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Zur Person Matthias Kurth, Jahrgang 1952, schloss 1976 mit dem ersten juristischen Staatsexamen an der Universita ¨t Frankfurt a. M. ab. Nach dem zweiten Staatsexamen begann er 1980 als Richter am Landgericht Darmstadt und wirkte von 1980 bis 1994 als Rechtsanwalt in Drei- eich (bei Frankfurt). 1978 bis 1994 war er Mitglied der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag in Wiesbaden und wuchs u ¨ber Ar- beiten in verschiedenen Ausschu ¨ssen zum Parlamentarischen Gescha ¨ftsfu ¨hrer seiner Fraktion sowie stellvertretenden Landesvorsit- zenden seiner Partei (1991 bis 1994) und weiter in die Aufgabe des Staatssekreta ¨rs im hessischen Ministerium fu ¨r Wirtschaft, Ver- kehr und zuna ¨chst Technologie sowie Euro- paangelegenheiten, spa ¨ter Landesentwick- lung (1994 bis 1999) hinein. Ab 1994 war er fu ¨r drei bzw. vier Jahre als Vertreter des Landes Hessen im Regulierungs- rat fu ¨r das Post- und Fernmeldewesen ta ¨tig er wirkte hier an der Schaffung des Telekom- munikationsgesetzes mit sowie im Aus- schuss der Regionen der Europa ¨ischen Union, wo er sich insbesondere den Schwerpunkten transeuropa ¨ische Netze, Informations- und Kommunikationstechnologie und Luftverkehr widmete. 1999 wechselte er in die Privatwirt- schaft als Mitglied der Gescha ¨ftsleitung zu COLT Telekom, Franfurt a. M., und wurde 2000 zum Vizepra ¨sidenten der Regulierungs- beho ¨rde fu ¨r Telekommunikation und Post in Bonn berufen, der er seit 2001 als Pra ¨sident vorsteht. WI: Ziel der 1998 gestarteten Regulie- rungsbeho ¨rde fu ¨r Telekommunikation und Post (Reg TP) ist die Herstellung und Wah- rung der Chancengleichheit neuer Wett- bewerber im Vergleich zu den ehemaligen Monopolunternehmen Deutsche Telekom und Deutsche Post. Wie lange soll das Haus nach Ihren Vorstellungen arbeiten? Der Gesetzgeber hat uns das abstrakte Ziel vorgegeben, das mit der Frage zu um- schreiben ist: „Wann ist ein funktionsfa ¨hi- ger, sich selbst tragender Wettbewerb er- reicht?“ Dies wird in bestimmten Ma ¨rkten eher der Fall sein als in anderen. Bei der Post sind wir von diesem Ziel noch weit entfernt, weil bis 2007 eine Exklusivlizenz existiert, also fu ¨ r weitere fu ¨ nf Jahre der we- sentliche Teil der Postdienstleistungen sich in einem Monopol befindet. Bei der Tele- kommunikation hingegen haben wir in be- stimmten Sektoren bereits Erfolge erzielt. Doch auch hier gilt: Wir beobachten nach wie vor eine Dominanz der Deutschen Te- lekom AG, beispielsweise im Ortsnetz. Dies wird sich nur sehr schwer und nur mittelfristig vera ¨ndern. Also haben wir un- sere Aufgaben zurzeit noch nicht erfu ¨ llt. Den Zeitpunkt aber vorherzusagen, wann in diesen Ma ¨rkten Wettbewerb herrscht, ist sehr schwierig. Daru ¨ ber hinaus hat uns der Gesetzgeber auch weitere Daueraufgaben zugewiesen. WI: ... auf die wir bitte spa ¨ter noch zu sprechen kommen. Aber zuna ¨ chst noch ein- mal zu Ihrer Uraufgabe: Zielen Sie nicht im Zeitablauf eigentlich auf Deregulie- rung? Sicherlich. ,Regulierung‘ wird ha ¨ufig mit einem negativen Unterton verwendet, et- WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44 (2002) 6, S. 591 597 Interview mit dem Pra ¨sidenten der Regulierungsbeho ¨rde fu ¨r Telekommunikation und Post Matthias Kurth zu Aufgaben und Lo ¨sungsansa ¨tzen seines Hauses Matthias Kurth Interviewt von Wolfgang Ko ¨nig Prof. Dr. Wolfgang Ko ¨nig, Universita ¨t Frankfurt, Institut fu ¨r Wirtschaftsinformatik, Mertonstr. 17, 60054 Frankfurt am Main, E-Mail: [email protected] WI – Interview

Interview mit dem Präsidenten der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Matthias Kurth zu Aufgaben und Lösungsansätzen seines Hauses

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Zur Person

Matthias Kurth, Jahrgang 1952, schloss 1976mit dem ersten juristischen Staatsexamen ander Universitat Frankfurt a. M. ab. Nach demzweiten Staatsexamen begann er 1980 alsRichter am Landgericht Darmstadt und wirktevon 1980 bis 1994 als Rechtsanwalt in Drei-eich (bei Frankfurt). 1978 bis 1994 war erMitglied der SPD-Fraktion im HessischenLandtag in Wiesbaden und wuchs uber Ar-beiten in verschiedenen Ausschussen zumParlamentarischen Geschaftsfuhrer seinerFraktion sowie stellvertretenden Landesvorsit-zenden seiner Partei (1991 bis 1994) undweiter in die Aufgabe des Staatssekretars imhessischen Ministerium fur Wirtschaft, Ver-kehr und zunachst Technologie sowie Euro-paangelegenheiten, spater Landesentwick-lung (1994 bis 1999) hinein.

Ab 1994 war er fur drei bzw. vier Jahre alsVertreter des Landes Hessen im Regulierungs-rat fur das Post- und Fernmeldewesen tatig –er wirkte hier an der Schaffung des Telekom-munikationsgesetzes mit – sowie im Aus-schuss der Regionen der Europaischen Union,wo er sich insbesondere den Schwerpunktentranseuropaische Netze, Informations- undKommunikationstechnologie und Luftverkehrwidmete. 1999 wechselte er in die Privatwirt-schaft als Mitglied der Geschaftsleitung zuCOLT Telekom, Franfurt a. M., und wurde2000 zum Vizeprasidenten der Regulierungs-behorde fur Telekommunikation und Post inBonn berufen, der er seit 2001 als Prasidentvorsteht.

WI: Ziel der 1998 gestarteten Regulie-rungsbehorde fur Telekommunikation undPost (Reg TP) ist die Herstellung und Wah-rung der Chancengleichheit neuer Wett-bewerber im Vergleich zu den ehemaligenMonopolunternehmen Deutsche Telekomund Deutsche Post. Wie lange soll das Hausnach Ihren Vorstellungen arbeiten?

Der Gesetzgeber hat uns das abstrakte Zielvorgegeben, das mit der Frage zu um-schreiben ist: „Wann ist ein funktionsfahi-ger, sich selbst tragender Wettbewerb er-reicht?“ Dies wird in bestimmten Markteneher der Fall sein als in anderen. Bei derPost sind wir von diesem Ziel noch weitentfernt, weil bis 2007 eine Exklusivlizenzexistiert, also fur weitere funf Jahre der we-sentliche Teil der Postdienstleistungen sichin einem Monopol befindet. Bei der Tele-kommunikation hingegen haben wir in be-stimmten Sektoren bereits Erfolge erzielt.Doch auch hier gilt: Wir beobachten nachwie vor eine Dominanz der Deutschen Te-lekom AG, beispielsweise im Ortsnetz.Dies wird sich nur sehr schwer und nurmittelfristig verandern. Also haben wir un-sere Aufgaben zurzeit noch nicht erfullt.Den Zeitpunkt aber vorherzusagen, wannin diesen Markten Wettbewerb herrscht, istsehr schwierig. Daruber hinaus hat uns derGesetzgeber auch weitere Daueraufgabenzugewiesen.

WI: . . . auf die wir bitte spater noch zusprechen kommen. Aber zunachst noch ein-mal zu Ihrer Uraufgabe: Zielen Sie nichtim Zeitablauf eigentlich auf Deregulie-rung?

Sicherlich. ,Regulierung‘ wird haufig miteinem negativen Unterton verwendet, et-

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Interview mit dem Prasidentender Regulierungsbehordefur Telekommunikation und PostMatthias Kurthzu Aufgaben und Losungsansatzenseines Hauses

Matthias Kurth

Interviewt von

Wolfgang Konig

Prof. Dr. Wolfgang Konig,Universitat Frankfurt,Institut fur Wirtschaftsinformatik,Mertonstr. 17,60054 Frankfurt am Main,E-Mail: [email protected]

WI – Interview

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wa im Sinne einer Behinderung von Wirt-schaft und Kreativitat. Ich weise aberimmer darauf hin, dass dies fur andereWirtschaftsbereiche gelten mag. Aber hierbetrachten wir ja einen Sondersektor derWirtschaft, namlich Markte, die zu100 Prozent Monopolmarkte waren undin denen es uberhaupt keinen Wettbewerbgeben wurde, wenn man nicht deren Rah-menbedingungen durch eine „Regulie-rungs“-Behorde steuern wurde. Insoweitware der Begriff Deregulierung von fruhe-ren staatlichen Monopolen zutreffenderals Regulierung.

WI: Der grundsatzliche Regulierungs-ansatz, so steht es auf Ihren Webseiten, gehtuber eine bloße ex post Missbrauchsaufsichthinaus. Sie verfolgen also eine konkreteBeeinflussungsstrategie. Welche theoreti-schen Grundlagen verwenden Sie fur diesein die privatwirtschaftliche Verfassung ein-greifenden �nderungen? Woher kommtIhre Sicherheit, dass das, was Sie tun und inwelcher Art und Schrittfolge Sie es tun,richtig ist?

Im engen Sinn des Wortes ,sicher‘ kannman im Leben nie sein und auch wir habendie Wahrheit nicht gepachtet. Aber auchdie Teilnehmer auf den von uns betrachte-ten Markten sind nicht frei von Irrtumern.Insoweit experimentieren wir alle ein biss-chen.

Es ist notwendig, flexibel zu sein und dieEntscheidungen zu beobachten, welche dieReg TP in den Markt setzt. Aber in be-stimmten Bereichen in Deutschland sindwir durchaus erfolgreich mit unseren Stra-tegien, wie etwa der Netzzusammenschal-tung zu kostenorientierten Preisen. Wirhaben nie versucht, eine Wettbewerbsregu-lierung zu machen, die mit Subventionenarbeitet. Unsere Entscheidungen basierenimmer auf einem kostenbasierten Ansatz.Zu Beginn unserer Arbeit stand im Vorder-grund, die Monopolrenten durch Wett-bewerb nach unten zu bringen. Das giltbeispielsweise heute noch bei der Post. ImFall der Telekommunikation waren wir indieser Hinsicht schon recht erfolgreich.Hier sind seit 1998 Preisreduzierungen von95 Prozent bei bestimmten internationalenGesprachsrelationen zu beobachten. Tat-sachlich hat sich mit Blick auf die Telekom-munikation manche Erwartung quasischon gedreht, weil immer haufiger Wett-bewerber-Anfragen auf unseren Schreib-tisch gelangen, bei denen von uns verlangtwird „ihr musst gegen Preisdumping desMarktbeherrschers vorgehen“. Ich betone

aber, unser Prinzip ist, die Kostenorientie-rung beizubehalten, vernunftige Zusam-menschaltungskonditionen zu schaffen,Netzzugange zu eroffnen und Leistungender fruheren Monopolunternehmen zuentbundeln. Uns stehen also verschiedeneMoglichkeiten offen und wir uberprufenregelmaßig die Ergebnisse unserer Ent-scheidungen, publizieren Erkenntnisse undMaßnahmen und legen ausfuhrlich Re-chenschaft ab. Und dort, wo wir uns viel-leicht getauscht haben, sind wir auch in derLage, entsprechende Lehren und Kon-sequenzen zu ziehen.

WI: Ist es nicht fast unmoglich, bei einemgroßen Unternehmen wie z. B. der Deut-schen Telekom die Unmenge der verschie-denen Kostengroßen zu durchschauen undhierauf aufbauend eine Art Optimum furPreise zu ermitteln?

Das ist richtig. Das Thema Kostenrech-nung eines so großen Unternehmens ist furviele in der Tat ein Buch mit sieben Siegelnund manchmal hat man den Eindruck, dassdies auch in den Unternehmen selbst eineSpezialwissenschaft ist. Von außen letztlicheinen volligen Durchblick uber die Kosten-lage zu erhalten, ist eine sehr große He-rausforderung. Wir versuchen, uns dem ge-nannten Ziel in unseren Beschlussenanzunahern. Aber wir sind nicht allein ab-hangig von den eingereichten Kostenunter-lagen. Ich mochte zwei Moglichkeiten nen-nen, wenn uns beispielsweise Zweifel anden Kostenunterlagen bezuglich der Trag-fahigkeit fur unsere Entscheidung auf-kommen: Zum einen haben wir einigeEntscheidungen nach europaischen Bench-mark-Studien getroffen. Die dahinter ste-hende Idee lautet: Das, was die drei Bestenin Europa leisten, musste die DeutscheTelekom auch erbringen konnen. DieGerichte haben uns hier Recht gegeben,wir konnen Institute mit entsprechendenBenchmarking-Studien beauftragen, inwelchen z. B. aus 18 Staaten ein Mix gebil-det wird. Details eines solchen Vorhabenssind naturlich immer noch angreifbar. Aberdas Verfahren fuhrt schnell und sehr effi-zient zum Ziel. Gerade in der Telekom-munikation ist eine kurze Entscheidungs-zeit fur alle Beteiligten sehr wichtig. Daherhaben wir im Telekommunikationsgesetzauch die Regel, innerhalb von 10 Wochenzu entscheiden.

Zum anderen besitzen wir eine guteKostenmodellrechnung. So haben wir furdie entbundelte Teilnehmeranschlusslei-tung europaweit als Erste eine Kosten-

modellierung mit einem wissenschaftlichenInstitut in diesem Sektor durchgefuhrt. ImKostenmodell erfolgt eine Bottom-up-Kal-kulation mit Durchschnittswerten aus uber180 Parametern. Es wird errechnet, was ei-ne Leitung durchschnittlich in Deutsch-land kosten wurde, wollte man diese Lei-tung heute auf der grunen Wiese verfugbarmachen, also z. B. mit Beilauffaktoren,Grabungskosten und sonstigen technischnotwendigen Einrichtungen. Es handeltsich um ein hochkomplexes Rechenmodell,das ubrigens inzwischen zu einem Export-schlager der Behorde wurde. Bei Verwen-dung eines solchen Instruments interessie-ren uns nur die aktuellen, nicht diehistorischen Kosten der Deutschen Teleko-m AG. Das waren nur zwei Beispiele ausunserem Instrumentenkasten, der nochweitere Verfahren kennt.

WI: Wie stellen Sie sich eine ideale Kon-figuration der Telekommunikationsmarkteim Jahre 2006 vor?

Vielfach versucht man, uns festzulegen, ei-ne Aussage nur an den Marktanteilen zuorientieren. Naturlich, wenn ein Lieferant95 Prozent Marktanteile aufweist, dann istes sehr wahrscheinlich, dass er markt-beherrschend ist. Aber wir haben z. B. imMobilfunk eine Situation mit zwei großenAnbietern, die jeweils etwa 40 ProzentMarktanteile haben, sowie zwei weiterekleinere Unternehmen. Und dennochherrscht im Mobilfunk funktionierenderWettbewerb. Es ist also nicht immer zu-treffend, dass dort, wo einer uber 30 Pro-zent Marktanteil hat, er automatischmarktbeherrschend ist. Tatsachlich ist esnotwendig, eine Palette verschiedener Gro-ßen zu werten, auch vor dem Hintergrundinternationaler Leistungsverflechtungen.Es kommt darauf an, dass der Endverbrau-cher ausreichend Auswahlmoglichkeitenhat. Daruber hinaus mussen wir fur Struk-turen sorgen, die es auch kleineren Anbie-tern ermoglicht, zu uberleben und auch ge-wahrleisten, dass der Wettbewerbsprozessals solcher in Gang bleibt. Man darf alsonicht starr an Marktanteilen kleben, son-ders es hangt sehr davon ab, wie letztenEndes eine Monopolstellung schrittweiseaufgelost werden kann.

WI: Noch einmal die konkrete Frage: Wiewurde sich das Ideal fur Sie darstellen, z. B.im Mobilfunkgeschaft? Sollen die Markteso bleiben wie jetzt?

Wir waren bisher in Deutschland beimMobilfunk mit Regulierungseingriffensehr zuruckhaltend. Im Gegensatz zu den

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Eingriffen im Festnetzbereich haben wirbeim Mobilfunk keine Preisregulierungbetrieben, sondern den Markt beobachtetund dabei festgestellt, dass sich die Preiseauch ohne unser Zutun zum Vorteil derVerbraucher entwickelten. Wir erfreuenuns der gunstigsten Mobilfunkpreise inganz Europa, wie jetzt eine Studie ausEngland bestatigt. Ich will dabei nicht sa-gen, dass unsere Situation in allen Belan-gen ideal ist; die EU-Kommission hatjungst bei Roaminggebuhren und Termi-nisierungsentgelten vom Festnetz zumMobilfunk gewisse Fragezeichen deutlichangemeldet. Aber wir konnen immerhinsagen: Der deutsche Mobilfunkmarkt istwettbewerbsorientierter und wir greifennicht ein, wenn die Ergebnisse fur denEndkunden stimmen.

WI: Grundlage der Arbeit Ihres Hauses istdie so genannte sektorbezogene Regulie-rungsnotwendigkeit. Was sind die Spezifikadieses Sektors und warum kann das Kar-tellamt diese Arbeit eigentlich nicht leisten?

In Deutschland und in vielen andereneuropaischen Landern war der Gesetz-geber der Meinung, dass das allgemeineWettbewerbsrecht in der Tiefe, die erfor-derlich ist, um Monopolmarkte zu offnen,nicht die richtigen und in der Sache nichtausreichenden Instrumente aufweist. Meistkann auf Grundlage des Wettbewerbs- undKartellrechts nur ex post agiert und mit In-strumenten der Fusionskontrolle und derMissbrauchsaufsicht gearbeitet werden.Wir hingegen haben im sektorspezifischenBereich die Moglichkeit einer ex antePreiskontrolle. Es bestehen weitgehendeEingriffsbefugnisse im Bereich der Zu-sammenschaltung, der Netzentbundelungund anderer Dinge, die gestaltend und da-ruber hinaus nicht nur reaktiv wirken. DerGesetzgeber hat erkannt, dass im Fall derNetzwerkwirtschaft die Beschrankung aufden Versuch, Missbrauch aufzudecken, zueinem Hase-und-Igel-Spiel fuhrt, in demder Monopolist immer sagt „ich bin schonda“. Nach unseren Erfahrungen – und die-se �berlegungen haben ubrigens die Mo-nopolkommission unter der Leitung vonHerrn Professor Hellwig offenbar dazubewogen, sogar eine Ausweitung dieserArt der Regulierung zu fordern – ent-wickeln sich dort, wo sektorspezifisch mitdiesen weitergehenden Eingriffsbefugnis-sen reguliert wird, Monopolmarkte schnel-ler in Richtung Wettbewerb als dort, woman auf Verbande-Vereinbarungen, aufFreiwilligkeit und auf das allgemeine Wett-bewerbsrecht setzt. Die Sektoren Verkehr,

Bahn, Energie, Gas, Wasser haben in denletzten vier Jahren bei Weitem nicht einesolche Dynamik erlebt wie die Telekom-munikation.

WI: Was waren in den 4 1/2 Jahren IhresBestehens die großten Erfolge und woranbemessen Sie so etwas?

Wo wir am meisten Wettbewerb schaffenkonnten, sind wir sicherlich am erfolg-reichsten gewesen. Ich wurde aber auchsagen: Dort, wo wir noch nicht so erfolg-reich sind, heißt das noch lange nicht, dasswir auf dem falschen Weg sind. BeimOrtsnetz beispielsweise muss man einenlangen Atem haben. Auch Regulierer, diebereits zehn Jahre langer Wettbewerbs-regulierung betreiben, wie beispielsweisein den Vereinigten Staaten, haben nichtohne Weiteres bessere Ergebnisse bei denMarktanteilen im Ortnetz erzielt. Dabraucht man einfach als alternativer An-bieter eine Strategie, an die man nicht nurzwei Jahre glaubt, sondern die fur zehnoder fur funfzehn Jahre ausgelegt ist. Willheißen: In TK-Markten ist unbedingt einlanger Atem vonnoten.

WI: Ich mochte noch einmal nachfragen,was aus Ihrer Sicht die großten Erfolge sindund wie Sie diese bemessen?

Diese Behorde hat immer versucht undwird immer versuchen, Innovationen an-zustoßen. Wir haben im Jahre 2000 als eineder ersten Regulierungsbehorden UMTSversteigert. Ich will nicht sagen, dass derErtrag der großte Erfolg der Behorde ist,dies ist nicht unser Ziel gewesen – dasMindestgebot lag bei etwa 200 MillionenDM. Es ist unser Ziel, durch neue Tech-nologien Plattformen zu schaffen, dass dieWirtschaft den Endkunden bessere Ange-bote bringen kann. Wenn uns dies gelingt– und das ist uns beim Mobilfunk in derTat gegluckt dann weisen wir große Erfol-ge auf. Bei den breitbandigen Zugangstech-nologien konnen wir uns auch im interna-tionalen Vergleich sehen lassen, wenngleichwir in dieser Hinsicht im Festnetzbereichdurch einen wettbewerbsorientierten Rah-men noch weiter vorankommen mochten.Breitband und Mobilfunk sind gut voran-gekommen. Wir haben einen guten Startmit den neuen Technologien erreicht. �b-rigens teile ich nicht den Pessimismus, dassUMTS ein Flop ist oder wird, sondern ichglaube, in ein paar Jahren wird jeder sehen,dass wir auch international durchaus Wett-bewerbsvorteile haben, weil diese Tech-nologie bei uns fruher kommen wird alsanderswo.

WI: Ich mochte die Kostenseite dieser Er-folge einmal beleuchten. Ron Sommer sagteEnde 2000, dass das Belastungspotenzial,welches die gegenwartige Regulierungs-praxis auf die T-Aktie legt, 20 bis 25 Pro-zent ausmacht. Wie wollen Sie derartigeKosten reduzieren?

Ich habe die Philosophie, dass die Regu-lierung unmittelbare Auswirkungen aufden Kurs der T-Aktie hat, nie geteilt. Inden Zeiten, in denen die hartesten Regu-lierungseinschnitte beschlossen wordensind, wie etwa Entbundelung der Teilneh-meranschlussleitung, Eroffnung des Call-by-call bei Ferngesprachen und Verpflich-tung zur Netzzusammenschaltung, als wirdie ersten Entscheidungen gefallt haben,fur welche Interconnection-Kosten manVerbindungsentgelt abrechnet – das wa-ren die Grundentscheidungen, die letztenEndes hier als Belastung gesehen werden– , in dieser Zeit stieg der Kurs der Tele-komaktie unaufhaltsam nach oben aufuber 100 Euro und dann, als er wiederabfiel, sind die Rahmenbedingungen garnicht mehr so sehr verandert worden. Ichsage immer wieder: Selbst in Landern, indenen ganz andere Regulierungsregimebetrieben werden als bei uns, war die Ent-wicklung von Incumbent-Aktien, wie wirdas nennen, auch nicht viel anders als beider T-Aktie. Das heißt: Diese Verknup-fung von Aktienkurs und Regulierungs-entscheidungen erfolgt doch nur (bei derPost war das jetzt auch wieder der Fall),um gewisse offentliche Drohkulissen auf-zubauen, ist aber sachlich nicht gerecht-fertigt. Im Gegenteil, ich behaupte sogar,die Tatsache, dass es einen solchen rechtstarken wettbewerbsorientierten Kursgibt, hat dazu beigetragen, dass auch dieIncumbents effizienter geworden sind undsich schneller auf Veranderungen einstell-ten.

Die Deutsche Telekom hat viel gelernt,wie auch die Deutsche Post, und beidesind sehr effizient geworden, obwohl jabei der Post die Wettbewerbskulisse nochnicht so entwickelt ist wie bei der Deut-schen Telekom. Die Regulierung hat alsoauch bewirkt, dass in den jeweiligen tradi-tionellen Monopolunternehmen ein ganzneues Denken Einzug halt, weil sie sichauf Wettbewerb einstellen mussen. ZurTelekom kann man noch sagen: Ron Som-mer hat immer die 4-Saulen-Theorie ver-kundet: T-Systems, T-Online, T-Mobileund T-Com. Drei dieser vier Saulen regu-lieren wir ja gar nicht oder nur sehr mo-derat durch die Lizenzbedingungen. Die

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eigentlichen Regulierungseingriffe findennur im Bereich T-Com, also im klassi-schen Festnetzgeschaft, statt; also dort,wo die Deutsche Telekom eben Markt-beherrscher ist. Und dieser Bereich, selbstwenn Sie sich die aktuellen Zahlen an-schauen, ist trotz aller Regulierungsein-griffe der einzige Bereich, der nach wievor hochprofitabel ist. Die anderen dreiSaulen sind dies so nicht. Nun gehe ichnicht so weit, zu behaupten, T-Com istdeshalb profitabel, weil wir regulieren.Aber man kann jedenfalls sagen, dass die-sem Sektor die Regulierung nicht gescha-det hat und das dieser Sektor die cash cowder Telekom ist. In der Sache hat dieDeutsche Telekom AG nicht nur ihreKosten von den Wettbewerbern bekom-men, sondern auch noch einen Ge-winnzuschlag erhalten. Was vielleichtdurch Wettbewerb schneller abgeschmol-zen wurde, sind Monopolrenten, wie etwabei Ferngesprachen. Aber dieser Vorgangist ja volkswirtschaftlich durchaus gewollt.

WI: Brauchten wir nicht im sehr harten in-ternationalen Wettbewerb einen moglichststarken deutschen Telekomanbieter?

Die Unternehmen haben sich alle euro-paisch oder gar international aufgestellt.Voicestream ist hier ein Beispiel. Die Ka-pitalmarkte fangen jetzt plotzlich aber an,diese Engagements im globalen Bereichkritischer zu bewerten. Ich beobachte dasmit großtem Interesse. Denn schließlichwaren es ja die Kapitalmarkte, die Inves-toren, welche die Incumbents dazu ange-trieben haben, auf Einkaufstour zu gehen.Jetzt aber hort man: Dies war ein großerFehler, dadurch haben die Telekomgesell-schaften riesige Schulden angehauft undwir geben jetzt keine Kredite mehr, dasRating sinkt und plotzlich sind Hauserwie die Swisscom oder British Telecom,die sich auf ihr nationales Festnetz-geschaft konzentrieren, wieder „die Bes-seren“. Ich bin etwas verwundert, wie„Experten“, die Internationalisierungs-bewegungen immer als Stein der Weisenangesehen haben, sich jetzt plotzlich inihrer Argumentation um 180 Grad dre-hen. Aber wir als „die Regulierung“ ha-ben hier keine Karten im Spiel. Es warenunternehmerische Entscheidungen ver-schiedener Telekomgesellschaften. Wir ha-ben immer versucht, durch transparenteund berechenbare Regulierungsentschei-dungen den Standort Deutschland furauslandisches Kapital attraktiv zu ma-chen.

WI: Brauchten wir nicht eine europaischeRegulierungsbehorde?

Wir konnen die in dieser Frage stecken-den sachlichen Aufgaben nicht alle da-durch losen, dass wir „in Richtung Euro-pa eskalieren“. Eine Konzentration aufeuropaischer Ebene bringt auch große In-flexibilitaten mit sich. Wir fallen unsereEntscheidungen beispielsweise in zehnWochen. Bei der EU dauern manche Ver-fahren sehr viel langer, wie jetzt zum Bei-spiel die Auseinandersetzung uber dasRoaming-Verfahren, wo vor uber einemJahr eine europaweite Durchsuchungdurchgefuhrt wurde und man laut Zei-tungsberichten jetzt erwagt, zu einem Ab-schluss zu kommen.

Ein anderes Beispiel: Die Deutsche Post er-hielt kurzlich einen Bußgeldbescheid, wel-cher auf Vorfallen der Jahre 1994 bis 1998beruht. Sicher, dies mogen Extrem-Beispie-le sein. Aber im Telekommunikationsmarktist jede Woche, jeder Monat gerade fur al-ternative Anbieter sehr viel Geld. Mir per-sonlich sind die Fristen, die wir hier zuLande haben, schon manchmal zu lange,insbesondere, wenn noch eine gerichtlicheNachkontrolle folgt. Dies zeigt ganz ein-deutig – und das sehen auch die Wett-bewerbsunternehmen – dass unsere Effi-zienz, die Nahe zum Markt und dieschnellen Entscheidungen nicht aufgege-ben werden sollten.

Aber es gibt, und das mochte ich beto-nen, auch ein Harmonisierungserfordernisauf EU-Ebene. Die Kommission arbeitetgemeinsam mit den nationalen Regulie-rern an diesem Thema. Uns ist bisher nurin Ansatzen gelungen, da mehr Druck hi-neinzubringen. Aber das heißt nicht „allesnach Europa“, sondern Kooperation undSubsidiaritat lautet die Devise. Dort, woes auf nationaler Ebene besser undschneller geht, soll man dies unbedingtbeibehalten.

WI: Fur welche Zeitraume treffen SieRegulierungsentscheidungen? Und welcheRolle spielen Gerichte bei deren Durchset-zung?

Unsere Regulierungen sind meistens zeit-lich befristet. Bei Preisentscheidungen be-tragen die langsten Fristen zwei Jahre,aber manche Entscheidungen schauen wiruns bereits nach einem Jahr schon wiederan, wie etwa Einmalentgelte bei der Teil-nehmeranschlussleitung. Ziel ist es hier,sehr zeitnah Effizienzvorteile und andereVerbesserungen weiterzugeben, indem wir

neu entscheiden. Gerade bei Markten, indenen sehr viel Bewegung ist, konnenVorteile schneller entstehen und soschneller weitergegeben werden. Ihrezweite Frage: Was machen die Gerichte?Der Gesetzgeber hat unseren Entschei-dungen sofortige Vollziehbarkeit zuge-messen, es sollte also gerade nicht dieUmsetzung der Entscheidung durchRechtsmittel verhindert werden. Nun wis-sen ja alle Juristen, dass es selbst gegen-uber sofort vollziehbaren EntscheidungenRechtsmittel gibt, namlich die so genann-ten Eilverfahren vor dem Verwaltungs-gericht. Die Nutzung dieses Instrumentsist leider fast zum Regelfall geworden,und zwar in zwei Instanzen, die nachdeutscher Verwaltungsgerichtspraxis je-weils bis zu drei oder vier Monaten dau-ern, sodass auf diesem Weg die Umset-zung von Entscheidungen manchmal furein halbes Jahr oder langer blockiert wird.Das bedauere ich sehr. Daher habe ichjetzt fur die Telekommunikationsgesetz-Novelle vorgeschlagen, dass wir vielleichtauf eine dieser beiden Instanzen verzichtensollten, um hier Zeit zu gewinnen. In ei-nem dynamischen Markt kommen derarti-ge Zeitverzogerungen durch das Einlegenvon Rechtsmitteln immer dem jeweiligendominierenden Unternehmen zugute, nichtdem Wettbewerb, er verliert immer.

WI: Wann wird der Preis auf der letztenMeile substanziell sinken?

Wir haben bei der Entbundelung der Teil-nehmeranschlussleitung bei den Einmal-entgelten erhebliche Reduzierungen von30 Prozent und mehr gehabt und sehenauch bei der Monatsmiete gesunkenePreise – die Anmietungskosten fur dieTeilnehmeranschlussleitung bewegen sichim europaischen Vergleich jedenfalls imunteren Drittel. Entsprechend der Befris-tung der Regulierungsentscheidung erfolgtim nachsten Jahr eine weitere �berpru-fung. Wir haben bisher immer Preisent-wicklungen nach unten erzielt, mancheneben nur nicht schnell genug. Wir habenein Problem im Markt, dass viele alterna-tive Anbieter, das muss ich auch an dieserStelle einmal sagen durfen, zum Teil unterKosten verkauft haben, um schnellMarktanteile zu gewinnen. Mit dem zwei-felhaften Erfolg des Konkurses allerdings.Es ist eben nicht alles umsonst zu haben,deswegen die erwahnte Kostenorientie-rung unserer Entscheidungen. Dass imTelekommunikationsmarkt auch ein biss-chen Geld verdient werden kann, ist jaauch kein Sundenfall.

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WI: Ihr Haus spricht von komple-mentaren Beziehungen zwischen UMTSund WLAN. Welche Grunde sind fur Siemaßgebend?

Ich sagte vorhin schon: Wir wollen auchtechnologische Plattformen eroffnen.UMTS ist beispielsweise eine 15-jahrigeinternationale Standardisierungsarbeit vo-rausgegangen. Aus den positiven Erfah-rungen von GSM hat man gefolgert, dasses vorteilig ist, so vorzugehen. Der großeVorteil von UMTS ist die mobile Daten-ubertragung. Erinnern wir uns: AuchGSM war nicht von Anfang an perfekt.Aber wir haben auch gesehen, dass dieLeistungseigenschaften von GSM vonJahr zu Jahr besser wurden. Und daswird bei UMTS auch der Fall sein. Esgibt derzeit viele kritische Stimmen, weildas Produkt und die Endgerate nochnicht verfugbar sind. Aber Produkt undEndgerate werden kommen, auch wennsie am Anfang vielleicht nicht hundert-prozentig perfekt sind. UMTS ist eineEntscheidung fur 20 Jahre. Eigentlichmussten wir dann noch einmal zusam-menkommen und klaren, ob UMTS einReinfall war. Ich jedenfalls warne vor vor-schnellen Verurteilungen. Richtig ist abersicherlich, dass manche uberzogene Er-wartung, wie schnell alles bei UMTS geht,nicht eingetreten ist. Aber die Penetrati-onskurve eines neuen Dienstes fangt im-mer bescheiden an. Wir haben bei GSMgesehen, dass erst im achten Jahr derKnoten plotzlich geplatzt ist. Auch des-halb sage ich, um auf die Frage WLANzu kommen: WLAN ist eine Technologie,die in einem anderen Segment, namlichbei der stationaren Hotspot-Abdeckung,Vorteile hat, und zwar sowohl bezuglichGeschwindigkeit als auch �bertragungs-kapazitat. Aber der Nutzer ist in diesemFall nicht beweglich, etwa im Auto, undes wird nie eine vollflachige WLAN-Ab-deckung in Deutschland geben, weil dieWLAN-Reichweite einfach zu gering ist.Aber wir erwarten Systeme, die dort, woein WLAN-Anschluss verfugbar ist, die-sen benutzen und andernfalls UMTS ver-wenden. Es wird gemeinsame SIMCardsund andere gemeinsame Infrastrukturengeben. Die Anbieter werden sich sehrschnell darauf einstellen, dass der Endver-braucher die fur den jeweils besten Zweckvorhandene Technologie nutzen will. Alsoerganzen sich beide Technologien und ichmochte hinzufugen: Bestimmte WLAN-Anwendungen konnen sogar UMTS mitaufs Pferd helfen.

WI: Sie haben eben gerade neue Frequen-zen fur den WLAN-Betrieb freigegeben.Welche Entwicklungen erhoffen Sie sich?

Der 5 GHz-Bereich, der dafur vorgesehenist, ist sehr breit. Es sind uber 460 MHz,die hier zur Verfugung stehen, also mehrals in dem 2,4 GHz-Bereich, in dem mo-mentan WLAN betrieben wird. Derzweite große Vorteil ist eine hohereStorungsfreiheit als im 2,4 GHz-Bereich.Mit unserer Entscheidung geben wir einSignal fur den 5 GHz-Bereich, dass mansich bei der Endgerateentwicklung Ge-danken machen muss, wie man die Sto-rungsfreiheit durch technische Systemenoch verbessern kann. Daruber hinausmochte ich auch die Problematik der Si-cherheit und �berwachbarkeit ins Ge-dachtnis rufen. Wie wir alle wissen, sinddie aktuellen WLANs im Moment nichtsonderlich sicher. Vielleicht ist es in demneuen Frequenzband moglich, Konzeptezu entwickeln, die die Datensicherheitsteigern. Ich verspreche mir, dass sich ei-niges in den nachsten Jahren tun wird, dadieses Spektrum unglaublich breit ist undman viel damit machen kann.

WI: Die einschlagigen News Tickers, auchin Deutschland, veroffentlichten jungst dievon den Amerikanern formulierte nationa-le Politik, den Kontinent mit WLANs ab-zudecken. Wie stehen Sie dazu?

In Amerika gibt es durchaus eine Kulturin diesem Bereich und wenn man genauerhinschaut, auch gewisse Vorteile. AberAmerika kennt auch große Nachteile. Soetwa hat der ganze Mobilfunkmarkt keineeinheitliche Struktur. Da haben wir wie-derum große Vorteile. Beim Internet sinddie USA in bestimmten Bereichen weitervorn, bei der Breitbandentwicklung binich mir da nicht so sicher. Aber eines istwichtig: Wir haben in Deutschland dieseTrennung zwischen Staat, Wirtschaft undPrivatem und ich meine, bei den Anwen-dern, etwa bei den Hochschulen, hat derStaat die Funktion, fur Nachfrage zu sor-gen und insgesamt die Anwendung vo-ranzubringen. Bei der Technologie habeich meine Zweifel, ob der Staat diese sub-ventionieren sollte. Das machen die Ame-rikaner zum Teil anders. Sie fordern di-rekte Subventionen, also Geld desSteuerzahlers fur solche Entwicklungen.Wir haben beim Mobilfunk gesehen, unddas wird auch bei WLAN so sein, dasssich durchaus uber kommerzielle Struktu-ren Dienste fur alle anbieten lassen. Wirverfugen praktisch uber einen Universal-

dienst im Mobilfunk und ich bin sicher,wir werden bald auch einen Universal-dienst bei Breitbandzugangen erhalten,ohne Steuergelder in diese Technologienbringen zu mussen. Unsere Rolle ist, dieRahmenbedingungen richtig zu setzenund jedem zu sagen: Du kannst mitWLAN-Diensten auch Geld verdienen.WLAN ist allgemein gewidmet, es istkein Cent fur die Frequenz zu zahlen.Wir wollen die Kreativitat der Marktteil-nehmer mobilisieren und verfolgen nichtden Irrglauben, dass wir jetzt, nachdemder Staat vieles subventioniert, auch nochdie Telekommunikationsnetze mit Steuer-geldern finanzieren sollten. Fur wirt-schaftlich sinnvolle Anwendungen wird esimmer privatwirtschaftliches Engagementgeben. Wir sollten nicht immer gleichnach Subventionen rufen.

WI: Bei den deutschen News Tickersschwingt zwischen den Zeilen etwas Be-wunderung fur das amerikanische Konzeptmit. Sind die Amerikaner im Marketing ih-rer Kompetenz besser? Kann Ihr Haus hie-raus eventuell lernen?

Die Reg TP kann in Deutschland, aberauch im Ausland auf eine gute Reputationaufbauen. Vielleicht ein paar Beispiele:Wir haben bei UMTS das Infrastruktur-Sharing als erste in Europa eingefuhrt, da-nach wurde es von der EU-Kommissionund anderen Landern ubernommen. Wirsind auch bei WLAN in der Spitzengrup-pe, ebenso bei der elektronischen Sig-natur, wo wir mit einem sehr guten tech-nologischen Modell durchaus anderenSicherheitsphilosophien weit voraus sind.Leider haben noch nicht alle Marktteil-nehmer hier zu Lande diesen Vorteil ein-gesehen, insbesondere Finanzdienstleisterhaben lange Zeit an anderen Losungengebastelt. Wir glauben, dass wir da Vor-reiter sind. Der Rolls Royce desSicherheitsstandards wird vielleicht nochnicht von allen als zwingend notwendigangesehen, aber diese Erkenntnis wirdnoch kommen. Wie schon gesagt: Die pri-vate Wirtschaft soll Forschung und Ent-wicklung betreiben und die Technologienselbst herstellen. Wir sehen uns so einbisschen als Katalysator fur bestimmteEntwicklungen, indem wir beispielsweiseFrequenzen zur Verfugung stellen undwettbewerbspolitisch verlassliche Rah-menbedingungen setzen. Da konnen wireiniges tun, das beflugelt die Technologie-entwicklung und beflugelt auch kommer-zielle Modelle.

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Interview mit Matthias Kurth 595

Page 6: Interview mit dem Präsidenten der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Matthias Kurth zu Aufgaben und Lösungsansätzen seines Hauses

WI: Zu Ihren internen Ablaufen: WelcheRolle spielt eigentlich das Institut derMarktanhorung bei Ihren Entscheidungen?Sicherlich macht es Sinn, verschiedene Mei-nungen und Kompetenzen in Betracht zuziehen, bevor man entscheidet, aber mitwelcher Deliberationsstrategie gehen Sie ineine Anhorung?

Als ich zur Reg TP kam, wurden geradedie Lizenzbedingungen fur UMTS fixiert,also quasi so etwas wie eine UMTS-Bibel,geschrieben. Diese ist durch eine langeMarktanalyse sowie eine ausfuhrlicheKonsultationsphase zustande gekommen.Aus heutiger Sicht konnen wir sehrglucklich sein, dass wir so vorgegangensind, weil naturlich die jetzige Sicht desMarkts eine ganz andere ist als die vorzweieinhalb Jahren. Wenn ich heute ge-fragt werde, ob z. B. nicht doch mit denFrequenzen gehandelt werden kann –„wir wurden die jetzt gerne verkaufen,weil wir uns getauscht haben oder an an-derer Stelle investieren mochten“ da kannich nur sagen: „Schauen wir einmal in dieBedingungen, da haben wir auf Seite 83zwei Seiten daruber geschrieben und inder damaligen Marktanhorung haben Sieeindeutig zugestimmt.“ Durch dieses In-strumentarium kann man erstens bewei-sen, dass wir viele Fragen, die jetzt plotz-lich als neu dargestellt werden, bereitsdamals ausgiebig diskutiert haben undnicht selten ist es sogar der Fall, dass derBeschwerdefuhrer in der Anhorung einegegenuber heute gegenteilige Meinung au-ßerte. Ich bringe also durch diese Institu-tion Transparenz, Stabilitat und eineRechtssicherheit in die Verfahren. ZurFrage der Deliberationsstrategie: Natur-lich mochten wir den Fachverstand allerBeteiligten nutzen und haben auch Vor-haben nach dem Konsultationsverfahrenverandert, wenn gute Argumente auf denTisch kamen. Wir sind, glaube ich, in die-ser Hinsicht kein klassischer Behorden-apparat. Vielmehr pflegen wir eine engeoffene Kooperation, auch mit den Her-stellern und mit allen Netzbetreibern.Wenn jeder sich einbringen kann, dannmacht die Behorde nicht etwas vollig Fal-sches. Umgekehrt mussen wir jede unse-rer beabsichtigten Entscheidungen sozusa-gen erst durch dieses offentliche Fegefeuerder Marktkommentare bringen, also unse-re Vorstellungen gegen einen hervorragen-den Sparringspartner verteidigen. Ich haltedas System fur sehr gut. Man entscheidetin einer etwas sichereren Lage, als wennman sagt, wir entscheiden jetzt und dann

haben die Betroffenen nach der Maßgabe„Vogel friss oder stirb“ die Entscheidungeinfach anzunehmen.

WI: Sie haben zur Vergabe der UMTS-Lizenzen und weiterer Frequenzspektrenauf simultane, mehrstufige elektronischeAuktionen gesetzt. Warum haben Sie ge-nau dieses Verfahren gewahlt, welche Er-fahrungen haben Sie damit gemacht undwird dies auch das Verfahren der Zukunftsein?

Ich mochte gleich zu Beginn sagen, dassdas Ergebnis einer Versteigerung wenigermit der Ausgestaltung des Auktionsverfah-rens zusammenhangt als beispielsweise mitdem Zeitpunkt der Auktion und mit demVerhalten der Bieter. Bei der Spezifikationder Prozesse haben wir uns z. B. durch dasWissenschaftliche Institut fur Kommuni-kationsdienste (WIK) in Bad Honnef bera-ten lassen. Und wir haben uns naturlichauch international informiert. Das Verfah-ren ist ubrigens in der Marktanhorung vonkeinem der Beteiligten kritisiert worden –bisweilen wollen dies Unternehmen, diejetzt manchmal Kritik uben, nicht wahr-haben. Ich finde schon, dass dies ein her-vorragendes Vorgehen ist, weil es eineabsolute Diskriminierungsfreiheit gewahr-leistet. Die einzige Alternative ist der sogenannte Beauty Contest und jetzt uberle-gen sie einmal, ob in Marktbedingungen,wie wir sie jetzt haben, wo Verschuldungdas Hauptproblem ist, ein Beauty ContestSinn macht, wenn man z. B. den besserenfinanziellen Hintergrund bewerten muss.Nein, sie kommen als Entscheider in die-sem Fall in einen heillosen Begrundungs-wirrwarr. Deshalb haben wir gesagt: DieAuktion schafft Diskriminierungsfreiheit,absolute Transparenz und der Staat bleibtzu 100 Prozent neutral. Bei allen anderenVergabeverfahren gibt es immer Geruchteim Hintergrund, dass doch jemand Ein-fluss genommen hat. Zusatzlich besagt dieokonomische Theorie, dass Auktionen dieokonomische Rationalitat fordern, also beieinem Preis auszusteigen, der dem Bieterkeine vernunftige Ertragslage mehr ermog-licht. Debitel hat dies ja vorexerziert. Dassandere nicht ausgestiegen sind, hangt nichtmit unserem Verfahren zusammen. Wirwurden heute sicher ganz andere Ergeb-nisse erzielen, deswegen werden wir nichtohne Not dieses richtige Verfahren uberBord werfen. Ich betone: Es ist nicht ent-wickelt worden, um Ertrage zu maximie-ren, sondern um die richtigen Unterneh-men in den Besitz der Lizenzen zubringen.

WI: Offensichtlich bedingt die Antwortauf schwierige Fragen einen kompliziertenApparat. Und Sie haben Daueraufgaben.Wie organisiert man ein solches Haus wiedas Ihrige? Wie groß ist es, wie bereitenSie ihr Haus auf anstehende �nderungenvor?

Wir sind etwa 2.300 Leute, bei denen al-lerdings die meisten nicht in diesem zur-zeit okonomisch interessanten Bereichender Wettbewerbsaufsicht und Marktregu-lierung arbeiten, sondern in klassischenBereichen wie elektromagnetische Ver-traglichkeit, dem Auffinden von Funksto-rungen. Wir haben die elektronische Sig-natur, ebenso den wichtigen Bereich desVerbraucherschutzes, die Rufnummern-verwaltung, also insgesamt ein sehr brei-tes Aufgabenspektrum. Deshalb ist eswichtig, dass die Querschnittsfunktionender Behorde insbesondere durch das Pra-sidium und durch meine Person immerwieder herausgestellt werden. Wir fuhreninzwischen eine Jahresplanung durch, pu-blizieren Jahres- und Tatigkeitsberichte,betreiben aktives Controlling und ver-suchen, die unabhangigen Beschlusskam-mern in diese Arbeit zu integrieren. DieBeschlusskammern sind ja vom Recht herpraktisch so eine Art gerichts- oder jus-tizformige Komponente, welche auf An-rufung hin tatig werden. Wir versuchen,unseren Beschlusskammern das gesamteWissen des Hauses zur Verfugung zu stel-len. Daruber hinaus streben wir nach wei-tergehender Flexibilitat, weil viele Sachengar nicht vorweg planbar sind. Auf Ebenedes Prasidiums pflegen wir einenintensiven Dialog mit allen Marktteil-nehmern und Verbanden. Wir bietenGrundsatzveranstaltungen, Anhorungenund Workshops an, also einen ganzen Ka-talog von Prozessen, um unsere Ziele op-timal zu erreichen.

WI: Wie motivieren Sie Ihre Beamten zugleichermaßen fundierten wie auch schnel-len Entscheidungen?

Eins habe ich in dieser Behorde schnell re-gistriert, die Mitarbeiter meines Hausessind sehr motiviert. Wir haben in den letz-ten Jahren zum Gluck sehr viele jungeLeute in die Behorde holen konnen undwir haben gute und erfahrene Krafte ausdem ehemaligen Postministerium an Bord.Die Arbeit der Reg TP umfasst ein neuesRechtsgebiet und eine neue Materie. Sie istdaher gerade fur junge Absolventen vongroßem Interesse. Die neuen Leute habensich mit den erfahrenen Kraften ganz gut

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zusammengerauft, sodass wir eine hervor-ragende Mischung bei unserem Personalaufweisen. Die interdisziplinare Arbeit istfur uns charakteristisch. Wir haben vieleTechniker, �konomen und Juristen, die ge-meinsam Entscheidungen vorbereiten. Ichfordere als Prasident ganz bewusst dieseinterdisziplinare Zusammenarbeit. Wennwir neue Leute einstellen, achten wir im-mer darauf, dass sie besonders auch diesenAnforderungen genugen konnen, sonst istman bei uns fehl am Platz. Wer nur seinkleines Fachgebiet betreuen will, kommtmit der Komplexitat der Entscheidungnicht zurecht.

WI: Vor welchen bedeutsamen Herausfor-derungen sehen Sie sich und Ihr Haus inden nachsten Jahren?

Vor dem Hintergrund der stark verander-ten Bedingungen an den Kapital- und Fi-nanzmarkten, die wir nicht beeinflussenkonnten, sehe ich die bedeutsamste Auf-gabe darin, zu verhindern, dass es nun so-zusagen zu einem Roll back kommt unddie Erfolge des Wettbewerbs, die wir ja er-freulicherweise gerade in Deutschland er-zielten, nun gefahrdet werden, indem etwaam Ende der Konsolidierung wieder Ten-denzen stehen, dass die fruheren Monopol-unternehmen Marktanteile zuruck gewin-nen. Das ware sicherlich sehr bitter. Wirmussen alles tun, um dies zu verhindern.

Meine Aufgabe ist es, die Wettbewerbs-forderung auch in der Stunde der Konso-lidierung des Wettbewerbsumfeldes zustabilisieren, und zwar nicht durch Sub-ventionen, sondern durch einen stabilenverlasslichen Rahmen. Gerade deshalb darfin dieser kritischen Marktphase die Regu-lierung nicht zuruckgefahren werden, son-dern sie muss eine neue Qualitat erhaltenund versuchen, auf die neue Herausforde-rung der Internetentwicklung und derDatenkommunikation ahnliche Antwortenzu finden wie bei der Sprachtelefonie Endeder 90er Jahre.

WI: Herr Prasident Kurth, herzlichenDank fur das Gesprach.

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