziale Umfeld: Verwandte, Freunde und Kollegen?Wie lange kann der Beruf ausgeübt werden? Ist mit Fort-schreiten der Erkrankung der Arbeitsplatz gefährdet undendet in Langzeitarbeitslosigkeit? Es können existenzielleProbleme auftauchen, wenn finanzielle Verpflichtungen,z. B. durch den Kauf einer Immobilie, nicht mehr beglichen werden können. Lebenswelt und Selbstwert-gefühl des Jungerkrankten drohen zu zerbrechen.

Völlig neue Situation auch für die AngehörigenAber nicht nur der Erkrankte hat Ängste und Sorgen.Auch für die nächsten Angehörigen bedeutet die Erkran-kung eine völlig neue Situation. Es sind nicht nur die motorischen Symptome wie Bewegungsverlangsamung,Zittern und Muskelsteifheit, die Einfluss auf den Alltagnehmen. Meist empfinden die Angehörigen die imKrankheitsverlauf auftretenden mentalen Veränder -ungen, wie depressive Verstimmung, Ängstlichkeit undRückzugstendenzen als größere Belastung.

Besonders betroffen ist der Pflegende, in der Regel derEhe- oder Lebenspartner oder die Kinder. Es ist eine kräf-tezehrende Aufgabe und ein ständiger Balanceakt, denrichtigen Weg zwischen Hilfe und Bevormundung im Zusammenleben mit dem Erkrankten zu finden. Für dessen Selbstwertgefühl ist es wichtig, möglichst vieleTätigkeiten so lange wie möglich selbst auszuführen, wasallein für die zeitlichen Abläufe im Alltag eine große Umstellung und Rücksichtnahme bedeutet.

Parkinson ist eine öffentliche KrankheitIm Gegensatz zu anderen Erkrankungen ist Parkinson fürden Patienten in jedem Moment präsent und sie ist eine öffentliche Krankheit. Gangschwierigkeiten, das Zittern,starre Mimik, Sprechprobleme, Schwierigkeiten bei fein -motorischen Tätigkeiten, verminderte Gestik, all das istdeutlich von Allen zu erkennen und kann den Patientenentmutigen. Viele Betroffene ziehen sich in die Isolation zu-rück, weil sie sich für ihre körperlichen Symptome schämen.

Der offene und selbstbewusste Umgang mit der Krank-heit fällt oftmals schwer. Häufig bestehen persönliche,berufsbedingte oder soziale Rahmenbedingungen fürden Betroffenen, die es ihm zunächst nicht möglich erscheinen lassen, sich zu erklären. Der offene Umgangmit der Erkrankung muss regelrecht erlernt werden, dieHemmnisse und Barrieren für ein „Outing“ müssen ent-deckt und soweit wie möglich aufgelöst werden. Diewichtigsten Bausteine dafür sind die allmähliche Akzep-tanz statt dauerhafter Verdrängung der Erkrankung,zudem ein offener und respektvoller Umgang mit demThema Parkinson im vertrauten familiären Umfeld sowiedie tägliche Disziplin des Betroffenen, die therapeuti-schen Maßnahmen einzuhalten.

Ein ebenso wichtiger Baustein sind die Selbsthilfegrup-pen. Der hier organisierte persönliche Erfahrungsaus-tausch mit anderen Betroffenen ebnet den Weg zurAkzeptanz leichter, verhindert den Rückzug in die Isola-tion und fördert so dauerhaft die psychosoziale Stabilitätdes Parkinson-Erkrankten.

Zukunftsängste und Selbstzweifel belastenAngehörige und Erkrankte gleichermaßen.

Der Umgang mit Parkinson fällt vielen schwerg

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II. Handlungsfelder

Ziele & Forderungen

n Aufbau patientenorientierter lokaler/regio -naler Kooperationsstrukturen und -verfahrenzwischen Hausärzten, Neurologen und Universitäts- und Fachkliniken, um eine möglichst frühzeitige und zutreffende Diagnose zu gewährleisten.

n Verbesserung der Information und Aufklä-rung der Primär-Ärzte über Früherkennungs -verfahren bei Verdacht auf Parkinson durchdie medizinischen Fachgesellschaften, Bundesärztekammer und kassenärztlichenVereinigungen.

Im Frühstadium ist es nicht einfach, Parkinson zu erkennen und von anderen Krankheiten abzugrenzen.Gleich mehrere neurologische oder rheumatische

Erkrankungen können fast identische Symptome auf -weisen wie Parkinson im Anfangsstadium. Grundsätzlichliefert eine gründliche ärztliche Untersuchung seitenseines Neurologen erste Hinweise auf das Vorhandenseineiner Parkinson-Erkrankung. Auch moderne Bild -gebungsverfahren sowie medikamentöse Tests könnenbei der frühzeitigen Diagnosestellung helfen.

Krankheitsverlauf früh verlangsamenEine frühzeitige Erkennung und zutreffende Diagnosestel-lung sind relevante Faktoren für eine effektive Behandlung des Parkinson-Syndroms. Das Hauptaugen-merk liegt darauf, den Krankheitsverlauf möglichst früh zuverlangsamen, Folge-Erkrankungen weitgehend zu ver-meiden, sowie die Fähigkeit zur aktiven, individuellen Lebensgestaltung und sozialer Teilhabe so umfangreichund lange wie möglich zu erhalten. Da die Anfangssymp-tome bei der Parkinson-Erkrankung sehr unspezifisch sind,und zwischenzeitlich auch wieder ganz verschwinden kön-nen, sucht der Betroffene meist zuerst Hilfe bei seinemHausarzt, Internisten oder Orthopäden. Oftmals aber mitdem Ergebnis, dass nur eine Behandlung der gerade vor-liegenden Symptome erfolgt, ohne den möglichen Verdacht auf eine Parkinson-Erkrankung zu erwägen.

Systematische Kooperation aller FachbereicheDer Zeitraum zwischen den ersten Symptomen und derkonkreten Diagnose kann erfahrungsgemäß bis zu meh-reren Jahren dauern. Diese wertvolle Zeit geht für eineTherapie ver loren. Deshalb ist eine möglichst frühedifferential diagnostische Abklärung von Parkinson-Syndromen so wichtig und erfordert eine enge und systematische Kooperation von Primärärzten, Neuro -logen sowie Fach- und Universitätskliniken.

Früh- und Differential-Diagnostik

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II. Handlungsfelder

Im Rahmen der Gesundheitsreform sind die Behand-lungskontingente für gesetzlich versicherte Patientenpro Quartal begrenzt worden. Sobald eine Arztpraxis

die zulässige Patientenzahl im laufenden Quartal erreichthat, werden keine weiteren Arzttermine an gesetzlichVersicherte vergeben. Dies führt zu langen Wartezeiten,die für Parkinson-Patienten nicht akzeptabel sind. Dennes sind in der Regel ältere Patienten und wegen ihrer zunehmenden Multimorbidität auf eine kontinuierlicheVersorgung und damit häufigere und kurzfristige Arzt -besuche angewiesen.

Die Bundesregierung verfolgt mit dem Arzneimittel -versorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz in Verbindung mitdem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz das Ziel, die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassenzu senken. In diesem Rahmen hat der Gesetzgeber denKrankenkassen eingeräumt, Rabattverträge mit den Arz-neimittelherstellern abzuschließen. Verbindlich für denverschreibenden Arzt und abgebenden Apotheker istdabei nicht das gewohnte Präparat, sondern die Verord-nung des Wirkstoffes. Bei Verordnung der rabattbegüns-tigten Generika können sich bei chronisch Kranken undmultimorbiden Patienten jedoch erhebliche Problemeeinstellen. Sie stehen meist unter einer Mehrfach -medikation. Daher sind belastende Unverträglichkeits -reaktionen auf zusätzliche oder neue Zusatzstoffe nichtausgeschlossen. Seit dem 1. Januar 2011 ist die Vertrags-laufzeit der Rabattverträge auf zwei Jahre begrenzt.

Dies kann für einen Parkinson-Patienten bedeuten,dass er alle zwei Jahre auf ein anderes Präparat umstellenmuss. Damit verschärfen sich potentielle Unverträg -lichkeits reaktionen weiter. Die mögliche Aut-Idem-Rege-

Patientenversorgung im Fokus

Rabattgünstige Generika können bei chronisch Kranken und multimorbiden

Patienten erhebliche Probleme verursacheng

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II. Handlungsfelder

lung greift erst, wenn der Patient die Unverträglichkeitnachgewiesen hat. Das Wunschpräparat kann der Patientnur gegen Vorleistung erhalten, die Krankenkasse erstat-tet aber nur den Betrag unter Abzug des entgangenenRabattverlustes und Abzug der Bearbeitungsgebühr.

Mit fortschreitender Erkrankung nehmen die gesund-heitlichen Einschränkungen durch Parkinson stetig zu.Alltagskompetenzen drohen verloren zu gehen und dasAusmaß auf Hilfe angewiesen zu sein, steigt deutlich. Sowird das Anziehen der Kleidung, das Zuknöpfen des Hemdes, das Verlassen der Wohnung oder der Einkaufvon Lebensmitteln zu einer täglichen Herausforderung.

Bedarf an Hilfsangeboten steigt Um diese Entwicklung als Erkrankter bewältigen zu kön-nen, nimmt der Bedarf an Beratung und Coaching zu. Wiebewältige ich den Alltag mit Morbus Parkinson ist dabeieine vielschichtige Frage, die sich neben der medizinischenBetreuung an die Kompetenzen u. a. von Therapeuten, Psy-chologen, psychologischen Physiotherapeuten, Pflege-kräften, Beratungskräften zur Wohnungsanpassung undNutzung technischer Hilfsmittel sowie an die Alltagserfah-rungen anderer Erkrankter richtet.

Diese Beratungsvielfalt und Beratungskontinuitätsollte gleichermaßen für Erkrankte und deren Angehö-rige zur Verfügung stehen. Das „Coaching“ zielt durchseine pragmatische und nachhaltige Wirkung auf den Erhalt der individuellen Kompetenzen des Erkrankten, aufeine verbesserte Lebensqualität und letztlich auf den Erhalt der Teilhabe des Parkinson-Erkrankten am sozial-gesellschaftlichen Leben.

Parkinson-Beratungsstellen aufbauenDer Aufbau eines derartigen Beratungsnetzwerkes fürParkinson-Patienten ist eine notwendige qualitative Ergänzung der medizinischen Behandlung von MorbusParkinson und durch die Aktivierung der Ressourcen des Erkrankten/Jungerkrankten gesundheitsökonomisch refinanzierbar. Als aufzubauende Parkinson-Beratungs-zentren bieten sich dabei neben Spezialkliniken im Besonderen die örtlichen Pflegeberatungsstellen an.

Ziele & Forderungen

n Krankenkassen und Leistungserbringer müssen die komplexen Versorgungsan -for derungen der Parkinson-Patienten ohne Zusatzkosten oder Vorleistungen gewähr -leisten. Dabei sind alle Versorgungsbereichewie Haus- und Fachärzte, Fachkliniken, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und andere einzubeziehen.

n Koordinierte Versorgung durch verbesserteZusammenarbeit der verschiedenen Ver -sorgungsbereiche (ambulant, stationär undPflege/Rehabilitation).

n Der durch Behinderung notwendige Mehr -bedarf bei der Anschaffung von Hilfs- undHeilmitteln für den Alltag muss von den Krankenkassen erstattet werden.

n Die Krankenkassen müssen von sich aus aktivüber die wesentlichen Inhalte der Verträgemit den Leistungserbringern informieren.

n Notwendige individuell angepasste Hilfs -mittel sind durch die Krankenkassen zeitnahund bedarfsgerecht zu bewilligen.

n Betreuungs- und Begleit-Coachings sowie Heilmittel und Medikamente müssen vonden Krankenkassen erstattet werden.

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II. Handlungsfelder

Die gesundheitliche Selbsthilfe hat sich in den letz-ten 20 Jahren zur „4. Säule“ im Gesundheitswesenentwickelt: als Säule der gegenseitigen Hilfe und

des Erfahrungswissens neben den ambulanten, stationä-ren und rehabilitativen professionellen Leis tungen. DieSelbsthilfe leistet damit einen ständig wachsenden Beitrag zur Gesunderhaltung, Problemverarbeitung und-bewältigung, insbesondere von Menschen mit chroni-scher Erkrankung. Wenn die Selbsthilfe weiterhin eine zu-nehmend gewichtigere Rolle in der gesundheitlichenVersorgung spielen soll, wird die weitere Professionalisie-rung der Selbsthilfe intensiver unterstützt werden müs-sen. In diesem Sinne fordert die dPV, dass dieSelbsthilfe-Förderung eine Gemeinschaftsaufgabe vonLändern, Kommunen, Krankenkassen und Sozialversiche-rungsträgern werden beziehungsweise bleiben muss.

Die zweifelsfreie politische und gesellschaftliche Wert-schätzung der Selbsthilfe entspricht allerdings nicht ihrempolitischen Einfluss. Eine zentrale Forderung der dPV andie Politik bleibt deshalb die Mitwirkung von Patientenund Patientenorganisationen an Entscheidungen im Gesundheitswesen auf verschiedenen Ebenen. Die Betei-ligung durch bis zu fünf Patientenvertreter im „Gemein -samen Bundesausschuss“ ist zwar geregelt, allerdingshaben sie kein Stimmrecht und können nur beratend tätigsein. Insofern kann von einer wirklichen Mitwirkung beiEntscheidungen zu Fragen der gesundheitlichen Versor-gung keine Rede sein. Hier bedarf es einer ernstge meintenInitiative zum Dialog zwischen der Selbsthilfe, der profes-sionellen Partner und des Gesetzgebers.

Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen LebenDie Bundesregierung hat mit dem neunten Sozialgesetz-buch (SGB IX) und dem Grundgesetz Art. 3 Satz 2 dasRecht auf Teilhabe behinderter Menschen am beruflichenund gesellschaftlichen Leben gesetzlich verankert. Aller-dings ist die Umsetzung der Regelungen des SGB IX nochnicht in allen Bereichen konsequent genug erfolgt.

Politik & institutionelle Leistungsträger

Es bedarf eines ernstgemeinten Dialogs zwischen der Selbsthilfe, den professionellen

Partnern und dem Gesetzgeberg

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II. Handlungsfelder

Der Erhalt der Mobilität, die Nutzung öffentlicher Ver-kehrsmittel oder Gebäude, die Teilnahme an kulturellenVeranstaltungen oder Reisen sind für Parkinson-Erkranktemit zahlreichen Hindernissen behaftet. Zu hohe Treppen-stufen, unüberwindbare Einstiege in öffentlichen Ver-kehrsmitteln, fehlende Haltegriffe in Bussen und Bahnen,fehlende oder defekte Aufzüge sind tägliche Hürden, dieein Parkinson-Patient zu überwinden hat.

Barrierefreie ArztpraxenAuch sind immer noch viele Arztpraxen nicht barrierefrei.Türen, Durchgänge und Räumlichkeiten sind vielfach nichtso angelegt, dass sich Parkinson-Patienten mit Hilfsmittelnwie Rollator oder Rollstuhl in den Praxen bequem bewe-gen können, zudem fehlen oft auch Lifte und Aufzüge.

Isolierung und geistig-seelischen Rückzug vermeidenNach der Definition der Weltgesundheitsorganisation(WHO) ist „Behinderung … der Zustand, der einen Men-schen von seinem sozialen Umfeld isoliert, von gesell-schaftlichen Aktivitäten trennt und an der Teilhabe an Bildung und medizinischer Versorgung hindert.“

Ziele & Forderungen

n Gesundheitspolitische Konzepte und Richt -linien, die der Kosteneffizienz und Qualitäts -sicherung im Gesundheitswesen dienen,müssen die komplexen Versorgungs -anforderungen chronisch erkrankter Parkinson-Patienten berücksichtigen.

n Selbsthilfe als „vierte Säule“ in der Gesund-heitsversorgung ist vom Gesetzgeber und den Krankenkassen weiter zu stärken. Die institutionelle Selbsthilfe-Förderung ist weiter auszubauen.

n Patientenorganisationen müssen als gleich-berechtigte Partner bei gesundheitspoliti-schen Entscheidungen beteiligt werden, z. B. gleiche Stimmrechte im „GemeinsamenBundesausschuss“.

n Bund, Länder und Gemeinden sowie Verkehrsbetriebe müssen die Barrierefreiheitvorantreiben.

n Kassenärztliche Vereinigungen und Ärzte -kammern müssen darauf hinwirken, dass Arztpraxen barrierefrei werden.

Die Gefahr der Isolierung und des geistig-seelischenRückzugs durch die Behinderung des Parkinson-Patien-ten kann durch eine umfassende Barrierefreiheit im beruflichen und gesellschaftlichen Leben sehr gut ver-mieden werden.

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II. Handlungsfelder

In den letzten 50 Jahren hat die medizinische For-schung über die neurodegenerativen Erkrankungengute Fortschritte gemacht. Sie hat dazu beigetragen,

dass Diagnostik und Therapie auch bei der Behandlungdes Parkinson-Syndroms deutlich verbessert werdenkonnten. Dennoch konnte das Ziel der medizinischen Forschung und der größte Wunsch des Patienten nachHeilung noch nicht erfüllt werden.

Forschung an der Parkinson-Erkrankung notwendigAngesichts der demographisch bedingt steigenden Zahlder Parkinson-Erkrankung, ist eine Intensivierung der medizinischen Forschung notwendig. Auch die wachs -ende Zahl jüngerer Patienten im Alter um 40 Jahre fordertdies ein. Hochwertige Forschung ist aber nur mit entspre-

Forschung & Medizin

Ziele & Forderungen

n Die Fachgesellschaften und Ärztekammernmüssen für eine bessere Fortbildung der Primär-Ärzte bezüglich der Parkinson-Erkrankung sorgen. Sie sollen die Möglichkeiterhalten, regelmäßig an Fortbildungen teil -zunehmen.

n Die Erstellung der S3-Behandlungsleitliniemuss vorangetrieben werden. Sie ist einwichtiger Schritt in der Qualitätsver besserungder Versorgung von Parkinson-Syndromen.

n Die Bundesregierung muss insbesondere dieVersorgungs- und Selbsthilfeforschung finanziell fördern. In diesen Bereichen bestehtkein unmittelbares Forschungs interesse derIndustrie.

n Wir fordern, die Patientenselbsthilfe bei derAuswahl und Förderung von Forschungs -projekten der Bundesregierung zu beteiligen.

chenden finanziellen Mitteln möglich. Diese fehlt immerdort, wo kein unmittelbares industrielles Interesse besteht. Hier muss der Gesetzgeber in Zusammenarbeitmit Universitäten, den Fachgesellschaften, Kranken -kassen und Selbsthilfegruppen neue Wege der For-schungsfinanzierung entwickeln.

Implementierung in den VersorgungsalltagDies trifft insbesondere auf die Versorgungsforschung zu.Eine evidenzbasierte medizinische und psychosoziale Ver-sorgung des Parkinson-Patienten hat für einen positivenKrankheitsverlauf und die Verbesserung der Lebensqualitäteine große Bedeutung. In diesem Zusammenhang spieltauch die Erarbeitung der S3-Behandlungsleitlinie MorbusParkinson eine wichtige Rolle. Sie ist ein wichtiger Schritt inder Qualitätsverbesserung der Versorgung des Parkinson-Syndroms. Von zentraler Bedeutung ist, dass durch die Ver-besserung der wissenschaftlichen Methodik, die Chance füreine rechtlich verbindliche Implementierung in den Versor-gungsalltag und die Akzeptanz der Leitlinie beim Arzt undbei den Krankenkassen gestärkt werden.

Weitere Professionalisierung der SelbsthilfeNotwendig ist auch die weitere Erforschung des Nutzensund der Wirkung der Selbsthilfe auf die Versorgung chro-nisch kranker Patienten. Ziel ist es, weitere Potentiale zuentdecken, um die Versorgung und Begleitung von Parkinson-Patienten durch eine weitere Professionalisie-rung der Selbsthilfe fortlaufend zu verbessern.

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III. Ziele & Forderungen

Initiative Parkinson – Ein Überblick

Patient & Angehörigen Erlernen eines offenen Umgangs mit Parkinson und

das Schaffen breiter gesellschaftlicher Akzeptanz.n Positive Beeinflussung persönlicher, berufs -

bedingter und sozialer Rahmenbedingungen.

Diagnostikn Aufbau patientenorientierter lokaler/regio naler

Kooperationsstrukturen und -verfahren zwischenHausärzten, Neurologen und Universitäts- und Fachkliniken, um eine möglichst frühzeitige und zutreffende Diagnose zu gewährleisten.

n Verbesserung der Information und Aufklärung der Primär-Ärzte über Früherkennungs verfahren bei Verdacht auf Parkinson durch die medizinischenFachgesellschaften, Bundesärztekammer und kassenärztlichen Vereinigungen.

Patientenversorgungn Krankenkassen und Leistungserbringer müssen die

komplexen Versorgungsan for derungen der Parkin-son-Patienten ohne Zusatzkosten oder Vorleistungengewähr leisten. Dabei sind alle Versorgungsbereichewie Haus- und Fachärzte, Fachkliniken, Physiothera-peuten, Ergotherapeuten und andere einzubeziehen.

n Koordinierte Versorgung durch verbesserte Zusammenarbeit der verschiedenen Ver -sorgungsbereiche (ambulant, stationär undPflege/Rehabilitation).

n Der durch Behinderung notwendige Mehr bedarf bei der Anschaffung von Hilfs- und Heilmitteln für denAlltag muss von den Krankenkassen erstattet werden.

n Die Krankenkassen müssen von sich aus aktiv überdie wesentlichen Inhalte der Verträge mit den Leistungserbringern informieren.

n Notwendige individuell angepasste Hilfs mittel sind durch die Krankenkassen zeitnah und bedarfs-gerecht zu bewilligen.

n Betreuungs- und Begleit-Coachings sowie Heilmittelund Medikamente müssen von den Krankenkassenerstattet werden.

Politik & institutionelle Leistungsträgern Gesundheitspolitische Konzepte und Richt linien, die

der Kosteneffizienz und Qualitäts sicherung im Gesundheitswesen dienen, müssen die komplexenVersorgungs anforderungen chronisch erkrankter Parkinson-Patienten berücksichtigen.

n Selbsthilfe als „vierte Säule“ in der Gesundheits -versorgung ist vom Gesetzgeber und den Kranken-kassen weiter zu stärken. Die institutionelleSelbsthilfe-Förderung ist weiter auszubauen.

n Patientenorganisationen müssen als gleich -berechtigte Partner bei gesundheitspolitischen Entscheidungen beteiligt werden, z. B. gleicheStimmrechte im „Gemeinsamen Bundesausschuss“.

n Bund, Länder und Gemeinden sowie Verkehrs -betriebe müssen die Barrierefreiheit vorantreiben.

n Kassenärztliche Vereinigungen und Ärzte kammernmüssen darauf hinwirken, dass Arztpraxen barriere-frei werden.

Forschung & Medizinn Die Fachgesellschaften und Ärztekammern müssen

für eine bessere Fortbildung der Primär-Ärzte bezüglich der Parkinson-Erkrankung sorgen. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, regelmäßig an Fortbildungen teilzunehmen.

n Die Erstellung der S3-Behandlungsleitlinie muss vorangetrieben werden. Sie ist ein wichtiger Schrittin der Qualitätsver besserung der Versorgung vonParkinson-Syndromen.

n Die Bundesregierung muss insbesondere die Ver sorgungs- und Selbsthilfeforschung finanziell fördern. In diesen Bereichen besteht kein unmittel-bares Forschungs interesse der Industrie.

n Wir fordern, die Patientenselbsthilfe bei der Auswahlund Förderung von Forschungs projekten der Bundesregierung zu beteiligen.

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