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2006/4 ISSN 1613-3889 Jesuiten Jesus

Jesuiten 06-4 korr2 fein:36 Seiten

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2006/4ISSN 1613-3889

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Jesus

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Jesuiten1 Editorial

Schwerpunkt2 Was wissen wir vom historischen Jesus?4 Woran hat Jesus geglaubt?6 Was glauben wir über Jesus?8 Sorglosigkeit Jesu

10 Heimatlosigkeit Jesu11 Gewaltlosigkeit Jesu12 Besitzlosigkeit Jesu14 Jesus und die „Andersgläubigen“16 Jesus in den Armen und Unterdrückten

begegnen18 Er hörte ihnen zu und stellte Fragen20 Christus in der Eucharistie begegnen

Geistlicher Impuls22 Mit dem Namen „Jesus Christus“ beten

Nachrichten24 Neues aus dem Jesuitenorden

Nachrufe 200628 Unsere Verstorbenen

Vorgestellt30 Priesterseminar Sankt Georgen

Medien32 CD Barocke Jesuitenmusik

Personalien32 Jubilare

33 Autoren dieser Ausgabe

34 Freunde der Gesellschaft Jesu e.V.Spenden

37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

JesuitenImpressum

JESUITENInformationen der Deutschen Provinzder Jesuitenan unsere Freunde und Förderer

57. Jahrgang 2006/4ISSN 1613-3889

Herausgeberund Copyright:© Deutsche Provinzder Jesuiten K.d.ö.R.Eugen Hillengass SJim Namen des Provinzials

Redaktionsleitung:Richard Müller SJ

Redaktion:Dr. Thomas Busch (Chef vom Dienst)Bernd Hagenkord SJTobias Specker SJJohann Spermann SJMartin Stark SJJohannes Maria Steinke SJAnsgar Wucherpfennig SJ

Anschrift:Redaktion JESUITENSeestraße 1480802 MünchenFon 089 38185-213Fax 089 [email protected]

Layout:Margot KrottenthalerLeporello Company,Dachau

Satz:Nikolaus Hodina, München

Reproduktionen:ZG Repro, München

Druck:EOS Verlag + Druck,St. OttilienPrinted in Germany

Erscheinungsweise:Viermal im Jahr Abonnement kostenlos

Nachdruck nach Rück-sprache mit der Redaktion

2006/4JesusTitelfoto: Stammbaumvon Jesus, ausgehendvon Abraham. BarockeHolzverkleidung in derKirche San Francesco in Porto (Portugal)© KNA-Bild

Standorte der Jesuitenin Deutschland

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Dezember 2006/4 Jesuiten 1

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

in diesem Jahr haben wir Jesuiten des 450. To-destages des heiligen Ignatius und des 500.Ge-burtstages des heiligen Franz Xaver und desseligen Peter Faber gedacht. So ist es nahe lie-gend, wenn wir uns zum Abschluss des Ju-biläumsjahres noch einmal bewusst auf denKern unserer „Societas Iesu“ ausrichten: „un-ser Vorbild und unsere Regel – Christus,unserHerr“(Ignatius). Letztlich sind wir Jesuiten,weil wir uns – obwohl Sünder wie alle an-deren! – berufen wissen, das Leben Jesu zu le-ben. Nicht mehr und nicht weniger! Wennwir uns aber fragen, was dies bedeutet, stoßenwir immer wieder auf ’s Neue auf die Frage,wer dieser Jesus damals war und für uns heuteist.

Die für dieses Schwerpunktthema verantwort-lichen Redakteure Johann Spermann undAnsgar Wucherpfennig haben in der Zusam-menstellung der Beiträge einen Weg einge-schlagen, der ganz bewusst den vorösterlichenJesus in den Blick nimmt.Sie fragen nach dem,was wir über den Menschen Jesus wissen, undsie schärfen den Blick für das,was dieses Lebenso exemplarisch für uns gemacht hat:Nach derHaltung der Sorglosigkeit, der Heimatlosig-keit, der Gewaltlosigkeit und der Besitzlosig-keit Jesu. Sie thematisieren aber nicht nur denhistorischen Jesus. Über die Vergegenwärti-gung von Jesus in der Eucharistie spannt sichder thematische Bogen zu Fragen, wie wirJesuiten uns heute in dem, was wir tun – imEinsatz für die Armen, in der Erziehung undim interreligiösen Dialog –, auf Jesus bezie-hen.

Natürlich ist Jesus von Nazareth für uns weitmehr als ein Vorbild. Wir sind davon über-zeugt, dass er mit uns auf dem Weg ist, uns imMitmenschen begegnet. Und wir wissen:Wir

werden nur dann glaubwürdig von ihm Zeug-nis geben,wenn er in unserem Herzen und un-serem Leben lebendige Wirklichkeit ist.

Der Heilige Vater hat vor einigen Monaten ineinem handgeschriebenen (!) Brief an PaterGeneral die Bedeutung der Herz-Jesu-Spiri-tualität unterstrichen. Diese ist vom Beginnihrer größeren Verbreitung vor 150 Jahren undauf ausdrückliche Bitte des Papstes vor 50 Jah-ren hin uns Jesuiten ein echtes „Herzensanlie-gen“.Das Herz Jesu offenbart die LeidenschaftGottes für uns Menschen.Die einfachste Wei-se, sich von dieser Leidenschaft anstecken zulassen – die wichtigste Voraussetzung für das,was wir „Nachfolge Jesu“ nennen –, bestehtim intimen,oft wortlosen Dialog unseres Her-zens mit dem Herzen Jesu. Das prägt, mehr alsjahrelanges Studieren!

In einer rationalistischen und auf die Technikfixierten Welt gilt mehr denn je, worauf dieignatianischen Exerzitien bauen: das Affektiveist das Effektive! Dass wir in der Herz-Jesu-Verehrung über alle ästhetischen Verzerrungenhinaus auf eine Tradition zurückgreifen dür-fen, die uns einen ganz persönlichen Zugangzu Jesus öffnet, ist eine kostbare Entdeckung,zu der ich Sie, sollten Sie sie noch nicht ge-macht haben, herzlich einladen möchte.

Ich wünsche Ihnen frohe und gesegnete Weih-nachtstage!

Stefan Dartmann SJProvinzial

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2 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Was wissen wirvom historischenJesus?Der römische Historiker Tacitus sagt, der Na-me „Christen“ stamme „von Christus,der un-ter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatushingerichtet worden“ sei (Ann.15,44).Der jü-dische Historiker Flavius Josephus bezeichnetJesus als „weisen Mann“ und „Wundertäter“(Ant. 18,63).

Näheres über ihn erfahren wir aus den vierrecht unterschiedlichen biographischen Er-zählungen, die uns die Kirche überliefert. Dasist eine ausgezeichnete Quellenlage, wie sienur für wenige Persönlichkeiten der Antikegegeben ist.Für Sokrates sind wir viel schlech-ter gestellt. Und diese biographischen Erzäh-lungen beruhen auf mündlichen Überliefe-rungen von Zeitzeugen. Berücksichtigt manihren literarischen Charakter,lassen sich darauseine Reihe von unzweifelhaften Fakten ent-nehmen.

Über Folgendes besteht in der wissenschaftlichernst zu nehmenden Forschung Einigkeit:

• dass Jesus in Nazaret aufgewachsen ist undsich als Erwachsener der Taufe des Täufersunterzogen hat;

• dass er predigend die Dörfer Galiläas durch-zog und Städte mied;

• dass er Heilungswunder gewirkt hat;

• dass er aramäisch,hebräisch und wahrschein-lich etwas griechisch sprach;

• dass er in seiner Verkündigung mit VorliebeBilder und Gleichnisse benutzte;

• dass er als Prophet galt und die Gegenwär-tigkeit und die Künftigkeit des Reiches Got-tes verkündet hat;

• dass das Gericht ein wesentlicher Bestandteilseiner Predigt war;

• dass er mit einem außerordentlichen An-spruch und Hoheitsbewusstsein auftrat;

• dass dieZielgruppe seinerBotschaft Israelwar;

• dass er dieses Israel zur Umkehr rief und neuschaffen wollte;

• dass er dies durch die Institution der Zwölfzeichenhaft deutlich machte;

• dass sich seine Botschaft nicht auf ein sozial-politisches Programm oder einen irgendwiegearteten Humanismus reduzieren lässt unddoch irgendwie beides integriert;

• dass er den Reichen wenig Hoffnung mach-te und der Armut den Vorzug gab;

• dass er nie da gewesene ethische Forde-rungen erhob wie die Feindesliebe und dasScheidungsverbot;

• dass er diese als Teil der Ethik der realisiertenHerrschaft Gottes betrachtete;

• dass er seinen gewaltsamen Tod voraussahund ihm beim Letzten Mahl mit den Zwöl-fen einen symbolischen Sinn gab;

• dass sein Prozess durch ein Zusammenwir-ken der jüdischen und der römischen Instan-zen entschieden wurde;

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• dass in diesem Prozess ein TempelwortJesu und seine Tempelaktion eine ent-scheidende Rolle gespielt haben;

• dass er schließlich als „König der Juden“,d.h. als Messiasprätendent verurteilt wur-de und den Verbrechertod am Kreuz starb;

• dass drei Tage später merkwürdige Ereig-nisse einsetzten, die zu der Behauptungder Jünger führten, er sei „von den Totenauferstanden“.

Kein Bild Jesu, das diesen Fakten nicht ge-recht wird, kann historisch zutreffend sein.Jeder einzelne Punkt lässt sich mit Hilfe dereinschlägigen Aussagen in den Evangelienausführen und vertiefen. Natürlich werdensich die Fachleute über Details streiten biszum Jüngsten Tag.Aber auf Details kommtes nicht an. Und unser Interesse an Jesussollte mehr sein als historische Neugierde.

Origenes hat den Text der Evangelien als dieKleider Jesu bezeichnet und war der Mei-nung,wer diesen Text auf rechte Weise lese,für den beginne er zu leuchten wie die Klei-der Jesu auf dem Berg der Verklärung. Aufdiese Weise können wir auch heute nocherfahren, wer der historische Jesus wirklichist, so gut wie die Jünger damals auf demBerg. Erst dann wissen wir genug über denhistorischen Jesus.■

Marius Reiser

Darstellung des Lebens Jesu an der Fassade des Domes von Orvieto (Italien). Von unten nach oben: Verkündigung,Begegnung von Maria und Maria Magdalena, Geburt,Anbetung der Heiligen Drei Könige, Darbringung im Tempel, Flucht nach Ägypten, Kindermord von Bethlehem,Jesus lehrt als Kind im Tempel, Taufe Jesu, Heilung einesAussätzigen, Einzug nach Jerusalem, Judaskuss, Geißelung,Kreuzigung, Auferstehung, Himmelfahrt.

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4 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Woran hat Jesusgeglaubt ?Paulus schreibt an die Galater, dass die Chris-ten „durch den Glauben Jesu Christi“ gerechtwerden (Gal 2,16). Sicher haben Sie dies im-mer so verstanden,dass es den Glauben meint,den wir Christen an Jesus Christus haben. Soübersetzt auch die Einheitsübersetzung. Mankann diesen Satz aber im griechischen Origi-naltext auch anders lesen: „den Glauben, denJesus Christus selber hatte“. 1983 hat RichardHays,ein amerikanischer Neutestamentler,da-für plädiert, den Satz in dem zweiten Sinn zuverstehen. Jesus hat tatsächlich einen bewun-dernswerten Glauben gezeigt.In einem gewis-sen Sinn wäre unser Glauben nicht möglich,wenn Jesus nicht ein Zeugnis für seinen an denVater abgelegt hätte.

Man könnte einwenden: „Aber Jesus ist dochder Sohn Gottes! Wie kann man von seinemGlauben sprechen wie von unserem?“ Sicher,aber Jesus ist auch in vollkommener WeiseMensch. Er ist ein frommer galiläischer Judezu Beginn des ersten Jahrhunderts. Sein Glau-be war tief durch die Schriften Israels geprägt,durch die Liturgie in der Synagoge wie durchseine eigene Erfahrung des Gebets. Jesus kann-te und zitierte die Schriften. Und gleichzeitigwird häufiger im Evangelium gesagt: „Jesusstieg auf einen Berg um allein zu beten.“ (Mk14,23)

1999 wählte der neue Jesuitenkardinal AlbertVanhoye den „Glauben Jesu“ als Thema für sei-ne Abschiedsvorlesung im Biblicum in Rom.Pater Vanhoye ist auf Grund seiner Arbeitenzum Hebräerbrief ein weltweit anerkannterBibelwissenschafter.Dieser Brief betont in be-

sonderer Weise die Menschheit Christi: in sei-nem Leiden,aber auch in seinem Glauben undin seinem Gebet.Christus war einer, der „ver-traut war mit Krankheit“ ( Jes 53,3), aber auchmit Gebet und Glauben. Im Anfangsteil desBriefes sagt der Autor von Jesus in griechischerSprache:er war „pistos“,d.h.„treu“ oder „glau-bend“ (Hebr 2,17).

Jesus hat an seinen Vater geglaubt. Gleichsambeiläufig sagen uns die Evangelien viel überseinen Glauben. Jesu Gleichnisse und seineBilder bezeugen seinen Glauben:

• an die beständige Aufmerksamkeit Gottesgegenüber seinen Geschöpfen (Mt 10,30):„Bei euch aber sind sogar die Haare auf demKopf alle gezählt.“;

• an Gottes tiefe Güte (Lk 11,13): „Wenn nunschon ihr, die ihr böse seid, euren Kinderngebt,was gut ist,wie viel mehr wird der Vaterim Himmel den Heiligen Geist denen ge-ben,die ihn bitten.“;

• an Gottes Liebe, die sogar die Ungerechteneinschließt (Mt 5,44–45): „Ich aber sageeuch:Liebt eure Feinde und betet für die,dieeuch verfolgen,damit ihr Söhne eures Vatersim Himmel werdet.“

Über all dies hinaus zeigt Jesus als das Herz sei-nes Glaubens: Gott vergibt! Und Gott hat denMenschen geschaffen, der vergeben kann (Mk11,25):„Und wenn ihr beten wollt und ihr habteinem anderen etwas vorzuwerfen, dann ver-gebt ihm, damit auch euer Vater im Himmeleuch eure Verfehlungen vergibt.“

Ein Punkt gibt besonders Zeugnis für einenfundamentalen Aspekt des Glaubens Jesu, derin gleicher Weise das Herz unseres christlichenGlaubens ist: sein Glaube, dass Gott Tote zumLeben erwecken kann. Dort entspringt dieVergebung, denn Vergeben bedeutet, neuesLeben zu schenken.In diesem Punkt steht Jesusbesonders den Pharisäern nahe,obwohl er mitihnen viel streitet.Aber gerade mit den Nahe-stehenden sind Diskussionen am lebendigsten!

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Jesus ist überzeugt: Gott hat das Leben gege-ben und er kann es uns wiedergeben. In einerder ersten Erwähnungen der Schrift über denMessias singt Hanna,die Mutter des ProphetenSamuel, über Gott (1 Sam 2,6): „Der Herrmacht tot und lebendig, er führt zum Toten-reich hinab und führt auch herauf.“ Die neuegute Nachricht ist hier sicher, dass Gott auchwieder herausführen kann. Jesus schreibt sichein in die Reihe der sieben Söhne der Mutterim Buch über die Märtyrer Israels (2 Makk7,29): „Nimm den Tod an! Dann werde ichdich zur Zeit der Gnade mit deinen Brüdernwiederbekommen.“ Jesus hat seinen Tod ange-nommen, aber im Glauben, dass er seine Brü-der und Schwestern nachher wiederfinden

wird,denn Gott ist Barmherzigkeit.Tatsächlichnennt Jesus nach der Auferstehung seine Jün-ger das erste Mal „Brüder“ ( Joh 20,17): „Gehaber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ichgehe hinauf zu meinem Vater und zu euremVater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“

In der Überzeugung, dass Gott ein Gott derLebenden ist, dass er die Welt erschaffen hatund dass er seinen Gläubigen das Leben wie-dergeben kann, offenbart sich Jesus als wahrer„Sohn Israels“. Er zeigt uns den Weg einesGlaubens,der im ganzen Leben keine Dimen-sion auslässt. ■

Marc Rastoin SJ

Im Garten Gethsemane.Gemälde von Boris Birger

(1923 – 2001)

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6 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Was glauben wirüber Jesus?Es ist ein Unterschied, ob ich etwas glaubeoder an jemanden glaube. So kann ich bei-spielsweise glauben,dass es morgen regnet,oh-ne dass ich an die Wahrsagerin glaube,die das inihrer Kugel vorhergesehen haben will. Derchristliche Glaube ist zuerst und vor allem einGlaube an jemanden, an eine Person, an JesusChristus. Doch unser Glaube erschöpft sich

nicht in der Begeisterung für die Person Jesuund sein Programm. Zum christlichen Glau-ben gehört auch die Überzeugung, dass sichbestimmte theologische Aussagen über Jesusmachen lassen.Was also glauben wir über Jesus?

Du bist der Messias

Für seine Jünger erschien Jesus als der Messias.Er war es, auf den die Juden warteten und derIsrael erlösen sollte.Jesus griff die Erwartungender Gläubigen auf. Er verkündete das ReichGottes.Zur Bestätigung seiner Sendung und als

Zeichen der nahen Erlösungwirkte er Wunder.Er sammel-te einen Kreis von Jüngern umsich und sandte sie mit demAuftrag aus, in seinem Namenzu predigen.

Der Glaube an Jesus von Na-zareth als den Messias verbin-det uns Christen auf unlösli-che Weise mit dem jüdischenVolk.Doch zugleich trennt unsdas Bekenntnis zu Jesus als demRetter und Erlöser aller Men-schen von den Juden. In derTat weicht das Bild des leiden-den und am Kreuz sterbendenChristus von der verbreitetenVorstellung des Messias ab,derIsrael Frieden bringen und dasReich des Königs David wie-derherstellen soll. Deshalb er-warten die Juden bis heute dasErscheinen des Messias.

Jesus und seine Jünger.Detail der Heiligen Pforte der Puerta Santa (Kathedrale von Santiago de Compostela, Spanien).

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Du bist der Sohn Gottes

Der Glaube an Jesus Christus führt zu einemneuen Gottesverständnis.Obwohl Gott nur ei-ner ist,bekennen die Christen ihn als Gemein-schaft von drei Personen:Vater,Sohn und Geist.Jesus ist der Mensch gewordene Sohn Gottes.Im Glaubensbekenntnis heißt es, er sei „ausdem Vater geboren vor aller Zeit“. Der SohnGottes ist also nicht, wie alle übrigen Dinge,von Gott geschaffen.Es gab ihn,als es noch kei-ne Welt gab, und es gäbe ihn auch dann, wennGott nie eine Welt erschaffen hätte.Außerdemheißt es im Credo, der Sohn sei „eines Wesensmit dem Vater“.Zwischen Sohn und Vater be-steht kein Unterschied hinsichtlich ihres Gott-seins. Es wäre ein Irrtum zu meinen, der Vatersei der wahre Gott, während Jesus bloß in ir-gendeinem eingeschränkten Sinn Gott ist.

Die Überzeugung von der Gottheit Jesu kannleicht dazu verleiten, dass man weniger Wertauf seine Menschheit legt.Aus dem MenschenJesus von Nazareth wird dann eine geheimnis-volle Erscheinung, eine Art göttliches Phan-tasma,dem aber das wirkliche Menschsein ab-geht. Für die Christen kommt es darauf an,sowohl die Gottheit als auch die MenschheitJesu, beides in gleichem und vollem Umfang,ernst zu nehmen und festzuhalten. Jesus istwahrer Gott und wahrer Mensch. Unbescha-det seiner göttlichen Natur wurde Jesus anWeihnachten wirklich geboren und ist am Kar-freitag tatsächlich gestorben.

Du wirst wiederkommenin Herrlichkeit

Das Neue Testament spricht von der Mensch-werdung des Sohnes Gottes als Entäußerung.Gott,der vor aller Zeit war und über allem Ge-

schaffenen steht, wird als sterblicher Menschein Teil der Schöpfung.Die Erniedrigung gehtso weit, dass er einen schmachvollen Tod stirbtund in die den Toten vorbehaltene Unterwelthinabsteigt. Doch gerade daraus schöpfen dieChristen seit jeher Trost im Leiden und Hoff-nung für ihre Toten.

Gott hat die Macht des Todes gebrochen undJesus von den Toten auferweckt. Er erschienseinen Jüngern und kehrte dann zurück zumVater.Mit der Auferstehung und Himmelfahrtist das Heilswirken Jesu freilich nicht been-det,sondern wir erwarten die Wiederkunft desMessias.Dieses endgültige Erscheinen des Soh-nes Gottes steht am Ende der Zeit und be-schließt die Geschichte der Menschheit.Damitverbunden ist das Jüngste Gericht, in dem Jesusdie Aufgabe des Richters über die Lebendenund die Toten zufällt.

Die Evangelien lassen keinen Zweifel an demMaßstab, nach dem Jesus Christus unser Den-ken, Reden und Tun beurteilen wird: „Wasihr für einen meiner geringsten Brüder getanhabt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Wirwissen keine Antwort auf die Frage, ob undwie viele Menschen es gibt,die von der göttli-chen Gnade und Barmherzigkeit ausgeschlos-sen sind oder sich selbst ihr endgültig verschlie-ßen.

Aber wir dürfen hoffen,dass durch die Hinga-be Jesu die ganze Menschheit mit Gott unduntereinander versöhnt wird.Wenn die Totenzum ewigen Leben auferstehen, tritt Christusseine messianische Herrschaft an.

Was wir gewöhnlich den Himmel nennen, istdie Vollendung der ganzen Schöpfung im ewi-gen Reich des Sohnes Gottes.■

Georg Sans SJ

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8 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Sorglosigkeit JesuManchmal frage ich mich,ob wir Christen dasvirtuelle Kleingedruckte auf unserem Tauf-schein gelesen haben. Es fehlt ja nicht anernüchternden Vorhersagen Jesu in SachenNachfolge. Ein paar Kostproben gefällig?

Matthäus 6,25: „Sorgt euch nicht um euer Le-ben und darum, dass ihr etwas zu essen habt,noch um euren Leib und darum, dass ihr et-was anzuziehen habt!“ Matthäus 5,39: „Leistetdem,der euch etwas antut,keinen Widerstand,sondern wenn dich einer auf die rechte Wan-ge schlägt,dann halt ihm auch die andere hin.“Matthäus 10,16: „Seht ich sende euch wieSchafe unter die Wölfe!“ Matthäus 8,20: „DieFüchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihreNester, der Menschensohn aber hat keinenOrt, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ DieListe ließe sich noch lange fortsetzen.Warumum Himmels Willen soll ich mich als Christauf so etwas einlassen? Widerspricht das nichtallen menschlichen Erfahrungen?

Muss man sich nicht um das eigene Leben underst recht um das seiner anvertrauten Familiesorgen? „Sorgt euch nicht …“, ein finanziellabgesicherter Ordensmensch mag dieses Idealleben können, aber ein Familienvater im Zeit-alter von Hartz IV? Und braucht der Menschnicht so etwas wie Heimat, ein Zuhause, ei-nen Ort zum Auftanken? Liegt derjenige, dersich nicht um Einkommen und Fortkommenkümmert, nicht bald mit seinem Idealismusdem Steuerzahler auf der Tasche? Und mussman sich nicht wehren können, mit Fäustenoder – zivilisierter – wenigstens mit findigenAnwälten, um das eigene Recht zu erhalten?

Woher soll ein Christ die Kraft nehmen,so ge-gen den Trend zu leben?

Der Grund,warum wir Christen letztlich kei-ne Masochisten oder realitätsferne Träumersind, ist Jesus selbst. In IHM ist Gott Menschgeworden, und zwar bis zur letzten Kon-sequenz: einer barbarischen Todesstrafe alsUnschuldiger, nach einem Prozess, der vonAnfang an getürkt war. Aber Gott hat diesenProzess wieder aufgerollt. Mit der Auferwe-ckung des gekreuzigten Jesus Christus hat erein für alle Mal das Gütesiegel unter das Re-den, Leben und Sterben seines Gesandten ge-setzt, es fortan für normativ erklärt. Sein Le-ben ist nicht das Scheitern eines idealistischenWeltverbesserers, sondern Einbruch und An-bruch einer neuen Dimension von Wirklich-keit: des Reiches Gottes.

Jeder Mensch, der so lebt, wie Jesus lebt, ver-hilft diesem Gottesreich zu größerer Geltung.Nachfolge Jesu – das ist kein Abnicken vonStatuten oder Programmen,sondern Orientie-rung am lebendigen Jesus, Umsetzen, Herun-terbrechen und Übersetzen seiner Weisungenin den Alltag des 21. Jahrhunderts.Triebfederdes Christentums ist die Faszination für SeinePerson, nicht das kühle Kalkül, das mich beimEintritt in eine Partei bewegen mag.

„Die aber, die dem Herrn vertrauen, schöpfenneue Kraft, sie bekommen Flügel wie Adler“( Jes 40,31). Lässt ein Mensch sich taufen oderbeendet sein passives Karteileichendasein zu-gunsten echter Nachfolge, dann wird Christ-sein zum Abenteuer: Ein Tierfilm zeigt einenAdlerhorst mit Jungen.Auf steilen Höhen ma-chen sie erste Flügelschläge und zaghafte Hüp-fer an den steilen Klippen, das vertraute Nestimmer erreichbar.Die Jungen wissen:Wenn siesich einmal richtig hinabstürzen, dann gibt eskein Zurück mehr.Alle „Adlerjungenberech-

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nungen“ ergeben: Hier bleiben im sicherenHorst! Aber eines Tages sind sie soweit. DieSehnsucht nach dem Fliegen lässt sich nichtmehr länger verdrängen,die Ahnung der ange-legten Lebensbestimmung – „Ich bin ein Ad-ler!“ – macht sie bereit für das Risiko,und dannstürzen sie sich ab von ihrem heimatlichenHorst, ohne Sicherheit, ohne etwas mitneh-men zu können, vor sich nur die überwälti-gende Freiheit zwischen Himmel und Erde.Das Erlebnis des Fluges wird sie für alle Ängs-te entschädigen. Die Kalkulationen und Be-fürchtungen, errechnet auf Basis der Nester-fahrungen, sind vergessen. Jetzt eröffnet sich

eine neue Dimension. Ihr Leben als Adler be-ginnt! Diese Erfahrung muss jeder selbst ma-chen. Hier kann man sich nicht vertreten las-sen,man muss selbst den Sprung wagen.

Der Apostel Paulus hat seinen „Abflug“ in dieNachfolge einmal so ausgedrückt:„Ich verges-se, was hinter mir liegt, und ich strecke michaus nach dem,was vor mir ist: das Ziel vor Au-gen, jage ich nach dem Siegespreis: der himm-lischen Berufung, die Gott uns in ChristusJesus schenkt!“ (Phil 3,14) ■

Manfred Hösl SJ

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Jesus bei der Bergpredigt.Darstellung des Bildhauers Roland Friedrichsen auf dem Mittelportal in der Westfassade der Verkündigungskirche in Nazareth.

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10 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Heimatlosigkeit Jesu„Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögelihre Nester, der Menschensohn aber hat kei-nen Ort,wo er sein Haupt niederlegen kann,“(Mt 8,20) ist die Antwort Jesu an den Mann,der ihm nachfolgen will, wohin er auch ge-he. In diesen Worten kommt der ganze Ernstder Heimatlosigkeit Jesu zum Ausdruck undzugleich die darin begründete Freiheit desHerrn,und aller,die gerufen sind, ihm auf die-se Weise nachzufolgen. Freiheit und Heimat-losigkeit – ist das nicht ein Paradox? Ist nichtdie Heimat eines der größten Güter, die Gottuns schenkt, und vermittelt nicht gerade siedurch die Geborgenheit Freiheit? Was ist es ander Heimatlosigkeit Jesu,dass sie seit 2000 Jah-ren ohne Unterlass Menschen in ihren Bannzieht, die Haus und Hof, ja sogar Königreichezurücklassen, um dem Menschensohn gleichzu werden,der auf dieser Erde keinen Ort hat,wo er sein Haupt niederlegen kann, währendselbst die berühmten Räuber vom Spessartvom Häuschen mit Garten träumen?

Ich denke, es liegt – wie immer – in der be-freienden Macht der Wahrheit, die hinter die-sem Wort aufstrahlt. Der Hebräerbrief drücktes so aus: „Wir haben hier keine bleibendeStadt, sondern die kommende suchen wir.“(Hebr 13,14)

Während wir an Weihnachten – alle Jahre wie-der – diese Welt in einen Adventskalender zuverwandeln suchen und uns der Illusion hin-geben, schon hier die Geborgenheit des Para-dieses im Schoße der Familie finden zu kön-nen, lebt der Menschensohn im Herzen desFestes eine ganz andere Realität. „Er kam in

sein Eigentum, doch die Seinen nahmen ihnnicht auf … Er ist Fleisch geworden und hatunter uns gezeltet.“ ( Joh 1,11 und 14) KeinWort von Heimat oder wohligem Daheimseindes Messias bei den Seinen.Er wird in die Hei-matlosigkeit hineingeboren, verschmäht vonseinem Volk,verfolgt von seinem König,schonals Kind ein Flüchtling. Ja, er schlägt sogargleich einem Nomaden nur ein Zelt auf undwird keine Ruhe in Israel finden, bis Er seinHaupt auf das Holz des Kreuzes bettet. DasSchicksal des Menschensohnes ist die Heimat-losigkeit. Oder vielmehr: Er, der immer schonzu Hause war beim Vater, verlässt die ewigeHeimat, um unsere Heimatlosigkeit zu teilenund zum Propheten einer besseren Heimat zuwerden.

Jesus verzichtet derweil nicht nur auf ein Dachüber dem Kopf, das er sein Eigen nennenkönnte.Er verzichtet auch auf das,worin Hei-mat auf dieser Welt einzig Wirklichkeit wird:Das geborgene Daheimsein bei einem Du,dieausschließliche Liebe zu einer Frau, die Ehe.Nicht um die Ehe abzuwerten – im Gegen-teil –, sondern um deutlich zu machen, dass inseiner Person das Reich Gottes schon ange-brochen ist. Seine Heimat war einzig der Vaterund so ist in ihm,dem Sohn,die ewige Heimatschon ein Teil dieser Welt.

Einfach bleibt Jesu Heimatlosigkeit jedenfallsnicht.Doch wie ernst es dem Herrn um das Jazur Heimatlosigkeit seiner Jünger – und nichtnur der Ordensleute ist –, hat uns das Schick-sal von Papst Benedikt ganz neu gezeigt. Wares doch allgemein bekannt, wie lange er sichschon danach gesehnt hatte,endlich in die Hei-mat zurückkehren und sich ganz der Theo-logie widmen zu können. Da ereilte ihn justin dem Augenblick, da Heimkehr so greifbarnahe schien, aufs Neue der Ruf: „Folge mirnach!“ Und ein anderer hat ihn gegürtet unddahin geführt, wohin er nicht wollte (vgl. Joh21,18).■

Nina Heereman

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Schwerpunkt

Gewaltlosigkeit JesuVon Anfang an löst das Auftreten Jesu Gewaltaus: So berichtet das Matthäus-Evangeliumvom Kindermord des Herodes in Betlehem,Markus kennt den frühen Tötungsbeschlussder Gegner Jesu nach den ersten Heilungen inGaliläa, und Lukas erzählt, wie ihn die Ein-wohner von Nazareth nach seiner Predigt inder Synagoge töten wollten. Schon sehr frühtritt so eine Spannung zutage, die sich im Ver-lauf des Lebens und Wirkens Jesu verschärft:Er, der selbst keine Gewalt anwendet, bewirktin seinem Umfeld immer stärkere Gewalt-ausbrüche. Schließlich fällt er vernichtendermenschlicher Gewalt zum Opfer, ohne sichselbst je in gewalttätiges Verhalten verstrickt zuhaben.

Die Betrachtung dieses Unterschieds zwischendem Verhalten Jesu und dem seiner Zeitgenos-sen lässt erahnen,welche Gestalt unser eigenesLeben annehmen könnte, wenn wir ihm aufdem Weg seiner Gewaltlosigkeit folgen undversuchen, immer mehr auf jede Form vonZwang,Nötigung oder Verletzung zu verzich-ten.

Drei aus der Fülle der Evangelien ausgewählteAspekte mögen helfen, diese jesuanische Hal-tung der Gewaltlosigkeit zu veranschaulichen.

Die Botschaft Jesu ist eine Einladung, in dasReich Gottes einzutreten.Gewalt ist kein Mit-tel,um dieses Ziel zu erreichen – auch wenn esdas wertvollste Ziel überhaupt ist.Deshalb übtJesus keinen Zwang aus, auch nicht auf sub-tile Weise: Er beschimpft niemanden, der sichnicht oder anders entscheidet, sondern ermu-

tigt zur freiwilligen Nachfolge und akzeptierttraurig die Ablehnung. Deshalb können auchdie Jünger Jesu bis heute seine Botschaft aufglaubwürdige Weise nur werbend und einla-dend, niemals aber zwingend verkünden.Undauch wenn das Gegenteil verlockend oder be-rechtigt erscheint,muss die Ablehnung unseresZeugnisses in Demut ausgehalten werden.

Dabei steht Jesus der Gewalt in seinem Umfeldnicht gleichgültig gegenüber: Gerechtigkeit,Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit sind Wer-te, wie sie beispielsweise in den Begegnungenmit der Ehebrecherin oder der Frau am Jakobs-brunnen aufleuchten.Es scheint eine Form derGesetzesreligion zu geben, die Jesus aufgrundihrer Gewalttätigkeit immer wieder harschkritisiert.So gewinnt der Glaube in Jesu Nach-folge an Entschiedenheit,Treue und Mut, darfaber niemals von Besessenheit,Hochmut oderFalschheit erfasst sein.Und nicht nur die Berg-predigt verdeutlicht, dass dies für die Religionebenso gelten soll wie für das gesellschaftli-che Zusammenleben der Menschen:Wo Men-schen unfreiwillig zu Opfern werden, ist etwasfalsch im System.

Schließlich wird auf dem Höhepunkt der Ge-walt deutlich, wie Jesus mit der Gewalt um-geht,die ihm zugefügt wird:Er hält sie aus undnimmt sie in sich auf, ohne in gleicher Weisezu reagieren.

Damit wird ein neuer Weg sichtbar,der aus derKnechtschaft der Angst und Gewalt hinaus-führt in ein freieres Leben.Es geht nicht mehrdarum, mein Recht zu bekommen oder aufmeine Kosten zu kommen, sondern darum, inder Dunkelheit von Zwang und Gewalt Zeug-nis für das Licht abzulegen – das Licht, vondem Jesus ganz erfüllt war. Deshalb gelingenVersuche und Schritte dieses Gewaltverzichtsauch seinen Jüngern bis heute um so leichter,je mehr sie sich von diesem Licht berührenund verwandeln lassen. ■

Axel Bödefeld SJ

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12 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Besitzlosigkeit JesuÜber Besitzlosigkeit zu schreiben, wenn manalles hat, was man braucht, wenn man als Mit-glied einer Ordensgemeinschaft abgesicherterlebt als viele andere, ist zugegebenermaßenfragwürdig. Unter diesem Vorbehalt und indiesem Widerspruch ist das Folgende zu ver-stehen.Vielleicht kommt die Zeit,wo aus die-ser Spannung etwas Neues wächst.

Ignatius hat, wenn er von Nachfolge spricht,immer den „armen und demütigen Jesus“ imBlick.Was heißt es für uns heute, eben diesemJesus nachzufolgen? Ich möchte drei Aspektenennen:

Jesus verzichtet auf Absicherung

In der Wüste wird Jesus die Verlockung vorAugen gestellt, von allem immer genug zu ha-ben.Brot–Ehre–Reichtum.Dreimal erteilt erdem „immer“,„alles“,„für mich“ eine Absage.Dreimal verweist er auf Gott als denjenigen,der sein Leben in tieferer Weise sichern kann.

Und was ist mit uns? Wir sichern unser Lebenin vielfältiger Weise ab.Wir klammern uns anLob und Anerkennung, beziehen daraus unserSelbstwertgefühl.

Nachfolge des armen Jesus bedeutet, immerhellhöriger zu werden auf die inneren und äu-ßeren Bedingungen, die ich stelle, und davonfreier zu werden. Es bedeutet, aus dem Wissenzu leben, dass Lob und Tadel, Missbilligungund Anerkennung menschliche Kategoriensind, die mir zwar Orientierung geben, aber

längst nicht alles darüber aussagen, was Gottvon mir getan haben will.

Jesus ist in diesem Sinn besitzlos geworden.Nur die Beziehung zum Vater war der „Be-sitz“,auf den er sich verlassen wollte,und selbstdiese Beziehung „besaß“ er nicht – wie sonsthätte er am Ende seines Lebens ausgerufen:„Mein Gott, mein Gott, warum hast du michverlassen?“

Jesus verzichtet auf Alleingang

Das öffentliche Wirken Jesu beginnt mit derSuche nach Verbündeten. Das Reich Gotteslebt von Gemeinschaft. Es lebt nicht von Per-fektion.Es sind nicht die Frommen,die er ruft,sondern Menschen, die sich begeistern lassen.Jesus lebt aus der tiefen Überzeugung, dass er,obwohl er der Sohn Gottes ist, andere braucht,die unverzichtbar dazugehören. Mit den Wor-ten „wer nicht gegen uns ist, ist für uns“ weister die Jünger zurecht,die es nicht ertragen kön-nen, dass auch durch andere Gutes geschieht.Das ist Demut und Selbstbescheidung. Es istdie Anerkennung eigener Grenzen, die sich inGelassenheit gegenüber dem Anderen zeigt.

Im Orden versuchen wir, das zu leben. Wirbinden unsere persönliche Suche nach Heil,nach Glück und Sinn für uns und andere aneine Gemeinschaft.

Wenn wir mit Menschen konfrontiert sind,dieso anders reagieren, als wir uns das wünschen,erleben wir Armut sehr konkret. Wir werdenin die Schranken verwiesen und müssen erle-ben,dass andere nach ganz anderer Façon seligwerden.Wenn es uns gelingt, die Verschieden-heit auszuhalten, ja sie sogar aktiv ins Spiel zubringen, wird der Reichtum spürbar, der indieser Form von Armut besteht.

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Heilige Familie.Altarbehang mit der Geburt Christi, Oberrhein 1501, ehemals aus dem Freiburger Münster. Jetzt im Augustinermuseum Freiburg.

Jesus verzichtet auf Endgültigkeit

Jesus erzählt gegendieHabgierigkeit dasGleich-nis von dem Mann,der größere Scheunen bau-en lässt, um seine reiche Ernte darin unterzu-bringen.Gott spricht zu ihm:„Du Narr! Nochin dieser Nacht wird man dein Leben von dirzurückfordern.“

Wer Besitz hat, richtet sich ein. Er muss si-chern,was er hat.Wie anders klingen dagegendie Worte Jesu, mit denen er für seine Sachewirbt: Es sind Worte wie wachsen, vergehen,loslassen,finden,suchen,umkehren.Das ReichGottes ist nichts Statisches. Es ist lebendig, istBeziehung. Es erschließt sich gerade im Para-dox: „Wer das Leben gewinnen will, wird esverlieren;wer aber das Leben um meinetwillen

verliert,wird es gewinnen.“ Nachfolge des ar-men Jesus heißt, sich auf diese „Schwebe desLebendigen“ einzulassen,wie Max Frisch for-muliert. Nichts festzuhalten, keinen Zustandund auch kein Gut.Wissen, dass alles, was ichgebrauche, geliehen ist und irgendwann zu-rückzugeben sein wird, sogar das Leben selbst.

Wer so immer wieder loslassen kann, dessenVertrauen muss tiefer gründen als in allem,wases hier auf Erden gibt.

„Wer gesandt wird, soll kein Reisegeld verlan-gen“, sagt Ignatius. Den Alltag in diesem Wis-sen zu leben, macht frei. Hier ist der Motorfür den Mut, sich auf Veränderungen einzu-lassen. ■

M. Sabine Adam CJ

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14 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Jesus und die „Andersgläubigen“Jesus hat keine Theorie des interreligiösenDialogs entwickelt.Er war Jude.Bei seiner Tau-fe im Jordan kam der Heilige Geist auf ihn her-ab. Danach begann er dem Volk Israel die An-kunft des Reiches Gottes zu verkünden.

Dennoch zeigt sich seine Begegnung mitNichtjuden in zwei interessanten Erzählungen.

Die erste findet einen Nachhall in jeder Mess-feier.Der Hauptmann von Kafarnaum (Mt 8,5bis 13) bittet Jesus darum,seinen Diener zu hei-len.Als Jesus mit ihm gehen will, fallen die be-rühmten Worte „Herr, ich bin es nicht wert,dass du mein Haus betrittst;sprich nur ein Wort,dann wird mein Diener gesund.“ Jesus reagierterstaunt und erklärt seinen Jüngern: „Amen,

das sage ich euch: Einen sol-chen Glauben habe ich in Isra-el noch bei niemand gefunden.Ich sage euch: Viele werdenvon Osten und Westen kom-men und mit Abraham, Isaakund Jakob im Himmelreich zuTisch sitzen; die aber, für diedas Reich bestimmt war, wer-den hinausgeworfen in die äu-ßerste Finsternis; dort werdensie heulen und mit den Zähnenknirschen.“

Die zweite Geschichte (Mat15,22–28) ist dramatischer:Ei-ne kanaanäische Frau bittet umHeilung ihrer Tochter. Jesusweist sie zurück, weil sie nichtzu den Rechtgläubigen gehört:„Ich bin nur zu den verlorenenSchafen des Hauses Israel ge-sandt.“ Aber die Frau ist be-harrlich:Sie „kam,fiel vor ihmnieder und sagte: ‚Herr, hilfmir!‘ Er erwiderte: ‚Es ist nichtrecht, das Brot den Kindernwegzunehmen und den Hun-den vorzuwerfen.‘ Da entgeg-

Geistsendung, Psalterium,13. Jahrhundert, Melk

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nete sie: ‚Ja, du hast recht, Herr! Aber selbstdie Hunde bekommen von den Brotresten,dievom Tisch ihrer Herren fallen.‘ Darauf ant-wortete ihr Jesus: ‚Frau, dein Glaube ist groß.Was du willst, soll geschehen.‘ Und von dieserStunde an war ihre Tochter geheilt.“ Jesus lässtsich durch die Begegnung mit dieser Frau um-stimmen, ihr unerwarteter Glaube sprengt dieGrenzen seiner Überzeugungen.

Nach dem Tod Jesu zeigen sich die Heiden,besonders aus dem griechischen Raum, emp-fänglicher für die Lehre der Gemeinde als dieJuden. Die Apostelgeschichte berichtet: Nacheiner Predigt des Petrus „kam der HeiligeGeist auf alle herab, die das Wort hörten. Diegläubig gewordenen Juden, die mit Petrus ge-kommen waren, konnten es nicht fassen, dassauch auf die Heiden die Gabe des HeiligenGeistes ausgegossen wurde. Denn sie hörtensie in Zungen reden und Gott preisen. Petrusaber sagte: Kann jemand denen das Wasser zurTaufe verweigern, die ebenso wie wir denHeiligen Geist empfangen haben? Und er ord-nete an, sie im Namen Jesu Christi zu taufen.“(Apg 10,44b–48a)

„Das Wirken des Heiligen Geistes lässt die ur-sprünglich jüdische Gemeinschaft jenseits ihrerursprünglichen Grenzen neue Mitglieder ent-decken.Dies hat die ersten Christen einige Aus-einandersetzungen gekostet.“ Ohne ihre Be-reitschaft, das Wirken des Geistes in den Hei-den anzuerkennen,wäre das Christentum abereine überschaubare jüdische Sekte geblieben.

Die Offenheit für das Wirken des HeiligenGeistes kann eine wichtige Lehre für die Ge-genwart werden, wenn es um den interkul-turellen und interreligiösen Dialog geht. Inder Begegnung mit den Andersgläubigen dasWirken des Geistes zu entdecken, ist die besteGrundlage für den Dialog. Die menschliche

Begegnung mit Gläubigen verschiedener Re-ligionen,im gemeinsamen Einsatz für Gerech-tigkeit und, dort wo es möglich wird, im ge-meinsamen Gebet, ersetzt nicht die theologi-sche und kritische Reflexion, erweitert aberihren Horizont. Deshalb war die erste Einla-dung von Papst Johannes Paul II. an Vertreterder Weltreligionen zum gemeinsamen Weltge-betstag am 27.Oktober 1986 in Assisi zukunfts-weisend.

Meine ersten intensiven persönlichen Begeg-nungen mit „Andersgläubigen“ hatte ich imFlüchtlingslager in Malaysia, während meinerAusbildung. Es verstörte mich zunächst, dassdie engagierten Buddhisten unter den Vietna-mesen vor mir als „Mönch“ Respekt hatten,dass sogar einige buddhistische Freunde einklareres Bewusstsein davon hatten, was sie vonmir als „Mönch“ erwarteten als die Christen.Später wurde diese Erfahrung eine Grundlagefür inspirierende Begegnungen und gemeinsa-me Gebete mit Buddhisten,Hinduisten, Judenund Moslems.Je mehr Religion nicht nur eineäußere Angelegenheit bleibt, sondern wirklichzum Kern geht,so meine Erfahrung,umso we-niger Worte braucht es,um in der interreligiö-sen Begegnung zu erfahren, dass wir eine ge-meinsame Wurzel haben. In einem solchenDialog entsteht kein Einheitsbrei aller Religi-onen. Vielmehr geht es um eine gemeinsameOffenheit für Erlösung und Befreiung.Im Ver-trauen auf das Wirken des Heiligen Geistesentspringt aus der Begegnung die Bereitschaftzur Veränderung, die Bereitschaft, die eigenenengen Grenzen zu überschreiten.

In diesem Sinn kann die Herausforderung deranderen Religionen heute eine Quelle für dieErneuerung unseres Glaubens an Jesus Chris-tus werden. ■

Stefan Bauberger SJ

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16 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Jesus in den Armenund UnterdrücktenbegegnenIn der Apsis der romanischen HallenkircheSan Clemente im spanischen Tahull blickt aufeinem Fresko majestätisch Christus als Königauf die versammelte Gemeinde herab.Verlässtman die Kirche,begegnet man vor der Tür aufeinem anderen Fresko dem armen Lazarus,dessen Geschwüre ein Hund leckt.Der elendeLazarus hat das gleiche Gesicht wie der herr-schende Christus im Innern der Kirche. DerKünstler hat in dieser Gleichgestaltung derGesichter einen Grundpfeiler des christlichenGlaubens zum Ausdruck gebracht: in den Ar-men und Elenden,den Leidenden und Ausge-stoßenen begegnen wir Christus.

Option für die Armen

Die Rückbesinnung auf diese Glaubenswahr-heit war entscheidend für den Neuaufbruchder Kirche Lateinamerikas in den vergange-nen 40 Jahren. Auf ihrer historischen Ver-sammlung im kolumbianischen Medellín imJahr 1968 erkannten die lateinamerikanischenBischöfe im Elend und in der Unterdrückungder Mehrheit der Menschen auf dem Subkon-tinent einen Anruf Gottes. Sie zogen darausdie Konsequenz der Option für die Armen,dieihren tiefsten Grund in Jesus selber hat. Jesuswurde wiederentdeckt als der, der sich in be-vorzugter Weise den Armen und gesellschaft-lich Geächteten, den Sündern und den Klei-nen zuwandte, sich mit ihnen eins machte.DerBefreiungstheologe Jon Sobrino SJ aus El Sal-vador bringt dies so zum Ausdruck: „In den

Armen und Unterdrückten findet sich das ver-borgene Antlitz Christi,und im Dienst an die-sen Armen und Unterdrückten ereignet sichin Wirklichkeit die Begegnung mit Christus.“

Lange war in Lateinamerika Jesus Christus alshimmlischer König verkündigt worden, derweit oben über den Wolken thront. Doch derin den Himmel entrückte Gottessohn wurdein seiner Menschlichkeit wiederentdeckt, undzwar mit lateinamerikanischen Zügen. Soschrieben die lateinamerikanischen Bischöfeauf ihrer Versammlung im mexikanischen Pue-bla im Jahr 1979:„In den Gesichtern der ausge-beuteten Kinder, der an den Rand gedrängtenIndios,der verarmten Bauern,der Arbeitslosenund der vereinsamten alten Menschen erken-nen wir das Leidensgesicht Christi.“

Jesus als Bruder und Freund

Aus der Zeit, die ich mit einer armen Bauern-gemeinde im zentralamerikanischen El Salva-dor verbracht habe, sind mir vor allem eineReihe von Liedern in Erinnerung geblieben.Die Salvadorianer sind keine sehr guten, wohlaber begeisterte Sänger.Für besondere Anlässeund zur Erinnerung an ihre vielen ermordetenPriester, Katecheten und Katechetinnen dich-ten sie selber Lieder. Aus diesen Liedern wirdauch deutlich, wer Jesus Christus für sie ist.

Jesus ist einer der ihren: ein Mann vom Land,ein Arbeiter mit Schwielen an den Händen,einer, der um seinen Lebensunterhalt ringenmuss.Er spricht ihre Sprache.Sie sprechen ihnohne Umstände so an, wie man in Latein-amerika einen Freund anspricht:„Holá Jesús –Grüß’ Dich, Jesus“. Nähe und SolidaritätJesu mit dem einfachen Volk kommt auch inder bekannten nicaraguanischen Bauernmessezum Ausdruck: „Du bist der Gott der Armen,der menschliche und einfache Gott, der Gott,der auf der Straße schwitzt, der Gott mit demsonnengegerbten Gesicht.Deshalb spreche ichzu Dir in der Sprache meines Volkes.“

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Jesus-Darstellung der Guarani-Indianer in der

Jesuitenkirche in San Joaquin in Paraguay

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Die christlichen Basisgemeinden

Ganz entscheidend für die Wiederentdeckungder Menschlichkeit Jesu waren in Lateiname-rika die christlichen Basisgemeinden.Dies sindGruppen von vielleicht 20 bis 30 Menschen,die sich zusammenfinden, um miteinander zubeten, zu singen und um vor allem gemeinsamdie Bibel zu lesen. Dabei versuchen sie, einenZusammenhang zwischen einer Bibelstelleund ihrer Wirklichkeit, ihren Lebenserfahrun-gen herzustellen. Im Blick auf Jesus wird dabeinicht nur gefragt: „Was hat Jesus getan?“, son-dern: „Was würde er hier und jetzt tun?“ Da-bei wird Jesus als ein Mensch wiederentdeckt,der mitleidet mit den Leidenden,der aber auchdie Konfrontation mit den Mächtigen und den

Reichen nicht gescheut hat und deswegenschließlich selber zum Opfer geworden ist.

Die Basisgemeinden sind eng verwandt mitBibelgruppen,die es auch bei uns gibt,und diedie Bibel dem Dreischritt „Sehen–Urteilen–Handeln“ folgend lesen.Und auch bei uns gibtes Menschen,in denen sich wie vor der Kathe-drale von Tahull in besonderer Weise das Ge-sicht Jesu zeigt: in den Obdachlosen auf unse-ren Straßen, in den Gefangenen, den Flücht-lingen,den vereinsamten Menschen in den Al-tenheimen:

„Was ihr für einen meiner geringsten Brüdergetan habt, das habt ihr mir getan.“ ■

Martin Maier SJ

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18 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Er hörte ihnen zuund stellte FragenJesus als Schüler

Für manchen mag die Vorstellung, dass Jesuseinmal ein Schüler gewesen ist und dass er sichwie alle anderen auch den Anstrengungen desLernens unterzogen hat, nicht vereinbar mitdem Glauben zu sein, dass er der Sohn Gottesist.Wenn Gott allwissend ist,musste dann Jesusüberhaupt noch lernen?

Für das im 2. Jahrhundert entstandene undnicht in das Neue Testament mitaufgenom-

mene „Kindheitsevangelium des Thomas“ istdies tatsächlich ein Widerspruch. Jedenfallsberichtet dieses Werk,das Erzählungen aus derKindheit des fünf- bis zwölfjährigen Jesuszu überliefern beansprucht, von drei LehrernJesu. Zwei sind schlechte Lehrer, weil sie sichzutrauen, dem Knaben etwas beibringen zuwollen. Nur der dritte erweist sich als guterSchulmeister, weil er die Überlegenheit seinesSchülers anerkennt. „Ich habe zwar den Kna-ben als Schüler übernommen; aber er ist gro-ßer Anmut und Weisheit voll und bedarf mei-nes Unterrichts gar nicht.“ Dieser Jesus hatnichts Sympathisches an sich. Wenn man imrealen Leben einem solchen Kind begegnet,kann man diesem nur einen tief greifendenReife- und Wandlungsprozess wünschen, da-mit es nicht als Erwachsener für alle seine Mit-menschen eine Qual wird.

Jesus im Haus seiner Eltern.Gemälde von John Everett Millais (1850), The Tate Gallery, London

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Diese Darstellung des Kindheitsevangeliumsnimmt aber auch nicht ernst, dass Jesus einrichtiger Mensch war,„in allem uns gleich au-ßer der Sünde“.Als solcher blieben ihm nichtdie Herausforderungen des Lernens erspart.Esgibt in den Evangelien eine Geschichte, in derJesus als Lernender gezeigt wird.

Im Markus- (7,24–30) und im Matthäusevan-gelium (15,21–28) wird berichtet, wie einenichtjüdische Frau, also eine Heidin, zu Jesuskommt und ihn bittet, ihre von einem bösenGeist besessene Tochter zu heilen. Jesus lehntdas ab, weil er meint, sein Auftrag gelte alleinIsrael. Entsprechend schroff fällt seine Reak-tion aus: „Es ist nicht recht, das Brot den Kin-dern wegzunehmen und den Hunden vor-zuwerfen.“ Doch die Frau lässt sich nicht soleicht abwimmeln:„Auch für die Hunde unterdem Tisch fällt etwas von dem Brot ab, das dieKinder essen.“ Mit dieser schlagfertigen Ant-wort lässt sich Jesus überzeugen, das Mädchenzu heilen. Jesus lernt dazu, und vielleicht er-schließt sich ihm durch die Reaktion der Fraudie Bedeutung eines Verses aus den Gottes-knechtsliedern für seine Sendung: „Es ist zuwenig, dass du mein Knecht bist, nur um dieStämme Jakobs wieder aufzurichten und dieVerschonten Israels heimzuführen. Ich machedich zum Licht für die Völker,damit mein Heilbis an das Ende der Erde reicht.“ ( Jes 49,6)

In den neutestamentlichen Evangelien erfah-ren wir nichts, wie und was Jesus als Kind undJugendlicher gelernt hat.

Es gibt aber ein Detail im Lukasevangelium,das an die jüdische Tradition des Lernens an-knüpft und etwas von dem offen legt,was undwie Jesus gelernt hat. In der Geschichte vomzwölfjährigen Jesus im Tempel heißt es „Er saßmitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu undstellte ihnen Fragen.Alle,die ihn hörten,waren

erstaunt über sein Verständnis und seine Fra-gen.“ (Lk 2,47f ) In der rabbinischen Herange-hensweise an die Tora ist das verständnisvolleFragestellen ein elementarer Schritt zur Er-schließung der Bedeutung einer Schriftstelle.Dies verlangt sorgfältiges Lesen bzw.Hinhörensowie Verstand, um passende Fragepunkte zufinden.

Wichtig ist hier aber auch zu begreifen,welcheArt von Fragehaltung gemeint ist. Es gibt dieFragen der Wissenden, die die Antwort schonlängst kennen. Dies können Fragen des Leh-rers sein, der damit seinen Schülern für dieseneues Wissen erschließen will,oder die Fragendes Staatsanwalts,der im Kreuzverhör den An-geklagten in die Enge treiben will. Davon un-terschieden sind die Fragen der Suchenden,die nicht schon die Antworten kennen. ImVerständnis der Rabbinen ist nicht der einLehrer der Tora, der alles über sie weiß, son-dern der durch gutes Fragen neue Bedeutun-gen erschließt und so ermöglicht, sie tiefer alsWeisung zum Leben zu verstehen. Deshalb istin der Pessachliturgie der unverständige Sohnder, der keine Fragen zu stellen vermag.

Zentral in der ignatianischen Spiritualität istdie Frage nach dem Willen Gottes in meinemLeben. Diese Frage kann nur die Frage einesSuchenden sein.

In diesem Sinne ist es auch Anliegen der Jesui-tenschulen, ihre Schülerinnen und Schüler zuFragenden zu erziehen.Wer die Dinge verste-hen will, der muss in der Lage sein, sich nichteinfach mit scheinbaren Fakten zufrieden zugeben, sondern hinter die Dinge zu schauenund Sein von Schein zu unterscheiden.Wenndies gelingt, dann lernen alle, wie auch Jesusgelernt hat: als Suchender Fragen zu stellen. ■

Ralf Klein SJ

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20 Jesuiten Schwerpunkt: Jesus

Schwerpunkt

Christus in der EucharistiebegegnenDas Gedächtnis verlieren bedeutet: seine Au-tonomie und Handlungsfähigkeit einbüßen.Wer kein Gedächtnis hat, verliert aber auchseine Identität. Er kann nicht sagen, woher erkommt, wer er ist und wohin er geht. Auchdie Kirche muss um ihre Identität wissen undbraucht in diesem Sinne ein Gedächtnis. Das„Organ“,mit dem sie sich erinnert, ist die Fei-er der Eucharistie. Im Zentrum der Eucharis-tie stehen jedoch ein Buch und ein Tisch: dieHeilige Schrift und der Altar.

Gedächtnis

Die Kirche übt ihr Gedächtnis zunächst, in-dem sie hört: auf die Glaubenserfahrungen ausdem Buch, der Heiligen Schrift. Wir hören,wie Gott in der Geschichte seines auserwähl-ten Volkes anwesend ist. Wir hören die Bot-schaft von Kreuz und Auferstehung Jesu. DasWort Gottes sagt uns,dass keine Situation,dassnicht einmal Sünde und Tod, einfachhin gott-los sind.

Der Altar ist Ort eines besonderen Gebetes.Die Kirche erinnert sich an die Taten Gottesund wendet sich voll Dankbarkeit an den Ge-ber alles Guten zurück.Vor allen Dingen danktsie Gott dafür, dass sich Jesus aus Liebe für unsin den Tod gegeben hat. Paulus schreibt: „So-oft ihr von diesem Brot esst und von diesemBlut trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn“ (1 Kor 11,26). Die Eucharistiefeier wird des-halb zur Erinnerung an das Leiden und den

Tod Christi. Durch die Gaben von Brot undWein wird uns Anteil geschenkt am Pascha-mysterium Christi: an seinem Tod und seinerAuferstehung.

Die Kirche erinnert sich in der Eucharistie da-ran: „Ich war verloren, aber der Herr hat michgefunden. Er hat mich aus aller Entfremdungund Gottesferne heraus in seine Gegenwartgeholt.Der Herr hat sein Leben für mich hin-gegeben und aus dieser Hingabe lebe ich.Mei-ne ganze Existenz soll Zeugnis geben von sei-ner heilmachenden Liebe.“

Gegenwart

Als Sakrament erinnert die Eucharistie nichtnur an etwas Vergangenes, sondern macht dasVergangene präsent. Jesus, der Mensch gewor-dene Sohn Gottes, ist für immer die Kom-munion zwischen Gott und den Menschen. Inseiner Person ist die Ewigkeit Gottes in unsereZeit gekommen und die Zeit mit GottesEwigkeit verbunden.Wenn wir uns an GottesLiebe in Jesu Hingabe erinnern,werden wir indie Gegenwart dieser Liebe zurückgeführt. Sokönnen wir Gottes Liebe erneut in der Eu-charistie empfangen.Vermittelt durch die Zei-chen der Hingabe Jesu, durch Brot und Wein,werden wir mit der ewigen Gegenwart des ge-kreuzigten und auferstandenen Herrn verbun-den.

Eine persönliche Beziehung kommt nicht al-lein durch räumliche Nähe zustande. Auch ineiner überfüllten Straßenbahn kann einer fürden anderen „Luft“ sein.Aber eine Beziehunglebt von sichtbaren Zeichen: einem Hand-

Abendmahl mit Christus und den 12 Aposteln. �Gemälde von Hans Traut, Predella, um 1505 – 1510. �

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schlag, einer Umarmung oder einem Ge-schenk.Jede Beziehung muss „leibhaftig“ wer-den und ist zugleich etwas sehr Persönliches,das nur einem inneren Verstehen zugänglichist. Auch Jesu persönliche Gegenwart in derEucharistie ist an die sichtbaren Zeichen vonBrot und Wein gebunden.

Zugleich eröffnet sich seine Gegenwart erstauf der „Beziehungsebene“:Nur im gläubigenVertrauen erkennen wir den Herrn.Dies zeigtdie Erfahrung der Emmausjünger. NachdemJesus das Brot gebrochen und ihnen gegebenhatte, gingen den Jüngern die Augen auf „undsie erkannten ihn“ (Lk 24,31).„Erkennen“ be-deutet für die Heilige Schrift: sie liebten ihn.In der liebenden Beziehung geht den Jüngerndie Gegenwart Jesu auf.

Gemeinschaft

Der Sinn der Eucharistiefeier liegt nicht alleindarin, dass Brot und Wein gewandelt wer-den.Vielmehr sollen wir als Teilnehmer in ei-ne einzigartige Gemeinschaft mit Christus ge-führt werden.Die Eucharistie zielt darauf, dasswir durch den Empfang des Leibes und Blu-

tes Christi „gewandelt“ werden in den LeibChristi, dass wir ein Leib – die Kirche – wer-den: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele einLeib; denn wir alle haben teil an dem einenBrot“ (1 Kor 10,17).

Die Begegnung mit Christus in der Eucha-ristie ist damit nie eine bloße „Privatsache“.Ebenso wenig kann jede noch so gute in-dividuelle Frömmigkeit zum „Ersatz“ für dieEucharistie werden. Die Begegnung mit demHerrn in der Eucharistie will unsere Egozen-trik aufbrechen und ein neues Wir schaffen.

Die Kommunion mit Christus schließt die Ge-meinschaft mit allen ein, die sein sind. Die eu-charistische Wandlung in einen Leib hat einevertikale Dimension und eine horizontale Di-mension: die Verbindung mit Christus, der dasHaupt der Kirche ist, muss dazu führen, denHerrn in den Schwestern und Brüdern, vorallen Dingen in den Armen,den Notleidendenund Elenden zu erkennen und das Brot mitihnen zu teilen: „Was ihr für einen meinergeringsten Brüder getan habt, das habt ihr mirgetan“ (Mt 26,40).■

Klaus Vechtel SJ©

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22 Jesuiten Geistlicher Impuls

Geistlicher Impuls

Mit dem Namen „Jesus Christus“betenDie Osterbotschaft beruht auf zwei Säulen:Gott hat den Verurteilten, Verspotteten, Ge-folterten und Gekreuzigten gerettet. Zugleichist der Auferstandene als Erhöhter wirklichder Christus für sein Volk und ist er uns – un-sichtbar freilich – helfend und schützend na-he. Erst jetzt ist er wirklich der Kyrios, derHerr, von dem gesagt werden kann: Jeder, derden Namen des Herrn anruft, wird gerettet(Apg 2,21).Unzählige Menschen erlebten und erleben,dass das beständige, aufmerksame, liebevollewiederholende Anrufen des Namens „JesusChristus“,das sich mit dem Rhythmus des At-mens verbindet, den Menschen für seine gött-liche Wirklichkeit öffnet, sie mehr und mehrerleben und aus ihr leben lässt. Die Anrufungdes Namens hat große Kraft. Sie rettet, heilt,wandelt unser Leben und das Leben um unsherum, in all seinen verschiedenen Formen.

Alt und neu

Diese Weise des Betens – das Beten mit demNamen – ist eine sehr alte Gebetsweise. Jahr-hunderte lang wurde sie von Frauen und Män-nern, von Nonnen/Mönchen wie auch vonLaien,Alleinstehenden wie Verheirateten prak-tiziert. Sie ist zugleich auch eine neue Gebets-weise.Durch die Begegnung mit anderen Kul-turen und Religionen, in denen es ähnlicheWeisen des Betens gibt,wurde sie als wesentli-cher Teil unserer christlichen Tradition wiederentdeckt.

Leicht und schwer

Beten mit dem Namen „Jesus Christus“ istleicht und schwer zugleich – oder wie ich esmanchmal ausdrücke: ganz einfach, aber nichtleicht.Wir beginnen mit dem Mund.Wir sprechen –laut oder leise, innerlich – den Namen undwenden uns Ihm zu. Doch die Erfahrung ist,dass der Name tiefer und tiefer in uns einsinkt,in unseren Geist und schließlich in unser Herz.Bis der Name sozusagen selbst sich in uns wie-derholt,bis er in uns erklingt und wir ihm ein-fach (nur) zuhören.Es ist ein mitunter langer und oft auch müh-samer Weg, doch einer, der sich lohnt.Das wichtigste aber ist,meine ich,damit anzu-fangen. Wir können sicher sein, dass wir ge-führt werden, dass wir die notwendigen Hil-fen, in welcher Form auch immer,bekommen.

Geeignet für unsere ausdrückliche Gebetszeit und für unseren Alltag

Diese Art undWeise des Betens ist geeignet fürunsere ausdrückliche Gebetszeit und für unse-ren Alltag.Gebet und Alltag verbinden sich so.Suchen Sie sich einen stillen Ort, draußen inder Natur, in einer (leeren) Kirche,zu Hause inihren vier Wänden, setzen Sie sich bequemhin. Dann nehmen Sie ihren Körper wahr,spüren sie ihn. Achten Sie auf Ihr Atmen, wiedie Luft kommt und geht, ganz natürlich, oh-ne dass sie etwas tun,etwas verändern müssten.Wie Sie atmen,atmen Sie – schwer oder leicht,flach oder tief … Schauen Sie Ihrem Atmeneinfach zu.Wenn Sie den Eindruck haben,dassmehr und mehr Ruhe in Sie einkehrt, dannlassen Sie den Namen „Jesus Christus“ einfachin Ihr Ausatmen und Einatmen einfließen –Jesus in das Aus- und Christus in das Einatmen.

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Lassen Sie den Namen wirken, kommen Sievon all Ihren Gedanken, Vorstellungen, Bil-dern, … immer wieder – geduldig aber auchbestimmt – zurück zu dieser schlichten acht-samen, ehrfürchtigen, liebevollen Wiederho-lung des Namens. Sie werden sehen, der Na-me übernimmt dann allmählich die Führung,der Name eröffnet seine Wirklichkeit,eröffnetJesus Christus, sein wahres Wesen, nicht unse-re mehr oder weniger passenden Vorstellungendavon. Der Name bringt uns in Beziehung zuihm, der Name bringt uns in Verbindung mitseiner liebenden Gegenwart.Sie können nicht den ganzen Tag irgendwostill sitzen bleiben. Sie müssen aufstehen, ge-hen, reden, arbeiten.Auch im ganz konkretenAlltag, in unserem Tun ist es möglich, sich desNamens zu erinnern,den Namen immer wie-der innerlich zu wiederholen.Auch so wächstdie Verbindung mit ihm. Auch so entfaltet erseine Kraft.Von früh bis spät gibt es viele Gelegenheiten,beim Namen zu sein: Zum Beispiel, wenn Siesich duschen, wenn Sie (allein) irgendwo hingehen, wenn Sie auf den Bus warten: Anstattüber alles mögliche – meist nicht sehr wichti-ge – nachzudenken, denken Sie an ihn, rufenSie innerlich den Namen an, lauschen Sie aufseinen inneren Klang.Wenn Sie sich auf diesen Weg einlassen:LassenSie sich nicht gleich entmutigen! Manchmal –im ausdrücklichen Gebet und im Alltag – ha-ben wir den Eindruck, dass uns die Gedankenund Gefühle überfluten,dass es uns unmöglichist, beim Namen zu sein und zu bleiben. So istes,so sind wir.Doch geben Sie es nicht auf,im-mer dann, wenn Sie sich daran erinnern, IhreAufmerksamkeit zum Namen zurückzufüh-ren. So wird das Band zu ihm, zu seiner Wirk-lichkeit die auch unsere tiefere Wirklichkeitist, gestärkt.■

Bernhard Bürgler SJ

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24 Jesuiten Nachrichten

Nachrichten

Neues aus dem Jesuitenorden

Novizen

Am 24. September haben, wie der Novizen-meister Stefan Kiechle SJ bestätigt, sieben jun-ge Männer aus Deutschland sowie je ein Ös-terreicher,ein Schwede und ein Schweizer denWeg in das Ausbildungshaus des Ordens inNürnberg gefunden. Der Ordensnachwuchsder deutschsprachigen Provinzen macht dortseit 2003 gemeinsam das Noviziat.Zusammenmit den im vergangenen Jahr eingetretenen

Novizen bereiten sich derzeit insgesamt 17 No-vizen in dem renovierten Gebäude am nörd-lichen Stadtrand von Nürnberg auf die erstenGelübde am Ende des Noviziats vor.Für den neuen Jahrgang ist neben dem weiter-hin verhältnismäßig hohen Durchschnittsaltervon knapp 29 Jahren vor allem der beruflicheHintergrund bemerkenswert. Stefan Kiechle:„Unter den Novizen,die in diesem Herbst ge-kommen sind, haben wir einen Volljuristen,einen Wirtschaftsingenieur, einen Software-Entwickler, einen Journalisten sowie Theo-logen und Religionspädagogen.“ Damit be-stätige sich eine Entwicklung, die bereits seiteinigen Jahren zu spüren ist: „Die Entschei-dung für den Eintritt in den Orden fällt nichtselten erst am Ende eines Studiums oder einerberuflichen Ausbildung.Die dabei gewonnene

Novizen-Jahrgang mit Novizenmeister Stefan Kiechle SJ (oben rechts) und Pater Joe Übelmesser SJ (unten 2.v.r.)

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persönliche Prägung ist für die Gemeinschaft,die sich im Noviziat entwickelt, eine wertvol-le Bereicherung.“

50 Jahre Heinrich Pesch Haus

Mit einer Festakademie am 24. September hatdas Heinrich Pesch Haus (HPH) in Ludwigs-hafen seinen 50.Geburtstag gefeiert.Unter denrund 300 Gästen waren zahlreiche bekanntePersönlichkeitenwieAltbundeskanzlerDr.Hel-mut Kohl,langjähriger Freund des Hauses,Mi-nisterpräsidenta.D.Dr.BernhardVogel,Jugend-bildungsreferent im HPH von 1956–1958 unddanach Leiter des Pesch-Haus-Verlages, sowiederFinanzministerBaden-Württembergs,Ger-hard Stratthaus MdL,1967–1973 Bildungsrefe-rent im HPH.Den Festgottesdienst zelebrierteBischof Dr.Anton Schlembach,die Festpredigthielt der Provinzial der Jesuiten, Stefan Dart-mann SJ.Das Thema des Festvortrags des lang-

jährigen Präsidenten der Georgetown Univer-sität in Washington, Leo J. O’Donovan SJ, lau-tete: „Eine globale Ethik zwischen Ideologieund Notwendigkeit“.

Ausstellung zum ersten Jesuitenkollegin Köln

Erzbischof Joachim Kardinal Meisner und derProvinzial der deutschen Jesuiten,Stefan Dart-mann SJ, haben am 5. Oktober in der Erzbi-schöflichen Diözesan- und Dombibliothek dieAusstellung „Die Anfänge der Gesellschaft Jesuund das erste Jesuitenkolleg in Köln“ eröffnet,die bis zum 15.Dezember 2006 zu sehen ist.ImRahmen der feierlichen Eröffnung sprachender Direktor der Bibliothek, Prof.Dr. HeinzFinger, und sein Stellvertreter, Prof.Dr. Sieg-fried Schmidt, über die Neuzeitlichkeit desJesuitenordens und über das Kölner Jesuiten-gymnasium.

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Festakt im Heinrich Pesch Haus mit (v.l.n.r.) Tobias Karcher SJ, Dr. Bernhard Vogel, Bischof Anton Schlembach, Leo J. O’Donovan SJund Dr. Helmut Kohl

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26 Jesuiten Nachrichten

Begegnungswochenende in München

Zu einem Begegnungstag sind am 30.Septem-ber rund 200 Freunde und Förderer des Or-dens nach St. Michael in München gekom-men.Eingeladen hatte Eugen Hillengass SJ,derauch dieses Treffen moderierte.Das Programmgab den Gästen die Gelegenheit,die Arbeit desOrdens in St. Michael und in der Bürgersaal-kirche aus nächster Nähe kennen zu lernenund sich dabei auch über den Verein „Freundeder Gesellschaft Jesu“ zu informieren.Als Re-ferenten und Ansprechpartner standen die Pa-tres Hermann Breulmann, Peter Linster undBernd Paal zur Verfügung. Eine Eucharistie-feier mit Bernd Franke beschloss den Tag.

Neben den Referaten und den Führungendurch die beiden Münchner Kirchen gab auchdas Angebot der Medien und Materialien An-lass zu zahlreichen Gesprächen. BesonderesInteresse fand dabei der erstmals vorgestellteRatgeber in Erbschaftsfragen „Über den Taghinaus“.Dieses Informationsheft kann kostenlos bezo-gen werden mit der Bestellkarte auf der hinte-renUmschlagseite der „JESUITEN“oderüberdas Büro der Freunde der Gesellschaft Jesu e.V.,Seestraße 14, 80802 München,Tel 08938185-230,Fax 08938185-252.

Ehrendoktorwürde für Francis X. D’Sa SJ

Der Fachbereichsrat Katholische Theologie derJohann Wolfgang Goethe-Universität Frank-furt am Main hat Prof.Dr. Francis D’Sa SJ(Goa) die Ehrendoktorwürde verliehen. Derindische Jesuit und Theologe D’Sa,der seit vie-len Jahren im Bereich des Dialogs der Religio-nen an der Universität Würzburg doziert undmehrfach auch als Autor in den „JESUITEN“zu lesen war, erhielt diese Auszeichnung am30.November,einen Tag nach Vollendung sei-nes 70.Lebensjahres.

Personalnachrichten

• P. Bengt Almstedt ist seit diesem Sommerneuer Ansprechpartner für JRS in Schweden.• P. Jörg Alt ist im Oktober nach Belize geflo-gen, um die Mitbrüder dort für zunächst einJahr in ihrer Arbeit zu unterstützen.Er war be-reits während seines Tertiats dort tätig.• P. Niall Leahy aus Irland arbeitet seit AnfangSeptember im Seelsorgeteam von St. Michaelmit.• P.Fridolin Pflüger ist im November von sei-nem Einsatz für JRS in Uganda nach Deutsch-

Ratgeber in Erbschaftsfragen:Über den Tag hinaus

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land zurückgekommen und bereitet sich nacheiner Erholungszeit auf seine neue Aufgabe alsDelegat für Ignatianische Pädagogik vor. Ergehört zur Kommunität am Aloisiuskolleg inBonn.• P.Walter Rupp wurde am 8. November imAlten Rathaussaal mit dem Bayerischen Poe-tentaler der Literatengruppe der MünchnerTurmschreiber geehrt.• P. Helmut Schmitt hat seinen Einsatz fürJRS in Guinea beendet und ist seit SeptemberKrankenhaus-Seelsorger im St.Gertrauden-Krankenhaus in Berlin.• P.Fritz Schwaiger ist seit September als Seel-sorger an der Domsingschule und für die Pries-ter im Bistum Würzburg tätig.• P. Michael Sievernich wurde mit Wirkungvom 01.08.2006 zum Dekan der Kath.-Theol.Fakultät der Universität Mainz gewählt.• P. Hans Waldenfels ist nach Beendigung sei-ner Aufgaben in Düsseldorf Anfang Novembernach Essen umgezogen und wohnt im Pfarr-haus von St.Engelbert.Ab Januar 2007 wird erfür ein Semester an der Marquette-Universitätin den USA unterrichten.■

Zusammengestellt von Thomas Busch

Verstorbene

P. Richard von Aretin* 03.04.1926† 11.10.2006Studentenseelsorger und Präses der MC am Bürgersaal in München

Br. Herbert Heidel* 12.02.1924† 13.10.2006Jahrzehntelang „Guter Geist“ im Ignatiushaus in München

Wechsel in der Chefredaktion

Liebe Leserin, lieber Leser, der kontinu-ierliche Wechsel in verantwortlichen Posi-tionen gehört seit jeher zu den Besonder-heiten der „Personalpolitik“ der Jesuiten.Nicht zuletzt durch diese Flexibilität undMobilität gewinnt unsere Arbeit eine be-sondere Dynamik. Dies gilt auch für dieLeitung dieser Publikation:Ab der nächs-ten Ausgabe 2007/1 wird Klaus Mertes SJzusätzlich zu seinen Aufgaben als Rektordes Canisius Kollegs in Berlin das Amt desChefredakteurs der JESUITEN überneh-men. Er löst in dieser Funktion RichardMüller SJ ab, der weiterhin im Team derpersonell unveränderten Redaktion mit-arbeitet.Richard Müller hat in entscheidender Wei-se das Profil dieser Publikation geprägt.Bereits 2000 hatte er die Leitung der Zeit-schrift „An unsere Freunde“ der damali-gen Oberdeutschen Provinz übernommenund sie in den folgenden Jahren auf einenhohen professionellen Stand gebracht. ImZugederVereinigungderbeidendeutschenProvinzen hat er dann ebenso sensibel wiezielgerichtet den Prozess der Zusammen-führung des Freundeheftes mit dem nord-deutschen „Canisius“ moderiert. Seit derersten Ausgabe der JESUITEN im März2004 hat Richard Müller die engagierteArbeit eines jungen Redaktionsteams ko-ordiniert und motiviert und das Erschei-nungsbild dieser Publikation akribisch undkompetent gestaltet.Dafür danke ich Richard Müller ganzherzlich,auch im Namen des Redaktions-teams, aller Mitbrüder und nicht zuletztder mittlerweile rund 50000 Leserinnenund Leser.

Stefan Dartmann SJProvinzial

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28 Jesuiten Nachrufe 2006

Nachrufe 2006

Unsere Verstorbenen„Du guter und getreuer Knecht! Geh ein indie Freude Deines Herrn!“ Wer möchte diesnicht aus dem Munde seines Herrn hören?Wieder sind Mitbrüder aus unserer Provinzheimgegangen. Jeder von ihnen hat seine Ge-schichte mit seinem Schöpfer und Herrn.Werkann sie schon aufblättern, wer sie erzählen?Hinter dürren Jahreszahlen verbirgt sich dabeiimmer ein einmaliges Geschehen, ein Werbenund Handeln Gottes und ein Suchen desMenschen.Nur Gott ist heilig.Aber er will je-den Menschen „heiligen“, das heißt, in SeineWirklichkeit hineinnehmen. Das ist das Ge-heimnis um jeden Menschen, der in das Le-ben des dreifaltigen Gottes hineingetauft ist.Die uns Vorangegangenen leben. Wir habenGemeinschaft mit ihnen. Und sie wollen undwirken, dass auch wir in unsere gemeinsameHeimat gelangen. Das verbirgt sich hinternüchternen biografischen Daten.

P. Ludwig Bertsch (*1929) trat 1951 in den Or-den ein, 1956 wurde er zum Priester geweiht.1961 kam er nach Sankt Georgen,wo er an die25 Jahre in wechselnder Verantwortung blieb.1971 bis 1975 nahm er an der Würzburger Syn-ode teil und wirkte prägend an deren pastora-len Aussagen mit.1989 übernahm er in Aachendie Leitung des Missionswissenschaftlichen In-stituts.Während all dieser Jahre spielte er eineherausragende Rolle in der Kirche in Deutsch-land, nicht zuletzt als Berater vieler Bischöfeund im ZDK. Gleichzeitig wirkte er für diekatholischen Fakultäten in Afrika, besondersin Kinshasa (Kongo). Im Herbst 2003 zog ernach Köln.Dort starb er nach kurzer schwererKrankheit am 28.August.

P. Richard Gramlich (*1925) trat nach derKriegsgefangenschaft 1946 in die GesellschaftJesu ein. Nach Studien in Pullach, Frankreichund in den USA wurde er 1955 in Baden (In-diana) zum Priester geweiht. Sein Lebensthe-ma wurde das Studium und die Erforschungdes Islam, insbesondere der Mystik.Nach Auf-enthalten im Iran, Irak und Libanon dozierteer in Rom,Freiburg und Basel.Kurz nach sei-nem Umzug nach Unterhaching ins Alten-heim starb er am 23. September.

P. Claus Hoffmann (*1926) wurde 1945 un-mittelbar nach dem Krieg Jesuit.Seine Studienführten ihn nach England und Kanada. Nachseiner Priesterweihe 1956 machte er das phi-lologische Staatsexamen in Berlin und wurdeLehrer am Canisius-Kolleg. Zugleich war erMilitärseelsorger für die Royal Air Force.1991wurde er für einige Jahre Rektor des Peter-Faber-Kollegs in Berlin-Kladow, wo er bis zuseinem Tod blieb. Er starb am 2. Februar, demJahrestag seiner Professgelübde.

P. Peter Hornung (*1920) trat 1939 in den Or-den ein und wurde nach Kriegseinsatz und Stu-dien inPullachundBüren1948 zumPriester ge-weiht.1949 folgte der Wechsel nach Schweden,wo er seine Lebensaufgabe fand: 50 Jahre langwar er in St.Eugenia in Stockholm tätig,davon27 Jahre als Pfarrer.Damit hat P.Hornung blei-bende Spuren in der Kirchengeschichte Schwe-dens hinterlassen.Am 6.Juli starb er unerwartetwährend einer Hitzewelle in Stockholm.

P. Eduard Huber (*1922) studierte nach demKriegseinsatz zunächst Mathematik und Physikin München. 1948 wurde er Jesuit. Nach Stu-dien u.a. an der Gregoriana empfing er 1956die Priesterweihe. Sein Leben lang setzte ersich mit Russland und dem Materialismus aus-einander.Seit 1973 war er Professor an der Gre-goriana und von 1975 bis 1981 Rektor des Ori-entalischen Instituts in Rom. Im Alter von75 Jahren wechselte er als Seelsorger nach Ko-chel in seine geliebten bayerischen Berge, woer bis zu seinem Tod am 22. Juni blieb.

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P. Walter Kerber (*1926) trat 1945 in den Or-den ein. Nach Studien in Pullach und in WestBaden (USA) wurde er dort 1955 (zusammenmit P. Gramlich) zum Priester geweiht. Von1969 bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrte erEthik und Sozialethik an der Hochschule fürPhilosophie in Pullach und München. Von1976 bis 1986 war er auch Leiter des Institutsfür Gesellschaftspolitik.Daneben wirkte er vie-le Jahre in zahlreichen kirchlichen und gesell-schaftspolitischen Gremien.Nach langjährigerLeidenszeit starb er am 26. Februar 2006 inUnterhaching.

P. Josef Menzel (*1916) trat 1936 in die Ge-sellschaft Jesu ein.Seit 1954 war er in der DDRals Seelsorger tätig. Dort wurde er 1960 auchOpfer eines Schauprozesses gegen ihn unddrei Mitbrüder. Nach der Haftentlassung warer viele Jahre in Magdeburg und im OstseebadKühlungsborn tätig. Zuletzt lebte er in BerlinKladow.Am 11. Januar starb er.

P. Otto Ogiermann (*1912) wurde 1932 Jesuit.Nach Studien während des Krieges in Breslauund Sankt Georgen wurde er 1942 in Mainzzum Priester geweiht. 1952 kam er nach Leip-zig und wirkte von dort aus als Seelsorger,Prediger und Autor in der ganzen DDR. Am28. Oktober starb er in Berlin Kladow.

P. Josef Ortscheid (*1922) trat nachWehrdienstund Gefangenschaft 1948 in den Orden ein.Während seines Studiums in Pullach war er ei-ner der wenigen Überlebenden des Verkehrs-unfalls vom 19. Juni 1951 bei Herrsching amAmmersee, bei dem 16 junge Jesuiten starben.1957 wurde er zum Priester geweiht.Es folgtenJahre an der Generalskurie (1959 bis 1966) so-wie in verschiedenen Ämtern in Göttingenund Münster bis 1989. In den 90er Jahren wur-de er ein gesuchter Exerzitienleiter. Seit 2002lebte er in Köln Mülheim.Dort verstarb er am

15.September nach einer Knieoperation – einespäte Folge des Unfalls von 1951.

P. Rudolf Pischel (*1922) wurde 1945 nachKrieg und Gefangenschaft Jesuit. Er studiertein Pullach und Innsbruck und empfing 1955 inBerlin die Priesterweihe.1961 kam er nach Mar-burg und war in den Folgejahren als Seelsorgerin vielfältigen Aufgabenbereichen in den Di-özesen Fulda, Limburg, Mainz und Trier tätig.2002 siedelte er nach Köln Mülheim um,wo ernach langer Leidenszeit am 31. Oktober starb.

P. Eduard Syndicus (*1915) trat 1934 in die Ge-sellschaft Jesu ein.Nach Kriegsdienst und Stu-dien in Pullach und Frankfurt wurde er 1942 inMainz zum Priester geweiht.Es folgte ab 1948ein Studium der Kunstgeschichte in München.Seit 1954 dozierte er in Sankt Georgen und lei-tete nach seiner Emeritierung 1980 für 16 Jah-re das Exerzitienhaus in Hochelten.ZahlreicheKrippen, Bilder und Skulpturen erinnern anihn. Am 18. April starb er in Köln, wo er dieletzten Lebensjahre verbracht hatte.■

Allerheiligen 2006Wolfgang Hoffmann SJ

Glasfenster von Sieger Köderin der Kapelle des Jesuitenfriedhofs

in Pullach

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30 Jesuiten Vorgestellt

Vorgestellt

Seelsorge aus geistlicher ErfahrungDas Priesterseminar Sankt Georgen und die Jesuiten

Im Wintersemester 1926 begann in Frankfurta.M. der Studienbetrieb für 15 Priesterkandi-daten aus dem Bistum Limburg.Nach der Ver-treibung durch die Kulturkampfgesetze konn-ten die Jesuiten ihre pädagogische und wissen-schaftliche Arbeit in Deutschland fortsetzen.Heute,80 Jahre nach dem bescheidenen Neu-anfang, hat sich die „Philosophisch-theolo-gische Hochschule Sankt Georgen“ zu einemprofilierten Studienstandort entwickelt,der in-ternationales Ansehen genießt.Darüber hinaus

ist Sankt Georgen seit acht Jahrzehnten ein qua-lifizierter und jesuitisch geprägter Lernort fürSeelsorgerinnen und Seelsorger. Im Studien-jahr 2006 besuchen mehr als 420 Studierendedie Jesuitenhochschule,und das angeschlossenePriesterseminar für verschiedene Bistümer ver-zeichnet einen zahlenmäßigen Aufschwung:Mit 37 Priesterkandidaten ist Sankt Georgeneines der größten Ausbildungszentren für Se-minaristen verschiedener deutscher Diözesen.

Gründe der Erfolgsgeschichte von Sankt Ge-orgen und gleichzeitig Perspektiven für dieZukunft liegen in der seelsorglichen Inspira-tion des Ordensgründers Ignatius von Loyola:„Ayudar las almas – den Menschen helfen“ be-zeichnet den Kern ignatianischer Spiritualität.Der Primat der Seelsorge aus geistlicher Erfah-rung war und ist das Markenzeichen des Jesui-tenordens und seiner vielfältigen Werke. DieVerwundung seines Beines bedeutete für denaufstrebenden baskischen Adeligen Iñigo deLoyola einen herben Karriereknick: Aus warder Traum von einer ritterlichen Existenz.Wiedie Knochen waren zu Beginn der Neuzeitauch die Ideale einer mittelalterlichen Weltam Zerbrechen.Die beginnende Moderne mit

Priesterseminar Sankt Georgen 2006 mit Regens Stephan Ch. Kessler SJ (mittlere Reihe, rechts)

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ihren neu entdeckten Welten erforderte neueOrientierung, nicht zuletzt im geistlichen Le-ben. In einem schmerzlichen und zugleichtrostreichen Umkehrprozess entdeckte Igna-tius das Ideal,das sein Leben und seinen Ordenprägen wird: Die größere Ehre Gottes im En-gagement für andere zu finden.

Aus dem ehrgeizigen Adeligen Iñigo wurdeder Ordensgründer Ignatius, der seine geist-liche Erfahrung in den Einsatz für Glaubeund Gerechtigkeit umsetzt. Dieses seelsorg-liche Ideal hat den Orden in seiner bewegtenGeschichte immer wieder zu dem Aufgaben-feld der Ausbildung von Seelsorgerinnen undSeelsorgern geführt:Reform der Kirche durchgeistliche Erneuerung der Priester.So gründe-ten die Jesuiten noch zu Lebzeiten des Ignati-us zahlreiche Schulen und Hochschulen undübernahmen dazu die Leitung von Semina-ren zur Ausbildung von Diözesanpriestern. Indieser Tradition stehen im deutschen Sprach-raum die von Jesuiten geleiteten interdiözesa-nen Priesterseminare in Rom, Innsbruck undFrankfurt. Ein Standortvorteil dieser Ausbil-dungsorte liegt sicher in der geistlichen Aus-bildung auf der Grundlage der jesuitischenFrömmigkeit als einer für die Seelsorge ineiner säkularen Welt geeigneten Spiritualität.Dazu kommt die fundierte Ausbildung miteinem deutlichen Akzent auf der Integrationvon Wissenschaft und Frömmigkeit, in SanktGeorgen verbunden mit einer konzentriertenLern- und Lebensatmosphäre an einer Cam-pushochschule in einem wunderbaren Parkam Rande der Großstadt. Damit auch in derpostmodernen Welt morgen das Wort Gottesverkündet wird, die Sakramente der Gegen-wart Gottes gefeiert werden und die KircheMenschen in ihren Nöten mit geistlicher Qua-lifikation und seelsorglicher Kompetenz nahesein kann, deswegen lohnt sich der Einsatz fürdie Qualitätssicherung in der Seelsorge unddie Ausbildung von Priestern als geistlichenMenschen für andere.■

Stephan Ch. Kessler SJ

Liebe Leserin,lieber Leser,

dieser Beitrag hat an das 80-jährige Engagement unseres Ordens für diePriesterausbildung verschiedener deutscher Diözesen in Sankt Georgenerinnert. Zugleich wollten wir damit zeigen, dass ein solcher Einsatz immerschon zu den apostolischen Schwer-punkten unseres Ordens gezählt hat.

Es ist für uns Jesuiten eine besondere Ermutigung, wenn wir in diesem an-spruchsvollen Feld der Seelsorge auchheute das Vertrauen vieler Bischöfe spüren. Außer Pater Kessler sind derzeitandere Mitbrüder aus unserer Provinz als Spirituale und Verantwortliche in verschiedenen Priesterseminaren tätig,besonders auch in Rom.

Dieses Vertrauen hat einen wesentlichenGrund darin, dass wir trotz der damitverbundenen Kosten an den hohen An-sprüchen festhalten, die wir an die Aus-bildung derer stellen, die später selbst inder Verantwortung für junge Menschenstehen.

Durch Ihre Unterstützung tragen Sie mit dazu bei, dass qualifizierte Mitbrüderauch in Zukunft ihren Dienst für denPriesternachwuchs leisten können.

Eugen Hillengass SJLeiter Projektförderung

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32 Jesuiten Medien · Personalien (Jubilare) · Autoren dieser Ausgabe

Medien

CD: Barocke Jesuitenmusik

Konzert mit Europäischer Barockmusikaus den Urwäldern SüdamerikasCD (75 Min.) mit Begleitheft (16 S.)© 2006 DDMedien GmbH

Live-Mitschnitt des Konzertes in der Jesuiten-kirche St. Michael in München am 22. April2006 unter Leitung von Luis Szarán aus Para-guay.Neben der Academia Ars Canendi (Venedig)und dem Domenico Zipoli Ensemble (Prato)spielen auch junge Musiker aus Lateinamerika.Der erste Teil der CD ist ein Gottesdienst mitMusik aus den Jesuitenreduktionen, der zwei-te Teil ein Konzert mit Werken des Jesuiten-barock in Südamerika. Es erklingen u.a.Wer-ke von Domenico Zipoli,von Martin Schmid,von Guaraní-Indianern sowie von Ennio Mor-ricone.

Bestelladresse: DDMedien GmbHKaulbachstraße 22a, 80539 MünchenFon 0892386-2430, <[email protected]><www.ddmedien.org> ■

01. JanuarP. Alois Stenzel90. Geburtstag

10. JanuarP. Walter Kern85. Geburtstag

02. FebruarP. Heinz Balkenhol75. Geburtstag

04. FebruarP. Alex Lefrank75. Geburtstag

15. FebruarP. Bernd Schrandt70. Geburtstag

21. FebruarP. Georg Hoffmann75. Geburtstag

29. FebruarP. Werner Herbeck75. Geburtstag

03. MärzP. Manfred Richter75. Geburtstag

06. MärzP. Karl Plötz75. Geburtstag

07. MärzP. Joe Übelmesser75. Geburtstag

16. MärzBr. Heinrich Mersch75. Ordensjubiläum

16. MärzP. Gerhard Podskalsky70. Geburtstag

19. MärzBr. Johann Fuster50. Ordensjubiläum

23. MärzP. Reinhold Sebott70. Geburtstag

24. MärzP. Heinrich Jokiel50. Priesterjubiläum

27. MärzP. Dieter Thiel75. Geburtstag

30. MärzP. Christian Weichsel75. Geburtstag

Personalien

Jubilare 2007

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M. Sabine Adam CJWürzburg. Noviziats-leiterin der CongregatioJesu

Nina HeeremanRom. Theologiestudentinan der Gregoriana

Martin Maier SJMünchen. Chefredakteurder „Stimmen der Zeit“

Johann Spermann SJWürzburg. Leiter der Katholischen Hochschul-gemeinde

Stefan Bauberger SJMünchen. Ausbildungs-leiter der deutsch-sprachigen Jesuiten

Manfred Hösl SJSt. Blasien. Lehrer undSchulseelsorger im Kolleg

Richard Müller SJMünchen. Redaktions-leiter JESUITEN

Klaus Vechtel SJRom. Spiritual am Germanikum

Axel Bödefeld SJSt. Blasien. Lehrer im Kolleg

Wolfgang Hoffmann SJMünchen. Autor und Seelsorger

Marc Rastoin SJParis. Dozent (Maître-Assistant) am CentreSèvres

Ansgar Wucherpfennig Frankfurt. Dozent an derPhil.-Theol. HochschuleSankt Georgen

Bernhard Bürgler SJWilhelmsthal. Exerzitien-leiter im Haus Gries

Stephan Ch. Kessler SJFrankfurt. Regens desPriesterseminars SanktGeorgen

Marius ReiserMainz. Professor an derJohannes-Gutenberg-Universität

Thomas BuschMünchen. Öffentlichkeits-referent im Provinzialatder Jesuiten

Ralf Klein SJBerlin. Lehrer am Canisius Kolleg

Georg Sans SJRom. Professor an derGregoriana

Autoren dieser Ausgabe

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34 Jesuiten Freunde der Gesellschaft Jesu

Freunde der Gesellschaft Jesu e.V.

Informationen:

Freunde der Gesellschaft Jesu e.V.Seestraße 1480802 München

Fon 089 38185-213Fax 089 [email protected]

Spendenkonto: 2 121 441LIGA Bank BLZ 750 903 00

Menschen aus allen Berufen und Altersschichten unterstützendurch Gebet und Finanzmittel die Anliegen der Jesuiten. Oh-ne diese Hilfe können wir Jesuiten weder unsere Aufgaben inDeutschland noch weltweit durchführen. Die vierteljährlicherscheinende Publikation JESUITEN will Sie am Leben undArbeiten der deutschen Jesuiten teilnehmen lassen und Ihnenzugleich danken für Ihr Engagement und Ihre Unterstützung.Darüber hinaus sind wir den Freunden der Gesellschaft Jesuverbunden im Gebet und in der Eucharistiefeier.

Spenden

In vielen Bereichen ist der Jesuitenorden nahezu ausschließ-lich auf Spenden angewiesen. Bei der Ausbildung der jungenJesuiten, die sich meist über mindestens zwölf Jahre erstreckt,können wir im allgemeinen ebenso wenig mit staatlicher oderkirchlicher Unterstützung aus Steuergeldern rechnen wie beider Pflege der alten oder kranken Ordensmitglieder.Auch undgerade unsere Schulen und Hochschulen,Exerzitien- und Bil-dungshäuser, Kirchen und Seelsorgezentren brauchen priva-te Zuschüsse. Wir bitten um Spenden und sind selbst für diekleinste Unterstützung dankbar.

Selbstverständlich haben Spender auch die Möglichkeit, be-sondere Anliegen ihrer Wahl durch den Eintrag eines entspre-chenden Stichworts im eingedruckten Überweisungsträger zubenennen.Durch Bescheinigung des Finanzamtes München für Körper-schaften ist der Verein „Freunde der Gesellschaft Jesu“ als aus-schließlich und unmittelbar religiösen Zwecken dienend aner-kannt und berechtigt, Zuwendungsbestätigungen auszustellen.

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Wir bestätigen, dass w

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Bei Spenden ab EUR 10,00 erhalten Sie von

uns unaufgefordert eine Spendenbescheini-gung.

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Jesuiten1 Editorial

Schwerpunkt2 Was wissen wir vom historischen Jesus?4 Woran hat Jesus geglaubt?6 Was glauben wir über Jesus?8 Sorglosigkeit Jesu

10 Heimatlosigkeit Jesu11 Gewaltlosigkeit Jesu12 Besitzlosigkeit Jesu14 Jesus und die „Andersgläubigen“16 Jesus in den Armen und Unterdrückten

begegnen18 Er hörte ihnen zu und stellte Fragen20 Christus in der Eucharistie begegnen

Geistlicher Impuls22 Mit dem Namen „Jesus Christus“ beten

Nachrichten24 Neues aus dem Jesuitenorden

Nachrufe 200628 Unsere Verstorbenen

Vorgestellt30 Priesterseminar Sankt Georgen

Medien32 CD Barocke Jesuitenmusik

Personalien32 Jubilare

33 Autoren dieser Ausgabe

34 Freunde der Gesellschaft Jesu e.V.Spenden

37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

JesuitenImpressum

JESUITENInformationen der Deutschen Provinzder Jesuitenan unsere Freunde und Förderer

57. Jahrgang 2006/4ISSN 1613-3889

Herausgeberund Copyright:© Deutsche Provinzder Jesuiten K.d.ö.R.Eugen Hillengass SJim Namen des Provinzials

Redaktionsleitung:Richard Müller SJ

Redaktion:Dr. Thomas Busch (Chef vom Dienst)Bernd Hagenkord SJTobias Specker SJJohann Spermann SJMartin Stark SJJohannes Maria Steinke SJAnsgar Wucherpfennig SJ

Anschrift:Redaktion JESUITENSeestraße 1480802 MünchenFon 089 38185-213Fax 089 [email protected]

Layout:Margot KrottenthalerLeporello Company,Dachau

Satz:Nikolaus Hodina, München

Reproduktionen:ZG Repro, München

Druck:EOS Verlag + Druck,St. OttilienPrinted in Germany

Erscheinungsweise:Viermal im Jahr Abonnement kostenlos

Nachdruck nach Rück-sprache mit der Redaktion

2006/4JesusTitelfoto: Stammbaumvon Jesus, ausgehendvon Abraham. BarockeHolzverkleidung in derKirche San Francesco in Porto (Portugal)© KNA-Bild

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