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Juli 2001Grunde genommen auch Modetrends wie E-Learning oder die von der Wirtschaft an das Bildungswesen herangetra-genen Zertifizierungen für die eigentlichen Themen einer Kerninformatik

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Zum Geleit

Aus Sicht der Auftraggeber erscheint das zielge-richtete Aufgreifen der inhaltlichen Diskussion zumStellenwert der Schulinformatik unter Einbezug der

Gegebenheiten in den benachbarten Ländern Deutschlandund Schweiz für zweckdienlich, als gerade in Zeiten desdynamischen Wandels die Suche nach bleibenden bzw.bestimmenden Bildungswerten im Fachbereich Informatikder Orientierung dienlich sein kann. Genauso wenig wiedie in breiten Bildungskreisen geforderte und in Österreichcurricular verankerte Computernutzung in den Schulen mitdem eigentlichen Fach- und Wissensanspruch der Infor-matik gleichgesetzt werden kann, so wenig relevant sind imGrunde genommen auch Modetrends wie E-Learning oderdie von der Wirtschaft an das Bildungswesen herangetra-genen Zertifizierungen für die eigentlichen Themen einerKerninformatik.

Herr Prof. Mag. Peter Micheuz (Gymnasium Völker-markt) ist an der Universität Klagenfurt für die fachdidak-tischen Veranstaltungen des Lehramtsstudiums Informa-tik zuständig und wurde mit der Redaktion und Heraus-gabe eines weiteren Sonderheftes der Computerfachzeit-schrift CD Austria unter dem Titel „Schulinformatik in Öster-reich – quo vadis?“ beauftragt. Die vorliegende Aus-wahl der Beiträge namhafter Experten sowie Wissen-schaftler aus dem In- und Ausland repräsentiert nicht nureinen inhaltlichen Querschnitt zur gestellten Frage, son-dern zeigt auch auf, dass die Schulinformatik nach wievor als eigenständiges Fach positioniert und ihr allge-mein bildender Wert in turbulenten Zeiten wie den unsri-gen erhalten werden muss.

Der Leser/Die Leserin erhält in den Autorenbeiträgenebenso Aufschluss über die Abgrenzung des Fachberei-ches Informatik zu möglichen „Konkurrenzdisziplinen“ wie

auch Informationen über die Situation der Informatik beiden deutschsprachigen Nachbarn. Mag. Micheuz vertrittstellvertretend für die Autoren den Standpunkt, dass un-verzichtbare Basismodule, ja „fundamentale Ideen derInformatik“ im Sinne der Diktion von Andreas Schwill ei-nen zeitlosen Anspruch sicherstellen können und müssen.

Als Vertreter des Bildungsministeriums bedanken wiruns herzlich für die konzeptionelle und redaktionelleBetreuungsarbeit durch Herrn Prof. Mag. Peter Micheuz,ferner bei allen Autoren für die Erstellung der kompeten-ten Beiträge, sowie für die erneut unter Beweis gestelltehervorragende Zusammenarbeit mit dem CDA-Verlagbei Herrn Geschäftsführer Harald Gutzelnig. Mögen alleLeserinnen und Lesern viel Freude mit dem vorliegendenCDA-Sonderheft haben und es auch für didaktischeZwecke nutzen können.

Wien, im September 2003

MR Dr. Rudolf ApflauerLeiter IT-Gesamtkoordinationim bm:bwk

MR Mag. Dr. Anton Reiterbm:bwk, Sektion IV

Inhaltsverzeichnis

Muss es gleich ein Pflichtfach sein? - Univ. Prof. Dr. Peter Hubwieser .......................................................... 4Was unterscheidet ein Auto von einem Computer? - Dr. Werner Hartmann ................................................. 8Informatik und PISA - Univ. Prof. Dr. Steffen Friedrich .............................................................................. 11Modell – Experiment – Validierung - Univ. Prof. Dr. Roland Mittermeir ..................................................... 14Excel und VBA - Ao. Univ. Prof. Dr. Erich Neuwirth .................................................................................. 16Schulinformatik quo vadis? - Univ. Doz. Prof. Mag. Dr. Karl Fuchs .......................................................... 18Fundamentale Ideen im Informatikunterricht - Prof. Mag. Helmuth Caba, Claudio Landerer ...................... 20Aporien der Schulinformatik - Prof. Mag. Peter Micheuz .......................................................................... 25Allgemein bildender Informatikunterricht – wie geht das? - Mag. Evelyn Stepancik .................................... 29Interessante Webseiten ......................................................................................................................... 30Buchvorstellungen ............................................................................................................................... 32

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Vorwort des Herausgebers

Zweifelsohne suggeriert die durchaus nicht rheto-risch angelegte Frage „Schulinformatik in Österreich,quo vadis?“ ein wenig den Wunsch nach Orientie-

rung im Schulfach Informatik. Ein Fach, das es mit dieserBezeichnung genau genommen nur an Gymnasien undbisweilen an höheren technischen Bundeslehranstalten gibt.

Den Königsweg der Schulinformatik gibt es nicht under wird auch im vorliegenden Sonderheft nicht vorgezeich-net. Ebensowenig werden Sie Patentrezepte für die Durch-führung einzelner Unterrichtsstunden finden. Ich kann abergarantieren, dass Sie – angeleitet durch die Vielfalt derBeiträge - Ihren Bildungsauftrag im Fach Informatik oderin anderen informatiknahen Schulfächern zu Ihrem Vor-teil reflektieren werden. Gehen müssen Sie die oft unsi-cheren Wege der Schulinformatik aber schon selber. Eswäre jedoch kein Zufall, wenn Sie nach Lektüre dieserCDA-Sonderausgabe etwas an Trittsicherheit gewinnenwürden.

Schulautonome Entwicklungen haben in den vergan-genen Jahren nahezu in allen Schultypen eine veritableInflation von computerbezogenen, schulinformatischen Un-terrichtsgegenständen ausgelöst. Dies ist nicht weiter ver-wunderlich, da vor allem berufsbildende höhere Schulenauf den wachsenden Bedarf an IT-Arbeitskräften durch eineverstärkte informatikbezogene Ausbildung reagiert haben.Das Werben um SchülerInnen unter dem Deckmantel vonNotebookklassen, E-Learning-Angeboten und weiterenSpezialangeboten lässt bisweilen den Verdacht einer„Fassadeninformatik“ aufkommen, in der die gut gemein-ten, aber manchmal zu hoch gesteckten Ziele nicht erfülltwerden (können).

Von den Ausprägungsformen informationstechnologischenUnterrichts, beispielsweise die Wirtschaftsinformatik und Of-fice Management in den HAKs, Technische Informatik undProgrammierkurse in den HTBLAs und Mediendesign in denHLWs, werden Sie auf den folgenden Seiten schon aus Grün-den des knappen Platzangebotes kaum etwas erfahren. Diespezifisch informatische Berufsausbildung tritt in dieser Son-derausgabe zugunsten von Überlegungen hinsichtlich grund-legender informatischer Bildung in den Hintergrund.

Ich lade Sie ein, mit mir einen gedanklichen Streifzugdurch das junge, dynamische, und noch lange nicht gefe-stigte Gebiet der Schulinformatik zu unternehmen, in demsowohl prominente Vertreter aus der Fachdidaktik als auchSchulpraktiker zu Wort kommen werden. Sie können dannihren eigenen Standpunkt mit der derzeitigen Situation derSchulinformatik vergleichen.

Die folgenden Beiträge sollen Ihnen vor allem für dasFach Informatik, aber auch für alle aus ihr abgeleitetenGegenstände in diversen Schultypen eine Grundorientie-rung geben.

Mir liegt viel daran, die permanente Diskussion überkurzlebiges Produktwissen im Gegensatz zu tiefer gehen-dem und langlebigem Grundlagen- und Konzeptwisseninsoweit zu moderieren, als es sich dabei um eine Dia-lektik handelt, der sich keine Informatiklehrkraft entzie-hen kann und – wie sie mehrfach in dieser Sonderaus-gabe erfahren werden – die auch Sie für einen gutenInformatikunterricht nutzbringend einsetzen können.

Ich kann nicht beurteilen, ob die Schulinformatik inÖsterreichs Bildungspolitik besser aufgehoben ist als inanderen vergleichbaren Staaten. Eine diesbezüglicheStudie oder objektive Überprüfung in Zeiten von PISAsteht noch aus. Jedenfalls ist in den letzten Jahren mitUnterstützung des zuständigen Ministeriums – aber vorallem dank vieler unermüdlicher Autodidakten, Avant-gardisten und Einzelkämpfer an den Schulen, denen ichan dieser Stelle meine Anerkennung und Bewunderungaussprechen möchte – aus Österreichs schulinformatischerLandschaft eine bunt blühende Wiese geworden. Gele-gentliches Unkraut in Form von unqualifiziertem Infor-matik-Unterricht soll den insgesamt positiven Gesamt-eindruck nicht schmälern.

Ebensowenig soll an dieser Stelle verschwiegen wer-den, dass durch die im kommenden Schuljahr in Krafttretende Stundenkürzung an vielen Schulen - beson-ders aber an den AHS durch die Abwahl des Wahl-pflichtgegenstandes Informatik und insgesamt durch dieBehinderung von Schulentwicklungskonzepten mit ver-stärktem IT-Angebot - der Schulinformatik ein Bären-dienst erwiesen worden ist. Aber das lässt sich korrigie-ren. Es soll die (schulinformatische) Wiese nicht aus-trocknen, sondern intensiver kultiviert werden, damitunsere künftigen SchülerInnengenerationen auf einedynamische Informations- und Wissensgesellschaftoptimal vorbereitet werden.

Mag. Peter Micheuz

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1 http://ddi.in.tum.de2 http://www.isb.bayern.de

Im Februar 2000 verkündete der bayerische Minister-präsident Dr. Edmund Stoiber, dass es an BayernsGymnasien ab 2003 ein Pflichtfach Informatik für alle

Schülerinnen und Schüler geben würde. Das zweistündi-ge Fach wird in den 6. Jahrgangsstufen (Altersstufe: ca.11 Jahre) aller Gymnasialzweige sowie in den 9., 10.und 11. Jahrgangsstufen des naturwissenschaftlich-tech-nologischen Zweiges (an ca. 50% aller Gymnasien an-geboten) eingerichtet werden. Darüber hinaus wird esnun endlich auch reguläre Grund- und Leistungskurse inInformatik (und damit auch ein Abiturfach) geben.

Natürlich traf der bayerische Ministerrat diese fol-genschwere Entscheidung nicht aus dem Stand, son-dern auf der Grundlage jahrelanger intensiver Vorar-beiten, die im Wesentlichen von der Technischen Uni-versität München in enger Kooperation mit dem Baye-rischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus ge-leistet wurden.

In diesem Artikel soll die Entstehung und die Konzep-tion dieses neuen Faches kurz skizziert werden. Eine voll-ständige Darstellung der Lerninhalte würde den Rahmendieses Beitrags sprengen. Auf meinen Webseiten1 findensich viele Unterrichtsbeispiele und Verweise auf konkreteAusgestaltungen. Die Lehrpläne finden sich auf den Sei-te2 des bayerischen Staatsinstituts für Schulpädagogik undBildungsforschung.

1. Die Entstehung des neuen FachesDer Informatikunterricht hat in Bayern eine lange und wech-selvolle Geschichte hinter sich. Von den ersten Ansätzen inden 60er Jahren über das breite Konzept der fächer-integrierten „informationstechnischen Grundbildung“ biszur Einführung eines Kollegstufengrundkurses „Informatik“Anfang der 80er Jahre wurde zwar viel erreicht, der ei-gentliche Durchbruch zu einem vollwertigen, regulärenPflichtfach gelang zumindest an unseren ca. 400 Gym-nasien jedoch nicht. Dafür hätte man einerseits das argu-mentative Sperrfeuer vieler Interessengruppen gegen dieInformatik im Unterricht unterlaufen und andererseits zu-sätzliche, starke Argumente gegen die übermächtige Lob-by der etablierten Fächer ins Feld führen müssen. Hierseien nur einige der gebetsmühlenhaft wiederholten Ar-gumente gegen ein Fach Informatik aufgeführt:

1. Die Informatik kann keine langlebigen Unterrichts-inhalte vorweisen.

2. Die Bedienung von Anwendungssystemen lernen dieKinder von selbst!

3. Informatik muss im Rahmen anderer Fächer unter-richtet werden, denn: computerunterstütztes Lernen sollsich schließlich nicht nur auf ein Fach beschränken.

4. Wozu müssen alle Schülerinnen und Schüler program-mieren lernen? Programmierkurse sind nicht allge-meinbildend!

5. Es gibt keine ausgebildeten Informatiklehrer.

Wer ein Fach Informatik einrichten wollte, musste die-se Argumente entkräften. In aller Kürze gelang uns dasfolgendermaßen (in der Reihenfolge der obigen Argu-mente):1. Hier lässt sich durch einen kleinen Blick auf den Kanon

der universitären Inhalte leicht das Gegenteil bewei-sen. Man muss dabei allerdings darauf achten, nichtin die Fallen von rein produktspezifischer Ausbildung(z.B. „Word 2000-Kurs“) oder starker Syntaxlastigkeit(bei Programmiersprachen) zu verfallen.

2. Dies gelang durch eine Abgrenzung: Informatik-unterricht beschäftigt sich stets mit (zumindest in ge-wisser Weise) abstrakten Systemen. Konkrete Systemedienen nur als Mittel bzw. Beispiel zur Veranschauli-chung allgemeiner Konzepte und stellen kein eigen-ständiges Lernziel dar. Wir behandeln z.B. dieDokumentenstruktur von Texten, wofür als Beispielsowohl das Format von Microsoft Word als auch dasvon Star-Office dienen kann. Die Menüstruktur einesWerkzeugs kann dagegen niemals der eigentlicheUnterrichtsgegenstand sein.

3. Auch hier half eine Abgrenzung: ComputerunterstütztesLernen thematisiert im Gegensatz zum Informatik-unterricht keine informatischen Fachkonzepte und kanndaher parallel zu diesem in allen anderen Fächernstattfinden. Leider ist noch nicht zu allen Verantwortli-chen durchgedrungen, dass sich die beiden Mög-lichkeiten („Computereinsatz in allen Fächern“ bzw.„dedizierter Informatikunterricht“) nicht gegenseitigausschließen, sondern im Gegenteil sehr gut ergän-zen.

4. Dieses Argument konnten wir durch die Instrumen-talisierung des Programmierens unterlaufen: Pro-grammieren und das Erlernen einer Programmier-sprache ist im Informatikunterricht nie Selbstzweck.Programme dienen stets der Implementierung vonModellen, um diese zu simulieren, zu validieren oder

Muss es gleich ein Pflichtfach sein?Die Konzeption des neuen Pflichtfachs Informatik an Bayerns Gymnasien

Prof. Dr. Peter HubwieserTechnische Universität München

Fakultät für Informatik

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zu veranschaulichen, kurz: „kein Programm ohneModell!“. Die allgemeinbildende Wirkung von Mo-dellierung ist dagegen seit langem weitgehend an-erkannt (Stichwort: Hilfe zur Strukturierung komple-xer Systeme, von der Steuererklärung über Reise-buchungen und Eisenbahnverkehr bis zum Börsen-handel).

5. Das letzte Argument packten wir direkt bei den Hör-nern: wir führten an der TU München und der FAUErlangen zwischen 1995 und 1998 drei Schnellkursedurch, in dem wir ca. 100 Lehrkräfte zum Staatsex-amen in Informatik führten. Danach gab es zumin-dest eine ausreichende Anzahl von Informatiklehrern,um eine fachlich qualifizierte Diskussion über das neueFach führen zu können.

Diese unsere Argumentationslinie beruhte letztlich aufdem didaktischen Konzept, das wir für das neue Pflicht-fach erarbeitet hatten. Eine ausführliche Darstellung desKonzeptes findet sich in [Hubwieser 2001]. Durchgehendgemeinsam ist den Konzeptionen aller Jahrgangsstufen,dass wir gleichzeitig Lernerfolge auf drei Schichten erzie-len wollen:

1. Systeme strukturieren: Mit Hilfe spezieller gra-fischer Modellierungstechniken (z.B. Datenfluss-,Objekt-, Automatendiagramme) soll die Fähigkeitzur Strukturierung und Beschreibung komplexer Sy-steme ausgeprägt werden. Im Anfangsunterrichtwerden ausschließlich Dokumente und automati-sierte Abläufe beschrieben (Texte, Grafiken, Pro-gramme), später auch andere Systeme aus denErfahrungswelt (Banken, Firmen, Steuererklärungen,etc.)

2. Werkzeuge beherrschen: Die o.g. Modelle wer-den möglichst sofort nach ihrer Erstellung implemen-tiert bzw. realisiert und damit ausgiebig simuliert undgetestet. Dazu werden Hard- und Softwaressysteme(Grafik-, Text- und Hypertextsysteme, Tabellen-kalkulationen, relationale Datenbanksysteme, Pro-

grammiersprachen, usw.) benutzt, deren Bedienungso in sehr zielgerichteter, aufgabenbezogener Weiseausgiebig eingeübt wird.

3. Technik verstehen: Während der Realisierung er-gibt sich an vielen Stellen Gelegenheit zu Tiefblickenauf technische Konzepte und Strukturen (Speicher, Pro-zessoren, Rechnerstrukturen, Betriebssysteme, etc.).

Entscheidend für den Erfolg des Unterrichtskonzeptes isteine möglichst feingliedrige Verzahnung dieser Ebenen(idealerweise im Rahmen von Unterrichtsprojekten), sodass beinahe ständig auf allen drei Ebenen gleichzeitiggelernt wird.

2. AnfangsunterrichtDer informatische Anfangsunterricht muss sich vor allemgegenüber der reinen Bedienerschulung, wie sie beispiels-weise an den Volkshochschulen oder auch in weiten Strek-ken des ECDL betrieben wird, abgrenzen (siehe Argu-mente 1 und 2 in Abschnitt 1). Einerseits muss der Unter-richt dabei in altersgemäßer Weise sehr handlungsorientiertsein, andererseits müssen die vermittelten Konzepte solanglebig sein, dass sie auch 13 Jahre nach dem Erler-nen beim voraussichtlichen Berufseintritt der Schülerinnenund Schüler noch relevant sind. Außerdem müssen sie einegewissen Übertragbarkeit und allgemein bildende Wir-kung besitzen, um mit den Inhalten klassischer Fächer wieMathematik. Physik, Geografie oder Deutsch konkurrie-ren zu können. Reine Technikfertigkeiten erfüllen diese Kri-terien keinesfalls. Dennoch muss in diesem Jahr auch einsolides begriffliches Fundament für den Computereinsatzin allen anderen Fächern gelegt werden (siehe auch[Hubwieser 2002]).

Diesen Anforderungen begegnen wir mit einer Mi-schung aus einer an Kreativität orientierten Anwendungvon Standardsoftware bzw. speziellen Programmiersyste-men (virtuelle Roboter) mit objektorientierter bzw. algo-rithmischer Modellierung der erzeugten Dokumente undProgramme.

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Die Tabelle auf Seite 5 stellt die strukturelle Entwick-lung der Lernkonzepte den dazu verwendeten Werkzeu-gen gegenüber.

Motiviert durch Einsparung von Schreibarbeit wirdeine kleine Pseudosprache eingeführt, anhand derer dieSchülerinnen und Schüler bereits hier eine typische Ar-beitsweise der Informatik kennen lernen: den Entwurfvon formalen (künstlichen) Sprachen:

Baum.Füllfarbe = rot

Dieser Anfangsunterricht wird seit dem Schuljahr 2000/01 jährlich in ca. 40 Klassen mit sehr großem Erfolg ge-testet.

3. Informatische MittelstufeIn der Mittelstufe (Jahrgangsstufen 9-11) spielt die Mo-dellierung allgemeiner Systeme die Hauptrolle. Dazu ler-nen die Schülerinnen und Schüler im Lauf dieser drei Jah-re eine Reihe von Modellierungstechniken, die jeweils be-stimmte Aspekte von Systemen beschreiben, kennen undanwenden. Im Gegensatz zur professionellen Software-entwicklung kann man jedoch nicht zuerst alle diese Tech-niken einführen, um danach das erste Programm zu schrei-ben. Zur Aufrechterhaltung der Motivation sowie zur Ein-übung der Techniken müssen sich im Gegenteil Modellie-rung und Programmierung möglichst kleinschrittig abwech-seln. Daher haben wir jeder Modellierungstechnik eine

bestimmte Implementierungsplattform zur Seite gestellt, mitder bereits das erste Modell realisiert und simuliert werdenkann. Im Einzelnen ergibt sich daraus der Ablauf wie inTabelle unten ersichtlich.

Ganz neu im gesamten Lehrplan der bayerischenGymnasien ist das große Projekt in der Jahrgangsstufe11 (Umfang ca. ein halbes Schuljahr), bei dem Aspektedes Projektmanagements im Lehrplan vorgeschriebenwerden. Es dient also nicht hauptsächlich zur Vermittlungvon anderen Lerninhalten (wie die bisher üblichenUnterrichtsprojekte, die als didaktische Methode verstan-den werden), sondern zur Übung in Projektplanung, -management und -durchführung unter besonderer Be-rücksichtigung der Erfordernisse von Softwareprojekten(Versionsverwaltung, Schnittstellen, Qualitätssicherungetc.). Demzufolge sollte die Projektleitung auch (zumin-dest überwiegend) von den Schülerinnen und Schülernübernommen werden.

4. Informatik in der OberstufeIn den neuen 3-stündigen Grund- und 5-stündigen Lei-stungskursen der 12. und 13. Jahrgangsstufen findensich Themen, die einerseits im Hinblick auf die Bildungs-ziele der Informatik am Gymnasium behandelt werdenmüssen, andererseits in den vorausgegangenen Jah-ren aus unterschiedlichen Gründen (mangelnde Voraus-setzungen etc.) nicht bearbeitet werden konnten. Die inden vorausgegangenen Jahren erlernten und eingeüb-

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Impressum:

Verleger: CDA Verlags- und Handelsges.m.b.H, A-4320 Perg, Tobra 9, Herausgeber: Univ.Prof. Mag. Peter Micheuz, Redaktionsanschrift: A-4320 Perg, Tobra 9,Tel.: (+43) 07262/57557, Fax: (+43) 07262/57557-44, e-mail: [email protected] Internet: http://www.cda-verlag.com, http://www.cd-austria.at/, http://www.voll-versionen.com, Richtung: Das Multimedia-Magazin für LehrerInnen und ErzieherInnen.

Manuskripte und Programme: Es wird keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte und Programme übernommen. Die Einsendung von Manuskripten jeder Art giltals Zustimmung des Verfassers zum Abdruck in den vom Verlag herausgegebenen Publikationen. Der Verlag behält sich das Recht vor, eingesandte Manuskripte nicht zu veröffentlichen.Eine Gewähr für die Richtigkeit der Veröffentlichung kann nicht übernommen werden. Für den Inhalt der Anzeigen haftet ausschließlich der Inserent, eine Prüfung seitens des Verlags erfolgtnicht!

Urheberrecht: Alle in den Publikationen des Verlages veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jegliche Reproduktion oder Nutzung bedarf der vorherigen, schriftlichenGenehmigung des Verlages. Der Verlag übernimmt keinerlei Haftung für eventuell auftretende Kosten oder Schäden, welcher Art auch immer. Für den Inhalt der Programme sind die Autorenverantwortlich.

ten Modellierungsfertigkeiten spielen bei der Beschrei-bung der Konzepte nun eine entscheidende Rolle. DerLehrplan im Überblick ist aus der Tabelle oben ersicht-lich.

5. AusblickDie Einführung des neuen Pflichtfaches stellte eine sehrmutige Entscheidung der bayerischen Staatsregierungdar. Wie gewagt dieses Unterfangen wirklich ist, zeigtesich bereits in den ersten Jahren der Vorbereitung:Unterrichtsmodelle müssen entwickelt, Schulversucheausgewertet, Lehrerinnen und Lehrer aus- und weiter-gebildet werden. Nicht zuletzt muss für eine geeignetetechnische Infrastruktur an den Schulen gesorgt werden.

Autor

Univ. Prof. Dr. Peter HubwieserLeiter des Fachgebietes "Didaktik der Informatik" ander Fakultät für Informatik der TU München, Vorstanddes Zentralinstituts für Lehreraus- undLehrerfortbildung der TU München,Präsidiumsmitglied der Gesellschaft fürInformatik (GI)E-Mail: [email protected]: http://ddi.in.tum.de

Hubwieser ist einer der führenden In-formatik-Fachdidaktiker in Deutschland und hat mitseinem Konzept, in Bayerns Gymnasien Informatik alsPflichtfach zu verankern, für Aufsehen gesorgt.

Literatur

Hubwieser P.: Didaktik der Informatik. Grundlagen, Konzepte und Beispiele. Springer Ver-lag, Berlin, Heidelberg, 1. Korrigierter NachdruckApril 2001. ISBN 3-540-65564-6

Hubwieser P.: Object Models of IT-Systems SupportingCognitive Structures in Novice Courses of Informatics.In: van Weert T., Munro R. (Eds.): Informatics andThe Digital Society: Social, Ethical and CognitiveIssues, IFIP TC3/WG3.1&3.2 Open Conference onSocial, Ethical and Cognitive Issues on Informaticsand ICT, July 22-26, 2002, Dortmund, Germany.IFIP Conference Proceedings 244 Kluwer 2003, ISBN1-4020-7363-1, pp 129-140

Diese Aufgaben belasten die damit betrauten Institu-tionen bis an ihre Leistungsgrenze, erschwert durch dieleeren Kassen der öffentlichen Hände, die eine Umset-zung ohne jegliche zusätzliche Personalausstattung erzwin-gen.

Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, dass diesesneue Fach zwar in den ersten Jahren etwas rau lau-fen wird, langfristig jedoch für Bayern einen enor-men Standortvorteil darstellt und den Freistaat damitauf seinem Weg zu einem international führendenZentrum für neue Technologien ein gutes Stück wei-terbringt.

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Werner HartmannETH Zürich

Braucht es in der Schule ein Fach Informatik? Reichtes nicht aus, wenn im Unterricht in den verschiede-nen Fächern der Computer als Werkzeug genutzt

wird und die Schülerinnen und Schüler nebenbei die fürden späteren Berufsalltag notwendigen Fertigkeiten im Um-gang mit den Informations- und Kommunikationstechno-logien (ICT) erwerben? Autofahren lernen wir ja auch nichtin der Schule! Auf den ersten Blick mag dieser Gedankeüberzeugen. Schnell stellt man aber fest, dass es zwischender Nutzung eines Autos und dem Stellenwert des Com-puters in der Informationsgesellschaft gewichtige Unter-schiede gibt. Will die Schule auf das Leben vorbereiten,dann braucht es zwingend ein Schulfach „Information undKommunikation“.

Informatik als Teil der AllgemeinbildungDie Informatik hat unsere Gesellschaft im Laufe wenigerJahrzehnte verändert wie kaum eine andere Wissenschaftzuvor. Fast jedermann nutzt heute Anwendungen wie Text-verarbeitung, Tabellenkalkulation oder Web-Browser. Umdiese Computer-Werkzeuge bedienen zu können, benötigtman im Gegensatz zu früher keine Programmierkenntnissemehr. Die effiziente und effektive Nutzung dieser Werkzeu-ge ist aber keineswegs einfach. Es genügt nicht, im richti-gen Moment die richtige Taste zu drücken. Die Ausbildungorientiert sich aber trotzdem oft genau an einer solchenShift-Ctrl-F7 Philosophie. Und Zertifikate bescheinigen denErwerb entsprechender Fertigkeiten. Dabei wissen wir alle,dass es nicht genügt, in der Schule nur das Einmaleins zuüben oder affenartig Prozentsätze von irgendwelchen Zah-len ausrechnen zu können. Mathematische Allgemeinbil-dung bedingt auch ein Verständnis für die einem Themazugrunde liegenden Konzepte. Wer nur Prozentsätze be-rechnen kann, aber nie ein tieferes Verständnis für die Pro-zentrechnung erworben hat, wird sich als Tourist nichts ah-nend über’s Ohr hauen lassen, wenn der Kellner zuerst 5%für das Gedeck, auf dem resultierenden Total 15% für denService und auf dem neuen Total noch 5% für die MwStdraufschlägt. Auch für die effiziente, tägliche Nutzung derInformatik-Technologien braucht es ein Verständnis dergrundlegenden Konzepte. Dieses Verständnis kann nichtspäter in der Hektik des Berufsalltages erworben werden,sondern muss als Teil der Allgemeinbildung in der Schulevermittelt werden. Fächer wie Mathematik, Physik oder Ge-schichte gehören zu den Grundlagen unserer Bildung. Heuteist der Umgang mit dem Computer neben Lesen, Schrei-ben und Rechnen eine weitere Kulturtechnik und muss eben-falls Eingang in der Bildung finden.

Konzeptwissen versus ProduktwissenDie Informatikausbildung hat sich in den vergangenenJahrzehnten immer stark an der aktuellen Technik ori-entiert. In eigentlichen Hauruck-Übungen werden im-mer wieder neue Ausbildungsgänge aus dem Bodengestampft und Zertifikate geschaffen. So ließen sich inden letzten Jahren Tausende von Interessierten zu Web-Designern und Web-Mastern ausbilden und müssen heu-te mitten in der Dotcom-Krise feststellen, dass ihr spezi-fisch auf einen Teilbereich der Informatik ausgerichtetesWissen nicht mehr groß gefragt ist. Die Frage liegt aufder Hand: Wie kann die Informatikausbildung aus die-sem Teufelskreis – angetrieben durch kurzfristige Ent-wicklungen – ausbrechen und langfristig nutzbares Wis-sen und Können vermitteln? Der Schlüssel zur Lösungliegt in einer stärkeren Gewichtung des Konzept-wissens. Etablierte Schulfächer wie Mathematik oderPhysik orientieren sich nicht an kurzfristigem Zweck-denken und trotzdem ist ihre Bedeutung für unsere Kul-tur und unser Leben unbestritten.

Der Mathematikunterricht beispielsweise verfolgt ver-schiedene Zielsetzungen. In den niedrigeren Schulstufenwerden „Skills“ vermittelt. Das Einmaleins, Bruchrechnen,einfache Prozentrechnung, der Vergleich von Größen undweitere Themen gehören zu den Fertigkeiten, die heutevon jedem Schulabgänger erwartet werden. Hierzu gibtes eine Parallele in der Informatik. Von heutigen Schulab-gängern wird erwartet, dass sie mit einer Textverarbeitungumgehen, per E-Mail kommunizieren und über das InternetInformationen beschaffen können. Die Versuchung istgroß, diese Fertigkeiten einfach im Stil „drill and practice“zu vermitteln. Wir wissen aber inzwischen aus den großeninternationalen Vergleichsstudien im Bildungswesen zurGenüge, dass ein rein auf den Erwerb dieser Fertigkeitenausgerichteter Unterricht keine nachhaltige Wirkung zeigt.Konfrontiert mit einer neuen, nicht trainierten Situation undschon liegt man mit seiner Prozentrechnung daneben. Einwirklich nachhaltiger Erwerb von Fertigkeiten setzt auchein Verständnis für die grundlegenden Prinzipien und Zu-sammenhänge der Mathematik voraus. In der Informatikist das nicht anders.

Die verschiedenen Stockwerke desInformatik-TurmsDie Struktur einer Wissenschaft umfasst verschiedeneSchichten. Jede Schicht baut auf den Errungenschaftender unteren Schichten auf. Bildlich kann man eine Wis-senschaft als Turm mit verschiedenen Stockwerken dar-stellen. Im untersten Teil befindet sich die Theorie, ab-strakt und ohne vertieftes Studium unverständlich. DieVersuchung ist groß, die unteren Stockwerke des Turms

Was unterscheidet ein Auto von einemComputer?

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zu vernachlässigen und oben einzusteigen. Ganz obenauf der Aussichtsplattform des Turmes hat man eine per-fekte Rundsicht. In der Ferne steigt der Dampf des Kühl-turms eines AKW empor und am Himmel fliegt ein neu-es Großraumflugzeug vorbei. Und alles fängt man mitwenigen Knopfdrücken mittels der digitalen Video-kamera ein. Hält man aber inne, wundert man sich überdie spezielle Form des Kühlturms. Man fragt sich, wiesich ein so schweres Objekt in der Luft fortbewegen kannund wie die vielen Bilder auf kleinstem Raum gespei-chert werden. Zur Beantwortung dieser Fragen muss mansich in die unteren Stockwerke des Turmes begeben.Ob man bei der Besichtigung des Turms zuoberst, ganzunten oder irgendwo dazwischen startet, ist unwesent-lich. Entscheidend ist einzig, dass man alle Stockwerkebesucht. Die Bedeutung der Theorie als Zugang zurPraxis gilt auch für die Informatik, ist aber noch wenigins Bewusstsein der Gesellschaft eingedrungen. 1995wurde im Informatik Spektrum der Informatikturm vor-gestellt. [Nievergelt, J.: Welchen Wert haben theoreti-sche Grundlagen für die Berufspraxis? Gedanken zumFundament des Informatik-Turms. Informatik Spektrum,18(6), 342-344 (1995)]

Ein riesiger Oberbau ist das Einzige, das die großeMehrheit der Informatikanwender aus der Ferne über-haupt sieht. Hier werden Informatiksysteme zur Lösungkonkreter Aufgaben eingesetzt, hier weht die Werbung,hier fließt das Geld.

Im zweitobersten Stockwerk ist eine moderne Fabrikuntergebracht, mit ihren Managern, Projektleitern, Soft-ware- und Hardware-Ingenieuren. Große Hardware-und Software-Komponenten, halb- oder ganzfertige Bau-steine, werden eingeliefert und gemäß voluminösen Spe-

zifikationen zu Standardsystemen zusammengesetzt.Gleich darunter ist der unscheinbare erste Stock sicht-

bar. Das Schild an der Haustür verkündet „al Khowa-rizmi“. Sein Name und Werk inspirierte die Wortschöp-fungen Algorithmus und Algebra. Hier arbeiten Einzel-kämpfer oder kleine Teams.

Im Erdgeschoss oder schon im Keller stößt man aufein mit Blumen gut verdecktes Refugium, das man kaumsieht. Nur selten hört man etwas aus dieser untersten Eta-ge, und es ist schon lange her, dass einige formal unent-scheidbare Sätze nach außen drangen.

In der Ausbildung, bei der Festlegung des Curriculumseines Informatikunterrichts, ist man unweigerlich mit den ver-schiedenen Stockwerken des Informatik-Turms konfrontiert.Die Ansprüche an eine zeitgemässe Informatikausbildungsind vielfältig. Zum einen erwartet man von Schulabgän-gern Fertigkeiten im Umgang mit Standardanwendungen.Hier geht es um Produktwissen, das bedingt durch die raschaufeinander folgenden Rochaden in den oberen Stockwer-ken nur eine geringe Halbwertszeit aufweist. Zum anderenerwartet man von Schulabgängern aber auch ein Verständnisfür die grundlegenden Prinzipien, auf denen unsere Infor-mationsgesellschaft aufgebaut ist. Ohne Konzeptwissen kannman den Einsatz und Nutzen von Informatiklösungen nichtbeurteilen. Anders ausgedrückt: Eine fundierte, allgemeinbildende und trotzdem praxisorientierte Informatikausbildungsetzt voraus, dass man den Informatikturm in seiner ganzenHöhe zumindest besichtigt.

Stetiger Trend nach oben imInformatik-TurmWirft man nun einen Blick zurück auf die letzten Jahrzehn-te der Informatikausbildung, so stellt man fest, dass die

unteren Stockwerke des In-formatik-Turms im Laufeder Zeit immer wenigerbesucht wurden. Man lan-det direkt auf dem Dachund bestaunt die immerfarbigeren Tools, welchehier marktschreierisch an-geboten werden. DieUnterrichtsinhalte sindWindows, Office, Multi-media, Internet usw. Nuran wenigen Schulen wirdein Abstecher in das zweit-oberste Stockwerk unter-nommen, und wenn,dann gibt man sichbewusst modern. KleineProgramme schreiben istuninteressant, Umgangmit großen Systemkompo-nenten ist „in“. Und vieler-

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orts möchte man den Computer als Unterrichtsgegenstandgleich ganz aus den Schulen verbannen. Es wird dieFächerintegration des Computers gepriesen. Es wird ar-gumentiert, Autofahren lerne man auch nicht in der Schu-le, genau so wenig müsse der Computer im Unterrichtthematisiert werden. Dabei unterscheiden sich dieComputernutzung und das Autofahren grundlegend. DasAuto hat nur einen Zweck, die Fortbewegung vom PunktA zum Punkt B. Der Computer ist ein Werkzeug mit einemsehr breiten Anwendungsspektrum. Beim Autofahren kön-nen nur wenige Parameter beeinflusst werden, hauptsäch-lich Gas, Bremse und Steuerrad. Im Gegensatz dazu istdas „Armaturenbrett“ einer modernen Textverarbeitungwie Word ein Vielfaches komplexer. Wer einen Autotypfahren kann, vermag recht einfach auf einen anderenAutotyp umzusteigen. Der Umstieg vom Release x.y aufRelease x.y+1 einer Textverarbeitung bedingt meistenseinige Stunden Einarbeitung. Und auch die Bedeutungvon Autofahren und Umgang mit Informatikmitteln ist ver-schieden: Man kann sich problemlos ohne Führerscheindurch das Leben schlagen. Ohne ein Grundverständnisfür ICT ist man schon beim nächst besten Billett- oderGeldautomaten überfordert.

Es braucht ein Schulfach InformatikAutofahren lernt man außerhalb der Schule, also könn-ten doch die Schülerinnen auch das „Computern“ au-ßerhalb lernen. Folgende drei Gründe sprechen für eineigenes Fach „Information und Kommunikation“:

1. Der Faktor Zeit: Die praktischen Fertigkeiten des Au-tofahrens lernt man in der Fahrschule in 20-30 Lek-tionen. Für die Vermittlung von Informatikkonzeptenist ein Fach mit mindestens 6 Jahresstunden nötig.Mit rund 250 Lektionen eine ganz andere Größen-ordnung!

2. Der Inhalt: Schulen haben den Auftrag, allgemein bil-dende, langlebige Inhalte zu vermitteln. Beim Auto-fahren geht es primär um reine Fertigkeiten. Der sinn-volle Einsatz von Informatikmitteln bedingt das Ver-ständnis von zahlreichen, grundlegenden Konzepten.Später „on the job“ bleibt dafür keine Zeit mehr.

3. Die Bedeutung: Die Beherrschung von Informatik-

mitteln ist neben Lesen, Schreiben und Rechnen in-zwischen eine weitere Kulturtechnik, die alle Schulab-gängerinnen beherrschen sollten. Man kann heuteproblemlos ohne Führerschein eine erfolgreiche be-rufliche Tätigkeit ausüben, nicht aber ohne gute In-formatik-Kenntnisse.

Wie präsentiert sich die Situation rund um die Nutzungvon ICT in den Schulen? Selbstverständlich versuchen dieSchulen im Rahmen ihrer begrenzten finanziellen Mög-lichkeiten den Anforderungen der Informationsgesellschaftgerecht zu werden und investieren einiges in den Aufbaueiner geeigneten Informatik-Infrastruktur. In der Termino-logie des Autofahren ausgedrückt, werden heute in denmeisten Schulen unzählige Tankstellen (Internetzugängein den Schulzimmern) gebaut. Dazu natürlich auch einStraßennetz (Vernetzung der Schulhäuser) und Autobah-nen (breitbandige Anschlüsse ans weltweite Netz). Undeiniges Geld wird in die Beschaffung neuer Autos (Per-sonal Computer) gesteckt. Kaum investiert wird hinge-gen in den Straßenunterhalt (Wartung) und in Auto-garagen (Informatik-Support). Und vielerorts fehlt es –wiederum in der Terminologie des Autofahrens – anFahrlehrerinnen. Kurz: Der Informatikunterricht an denSchulen ist immer noch eine große Baustelle. Deshalbbleibt das Wichtigste oft ganz auf der Strecke, geht in allden Bauarbeiten unter: Das Straßennetz ist erbaut, dieAutos sind angeschafft, aber eigentlich weiß niemand,wohin die Fahrt gehen soll.

Soll der bisherige Irrweg in der Schulinformatik be-endet werden, dürfen kurzfristige und zufällige Entwick-lungen nicht länger dazu verleiten, dauernd neue Wegeeinzuschlagen. Wie in anderen Fächern muss auch inder Informatik das Schwergewicht auf die Bildung, alsolanglebige Inhalte gelegt werden. Dazu braucht es eineigenständiges Fach „Information und Kommunikati-on“ mit einer Stundendotation wie andere klassischeSchulfächer. In diesem Fach erwerben Schülerinnenund Schüler das grundlegende Konzeptwissen für dieNutzung von Informatikmitteln. Jede Schulabgängerinmuss heute neben Lesen, Schreiben und Rechnen auchmit der Kulturtechnik „Computer“ vertraut sein. Auto-fahren kann man hingegen weiterhin nach der Schulelernen.

Autor

Dr. Werner Hartmann, InformationTechnology & EducationDepartement Informatik, ETH ZürichE-Mail: [email protected]: http://www.educeth.chDr. W. Hartmann leitet die Didaktikausbildung am De-partement Informatik der ETH Zürich. Mit EducETH be-treut er einen exzellenten Bildungsserver (siehe S. 30)

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1. Informatikunterricht –einige Aspekte aktueller DebattenMit der Einführung der informationstechnischen Grund-bildung auf der Basis von Festlegungen der Bund-Län-der-Kommission Mitte der 80-iger Jahre in Deutschlandwurde sicher ein wichtiger Schritt zur Nutzung des Com-puters in den verschiedenen Bereichen der Allgemeinbil-dung gegangen. Es besteht inzwischen vielerorts Kon-sens darüber, dass es notwendig war und ist, für einGrundverständnis der Computerbenutzung zu sorgen.Natürlich sollte man auch zur Kenntnis nehmen, dass diejeweiligen Anwendungen schnell veralten und damit eineBedienung der im Moment aktuellen Anwendung, dienach dem Ende der Schulzeit in der Regel so gar nichtmehr existiert, eben gerade kein ausreichender Inhalt ei-ner informatischen Bildung sein kann. Das ist insbeson-dere dann der Fall, wenn unter der Überschrift Compu-ter-Führerschein die Bedienung eines aktuellen Software-produkts im Vordergrund steht.

So sind integrative Ansätze vielleicht geeignet, dieUniversalität des Rechners deutlich zu machen, verde-cken aber sowohl die für den richtigen Einsatz eines solchmächtigen Werkzeugs erforderlichen Grundlagen alsauch die dafür in den Schulen oft nicht vorhandenenRahmenbedingungen. Es gibt bisher auch kaum Vorschlä-ge, wesentliche Teile der Mathematik innerhalb der Na-turwissenschaften zu unterrichten und es ist für die Be-handlung physikalischer Gegenstände doch nicht alleinwichtig, welche Resonanz sie gegenwärtig in der öffent-lichen Meinung besitzen, sondern welche physikalischenGrundprinzipien damit vermittelt werden. Ähnliche Über-legungen ließen sich für die anderen Naturwissenschaf-ten und sogar auch für die geisteswissenschaftlichen Fä-cher anstellen.

Entsprechende Kompetenzen sind allerdings noch beiden Lehrenden und bei den Lernenden zu erwerben. Dasmacht eine informatische Bildung und darin enthalten-den Informatikunterricht als Grundbestandteil der Allge-meinbildung erst recht notwendig. Es wird Zeit, die Infor-matik in der Schule nicht mehr nur auf das Erlernen einerimperativen Sprache einzugrenzen oder die Notwendig-keit des Faches an aktuell noch gültigen Plänen zu beur-teilen. So erwecken inzwischen multimediale Oberflächenund vorhandene Internetzugänge den Eindruck, dass dieNutzung neuer technischer Möglichkeiten in der Bildunglediglich eine Frage der modernen Ausstattung darstellt.Eine Verlagerung dieser grundlegenden Ausbildung in

Fächer und Projekte verlangt erst recht nach hoher tech-nischer Aktualität und größerem personellen Aufwand.Mit dem Blick auf die momentan vorhandenen finanzi-ellen Möglichkeiten bei den öffentlichen Haushalten istdies auf Dauer nicht zu leisten.

Mitunter wird der Standpunkt vertreten, dass es grund-legender Voraussetzungen für die Benutzung modernerStandard-Anwendungen eigentlich nicht bedarf. Im Ge-genteil erfordern die vielfältigen Systeme gerade gegen-wärtig eine grundlegende und systematisierende Bildungin der Informatik. Erst auf der Basis der Kenntnis vonWirkprinzipien von Informatiksystemen ist es sinnvoll, überMöglichkeiten und Grenzen von Computern zu diskutie-ren und deren gesellschaftliche Wirkungen im Informati-onszeitalter zu verstehen.

Schließlich ist auch die Diskussion um Inhalte vonSchulfächern und deren quantitative und qualitative Be-stimmung so alt wie die Schule selbst. Dabei hatten esneue Inhalte gewöhnlich schwer, sich durchzusetzen oderhaben sich bis heute nicht etablieren können.

Ein Anspruch an und der Nachweis von Bildung istauf diesem Gebiet auch keinen modernen Strömungenunterworfen, sondern kann die Substanz und auch dieKompetenzen vermitteln, die für ein Leben und Arbeitenin der künftigen Informations- und Wissensgesellschaftbenötigt werden. Eine in diesem Sinne allgemeine Bil-dung wird sich somit nicht an Oberflächen eines mo-mentanen Entwicklungsstandes orientieren, sondern wirddie Dinge genauer betrachten und Effekte hinterfragen,um so grundlegende Wirkmechanismen zu vermitteln.

Eine solche Auffassung umfasst eine Benutzung vonAnwendungen ebenso, wie die entsprechenden theoreti-schen und praktischen Grundlagen zur Methodik, Analy-se und Konstruktion von Informatiksystemen sowie dieAuswirkungen ihres Einsatzes. Schließlich ist es Anliegender Fachdisziplin Informatik, sich mit Hard- und Software,mit Organisation und Struktur von Informatiksystemen undderen Daten sowie mit Aspekten bei Nutzern und Betrof-fenen dieser Systeme zu beschäftigen. Sie ist in diesemSinne weder auf das Erlernen der Bedienung von An-wendungen reduzierbar, noch ist sie bloße Informations-technik.

2. Informatik - wirklich ein Schulfach?Diese Gesamtsicht auf eine informatische Bildung machtdie Komplexität in diesem Bereich deutlich und charak-terisiert unverzichtbare Bestandteile. Hinterfragt man indiesem Zusammenhang den Begriff der Bildung, kannman sich durchaus folgender Darstellung anschließen:

Informatik und PISAAnmerkungen zur Debatte um informatische Bildung und deren Notwendigkeit in der Schule

Steffen FriedrichTU Dresden

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„Erteilt man ihm (dem Menschen) jedoch eine grund-legende Bildung im Sinne einer ‚Allgemeinbildung’, wirder in den Stand gesetzt, auf solche Veränderungen, dievorher niemand voraussehen kann, durch Weiterlernenflexibel zu reagieren.“1

Dies impliziert Lernende natürlich auch hinsichtlich derInformatik in eine solche Position zu bringen, damit siekünftigen Anforderungen gewachsen sind, weiterlernen undflexibel reagieren können. Es liegt auf der Hand, dasseine lediglich an aktuellen Applikationen orientierteBenutzerschulung diesem Anspruch nicht gerecht wird. Sei-tens der Informatik und deren Anwendung im Fach gilt esallerdings, solche Themen deutlich herauszuarbeiten, dieden jeweiligen Bildungsanspruch auch erfüllen können.

Das soll an einem Beispiel zum Lernbereich „Präsen-tieren von Informationen“2 kurz gezeigt werden:

Der Unterricht soll vor allem dazu beitragen, den Schü-lern einen Einblick in die Unterstützung von Präsentatio-nen durch Informatiksysteme zu vermitteln. Anhand dervielfältigen Erfahrungen aus dem Alltag, aus dem bisheri-gen Unterricht im Fach Informatik sowie dem Unterricht inanderen Fächern dient dieser Lernbereich der Systemati-sierung des Vorwissens, der Ausprägung der informatik-bezogenen begrifflichen Grundlagen und Erarbeitung vonHerangehensweisen zur Auswahl bzw. zum effizientenEinsatz geeigneter Anwendungen. Eine besondere Rollespielen dabei die Möglichkeiten und Grenzen der Abbil-dung von Informationen auf Daten. Unter dem Aspektder Präsentation lernen die Schüler Grundlagen zur Struk-turierung von Informationen und verschiedene Verfahrenihrer Darstellung (in Abhängigkeit von den verwendetenMedien) kennen.

Bei Beachtung des zeitlichen Umfangs (am Beispieldes gültigen Lehrplanes in Sachsen) und der zu vermit-telnden Grundlagen könnte sich der Unterricht auf fol-gende Schwerpunkte konzentrieren:

� Grundlagen der computergestützten Präsentation� Darstellen von Informationen in Abhängigkeit der

Ausgabemedien� Planen, Erstellen und Verteidigen einer projekt-

artigen Aufgabe in selbständiger Schülerarbeit

Auf folgende Inhalte und Begriffe aus der Informatiksollte in diesem Lernbereich nicht verzichtet werden:� Strukturierung von Informationen (Daten), Verknüp-

fung von Objekten (aus unterschiedlichen Anwen-dungen)

� Dateiformate und zugehörige Anwendungen

� Austauschbarkeit und Konvertierung von Daten (Filter)� Realisierung von Layoutgestaltungen; Schutz von

Informationen (Urheberrechte; Datensicherheit)

Die Fokussierung auf die Präsentation von Informa-tionen macht es allerdings auch notwendig, dass zwi-schen den Gegenständen des Faches Informatik und dennotwendigen Voraussetzungen aus anderen Fächern (z.B.Deutsch, Kunst) differenziert wird. Vielleicht ist es auchhilfreich, fachübergreifende Abstimmungen so zu treffen,dass dieses Thema möglichst zeitnah in verschiedenenFächern behandelt wird. Das vereinfacht einerseits denUnterricht, weil Beispiele aus gerade behandelten The-men, sprachliche und gestalterische Entwürfe aus denFächern und die Realisierung von entsprechenden Prä-sentationen verteilt erfolgen könnten. Andererseits bestehtnatürlich immer die Gefahr, dass die eigentlichen fachli-chen Grundlagen aus der Informatik in den Hintergrundgeraten. Hier sind eine exakte Planung und die konkreteBeschreibung der Anforderungsstruktur notwendig.“ 3

Es bleibt für die Informatik die Frage, wie und warumsie als Schulfach in diese Strukturierung vorhandenerFächer neu einzuordnen ist. Im Sinne des genanntenAnspruchs an Bildung in einem Schulfach Informatik wer-den gerade solche Inhalte und Methoden vermittelt, diesich deutlich von denen anderer Fächer unterscheidenund zur Flexibilität bei der Bewältigung künftiger Anfor-derungen beitragen. Also steht mehr die Frage, dieGrundprinzipien der Informatik als Bildungsgut zu for-dern, die unabhängig von aktuellen Entwicklungen imBereich der Hard- und Software Allgemeingut für denAbsolventen der jeweiligen Schulart sein müssten. Dieaktuellen Bezugspunkte spielen dabei eher eine mittel-bare Rolle, zumal sie sich in der gegenwärtigen Zeit ge-rade auf diesem Gebiet sehr schnell ändern.

3. Informatische Bildung -Entwicklungsstufen als neuer Anfang!Ausgehend von Leitlinien zur informatischen Bildung4

wurden die im Rahmen der PISA-Studie in den BereichenMathematik und Naturwissenschaften ausgearbeitetenKompetenzstufen dahingehend untersucht, ob diese aucheiner ähnlichen stufenweise Darstellung informatischerBildung dienen könnten. Betrachtet man die dabei ge-fundenen Stufen zur informatischen Kompetenz5 genau-er, wird deutlich, dass diese ohne einen systematisieren-den Fachunterricht nicht erreichbar sind, sich aber auchnicht darauf beschränken.

In der Tabelle auf Seite 13 werden die Stufen zusam-menfassend über alle Leitlinien benannt, um in weiterenTabellen differenziert dargestellt zu werden.

1 Giesecke. Vom Sinn der Bildung. 1999 (http://home-t-online.de/home/hermann.giesecke)2 Orientierungsrahmen Informatik (Gymnasium) Sachsen - Klasse 8 (http://lehrer.sn.schule.de/~infogy/didaktik/lplan/or8_10.html)3 Handreichung „Gymnasium - Informatik - Klasse 8 bis 10“ (http://lehrer.sn.schule.de/~infogy/didaktik/lplan/or8_10.html)4 Gesamtkonzept informatischer Bildung der GI. Bonn, 20005 Friedrich. Informatik und PISA – zum Wohl und Wehe der Schulinformatik. INFOS’03 (unveröff.)

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6 Giesecke. Vom Sinn der Bildung. 1999 (http://home-t-online.de/home/hermann.giesecke)

Mit Blick auf die PISA-Studie wurde darauf verzichtet,diesen Stufen eine äußere Schulstruktur zuzuordnen, da dieBeschreibung des erzielten Abschlussniveaus den fachlichenAnspruch ausreichend charakterisiert. Es zeigte sich auchdass die genannten Leitlinien ein geeignetes Herangehendarstellen, um grundlegende Aspekte informatischer Bil-dung, wie Abstraktion, Problemlösung, Konzeptanalyse undStellung in der Allgemeinbildung zu strukturieren. Sie ste-hen somit für die Ganzheitlichkeit des Bildungsanspruchs,der durch die Betonung der Problemlösung („Algorithmen-konzept“) ebenso einseitig interpretiert wurde, wie es mög-licherweise durch die Betonung der Abstraktion („Model-lierungskonzept“) geschehen könnte.

Hinsichtlich der Stufung einzelner Leitlinien lassen sichin gleicher Weise einzelne Aspekte beschreiben und ver-gleichend darstellen. Anhand ausgewählter Punkte konntegezeigt werden, dass eine entsprechende Differenzierungfür die Leitlinien möglich ist und das didaktische Verständ-nis für die Unterrichtsinhalte bei Lehrern unterstützt.

Eine Ausarbeitung und Strukturierung informatischer Kom-petenzen kann sich als Basis einer Bildungsnotwendigkeit aufdiesem Gebiet erweisen, weil sie die scheinbaren Gegen-sätze zwischen Anwendungsbedienung und Grundlagen-wissen aufbricht. Bereits vor 20 Jahren waren diese Aspektedurch Entgegensetzung einer informationstechnischen Grund-bildung und des Informatikunterrichts Gegenstand der di-daktischen und schulpolitischen Debatte um das SchulfachInformatik, die der Positionierung dieses Faches in der Allge-meinbildung nicht gerade nützlich waren.

„Mit anderen Worten: Von ihren geistigen Qualitätenher könnten die Naturwissenschaften genauso wie dieMusik oder die Literatur zur Bildung gehören ... dochscheint dieser intellektuell-lustvolle Aspekt der Wissen-schaften kaum wahrgenommen zu werden. Der Grundfür diesen Mangel liegt unter anderem darin, dass es kamInstitutionen gibt, die Menschen so ausbilden, dass sieselbst jenes Vergnügen an den Naturwissenschaften er-fahren, das deren Schöpfern selbstverständlich ist. ...“ 6

Buchvorstellung

Prof. Dr. Steffen Friedrich ist zusammenmit Dr. Norbert Breier Herausgeber ei-nes interessanten Lehrbuches für denschulinformatischen Anfangsunterricht"Informatische Grundbildung", erschie-nen im Paetec-Verlag.

Autoren dieses lesenswerten,unterrichtspraktischen Werkes sind die beiden Herausge-ber des "LOGIN", der fachdidaktischen Fachzeitschrift fürdie Schulinformatik im deutschsprachigen Raum schlecht-hin, Bernhard Koerber und Ingo-Rüdiger Peters.

Link: http://www.log-in-verlag.de

In der aktuellen Ausgabe der ZeitschriftLOGIN (Nr. 122/123) sind auch dreiösterreichische Beiträge (Mittermeir,Caba, Micheuz) zu finden. Alle drei Autoren haben auchBeiträge für diese Sonderausgabe beigesteuert.

Autor

Univ. Prof. Dr. Steffen FriedrichTU Dresden, Institut für InformatikVorsitzender der Gemeinsamen Kommis-sion Lehrerbildung (GKL) an der TU Dres-den, verantwortlich für Lehrerbildung ander Fakultät InformatikGI-Fachausschuß 7.3 (Mitglied)

E-Mail: [email protected]: http://dil.inf.tu-dresden.deFriedrich ist Initiator der Königsteiner Fachgespräche, ei-nem informellen Treffen führender Informatik-Fach-didaktiker im deutschsprachigen Raum, das heuer zum10ten Mal stattgefunden hat. http://koenigstein.inf.tu-dresden.de/

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Vermittlung von Modellierungsfähigkeit ist ein Haupt-ziel anspruchsvoller Mathematik-Didaktik wie auchmoderner Informatik-Didaktik. Dennoch unterschei-

den sich die beiden Fächer in den Möglichkeiten, Jugendli-chen diese Fähigkeit zu vermitteln. Ausgangspunkt sind wohlin beiden Fächern Textaufgaben. Dabei ist freilich zu be-achten, dass nicht jede Textaufgabe geeignet ist, dieses Zielzu erreichen. Ebenso reicht es nicht, von Schülern zu verlan-gen, ein bestimmtes Szenario in UML [1, 2] zu beschreiben.Kern der Modellierung ist doch letztlich die Überführung ei-nes (möglichst) realen vielschichtigen nichtformalen Problemsin eine formale Beschreibung der als wesentlichst erachtetenAspekte, sodass durch Bearbeitung des formalen ModellsRückschlüsse auf die Realität gezogen werden können bzw.eine Wirkung in der Realität erzielt werden kann.

Hierbei unterscheiden sich freilich Mathematik- und In-formatik-Unterricht. Der Einsatz eines Modells im Mathe-matik-Unterricht muss sich letztlich auf eine Berechnungbeschränken. Die Transformation der Realität über dieZwischenstufen einer Textaufgabe und einer zugehörigen(algebraischen) Formalisierung endet in der Berechnung.Niemand kann verlangen, dass die Ergebnisse der Be-rechnung durch Bau einer Brücke, Spannen eines Seils,Verladen von Holz, etc. überprüft wird. Anders im Informa-tik-Unterricht. Hier führt der Weg vom formalen oder halb-formalen Modell zur Implementierung in einer entsprechen-den Programmiersprache oder in einem entsprechendenEntwicklungssystem (Tabellenkalkulation, Datenbanksystem,...). Diese Implementierung sollte nicht in der Schubladeverschwinden. Sie kann genutzt werden, um ausgeführt zuwerden, und zwar in einer Form, die über billiges „es-funk-tioniert-(manchmal)“-Testen hinausgeht. Vielmehr ist esmöglich, mit dem fertigen Programm/System zu experi-mentieren und so Implementierung und Modell zu evaluie-ren. Die Kette Realität – Modell – Implementierung – Wir-kung auf die Realität bzw. in der Realität kann somit zueinem Kreis geschlossen werden.

Durch diese Art des „round trip engineering“ kann derUnterricht nicht nur lebendiger und anschaulicher werden.Die Rundreise ermöglicht es auch Schülerinnen und Schü-lern, den Wert der Modellierung anschaulich zu demonstrie-ren. Man muss ja nicht die unterschiedlichen Modelle vorImplementierung zu einer gemeinsamen Standardlösungkorrigieren. Anfängern ist es ohnehin schwer klar zu machen,worin der Unterschied zwischen einem guten und einemschlechten Modell liegt. Gegen: „Mein Modell kann dochauch ...“ ist nicht immer leicht zu argumentieren. Lässt man

Modell – Experiment – ValidierungEine Herausforderung für den Informatik Unterricht

aber unterschiedliche Modelle implementieren, ist es einLeichtes, experimentell zeigen zu lassen, warum so mancherEntwurf leistungsfähiger war als ein anderer.

Freilich ist zu berücksichtigen, dass es Zeit benötigt, die Rund-reise auch zu Ende zu gehen und darüber hinaus die Ergebnis-se der Modell- und Implementierungsevaluation noch mit derKlasse zu diskutieren sind. Doch diese Zeit ist nicht verloren! Ist esnicht ein übergeordnetes Ziel jeden Unterrichts, die Jugendli-chen zu urteils- und kritikfähigen Staatsbürgern zu erziehen. Dieswird nur schwer gelingen, wenn sie stets nur Subjekt der Beurtei-lung sind. In der Evaluation des Experiments werden sie selbstzu Urteilenden und können so auch leicht erkennen, dass esneben jenem Kriterium, das im Experiment geprüft wurde, wohlauch noch andere Kriterien geben wird, anhand derer dieQualität unterschiedlicher Lösungen beurteilt werden kann.

Moderne Informatik-Didaktik ruft nach Objektorientierungund daher beim Schlagwort Modellierung wohl nach UML.Ich widerspreche nicht, wenn der Unterricht bereits jenes Ni-veau erreicht hat, auf dem diese Konzepte lehrstoff- undschüleradäquat eingesetzt werden können. Doch Modellierungist weiter zu sehen und nicht immer muss man zu solch ausge-reiften Mechanismen greifen, um den Wert von Überlegun-gen auf Modellebene zu demonstrieren. Manchmal genügtes auch, zur Motivation effizienter Algorithmen analogistischeModelle zu präsentieren. Dies kostet kaum Zeit, erlaubt aberdennoch alternative Implementierungsformen, die bewertet unddiskutiert werden können.

Die Umsetzung dieses didaktischen Konzepts möchte ichvorerst im Kontext von Suchalgorithmen beschreiben. Selbst-verständlich kann man argumentieren, dass Binärsuche imallgemeinen Fall effizient ist. Man kann es sogar berechen.Anschaulich ist das aber nicht. Wie wäre es, die Suche imTelefonbuch als Modellfall zu nehmen? Das Anwendungs-gebiet ist selbst Jüngsten vertraut. Als Modellalternativen bie-ten sich an:

a) Ziehen der gewünschten Telefonnummer aus einer Urne(Zylinderhut) in dem sich alle Telefonbucheinträge in zuKügelchen gerollter Form befinden (man könnte diesja zu einer Silvesteraufgabe machen).

b) Lesen des Telefonbuchs von der ersten Seite weg, bisder gewünschte Anschluss gefunden ist.

c) Beschreibung des Verfahrens, mit dem Sie nach einemEintrag suchen.Lösung a) und b) lassen sich problemlos implementieren.Lösung c) wäre aufwändiger. Sie ist eigentlich nicht„computergerecht“. (Warum?). Also versuchen wir Lö-sung c) so zu transformieren, dass sie ihre wesentlichenEigenschaften behält, aber algorithmisch einfacher wird.

Roland MittermeirUniversität Klagenfurt

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Daraus entsteht wohl problemlosd) die Binärsuche.

Als Querbeziehung zum Mathematikunterricht kann mannoch die algorithmische Komplexität der Verfahren a)b) und d) berechnen und letztlich können unterschiedli-che Gruppen die einzelnen Verfahren implementierenund anschließend instrumentieren, um so festzustellen,wie weit sich das gemessene Verhalten der jeweiligenProgramme mit dem berechneten deckt.

Klassisches Feld für Modellierungsaufgaben findet manselbstverständlich im Datenbank-Bereich. Hier bieten sichauch Querbeziehungen zu nahezu jedem beliebigen an-deren Unterrichtsfach an. So ließen wir etwa einmal eineDatenbank historischer Persönlichkeiten [3] erstellen. Dasshistorische Persönlichkeiten die Attribute Familienname, Vor-name, Geschlecht, Funktion oder Titel (Zuordnung zu ei-nem Wissensgebiet), Beruf, Geburtsjahr, Sterbejahr, Ge-burtsort hatten, war soweit klar. Ob man eine Identifikation(Personen-Nummer) benötigt, war schon nicht so klar. Je-denfalls reichte dies um eine einfache Tabelle füllen zu las-sen. Dabei traten erste Probleme auf: Welchen Familien-namen soll man für Maria Theresia eingeben? Welchenbei Euklid? Bei Daniel Bernoulli wurde Mathematiker undArzt gefunden. Was machen wir mit den laufenden Num-mern (Franz I, Franz II) und was, wenn neben Franz I vonÖsterreich auch noch Franz I von Frankreich aufgenommenwerden soll. – Ad hoc Lösungen findet man immer, dochhalten sie? Allein das Befüllen der Datenbank zeigte, wiebedeutsam es gewesen wäre, all diese Fragen auf Modell-ebene zu klären, und nicht durch Veränderung der Daten-bank zur Abdeckung neu aufzunehmender Datensätze einschon befülltes Datenbank-Schema mühsam nachführen zumüssen. Freilich ergeben sich Modelländerungen nicht nuraus dem unveränderten Betrieb der Datenbank. Es ist dochfair, nachdem alles funktioniert, auch noch zu fordern, dassdie Datenbank sagt, wer mit wem verwandt ist. Spätestensan dieser Stelle stolpern wir über das, was in der Daten-bank-Theorie Normalisierung genannt wird und spätestensan dieser Stelle erkennen wir auch den Wert eines halb-formalen Modells. Entity-Relationship-Modellierung reichtfür diese Fragestellungen aus. Ob man UML verwendetund sich dabei auf jene Teile der UML-Statik beschränkt,die auch in ER ausdrückbar wären, hängt vom weiterenProgramm ab, das man mit dieser Klasse vor hat.

Etwas anspruchsvoller als bei den historischen Persön-lichkeiten gestaltete sich die Modellierungsdiskussion bei derRealisierung einer Literaturdatenbank. Gewünscht war dieBeantwortung von Fragen nach einem Autor (oder Quelle)zu gegebenem Werk bzw. auch die Ausgabe aller Werkeeiner bestimmten Autorin. Doch ein „Test“ des Modells zeig-te rasch, dass dies so einfach nicht sein wird. Was ist mitAutorengemeinschaften, was mit Sammelbänden, mit Auf-sätzen in Fachzeitschriften, mit Mehrfachauflagen, etc.

Ich spare an dieser Stelle klassische Modellierungs-beispiele von Anwendungssystemen aus. Diese liegen oh-nehin auf der Hand. Wesentlich war mir aber zu zeigen,

dass Modellierung mehr sein kann als die Vorstufe zur Im-plementierung, die aufgrund der Einfachheit von schulischenAufgaben, viele Schülerinnen und vor allem Schüler ohnehinschon vorab im Kopf haben. (Hier habe ich bewusst nichtgeschlechtsneutral formuliert. Burschen scheinen eher zurBastellösung zu neigen als die in technischen Belangen et-was prinzipengeleiteteren Mädchen). Modelle bieten eineBasis der Bewertung nach vielfältigen Kriterien und sie bie-ten vor allem eine Basis für effiziente Kommunikation inner-halb der Klasse über unterschiedliche Lösungen. Dies solltedidaktisch genutzt werden. Wesentlich ist freilich, dass nichtnur ein einziges Modell erarbeitet wird, das dann imple-mentiert wird. Die Klasse muss Modellvarianten erstellen, diediskutiert und bewertet werden sollten. Aus der Implementie-rung und aus einem entsprechend gestalteten Betrieb lässtsich dann erkennen, das die Bewertung auf Modellebenekeine Marotte der Lehrperson ist, sondern ein entscheiden-der Faktor für den Projekterfolg ist.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass durch dieModell-Diskussion, Modellbewertung und das anschließen-de Experiment auch übergeordnete Bildungsziele erreichtwerden. Schließlich wollen wir den Jugendlichen doch nichtvermitteln, dass Informatik die Kommunikation mit einerMaschine ist. Informatik ist die Kommunikation überinformationstechnische Lösungen zwischen Menschen unddie Umsetzung dieser Lösungen auf Maschinen.

Literatur[1] Rumbaugh J. Jacobson I., Booch G.: The Unified

Modeling Language – Referance Manual; AddisonWesley, 1999.

[2] Hitz M., Kappel G.: UML @ Work: Von der Ana-lyse zur Realisierung; 2. Aufl., dpunkt.verlag, 2003.

[3] Mittermeir R., Kofler E.: Informatik-Einführungs-unterricht für Lehramtskandidaten mit besondererBerücksichtigung geisteswissenschaftlicher Fächer;in: C. Hüffel, A.. Reiter (Hrsg.): Praxis der EDV/Informatik, Reihe: Schule und Erziehung, Jugend& Volk, 1996, pp. 327 - 339.

Autor

Univ. Prof. DI Dr. Roland MittermeirInstitut für Informatiksysteme, Uni-versität KlagenfurtE-Mail: [email protected]: http://www.ifi.uni-klu.ac.at/ISYS/RM/Staff/Roland.Mittermeir

Mittermeir war maßgeblich an der Einführung des Lehr-amtstudiums Informatik und Informatikmanagement ander Universität Klagenfurt beteiligt und hat neben sei-nen vielen Funktionen im Universitätsbetrieb auch eini-ge Beiträge zur Schulinformatik publiziert.

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Erich NeuwirthUniversität Wien

Excel und VBAEin universeller Werkzeugkasten für didaktische Zwecke

Gehen Sie zu einem beliebigen Rechner ineiner Schule oder einem Büro und Sie fin-den fast mit Sicherheit zwei Programme instal-

liert: Microsoft Word und Microsoft Excel. Dass Textverar-beitung ein Hilfsmittel ist, das in nahezu allen Gegenstän-den sinnvoll eingesetzt werden kann, ist mittlerweile keineFrage mehr. Dass Ähnliches auch für Tabellenkalkulation(also insbesondere für Excel) gilt, ist aber in der Fachdidaktik- und zwar sowohl in Theorie als auch in der Praxis - nochnicht allgemein anerkannt.

Wir wollen uns in diesem Artikel mit drei verschiedenen

Themenkreisen beschäftigen, in denen Excel didaktisch er-giebig eingesetzt werden kann:

� Berechnungen� Datenanalyse� Informatische Lerninhalte

Die Bedeutung der Tabellenkalkulation nimmt in der Ma-thematik-Didaktik noch nicht den Stellenwert ein, der ihr(nach Meinung des Autors) zusteht.

Ein BeispielStellen sie sich folgende 10x10-Tabelle vor. Die ersteSpalte enthält lauter Einser. Der Rest der ersten Zeile ent-hält lauer Nullen. An allen anderen Stellen steht die Sum-me der Zahlen aus der Zelle unmittelbar darüber und ausder Zelle links darüber.

Diese Beschreibung ist (hoffentlich) einfach und verständ-lich, und sie lässt sich mit Excel unmittelbar umsetzen.

Wenn man das in klassischer mathematischer Schreib-weise ausdrückt, sieht es so aus:

Es ist ziemlich einleuchtend, dass die verbale Beschrei-

bung wesentlich einfacher verständlich ist als die (rekursi-ven) Formeln. Beide Beschreibungen drücken aber genaudieselben Beziehungen aus.

Was wir da gerade beschrieben haben sind die Bino-mialkoeffizienten, die eigentlich der höheren Mathematikzugerechnet werden. Die verbale Beschreibung ist deswe-gen so einfach, weil so selbstverständlich Begriffe wie „dieZelle darüber“ und „die Zelle links darüber“ verwendetwerden. Diese Begriffe waren bisher in der mathemati-schen Schreibweise nicht „zugelassen“. Im Rahmen derTabellenkalkulation sind das aber nicht nur informelle Be-schreibungen sondern tatsächlich die Formeln, die mandann in Excel auch tatsächlich eingibt.

In absehbarer Zeit werden für Excel auch Computer-algebra-Systeme verfügbar sein, z.B. YACAS (Yet AnotherComputer Algebra System).

Bereits jetzt lassen Formularelemente wie Buttons, Ein-gabefelder und Schieberegler interaktive Animation zu.Das ist fast nirgends so einfach wie in Excel, und schonallein deswegen sollte man Excel (oder ein anderes gleichleistungsfähiges Tabellenkalkulationsprogramm) auf jedenFall im Unterricht verwenden.

Abgesehen von vielen Funktionen ist Excel aber auchein sehr leistungsfähiges Datenbank- und Auswertungspro-gramm. Die Verwaltung von Datenlisten ist einfach unddie Vermittlung vieler Grundbegriffe aus dem Datenbank-bereich (Datensatz, Feld, Sortieren, Filtern, ... ) ist anschau-lich vermittelbar. Damit lassen sich in vielen Unterrichtsfä-chern konkrete Projekte durchführen. Z.B. Taufbücher dereigenen Gemeinde zu erfassen und dann nach Berufenund Wohnorten der Eltern auszuwerten, wäre eine konkrete(interdisziplinäre) Anwendung. Im Internet gibt es reichlichDaten über wirtschaftliche und soziale Bedingungen in ver-schiedenen Ländern. Damit kann man in Geografie selbstLändervergleiche durchführen. Eine sehr gute Website zudiesem Thema biete das US Bureau of Census, http://www.census.gov. Daten über Österreich in computer-verarbeitbarer Form gibt es bei Statistik Austria, http://www.statistik.at.

Techniken wie die die Anwendung von Pivot-Tabellen(Kreuztabellen) machen Excel zu einem leistungsfähigenAnalyseinstrument, mit dem man Daten nach mehrerenMerkmalen gleichzeitig gliedern und statistische Maßzahlenberechnen kann.

Die ganz wichtige didaktische Botschaft bei diesem Ein-satz von Excel ist, dass man bei statistischen Analysen nichtdarauf angewiesen ist, dass jemand anderer (ein Experte)die interessanten Auswertungen macht, sondern diese Ana-lysen selbst durchführen kann.

Mit Hilfe der Datenbankfunktionen und der Pivot-Ta-bellen kann man in Excel alle Aufgaben, bei denen es umsystematisches Erfassen und Auswerten geht, sehr einfachdurchführen. Anwendungen sind in vielen verschiedenenFächern denkbar. Im Sprachunterricht könnte man Vokabel-listen nach Lektionen des Lehrbuchs und Wortarten glie-dern und dann gezielt Wortlisten als Lernhilfen für einzelneWortarten erstellen.

Die Datenbank-Funktionen von Excel sind sehr umfang-reich. Es besteht fast kein Grund, im didaktischen Einsatzein spezialisiertes Datenbankprogramm einzusetzen, vielenormalerweise auftretenden Fragen und Probleme lassensich mit Excel beantworten.

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Autor

Ao. Univ. Prof. Dr. Erich NeuwirthE-Mail:[email protected] tp://mailbox.univie.ac.at/erich.neuwirthhttp://sunsite.univie.ac.atNeuwirth ist der Öffentlichkeit vor allem als Statistik-professor bekannt, Insidern als "Mr. Excel" und ist ander Universität Wien auch im Bereich des Lehramts-studiums Informatik und Informatikmanagement tätig.

Nun aber zu dem Thema, das vielleicht am überra-schendsten ist. Mit Excel lassen sich auch praktisch alle Fra-gen des Informatik-Unterrichts behandeln, und zwar in sehrverschiedenen Darstellungsformen.

Schon das Tabellen-Modell mit automatischer Neu-berechnung ist sehr ergiebig. Funktionsiteration und vorallem Rekursion gelten in der Regel als eher anspruchs-volle Konzepte. Wenn man in Excel in einer Zelle eineFormel erstellt, die aus der Zahl in der Zelle darübereinen neuen Wert berechnet und diese Formel dann nachunten kopiert, dann hat man mit diesen Begriffen ganzselbstverständlich hantiert. Eine Vielzahl von Aufgaben,die Thema des Informatikunterrichts sind, können sehr ef-fizient und elegant im Tabellenkalkulationsmodell be-handelt und bewältigt werden.

Excel bietet aber noch mehr. Haben sie schon ein-mal die Tastenkombination Alt-F11 gedrückt? Wenn siedas tun, dann starten sie die VBA-IDE (also dieProgrammierentwicklungsumgebung für Visual Basic forApplications). VBA ist keine Sparversion einer Program-miersprache, es handelt sich um eine augereifte Pro-grammiersprache mit allen üblichen Konstrukten (inklu-sive Rekursion) und zusätzlich einem sehr umfangreichenObjektsystem. Praktisch alles, was man in anderen Spra-chen und Implementationen wie Pascal (Delphi) oderauch Python machen kann, ist auch in VBA möglich.Alle üblichen Einführungskurse ins Programmieren kannman daher auch in Excel abwickeln. Es gibt noch dazueinige weitere Vorteile. Die Ausgaben von Programmen(immer eine sehr mühselige Angelegenheit) kann manin eine Tabelle schreiben, dadurch wird Formatieren vieleinfacher. Es gibt viele User-Interface-Elemente, man kannauf Mouse-Events reagieren usw. Besonders ergiebig sindProjekte, die Tabellenkalkulationsmodelle mitprozeduraler VBA-Programmierung verbinden. Ein schö-nes Beispiel ist das „Game of Life“. Zur Erinnerung. DasSpiel findet auf einem karierten Blatt (also einer Tabelle)statt. Manche Zellen leben (sind markiert), alle anderenZellen leben nicht. Wenn ein Zustand (eine Generation)gegeben ist, wird daraus die nächste Generation er-rechnet. Jede Zelle mit genau 3 lebenden Nachbarnlebt in der nächsten Generation. Eine lebende Zelle mitgenau 2 lebenden Nachbarn lebt auch in der nächstenGeneration. Alle anderen Zellen sterben. Die entspre-chenden Formeln sind sehr leicht in Excel zu im-plementieren. Zusätzlich ist es sehr angenehm, wenn mandie Ausgangskonfiguration mit der Maus erzeugen kann.Das ist in VBA mit ca. 10 Zeilen Code möglich.

Codeentwicklung mit VBA ist auch aus einem weiterenGrund sehr lehrreich. Es gibt einen Lernmodus (also einenMakro-Recorder). Man „führt Excel vor“, was man ma-chen möchte, und Excel erzeugt den VBA-Code, der ge-nau das macht. Diesen Code sieht man sich an, und mei-stens sieht man dann, was man noch ändern möchte. Man

verfeinert also den Code (Stepwise refinement ist eine wich-tige Technik der Programmierung). Wenn man das macht,erkennt man auch, welche Teile des Codes man gerneparametrisieren möchte, man lernt also aus einer konkre-ten Handlung das allgemeine Handlungsmuster heraus-zudestillieren, ebenfalls eine sehr wichtige informatischeFähigkeit.

Solche Projekte haben neben der Vermittlung „kern-informatischer“ Inhalte noch einen weiteren ganz wichtigenEffekt: wir vermitteln die Botschaft, dass Standardsoftwareden eigenen Bedürfnissen angepasst werden kann. VBA nichtnur Skriptsprache von MS-Office, sondern z.T. auch bei CAD-Software im Einsatz. Die Verwendung dieses Werkzeugs imInformatikunterricht vermittelt daher Fertigkeiten, die unmit-telbar nutzbringend eingesetzt werden können.

Die meisten Firmen, die heutzutage mathematischeBerechnungen durchführen, machen das mit Excel. Excelist mittlerweile d a s Programm für Anwendungen der nu-merischen Mathematik geworden. Das spiegelt die Alltags-praxis der Schule aber noch nicht wieder.

Excel-Kenntnisse sind also auf dem Arbeitsmarkt sehrgefragt. Es ist natürlich nicht primäre Aufgabe der Schule,ausschließlich auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Fertigkei-ten zu vermitteln. Wenn man aber einen Weg findet, zen-trale Informatik-Konzepte an Hand eines Werkzeugs zuvermitteln, dessen Kenntnis auf dem Arbeitsmarkt sehr ge-fragt ist, dann ist das eine Situation, die man sich öfterwünschen würde. Dann gelingt es uns nämlich, die beidenzentralen Aufgabe der Schule, Bildung und Ausbildung,miteinander zu verbinden.

Die Verwendung von Excel vermittelt noch eine weite-re wichtige Botschaft. Auch in so abstrakten Fächern wietheoretischer Informatik und Mathematik kann man mitjener Software arbeiten, die auf (fast) jedem Arbeitsplatz-rechner installiert ist. Es sind keine Spezialwerkzeuge not-wendig, die außerhalb der Fächer und der Schule wenigVerbreitung haben. Wir verbinden also das Alltagslebenund die Alltagserfahrungen mit dem, was wir in der Schu-le lernen.

Verschiedene Projekte zum Einsatz von Excel finden Sieauf http://sunsite.univie.ac.at/Spreadsite/.

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Karl Fuchs

Sicherlich überrascht die Frage ‚Schulinformatik quovadis?’ zunächst, aber dies ist beabsichtigt und ichmöchte auch eine Rechtfertigung und Motivation

für meine provokante Frage geben.

BestandsaufnahmeAn welchen Inhalten, welchen didaktischen Konzeptenorientiert sich die Schulinformatik? Natürlich am Lehr-plan wird die erste Antwort lauten, er gibt doch verbind-lich Bildungsziele, didaktische Grundsätze und Lehrstoffvor. Nun weiß ich aber aus meiner fast zwanzigjährigenTätigkeit als Informatiklehrer, dass der aktuell gültige Lehr-plan aus Informatik dem Lehrer einen großen Interpre-tationsspielraum lässt. Engagierte Kollegen füllen die-sen auch im besten Sinn für ihre Schüler. Daneben gibtes aber Kurse, in denen ein Minimalprogramm ange-boten wird.

Diese Angebotsbreite hat eine Ursache sicherlich inder spezifischen Situation der Lehrerausbildung in Öster-reich, gibt es doch erst seit ungefähr drei Jahren dasLehramtsstudium aus Informatik und Informatik - Ma-nagement an österreichischen Universitäten. Seiner-zeitige Ausbildungs- und Fortbildungsangebote aus In-formatik an Universitäten und Pädagogischen Institu-ten wurden von den Lehrern in höchst unterschiedlicherWeise genützt.

Ausgelöst durch Profilbildungen und Schwerpunkt-setzungen an einzelnen Schulen wurden zusätzlichSpeziallehrgänge an den Pädagogischen Instituten undErwachsenenbildungseinrichtungen eingerichtet.

Bei aller Berechtigung, ja Notwendigkeit von Spezial-angeboten für unsere Schüler, so trugen doch auch die-se Kurse wesentlich dazu bei, dass die ‚bunte Wiese’im allgemeinbildenden Unterrichtsfach Informatik,durch diese Schwerpunkte beeinflusst, noch bunter wur-de und wird.

Will man also die Stellung des Unterrichtsgegen-standes als selbstständiges Fach sichern und argumen-tieren, so wird man die Frage stellen müssen: Gibt esin dieser Vielfalt so etwas wie Grundprinzipien oderintegrierende Ideen? Zeitlose Ordnungsprinzipien her-auszufinden und zu benennen gehört wohl zu denschwierigsten Aufgaben des Didaktikers, denn bei die-sen Ideen handelt es sich nicht nur um einzelne Kapitel-überschriften, sondern um Handlungen und Strategi-en, die in unterschiedlichen Themen und wechselnderKomplexität zum Einsatz kommen. Bereits Anfang der90er Jahre wurde in didaktischen Arbeiten auf die struk-

turierende Kraft fundamentaler Ideen für die Informa-tik hingewiesen [FUCHS, 1994; KNÖß 1989]. Zusätz-lich wurden Fundamentale Ideen in Lehrwerke zur Di-daktik der Informatik [Modellierung in HUB-WIESER,2000, S. 85ff; Formalisierung, Automatisierung undVernetzung in BAUMANN, 1996, S. 51ff] aufgenom-men.

Diese Bemühungen wurden von den Didaktikern anden Hochschulen und Universitäten mit großem Inter-esse wahrgenommen. Ich bezweifle aber, ob diese Dis-kussion und ihre Ergebnisse einen großen Adressaten-kreis in der Praxis gefunden hat. Dies ist bedauerlich,denn in der Lehre an der Universität sowohl im Lehr-amt Informatik in Salzburg als auch im Universitäts-lehrgang ‚Informatik für Lehramtsstudierende“ an derUniversität Innsbruck konnte ich das Bemühen der Stu-dierenden nach Präzisierung und Detaillierung in derInformatik spüren. Vor allem waren sie für die Hinwei-se, welche Orientierungshilfe die Fundamentale Ideenbei der großen Stofffülle und dem raschen Anwachsenaktueller Themen geben können, dankbar.

Wenn wir uns also nun darauf einigen können, dasses für den allgemein-bildenden UnterrichtsgegenstandInformatik unbedingt erforderlich ist, einige wenige‚inhaltliche Eckpfeiler’ zu formulieren, dann kann iches auch wagen, diese fundamentalen Ideen, die mirin den letzten Jahren geholfen haben, die Fülle anLehrstoff in Informatik über die einzelnen Schulstufenhinweg vertikal zu gliedern, zu benennen. Zusätzlichmöchte ich darauf hinweisen, dass die Diskussion vorallem dem selbstständigen Unterrichtsfach Informatikund nicht so sehr den in Österreich zahlreichen Bemü-hungen um Integration des Computers in viele Unter-richtsfächer gilt.

Fundamentale Ideen der InformatikBereits 1992 habe ich Daten- und Beziehungsstrukturenund Objekt - Operation als Fundamentale Ideen disku-tiert und ihre strukturierende Kraft anhand zahlreicherBeispiele illustriert [FUCHS; 1992, S. 43ff]. Obwohljegliche Bewertung fundamentaler Ideen schwierig ist,gehören die beiden Ideen wohl bis heute zu den aner-kannt zentralen Leitideen der Informatik. Beide Ideenwurden auch in einer Liste von Grundprinzipien vonStudierenden im Lehramt im fachdidaktischen Seminarbei Kollegen Helmut Caba genannt [vgl. LA Studiumin Salzburg, CABA, 2003]. Eine sehr umfangreiche undgründliche didaktische Diskussion über die Bedeutungvon Daten- und Beziehungsstrukturen für die (ange-wandte) Informatik findet sich in der von mir betreutenDissertation von Frau Hilde Kletzl [KLETZL, 2002]

Schulinformatik, quo vadis?Über die Notwendigkeit zentraler Leitideen

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Neben den beiden genannten Ideen habe ich mitt-lerweile Modellbildung /Modellierung und Algorithmusals Ordnungsprinzipien erkannt und in meinen Kata-log fundamentaler Ideen der Informatik aufgenommen[FUCHS, 2002]. Wie bereits erwähnt, nimmt derModellbegriff eine sehr zentrale Rolle im Lehrbuch fürDidaktik der Informatik ein.

In diesem Buch finden sich auch sehr schöne Bei-spiele den Modellierungsbegriff auf unterschiedlichsteWeise im Unterricht anzusprechen [HUBWIESER, 2000,S. 135ff].

Dass es eigentlich unmöglich ist, einzelne Ideenscharf zu trennen, soll die nachfolgende Charakte-risierung eines Algorithmus von Gerald Futschek zei-gen: „... Zur Lösung eines Anwenderproblems entwirftder Informatiker zunächst ein Modell der Anwendung,(...) Das erste Modell wird in eine Reihe neuer Modelleumgeformt, die immer genauer und formaler werden,bis ein ablauffähiges Modell in einer bestimmten Pro-grammiersprache erreicht ist...“ [FUTSCHEK, S. 2/3,in: REITER, RIEDER, 1990]

Die Orientierung seines Algorithmusbegriffs amModellierungsbegriff ist evident und auch vernünftig,denn zwangsläufig wird man, wenn man sich mit derRolle des Programmierens im Informatikunterricht kritischauseinandersetzt, über das ausschließliche Erlernen derSyntax einer Programmiersprache hinaus zu einem logi-schen Herangehen an ein Problem und einem modul-artigem Lösen von Problemen gelangen müssen. Demgemäß findet sich auch in manchen Katalogen berech-tigterweise das Modulprinzip/Modularisierung [HUB-WIESER, 2000, S. 103; BAUMANN, 1996, S. 261ff]als fundamentale Idee. Somit gehört zum Algorithmisierendie Analyse der Beziehungen der einzelnen Schritte zurProblemlösung und deren grafische Repräsentation eben-so wie die Implementation zum Testen des (einfachen)Moduls/zur Simulation des abstrakten Modells und esist „... jedenfalls das Verfahren und nicht das Programmselbst, welche untersucht werden muss, um zu erfahren,wie an ein Problem herangegangen wird...“[SEDGEWICK, 1994].

Nicht zuletzt wird damit also deutlich, welchen Bei-trag fundamentale Ideen zur Wissensorganisation undWissensrepräsentation (also insgesamt zum Wissens-management) in einem allgemeinbildenden Informatik-unterricht leisten.

Ich bin mir bewusst, dass jede Liste - so auch diese- fundamentaler Ideen unvollständig ist. Vielmehrmöchte ich mit diesem Beitrag meinen Kollegen be-wusst machen, wie wichtig es für das Fach Informatikist, zunächst für sich selbst, dann aber für die Schüler,grundlegende Strukturen sichtbar und fassbar zu ma-chen.

Autor

Univ. Doz. Prof. Mag. Dr. KarlFuchsUniversität Salzburg, Institut fürDidaktik der Naturwissenschaf-tenE-Mail: [email protected]: http://www.sbg.ac.at/did/mathdid/per-sonal/mathdid_personal_fuchs.htmFuchs unterrichtet am BG/BRG Hallein Mathematik,InformatikMitglied in der Didaktikkommission der Österreich-ischen Mathematischen Gesellschaft;Betreuung und 10 Jahre Delegationsleiter der Schüler-gruppen des BMUK zur Internationalen Olympiadein Informatik; Professor für Didaktik der Mathematikund Informatik an der Universität Salzburg und Inns-bruck (http://www.sbg.ac.at/did/home.htm);Positionierung der Fachdidaktik

Literatur[1] BAUMANN, Rüdeger (1996): Didaktik der Infor-

matik. Klett Verlag, Stuttgart, München

[2] FUCHS, Karl Josef (1994): Didaktik der Informa-tik: Die Logik fundamentaler Ideen. In: SchulpraxisHeft 4+5, S. 42-45

[3] FUCHS, Karl Josef (2002): Methodik und Didak-tik des Informatikunterrichts. Skriptum zu Vorlesungund Übung, Universität Innsbruck, erstellt vonCornelia Lederle

[4] FUTSCHEK, Gerald (1990): Informatik als Wis-senschaft. In: REITER, Anton/RIEDER, Albert: Didak-tik der Informatik, Verlag Jugend und Volk, Wien

[5] HUBWIESER, Peter (2000): Didaktik der Informa-tik. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg

[6] KLETZL, Hilde (2002): Daten- und Beziehungs-strukturen - Eine didaktische Analyse imSpannungsfeld von angewandter Informatik undangewandter Mathematik. Dissertation UniversitätSalzburg

[7] KNÖß, Petra (1989): Fundamentale Ideen der In-formatik im Mathematikunterricht: GrundsätzlicheÜberlegungen und Beispiele für die Primarstufe,E. Chr. Wittmann, Ed. Wiesbaden, DUV

[8] SEDGEWICK, Robert (1994): Algorithmen. VerlagAddison - Wesley, Bonn, München

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Die Informatik war als Wissenschaft schon immervon einer gewaltigen Dynamik geprägt. EineNeuerung jagt die andere. Neue Paradigmen

und Technologien, die ganze Teilbereiche der Wissen-schaft grundlegend verändern oder sogar neu schaffen,kündigen sich in relativ kurzen Zeitabständen an. Umdieser Dynamik in der Schule Rechnung tragen zu kön-nen, ist eine Konzentration auf grundlegende Inhalte not-wendig.

Konzept der fundamentalen IdeenAndreas Schwill schreibt dazu in [SCH]:„Daher müssen sich die Inhalte im Informatikunterrichtbis auf weiteres an den langlebigen Grundlagen der Wis-senschaft orientieren. Es ist unverzichtbar, dass den Schü-lern ein Bild von den grundlegenden Prinzipien, Denk-weisen und Methoden (den fundamentalen Ideen) derInformatik vermittelt wird.“

Nun ist dieses das Konzept der fundamentalen Ideennatürlich nichts Neues ([BRU]). Dieser Artikel hier beschäf-tigt sich auch nicht mit dem Konzept an sich, sondern mitden Konsequenzen, die sich aus dessen Anwendung fürkonkrete Unterrichtsinhalte ergeben. Definitionsgemäßsind fundamentale Ideen durch vier Kriterien charakteri-sierbar:

(1) Sie sind in mehreren Teilgebieten des Fachbe-reichs zu identifizieren (Horizontalkriterium),

(2) über mehrere intellektuelle Niveaus hinwegvermittelbar (Vertikalkriterium),

(3) müssen einen Bezug zur Alltagswelt feststellen las-sen (Sinnkriterium)

(4) und in einer Wissenschaft über längere Zeit vonRelevanz sein (Zeitkriterium).

Wie sich unschwer erkennen lässt, sind fundamentaleIdeen insbesondere wegen der Erfüllung dieser Kriterienfür den Unterricht interessant. Der wichtigste Vorteil, derdurch eine Vermittlung von fundamentalen Ideen jedochentsteht, ist die Befähigung zum so genannten nicht-spe-zifischen Transfer. Die Schüler sollen dabei lernen, wie inder Vergangenheit erworbene Kenntnisse, durch Anpas-sung oder Erweiterung auf neue Problemsituationen an-gewendet werden können.

Umsetzung von fundamentalen Ideen imUnterrichtFür die konkrete Umsetzung von fundamentalen Ideenim Unterricht hat Jerome Bruner das Konzept derCurriculumspirale eingeführt (hier aus [SCH]):„Der Anfangsunterricht ... sollte so angelegt sein, dassdiese Fächer mit unbedingter intellektueller Redlichkeitgelehrt werden, aber mit Nachdruck auf dem intuitivenErfassen und Gebrauchen dieser grundlegenden Ideen.Das Curriculum sollte bei seinem Verlauf wiederholt aufdiese Grundbegriffe zurückkommen und auf ihnen auf-bauen, bis der Schüler den ganzen formalen Apparat, dermit ihnen einhergeht, begriffen hat.“

Eine Umsetzung von fundamentalen Ideen im Unter-richt wird bedeutend erleichtert bzw. überhaupt erst er-möglicht, wenn die grundsätzliche Vorgangsweiseam Spiralprinzip von Jerome Bruner ausgerich-tet ist und die Vorteile, die sich aus der Erfüllungder genannten Kriterien ergeben, ausgenutztwerden. Diese einfachen Feststellungen haben weitrei-chende Konsequenzen.

(1) Inhalte, mit denen fundamentale Ideen im Unter-richt vermittelt werden sollen, sollen demnach so frühwie möglich eingeführt und in diesen frühen Phasenmöglichst praxis- und anwendungsorientiert umge-setzt werden. Die entsprechenden Grund-lagenkonzepte müssen sich wie ein roter Faden durchdie Schulkarriere der Schüler ziehen. Immer wiedersollte der Lehrer auf einer neuen intellektuellen Ebe-ne bzw. auf höheren Abstraktionsniveaus auf zu die-sen roten Faden zurückkommen, die vorherig einge-führten Konzepte aufgreifen, vertiefen und mit neuenKonzepten erweitern (Vertikalkriterium). Fundamen-tale Ideen sind dazu gut geeignet, weil sie demVertikalkriterium genügen.

(2) Ebenso wird der Lehrer in verschiedenen Teilgebietendes Gegenstandes immer wieder auf die grundlegen-den Ideen zurückkommen und die Schüler auf Paral-lelen zwischen den Bereichen hinweisen. Erst dadurchkönnen Schüler den fundamentalen Charakter einerIdee wirklich verstehen: (Horizontalkriterium).

(3) Zusätzlich sollten sich die für den Transport von fun-damentalen Ideen ausgewählten Inhalte & Problem-stellungen sowohl am Sinn- als auch am Zeitkriteriumorientieren.

Fundamentale Ideen im Informatik-unterricht am Beispiel der objekt-orientierten Softwareentwicklung

Helmuth CabaClaudio Landerer

Universität Salzburg

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Fallbeispiel: Programmieren Software-entwicklung im InformatikunterrichtWas diese drei Feststellungen konkret bedeuten könn-ten, soll nun am Beispiel der Programmierung Software-entwicklung im Unterricht verdeutlicht werden.

1) Identifikation der fundamentalen IdeenFühren wir uns zunächst vor Augen, welche fundamenta-len Ideen in diesem Bereich der Informatik anzusprechensind. Dazu hat Andreas Schwill in einem seiner Artikel([SCH]) aufgezeigt, wie sich fundamentale Ideen identifi-zieren lassen und hat für den konkreten Inhalt der Software-entwicklung folgende Metaideen Ideen angeführt:

(1) Algorithmisierung mit den zugehörigen Entwurfs-prinzipien (Divide & Conquer, Branch and Boundusw.), den Programmierkonzepten (Iteration, Alter-native usw.), dem Ablauf (Prozess, Nebenläufigkeit)und der Evaluation.

(2) Strukturierte Zerlegung mit den Teilgebieten Hori-zontalisierung, Vertikalisierung und Orthogo-nalisierung.(Ein System kann immer weiter zerlegt werden, bisich schließlich an atomaren Bausteinen angelangtbin, die sich nicht mehr zerlegen lassen. Zerlegungeines Systems in seine atomaren Bestandteile auswelchen das gesamte System rekonstruiert werdenkann.)

(3) Konzept der Sprache mit Syntax und Semantik.

2) Mögliche Fehler in der UmsetzungDer Stellenwert der Programmierung wurde seit ihrerEinführung im Informatikunterricht immer wiederkontroversiell diskutiert. Einige Argumente für diesenUnterrichtsinhalt waren z.B., dass Programmieren Spaßmacht, einen handlungs- und problemorientierten Un-terricht ermöglicht (wodurch die Motivation der Schülersteigt) und dass durch die Programmierung im Unter-richt eine Reihe von fundamentalen Ideen transportiertwerden kann. Aber es existierten auch viele Gegenar-gumente. So wurden z.B. kritische Stimmen laut, die diegeringe Brauchbarkeit und Attraktivität der Lösungen bei"unverhältnismäßig großem" Zeitaufwand oder aber dieKurzlebigkeit der erworbenen Kenntnisse und vor allemdie Begebenheit, dass Schüler den fundamentalen Cha-rakter der Programmierung eigentlich gar nicht begrei-fen, als Nachteile nannten. Was dabei jedoch nichtgesehen wurde, war die Tatsache, dass nicht der Inhaltder Programmierung an sich sondern dessen konkreteUmsetzung diese Probleme verursachte. Bloße (oft vonmathematischen Problemstellungen geprägte)Algorithmierung ohne passende Modellierung, Kon-zentration auf die Syntax der Sprache, schlechte Bei-spiele im Sinne der allgemeinen Bedeutung, die unzu-reichende Integration in andere Teilbereiche der Infor-

matik und vor allem das Kurssystem, nach dem Pro-grammieren in der Schule unterrichtet wurde, waren ei-nige der Fehler in der Vorgangsweise zur Umsetzung.Aufgrund dieser Feststellungen kann man nun in Anleh-nung an das Spiralprinzip und an die genannten Krite-rien einige Forderungen bezüglich dieser Umsetzungstellen.

3) Forderungen(1) Zu Beginn ist festzustellen, dass im Rahmen einer

Programmierung im Unterricht nicht die Spracheim Mittelpunkt der Betrachtung stehen kann, son-dern die Problemstellung bzw. deren Modellierung(siehe [HUB] S. 85-90). Demnach gibt es imInformatikunterricht keine Programmierung im en-geren Sinne mehr. Wir sollten fortan von Software-entwicklung sprechen. Dazu werden die Schülerzuerst immer das Problem aus der realen Weltanalysieren, die Anforderungen an ein Informatik-system definieren, anschließend ein entsprechen-des System modellieren und dann implementierenbzw. das Ergebnis der Implementierung interpre-tieren. Den Mittelpunkt bilden dabei die verschie-denen Modellierungstechniken. Im Anschluss andie Modellierung wird das Modell zur Veranschau-lichung bzw. Überprüfung implementiert (Simula-tion). Im Zuge dieser Implementierung liegt derFokus jedoch wiederum nicht auf der Syntax derSprache, sondern, wie auch bei der Modellierungselbst, auf der Vermittlung der fundamentalen Ide-en, die damit in Kontakt stehen. Die so vermittel-ten Kenntnisse sind nachhaltig und von allgemei-ner Bedeutung für den Gegenstand. Auch hinsicht-lich des Zeitkriteriums scheinen diese Forderungenrelevant. Würden wir uns nämlich bei der konkre-ten Umsetzung auf zu spezielle Inhalte konzentrie-ren (z.B. auf die Syntax einer Sprache), dann wür-den wir den Vorteil vernichten, der sich für funda-mentale Ideen im Unterricht aus der Erfüllung ebendieses Zeitkriteriums ergibt.

(2) Weiters muss mit der Einführung von Modellierungs-techniken bzw. Programmiersprachen bereits mög-lichst früh begonnen werden. Die theoretische Un-tergrenze liegt bei etwa 12 Jahren. Von da an sindKinder in entwicklungspsychologischer Hinsicht füreinen Einstieg bereit. Über die Jahre hinweg wer-den dann entsprechend dem Prinzip der Curriculum-spirale immer wieder neue Sprachkonzepte Ideeneingeführt bzw. alte Konzepte ausgebautund ver-tieft.

(3) Hinzu kommt die Notwendigkeit der Identifikationder grundlegenden Ideen auch in anderen Teilbe-reichen des Gegenstandes. Die Lehrer sollten alsoParallelen erkennen und die Schüler nicht nur dar-auf hinweisen, sondern diese Chance ausnutzen und

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die Themenbereiche integriert behandeln. DieserForderung nach einer Einflechtung von Inhaltenwurde mittlerweile im neuen Informatiklehrplan fürdie AHS-Oberstufe in Österreich ebenfalls Nach-druck verliehen. Insbesondere die Punkte 2 und 3verdeutlichen, dass das traditionelle Kurssystem,nach dem bis in die mittleren bzw. höheren Ober-stufenklassen Konzepte von Programmiersprachenoder auch Modellierungstechniken nie zur Debattestanden, dann jedoch in mehrmonatigen abge-schlossenen Blöcken auf einen Schlag eine Pro-grammiersprache "gelernt" wurde (eben ein Kurs),abzulehnen ist. Durch ein Kurssystem wird wederdas Konzept der Curriculumspirale berücksichtigt,noch werden die Chancen genutzt, die sich aus derErfüllung des Horizontal- bzw. des Vertikalkriteriumsergeben. Die fundamentalen Konzepte können nichteinmal in Ansätzen transportiert werden, wodurchein großer Vorteil und damit eine wichtigeLegitimationsbasis des Inhaltes unweigerlich verlo-ren geht.

(4) Schließlich sollte bezüglich der gewählten Problem-stellungen noch Folgendes bemerkt werden. wirdeine Forderung hinsichtlich der gewählten Problem-stellungen gestellt. Wird das Sinnkriterium, das fürfundamentale Ideen selbst gefordert wird, auch aufdie Inhalte und Problemstellungen übertragen, mitwelchen diese fundamentalen Ideen transportiertwerden sollen, dann orientiert sich die Auswahl deskonkreten Inhaltes in erster Linie an der realenLebenswelt der Schüler. Hier auf komplizierte Pro-blemstellungen zu setzen, die keinerlei Verbindungzum Alltag der Schüler zulassen, ist eindeutig derfalsche Weg.

4) Skizze einer BeispielumsetzungEs soll nun kurz eine mögliche Umsetzung skizziert wer-den, die sich in ihrer Ausführung an das Spiralprinzipund an die Berücksichtigung der genannten Kriterienund Forderungen hält. Als aktuelles Beispiel dient unsdazu die objektorientierte Softwareentwicklung in derSchule. Ob die Objektorientierung dabei als funda-mentale Idee der Informatik bezeichnet werden kann,ist zu untersuchen. Für die Schulinformatik besitzt sie injedem Fall fundamentalen Charakter. Die erste Frage,die sich bezüglich unseres Fallbeispiels stellt, ist jenenach dem Zeitpunkt bzw. der Art der Einführung in dasKonzept der Objektorientierung. Sofort mit einer objekt-orientierten Sprache in die Programmierung Software-entwicklung einzusteigen (OO-First) ist sowohl hinsicht-lich der Programmiersprachenkonzepte als auch hin-sichtlich der benötigten Modellierungstechniken relativsinnlos, wenn vorher nicht entsprechende Vorarbeitengeleistet wurden. Eine derartige Vorgangsweise würdezu einem „prozeduralen Missbrauch“ führen und kannkeinen Mehrertrag im Sinne einer Objektorientierung

bringen, sondern lediglich zur Verwirrung beitragen.Trotzdem soll das Konzept an sich anhand von prakti-schen Anwendungsbeispielen so früh wie möglich ein-geführt werden, um eine korrekte Terminologie und einpassendes mentales Modell der Idee zu vermitteln. Hin-sichtlich der Einführung der objektorientierten Software-entwicklung entsteht somit die Notwendigkeit der Ver-folgung eines hybriden Ansatzes, der sich angelehnt andas Konzept von Peter Hubwieser ([HUB]) wie folgt skiz-zieren lässt.

Spirale 1:Terminologie & mentales Modell der Objekt-orientierungDer Lehrer sollte bereits von den ersten Stunden anversuchen, die Ideen der Objektorientierung und auchdie Ideen der Softwareentwicklung selbst in anderen(und meist noch relativ konkreten) Unterrichtsinhaltenzu identifizieren und über deren konkrete Anwendungzu transportieren (siehe [HUB] S. 111–119). Der Unter-stufenbereich bzw. der untere Oberstufenbereich eig-net sie dazu in ganz besonderer Weise, weil die Schü-ler hier für gewöhnlich in verschiedene Arten von An-wendersoftware eingeführt werden. Dabei steht jedochnicht das Anwenderprogramm an sich, sondern eineanalysierende Betrachtung hinsichtlich der Datenstruk-turen der jeweiligen Anwendung im Vordergrund. Den-ken wir bezüglich der Objektorientierung dabei z.B.an die Kontextmenüs oder die Objektinspektoren, mitdenen Eigenschaften von Elementen aus Anwender-programmen abgerufen und geändert werden kön-nen. Dabei steht jedoch nicht das Anwenderprogramman sich, sondern eine analysierende Betrachtung hin-sichtlich der Datenstrukturen der jeweiligen Anwendungim Vordergrund. Hubwieser zeigt in seinem Konzept,wie eine Einführung in die Basiskonzepte Grundideender Objektorientierung über eine analysierende Be-trachtung von Graphikprogrammen, oder auch Text-verarbeitungssystemen usw erfolgen aussehen kann.Eine Vertiefung erfolgt dann z.B. im Zuge der daten-orientierten Modellierung (ER-Diagramme). Dort wer-den die Konzepte weiter abstrahiert und hin in Rich-tung „abstrakter“ Objektorientierung ausgebaut (Ge-neralisierung —> Vererbung, Entitäten —> Objekte,Kardinalitäten —> Objektbeziehungen usw). Dieserhier an zwei Beispielen vorgeführte Brückenschlag voneinem an sich abstrakten Konzept hin zur konkretenAnwendung gil t als zentraler Aspekt derCurrriculumspirale und ist somit für eine Einführung vonfundamentalen Ideen von Bedeutung.

Spirale 2:Modellierung & Programmiersprachen-konzepteIn dieser zweiten Spirale geht es darum, den Schülern zuzeigen, wie man modelliert und programmiert. Es geht nichtum die Vermittlung einer Programmiersprache. In jeder Stufe

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werden dabei alte Konzepte aufgegriffen, ausgebaut bzw.vertieft und neue Konzepte eingeführt. Besondere Berück-sichtigung verdient die Reihenfolge, in der die Konzepteeingeführt werden sollten.(1) Am Beginn stehen in jedem Fall die Begriffe Algorith-

mus, Anweisung und Sequenz, umgesetzt über eineumgangssprachliche Definition von Algorithmen bzw.deren Ausführung über Roboterspiele (Schüler als Ro-boter).

(2) Danach werden die eingeführten Konzepte um diezentralen Begriffe Ideen der Variablen (Typen, Zu-weisung, Operatoren) bzw. deren Zuweisung, derOperatoren und der Ablaufsteuerung (Fallunter-scheidung, Wiederholung) erweitert. Dies könntez.B. über eine Anwendung von Mini-Languages wieLOGO, Roboter Karel ([KAR]) oder auch demJava-Hamster ([HAM]) erfolgen. Sowohl der Java-Hamster als auch Roboter Karel (in Varianten) un-terstützt Objektorientierung. Entscheidet man sichfür die objektorientierten Varianten, dann liegt derSchwerpunkt vorerst jedoch nicht auf dem Aufbauvon Objekten (Klassendefinitionen) sondern auf derErstellung und Verwendung von Objekten (new-Operator bzw. Dot-Notation) im Zuge der obengenannten Schwerpunkte. Modellierung beziehtsich in dieser Phase noch auf die Darstellung vonVerarbeitungsvorschriften z.B. über einfache Funk-tionsmodelle (z.B. Programmablaufpläne oderStruktogramme).

(3) Im Anschluss daran werden dann die Prozedurenbzw. Funktionen eingeführt (Modularisierung) unddie Konzepte der Ablaufsteuerung vertieft. Insbe-sondere könnte in dieser Stufe auch eine Einfüh-rung von wichtigen Datenstrukturen wie z.B. demArray oder dem Record als Vorstufe zum Objekterfolgen. Modellierung wird jetzt als Mittel zurSystembeschreibung gesehen. Nun werden Ver-haltensmodelle (z.B. Zustandsdiagramme) einge-führt und die bereits bekannten Funktionsmodellevertieft (z.B. Prozeduraufrufgraphen oder Daten-flussdiagramme) funktionale Modellierungs-techniken spielen hier eine wichtige Rolle. Als Werk-zeuge zur Implementierung eignen sich z.B. tradi-tionelle Sprachen wie Pascal oder Makrosprachenin Office Produkten. Auch eine Verwendung vonLEGO-Mindstorms ([LEG]) oder z.B. von Cons-truction-Sets (siehe [TES]) ist aufgrund ihresmotivationalen Charakters zu überlegen. Weitersist eine fortgeschrittenere Nutzung von Mini-Languages möglich, wenn es die Schülerinteressenzulassen.

Zusammenführung:Bis spätestens zur 11. Schulstufe müssen beide Spira-len so weit entwickelt sein, dass ein Einstieg in die

objektorientierte Softwareentwicklung möglich wird.D.h. alle notwendigen programmiertechnischen Kon-zepte wurden vermittelt und das Konzeptdie Idee derObjektorientierung wurde eingeführt. Außerdem hat derSchüler bereits einige wichtige Modellierungstechnikenkennen gelernt, die im Zuge der objektorientierten Mo-dellierung weiterverwendet bzw. ausgebaut werdenkönnen.

(1) Zum Einstieg in die objektorientierte Software-entwicklung eignen sich nun Werkzeuge wie z.B.BlueJ ([BLU]). oder auch andere Case-Tools. Siekönnen verwendet werden, um den Übergangzwischen einer praktischen Anwendung von Objek-ten und deren Verwendung in der Softwareent-wicklung zu erleichtern.

(2) Insbesondere in der objektorientierten Software-entwicklung ist eine gewissenhafte Modellierung deszu erstellenden Systems von Bedeutung. Neben derhier wichtigen umgangssprachlichen Beschreibung. Essollten sowohl statische Klassen- und Objektmodelle(z.B. Klassendiagramme, Klassendefinitionen) als auchdynamische Interaktionsmodelle (z.B. Interaktions-diagramme, Sequenz- und Aktivitätsdiagramme, struk-turierter Text usw.) objektorientierte Modellierungs-techniken eingeführt werden (Tools dazu siehe [UML]).Außerdem können auch bereits bekannte Model-lierungstechniken weiterverwendet werden. So eignen

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sich z.B. State-Charts zur Verhaltensmodellierung vonKlassen oder spezielle Formen des Datenfluss-diagramms (Kontextdiagramme, Anwendungsfall-diagramme) zur Interaktionsmodellierung.

(3) Im Bezug auf die Implementierung stehen steht zu-nächst der Unterschied zwischen Objekt und Klassebzw., der Aufbau und die Verwendung von Objek-ten eines Objektes in einer objektorientierten Spra-che und die Verwendung von Objekten in einerobjektorientierten Sprache im Vordergrund. Als Spra-chen werden jetzt z.B. Java oder C# vorgeschla-gen. Integrierte Entwicklungsumgebungen ([IDE])sollten verwendet werden, um die konkrete Codie-rung zu erleichtern. An dieser Stelle sei auch daraufhingewiesen, dass LEGO-Mindstorms vollkommenobjektorientiert programmiert werden können (sie-he [LEG]).

(4 ) Danach werden die wichtigsten Konzepte derObjektorientierung wie z.B. Kapselung, Verer-bung, Polymorphismus usw. eingeführt.

(5 ) Die Realisierung der Kommunikation zwischenObjekten sollte ebenfalls schwerpunktmäßig be-handelt werden (Objektvariablen).

D) Vertiefung - Abschluss(1) In der letzten Schulstufe erfolgt dann eine Einfüh-

rung bzw. Vertiefung von weiteren wichtigen Daten-strukturen (Keller, Listen, Bäume, Graphen, mehr-dimensionale Arrays usw.) und den entsprechendenAlgorithmen darauf.

(2) Einen Abschluss findet die objektorientierte Soft-wareentwicklung in der Schule mit der Einführungeinfacher objektorientierter Entwurfsmuster, an-hand derer die Vorteile, die sich aus einer objekt-orientierten Vorgangsweise in der Softwareent-wicklung ergeben, verdeutlicht bzw. die bisher er-lernten Konzepte vertieft werden sollen ([GAM] und[PRE]).

E) EinflechtungInsbesondere die Softwareentwicklung ist als Ausgangs-punkt für die geforderte Einflechtung in andere Teilge-biete des Gegenstandes gut geeignet. So ergeben sichnicht nur Verbindungen über den zentralen Begriff desAlgorithmus, sondern insbesondere auch über die beidenanderen von Andreas Schwill identifizierten Metaideen(siehe [SCH]).

Eine Frage der UmsetzungEs wurde nun beispielhaft skizziert, welche Auswirkungen eshaben kann, wenn fundamentale Inhalte in der Schule trans-portiert werden sollen. Die Vermittlung von fundamentalenKonzepten bringt einen Mehrertrag für Schüler (nicht-spezifi-

Literatur[1] [HUB] HUBWIESER P.: Didaktik der Informatik.

Grundlagen, Konzepte, Beispiele, Springer Verlag,Berlin-Heidelberg, 2001;

[2] [SCH] SCHWILL A.: Fundamentale Ideen der In-formatik, Zentralblatt für Didaktik der Mathema-tik, 1993;

[3] [BRU] BRUNER J.: The Process of Education. Har-vard University Press, Cambridge Mass. 1960;

[4] [GAM] GAMMA E. [et al]: Design Patterns, Ele-ments of Reusable Object-Oriented Software,Addison Wesley, 2002;

[5] [PRE] PREE W: Design Patterns for Object-OrientedSoftware Development, Addison Wesley, 2000;

Autoren

Prof. Mag. Helmuth Caba,Pädagogisches Institut und Univer-sität SalzurgE-Mail: [email protected]:http://www.sbg.ac.at/did

Bundeslehrer im Hochschuldienst, Mitwirkung amStudienplan Lehramt an der NaturwissenschaftlichenFakultät, insbesonders im Unterrichtsfach Informatikund Informatikmanagement, Betreuung der Inter-netplattform Salzburger Bildungsservice, Betreuungder Internetplattform Begabten-förderung, Projekt IKT-InitiativeUnterstufe AHS

Claudio Landerer,Student des Lehramtsstudiums In-formatik an der Universität Salz-burg

scher Transfer, umfassendes Verständnis, Nachhaltigkeit derInhalte), für den Lehrer (Grundlagenthemen, Repertoire) undfür den Gegenstand an sich (klare Positionierung und Ab-grenzung). Im Rahmen der konkreten Umsetzung stehen undfallen diese Vorteile jedoch mit der Beachtung des Spiral-prinzips und der Berücksichtigung der Möglichkeiten, die sichfür fundamentale Ideen im Unterricht aus der Erfüllung dergenannten Kriterien (Horizontal-, Vertikal-, Zeit- und Sinn-kriterium) ergeben.

Diese Arbeit ist im Rahmen des Fachdidaktischen Se-minars (SS 03) unter der Leitung von Mag. Helmut Cabaan der Universität Salzburg entstanden. Sie basiert auf derAnnahme, dass der Schüler über mehrere Jahre hinwegInformatik als Freigegenstand oder als Wahlpflichtgegen-stand wählen kann.

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Peter MicheuzUniversität Klagenfurt

Aporien1 in der Schulinformatik

1 Aporie = Widerspruch, der nicht durch eine logisch-rationale Entscheidung eliminierbar ist bzw. Konflikt, in dem beide Parteien Recht haben(vgl. Pietschmann: Eiris&Eirene, Ibera Verlag, 2002).

2 Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlage der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten desWahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken“ (Paragraph2 des Schulorganisationsgesetzes 1962, das ist der Zielparagraph der Schule).

3 Im Jahr 2006 sollen in der Altersstufe der 15jährigen auch IT-Kompetenzen überprüft werden.4 European Computer Driving License – Europäischer Computerführerschein

Gibt es in den traditionellen Schulfächern wei-testgehend Konsens darüber, wann welche Lehr-inhalte wie und wozu – das sind die Kernfra-

gen der Fachdidaktik - unterrichtet werden, so ist das inder Schulinformatik schon wegen der Vielfalt an (schul-autonomen) Organisationsformen nur schwer möglich.Die missliche Situation, dass im Informatikunterricht bis-weilen irgendwas, irgendwann von irgendwem aus ir-gendeinem Grund unterrichtet wird, sollte bald der Ver-gangenheit angehören. Aber: „Es“ wird einem ja wirk-

lich nicht leicht gemacht. Zur Illustration möchte ich denneuen Informatik-Lehrplan für die 6. bis 8. Klasse derAHS-Oberstufe (Wahlpflichtfach) anführen. Als Lehrstoffwerden folgende Themen vorgeschlagen: Grundprinzi-pien der Informationsverarbeitung, Konzepte von Betriebs-systemen, Aufbau und Funktionsweise von Netzwerken,Datenbanken, Lern- und Arbeitsorganisation, Konzeptevon Programmiersprachen, Künstliche Intelligenz, Erwei-terung der theoretischen und technischen Grundlagen derInformatik, Grundlegende Algorithmen und Datenstruk-turen, Informatik, Gesellschaft und Arbeitswelt, Rechts-fragen. Der Informatiklehrer ist für die Verteilung dieserBereiche auf drei Jahre und die Tiefe der Vermittlungselbst verantwortlich. Als Bildungs- und Lehraufgabe istdas sattsam bekannte Kategorientripel Sach-, Selbst- undSozialkompetenz angeführt und die Schulinformatik sollauch zur Schulung abstrakten Denkens beitragen. Als di-daktische Grundsätze werden modul- und projektartigesArbeiten sowie Aktualitätsbezüge in den Vordergrund ge-stellt. Die Lehrinhalte sollen, wenn möglich, in vernetzterForm behandelt werden. Dieser offene Rahmen-Lehr-plan führt uns zur ersten Aporie.

Zentral verordnete Lehrpläne versus IT-Zertifikate und StandardsDie Informatik unterrichtende Lehrperson sieht sich Lehr-plänen gegenüber, die zwar den Bildungsauftrag2 derSchule erfüllen, aber sehr viele Fragen aufwerfen. Wer be-stimmt bei sehr offenen Lehrplänen den detaillierten Lehr-stoff und die sogenannte Lehrstoffverteilung? Der verant-wortungsvolle, über den Dingen stehende, selbstbewussteLehrer? Es ist ein offenes Geheimnis, dass in vielen Fällenapprobierte Lehrbücher diese nicht einfache Aufgabe über-nehmen. Das geflügelte Wort „Lehrbücher sind die gehei-

men Lehrpläne“ dürfte in Lehrerkreisen nicht unbekannt sein.Und gute approbierte Informatik-Lehrbücher sind in Öster-reich (noch) nicht vorhanden.

Eine absolut notwendige Qualitätsentwicklung und –sicherung im schulischen IT-Bereich kann sich nicht aufverordnete, weit gesteckte Rahmen-Lehrpläne (Input-Steue-rung) verlassen. Der Gesetz- und Auftraggeber, also daszuständige Ministerium sollte daran interessiert sein, dassdie z.T. nicht unerheblichen Ressourcen (Hard- und Soft-ware, Lehrergehälter) auch zu einem entsprechendenOutput (Kenntnisse, Fertigkeiten, Kompetenzen derSchülerInnen) führen. Im Zuge transnationaler Studien wiez.B. PISA3 werden die Standards unserer SchülerInnen aufden Prüfstand gestellt. Der ECDL4, wie immer man zuihm stehen mag, gibt einen internationalen Quasi-Stan-dard vor, indem er das Erreichen detaillierter Lernzieledurch eine Prüfungsorganisation sicherstellt bzw. sicher-stellen soll. Sind IT-Zertifikate also der Schulweisheit letz-ter Schluss? Ich meine, dass ein konzeptuell gut angeleg-ter Informatikunterricht die Basis dafür legen soll,SchülerInnen in die Lage zu versetzen, diese Zertifikate –wenn möglich im Selbststudium - auf freiwilliger Basis er-langen zu können. Es wäre unklug – obwohl in vielenSchulen Realität – IT-Zertifikatskurse als totalen Ersatz fürqualifizierten Unterricht zu instrumentalisieren. Ein zu star-kes Diktat außerschulischer Institutionen und Firmen kämeder Selbstaufgabe des Bildungsauftrages des (öffentli-chen) Schulwesens gleich. Die im Zuge der Diskussion umStandards im Informatikunterricht befürchtete Einschränkungder Lehrfreiheit ist meiner Meinung nach unbegründet, wennein vernünftiger Kompromiss gefunden wird. Standards die-nen nicht nur im Informatikunterricht der Orientierung fürLehrerInnen und SchülerInnen und bieten ein gewisses Maßan Qualitätsabsicherung nach unten. Ein adäquaterInformatikunterricht sollte sowohl der Vermittlung von Pflicht-teilen (Kernbereich, Standard) als auch von „Küranteilen“(Erweiterungsbereich) Rechnung tragen. In Abhängigkeit derLehrerkompetenz und der Schülerdisposition – nicht seltengibt es im Informatikunterricht das Problem, dass Informa-tik-Lehrkräfte bisweilen nicht können und SchülerInnen nichtimmer wollen – soll und muss es natürlich von Fall zu FallFreiräume im Sinne von speziellen, auch vertiefenden, derUnterrichtssituation angepassten und die SchülerInnen for-dernden Themenbereichen geben.

Konzeptwissen versus ProduktwissenFolgender Dialog spielte sich heuer als Auftakt für eineangeregte Diskussion in einem österreichischen Lehrer-

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5 An den Standorten Wien, Salzburg und Klagenfurt gibt es das Informatik-Lehramtsstudium seit drei Jahren, in Linz seit einem Jahr.

forum ab. Ein AHS-Lehrer: „Ich bin der Meinung, dasswir unseren Schülern Konzepte und Grundlagen vermit-teln sollen, nicht allzu spezielle Kenntnisse in einem be-stimmten Office-Paket oder MCP.“

Die harsche, aus Sicht des Autors nicht nur im Tonverfehlte Antwort eines BHS-Lehrers im Originaltext: „NurKleinkarierte, Dummköpfe, Verbohrte, Scheuklappen-menschen und eigentlich alle jene, die NICHT auf unse-re Schüler losgelassen werden sollten, können gegen et-was sein, was - in welcher Form auch immer - unserenSchülern Starthilfe in Beruf oder Studium bringt. Ob Cisco,Linux, Microsoft, Mesonic, SAP, Macromedia, Adobe,C++, C# oder sonstiges: Irgendeiner findet immer dasandere Paket besser und ein Haar in der Suppe! Abersoll dieser dümmliche „Glaubenskrieg“ auf den Schul-tern unserer Schüler ausgetragen werden? Konzepte undGrundlagen sind gut, vor allem Konzepte über Konzep-te der Grundlagen. Dafür hat ein anderer den Arbeits-oder Studienplatz! Gratuliere!“

Die Wahrheit liegt wohl wie so oft in der Mitte. Dieserscheinbare Widerspruch kann durchaus friedlich gelöstwerden, indem der Unterricht so gestaltet wird, dass bei-de antagonistischen Standpunkte befriedigt werden.

Konzeptwissen und Produktwissen müssen keinen un-überwindbaren Gegensatz darstellen.

Als erstes Beispiel möchte ich anführen, dass der imSyllabus des ECDL im Modul Textverarbeitung auf-scheinende Serienbrief, wenn er „konzeptlos“ trainiert wird,mit Sicherheit zu dem erwartenden Effekt führt, dass derAnwender bei wenig Training oder bei einem Versions-wechsel große Probleme hat.

Ein weiteres Beispiel sind assistentengestützte Abfra-gen einer Datenbank, wo vom didaktischen bzw. me-thodischen Standpunkt aus die begleitende Vermittlungvon Datenbankkonzepten wie dem relationalen Daten-modell und SQL unerlässlich ist. Drittens möchte ich diederzeit so aktuelle Präsentation von Information im Webanführen, wo es methodisch äußerst unklug wäre, sichauf eine reine Produktschulung von bekannten Webe-ditoren zu verlassen. Das darunterliegende Konzept vonAuszeichnungssprachen wie (X)HTML sowie das Verzeich-nis- und Client-Server-Konzept muss parallel dazu unter-richtet werden. Sonst passiert es, dass ausschließlich dieSoftware den Anwender steuert und nicht umgekehrt undbeim geringsten Problem der Anwender im „Regen“ steht.

Fragen Sie einen (Webeditor)Produkt-Geschultenohne Konzeptwissen, wie ein einfacher Zähler auf einerInternetseite funktioniert!

Gute Lehrbücher tragen diesem Umstand Rechnung.Leider wird der österreichische Schulbuchmarkt unter demTitel „Informatik“ von vielen firmenspezifischen Produkt-schulungsunterlagen dominiert. Hier besteht sehr großerHandlungsbedarf nach zeitloseren Lehrbüchern, die mehrbieten als Online-Hilfen, die ohnedies Bestandteil jederSoftware sind.

Eine entsprechende Lehreraus- und Fortbildung, undvor allem geeignete Lehrmittel und aufbereitete Inhaltesind mehr denn je gefragt. Das an mehreren Standor-ten5 eingeführte Informatik-Lehramtsstudium sollte die-sem Umstand Rechnung tragen.

Monolithische Kurssysteme versuscurriculares Spiralprinzip„Das Maß ist das Ziel“ gilt wohl auch für den Informatik-unterricht. Es macht wenig Sinn und ist schlichtweg lang-weilig, über einen langen durchgehenden Zeitraum imUnterricht z.B. nur Textverarbeitung, eine einzige Pro-grammiersprache oder nur ein Programmierparadigmazu behandeln. Im Fall von Kursen an berufsbildendenSchulen, in denen man intensiv mit spezieller Softwarearbeitet, mag das sinnvoll sein. Im Informatikunterrichteiner allgemeinbildenden Schule ist das nicht akzepta-bel. Im Sinne von „Variatio delectat“ sollten Lerninhalteabwechslungsreich dargeboten und von den SchülerInnenaktiv erworben werden.

Als Beispiel für variantenreiches, verzahntes Unterrich-ten soll folgendes scheinbar banale Beispiel der Ein- undAusgabe einer einfachen Schülerliste dienen. Wer sagtdenn, dass nur die professionelle Textverarbeitung einerspeziellen Firma dafür geeignet ist? Einfache Editorentun es am Anfang doch auch! Das Konzept der Forma-tierung und Strukturierung kann parallel dazu ebenso gut,wenn nicht besser, mit einer Tabellenkalkulation oder mitPräsentationssoftware gelöst werden! In weiterer Folgekann diese einfache Aufgabe (oder ist es ein Problem?)auch mit einem Webeditor gut erfüllt werden. Wenn esgar um die Schülerliste der ganzen Schule geht und da-mit die einfache Verwaltung eines Datenbestandes not-wendig wird, ist der baldige Einsatz einer Datenbankangezeigt. Dieses einfache Beispiel zeigt auch, wie wich-tig eine exakte Spezifikation ist. Das Problemlösen durchvariantenreiche Anwendung von Software ist dazu ge-eignet, viele Konzepte und die Philosophie der Benutzer-oberflächen transparent zu machen.

Möglichst bald soll den Schülern klar werden, dassdie Informatik eine enormes Spektrum an Werkzeugenzur Verfügung stellt. Eine zu starke Produktfixierung istabzulehnen. „Blindness of awareness“ – eine zu engeBindung einer Aufgabenstellung bzw. Problemstellung anein Werkzeug bzw. Produkt - sollte bereits im Anfangsun-terricht vermieden werden.

Nach dieser anfänglichen Breite können dann überlängere Zeiträume hinweg (z.B. in der Oberstufe) Vertie-fungen im Sinne des Spiralprinzips erfolgen. Es muss al-lerdings eingeräumt werden, dass Wiederholen undÜben, als Sportler würde man Training dazu sagen, Zeitkostet, aber für eine Nachhaltigkeit unabdingbar ist.Bereits erworbenes Wissen und Fertigkeiten in bestimm-ten Zeitintervallen aufzufrischen und zu vertiefen, sind fürdas Erreichen dieses Zieles sehr förderlich.

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6 GW-BASIC wurde nach Greg Whitten, einem Microsoft Angestellten benannt

Beispiele dazu lassen sich viele anführen. So ist z.B.Standardsoftware heutzutage dermaßen komplex, dasssich viele Möglichkeiten eines spiralförmigen Ansatzesfinden lassen. Sei es in der Textverarbeitung beginnendmit einem sanften Einstieg mittels einfach formatierterDokumente, über einfache Automatisierungsoptionen(Vorlagen, Textbausteine, ...) bis hin zur Bearbeitung gro-ßer Dokumente und Layoutierung als Vorbereitung fürdas Verschriftlichen und Ausarbeiten von Referaten undFachbereichsarbeiten.

In der Tabellenkalkulations- und Datenbanksoftwaresind die möglichen, systematisch oder exemplarisch auf-bauenden Betätigungsfelder weit größer (vgl. Neuwirthin dieser Sonderausgabe).

Anwendung versus EntwicklungWohl kaum ein anderes Schulfach hat sich mit dieserDialektik so auseinanderzusetzen wie der GegenstandInformatik. Das entbehrt nicht eines gewissen Reizes, gibtes doch darüber viele Debatten von Informatiklehrernbzw. Fachdidaktikern. An dieser Stelle sind Sie herzlicheingeladen, ihren Unterricht zu reflektieren und zu über-legen, wo sie – über ein Semester, ein Jahr oder garüber die ganze Unter- oder Oberstufe gesehen - fol-genden Schieberegler ansetzen würden.

Kein anderes schulinformatisches Thema fordert sozum Widerspruch heraus, wie das Thema „Programmie-ren“. In der noch jungen Geschichte der Schulinformatikseit ca. 1980 hat der Autor fast keine schulinformatischrelevante Programmiersprache ausgelassen. In histori-scher Reihenfolge waren dies GW-Basic6, Turbo Pascal,Dbase, Clipper, Prolog, Delphi, Visual Basic, VBA,Javascript, PHP und schließlich Java. Man muss sichvorstellen, dass sich meine erste Interaktion mit dem Com-puter darauf beschränkte, nach einer angezeigten Zei-lennummer 10 einen Befehl einzugeben. GW-Basic ließgrüßen!

Und mit ein bisschen Glück brachte man ein einfa-ches Programm zum Laufen. Keine Notwendigkeit, sichüber ein Betriebssystem Gedanken zu machen, keineGraphik und keine Standardsoftware trübten den Blickauf Programmierung und Algorithmen. Und damit habeich 3 Jahre Informatik-, pardon: EDV-Unterricht, gemachtund im Jahr 1984 die erste Matura aus EDV abgewik-kelt! Das Erstaunliche dabei ist, dass sich ein Teil der Pro-blemstellungen nicht geändert hat, was das Program-mieren im Kleinen betrifft. Soviel ich mich noch erinnernkann, war eine Aufgabe das Sortieren durch Einfügen,

verpackt in einen simulierten Schilauf, bei dem den Na-men der Maturakommissionsmitglieder zufällige Zeitenzugeordnet wurden und auf einer „Anzeigetafel“ die rich-tige Reihung angezeigt wurde. Ein absolut maturablesBeispiel auch noch im Jahr 2003! Es muss/sollte abernicht mehr GW-Basic sein – und ist es auch nicht! Heutewird der alte Wein in neuen Schläuchen transportiert. ZumBeispiel könnte ein relationales Datenmodell zugrunde-gelegt werden. Auch der Entwicklung einer benutzer-freundlichen Oberfläche in einer ereignisgesteuertenUmgebung steht nichts im Wege. Wer es auf die Spitzetreiben will, kann dieses Problem auch noch in einemClient-Server System implementieren. Das wäre vor 20Jahren definitiv nicht möglich gewesen.

Wenn ich meinen Unterricht reflektiere, bestimmten inder Anfangszeit Algorithmen und Programmierung fastden gesamten EDV-Unterricht, abgesehen von ein we-nig Theorie über Zahlensysteme und die Behandlunglogischer Grundlagen. Meine erste Textverarbeitung fandmit dem Zeileneditor von GW-Basic statt, ein Ausdruckerfolgte mit dem Befehl PRINT (oder so ähnlich...) in je-der Zeile.

Mit dem Auftauchen der ersten Tabellenkalkulationenund etwas später von Textverarbeitungen und Datenban-

ken kam der Siegeszug der Anwen-dersoftware, die den Schieberegler(siehe Grafik oben) weit nach links aus-schlagen ließ. In vielen Fällen steht derZeiger auch heute noch weit links, weilvielfach die nachhaltige Anwender-schulung im Bereich der Stan-

dardsoftware fast keine Zeit für Programmentwicklung lässt.Derzeit herrscht aber der Eindruck vor – verlässliche

Studien dafür gibt es allerdings noch nicht – dass imInformatikunterricht wieder mehr entworfen, entwickelt undprogrammiert wird. Drei Gründe könnten dafür verant-wortlich sein:

� Die Omnipräsenz des Internet und die damit ein-hergehende Gestaltung interaktiver Webseiten, dienur mit „Programmierung“ möglich ist.

� Die Möglichkeit der Automatisierung von Abläufenin der Standardsoftware (z.B. VBA in Excel undAccess), die nur durch Programmierkenntnisse wahr-genommen werden kann.

� Die Attraktivität der Entwicklungsumgebungen mitschnell sichtbaren Erfolgen.

Objektorientierte Sicht versus objekt-orientierte SoftwareentwicklungEs ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die objektorientierteSoftwareentwicklung in der österreichischen Schulinformatikweitgehend ein Stiefkind ist, das (noch) nicht gut behandeltwird. Dafür lassen sich einige Gründe anführen:

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Literatur

[1] Schubert Sigrid, 2002, Schulinformatik in derWissensgesellschaft, S 15-23, Tagungsband ME-2002

[2] Kalfa Winfried, 1996, Dialektik und Curricula

[3] Timmermann Bettina, 2002, Konzepte zur infor-matischen Bildung

Autor

Prof. Mag. Peter Micheuz, Gym-nasium Völkermarkt und Univer-sität KlagenfurtE-Mail: [email protected]:http://www.schulinformatik.at

Unterrichtet Informatik am Gym-nasium Völkermarkt und ist Bundeslehrer im Hoch-schuldienst an der Universität Klagenfurt und seit zweiJahren im Bereich Fachdidaktik Informatik für dasLehramtsstudium Informatik zuständig.Leitung der ARGE Informatik an AHS in Kärnten, Pro-jekt IKT-Unterstufe AHSBetreiber des Schulinformatik-Portalshttp://www.schulinformatik.at

� Unter vielen InformatiklehrerInnen bestehen über die-ses Thema noch viele Unsicherheiten.

� Die Notwendigkeit von objektorientierten Entwürfenbeim Programmieren im Kleinen (Algorithmieren) istnicht erkennbar. Viele schuladäquate Probleme las-sen sich auch ohne OOP realisieren.

� Der Paradigmenwechsel von der rein prozeduralen,imperativen Programmierung hin zur objektorien-tierten Programmierung ist schwierig (der Mensch istein „Gewohnheitstier“).

� Objektorientierung ist abstrakt und erfordert sehr vielVorwissen.

� Ein so markanter Paradigmenwechsel, wie ihn nuneinmal die objektorientierte Softwareentwicklungdarstellt, findet auch im Informatikunterricht nicht vonheute auf morgen statt.7

Wenn unter Objektorientierung nur der konstruktivisti-sche Ansatz - d.h. Entwurf und Programmierung vonwiederverwertbaren Klassenhierarchien - verstanden wird,dann ist zu überlegen, ob das für den durchschnittlichenSchüler – ich spreche nicht von Ausnahmekönnern undTalenten – zu abstrakt und zu schwierig ist8. Der Anspruchder Schulinformatik kann nicht sein, alle Schüler zu pro-fessionellen Softwareentwicklern auszubilden.

Wohl aber – und damit wäre ein akzeptabler Kom-promiss gefunden - kann von der Schulinformatik einge-fordert werden, dass von allem Anfang an auf eine sau-bere Begriffsbildung geachtet wird. Mit den Begriffen Klas-se, Objekt, Attribut und Methode können Schüler bereitssehr früh vertraut gemacht werden9, indem die Benutzer-schnittstellen und Standardsoftware bewusst unter demobjektorientierten Aspekt betrachtet werden. GrafischeBenutzeroberflächen sind heutzutage extrem objektbasiert.

� Textverarbeitung: Zeichen und Absätze sind Klas-sen mit den Eigenschaften „Schriftart“, „Schriftgröße“bzw. „Ausrichtung“, „Einrückung“, etc.

� Grafik-Software: Zeichnungswerkzeuge sind Klas-sen mit den Methoden „Löschen“, „Verschieben“

Diese objektorientierte Sicht von Software kann als eineVoraussetzung dafür angesehen werden, dass dem Schülerübertragbare Kenntnisse (Konzeptwissen) vermittelt werden.

Ein sanfter Einstieg in die Objektorientierung (nichtOOA, OOD, OOP10) – Puristen werden dem sicher nichtzustimmen - ist aus meiner Sicht das Programmieren mitvorgegebenen Klassen (Objektprototypen) in ereignis-gesteuerten Entwicklungsumgebungen. Ich würde derobigen objektorientierten „Dreiheiligkeit“ noch das Akro-nym OOS (Objektorientierte Sicht) hinzufügen.

Mittlerweile hat – in Ansätzen - auch die Objektorien-tierte Programmiersprache Java in die Schulinformatik

(Österreichs) Einzug gehalten. Ich befürchte, dass in vie-len Fällen das Konzept der Objektorientierung im„Kampf“ mit der Syntax und der Qual der Wahl einergeeigneten Entwicklungsumgebung beim Schüler eher aufUnverständnis stößt.

Sanfte und didaktisch sehr interessante Einstiegs-möglichkeiten, objektorientierte Konzepte zu vermittelnbieten auf (fast) allen Alterstufen z.B. die komplexenWerkzeuge Excel-VBA und Flash.

Ein Aphorismus des bekannten Komponisten A. Bruck-ner, der im übertragenen Sinn auch Software (Noten fürein Orchester) entwickelt hat, möge im Hinblick aufSoftwareentwicklung zum Nachdenken anregen: „Willstdu hohe Türme bauen, mußt du lange beim Fundamentverweilen“. Womit eine weitere Aporie angedeutet ist.Wir reden heute von Breiten- und Spitzensport. Was be-deutet in Analogie dazu die Aporie „Breiteninformatikund Spitzeninformatik“ und welche Konsequenzen las-sen sich daraus ableiten?

Die geneigte Leserin/der geneigte Leser ist eingela-den, darüber nachzudenken.

7 Es ist zu bedenken, wie lange es gebraucht hat, bis das Thema Stochastik im Mathematikunterricht Einzug gehalten hat.8 In diesem Zusammenhang wären auch andere Themen wie z.B. die Schwierigkeit von Rekursion in der Schulinformatik zu beleuchten.9 Vgl. Hubwieser in dieser Sonderausgabe10 OOA: Objektorientierte Analyse, OOD: Objektorientiertes Design, OOP: Objektorientierte Programmierung

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Evelyn StepancikUniversität Wien

Ein in der Informatikdidaktik breit akzeptierterAllgemeinbildungsbegriff, der auch den hier vorgestellten Gedanken zugrunde liegt, stammt von

Bussmann und Heymann [1].Allgemeinbildung soll� auf zukünftige Lebenssituationen vorbereiten,� kulturelle Kohärenz stiften (nicht nur rezeptive, sondern

erneuernde Aneignung von tradierten Kulturgütern),� ein zeitgemäßes Weltbild vermitteln,� zum kritischen Vernunftgebrauch anleiten,� zur Entfaltung eines verantwortungsvollen Umgangs

mit den zu erwerbenden Kompetenzen und� zur Stärkung des Schüler-Ichs beitragen.

Ein Unterricht, der sich an diesen Zielen orientiert, vermagmehr als nur die Schulung von Bedienerfertigkeit zu leisten.Doch möchte ich die folgenden Ausführungen nicht als Rezeptzur Unterrichtsgestaltung anbieten, sondern lediglich Frage-stellungen und Anregungen zur individuellen Realisierung ei-nes allgemein bildenden Informatikunterrichts geben.

Eine erste Orientierung bietet der von Hubwieser [2] ge-prägte Begriff der „informatischen Bildung“, der folgende dreiBereiche der schulischen Auseinandersetzung mit Informations-systemen zusammenfasst:

1. Einsatz als Medium oder als Lernhilfe2. Schulung von Bedienerfertigkeit3. Beherrschung grundlegender Konzepte

Die Gewichtung dieser drei Bereiche soll zum einen anden Kenntnissen der Schüler und Schülerinnen erfolgen, zumanderen sind jedoch auch die Ziele des gültigen Lehrplans zubeachten. Zu guter Letzt kann und soll der / die Lehrendeseine / ihre ganz persönliche Gewichtung basierend auf denvorhergehenden Überlegungen vornehmen. Dabei ist auf dieVermittlung grundlegender Konzepte bereits ab dem erstenLernjahr zu achten. So können beispielsweise Prinzipien vonRechnernetzen anhand des Versendens elektronischer Nach-richten schon im ersten Lernjahr in reduzierter Form vermitteltwerden. Auch die Funktionsweise des World Wide Web kannauf einfachste Art und Weise unterrichtet und von den Schüle-rinnen und Schülern entdeckt werden. Schon 11-jährige sindfür die Frage: „Wie kommt diese Webseite auf meinen Com-puter?“, zu begeistern. Wird zudem noch der Datenschutzthematisiert, dann kann die Unterrichtssequenz wesentlicheBeiträge zur Allgemeinbildung leisten.

Die enorme Bedeutung von Informatiksystemen für dastägliche Leben ist hinlänglich erwiesen. Am Arbeitsmarkt sindin vielen Bereichen grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten

im Umgang mit Informations- und Kommunikationssystemennötig. Wie aber können wir Schülerinnen und Schüler daraufvorbereiten? Es ist nicht die Aufgabe eines allgemein bilden-den Informatikunterrichts, auf die Ausübung eines bestimmtenBerufes vorzubereiten, vielmehr müssen Qualifikationen ver-mittelt werden, die zur Bewältigung realer Lebenssituationenbeitragen, die aber nicht automatisch und nebenher erwor-ben werden können und die durch eine gewisse Universalität,also Anwendbarkeit in sehr verschiedenen Situationen, ge-kennzeichnet sind.

Die Problemstellungen des Unterrichts haben sich also anrealen Lebenssituationen zu orientieren. Dabei sollte nicht dieexakte Bedienung einer Software oder die perfekte Beherr-schung einer Programmiersprache im Vordergrund stehen. DasErlernen einer Programmiersprache oder Software kann nuran dafür typischen und geeigneten Beispielen erfolgen, je-doch sind auch die Grenzen der Anwendbarkeit aufzuzeigen.Das Ziel eines derartigen Unterrichts ist es, dass Schüler undSchülerinnen ein der Problemstellung adäquates Werkzeugwählen und ihre Wahl begründen.

Für den Lehrenden / die Lehrende bedeutet dies, Aufga-ben zu stellen, Probleme zu finden, die paradigmatisch fürden zu erlernenden Inhalt sind. Dabei werden möglicherwei-se unterschiedliche Lösungswege auftreten, die in einer an-schließenden Reflexionsphase zu diskutieren sind. Neben derVorbereitung auf zukünftige Lebenssituationen wird zum kriti-schen Vernunftgebrauch angeleitet und zur Entfaltung einesverantwortungsvollen Umgangs mit den zu erwerbenden Kom-petenzen beigetragen.

Wesentliche Hinweise zur Konzeption eines allgemein bil-denden Informatikunterrichts und zur Bestimmung von Lern-zielen formuliert Baumann [3] anhand von drei didaktischenLeitlinien bzw. Leitfragen.

Die erste Leitfrage „Wie können durch Entwicklung, Ge-staltung und Anwendung von Informatiksystemen Problemeder Lebenswelt gelöst werden?“ inkludiert obige Ausführun-gen, der praktisch, anwendungsbezogene Aspekt tritt hierbeiin den Vordergrund.

Die zweite Leitfrage „Wie sind Informatiksysteme aufge-baut, welches sind die Prinzipien des Zusammenwirkens ihrerKomponenten und wie ordnen sie sich in größere System-zusammenhänge ein?“ zielt auf die Beschäftigung mitInformatiksystemen ab, die aus Teilsystemen aufgebaut sindund sich zu größeren Netzen zusammenschließen können.

Die dritte Leitfrage „Welches sind die Grundlagen und woliegen die Grenzen formaler bzw. technischer Wissens-verarbeitung, und wie kann die kognitive Autonomiemenschlicher Subjekte gewahrt werden?“ thematisiert ei-nerseits die Grenzen eines verantwortungsvollen Computer-einsatzes und andererseits die prinzipiellen Grenzen der Ideedes Wissens und seiner technischen Verarbeitung.

Allgemein bildenderInformatikunterricht – wie geht das?

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Das folgende Beispiel vermag diese Leitlinien zu ver-deutlichen. Die Implementierung und Realisierung einereigenen Webseite ist für Schülerinnen und Schüler zu-meist eine interessante Aufgabenstellung. Zudem stelltdiese Aufgabe einen typischen Einsatzbereich und eineexemplarische Anwendung der Informatik dar. Wird imUnterricht die Auswahl der Werkzeuge zur Erstellung derWebseite thematisiert und können Schüler und Schüle-rinnen die getroffene Auswahl begründen, dann trägtauch dies zur ersten Leitfrage bei.

Die Wirkprinzipien von Informatiksystemen (zweiteLeitfrage) werden den Schülern und Schülerinnen nahegebracht, wenn in der Unterrichtssequenz auch die Struk-tur und Funktion von Netzen – insbesondere des Internets– zur Informationsübertragung analysiert werden.

Die ethischen Grenzen eines verantwortungsvollenComputereinsatzes sollten unbedingt vor der Veröffent-lichung der Webseite erörtert werden, womit auch diedritte Leitlinie zumindest in Teilbereichen erfüllt ist.

Zum Abschluss kann ich nur empfehlen, Ansätze ei-nes allgemein bildenden Informatikunterrichts zu erpro-ben. Nicht in allen Klassen, nicht bei allen Themen, son-dern vorerst nur bei einer Klasse, bei einem Thema, dasden Lehrenden / die Lehrenden immer wieder beson-ders anzieht.

Literatur

[1] Bussmann H., Heymann H.W.: Computer und All-gemeinbildung, 1987

[2] Hubwieser P.: Didaktik der Informatik, Springer,2001

[3] Baumann R.: Didaktik der Informatik, Klett, 1996

Autorin

Mag. Evelyn Stepancik, BG/BRGPurkersdorfE-Mail: [email protected]: http://www.informatix.at

Unterrichtet am Gymnasium Purkersdorf die FächerDeutsch, Mathematik und Informatik sowie Informa-tik-Fachdidaktik an der Universität Wien im Bereichder Lehramtsausbildung Informatik. Engagement auchim Bereich des E-Learning.

http://www.educeth.ch/informatikDieser von Dr. Hartmann und Dr. Rei-chert betriebene Bildungsserver in derSchweiz ist eine wahre Fundgrube fürden Informatikunterricht auf vielen Al-tersstufen.

http://www.lugsp.at/~alfredDiese private Seite von Prof. Mag. Alfred Nussbaumer, der im Stiftsgymnasium Melk, Niederösterreich, unterrichtet,bietet sehr übersichtlich gestaltete und selbst erstellte Unterrichtshilfen für den Informatik-Unterricht.

Interessante Webseiten

Page 31: Juli 2001Grunde genommen auch Modetrends wie E-Learning oder die von der Wirtschaft an das Bildungswesen herangetra-genen Zertifizierungen für die eigentlichen Themen einer Kerninformatik

Juli 2001

Oktober 2003 31

http://www.schulinformatik.atNeben einer umfangreichen Link-sammlung bietet dieses Portal vieleAnregungen für den Informatik-unterricht,Aufgabensammlungen (z.B. Matura-aufgaben), Quizzes u.a..Der verstärkte Ausbau zu einem an-spruchsvollen Bildungsserver mit wert-vollen Artikeln und Unterrichtsunter-lagen ist geplant und im Gange.

http://www.eduhi.at/gegenstand/informatikDieser Teil des oberösterreichschen Eduhi-Bildungservers wird vom Fachinspektor fürInformatik, Prof. Mag. Günther Schwarz,betrieben und stellt eine sehr gut strukturier-te und dokumentierte Linksammlung für fastalle Belange der Schulinformatik dar.

http://www.informatikserver.atDas steirische Portal http://www.informatikserver.at, die von den Kolle-gen Dir. Mag. Hans Adam und Real-schullehrer Rainer Blaschke stellt aktu-elle Hintergrundinformationen aus derIT-Welt für interessierte Informatik-Lehr-kräfte zur Verfügung. Interessante Linksund Online-Unterlagen bereichern dieösterreichische Bildungsserverland-schaft.

Page 32: Juli 2001Grunde genommen auch Modetrends wie E-Learning oder die von der Wirtschaft an das Bildungswesen herangetra-genen Zertifizierungen für die eigentlichen Themen einer Kerninformatik

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Ankündigung der Buchneuerscheinung

„Schulinformatik in Österreich – Erfahrungen und Beispiele aus dem Unterricht“ für November 2003 (er-scheint bei Ueberreuter und wird zu Sonderkonditionen von Lehrer/innen und Studierenden bei der Amedia bestelltwerden können)

Diese aktuelle Bestandsaufnahme der Informatik in Österreich wendet sich an Informatiklehrer/innen, aber auchStudierende an den Pädagogischen und Berufspädagogischen Akademien und den (Fach-)Hochschulen und Uni-versitäten.Nach einer umfassenden Einführung in den Gegenstandsbereich und einer Standortbestimmung der Informatikfolgen 23 praxisbezogene Autorenbeiträge aus der Allgemeinen Pflichtschule (APS), der Allgemeinbildenden Hö-heren Schule (AHS), der Pädagogischen Akademie (PA) sowie der Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen(BMHS) und ein Ausblick auf das Lehramtsstudium „Informatik und Informatikmanagement“.Ein ausführliches Literaturverzeichnis, eine CD-ROM (mit Daten zu den Beiträgen und dem elektronischen Lexikon„Basiswissen Angewandte Informatik“) und ein DVD-Video mit Statements und Kommentaren der Autoren rundendiesen „Medienverbund“ ab.

Literaturempfehlungen

Informatische Grundbildung– AnfangsunterrichtKoerber-PetersPaetec-Verlag,

PC-Grundlagen – echt einfachMartin SchultheißFranzis VerlagISBN 3-7723-6536-1

Was ist InformatikPeter RechenbergHanser Verlag,ISBN: 3446213198

Informatik - Eine moderneEinführungGoldschlager, ListerHanser Fachbuch,ISBN: 3446157662

Einführung in die InformatikHeiz-Peter Gumm, Manfred SommerOldenbourg

Schülerduden – InformatikVolker Claus, Andreas SchwillBibliographisches Institut, Mannheim ISBN: 3411044845

LogoutClifford StollFischerISBN: 3596155126

Didaktik der InformatikPeter HubwieserSpringer-Verlag Berlin HeidelbergISBN: 3540655646

Didaktik der InformatikRüdeger BaumannKlett SchulbuchISBN: 3129850104

Bücher über Schulinformatik, die wegen ihres

invarianten Charakters in keiner Bibliothek von

Informatiklehrkräften fehlen sollen.