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Kapitel 1
Vollständige Induktion
Kapitel 1
Vollständige Induktion
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 2
InhaltInhalt
1.1 Das Prinzip
A(n) A(n+1)
1.2 Anwendungen
1 + 2 + 3 + ... + n = ?
1.3 Landkarten schwarz-weiß
1.4 Fibonacci-Zahlen
1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, ...
1.1 Das Prinzip
A(n) A(n+1)
1.2 Anwendungen
1 + 2 + 3 + ... + n = ?
1.3 Landkarten schwarz-weiß
1.4 Fibonacci-Zahlen
1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, ...
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 3
1.1 Das Prinzip1.1 Das Prinzip
• Ziel: In der Mathematik macht man in der Regel Aussagen über
unendlich viele Objekte (alle Zahlen, alle Dreiecke usw.)
• Solche Aussagen kann man prinzipiell nicht dadurch klären
(„beweisen“), dass man alle Fälle einzeln ausprobiert. Man muß die
Aissage sozusagen „auf einen Schlag“ erledigen. Dazu dient die
(vollständige, mathematische) Induktion.
• Bemerkung: Unter „Induktion“ versteht man (im Gegensatz zur
„Deduktion“ eigentlich das – logisch unzulässige – Schließen von
Einzelfällen auf alle Fälle. Die mathematische Induktion ist ein
Werkzeug, mit dem man das sauber machen kann.
• Ziel: In der Mathematik macht man in der Regel Aussagen über
unendlich viele Objekte (alle Zahlen, alle Dreiecke usw.)
• Solche Aussagen kann man prinzipiell nicht dadurch klären
(„beweisen“), dass man alle Fälle einzeln ausprobiert. Man muß die
Aissage sozusagen „auf einen Schlag“ erledigen. Dazu dient die
(vollständige, mathematische) Induktion.
• Bemerkung: Unter „Induktion“ versteht man (im Gegensatz zur
„Deduktion“ eigentlich das – logisch unzulässige – Schließen von
Einzelfällen auf alle Fälle. Die mathematische Induktion ist ein
Werkzeug, mit dem man das sauber machen kann.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 4
Das Prinzip der vollständigen InduktionDas Prinzip der vollständigen Induktion
Prinzip der vollständigen Induktion. Sei A eine Aussage oder
eine Eigenschaft, die von einer natürlichen Zahl n abhängt. Wir
schreiben auch A(n).
Wenn wir wissen, daß folgendes gilt:
(1) Induktionsbasis (Induktionsverankerung): Die Aussage A
gilt im Fall n = 1 (das heißt, es gilt A(1)),
(2) Induktionsschritt: Für jede natürliche Zahl n 1 folgt aus
A(n) die Aussage A(n+1),
dann gilt die Aussage A für alle natürlichen Zahlen 1.
Prinzip der vollständigen Induktion. Sei A eine Aussage oder
eine Eigenschaft, die von einer natürlichen Zahl n abhängt. Wir
schreiben auch A(n).
Wenn wir wissen, daß folgendes gilt:
(1) Induktionsbasis (Induktionsverankerung): Die Aussage A
gilt im Fall n = 1 (das heißt, es gilt A(1)),
(2) Induktionsschritt: Für jede natürliche Zahl n 1 folgt aus
A(n) die Aussage A(n+1),
dann gilt die Aussage A für alle natürlichen Zahlen 1.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 5
ErläuterungErläuterung
Bedeutung der vollständigen Induktion: Um eine Aussage über
unendlich viele Objekte nachzuweisen, muss man nur zwei
Aussagen beweisen:
Induktionsbasis: A(1)
Induktionsschritt: A(n) A(n+1)
Man nennt A(n) auch die Induktionsvoraussetzung.
Die hinter diesem Prinzip stehende “Philosophie” ist die, dass man in
objektiv kontrollierbarer Weise über eine Unendlichkeit (“alle”
natürlichen Zahlen) sprechen kann. Die Bedeutung dieses Prinzips,
wurde zwischen 1860 und 1920 u.a. von Moritz Pasch (Professor in
Gießen) und Giuseppe Peano (Professor in Turin) entdeckt.
Bedeutung der vollständigen Induktion: Um eine Aussage über
unendlich viele Objekte nachzuweisen, muss man nur zwei
Aussagen beweisen:
Induktionsbasis: A(1)
Induktionsschritt: A(n) A(n+1)
Man nennt A(n) auch die Induktionsvoraussetzung.
Die hinter diesem Prinzip stehende “Philosophie” ist die, dass man in
objektiv kontrollierbarer Weise über eine Unendlichkeit (“alle”
natürlichen Zahlen) sprechen kann. Die Bedeutung dieses Prinzips,
wurde zwischen 1860 und 1920 u.a. von Moritz Pasch (Professor in
Gießen) und Giuseppe Peano (Professor in Turin) entdeckt.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 6
AussagenAussagen
A(n): 4n ist eine gerade Zahl
A(n): n2 ist eine gerade Zahl
A(n): n ist eine Primzahl
A(n): Die Anzahl der Sitzordnungen von n Studierenden auf n
Stühlen ist n! (:= n(n–1)...21, sprich „n Fakultät”)
A(n): n geradlinige Straßen haben höchstens n Kreuzungen
A(n): Wenn n Computer zu je zweien durch eine Leitung
verbunden werden, so braucht man genau n(n–1)/2 Leitungen
A(n): 4n ist eine gerade Zahl
A(n): n2 ist eine gerade Zahl
A(n): n ist eine Primzahl
A(n): Die Anzahl der Sitzordnungen von n Studierenden auf n
Stühlen ist n! (:= n(n–1)...21, sprich „n Fakultät”)
A(n): n geradlinige Straßen haben höchstens n Kreuzungen
A(n): Wenn n Computer zu je zweien durch eine Leitung
verbunden werden, so braucht man genau n(n–1)/2 Leitungen
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April 2004Seite 7
1.2 Anwendungen1.2 Anwendungen
Problem (C.F. Gauß): 1+2+3 +...+ 100 = ???
1.2.1 Satz. Für jede natürliche Zahl n 1 gilt:
1+2+... + n = n(n+1)/2.
In Worten: Die Summe der ersten n positiven ganzen Zahlen ist
gleich (n+1)n/2.
Konsequenz: Man kann die Summe 1+2+3+...+n ganz einfach
ausrechnen, und es passieren kaum Rechenfehler.
Problem (C.F. Gauß): 1+2+3 +...+ 100 = ???
1.2.1 Satz. Für jede natürliche Zahl n 1 gilt:
1+2+... + n = n(n+1)/2.
In Worten: Die Summe der ersten n positiven ganzen Zahlen ist
gleich (n+1)n/2.
Konsequenz: Man kann die Summe 1+2+3+...+n ganz einfach
ausrechnen, und es passieren kaum Rechenfehler.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 8
DreieckszahlenDreieckszahlen
Definition. Die Zahlen der Form (n+1)n/2, also die Zahlen 1, 3, 6,
10, 15, ... heißen Dreieckszahlen.
Man kann Satz 1.2.1 also auch so ausdrücken: Die Summe der
ersten n positiven ganzen Zahlen ist gleich der n-ten Dreieckszahl.
Definition. Die Zahlen der Form (n+1)n/2, also die Zahlen 1, 3, 6,
10, 15, ... heißen Dreieckszahlen.
Man kann Satz 1.2.1 also auch so ausdrücken: Die Summe der
ersten n positiven ganzen Zahlen ist gleich der n-ten Dreieckszahl.
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April 2004Seite 9
Beweis (durch Induktion)Beweis (durch Induktion)
Beweis durch Induktion nach n.
Die Aussage A(n) sei die Aussage des Satzes, also:
A(n): 1+2+3 +...+ n = n(n+1)/2.
Sowohl bei der Induktionsbasis als auch beim Induktionsschritt
zeigen wir, dass in der entsprechenden Gleichung links und rechts
das Gleiche steht.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Dann steht auf der linken Seite nur der
Summand 1, und auf der rechten Seite steht 21/2, also ebenfalls
1. Also gilt A(1)
Beweis durch Induktion nach n.
Die Aussage A(n) sei die Aussage des Satzes, also:
A(n): 1+2+3 +...+ n = n(n+1)/2.
Sowohl bei der Induktionsbasis als auch beim Induktionsschritt
zeigen wir, dass in der entsprechenden Gleichung links und rechts
das Gleiche steht.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Dann steht auf der linken Seite nur der
Summand 1, und auf der rechten Seite steht 21/2, also ebenfalls
1. Also gilt A(1)
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April 2004Seite 10
InduktionsschrittInduktionsschritt
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl 1, und sei die
Aussage richtig für n. Wir müssen A(n+1) beweisen, das heißt, die
Summe 1+2+3+... +(n–1) + n + (n+1) berechnen.
Wir spalten wir diese Summe auf:
1+2+3+... +(n–1) + n + (n+1)
= [1+2+3+... +(n–1) + n] + (n+1)
= n(n+1)/2 + (n+1) (nach Induktion)
= [n(n+1) + 2(n+1)]/2 = (n+2)(n+1)/2.
Insgesamt haben wir die Aussage A(n+1) bewiesen.
Somit gilt der Satz.
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl 1, und sei die
Aussage richtig für n. Wir müssen A(n+1) beweisen, das heißt, die
Summe 1+2+3+... +(n–1) + n + (n+1) berechnen.
Wir spalten wir diese Summe auf:
1+2+3+... +(n–1) + n + (n+1)
= [1+2+3+... +(n–1) + n] + (n+1)
= n(n+1)/2 + (n+1) (nach Induktion)
= [n(n+1) + 2(n+1)]/2 = (n+2)(n+1)/2.
Insgesamt haben wir die Aussage A(n+1) bewiesen.
Somit gilt der Satz.
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April 2004Seite 11
Der Trick von GaußDer Trick von Gauß
Gauß hat die Summe 1+2+3+...+100 nicht so bestimmt, sondern mit
folgendem genialen Trick:
1 + 2 + 3 + ... + n–2 + n–1 + n
+ n + n–1 + n–2 + ... + 3 + 2 + 1
= n+1 + n+1 + n+1 + ... + n+1 + n+1 + n+1
= n(n+1).
Also gilt 1+2+3+...+n = n(n+1)/2.
Gauß hat die Summe 1+2+3+...+100 nicht so bestimmt, sondern mit
folgendem genialen Trick:
1 + 2 + 3 + ... + n–2 + n–1 + n
+ n + n–1 + n–2 + ... + 3 + 2 + 1
= n+1 + n+1 + n+1 + ... + n+1 + n+1 + n+1
= n(n+1).
Also gilt 1+2+3+...+n = n(n+1)/2.
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April 2004Seite 12
Summe der ungeraden ZahlenSumme der ungeraden Zahlen
1.2.2 Satz. Für jede natürliche Zahl n 1 gilt:
1+3+5 + ... + (2n–1) = n2. In Worten: Die Summe der ersten n
ungeraden Zahlen ist gleich der n-ten Quadratzahl.
Beispiele: (a) 1 + 3 + 5 = 9
(b) 1 + 3 + 5 + ... + 1999 = 1.000.000
1.2.2 Satz. Für jede natürliche Zahl n 1 gilt:
1+3+5 + ... + (2n–1) = n2. In Worten: Die Summe der ersten n
ungeraden Zahlen ist gleich der n-ten Quadratzahl.
Beispiele: (a) 1 + 3 + 5 = 9
(b) 1 + 3 + 5 + ... + 1999 = 1.000.000
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April 2004Seite 13
BeweisBeweis
Beweis durch Induktion nach n.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Dann steht auf der linken Seite nur der
Summand 1, und auf der rechten Seite steht 12 = 1. Somit gilt A(1).
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl mit n 1, und es gelte
A(n). Wir müssen A(n+1) nachweisen.
Wir beginnen mit der linken Seite von A(n+1) und formen diese so
lange um, bis wir die rechte Seite von A(n+1) erhalten:
1+3+5+ ... + (2n–1) + (2n+1) = [1+3+5+ ... + (2n–1)] + (2n+1)
= n2 + (2n+1) (nach Induktion)
= n2 + 2n + 1 = (n+1)2 .
Somit gilt A(n+1), und damit ist die Aussage bewiesen.
Beweis durch Induktion nach n.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Dann steht auf der linken Seite nur der
Summand 1, und auf der rechten Seite steht 12 = 1. Somit gilt A(1).
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl mit n 1, und es gelte
A(n). Wir müssen A(n+1) nachweisen.
Wir beginnen mit der linken Seite von A(n+1) und formen diese so
lange um, bis wir die rechte Seite von A(n+1) erhalten:
1+3+5+ ... + (2n–1) + (2n+1) = [1+3+5+ ... + (2n–1)] + (2n+1)
= n2 + (2n+1) (nach Induktion)
= n2 + 2n + 1 = (n+1)2 .
Somit gilt A(n+1), und damit ist die Aussage bewiesen.
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April 2004Seite 14
Die Bernoullische UngleichungDie Bernoullische Ungleichung
1.2.3 Satz. Für jede nat. Zahl n und für jede reelle Zahl x -1 gilt
(1+x)n 1 + nx.
Beweis durch Induktion nach n.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Dann ist linke Seite = 1+x = rechte Seite;
insbesondere ist linke Seite rechte Seite.
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl mit n 1, und sei die
Behauptung richtig für n. Damit folgt
(1+x)n+1 = (1+x)n(1+x)
(1 + nx) (1+x) (nach Induktion)
= 1 + nx + x + nx2 1 + nx + x = 1 + (n+1)x.
Damit ist der Induktionsschritt bewiesen, und damit gilt der Satz.
1.2.3 Satz. Für jede nat. Zahl n und für jede reelle Zahl x -1 gilt
(1+x)n 1 + nx.
Beweis durch Induktion nach n.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Dann ist linke Seite = 1+x = rechte Seite;
insbesondere ist linke Seite rechte Seite.
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl mit n 1, und sei die
Behauptung richtig für n. Damit folgt
(1+x)n+1 = (1+x)n(1+x)
(1 + nx) (1+x) (nach Induktion)
= 1 + nx + x + nx2 1 + nx + x = 1 + (n+1)x.
Damit ist der Induktionsschritt bewiesen, und damit gilt der Satz.
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April 2004Seite 15
1.3 Landkarten schwarz - weiß1.3 Landkarten schwarz - weiß
Ein Gebiet, etwa ein Erdteil, durch geradlinige Grenzen in Länder
aufgeteilt ist. Die Grenzen sollen dabei so gezogen sein, dass sie
den ganzen Erdteil durchqueren.
Frage: Wieviel Farben braucht man, um die Länder so zu färben,
dass keine zwei Länder, die ein Stück Grenze gemeinsam haben,
gleich gefärbt sind?
Bemerkungen: 1. Länder, die nur einen Punkt gemeinsam haben,
dürfen sehr wohl gleich gefärbt sein.
2. Eine solche Färbung nennt man auch eine zulässige Färbung.
Ein Gebiet, etwa ein Erdteil, durch geradlinige Grenzen in Länder
aufgeteilt ist. Die Grenzen sollen dabei so gezogen sein, dass sie
den ganzen Erdteil durchqueren.
Frage: Wieviel Farben braucht man, um die Länder so zu färben,
dass keine zwei Länder, die ein Stück Grenze gemeinsam haben,
gleich gefärbt sind?
Bemerkungen: 1. Länder, die nur einen Punkt gemeinsam haben,
dürfen sehr wohl gleich gefärbt sein.
2. Eine solche Färbung nennt man auch eine zulässige Färbung.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 16
Färbung von LandkartenFärbung von Landkarten
1.3.1 Satz. Jede Landkarte, die dadurch entsteht, dass man einen
Erdteil durch Geraden aufteilt, kann mit zwei Farben so gefärbt
werden, dass je zwei Länder, die eine gemeinsame Grenze haben,
verschieden gefärbt sind.
Beweis durch Induktion. Was ist n? Sei n die Anzahl der Geraden,
die den Erdteil aufteilen. Dann lautet A(n) so:
A(n): Jede Landkarte, die dadurch entsteht, dass man einen Erdteil
durch n Geraden aufteilt, kann mit den Farben schwarz und weiß
so gefärbt werden, dass je zwei Länder, die eine gemeinsame
Grenze haben, verschieden gefärbt sind.
1.3.1 Satz. Jede Landkarte, die dadurch entsteht, dass man einen
Erdteil durch Geraden aufteilt, kann mit zwei Farben so gefärbt
werden, dass je zwei Länder, die eine gemeinsame Grenze haben,
verschieden gefärbt sind.
Beweis durch Induktion. Was ist n? Sei n die Anzahl der Geraden,
die den Erdteil aufteilen. Dann lautet A(n) so:
A(n): Jede Landkarte, die dadurch entsteht, dass man einen Erdteil
durch n Geraden aufteilt, kann mit den Farben schwarz und weiß
so gefärbt werden, dass je zwei Länder, die eine gemeinsame
Grenze haben, verschieden gefärbt sind.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 17
BeweisBeweis
Induktionsbasis: Sei n = 1. Jede Landkarte, die durch Aufteilung
durch nur eine Gerade entsteht, kann mit zwei Farben gefärbt
werden. Klar: Durch eine Gerade entstehen nur zwei Länder, die
man mit zwei Farben färben kann.
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl mit n 1, und sei die
Aussage A(n) richtig. Wir müssen beweisen, dass auch A(n+1) gilt.
Dazu betrachten wir eine beliebige Landkarte, die durch Ziehen von
n+1 Geraden g1, g2, ..., gn+1 entstanden ist. Wir müssen zeigen,
dass diese Landkarte zulässig mit den Farben schwarz und weiß
gefärbt werden kann.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Jede Landkarte, die durch Aufteilung
durch nur eine Gerade entsteht, kann mit zwei Farben gefärbt
werden. Klar: Durch eine Gerade entstehen nur zwei Länder, die
man mit zwei Farben färben kann.
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl mit n 1, und sei die
Aussage A(n) richtig. Wir müssen beweisen, dass auch A(n+1) gilt.
Dazu betrachten wir eine beliebige Landkarte, die durch Ziehen von
n+1 Geraden g1, g2, ..., gn+1 entstanden ist. Wir müssen zeigen,
dass diese Landkarte zulässig mit den Farben schwarz und weiß
gefärbt werden kann.
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April 2004Seite 18
Beweis (Der Trick)Beweis (Der Trick)
Sei die Gerade gn+1 waagrecht und betrachten diese Gerade
(vorerst) nicht.
Damit entsteht eine Landkarte, die durch die n Geraden g1,..., gn
entstanden ist. Nach Induktionsvoraussetzung ist diese Landkarte
also mit den Farben schwarz und weiß zulässig färbbar!
Wir müssen die Originallandkarte mit färben! Dazu fügen wir die
(n+1)-te Gerade wieder ein. Dabei entstehen neue Länder.
Wir müssen die Länder, oder jedenfalls einen Teil umfärben.
Trick: Wir färben die obere Hälfte der Karte um! Die Länder im
südlichen Teil der Karte behalten dagegen ihre Farbe.
Sei die Gerade gn+1 waagrecht und betrachten diese Gerade
(vorerst) nicht.
Damit entsteht eine Landkarte, die durch die n Geraden g1,..., gn
entstanden ist. Nach Induktionsvoraussetzung ist diese Landkarte
also mit den Farben schwarz und weiß zulässig färbbar!
Wir müssen die Originallandkarte mit färben! Dazu fügen wir die
(n+1)-te Gerade wieder ein. Dabei entstehen neue Länder.
Wir müssen die Länder, oder jedenfalls einen Teil umfärben.
Trick: Wir färben die obere Hälfte der Karte um! Die Länder im
südlichen Teil der Karte behalten dagegen ihre Farbe.
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April 2004Seite 19
Beweis (Abschluss)Beweis (Abschluss)
Behauptung: Diese Färbung ist zulässig.
1. Fall: Die Grenze von L und L' liegt unterhalb von gn+1. Dann
hatten die Länder L, L' verschiedene Farbe. Da sich unten nichts
geändert hat, haben L und L' nach wie vor verschiedene Farbe.
2. Fall: Die Grenze von L und L' liegt oberhalb von gn+1. Oberhalb
von gn+1 hat sich alles geändert. Da L und L' vorher verschiedene
Farben hatten, haben sie auch jetzt verschiedene Farben.
3. Fall: Die Grenze von L und L' liegt auf gn+1. Dann sind L und
L' durch Aufteilung eines alten Landes L* entstanden. Wenn L*
weiß war, bleibt L weiß, während L' schwarz wird.
Behauptung: Diese Färbung ist zulässig.
1. Fall: Die Grenze von L und L' liegt unterhalb von gn+1. Dann
hatten die Länder L, L' verschiedene Farbe. Da sich unten nichts
geändert hat, haben L und L' nach wie vor verschiedene Farbe.
2. Fall: Die Grenze von L und L' liegt oberhalb von gn+1. Oberhalb
von gn+1 hat sich alles geändert. Da L und L' vorher verschiedene
Farben hatten, haben sie auch jetzt verschiedene Farben.
3. Fall: Die Grenze von L und L' liegt auf gn+1. Dann sind L und
L' durch Aufteilung eines alten Landes L* entstanden. Wenn L*
weiß war, bleibt L weiß, während L' schwarz wird.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 20
Das VierfarbenproblemDas Vierfarbenproblem
Berühmtes Problem der Mathematik:
Wie viele Farben braucht man, um eine beliebige Landkarte, also
eine Landkarte, die nicht durch Ziehen von Geraden entsteht,
zulässig zu färben? Über 100 Jahre war die Vermutung, dass vier
Farben ausreichen, unbewiesen.
1976 haben die Amerikaner Apel und Haken mit massivem
Computereinsatz den “Vierfarbensatz” beweisen. Dabei bauten sie
entscheidend auf Vorarbeiten des Deutschen H. Heesch auf.
Berühmtes Problem der Mathematik:
Wie viele Farben braucht man, um eine beliebige Landkarte, also
eine Landkarte, die nicht durch Ziehen von Geraden entsteht,
zulässig zu färben? Über 100 Jahre war die Vermutung, dass vier
Farben ausreichen, unbewiesen.
1976 haben die Amerikaner Apel und Haken mit massivem
Computereinsatz den “Vierfarbensatz” beweisen. Dabei bauten sie
entscheidend auf Vorarbeiten des Deutschen H. Heesch auf.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 21
1.4 Die Fibonacci-Zahlen1.4 Die Fibonacci-Zahlen
Fibonacci (= Leonardo von Pisa) um 1200
Definition der Fibonacci-Zahlen:
(a) 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, ...
(b) Jedes Folgenglied ist die Summe seiner beiden Vorgänger.
(c) Wir definieren die Folge f1, f2, f3, ... von natürlichen Zahlen mit
folgenden Eigenschaften:
fn = fn–1+ fn–2
und
f1 = 1, f2 = 1.
Fibonacci (= Leonardo von Pisa) um 1200
Definition der Fibonacci-Zahlen:
(a) 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, ...
(b) Jedes Folgenglied ist die Summe seiner beiden Vorgänger.
(c) Wir definieren die Folge f1, f2, f3, ... von natürlichen Zahlen mit
folgenden Eigenschaften:
fn = fn–1+ fn–2
und
f1 = 1, f2 = 1.
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April 2004Seite 22
BeispieleBeispiele
• Kaninchen (jedenfalls mathematische Kaninchen) vermehren sich
nach folgenden Regeln:
– Jedes Kaninchenpaar braucht nach seiner Geburt zwei Monate, bis es geschlechtsreif ist.
– Von da an gebiert es in jedem Monat ein neues Paar
– Alle Kaninchen leben ewig.
Wenn fn die Anzahl der Kaninchen zu Beginn des n-ten Monats
bezeichnet. Dann sind die fn genau die Fibonacci-Zahlen.
• Ein Briefträger steigt eine lange Treppe hoch, indem er die erste
Stufe betritt und von da an jeweils eine oder genau zwei Stufen auf
einmal nimmt. Auf wie viele Arten kann er die n-te Stufe erreichen?
• Kaninchen (jedenfalls mathematische Kaninchen) vermehren sich
nach folgenden Regeln:
– Jedes Kaninchenpaar braucht nach seiner Geburt zwei Monate, bis es geschlechtsreif ist.
– Von da an gebiert es in jedem Monat ein neues Paar
– Alle Kaninchen leben ewig.
Wenn fn die Anzahl der Kaninchen zu Beginn des n-ten Monats
bezeichnet. Dann sind die fn genau die Fibonacci-Zahlen.
• Ein Briefträger steigt eine lange Treppe hoch, indem er die erste
Stufe betritt und von da an jeweils eine oder genau zwei Stufen auf
einmal nimmt. Auf wie viele Arten kann er die n-te Stufe erreichen?
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 23
Beispiele aus der BiologieBeispiele aus der Biologie
• Bei Pflanzen kommen Fibonacci-Zahlen häufig vor.
• Beispiele: Bei Sonnenblumen sind die Kerne in Spiralen
angeordnet, die nach links und nach rechts drehen. Die Anzahlen
der linksdrehenden und der rechtsdrehenden Spiralen sind
aufeinanderfolgende Fibonacci-Zahlen.
Ähnlich bei Gänseblümchen, Ananas, (manchen) Kakteen, ....
• Bei Pflanzen kommen Fibonacci-Zahlen häufig vor.
• Beispiele: Bei Sonnenblumen sind die Kerne in Spiralen
angeordnet, die nach links und nach rechts drehen. Die Anzahlen
der linksdrehenden und der rechtsdrehenden Spiralen sind
aufeinanderfolgende Fibonacci-Zahlen.
Ähnlich bei Gänseblümchen, Ananas, (manchen) Kakteen, ....
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 24
Wie kann man Fibonacci-Zahlen ausrechnen?Wie kann man Fibonacci-Zahlen ausrechnen?
1. Durch Anwenden der rekursiven Definition.
2. Durch Anwenden der folgenden expiziten Formel:
1.4.1 Satz (Binet-Formel). Für jede natürliche Zahl n 1 gilt
fn = [((1+5)/2)n – ((1–5)/2)n] / 5.
Bemerkung. Das Erstaunliche an dieser Formel ist, dass sich für
jedes n die Wurzelterme so weg heben, dass nur eine natürliche
Zahl, nämlich fn stehenbleibt.
1. Durch Anwenden der rekursiven Definition.
2. Durch Anwenden der folgenden expiziten Formel:
1.4.1 Satz (Binet-Formel). Für jede natürliche Zahl n 1 gilt
fn = [((1+5)/2)n – ((1–5)/2)n] / 5.
Bemerkung. Das Erstaunliche an dieser Formel ist, dass sich für
jedes n die Wurzelterme so weg heben, dass nur eine natürliche
Zahl, nämlich fn stehenbleibt.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 25
Beweis (Induktionsbasis)Beweis (Induktionsbasis)
Beweis durch Induktion nach n. Die Aussage A(n) ist
A(n): fn = [((1+5)/2)n – ((1–5)/2)n] / 5.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Wir müssen die Aussage A(1) beweisen.
Dazu rechnen wir einfach die Formel (also die rechte Seite) für den
Fall n = 1 aus:
[((1+5)/2)1 – ((1–5)/2)1] / 5 = [(1+5)/2 – (1–5)/2] / 5 =
[25)/2] / 5 = 1
Damit gilt A(1).
Beweisen Sie A(2): Übungsaufgabe.
Beweis durch Induktion nach n. Die Aussage A(n) ist
A(n): fn = [((1+5)/2)n – ((1–5)/2)n] / 5.
Induktionsbasis: Sei n = 1. Wir müssen die Aussage A(1) beweisen.
Dazu rechnen wir einfach die Formel (also die rechte Seite) für den
Fall n = 1 aus:
[((1+5)/2)1 – ((1–5)/2)1] / 5 = [(1+5)/2 – (1–5)/2] / 5 =
[25)/2] / 5 = 1
Damit gilt A(1).
Beweisen Sie A(2): Übungsaufgabe.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 26
Beweis (Induktionsschritt)Beweis (Induktionsschritt)
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl mit n 2, und es
mögen die Aussagen A(n) und A(n–1) gelten.
Wir müssen zeigen, dass dann auch A(n+1) gilt. Dazu verwenden
wir die Rekursionsformel fn+1 = fn + fn–1, und wenden sowohl auf fn
also auch auf fn–1 die Induktionsvoraussetzung an:
fn+1 = fn + fn–1 =
[((1+5)/2)n – ((1–5)/2)n] / 5 + [((1+5)/2)n–1 – ((1–5)/2)n–1] / 5
= [((1+5)/2)n–1[(1+ 5)/2 + 1] – ((1–5)/2)n–1[(1– 5)/2 + 1]] / 5 ...
Wie kann man diese monströse Formel auflösen ???
Induktionsschritt: Sei n eine natürliche Zahl mit n 2, und es
mögen die Aussagen A(n) und A(n–1) gelten.
Wir müssen zeigen, dass dann auch A(n+1) gilt. Dazu verwenden
wir die Rekursionsformel fn+1 = fn + fn–1, und wenden sowohl auf fn
also auch auf fn–1 die Induktionsvoraussetzung an:
fn+1 = fn + fn–1 =
[((1+5)/2)n – ((1–5)/2)n] / 5 + [((1+5)/2)n–1 – ((1–5)/2)n–1] / 5
= [((1+5)/2)n–1[(1+ 5)/2 + 1] – ((1–5)/2)n–1[(1– 5)/2 + 1]] / 5 ...
Wie kann man diese monströse Formel auflösen ???
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 27
Beweis (das Wunder)Beweis (das Wunder)
Wir können die kleinen eckigen Klammern günstig umformen:
[(1+5)/2 + 1] = [(1+5)/2]2 = [(1–5)/2 + 1] = [(1–5)/2]2 .
Man sieht beide Formeln sofort ein, wenn man die jeweiligen rechten
Seiten ausrechnet.
Nun kann uns aber nichts mehr hindern, weiterzurechnen:
... = [((1+5)/2)n–1 [(1+5)/2]2 – ((1–5)/2)n–1 [(1–5)/2]2 ] / 5
= [((1+5)/2)n+1 – ((1–5)/2)n+1] / 5.
... und damit ist die Aussage A(n+1) bewiesen.
Nach dem Prinzip der vollständigen Induktion gilt also die Aussage.
Wir können die kleinen eckigen Klammern günstig umformen:
[(1+5)/2 + 1] = [(1+5)/2]2 = [(1–5)/2 + 1] = [(1–5)/2]2 .
Man sieht beide Formeln sofort ein, wenn man die jeweiligen rechten
Seiten ausrechnet.
Nun kann uns aber nichts mehr hindern, weiterzurechnen:
... = [((1+5)/2)n–1 [(1+5)/2]2 – ((1–5)/2)n–1 [(1–5)/2]2 ] / 5
= [((1+5)/2)n+1 – ((1–5)/2)n+1] / 5.
... und damit ist die Aussage A(n+1) bewiesen.
Nach dem Prinzip der vollständigen Induktion gilt also die Aussage.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 28
Ein ZaubertrickEin Zaubertrick
8
5
13
13
8 8
8
5
5
8
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 29
Simpson-IdentitätSimpson-Identität
1.4.2 Satz. Für jede natürliche Zahl n 2 gilt
fn+1fn–1 – fn2 = (–1)n.
In Worten: fn+1fn–1 und fn2 unterscheiden sich nur um 1, mal um
+1, mal um –1.
Beweis durch Induktion nach n.
Die Aussage A(n) sei die Aussage des Satzes.
Induktionsbasis. Sei n = 2. Wir müssen die Aussage A(2) zeigen.
Dazu rechnen wir einfach die linke Seite aus:
L.S. = f3f1 – f22 = 21 – 12 = 1 = (–1)2 = R.S.
1.4.2 Satz. Für jede natürliche Zahl n 2 gilt
fn+1fn–1 – fn2 = (–1)n.
In Worten: fn+1fn–1 und fn2 unterscheiden sich nur um 1, mal um
+1, mal um –1.
Beweis durch Induktion nach n.
Die Aussage A(n) sei die Aussage des Satzes.
Induktionsbasis. Sei n = 2. Wir müssen die Aussage A(2) zeigen.
Dazu rechnen wir einfach die linke Seite aus:
L.S. = f3f1 – f22 = 21 – 12 = 1 = (–1)2 = R.S.
Kapitel 1 © Beutelspacher
April 2004Seite 30
Beweis (Induktionsschritt)Beweis (Induktionsschritt)
Induktionsschritt. Sei n eine natürliche Zahl 2, und es gelte die
Aussage A(n). Wir müssen A(n+1) zeigen. Auch dazu rechnen wir
einfach die entsprechende linke Seite aus:
fn+2fn – fn+12 = (fn+1 + fn) fn – fn+1
2
= fn+1(fn - fn+1) + fn2
= fn+1(fn - fn+1) + fn+1fn–1 – (–1)n (nach Induktion)
= fn+1(fn + fn-1 – fn+1) + (–1)n+1
= fn+10 + (–1)n+1 = (–1)n+1.
Somit gilt die Aussage A(n+1).
Induktionsschritt. Sei n eine natürliche Zahl 2, und es gelte die
Aussage A(n). Wir müssen A(n+1) zeigen. Auch dazu rechnen wir
einfach die entsprechende linke Seite aus:
fn+2fn – fn+12 = (fn+1 + fn) fn – fn+1
2
= fn+1(fn - fn+1) + fn2
= fn+1(fn - fn+1) + fn+1fn–1 – (–1)n (nach Induktion)
= fn+1(fn + fn-1 – fn+1) + (–1)n+1
= fn+10 + (–1)n+1 = (–1)n+1.
Somit gilt die Aussage A(n+1).