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N icht immer findet man das passende Outfit für den ange- brochenen Tag oder die perfekte Robe für den späten Abend. Manchmal ist man abgeneigt auszugehen, weil die Lieblingsjeans, in der man sich am wohlsten fühlt, gerade auf der Wä- scheleine hängt oder einfach zu mitgenommen ist, um Gast auf einer Party zu sein. Wie oft hat man sich doch schon überlegt, dieses aus der Mode gekommene Stück zur Kleidersammlung zu geben? – Doch man bringt es einfach nicht übers Herz, sich von diesem treuen Weggefähr- ten zu trennen. Welch Abenteuer hat man gemeinsam erlebt und wie stolz ist man doch, dass das alte Teil noch immer – oder nach zwei Schwangerschaften gerade mal wieder – auf die Hüften passt. Diese Hose ist nicht irgendein austauschbares Bekleidungsstück und durch ein beliebiges, neues ersetzbar ... Nein, diese Hose hat Ge- schichte und kann so manche erzählen: die romantische Nacht am Strand, das erste Zwicken, als der Bauch größer wurde und der erste Knopf geöffnet werden musste, das Hoffen, ob diese Hose nach der Geburt wieder passen wird, der erste Grasfleck, der beim Fußball spielen mit dem kleinen Sohnemann hinzukam, der erste Riss am Knie, der durch ständiges Spielen in Bodenhöhe, Aufräumen und Put- zen entstand, die zahlreichen Fransen am Hosensaum, die an endlose Spaziergänge erinnern. Kleidungsstücke haben für uns längst nicht mehr nur Schutz- und Schamfunktion. Viel mehr wird heute mit Kleidung transportiert. Galt es anfänglich, sich mit Kleidung zu schützen, kam schon bald das Be- dürfnis des Schmückens hinzu. In Gewänder gehüllt, konnte man ge- sellschaftlichen Rang und Stellung demonstrieren. Auch heute Kleider zeigen Persönlichkeit Jeder von uns kennt diese Tage, an denen einfach nichts passen will. Anziehen, Unbehagen, ein kritischer Blick in den Spiegel, ausziehen und alles wieder von vorn. Um Kindern das zu ersparen, haben engagierte und kreative Frauen das Modelabel „knall.bunt“ gegründet. Von Erika Wilfling-Weberhofer & Karin Gollowitsch Individuell und modisch, funktional und praktisch. unterstreicht Kleidung unsere Persönlichkeit, trägt unser Inneres nach außen, verbirgt aber zur gleichen Zeit das Innerste. In diesem ständigen Wandel wollen wir präsentieren und ver- bergen, uns hervorheben oder zurück- drängen, Grenzen überschreiten oder abgrenzen, Einstellungen vermitteln oder verbergen. So visualisieren wir mit unse- rem äußeren Erscheinungsbild mehr, als uns bewusst ist. „Der erste Eindruck zählt“ – diese Re- dewendung hat ihre Berechtigung, denn unser Unter- bewusstsein ent- scheidet in kurzer Zeit, ob uns jemand sympathisch ist oder nicht; wobei in dieser Zeit keinesfalls die inneren Werte abgecheckt werden kön- nen. Auch dass „Kleider Leute machen“ ist bewiesen. Nicht umsonst wirft man sich für ein Vorstellungsgespräch in Schale, kauft sich für den Ab- schlussball der Kinder ein neues Kleid oder überlegt sich jeden Tag aufs Neue, was für ein Outfit passen könnte. All diese Gedanken und noch einige mehr bewegten uns bei der Entwicklung unseres Modelabels „knall.bunt“ – Mode für Kinder mit und ohne Behinderung. Wie ist es Menschen mit körperlichen Ein- schränkungen möglich, sich individuell und modisch, dennoch aber funktional und praktisch zu kleiden? Ausgehend von die- ser Frage entstanden unsere Halbröcke, die als Röcke auch im Rollstuhl getra- gen werden kön- nen sowie die dazu passenden Leggings oder Hosen (im Schritt höher geschnitten und aus bequemen Materialien wie z. B. Jersey). Auf der Suche nach Stoffen kam uns die Idee, auf ausgefallene T-Shirts zurückzu- greifen, die sich schon lange in unseren Kleidungsschränken stapeln, aber von denen aus unterschiedlichsten Gründen (zu klein, zu groß, zu viele Erinnerungen, Farbe passt nicht mehr, aus der Mode gekommen) selten Gebrauch gemacht wurde. Und jetzt blitzt das einst so coole Motiv wieder auf einem Rock oder Hose hervor. Die Kollektion ist im Baukasten-System aufgebaut. So besteht die Möglichkeit, das End- produkt auf die jeweilige Person und deren Bedürfnisse genauer ab- zustimmen. Auf Wunsch werden Einzel- teile speziell angefertigt. Seite 15 Seite 14 Lebenshilfe Steiermark | Thema Beauty & Wellness knall.bunt: seit September im Pädagogisch Therapeutischen Zentrum in Seiersberg erhältlich. www.knallbunt.co.at; offi[email protected] Kleider machen Leute: Mode hat viele Funktionen. Wir wollen uns präsentieren und verbergen, aber immer schön sein. Im Sinne von Inklusion sol- len die einzelnen Teile aber auch von Kindern ohne Behin- derung getragen werden kön- nen. Neben der Funktionalität steht vor allem das modisch- hippe Design im Vordergrund. Mode von knall.bunt soll Spaß machen, dem Träger eine be- sondere Note verleihen und zugleich praktisch sein. k Erika Wilfling-Weberhofer konnte der langweiligen und unpraktischen Mode für Menschen mit Behinderung einfach nichts mehr abgewin- nen. Als Mutter einer Tochter mit Behinderung hat sie ge- meinsam mit Karin Gollo- witsch die Fäden selbst in die Hand genommen. Seither ist nicht nur ihr Alltag bunter. – „knall.bunt“, das ist Mode für Kinder mit und ohne Be- hinderung. Die Kollektion wird laufend erweitert. Der- zeit arbeitet das Duo an hip- per Kleidung für Buben und junge Männer.

Knallbunt

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kanllbunt, kleidung, behinderung

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Page 1: Knallbunt

N icht immer findet man das passende Outfit für den ange-brochenen Tag oder die perfekte Robe für den spätenAbend. Manchmal ist man abgeneigt auszugehen, weil die

Lieblingsjeans, in der man sich am wohlsten fühlt, gerade auf der Wä-scheleine hängt oder einfach zu mitgenommen ist, um Gast auf einerParty zu sein. Wie oft hat man sich doch schon überlegt, dieses aus

der Mode gekommene Stückzur Kleidersammlung zugeben? – Doch man bringt eseinfach nicht übers Herz, sichvon diesem treuen Weggefähr-

ten zu trennen. Welch Abenteuer hat man gemeinsam erlebt undwie stolz ist man doch, dass das alte Teil noch immer – oder nachzwei Schwangerschaften gerade mal wieder – auf die Hüften passt.Diese Hose ist nicht irgendein austauschbares Bekleidungsstück unddurch ein beliebiges, neues ersetzbar ... Nein, diese Hose hat Ge-schichte und kann so manche erzählen: die romantische Nacht amStrand, das erste Zwicken, als der Bauch größer wurde und der ersteKnopf geöffnet werden musste, das Hoffen, ob diese Hose nach derGeburt wieder passen wird, der erste Grasfleck, der beim Fußballspielen mit dem kleinen Sohnemann hinzukam, der erste Riss amKnie, der durch ständiges Spielen in Bodenhöhe, Aufräumen und Put-zen entstand, die zahlreichen Fransen am Hosensaum, die an endloseSpaziergänge erinnern. Kleidungsstücke haben für uns längst nicht mehr nur Schutz- undSchamfunktion. Viel mehr wird heute mit Kleidung transportiert. Galtes anfänglich, sich mit Kleidung zu schützen, kam schon bald das Be-dürfnis des Schmückens hinzu. In Gewänder gehüllt, konnte man ge-sellschaftlichen Rang und Stellung demonstrieren. Auch heute

Kleider zeigenPersönlichkeitJeder von uns kennt diese Tage, an denen einfach nichtspassen will. Anziehen, Unbehagen, ein kritischer Blick inden Spiegel, ausziehen und alles wieder von vorn. UmKindern das zu ersparen, haben engagierte und kreativeFrauen das Modelabel „knall.bunt“ gegründet. Von ErikaWilfling-Weberhofer & Karin Gollowitsch

Individuell und modisch,funktional und praktisch.

unterstreicht Kleidungunsere Persönlichkeit, trägt unser Inneresnach außen, verbirgt aber zur gleichenZeit das Innerste. In diesem ständigenWandel wollen wir präsentieren und ver-bergen, uns hervorheben oder zurück-drängen, Grenzen überschreiten oderabgrenzen, Einstellungen vermitteln oderverbergen. So visualisieren wir mit unse-rem äußeren Erscheinungsbild mehr, alsuns bewusst ist. „Der erste Eindruckzählt“ – diese Re-dewendung hatihre Berechtigung,denn unser Unter-bewusstsein ent-scheidet in kurzerZeit, ob uns jemand sympathisch ist odernicht; wobei in dieser Zeit keinesfalls dieinneren Werte abgecheckt werden kön-nen. Auch dass „Kleider Leute machen“ istbewiesen. Nicht umsonst wirft man sichfür ein Vorstellungsgespräch in Schale,

kauft sich für den Ab-schlussball der Kinder ein neues Kleidoder überlegt sich jeden Tag aufs Neue,was für ein Outfit passen könnte.

All diese Gedanken und noch einigemehr bewegten uns bei der Entwicklungunseres Modelabels „knall.bunt“ – Modefür Kinder mit und ohne Behinderung.Wie ist es Menschen mit körperlichen Ein-schränkungen möglich, sich individuell undmodisch, dennoch aber funktional undpraktisch zu kleiden? Ausgehend von die-ser Frage entstanden unsere Halbröcke,

die als Röcke auchim Rollstuhl getra-gen werden kön-nen sowie die dazupassenden Leggings

oder Hosen (im Schritt höher geschnittenund aus bequemen Materialien wie z. B.Jersey).

Auf der Suche nach Stoffen kam uns dieIdee, auf ausgefallene T-Shirts zurückzu-

greifen, die sich schon lange in unserenKleidungsschränken stapeln, aber vondenen aus unterschiedlichsten Gründen(zu klein, zu groß, zu viele Erinnerungen,Farbe passt nicht mehr, aus der Modegekommen) selten Gebrauch gemachtwurde. Und jetzt blitzt das einst socoole Motiv wieder auf einem Rockoder Hose hervor. Die Kollektion istim Baukasten-System aufgebaut. Sobesteht die Möglichkeit, das End-produkt auf die jeweilige Personund deren Bedürfnisse genauer ab-

zustimmen. Auf Wunsch werden Einzel-teile speziell angefertigt.

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Lebenshilfe Steiermark | Thema

Beauty & Wellness

knall.bunt: seit September im Pädagogisch Therapeutischen Zentrum in Seiersberg erhältlich.www.knallbunt.co.at; [email protected]

Kleider machen Leute: Mode hat viele Funktionen.

Wir wollen unspräsentieren und

verbergen, aber immerschön sein.

Im Sinne von Inklusion sol-len die einzelnen Teile aberauch von Kindern ohne Behin-derung getragen werden kön-nen. Neben der Funktionalitätsteht vor allem das modisch-hippe Design im Vordergrund.Mode von knall.bunt soll Spaßmachen, dem Träger eine be-sondere Note verleihen undzugleich praktisch sein.

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Erika Wilfling-Weberhoferkonnte der langweiligen undunpraktischen Mode fürMenschen mit Behinderungeinfach nichts mehr abgewin-nen. Als Mutter einer Tochtermit Behinderung hat sie ge-meinsam mit Karin Gollo-witsch die Fäden selbst in dieHand genommen. Seither istnicht nur ihr Alltag bunter. –„knall.bunt“, das ist Modefür Kinder mit und ohne Be-hinderung. Die Kollektionwird laufend erweitert. Der-zeit arbeitet das Duo an hip-per Kleidung für Buben undjunge Männer.