8
Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten Die Gerchichte der Erdöl- und Erdgarindustrie in der Smjetunion Econ Verlag Disseldorf. Wien

Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten - hu-berlin.de · 2006-06-19 · Techniker und Arbeiter der u~ssa. Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten - hu-berlin.de · 2006-06-19 · Techniker und Arbeiter der u~ssa. Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des

Juri Semjonow

Erdöl aus dem Osten Die Gerchichte der

Erdöl- und Erdgarindustrie in der Smjetunion

Econ Verlag Disseldorf. Wien

Page 2: Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten - hu-berlin.de · 2006-06-19 · Techniker und Arbeiter der u~ssa. Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des

Inhaltsverzeichnis

r. Auflage r973 Capytight @ 1973 by E E O ~ Vcdag GmbH, Diirsddod und Wien

Allc Rechte der Verbreining, audi durch Film, Funk, Fernsehen, fommcchanisdic Wicdergabe,Tonträgei jeder Art und ausrug~weisenNachdmd<,sindvorbehaltni.

Geaamtherstcllung: Gerhard StaUing AG, Oldenburg (Oldb). Gesetzt aus der Sabon Antiqua der Linotype GmbH.

Printed in Gcmany lSBN 3 430 18350 r

Vorwort 7

Erster Teil: Big Business im Zarenreich

I. Die gute alte Zeit (1815-1877) 15 2. Der junge Erdölkapitalismus (1876-1900) 27 . 3. Kampf um den Weltmarkt (1888-1904) 45 4. Die unterirdischen Schläge (1898-1912) 60

5. A d dem Wege zum Monopol (1912-1917) 78 6. Die unerschlossenen Olschäue Rußlands 106

Zweiter Teil: Revolution, Nationalisierirng, Planwntschaft

7. Das verlorene und wiedergewonnene Baku (1917-1922) 117 8. Das Sowjetöl im internationalen Kräfiespiel (1922) 131

9. Das Spiel wurde global (1922-1928) I45 10. Die Nationalisiemng (1918-1928) 157

Ir. Erdöl für die Weltrwolution (1928-1932) 177

Dritter Teil: UdSSR wird Erdöl-Großmacht

12. Das Zweite Baku (1929-1945) I93 13. Alte und neue Quellen 211

14. Das Erdöl östlich vom Ural (196~1970) 228

Page 3: Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten - hu-berlin.de · 2006-06-19 · Techniker und Arbeiter der u~ssa. Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des

Vierter Teil: Die Erdgas-Zeit

15. Wozu das Erdgas nützlich ist 249 16. Gas in HüUe und Fülle nsjr

17. Gas überschreitet die Grenzen 279

Fünfier Teil: Erdgas, Erdöl und Politik

18. Handel in der gespaltenen Welt 29r 19. Der Handel mit den ~Kapitalisten* 314

Schlußbetruchtung

20. Hat man das Energieprc

Tabe

Quellennachweis 346

Namen- und Ortsregister 350

Geleitwort

wer ~ ~ d ö l oder Erdgas als Schlüsselfaktoren im Ringen der Welt- mächte und Weltkonzerne um Energieversorgung, Märkte, Preise

~ i ~ f l u ß wirklich kennenlernen will, wird das Buch des Sowjet- russen J. Semjonow studieren. ~ , d ö l aus dem Osten ist ein faszinierendes Werk. Es schließt viele Lücken unseres Wissens um die energiepolitiscben Komponenten der Politik der u ~ s s n und des gesamten Ostblocks; es erhellt histo- rische Entwicklungen und wirtschafispolitische zusammenhange, die vom »Roten Erdöla untrennbar sind und unsere Znkunfi, die Chancen des Friedens, mit beeinflussen. Wer das Buch nach gründlicher Lektüre aus der Hand legt, wird zu dem Schluß kommen müssen, wie wichtig, auch auf dem Gebiet der Versorgung des Globus mit Primär-Energie, ~Kooperation statt Konfrontations ist - ungeachtet ideologischer und systembedingter Gegensätze zwischen den großen Machten. Wir sehen, so unterstreicht Semjonow seine Obenengung, daß das Problem in der Tat universal, nicht national ist. Sämtliche Indn- striestaaten sind von ihm betroffen. Alle Völker haben damit zu rechnen. Ein universales Problem jedoch braucht eine universale, das heißt internationale Lösung durch Verständigung, Handel und gegenseitige Hilfe. Das gilt für Kohlenwasserstoffe ebenso wie für Proteine, für die Bevölke~ngsex~lasion, für Meer- und Luher- schmutzung und vieles andere mehr. Eine andere Lösung gibt es nicht. Sobald man sich in dies vielseitige Werk eingelesen hat, - vielleicht unter Zurhandnahme eines wirtschaffspolitiscben und historischen Atlas -, kommt man nicht mehr davon los. Die Schildemng ist in mannigfacher Beziehung packend: Semjonow beleuchtet sein Leit-

Page 4: Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten - hu-berlin.de · 2006-06-19 · Techniker und Arbeiter der u~ssa. Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des

tbema in ungewöhnlicher Kombination von historischer Betrach tung, wimchafflicher und geopolitischer Analyse, technologischer Einfühlung und einem seismologischen Gespür für die strategischen, machtpolitischen und ideologischen Komponenten der Ausein- andersetzungen unseres Zeitalters; auch der sozialpolitische Hinter- gmnd der Entwiddung des 01s aus dem Osten und die .nationales Komponente fehlen bei der - organisch angelegten - Betrachtung nicht. Der Themenreichmm des gut dokumentierten Werks kann nur streiflichtartig angedeutet werden; er reicht von der Erdölfördemng unter primitiven technischen Voraussetzungen im Zarenreich des 19. Jahrhunderts bis hin zu den Röhrenliefemngen von Mannes- mann und Thyssen gegen sowjetisches Erdgas. Semjonow schildert das alles in klassisch-lapidaren Sätzen. Bis- weilen blitzt eine genialisch anmutende Ironie auf: bei der Schilde- rung historischer Persönlichkeiten, offener und getarnter Interessen- politik und politischer Propagandathesen. Auch vor Schwächen eigener Landsleute macht der Verfasser nicht halt. Semjonows Wille zur Objektivität ist, bei aller Schärfe auch des politischen Urteils, nicht zu übersehen; so übergeht er z. B. nicht die Tatsache, daß die xNOBEL-Dynastiex im zaristischen Rußland trotz starker Anfein- dung sozialpolitisch fortschrittliche Neuemngen, z. B. der Arbeits- zeit-Regelung, einführte. Der nationale und technische Genius der Russen kommt nicht zu kurz; Semjonow jedoch vermeidet jegliche Ubemeibung. Hinter der sachlichen Schilderung der Suche und Aufspümg neuer Erdölvor- kommen in Gegenden bis jenseits des Polarkreises (1962) ahnen wir Leistungswillen und Opfermut der beteiligten Geologen,Ingenieure, Techniker und Arbeiter der u ~ s s a . Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des COMECON auf dem ErdölErdgas-Sektor und in den Handel mit den sogenannten Kapitalisten (darunter auch der staat- lichen ENI Italiens); bei Herbeifühmng xfriedlicher Koexistenz mit Japaue miQ der Autor dem Erdöl die Schlüsselrolle zu.

Dr. Herben Schnapb BOMIN-BOCHUM

Vorwort

wie bereits einmal am Ende des Ersten Weltkrieges gesagt wurde, kam die antideutsche Koalition auf den Wellen des Erdöls zum siege. Die weiteren Ereignisse zeigten, daß man auf den gleichen Wellen zu Niederlagen, zu neuen Kriegen, zu Revolutionen, zur Verunreinigung der politischen oder physischen Atmosphäre kom- men kann, - aber auch zur Lösung der wichtigsten wirtschaff- lichen Aufgaben, zur Hebung des Lebensstandards der Völker, zu ihrer besseren Beleuchtung und Erleuchtung. Kohlenwasseistoffe - Erdöl und Erdgas - vermehren die Energiemenge, die der Wirt- schaff zugeführt wird. Dadurch wird ihre Produktivität erhöht, die vorhandenen Hiilsquellen besser ausgenutzt, die Völker reicher gemacht. Kein anderes Wirtschaffsgut hat sich mit solcher Schnelligkeit auf alle Lebensgebiete ausgebreitet. Vor kaum mehr als hundert Jah- ren wurde das Erdöl nur in Apotheken verkauff. Heute würden ohne Erdöl und seine Erzeugnisse alle Krafffahrzeuge und Schiffe stehen, die Hälffe der Großstädte würde im Dunkeln liegen, und sogar die Landwirtschaff würde uns nicht ernähren können, weil alle Maschinen, die pflügen, säen, mähen, dreschen und das Ge- treide abtransportieren, nicht ohne flüssigen Brennstoff und Shmieröle arbeiten können. Das Erdöl ist die dem Werte nach allernichtigste Ware des Welthandels. Vor dem Junikrieg 1967 bildeten das Erdöl und seine Erzeugnisse etwa 90 % des Fracht- Verkehrs durch den Suez-Kanal. An der Zusammenarbeit und an dem Konkurrenzkampf der Erdöl- ~toduzenten und Händler nimmt das 01 der Sowjetunion akriv feil. Die Erdölindustrie der u ~ s s n hat sich in einem für alle Ein- geweihten unerwarteten Tempo entwickelt. Selbst Lenin und seine

Page 5: Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten - hu-berlin.de · 2006-06-19 · Techniker und Arbeiter der u~ssa. Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des

nächsten Mitarbeiter hielten die Wiederherstellung der Erdölindu- strie nach den Zerstörungen des Bürgerkrieges ohne ausländisches Kapital für unmöglich. Stalin träumte von einer jährlichen so- wjetischen Ausbeute von 60 Mill. t, tatsächlich wurden in der UDSSR im Jahre 1961 rund 166 Mill. t gewonnen, wodurch Venezuela ihren zweiten Platz (nach den USA) als Weltproduzent an die Sowjetunion abtreten mußte. Fünf Jahre später, 1966, wur- den in der u ~ s s n bereits 268 Mill. t gewonnen. 1971 waren es 372 Mill. r , und von dieser .\lr.nge wurden fast roa hlill. t JUS-

geführt. Da5 ist nichr vicl weniger J I \ die RunJcsrcouhlik Deutsch- - ~ ~~~

land in jenem Jahre eingeführt hat. Die Sowjetunion führt auch Erdgas aus, sie liefert es nach Osteuropa, aber es sind auch Roht- leitungen nach Westeuropa im Bau. Vor unseren Augen entsteht eine neue, unerhört mächtige Energiequelle. Allein die Ukraine schöbfi aus dem Schoße der Erde mehr Gas als ganz Westeuropa. Dabei ist das Territorium der UDSSR geologisch lange nicht so gut erforscht wie das Gebiet der USA, geschweige denn von West- europa. Auch der Schelf der Sowjetunion ist nur wenig erschlossen. Zur Zeit sind nur am Kaspischen Meer und bei Sachalin umfangreiche Schelfbohningen im Gange, und die Bohrtürme haben die See- tiefen von 40 m nicht überschritten, während für die heutige west- liche Erdöltechnik auch die Tiefen von roo m und mehr kein Hindernis darstellen. Das alles zeigt, wie groß die noch nicht aus- genutzten Reserven sind. Ein neuer Energiespeicher entsteht, man kann sagen, in Europa selbst, wenn man mit General de Gaulle annimmt, daß Europa sich bis zum Ural erstreckt. Aber die allergrößten Erdöl- und Gas- quellen liegen wohl noch ferner, in Sibirien, also in Asien. Des- wegen ist es durchaus sinnvoll, die Sowjetunion als Eur-Asien, Eurasien, zu bezeichnen. Die Erdölindustrie Eurasiens ist in enger Fühlungnahme mit der amerikanischen Technik und in Zusammenarbeit mit dem enro- päischen Kapital geschaffen worden. Das ist nicht allgemein be- kannt, und man fragt sich, ob es notwendig ist zu wissen, wie es einmal gewesen ist. Ich glaube, daß es ebenso wichtig wie von praktischer Bedeumng ist, die Vergangenheit eines Landes, einer Wirtschafi, kennenzulernen wie die Vergangenheit eines Men-

schen, mit dem man intensiver zu tun hat. Das Wissen von Ver- gangenem macht uns außerdem weiser und toleranter. Es befreit

der Gewohnheit, nur Schwan und Weiß zu sehen. Es „,grnns die Bedingtheit aller Tagesparolen. Es lehrt uns zwischen den Zielsetzungen und der wirtschafflichen Notwendig- keit dem einfachen lnteressenkampf zu unterscheiden. ln diesem Buch wird über den kalten Erdöl-Krieg zwischen Ameri- kanern und Russen im vorigen Jahrhundert berichtet. Was aber die Zeitungen damals in den verschiedenen Stadien des Kampfes

das schreiben sie auch in unserer Zeit: dieselben Ver- dächtigungen, dieselben Vorwürfe, dieselben Ängste, - nur daß die Sprache damals klarer und verständlicher war, was damals Herab- setzung, Angriifsgeist und Unterbietung hieß, heißt heute Dis- kriminierung, Aggression und Dumping. ~ i " Vergleich dessen, was damals behauptet wurde und was Wirk- lichkeit war, belehrt uns, die Dinge etwas kritischer und objektiver zu betrachten. In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unterstützten die englischen Zeitungen das Verbot für die ~ a n k e r - schiffe, den Suez-Kanal zu passieren. Es wurden Befürchtungen laut, die .Russen. würden den Kanal nanzündenc, um die See- vetbindung Graßbfitanniens mit Indien zu unterbrechen. Im Jahre 1905 beschuldigte ein Vertreter der russischen Ultra- Konservativen in der Reichsdnma die Standard Oil, auf den Bakuer ErdÖlfeldern durch ihre Agenten Brände anzustifien. In unserer Zeit lesen wir in einer in Moskau erschienenen Schrifi, daß imJahre 1905 Rothschild xselbste seine eigene Springquelle in Baku in Brand gesetzt habe! Die Geschichte lehrt uns, die heutige Wirklichkeit objektiver und kritischer zu beurteilen. Es zeigt sich, daß die Methoden, die an- geblich nur in den Verhältnissen der kapitalistischen Anarchie- möglich seien, auch in der sozialistischen Planwiwchafi zur An- wendung kommen. So z. B. die Konzentrierung der Ausbeute auf die reicheren und leichter zugänglichen Lagerstätten und die Still- legung der übrigen. Nobel und seinen kapitalistischen Zeitgenossen wird vorgeworfen, im Interesse =ihres« Baku das Suchen an der wolea sabotiert zu haben. Aber gegen dieses Suchen war doch auch der große Patriot, der unbestechliche Mendelejew, und schon

Zeit des ersten Fünfjahr-Planes trat gegen die rverpulverung

Page 6: Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten - hu-berlin.de · 2006-06-19 · Techniker und Arbeiter der u~ssa. Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des

der Mittelx an der Wolga eine starke Gmppe von Geologen und der GOSPLAN selbst (die staatiiche Plankommission) auf. Das größte Ubel der sowjetischen Erdölindustrie ist zweifellos die schlechte Abstimmung von Produktion, Transport und Verarbei- tung. In der Regel wird mehr Erdöl gewonnen, als man es von den Feldern abtransportieren kann, und es wird mehr abtransportiert als verarbeitet werden kann. So bleibt der Transport hinter der Gewinnung und die Verarbeitung hinter dem Transport zurück. Das geschieht in der Planwirrschaff, jedoch genau das gleiche ge- schah in der Zarenzeit ohne Mitwirkung des GOSPLANS.

Bedeutet dies, daß der Plan nichts geändert hatte und alles beim alten blieb? Gewiß nicht! Der Plan hat die Schaffung eines einbeit- lichen Energiesystems in dem riesigen Raum Eurasiens ermöglicht. Dieses System schuf andererseits die Voraussetzungen dafür, die über der russischen Entwicklung lastenden wirtschafisgeographi- schen Antinomien zu überwinden. Die in der u ~ s s n stattfindende wirtschafiliche Integration erfaßt allmählich die Länder Osteuro- pas. Erdöl und Gas spielen dabei eine wesentliche Rolle. OI und Gas sind bekanntlich strategische Rohstoffe. Man braucht nicht gleich an Bombenflugzeuge und Panzer zu denken. Wenn die Traktoren und Mähdrescher besser arbeiten, bekommen die Sol- daten auch besser zu essen. Diese .Strategie= ist einleuchtend. Des- wegen ist es kaum möglich, beim Thema Erdöl die Politik ganz auszuschließen. Ich gab mir Mühe, die Berührung mit der Politik auf ein Minimum zu beschränken. Aber ich mußte zwangsläufig die Mitwirkung von internationalen Erdölgruppen bei der Anstif- tung von Interventionen und des Bürgerkrieges in Rußland in den Jahren 1918-1920 wähnen , so wie ich die sowjetischen Versuche, sich in Nord-Persien, oder die Versuche Japans, sich auf Sachalin zu behaupten, nicht verschweigen konnte. Allein die aktuellste Frage unserer Zeit über die Rolle des Erdöls in der arabo-israeli- schen-amerikano-sowjetischen Kontroverse im Mittelmeer-Raum konnte ich nur andeuten. In groben Zügen erscheint die Lage so: der Nahe Osten besitzt rund 60 % der bekannten Erdölvorräte der Welt. Die arabischen Länder und der Iran beliefern mit ihrem Erdöl Europa und teil- weise die USA. Gleichzeitig schränken sie die Rechte der ölgewin- nenden Gesellschatien immer mehr ein und machen kein Hehl

daraus, daß ihr Endziel die vollständige Befreiung vom »Joche die- s, Unternehmen sei. Ein Teil dieser Länder ist durch Freund- shaffs- und Hilfsverträge mit der uossn verbunden, wobei die „,jetischen Geologen und Ingenieure den betreffenden Regiemn- gen bei der Olsuche helfen und die sowjetischen Organisationen ,ich an der Ausbeutung jener OLfelder beteiligen, die unter dieser oder jener Begründung den internationalen Konzessionären ent- „gen werden, wie es z. B. in Irak und Libyen geschah. Können ,ich nun die USA damit abfinden, daß die Kontrolle der Erdöl- beliefemng aller Länder der EWG, der NATO und SEATO von den arabischen Ländern übernommen wird? Das erklärt die Anwesen- heit der amerikanischen sechsten Flotte im Mittelmeer sowie die Unterstützung Israels, das der einzige. zuverlässige Stützpunkt der USA im ösdichen Mittelmeer zu sein scheint. Die USA und West-Europa brauchen das arabische Erdöl, die So- wjetunion brauch es dagegen nicht. Gewiß, nach einer unbestimm- ten Zeit kann auch in der Sowjetunion Olmangel entstehen. Auch heure würde ihr aus transportgeographischen Erwägungen' eine gewisse Erdölreserve im Bereich des Mittelmeers willkommen sein. Das ist aber alles. Sollte vielleicht die sowjetische Kriegsmarine das arabische Erdöl für den ~Ernsdalla brauchen? Daran ist schwer zu glauben. Ein Kampf mit den anglo-amerikanischen Seestreitkrätien im Mittelmeer scheint jedenfalls heute undenkbar. Die Schließunp des Suez-Kanals hat der Sowietunion große finan- zielle ~erluste gebracht und die Entwicklung des sowjetischen Fernen Ostens verzöeert. Sie hat die Sowietunion im Femen Osten " strategisch geschwächt und ihre Zahlungsbilanz durch die Aus- gaben für zusätzliche fremde Tonnage belastet. Somit liegt die Normalisierung im Nahen Osten und ein offener Suez-Kanal im Interesse Moskaus. Man fragt sich auch, welches Interesse die So- wjetregierung haben mag, den arabischen und anderen Entwick- lungsländern ihre Erdölausbeute und Ausfuhr vergrößern zu hel- fen? Die Sowjets bohren, bauen Erdölleitungen und Crack-Anlagen in Indien, Ägypten, Algier, Pakistan, im Irak U. a. m. Die Chinesen beuten bei sich die Ollagerstätten aus, deren Mehrzahl von so- wjetischen Geologen festgestellt wurden. Also helfen die Sowjm ihren etwaigen Konkurrenten im Erdölgesdiätl auf die Beine? Diese Fragestellung ist sicher kurzsichtig. In der sowjetischen Poli-

Page 7: Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten - hu-berlin.de · 2006-06-19 · Techniker und Arbeiter der u~ssa. Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des

tik sind nämlich immer noch die doktrinären Motive wirksam, dit von der ersten bolschewistischen Generation stammen. Jede Be- freiung der nkolonialen und halbkolonialen« Völker von der Ge- walt des anglo-amerikanischen Kapitals schwächt den Weltkapi- talismus und beschleunigt sein Ende, das lehrte Lenin. Daher müsse man jeder, auch der ~bürgerlichenu Nationalisierung des Erdöls helfen. Man solle nicht Dankbarkeit envarten, sagte Lenin, unser Lohn wird nicht die Dankbarkeit der Befreiten, sondern der Bankrott des Kapitalismus sein. Bei dieser Doktrin haben die ideologischen und politischen Kom- ponenten die Oberhand. Jedoch auch das ökonomische Kalkül ist mit im Spiel. Die Olleute in der Sowjetunion wissen, daß die erd- ölbesitzenden Regierungen nicht eine Senkung, sondern eine Er- höhung der Preise anstreben. Das ist eine Tendenz, die durchaus im Interesse des sowjetischen Exportes liegt. Wie wir sehen, ist das Erdölthema uferlos. Es ist interessant und kompliziert wie das Leben selbst. Einst hieß es jedenfalls Olquel- len - Kriegsquellen, ob dies wirklich stimmte, scheint mir zweifel- hafi, zu vielfältig waren und sind die Ursachen von Kriegen, und es erscheint jedenfalls zu einfach, sie auf einen einzigen Gmnd zurückzuführen. Ich will jedenfalls hoffen, daß die Wellen des Erd- öls uns zu keinem sogenannten uSiegn tragen, bei dem sowohl Sieger wie Besiegte miniert, zerstört und entmenschlicht werden, sondern zu einem für alle annehmbaren modus vivendi. Der Leser wird sich überzeugen können, daß diese Hoffnung nicht von Senti- mentalität oder Leichtgläubigkeit diktiert ist.

Erster Teil Big Business im Zarenreich

Page 8: Juri Semjonow Erdöl aus dem Osten - hu-berlin.de · 2006-06-19 · Techniker und Arbeiter der u~ssa. Das Buch vermittelt auch gute Einblicke in die Handelspolitik der uossn und des