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Landkreis_Hersfeld_Rotenburg_Jugendamt_Konzept Dezember_2017 1 Jugendamt des Landkreises Hersfeld-Rotenburg Konzept Jugendamt

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Jugendamt des Landkreises Hersfeld-Rotenburg Konzept Jugendamt

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Impressum Kreisausschuss des Landkreises Hersfeld-Rotenburg Jugendamt Friedloser Straße 12 36251 Bad Hersfeld Verfasserin: Anette Kranz

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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................................... 4 2. Das Jugendamt .................................................................................................... 6 2.1 Das Jugendamt als moderne Sozialleistungsbehörde ..................................... 6 2.2 Das Jugendamt als sozialpädagogische Fachbehörde ................................... 7 3. Aufgaben des Jugendamtes ........................................................................... 10 4. Bisherige Veränderungen und Herausforderungen ................................. 14 4.1 Kindschaftsrechtsreform und FamFG-Reform ................................................ 14 4.2 Ächtung der Gewalt in der Erziehung ............................................................... 15 4.3 Vereinbarkeit von Familie und Beruf ................................................................. 15 4.4 Leistungen für seelisch behinderte Kinder u. Jugendliche ............................ 16 4.5 Kinderschutz ......................................................................................................... 16 4.6 Unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) ................................................. 18 4.7 Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung ........................................................................................... 18 5. Gesetzliche Grundlagen zur Gesamtverantwortung ................................ 20 5.1 Steuerung .............................................................................................................. 20 5.1.1 Jugendhilfeplanung ............................................................................................. 22 5.1.2 Qualitätsentwicklung ........................................................................................... 22 5.1.2.1 Jugendamt intern ................................................................................................. 22 5.1.2.2 Externe Partner .................................................................................................... 23 5.1.3 Vertragscontrolling ............................................................................................... 24 5.1.4 Finanz- und Fachcontrolling ............................................................................... 25 5.1.5 Systemverwaltung ............................................................................................... 26 5.2 Steuerung über Kooperation .............................................................................. 27 5.2.1 Freie und öffentliche Jugendhilfe ...................................................................... 27 5.2.2 Kindertagesstättenfachaufsicht und -beratung ................................................ 28 5.2.3 Schule .................................................................................................................... 28 6. Herausforderungen ........................................................................................... 30 6.1 Demographische Entwicklung............................................................................ 30 6.2 Vereinbarkeit Familie und Beruf ........................................................................ 32 6.3 Reform des SGB VIII ........................................................................................... 33 6.4 Bundesteilhabegesetz ......................................................................................... 34 7. Struktur, Ziele und Handlungsaufträge ....................................................... 36 7.1 Ausgangslage ....................................................................................................... 36 7.2 Perspektive ........................................................................................................... 38 7.3 Nachhaltigkeit ....................................................................................................... 43 8. Anforderungen an die Ausstattung .............................................................. 45 8.1 Personelle Ausstattung ....................................................................................... 45 8.2 Räumliche und sächliche Ausstattung.............................................................. 46 9. Fazit ....................................................................................................................... 49 10. Abkürzungsverzeichnis ................................................................................... 51

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1. Einleitung In der Kreistagssitzung vom 08.05.17 wurde beschlossen, dass die Erste Kreisbeige-ordnete als Dezernentin mit der Erstellung und Vorlage eines nachhaltigen Konzepts zur strukturellen und inhaltlichen Aufstellung des Jugendamtes des Landkreises Hers-feld-Rotenburg beauftragt wird. Das Strukturkonzept soll insbesondere den unter den maßgeblichen gesetzlichen An-sprüchen benötigten personellen, räumlichen und sächlichen Bedarf sowie den zu des-sen Umsetzung benötigten finanziellen Mitteln zur Erbringung der Dienstleistungen des Jugendamtes im Landkreis Hersfeld-Rotenburg enthalten. Ebenso soll es Aussagen zu den dafür benötigten Dienstleistungsstandorten unter Berücksichtigung von zukünftig zu erwartenden sozialräumlichen und demographischen Rahmenbedingungen im Landkreis treffen. Vorausgegangen war der politischen Diskussion die organisatorische Umgestaltung der Kreisverwaltung durch Landrat Dr. Koch im Frühjahr 2016, in deren Rahmen u. a. die Größen der Fachbereiche und der Leitungsspannen über beide Dezernate hinaus angepasst wurden. In Folge des Umorganisationsprozesses wurde auch die Struktur des Jugendamtes in den Blick genommen und es wurden organisatorische Rahmenbedingungen verändert und neu geordnet. Die Kinder- und Jugendhilfe befindet sich - mit vielen anderen Akteuren - im Landkreis Hersfeld-Rotenburg in einem als konstruktiv zu bewertenden kontinuierlichen Prozess im Hinblick auf die Aufgabe der gelingenden Gestaltung des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft. „Das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen kann unter veränderten gesellschaft-lichen Bedingungen und gestiegenen Anforderungen immer weniger als ein sich selbst regulierender, „naturwüchsiger“ Prozess verstanden werden, der gewissermaßen im Alltag von allein passiert, sondern es bedarf der Bereitstellung einer Vielzahl von för-derlichen und anregenden Voraussetzungen, um positive Lebensbedingungen für Kin-der, Jugendliche und ihre Eltern zu schaffen und das Aufwachsen von jungen Men-schen unter heutigen Bedingungen zu unterstützen und zu fördern.“ (BT-Drucksache 17/12200, 363).

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Unter Berücksichtigung der Vorgaben des SGB VIII werden in diesem Konzept - in Beziehung zu den gesellschaftlichen Entwicklungen - die Handlungsaufträge und grundlegenden Zielsetzungen unseres Jugendamtes beschrieben. Vorab erfolgen kurze ausgewählte Darstellungen der Entwicklungsgeschichte, des Selbstverständnis-ses und der Aufgabenstruktur des Jugendamtes. Wir sind der Auffassung, dass dieses Konzept einen guten und wichtigen Beitrag dazu liefert, die Struktur, Inhalte und Ziele und die Abläufe in den Arbeitsvollzügen eines Jugendamtes nachzuvollziehen.

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2. Das Jugendamt 2.1 Das Jugendamt als moderne Sozialleistungsbehörde Erstmalig gesetzlich verankert wurde die Errichtung von Jugendämtern durch das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG)1 von 1922, das 1924 (eingeschränkt) in Kraft trat. Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz war der „Motor“ für die flächendeckende Einrich-tung von Jugendämtern in Deutschland. Man hatte sich entschieden, auf der Basis der Notwendigkeit des Erziehungsgedankens den Weg zur Entwicklung einer eigenständi-gen Fachbehörde zu gehen und den Anspruch auf ein „Recht auf Erziehung zur leibli-chen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit“ als Leitnorm in § 1 RJWG festzu-schreiben. Das RJWG wurde mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949 zu Bundesrecht. Mit der Novelle von 1953 wurde dann der ursprüngliche Zustand des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes von 1922 in Kraft gesetzt. 1961, im Rah-men der Neubekanntmachung, wurde das Gesetz in das „Gesetz für Jugendwohlfahrt“ (JWG) umbenannt. Dieses Gesetz, das in seinen Grundzügen eingriffs- und ordnungsrechtlich geprägt war, war bis Ende 1990 die rechtliche Geschäftsgrundlage der Kinder- und Jugendhilfe in der Bundesrepublik Deutschland. Seit den 1960er Jahren erfolgten verschiedene Anläufe zur Novellierung der Gesetzes-grundlage für die Jugendhilfe, scheiterten aber mehrfach an den unterschiedlichen Hal-tungen von Bund und Ländern. Ein übergreifender Konsens bestand jedoch darin, dass das JWG den fachlichen und rechtlichen Anforderungen nicht mehr genügte. Die In-tention der Bundesregierung war seinerzeit die Umgestaltung des nach dem JWG re-pressiv orientierten Jugendhilferechts in ein modernes und präventiv orientiertes Leis-tungsgesetz (BT-Drucksache 11/6748, 1, 21.03.90). Zum 01.01.91 trat das Kinder- und Jugendhilfegesetz, heute: SGB VIII, in West-deutschland in Kraft (Neue Bundesländer: 03.10.90). 1 Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt, RGBl. 1922, S.633.

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Bis heute spricht man von dem Inkrafttreten des SGB VIII als dem „Paradigmenwech-sel“ in der Kinder- und Jugendhilfe. Es war und ist fachlich zu begrüßen, dass sich das SGB VIII als ein „Angebote- und Leistungsgesetz“ versteht, das primär auf Hilfsange-bote zählt und die unterstützende Wirkung des Gesetzes hervorhebt. Das Jugendamt in seiner heutigen Form ist als eine moderne Sozialleistungs- und Fachbehörde zu be-schreiben und hat sich aus dem SGB VIII heraus entwickelt. In Deutschland gibt es über 600 Jugendämter. Die Organisationsformen von Jugend-ämtern in Deutschland weisen unterschiedliche Ausprägungen auf. Es besteht jedoch Einvernehmen dahingehend, dass es eine eindeutig erkennbare Organisationseinheit in der Kommune geben muss, die alle Aufgaben nach dem SGB VIII wahrnimmt. 2.2 Das Jugendamt als sozialpädagogische Fachbehörde Das Jugendamt hat einen besonderen Stellenwert im Gefüge der sozialen Leistungen. Grundlegend ist die sog. „Zweigliedrigkeit“ des Jugendamtes: Das Jugendamt besteht immer aus der Verwaltung des Jugendamtes und dem Jugendhilfeausschuss. Die Geschäfte der laufenden Verwaltung des Jugendamtes werden von der Leitung der Verwaltung des Jugendamtes (im Auftrag der Leitung der Verwaltung der kommu-nalen Gebietskörperschaft) wahrgenommen. Sie ist an die Satzung und an die Beschlüsse der Vertretungskörperschaft (Kreistag) gebunden. Ferner ist die Verwaltung des Jugendamtes an die Beschlüsse des Jugend-hilfeausschusses gebunden, der wiederum auch nur im Rahmen der von der Vertre-tungskörperschaft bereitgestellten Mittel, der von ihr erlassenen Satzung sowie ihrer Beschlüsse entscheiden kann. Der Jugendhilfeausschuss behandelt und berät grundsätzliche Angelegenheiten der Jugendhilfe, so z. B. die Erörterung aktueller Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien, die Jugendhilfeplanung, die Förderung der freien Jugendhilfe usw. Maßgeblich für die Jugendhilfe ist die Generalklausel und Leitnorm (BT-Drucksache 11/5948, 44) des § 1 SGB VIII, aus welchem sich das Selbstverständnis des Jugend-amtes ableitet:

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§ 1 SGB VIII Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe (1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erzie-hung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zu-vörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemein-schaft. (3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere 1. Junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, 2. Eltern und anderen Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unter-stützen, 3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, 4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Fami-lie sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaf-fen. Das SGB VIII als Rechtsgrundlage für die Kinder- und Jugendhilfe prägt das Jugend-amt als sozialpädagogische Fachbehörde. Hier geht es zentral um personenbezogene Dienstleistungen, auf die die Klienten in der Regel einen unmittelbaren Anspruch ha-ben. Ziel der Arbeit sind Veränderungsprozesse (Einstellungen, Verhaltensweisen, Handeln etc.), die die Fachkräfte des Jugendamtes gemeinsam mit den Klienten erar-beiten. Das Ergebnis bzw. der Erfolg der sozialpädagogischen Dienstleistung hängt immer ab von der Kooperation zwischen den Klienten und den Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe. Es ist Folge einer Koproduktion auf der Basis von Kommunikation und Interaktion. Seitens der Kinder- und Jugendhilfe fließen immer entsprechende sozial-pädagogische und sozialwissenschaftliche Kenntnisse in die Aushandlung und die Er-gebnisse ein. Sie sind unerlässliche Voraussetzung einer angemessen Rechtsausle-gung. Insgesamt ist die Jugendhilfe somit eine Interessenvertretung für junge Menschen und ihre Familien. Sie hat den Anspruch, die Lebenslagen und Lebensperspektiven von jungen Menschen und Familien entsprechend ihres gesetzlichen Auftrages zu thema-tisieren, um über politische Einflussnahme das Ziel einer lebensweltnahen, attraktiven Infrastruktur sowie positive Lebensbedingungen für alle Kinder, Jugendlichen und Fa-milien zu erreichen.

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Diese kurz gehaltenen Ausführungen zur Arbeit und zum Selbstverständnis der Kinder- und Jugendhilfe bzw. des Jugendamtes beleuchten schlaglichtartig wichtige Aspekte, geben jedoch keine umfassende Darstellung wieder.

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3. Aufgaben des Jugendamtes Die Aufgaben der Jugendhilfe sind in § 2 SGB VIII im Sinne einer Zuständigkeits- und Aufgabenbeschreibung dargestellt. Ausdrücklich weist der Gesetzgeber daraufhin, dass die Jugendhilfe a) Leistungen und b) andere Aufgaben zugunsten junger Men-schen umfasst. Unter den Leistungen der Jugendhilfe subsumiert der Gesetzgeber 1. Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14), 2. Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21), 3. Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege (§§ 22 bis 25), 4. Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40), 5. Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40), 6. Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (§ 41). Andere Aufgaben der Jugendhilfe sind 1. die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42), 2. die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach un-begleiteter Einreise (§ 42a), 3. die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Pflegeerlaubnis (§§ 43, 44), 4. die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen und die damit verbundenen Aufgaben (§§ 45 bis 47, 48a), 5. die Tätigkeitsuntersagung (§§ 48, 48a), 6. die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50), 7. die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind (§ 51), 8. die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52), 9. die Beratung und Unterstützung von Müttern bei Vaterschaftsfeststellung und Gel-tendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie von Pflegern und Vormündern (§§ 52a, 53), 10. die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis zur Übernahme von Vereinsvormundschaften (§ 54),

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11. Beistandschaft, Amtspflegschaft, Amtsvormundschaft und Gegenvormundschaft des Jugendamts (§§ 55 bis 58), 12. Beurkundung (§ 59), 13. die Aufnahme von vollstreckbaren Urkunden (§ 60). Die Leistungen und Aufgaben der Jugendhilfe sind im Gesetz überwiegend mittels Überschrift abgebildet und geben dadurch bei weitem nicht die tatsächliche Vielfalt und den tatsächlichen Umfang der zu Grunde liegenden Tätigkeiten wieder. Der sich hie-raus für den öffentlichen Jugendhilfeträger ergebende Gestaltungsspielraum ist positiv zu bewerten. Angebotsstrukturpyramide2 2 Maykus, Stephan; Schone, Reinhold: Handbuch Jugendhilfeplanung. VS Verlag, 2010, S. 53.

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Im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung und Leistungserbringung haben die Mitarbei-ter und Mitarbeiterinnen des Jugendamtes folgende handlungsleitenden Prinzipien zu beachten: • Wunsch- und Wahlrecht • Beteiligung von Kindern und Jugendlichen • Grundrichtung der Erziehung • Berücksichtigung der Entwicklung und der Herkunft • Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen • Beschwerdeverfahren für Kinder und Jugendliche Diese Programmatik verdeutlicht noch einmal, dass es sich bei dem Jugendamt um eine sozialpädagogische Fachbehörde handelt, die den öffentlichen Diskurs um das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen befördert. Die oben beschriebenen Leistungen und Aufgaben werden im Jugendamt in folgenden Arbeitsbereichen erbracht: � Siehe Organigramm Seite 13.

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4. Bisherige Veränderungen und Herausforderungen Seit Inkrafttreten des SGB VIII haben sich die Jugendämter unterschiedlichen Ände-rungen des SGB VIII durch Bundesgesetze stellen müssen. Die öffentliche Jugendhilfe des Landkreises Hersfeld-Rotenburg hat die grundlegende Neuausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe gemeistert und hat sich von einem reak-tiven Verständnis weg zu einer aktiven und offensiven Jugendhilfe gewandelt. Im Mit-telpunkt stehen jetzt die Förderung der Entwicklung junger Menschen, der Abbau von Benachteiligungen und das Einsetzen für die Herstellung positiver Lebensbedingungen für junge Menschen. Zentrale Herausforderungen waren dabei (beispielhafte Aufzählung): 4.1 Kindschaftsrechtsreform und FamFG-Reform Bedeutende Änderungen sind nach dem Inkrafttreten des SGB VIII durch die Kind-schaftsrechtsreform eingetreten. So wurde die gemeinsame elterliche Sorge eingeführt und die Gleichstellung von nichtehelichen mit ehelichen Kindern. Die rechtlich ein-schränkende Amtspflegschaft für Mütter nicht ehelicher Kinder wurde abgeschafft und das Beratungs- und Unterstützungsangebot der Beistandschaft eingeführt. Alle genannten Veränderungen führten zu einer deutlich höheren Inanspruchnahme von Beratung, da auch das ursprüngliche Leistungsangebot, dessen Gewährung im pflichtgemäßen Ermessen des Jugendamtes als Leistungsträger lag, in einen Rechts-anspruch umgewandelt wurde. Im September 2009 trat das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Kraft. Es hatte insofern er-hebliche Auswirkungen auf die Arbeit des Jugendamtes, da es verstärkt auf die Hin-wirkung auf einvernehmliche Regelungen abzielte und das Vorrang- und Beschleuni-gungsgebot in Kindschaftssachen einführte. Dies führte zu einer Erhöhung der notwen-digen Kapazitäten im Bereich der Mitwirkung des Jugendamtes am gerichtlichen Ver-fahren (Teilnahme an Gerichtsterminen, Beratung, Erstellen von Stellungnahmen etc.)

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4.2 Ächtung der Gewalt in der Erziehung Das Jugendamt ist verpflichtet, Beratung zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie anzubieten. Über das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung vom 02.11.00 wirkt das BGB in das SGB VIII hinein. § 1631 BGB Abs. 2: „Körperliche Bestrafungen, seelische Ver-letzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ Durch dieses Gesetz wurde ein entscheidender Schritt zu einem verbesserten Kinder-schutz gemacht. Bereits im Oktober 2005 verwies das Bundesjustizministerium in einer Pressemittelung3 auf eine Familiengewaltstudie der Universität Halle-Wittenberg, Lehr-stuhl für Strafrecht und Kriminologie, die u. a. festgestellt hatte, dass sich die Fallzahlen in den Beratungs- und Hilfeeinrichtungen auf Grund des neuen Gewaltverbots sowohl hinsichtlich körperlicher Gewalt in der Erziehung als auch bezüglich sexuellen Miss-brauchs erhöht haben. Auch für das Jugendamt resultierte daraus eine Erweiterung seiner Aufgabenstellung im Rahmen des Beratungskontextes und eine Erhöhung des zeitlichen Aufwandes. 4.3 Vereinbarkeit von Familie und Beruf Die Rechtsanspruchsnorm von Kindern in Kindertageseinrichtungen und Kindertages-pflege erfuhr im Laufe der Jahre auf Grund der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer wieder Veränderungen. 1992 erfolgte erst-malig die Verankerung eines Anspruchs auf einen Kindergartenplatz (vollendetes 3.LJ. bis Schuleintritt) im Rahmen des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes (BGBl, 1398) und die Verpflichtung des öffentlichen Jugendhilfeträgers, zusammen mit den kreisangehörigen Gemeinden die notwendige Infrastruktur zu schaffen. Mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) von 2003 wurde der Ausbau der Kin-dertagesbetreuung der unter 3jährigen vorangetrieben und durch das Kinder- und Ju-gendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) 2005 die Beratungs- und Informationspflicht 3 Bundesministerium der Justiz: Ideal einer Erziehung ohne Gewalt setzt sich durch. Berlin, 20.10.05

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des öffentlichen Jugendhilfeträgers hinzugefügt. Letztendlich brachte das Kinderförde-rungsgesetz (KiföG) ab dem 01.08.13 für alle Kinder ab dem 01. Lebensjahr einen zwingenden Rechtsanspruch für Kinder in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege. Mit diesen gesetzlichen Regelungen kam der Staat seiner Aufgabe nach, die öffentlich verantwortete außerschulische Erziehung und Bildung von Kindern als ein die elterliche Erziehung unterstützendes und ergänzendes Angebot zu fördern. 4.4 Leistungen für seelisch behinderte Kinder u. Jugendliche In der ersten Fassung des SGB VIII war die Eingliederungshilfe ein Bestandteil der Hilfen zur Erziehung. Mit Wirkung vom 01.04.93 wurde durch die Einfügung des § 35a SGB VIII eine eigenständige Hilfeart geschaffen. Durch das KICK 2005 erfuhr diese Hilfeart eine Erweiterung um den Begriff der „drohenden seelischen Behinderung“ und die Einbeziehung eines Facharztes/Psychotherapeuten bei der Feststellung der Leis-tungsvoraussetzungen. Auf Grund der verstärkten Sensibilität für psychische Beeinträchtigungen in der Gesell-schaft sowie der Weiterentwicklung der diagnostischen Möglichkeiten nahm der Fall-zahlenumfang im stationären Bereich deutlich zu. Parallel ist im ambulanten Bereich kontinuierlich ein Fallanstieg zu verzeichnen, wobei anzumerken ist, dass sich durch teilweise rasante gesellschaftliche Veränderungen, Technisierung, Globalisierung etc. auch Problemlagen verändert bzw. erst aufgetan haben. Sind die Kooperationssysteme der Jugendhilfe personell nicht adäquat aufge-stellt, so muss die Jugendhilfe als „Ausfallbürge“ herhalten (z. B. Schule). Dieser Arbeitsbereich hat zu einer deutlichen Erweiterung des Arbeitsvolumens im ASD geführt. 4.5 Kinderschutz Die Arbeit des Jugendamtes unterscheidet sich grundsätzlich von der anderer Sozial-leistungsträger. Dem Jugendamt obliegt die Verantwortung für den Schutz von Kindern

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und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl. Alleinstellungsmerkmal ist eine Garanten-stellung des Jugendamtes für den Schutz von Kindern und Jugendlichen, die neben der Gewährung von Sozialleistungen auch den Eingriff in Elternrechte beinhalten kann. In diesem Bereich haben sich weitgehende rechtliche Veränderungen ergeben, letzt-endlich forciert durch tragische Kinderschutzfälle, die parallel in den Medien und der Öffentlichkeit umfassend diskutiert wurden. Durch das KICK wurden im Jahr 2005 u. a. der § 8a SGB VIII, Schutzauftrag bei Kin-deswohlgefährdung, und der § 72a SGB VIII; Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbe-strafter Personen, eingefügt. Beide Paragraphen führten zu einer Weiterqualifizierung des Kinderschutzes, aber auch zu neuen Arbeitsaufträgen und -aufwänden. In Hessen hat der Landtag am 14.12.07 das hessische Gesetz zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes für Kinder beschlossen. Dadurch wurden alle Eltern verpflichtet, an den Früherkennungsuntersuchungen für Kinder teilzunehmen. Erfolgte über den Arzt keine Rückmeldung über die durchgeführte Vorsorgeuntersuchung an das Kinder-vorsorgezentrum in Frankfurt, wurde dies als Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an die örtlich zuständigen Jugendämter gemeldet. Problem für die Jugendämter war und ist, dass in vielen Fällen die Meldekette zwischen (Kinder-)Arzt und KVZ nicht funktionierte oder Eltern zu Ärzten in ein benachbartes Bundesland fahren, deren Ärzte zur Meldung an das KVZ nicht verpflichtet sind. Diese beispielhaft beschriebenen Umstände führten zu einer hohen Fehlerquote und Aufwän-den im Jugendamt. Mit Wirkung vom 01.01.12 trat das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft und beförderte nochmals die Weiterqualifizierung des Kinderschutzes. Neu geschaffen wurde er § 8b SGB VIII, der den Anspruch der pädagogischen Praxis auf fachliche Beratung und Be-gleitung in Fragen der Einschätzung zur Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Ju-gendamt festschrieb. Zudem folgten Regelungen zu den Betriebserlaubnisverfahren, erweiterten Führungszeugnissen, Qualitätsentwicklung und der strukturellen Zusam-menarbeit mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen. In das Bundeskinderschutz ist zudem das (eigenständige) Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) integriert worden. Darin geht es im Wesentlichen um die Information von Eltern über Unterstützungsangebote, die Verankerung von Frü-hen Hilfen und Netzwerken im Kinderschutz sowie die Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung.

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Diese Änderungen und Neuregelungen haben die Jugendämter im Kinderschutz vor zusätzliche Herausforderungen gestellt. 4.6 Unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) Durch die Flüchtlingskrise 2015 und die daraus resultierende sehr hohe Zahl von un-begleiteten minderjährigen Ausländern wurden die Jugendämter in ganz Deutschland unvorbereitet vor neue Herausforderungen gestellt. Diese Realität machte ein schnel-les Handeln erforderlich und bereits zum 01.11.15 trat das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher in Kraft. Die Komplexität der Neuregelung und das beschleunigte Gesetzgebungsverfahren be-einträchtigten letztendlich die stringente Umsetzung des Gesetzes. Auch waren noch viele Umsetzungsfragen ungeklärt und haben zu Verunsicherung und Ärger in den Ju-gendämtern geführt. Bis zum heutigen Tag sind Verfahrensfragen auf der Landes-ebene nicht abschließend geklärt. Insbesondere der neu eingefügte § 42a SGB VIII zur vorläufigen Inobhutnahme ver-pflichtete das Jugendamt, innerhalb kurzer Fristen grundlegende Einschätzungen als Entscheidungsgrundlage für den weiteren Lebensweg des unbegleiteten minderjähri-gen Ausländers zu treffen. 4.7 Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung Mit den §§ 78a ff. SGB VIII wurde zum 01.01.99 das Leistungsfinanzierungrecht der Jugendhilfe neu geregelt. Ziel war eine Kostendämpfung bei den Ausgaben. Es erfolgte die Umstellung von dem Selbstkostendeckungsprinzip zu prospektiven Leistungsent-gelten. Die Verhandlungstrias gem. §§ 78a ff. SGB VIII (s. S. 24 f.) bildet den Rahmen für die Verhandlungen mit den freien Trägern. Die in diesem Rahmen abzuschließenden Leis-tungsvereinbarungen müssen den Grundsätzen der Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlich-keit und Sparsamkeit entsprechen.

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Die Verhandlungen mit den freien Trägern sind in der Regel zeitaufwendige und ge-sprächsintensive Verfahren. Über die Vereinbarung von Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungsangebote wird festgelegt, wo sich die Schnittstellen zur gesetzlich be-stimmten Leistungspflicht des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe befinden. Durch die Verhandlungen bringen beide Partner ihre Anforderungen an die zu vergütende Leis-tung ein und das Jugendamt kann insofern seiner Gesamtverantwortung nachkommen (§ 79 SGB VIII).

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5. Gesetzliche Grundlagen zur Gesamtverantwortung 5.1 Steuerung Ausgewählte Arbeitsbereiche wurden in dem Kapitel 4 beschrieben. Der Blick in die Zukunft macht deutlich, dass die Kinder- und Jugendhilfe offenbar zunehmend – im Sinne eines „investiven“ Sozialstaates – für die frühe Aktivierung aller Bildungspoten-tiale und als Schutzinstanz bei Gefährdungen und drohenden Deprivationen ab der frühesten Kindheit benötigt wird. Während die frühe Kindheit in der Vergangenheit aus-schließlich innerhalb des Familiensystems stattfand, erfuhr der neue Leistungsbereich der „Frühen Hilfen“ öffentliches Interesse und Unterstützung. An diesem Beispiel wird erkennbar, dass sich die klassische Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe zunehmend mit anderen Arbeitsbereichen verschränkt (hier: z. B. Gesundheitswesen) und das Jugend-amt Kooperationen aufbaut. Die deutliche Ausweitung des Leistungsspektrums in der Kinder- und Jugendhilfe führt immanent zu mehr Fallaufkommen und Inanspruchnahme von Leistungen, aber auch zu mehr Personal und mehr Kosten. Die Jugendämter betrachtet der 14. Kinder- und Jugendbericht daher als erkennbare und vor Ort umfassend zuständige sozialpädago-gische Fachbehörde und bewertet sie als wichtiger denn je. „Diese Expansion ist Aus-druck politischen Willens und neuer Erwartungen an die Kinder- und Jugendhilfe, zu-gleich aber auch Folge veränderter Lebensverhältnisse und wachsender Bedarfe vor Ort.“ (BT-Drucksache 17/12200, 372). Diese Ausführungen machen gleichzeitig deut-lich, dass „der immer wieder von Seiten der Kommunen und Gemeinden beklagte an-haltende Anstieg von Fallzahlen und der damit verbundenen Ausgaben QKonsequenz einer nicht auf einzelne Verursachungsfaktoren reduzierbaren Gemengelage“ ist. Nichtsdestotrotz entbinden diese Feststellungen das Jugendamt nicht von Evaluation und Analysen für eine vertretbare Kostenentwicklung. Der 14. Kinder- und Jugendbericht verweist ausdrücklich darauf, dass eine differen-zierte Auseinandersetzung mit den gestiegenen bzw. veränderten Bedarfen, den Ur-sachen und der Ausgabenentwicklung für eine nachhaltige Sicherung der Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfe erforderlich ist. Eine Reduzierung auf die Fragestellung, wie effizient die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe erbracht werden können, greift zu kurz.

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Im Ergebnis müssen die kommunalen Jugendämter zu lokalen strategischen Zentren für Fragen des Aufwachsens werden. Entscheidend dabei sind die Steuerung, Planung und Informationsgewinnung. Für das Jugendamt des Landkreises Hersfeld-Rotenburg beginnt sich die Etablierung von Steuerungsunterstützung zu bewähren. Die Ausweitung des Leistungsspektrums der Jugendhilfe sowie die Vernetzungserfordernisse mit internen und externen Koope-rationspartnern steigert einerseits die Dynamik in den Arbeitsprozessen. Andererseits hat die zunehmende Vernetzung auch einen positiven Einfluss auf die Erzielung und die Inhalte von Arbeitsergebnissen. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII die Gesamtverantwortung (§ 79 SGB VIII) einschließlich der Planungsverant-wortung (§ 80 SGB VIII) und sollen für eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung (§ 79a SGB VIII) sorgen. Weiterhin haben sie die Aufgabe, für die nötige Infrastruktur an Ein-richtungen, Diensten und Veranstaltungen zu sorgen (§ 79 ff. SGB VIII). Gesamtverantwortung, Planungs- und Gewährleistungspflicht tragen – systematisch und zielstrebig vorangetrieben - wesentlich zur Erhaltung und Schaffung positiver Le-bensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien bei und sorgen für die Ver-wirklichung des Rechts nach § 1 Abs. 1 SGB VIII. An dieser Stelle manifestiert sich der „Einmischungsauftrag“ der Jugendhilfe, der besagt, dass Jugendhilfeplanung immer die Ursachen der Entstehung von Problemen mit berücksichtigen muss. Die Mitarbeitenden auf der Steuerungsebene des Jugendamtes sind hochqualifizierte Spezialisten, die – je nach Arbeitsauftrag – entweder allein arbeiten oder sich in tem-porären Teams zusammenschließen, um ein Arbeitsziel zu erreichen. Entscheidend ist, dass diese beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein übergeordnetes, ge-meinsames Ziel verfolgen und ihr Potential an Ideen und Fähigkeiten einsetzen. Im Umgang mit komplexen Herausforderungen sind vernetztes Denken und ganzheitli-ches Problemlösen unabdingbar. Im Einzelnen sind dies die Arbeitsbereiche Jugendhilfeplanung, Qualitätsentwicklung, Vertragscontrolling, Fach- und Finanzcontrolling und Systemverwaltung.

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5.1.1 Jugendhilfeplanung Jugendhilfeplanung ist ein Instrument zur rechtzeitigen und ausreichenden Bereitstel-lung von qualitativ und quantitativ bedarfsgerechten Angeboten der Kinder- und Ju-gendhilfe (§ 79 SGB VIII) mit dem Ziel, positive Lebensbedingungen für junge Men-schen und ihre Familien zu erhalten oder zu schaffen (§ 1 SGB VIII). Als Steuerungsunterstützung wird Jugendhilfeplanung damit zur Innovation, Struk-turentwicklung, zur Angebotsanpassung oder auch zur Qualifizierung einzelner Ar-beitsfelder in der Jugendhilfe eingesetzt und sie erarbeitet Ziele, Rahmenbedingungen und Lösungsvorschläge für die Leistungsbereiche der Kinder- und Jugendhilfe im je-weiligen Planungsprozess. Der Planungsprozess orientiert sich dabei in der Regel an den folgenden Planungsschritten: Erstellung eines Planungskonzeptes inkl. Auftrags-klärung, Bestandserhebung, Bedarfsermittlung, Maßnahmeplanung und Evaluation (§ 80 SGB VIII). Für die Jugendhilfeplanung stehen jetzt 0,5 VzÄ zur Verfügung. 5.1.2 Qualitätsentwicklung 5.1.2.1 Jugendamt intern Um die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach § 2 SGB VIII zu erfüllen, haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79a SGB VIII Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität sowie geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung für • die Gewährung und Erbringung von Leistungen, • die Erfüllung anderer Aufgaben • den Prozess der Gefährdungseinschätzung nach § 8a SGB VIII, • die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen weiter zu entwickeln, anzuwenden und regelmäßig zu überprüfen. Diese Vorhaben sind als prozessuale Geschehen zu definieren, die der kontinuierli-chen Überprüfung und Anpassung unterliegen.

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Elemente des Qualitätsbegriffs sind die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Wäh-rend die Strukturqualität Standards und Rahmenbedingungen der Arbeit im Jugendamt definiert, befasst sich die Prozessqualität mit der Beschreibung, Definition und Weiter-entwicklung von Arbeitsprozessen in allen Arbeitsbereichen des Jugendamtes (z. B. Hilfeplanung, Gefahrenabwehr bei Kindeswohlgefährdung) mit einem Schwerpunkt im Kernbereich der Gefahrenabwehr bei Kindeswohlgefährdung. Um die Einhaltung fach-licher Standards, deren Wirkungen und notwendige Veränderungen in den Prozessen zu überprüfen und zu initiieren, ist das Element der Ergebnisqualität mit der kontinuier-lichen Evaluation dieser Prozesse befasst. Innerhalb des Jugendamtes sind hierzu Projektgruppen eingerichtet worden, die eine Beteiligung der jeweiligen operativen Arbeitsbereiche an der (Weiter-)Entwicklung der sie betreffenden Arbeitsprozesse sicherstellen. Der Transfer der Arbeitsergebnisse der verschiedenen Projektgruppen erfolgt in regelmäßigen Abständen unter Federführung der Stabstelle Qualitätsentwicklung in eine interne Steuergruppe des Jugendamtes, in der alle strategischen Arbeitsbereiche sowie die Sachgebietsleitungen vertreten sind. Durch diese Steuergruppe ist eine enge Verzahnung der unterschiedlichen Aufgaben-gebiete bei der kontinuierlichen Weiterentwicklung der einzelnen Prozesse gewährleis-tet. 5.1.2.2 Externe Partner Grundsätzlich befasst sich eine Qualitätsentwicklung als Bestandteil des Qualitätsma-nagements mit der Verbesserung der Qualität von Produkten und Arbeitsabläufen. Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Arbeit unterscheiden sich in vielfäl-tiger Hinsicht von produzierenden Wirtschaftsunternehmen, deshalb müssen die An-gebote der Kinder- und Jugendhilfe naturgemäß anders betrachtet werden. In der Kinder- und Jugendhilfe bedeutet das, dass über die „AG 78 – erzieherische Hilfen“ (vgl. § 78 SGB VIII) eine Abstimmung zwischen Jugendamt und freien Trägern bezüglich der Qualitätsentwicklung stattfindet. Die Qualitätsentwicklung fußt auf der je-weils aktuellen Rahmenvereinbarung des Landes Hessen. Das jeweilige Jugendamt schließt mit dem, im Wirkungskreis ansässigen, Kinder- und Jugendhilfeträger eine entsprechende Vereinbarung im Rahmen der Trias (Leistungs-, Entgelt- und Qualitäts-entwicklungsvereinbarung) ab.

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Für die praktische Umsetzung im Landkreis Hersfeld-Rotenburg bedeutet das, dass nach Abschluss eines Vertrages die freien Träger für die ambulanten Einrichtungen jährlich und für die teilstationären/ stationären Einrichtungen alle zwei Jahre unaufge-fordert dem Jugendamt einen entsprechenden Bericht für die jeweilige Gruppe/ den Teilbereich der Einrichtung vorlegen. In einem gemeinsamen Gespräch wird mit jeder Einrichtung im Rückblick, in die Ge-genwart und in die Zukunft gerichtet die Leistung der jeweiligen Gruppe/ Einrichtung bewertet. Es werden sodann erreichbare und für die Einrichtung und das Jugendamt dienliche Ziele für den nächsten Bewertungszeitraum festgelegt. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Möglichkeiten bzgl. der Ausgestaltung/ Wei-terentwicklung des Beteiligungs- und Beschwerdeverfahrens gem. § 45 Abs. 2 SGB VIII, wie natürlich auch dem Schutzauftrag gem. § 8a SGB VIII für die Kinder und Ju-gendlichen in der jeweiligen Einrichtung. 5.1.3 Vertragscontrolling Der Kreisausschuss des Landkreises Hersfeld-Rotenburg beauftragt Freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe mit der Durchführung von Maßnahmen nach dem SGB VIII. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass für Leistungen die in einer Einrichtung erbracht werden, Verträge abgeschlossen werden über • Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung (Leistungsvereinbarung), • differenzierte Entgelte für die Leistungsangebote und die betriebsnotwendigen In-vestitionen (Entgeltvereinbarung) und • Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote sowie über geeignete Maßnahmen zur Ihrer Gewährleistung (Qualitätsentwick-lungsvereinbarung). Der Prozess der Verhandlung solcher Verträge ist durch die Vielzahl an Schnittstellen mit z. B. Jugendhilfeplanung (Bedarfsermittlung), Heimaufsicht, Controlling und Quali-tätsmanagement sehr umfangreich und ist durch einen hohen Abstimmungsbedarf ge-

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kennzeichnet, um den gesetzlichen Vorgaben zu Qualität der Leistung, Bedarfsgerech-tigkeit, Wirtschaftlichkeit und Rechtssicherheit (der Vereinbarungen) gerecht zu wer-den. Die geschlossenen Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen gel-ten gem. § 78e SGB VIII für alle Jugendämter, die eine Einrichtung auf dem Gebiet des Jugendamtes des Landkreises Hersfeld-Rotenburg belegen. Dementsprechend entfal-ten die geschlossenen Vereinbarungen grundsätzlich Wirkung gegenüber allen Ju-gendämtern im Bundesgebiet. Im Rahmen des Vertragscontrollings werden laufend neue Vereinbarungen mit den freien Trägern der Jugendhilfe geschlossen, um eine den regionalen Bedarfen entspre-chende und den Anforderungen des SGB VIII genügende Landschaft von Angeboten, Maßnahmen und Veranstaltungen vorhalten zu können. Die hiesige Trägerlandschaft wird so stetig erweitert und vielfältiger. Darüber hinaus werden im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe durch das Vertrags-controlling weitere Verträge, z. B. Verträge zur Förderung der freien Jugendhilfe (§ 74 SGB VIII), Einzelvereinbarungen (§ 77 SGB VIII), Honorarverträge für Fachveranstal-tungen, und Supervisionsverträge geschlossen bzw. inhaltlich vorbereitet. Im Bedarfsfall erfolgt eine Abstimmung mit dem Fachdienst Recht und Zentrale Dienste. 5.1.4 Finanz- und Fachcontrolling Controlling ist ein System der Führungsunterstützung, das Planung, Steuerung und In-formation koordiniert, Daten über das Verwaltungshandeln und seine Rahmenbedin-gungen bereitstellt und Hilfestellungen bei Planung und Umsetzung anbietet. Dabei wird die Erreichung oder die Abweichung von vorgegebenen Zielen überprüft. In der Kinder- und Jugendhilfe im Landkreis Hersfeld umfasst Controlling das Finanz- und das Fachcontrolling. Eine Aufgabe im Bereich Finanzcontrolling besteht in der Aufstellung des Haushalts-entwurfs auf der Basis von Ist- und Prognosewerten und in der unterjährigen Überwa-

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chung der Einhaltung der Haushaltsansätze. Es werden Prognoseberichte - soge-nannte Budgetberichte - erstellt, indem Soll und Ist verglichen, die Ursachen für Abwei-chungen analysiert und Handlungsempfehlungen formuliert werden. Im Bereich Fachcontrolling steht die Konzeption und Weiterentwicklung eines Kenn-zahlensystems zur wirkungsorientierten Steuerung der Kinder- und Jugendhilfe im Vor-dergrund. Dies ist erforderlich, da die Ausrichtung auf reine Finanzkennzahlen und Fi-nanzziele den Aufgaben in der Verwaltung nicht gerecht wird. Wirtschaftlichkeit ist eine Nebenbedingung bei der Erfüllung gesetzlicher und politischer Aufträge, zur Steuerung der Leistungen der Jugendhilfe hat das Fachcontrolling hier klar Priorität. 5.1.5 Systemverwaltung Im Jugendamt des Landkreises Hersfeld-Rotenburg wird mit Hilfe verschiedener Fach-verfahren eine Vielzahl von Daten erhoben, verarbeitet und gespeichert. Im Bereich der Sozialen Dienste findet die Fallmanagement-Software Open/WebFM Anwendung. In den Bereichen Wirtschaftliche Jugendhilfe, Unterhaltsvorschuss, Bei-standschaften, Vormundschaften, Kindergartenelternbeiträge und Kindertagespflege wird die Fachsoftware Prosoz/14Plus genutzt. Diese dient hauptsächlich der Ausgabe-verwaltung. Die Fachverfahren werden von der Systemverwaltung administriert und kontinuierlich erweitert. Die Systemverwaltung stellt die Funktionalität der Software für insgesamt 80 Anwender sicher und unterstützt die Anwenderinnen und Anwender bei der korrekten Bedienung. Hierzu führt sie bei Veränderungen der Eingaberoutinen aufgrund von Gesetzesände-rungen und Updates etc. Schulungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch und steht bei Fragen zur Verfügung. Die Druckvorlagen aus den Fachverfahren werden von der Systemverwaltung bereitgestellt und kontinuierlich überarbeitet bzw. weiterentwi-ckelt. Zudem zählt es zu den Aufgaben der Systemverwaltung, in enger Zusammenarbeit mit Controlling und der internen Qualitätsentwicklung, Anforderungen von Stellen inner-halb und außerhalb des Jugendamtes (z. B. statistische Meldungen) an das Berichts-wesen EDV-technisch umzusetzen.

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Eine weitere wichtige Aufgabe ist die zentrale Aufnahme, Prüfung und Analyse von Supportanfragen und Fehlern, die von den Anwenderinnen und Anwendern gemeldet werden. Die Systemverwaltung leitet außerdem die Arbeitsgruppe OpenWeb/FM. Diese hat die Aufgabe, die Fachsoftware im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozes-ses an die sich ständig verändernden Anforderungen anzupassen. 5.2 Steuerung über Kooperation 5.2.1 Freie und öffentliche Jugendhilfe Als zentrales Strukturprinzip der Jugendhilfe wird die „Pluralität der Jugendhilfe als de-ren Wesensmerkmal“ (BT-Drucksache 11/6748, 80) hervorgehoben, insbesondere in Bezug auf Inhalte und Methoden. Durch eine Vielfalt von Trägern haben die Leistungs-berechtigten die Option, ihr Wunsch- und Wahlrecht auszuüben und bei der Auswahl des Trägers auf die von den Personensorgeberechtigten bestimmte Grundrichtung der Erziehung zu achten. Eine abschließende Definition der Träger der freien Jugendhilfe kennt der Gesetzgeber (weise vorausschauend) nicht. Der Gesetzgeber fordert jedoch allgemein-verbindlich eine partnerschaftliche Zusam-menarbeit zwischen der freien und der öffentlichen Jugendhilfe. Konkretisiert wird hier-mit auch das Toleranzgebot. Einzelregelungen für den öffentlichen Träger bzw. die Zu-sammenarbeit von öffentlichen und freien Trägern finden sich an anderer Stelle im SGB VIII (§ 78a ff. SGB VIII). Ein Kooperationsinstrument ist die Bildung von Arbeitsgemeinschaften (§ 78 SGB VIII). Sie dienen dem Austausch und der Abstimmung der partnerschaftlichen Zusammen-arbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern. Die Jugendhilfelandschaft ist auf Grund der o. g. Voraussetzungen kontinuierlich ge-kennzeichnet durch eine stabile Kooperation zwischen den öffentlichen und freien Trä-gern.

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5.2.2 Kindertagesstättenfachaufsicht und -beratung Im Rahmen seiner Gesamtverantwortung nach § 79 Abs. 1 SGB VIII ist das Jugendamt dafür zuständig, dass der Förderungsauftrag nach Maßgabe des § 22 a SBG VIII in allen Kindertageseinrichtungen realisiert wird. Die örtlichen öffentlichen Träger der Ju-gendhilfe tragen somit eine fachliche Steuerungsverantwortung für die Qualitätssiche-rung und -entwicklung in der Kindertagesbetreuung. Die sozial- und bildungspolitischen Anforderungen an das System der Kindertagesbe-treuung sind seit einigen Jahren erheblich gestiegen. Chancengleichheit für alle Kinder, Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsleben, lebenslagenspezifische Förderkon-zepte und der Stellenwert der Kindertageseinrichtungen im Sozialraum haben gesetz-liche, inhaltliche und strukturelle Veränderungen im Elementarbereich ausgelöst. Die qualitativen Anforderungen an die Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung - wie sie der bundesgesetzliche Auftrag in den §§ 22 bis 23 SGB VIII und die landesrechtli-chen Vorgaben formulieren - wurden ausgeweitet. Damit rückt die Fachberatung als qualitätssicherndes und -entwickelndes Unterstützungssystem und Steuerungsinstru-ment in den Fokus der fachpolitischen Öffentlichkeit. Der Fachberatung kommt durch ihre spezifische Rolle, ihre Aufgabenzuschnitte und ihren Einblick in die Praxis der Kindertagesbetreuung sowie in die Strukturen der Kinder und Jugendhilfe eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung des Systems der Kin-dertagesbetreuung zu. Angesichts der Gesetzesänderungen in den letzten Jahren, der gesellschaftlichen Anforderungen und der wachsenden politischen Einflussnahme auf das Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung wird eine fachlich qualifizierte und strukturell verankerte Steuerungsebene zur Qualitätssicherung und -entwicklung immer bedeut-samer. Fachberatung ist das hierfür geeignete Instrument. 5.2.3 Schule Die Bedingungen des Aufwachsens an dem Lebensort Schule haben sich im Laufe der Jahrzehnte deutlich verändert und befindet sich nach wie vor in Bewegung. Entschei-dend dabei ist, dass sich Schule immer mehr vom Lernort zum Lebensort verändert: Ganztagsschulangebote, Betreute Grundschule oder der Pakt für den Nachmittag (in Hessen) stellen diesen Trend dar.

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Durch die zunehmende Bereitschaft von Schule, sich zu öffnen und gegenüber dem Jugendamt – mit Akzeptanz der Eigenständigkeit der Jugendhilfe - eine fachliche Ko-operation einzugehen, eröffnet sich die Option zur Verzahnung von schulischer und außerschulischer Bildung. Der wichtige Befund des 14. Kinder- und Jugendberichts (BT-Drucksache 17/12200, 168), dass Schule schulische Bildung fördert und zugleich spaltet, wirft die Frage nach einer besseren Kooperation von Schule, Familie und Kinder- und Jugendhilfe auf. In den unterschiedlichsten Publikationen wird bis heute darauf hingewiesen, dass der Bil-dungserfolg nirgendwo in Europa so stark vom sozialen Status der Eltern abhängig ist wie in Deutschland. Diese sozialen Ungleichheiten setzen sich auch im Übergang in Ausbildung und Studium fort. Seitens des Jugendamtes des Landkreises Hersfeld-Rotenburg wird in unterschiedli-chen Kontexten mit dem System Schule kooperiert und den Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern Unterstützung angeboten. Im Bereich der Jugendsozialarbeit ist dies insbesondere die Schulsozialarbeit an derzeit 9 Grundschulen und an 10 weiterführen-den Schulen. Junge Menschen im Übergang Schule – Ausbildung – Beruf unterstützt das Jugendamt mit der Arbeit von Job Coaches an 5 Schulstandorten. Gemeinsam mit dem Staatlichen Schulamt wurde das Konzept der Schulischen Erzie-hungshilfe entwickelt. In der dazugehörigen Clearingstelle arbeitet eine Sachgebiets-leitung des Jugendamtes mit und der Allgemein Soziale Dienst (ASD) ist in den Bera-tungsteams und den Runden Tischen der Schulen vertreten. Durch die verstärkte Verlagerung des Aufwachsens in den öffentlichen Raum der Schule sind alle beteiligten Akteure durch neue Kooperationsformen bei gegenseitiger Akzeptanz gefordert.

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6. Herausforderungen 6.1 Demographische Entwicklung Die demographische Entwicklung in einer Region lässt sich mit der Entwicklung der Geburtenzahlen, der Sterbefälle sowie der Wanderungsbewegungen näher beschrei-ben. Für das Land Hessen wird derzeit ein Zuwachs der Bevölkerung um 4,4 Prozent bis zum Jahr 2030 prognostiziert. Die städtischen Regionen des Rhein-Main-Gebietes werden dabei besonders wachsen, während die Bevölkerungszahlen in den ländlichen Regionen Mittel- und Nordhessens meist zurückgehen werden. Das Problem, dass es weniger Geburten als Sterbefälle gibt, wird sich aufgrund der Altersstruktur der Bevöl-kerung kontinuierlich vergrößern und kann auch nicht mehr durch Zuwanderung aus-geglichen werden. So ist auch der Landkreis Hersfeld-Rotenburg betroffen, der mit ei-nem Bevölkerungsrückgang von 7% zu rechnen hat. Für das Land Hessen wird es zwar im Durchschnitt keinen demographisch bedingten Bevölkerungsrückgang geben, jedoch wird auch hier die Überalterung durch zuneh-mende Lebenserwartung und Nachrücken geburtenstarker Jahrgänge sowie das Ab-nehmen der jüngeren Altersgruppen zu Veränderungen der gesellschaftlichen Verhält-nisse führen (Hess. Statistisches Landesamt: Statistische Berichte. Bevölkerung in Hessen 2060, 2. Aufl. Mai 2016, S. 2 f.). Regionale Bevölkerungsvorausberechnung 2014 – 2030 Kreisfreie Stadt Landkreis Bevölkerungsstand Jugend- quotient1) Altenquotient2) am 31.12.2014 am 31.12.2030 Verän- derung in % davon natürliche Bevölkerungs- bewegung in % Wande- rungen in % 2014 2030 2014 2030 Hersfeld-Rotenburg 119 394 111 651 – 6,5 – 8,5 2,0 30,4 31,7 40,2 58,9 Land H e s s e n 6 093 888 6 363 757 4,4 – 3,1 7,5 30,4 31,0 33,3 45,0 1) Anzahl unter 20-Jährige je 100 Personen im Alter von 20 bis unter 65 Jahren. — 2) Anzahl 65-Jährige oder Ältere je 100 Personen im Alter von 20 bis unter 65 Jahren. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt; 30.11.2017

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Bevölkerung 2014 und 2030 nach Altersgruppen sowie Durchschnittsalter der Bevölkerung Kreisfreie Stadt Landkreis Bevölkerung am 31.12.2014 Bevölkerung am 31.12.2030 davon im Alter von Q Jahren (in %) Durch- schnitts- alter in Jahren1) davon im Alter von Q Jahren (in %) Durch- schnitts- alter in Jahren1) unter 20 20 bis unter 65 65 oder älter unter 20 20 bis unter 65 65 oder älter Hersfeld-Rotenburg 17,8 58,6 23,6 46,0 16,6 52,5 30,9 49,0 Land H e s s e n 18,6 61,1 20,3 43,8 17,6 56,8 25,6 46,2 1) Korrigierte Werte auf Grund angepasster Berechnungsmethode. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt; 30.11.2017 Diese absehbaren Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung werden alle ge-sellschaftlichen Teilbereiche, so auch die Perspektiven von jungen Menschen und Fa-milien, in einer alternden Gesellschaft betreffen. Wenngleich aktuell die Flüchtlingsbe-wegungen zu einer leichten Korrektur der bisherigen Annahmen bezüglich der Bevöl-kerungsentwicklung führen und natürlich auch die langfristigen gesellschaftlichen Ent-wicklungen immer auch von unkalkulierbaren Faktoren beeinflusst werden können, wird dies nichts an den Problemstellungen und strukturellen Herausforderungen än-dern. Die zu erwartenden Verschiebungen im Anteil der Altersklassen werfen zum Bei-spiel die Problematik auf, dass Kinder, Jugendliche und Familien immer stärker in die Rolle einer Minderheit, deren Belange nicht in jeder Hinsicht denen der anderen Alters-gruppen entsprechen, gedrängt werden. Hier gilt es für die Kinder- und Jugendhilfe, die Interessen der jungen Menschen und ihrer Familien verstärkt zu vertreten (ZKJ4 6, 2017, S. 220 ff.). Aus volkswirtschaftlicher Sicht ergibt sich das Problem, dass der besonders produktive Teil der Gesellschaft, d. h. die 21- bis unter 65-Jährigen gravierend abnehmen wird. Damit wird die teilweise schon heute zu spürende „Verknappung von Arbeitskräften“ weiter ansteigen. Um diesem Umstand entgegenzusteuern, müssen Wege gefunden werden, die bishe-rigen Hürden, die den Zugang zur Erwerbstätigkeit erschweren, abzubauen. Dazu zäh-len im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe der weitere quantitative und qualitative Aus-bau umfassender Betreuungsmöglichkeiten, die den Eltern die Ausübung ihrer Berufs-tätigkeit erleichtern sollen, aber auch die (Mit-)Gestaltung umfassender, chancenge-rechter Bildungsprozesse. 4 Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe

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Ein weiteres Problem, das besonders in Landkreisen mit zurückgehenden Einwohner-zahlen wie Hersfeld-Rotenburg teilweise schon existiert, ist das Vorhalten von (Grup-pen-)Angeboten in der Fläche bei einer zurückgehenden und dennoch weit verteilten Einwohnerzahl (vgl. auch Landessozialbericht Hessen 2012 S. 66.). Zusammenfassend ist damit zu rechnen, dass, entgegen der Annahme, ein Rückgang an Geburtenzahlen bedeute ein Rückgang an Fallzahlen und damit an Kosten, eher gerade ein verstärktes Engagement und Investieren in die konsequente Gewährleis-tung guter Rahmenbedingungen für gelingendes Aufwachsen, für eine umfassende Bildung und für gute Teilhabechancen aller Kinder und Jugendlichen nötig machen. 6.2 Vereinbarkeit Familie und Beruf Die Familienformen und das Familienleben haben sich geändert, während die Vorstel-lungen über Familien und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in vielen Berei-chen oft unverändert geblieben sind. Hieraus ergeben sich aktuelle Herausforderungen für Familien. Es stellt sich für viele Familien die Frage, wie sie die Vielzahl von Aufgaben, Bedürf-nissen und Verpflichtungen koordinieren und miteinander vereinbaren können. Beson-ders Ein-Eltern-Familien und Familien, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, müssen tagtäglich den schwierigen Balanceakt zwischen Job und Familienalltag meis-tern. Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird damit zu einer bedeutenden Aufgabe der Kommunen. Kindertageseinrichtungen und Schulen sind wichtige Faktoren für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vor allem Be-treuungsangebote für unter 3jährige Kinder sowie verlässliche Angebote auch für ältere Kinder im Anschluss an den Unterricht sowie gut aufeinander abgestimmte Betreu-ungs-, Arbeits- und Öffnungszeiten sind für Familien wichtig. Das Jugendamt des Landkreises Hersfeld-Rotenburg setzt sich für den weiteren be-darfsgerechten Ausbau von Betreuungsangeboten für Kinder in Kindertageseinrichtun-gen sowie den Ausbau der Betreuungszeiten ein. Die Akzeptanz der Eltern, aber auch die Notwendigkeit für ihre Kinder, Betreuungsangebote in Anspruch zu nehmen, wird jährlich spürbar größer. Zu erkennen ist, dass eine Zweidrittel- oder Ganztagsbetreu-ung (zu)künftig die Halbtagsbetreuung ablösen wird. Die Qualität (Bildung und Förde-rung) in der Kindertagesbetreuung ist weiter zu sichern und weiterzuentwickeln.

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Die Betreuung durch eine Tagespflegeperson ist eine Alternative zur Betreuung in ei-ner Kindertageseinrichtung: Diese wurde in den letzten Jahren im Landkreis Hersfeld-Rotenburg zu einer – der Betreuung in Tageseinrichtungen gesetzlich gleichrangigen Betreuungsform - ausgebaut. Das Jugendamt setzt zukünftig auf die weitere Gewin-nung und Qualifizierung von Kindertagespflegepersonen sowie den weiteren Ausbau von Großtagespflegestellen. Die Bedarfe sind vorhanden und die hiesigen Arbeits-marktstrukturen ermöglichen dies. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf konzentriert sich aber nicht allein auf Eltern mit kleinen Kindern. Die Einführung der Ganztagbetreuung von Schul-kindern (Ausbau der Ganztagsschule) unterstützt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Um Familien noch besser erreichen und ihnen Hilfe (u. a. Betreuungsangebote für Kin-der) anbieten zu können, werden Tageseinrichtungen im Landkreis Hersfeld-Roten-burg weiter zu Familienzentren ausgebaut. Im Landkreis Hersfeld-Rotenburg gibt es bisher drei Mehrgenerationshäuser/Familienzentren, der Aufbau eines weiteren Fami-lienzentrums ist für 2018 geplant. Für das Jugendamt bedeutet das Ziel der Verbesserung von Vereinbarkeit Familie und Beruf die Entwicklung neuer Jugendhilfeangebote und die Überprüfung und Anpas-sung bestehender Angebote. 6.3 Reform des SGB VIII Im Frühjahr 2016 wurde die Reform des SGB VIII unter der Leitlinie „Vom Kind aus denken“ angekündigt und es wurde die sog. „große Lösung“ diskutiert, alle behinderten und nicht behinderten Kinder und Jugendlichen in der Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe zu verankern. Nachdem verschiedene Referenten-/Gesetzesentwürfe be-kannt geworden waren, erfolgte nach Bekanntwerden der jeweiligen Entwürfe massi-ver Protest und Widerstand aus der Fachwelt. Nachdem der Gesetzentwurf immer wei-ter „abgespeckt“ wurde, verblieb ein Rumpfgesetz, das am 29.06.17 im Bundestag als Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz (KJSG) beschlossen wurde. Der Bundesrat hat daraufhin das Gesetz zweimal, zuletzt am 22.09.17, von der Tages-ordnung genommen, da es keine Mehrheit gefunden hätte. Politik und Fachverbände -

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so die Information - sehen jedoch Handlungsbedarf für einen Start zu einer echten Re-form in dieser Legislaturperiode. Für das Jugendamt stellt sich diese politische Situation als die Phase vor einer Neu-aufstellung dar, die mit großer Unsicherheit verbunden ist. Sicher ist nur, dass mit einer „echten“ Reform des SGB VIII neue Aufgaben, Personal- und Finanzaufwände auf die Kommunen zukommen. 6.4 Bundesteilhabegesetz Als einen Zwischenschritt zur inklusiven oder „großen“ Lösung des SGB VIII betrachten wir die Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) auf die Kinder- und Ju-gendhilfe. Das BTHG (= das Artikelgesetz) trat zum 01.01.17 in Teilen in Kraft. Zum 01.01.18 tritt der nächste Teil des BTHG mit massiven Auswirkungen auf den Jugend-hilfeträger in Kraft. Das Jugendamt ist Rehabilitationsträger, sobald es Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII erbringt. Konkret heißt dies, dass die Bestimmungen des SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) den Bestimmungen des SGB VIII bei Leistungen im Reha-Bereich vorgehen. Auf das Jugendamt kommen mit dem BTHG Aufgaben- und Leistungsausweitungen zu und es ist von erhöhten Personal- (ASD und Wirtschaftliche Jugendhilfe) und Sach-kosten auszugehen. Mit derzeitigem Personal stellt dieser neue Aufgabenzuschnitt eine Überlastung dar. Wichtige (ausgewählte) Aspekte sind • die deutliche Fristverkürzung bei der Zuständigkeitsprüfung und Antragsbearbei-tung, das umfassende Teilhabeplanverfahren, das neben der originären Beratung und dem Hilfeplanverfahren durchzuführen ist, • die aktive Einbeziehung anderer Rehaträger in die Hilfeplanung/Teilhabeplanung, • bei Bedarf oder Wunsch Durchführen einer Teilhabeplankonferenz mit erweitertem Personenkreis, • Notwendigkeit, für andere Rehaträger über deren Leistungen zu entscheiden, wenn diese nicht reagieren.

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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ASD als Rehaträger (im Bereich der Einglie-derungshilfe) sind verpflichtet, ihre Klienten allumfassend über die Ansprüche im Be-reich des Rehabedarfes zu beraten. Dies betrifft nicht nur die Leistungen des SGB VIII, sondern alle Sozialgesetze SGB II, III, V, VI, VII, IX, XI, XII. Parallel müssen die Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter der Wirtschaftlichen Jugendhilfe dieses Wissen haben be-züglich Kosten und Kostenerstattungen. Das BTHG verlangt, dass die Zuständigkeit innerhalb von drei Wochen zu prüfen und zu bescheiden ist, oder aber innerhalb von zwei Wochen an einen anderen Träger weiterzuleiten, wenn wir dieser Verpflichtung nicht nachkommen können. Dies kann dazu führen, dass die Nichtwahrung von Fristen und/oder Fehlentscheidungen zu Las-ten des Landkreises gehen. Eine entsprechende Ausstattung mit gut qualifiziertem Personal ist für diese neue Auf-gabenstellung unumgänglich.

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7. Struktur, Ziele und Handlungsaufträge 7.1 Ausgangslage Der Landkreis Hersfeld-Rotenburg ist ein Flächenlandkreis mit 121.054 Einwohnern (Hess. Statistisches Landesamt, 30.06.16), in dem die Kreisstadt Bad Hersfeld laut Landesentwicklungsplan Hessen 2000 die Funktion eines Mittelzentrums mit Teilfunk-tion eines Oberzentrums innehat. Das Jugendamt wurde im Rahmen der Gebietsreform 1972 in der Zuständigkeit des Landkreises Hersfeld-Rotenburg verortet. Von Beginn an waren Zuständigkeiten nach Orten vorhanden, sofern mehrere Mitarbeiter für ein Arbeitsgebiet zuständig waren. Die Verortung des Jugendamtes fand an zwei Standorten statt, in Bad Hersfeld und Roten-burg. In Folge des Inkrafttretens des Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches 1990/91 wurden drei Regionalteams geschaffen, die bis heute Bestand haben. Zum 01. September 1999 nahmen drei Jugendhilfestationen freier Träger ihre Arbeit im Landkreis auf. Ziel war es, die Bevölkerung in dem jeweiligen Regionalteam mit Leistungen der Jugendhilfe durch den für sie zuständigen Träger mit „Hilfen aus einer Hand“ versorgt wurde. Die sog. „Versäulung“ der Jugendhilfe sollte aufgeweicht und die Durchlässigkeit zwischen den Hilfearten erleichtert werden. In einem weiteren Schritt wurde die Schaffung von Sozialraumbudgets angedacht, aber nur in Projektform implementiert. Rechtlich ist dieses Konzept durchaus umstritten: „Der Einsatz von so-zialraumorientierten Finanzierungskonzepten ist C nur unter engen Voraussetzungen zulässig“ (Wiesner 2015, 1357). Mit der Bewerbung und Umsetzung als Optionskommune im Rahmen des Arbeitslo-sengeldes II in den Jahren 2004/05 erfolgte die Regionalisierung des gesamten Ju-gendamtes mit räumlicher Trennung. Die Auseinandersetzung mit dem Thema der Sozialraumorientierung für die pädagogi-schen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgte im Rahmen von Fortbildungen von ca. 2007 – 2009. Die Erarbeitung eines umfassenden Sozialraumkonzepts sowie eine Um-setzung erfolgten nicht. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Jugendamtes orien-tierten sich an den Strukturmaximen des 8. Kinder- und Jugendhilfeberichts (BT-Druck-sache 11/6576, 85 ff.), v. a. dem Konzept der Lebensweltorientierung.

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Rückblickend zeigte sich bald, dass die konsequente Regionalisierung inklusive räum-licher Trennung des Jugendamtes zu Unzufriedenheiten führte sowohl bei den Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern des Jugendamtes als auch bei jungen Menschen und ih-ren Familien mit Beratungswunsch (erschwerte Erreichbarkeit der Mitarbeiter des Ju-gendamtes). Zudem kam es zu Reibungsverlusten, Informationsverlusten, einem deut-lich höheren Bedarf an Steuerung, schlechte Erreichbarkeit u. v. m. Es wurde offensichtlich, dass die regionalen Teams jeweils zu klein waren mit den Fol-gen, dass • Krankheit, Urlaub oder Fortbildung die Teams noch mehr reduzierten, • Einzelkämpfertum in einzelnen Arbeitsbereichen stattfand, • Überlastung durch lange Vakanzen zu neuen Überlastungen führte, • eine hohe Personalfluktuation vorhanden war. Wie bereits an anderen Stellen dargelegt, haben sich die Lebensrealitäten von Familien und die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen in unserer Ge-sellschaft massiv verändert. Neben der strukturellen Veränderung familialen Lebens spielen der demographische Wandel, Globalisierung und Migration, besonders aber auch die Bedeutung elektronischer Medien und die Polarisierung von Lebenslagen eine große Rolle und haben sich massiv auf die Lebensrealitäten von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien ausgewirkt. Daher stellt sich das Jugendamt heute – unter Beibehaltung guter Praxis, aber unter Berücksichtigung der veränderten Lebensrealitäten der jungen Menschen und ihrer Fa-milien – den aktuellen fachlichen Bedarfen bei der Aufbaustruktur des Jugendamtes. Im Rahmen der Umorganisation und Neuordnung der Kreisverwaltung 2016/17 wurde auch mit der Neuordnung des Jugendamtes begonnen: Alle Arbeitsbereiche wurden in einem ersten Schritt im 1. Halbjahr 2017 inhaltlich zusammengeführt. Parallel wurden vier Sachgebiete gebildet. Diese vier Sachgebiete decken alle Arbeits-bereiche des Jugendamtes ab. Darüber hinaus wurden übergreifende Aufgaben in ei-ner Stabsstelle gebündelt.

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7.2 Perspektive Das Jugendamt als sozialpädagogische Fachbehörde ist mittlerweile als Einheit aufge-stellt und wird als solche wahrgenommen. In einem ersten Schritt wurden die Fachteams zusammengelegt. Die Fachteams sind so zugeordnet, dass sie in der räumlichen Nähe ihrer Sachgebietsleitung untergebracht sind. Die Sachgebietsleitungen führen regelhaft Dienstbesprechungen mit ihren Mitar-beitern durch und stehen diesen jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Bildung von Fachabteilungen im Jugendamt befindet sich derzeit noch im Verän-derungsprozess und im Wandel. Nach anfänglichen Bedenken (räumliche Enge) treten jetzt die Vorteile in den Vordergrund. Soweit derzeit erkennbar, wirkt sich diese Zusam-menlegung für die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in positiver Hinsicht auf die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation aus. Während sich die Zusammenlegung in Fachteams bereits positiv niederschlägt, wird im Hinblick auf Austausch und Vernetzung der Mitarbeiter aus unterschiedlichen Fach-abteilungen noch Potential gesehen. Nach wie vor ist das Jugendamt auf fünf Stand-orte verteilt, was interne Abläufe und Kooperationen deutlich erschwert. Ziel ist es da-her, das Jugendamt an einem Standort zu platzieren und als Haus für junge Menschen und ihre Familien in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die Erreichbarkeit bzw. der persönliche Kontakt zum Jugendamt ist durch unterschied-liche Zugangswege immer sichergestellt. Abgesehen von Kinderschutzfällen arbeitet das Jugendamt zwischenzeitlich nur noch nach Terminvereinbarung. Nach Kontaktauf-nahme mit dem Assistenzbereich wird für die Klienten der Kontakt zu der zuständigen (pädagogischen) Fachkraft hergestellt. Entsprechend den Bedarfen und Möglichkeiten der Klienten wird ein Gesprächstermin im Amt, in einer Außen- oder Nebenstelle des Landkreises oder ein Hausbesuch vereinbart. Die Regionalisierung in Form von Zuständigkeiten bleibt aufrechterhalten. Es wird wei-terhin drei Regionalteams geben, die für einen örtlich abgegrenzten Bereich zuständig sind. Im Sinne einer Lebenswelt- und Sozialraumorientierung kennen die Fachkräfte des Jugendamtes ihre Region und haben vielfältige Kontakte in ihrem Bezirk. Ausge-hend von den veränderten Lebensrealitäten der jungen Menschen und ihrer Familien

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wird sich die Gestaltung des Aufwachsens zunehmend auch im öffentlichen Raum ab-spielen. Insbesondere seien hier die Kindertagesbetreuung und der Lern- und Leben-sort Schule benannt. Es ist davon auszugehen, dass Familie an diesen Lebensorten gut erreichbar sein wird. Das Jugendamt hat beispielsweise eine gute Kooperation mit einer Schule im Ostkreis des Landkreises, an der einmal im Monat eine Sprechstunde angeboten wird. Diese Sprechstunde wird von den Eltern gern in Anspruch genommen. Voraussetzung dieses guten Zusammenspiels ist jedoch zum einen der offene Umgang der Schule mit den Eltern und zum anderen die Kooperation von Schule und Jugend-amt auf Augenhöhe. Dieses Modell halten wir im Interesse von Regionalisierung und Sozialraumorientierung für ausbaufähig. Voraussetzung ist jedoch eine Öffnung von Schule bei entsprechender Kooperationsbereitschaft. Die Rolle der pädagogischen Fachkräfte sehen wir in der Einzelfallhilfe in Beratung, Hilfeplanung und Kinderschutz. Hinsichtlich der fallübergreifenden und fallunabhängi-gen Arbeit ist die regionale Ausrichtung ebenso von nicht zu unterschätzender Bedeu-tung. Eine pädagogische Fachkraft, die sowohl ihr regionales Einzugsgebiet als auch den Landkreis gut kennt, ist ein geeigneter und guter Kooperationspartner für die Be-ratungsteams an Schulen, Ansprechpartner für Gemeindeverwaltungen usw. Die Ziele und Handlungsaufträge des Jugendamtes im Landkreis Hersfeld-Rotenburg basieren auf den Kernaussagen des § 1 SGB VIII (s. Seite 7 f.). Die Förderung der Entwicklung junger Menschen zu eigenverantwortlichen und ge-meinschaftsfähigen Persönlichkeiten wie auch die Schaffung der erforderlichen Vo-raussetzungen ist Aufgabe der Familie, aber auch die des Staates, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. In diesem Kontext spielt die Jugendhilfe eine besondere Rolle. Das Jugendamt als öffentlicher Träger der Jugendhilfe hat die strukturelle Verantwor-tung für die Gestaltung einer kinder-, jugend- und familienfreundlichen Infrastruktur in der Kommune. Dies bildet sich u. a. deutlich in der Kindertagesbetreuung, den Frühen Hilfen, außerschulischer Jugendarbeit und -bildung, in der Kooperation mit Schule und Institutionen der Berufsausbildung ab. Eine entscheidende Rolle spielen hierbei die Er-gebnisse der Jugendhilfeplanung, die es ermöglichen, die Bedarfsdeckung zu steuern. Diese Stelle ist nach langen Vakanzen seit Februar 2017 wieder besetzt (0,5 VzÄ). Entscheidend bei der Zieldiskussion ist jedoch auch, dass sich das Selbstverständnis der Jugendhilfe in den letzten 15 Jahren gravierend verändert hat. Während nach wie

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vor der Auftrag der sozialen Gerechtigkeit und des sog. „Einmischungsauftrags“ der Jugendhilfe besteht, so trifft das landläufig gepflegte Bild eines Jugendamtes, das sich vorrangig mit den schwierigen und benachteiligten Kindern und Jugendlichen beschäf-tigt, heute nicht mehr zu. Es ist eine breite Nutzung der Angebote der Jugendhilfe durch alle gesellschaftlichen Schichten eingetreten. Durch die Ausweitung der Aufgaben der Jugendhilfe und auch die Ausweitung der Nut-zung der Angebote müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes neue Aufgaben und Funktionen übernehmen. Die Ausgestaltung der Bedingungen des Aufwachsens wird heute weniger dem Sozi-alraum zugeschrieben als der Familie und den Kindern und Jugendlichen selbst (siehe Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe 2016)5. Familie bleibt der zentrale Ort des Aufwachsens, so die Bundesregierung in ihrer Stel-lungnahme zum 15. Kinder- und Jugendbericht (BT-Drucksache 18/11050, 8). Dies gilt - neben der Kindheit - auch für das Jugendalter. Da Anfang und Ende von Jugend nicht eindeutig bestimmbar sind, müssen Jugendliche und junge Volljährige bei den Kern-herausforderungen des Jugendalters: Qualifizierung, Selbstpositionierung und Ver-selbständigung, Unterstützung erfahren. Zielsetzung muss es daher für die Jugendhilfe sein, Chancengerechtigkeit im Aufwach-sen junger Menschen anzustreben. Gesundheit und Bildung sind zentrale Bausteine für ein gelingendes Aufwachsen und eine gute Perspektive für die gesellschaftliche Integration. Die Erreichung dieses Ziels wird durch präventive, niedrigschwellige Angebote und de-ren Weiterentwicklung bzw. deren Ausbau umgesetzt. Die Prävention sehen wir in einem Flächenlandkreis eher durch Angebote und Leistun-gen vor Ort sichergestellt. Entscheidend dabei ist, dass die Angebote ihre Zielgruppen erreichen. 5 Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ ist das Forum und Netzwerk bun-deszentraler Zusammenschlüsse, Organisationen und Institutionen der freien und öffentlichen Jugendhilfe in Deutschland. Rechtsträger der AGJ ist der „Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe e. V.“.

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Es ist – leider - bis heute zu konstatieren, dass die meisten Menschen das Tätigwerden des Jugendamtes mit dem Eingriff in die Familiensphäre gleichsetzen. Da den Eltern verfassungsrechtlich der Vorrang für ihre Freiheit in der Ausgestaltung der Erziehung eingeräumt wird, muss ein Hilfe- und Unterstützungssystem beitragen zur • Verbesserung der Situation der Familien, • Resilienzförderung, • ggf. Unterstützung der Erziehungskompetenz. Prävention ist das oberste Ziel der Arbeit unseres Jugendamtes und stellt ein Quali-tätsmerkmal dar. Prävention soll dazu beitragen, Probleme und riskante Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, diese zu mildern und/oder zu verhindern. Kinder und Jugendli-che sollen dadurch geschützt und Familien entlastet werden. Die zunehmende Vernet-zung der präventiven Angebote ist positiv zu bewerten. Das Ziel der Prävention wird nur erreicht, wenn beispielweise niedrigschwellige Ange-bote der Jugendhilfe Vertrauen bei den potentiellen Klienten erzeugen können und eine Vernetzung der Systeme erfolgt. Eltern, die beispielsweise das Angebot der Frühen Hilfen, eines Eltern-Kind-Treffs oder der Erziehungsberatungsstelle annehmen, kann in vielen Fällen geholfen werden. Eltern, die mit diesen niedrigschwelligen Angeboten gute Erfahrungen gemacht haben, werden eher motiviert sein, sich bei weitergehenden Schwierigkeiten auch auf eine Kooperation mit dem Jugendamt einzulassen und eine geeignete Hilfe in Anspruch zu nehmen. In diesem Sinne soll das Konzept der Prävention, wie es beispielsweise auch im Ge-setz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) abgebildet ist, weiterent-wickelt und umgesetzt werden: • Erweiterung des Systems der Frühen Hilfen • Förderung des bürgerschaftlichen Engagements • Erziehungsberatung nicht nur als Komm-Struktur • Förderung von Gruppenangeboten • Erweiterung der Schulsozialarbeit an Grundschulen • Stärkung der Ortsjugendarbeiten • Angebote zur Förderung der Medienkompetenz

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Ein weiterer Aspekt der Prävention ist es gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII, „Kinder und Jugendliche für ihr Wohl zu schützen“. Zum 01.01.12 trat das Bundeskinderschutzge-setz in Kraft. In § 8a SGB VIII wird das Verfahren zur Erfüllung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung geregelt. Darüber hinaus befasst sich das BKiSchG umfas-send mit dem Thema Kinderschutz: z. B. die Frühen Hilfen, Interinstitutionelle und ein-zelfallbezogene Zusammenarbeit im Kinderschutz, Führungszeugnisse, Qualitätsent-wicklung, Stärkung der Kinderrechte u. v. m. Allein im Bereich der Einzelfallprüfungen im Kinderschutz ist der Arbeitsaufwand in den Jugendämtern in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. „Die seit 2012 durchgeführte statistische Erfassung der von den Jugendämtern vorge-nommenen Verfahren zeigt, dass jährlich in etwa einem Drittel der Verfahren auch tat-sächlich eine akute oder latente Gefährdung des betreffenden Kindes festgestellt wird. Der Anteil von Verfahren mit dem Ergebnis einer Kindeswohlgefährdung ist damit auf-fallend konstant. C Im Fall einer Kindeswohlgefährdung überwiegen Vernachlässigun-gen vor anderen Misshandlungsformen deutlich. Damit kann die Gefährdung von Kin-dern und Jugendlichen durch emotionale und körperliche Vernachlässigung sowie de-ren Abwendung als ein vordringliches Thema der Sozialen Dienste bezeichnet werden, bestätigt aber auch einmal mehr die damit verbundene Herausforderung für das Kin-der- und Jugendhilfesystem insgesamt (vgl. z. B. Kindler 2006). Diese wird sogar noch größer, sofern man berücksichtigt, dass es neben der konkreten Abwendung von Miss-handlungen auch um vorbeugende Unterstützung für potentiell betroffene Familien geht.“ (KomDAT6 Nov. 2017, HEFT 2&3) Es besteht die Aufgabe in diesem Bereich, den Umgang mit Kinderschutzfällen auf der Basis guter Praxis weiter zu professionalisieren. Dies erfolgt auf verschiedenen Ebe-nen und wird auf der Basis von Projektgruppen erarbeitet. Im ASD des Jugendamtes soll zunächst für eine Projektlaufzeit von zwei Jahren ein Kinderschutzteam entstehen, das alle neu eingehenden Kinderschutzfälle federführend bearbeitet bzw. ASD-Kolle-gen bei schon bekannten Kinderschutzfällen unterstützt. Dieses Kinderschutzteam soll zu einem späteren Zeitpunkt – bei Vorhandensein der erforderlichen zeitlichen und personellen Ressourcen - auch (interne) Fortbildungsangebote machen und Koopera-tionen mit am Kinderschutz beteiligten Institutionen herstellen und ausbauen. 6 Informationsdienst der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik, Technische Universität Dortmund.

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Der Gesetzgeber hat in § 3 KKG die Rahmenbedingungen für verbindliche Netz-werkstrukturen im Kinderschutz beschrieben und verpflichtet den örtlichen Träger der Jugendhilfe dazu, die verbindliche Zusammenarbeit zu organisieren. Aus der Leitungs-ebene wird daher im Jugendamt eine „Koordinationsstelle Kinderschutz“ entstehen, die diese Aufgaben verbindlich wahrnimmt. Neben diesen Netzwerkaufgaben gibt es Empfehlungen zu Rolle und Aufgaben der „Insoweit erfahrenen Fachkraft“ (IseF). Auch hier hat der Gesetzgeber mit § 8b SGB VIII die öffentlichen Träger der Jugendhilfe verpflichtet, Personen, die beruflich im Kon-takt mit Kindern oder Jugendlichen stehen, das Angebot der Beratung durch eine IseF bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung zu machen. Der umfassende Bereich des Kinderschutzes wird kontinuierlich weiterentwickelt, da das Jugendamt weiterhin im Zentrum des Kinderschutzes steht und eine verbindliche Steuerungsfunktion hat. 7.3 Nachhaltigkeit „Ein einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit, ihrem Wesen und ihrem Nutzen, fehlt bis heute. C Nachhaltigkeit sollte als konstruktiver Handlungsappell verstanden wer-den.“ (Bundeszentrale für politische Bildung 2014).7 Das Jugendamt betrachtet sich in seinem Selbstkonzept als lernende Organisation. Ausgehend von den gesetzlich zugeordneten Aufträgen der Jugendhilfe ist es zwin-gend erforderlich, dass sich das Jugendamt immer wieder mit seinem Selbstverständ-nis, seinem Handeln und Zielen auseinandersetzt. Ausgehend von der Schnelligkeit der gesellschaftlichen Entwicklungen und Umbrüche muss die Jugendhilfe Zukunfts-szenarien entwickeln können, um daraus Maßnahmen, Angebote der Jugendhilfe und Strukturen entsprechend den aktuellen Erfordernissen gestalten zu können. Im Grunde steht dahinter die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Organisationsentwicklungspro-zesses. Themen, die im Hinblick auf ein „nachhaltiges“ Verständnis von Jugendhilfe permanent in der Diskussion und Reflexion bleiben müssen, sind vor allem: 7 URL: http://www.bpb.de/apuz/188663/was-ist-nachhaltigkeit-dimensionen-und-chancen

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• Das Jugendamt als ein starker Impulsgeber für einen kinder-, jugend- und familien-gerechten Landkreis, • Kinderschutz: Recht auf ein gesundes und gewaltfreies Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen, • Individuelle Förderung der Entwicklung, • Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, • Demographischer Wandel, • Verzahnung Bildung und Jugendhilfe, • Partizipation, • Vernetzung mit Kooperationspartnern des Jugendamtes. Die Instrumente für die strategische Steuerung des Jugendamtes sind die bereits an anderer Stelle beschriebene Jugendhilfeplanung, Qualitätsentwicklung, Fach- und Fi-nanzcontrolling, Vertragscontrolling und Systemsteuerung. Parallel ist die Steuerung mit Kooperationspartnern für Strategie- und Innovationspro-zesse unerlässlich. Diese Steuerungselemente sind die Säulen, um Weiterentwicklun-gen / Veränderungsprozesse erfolgreich zu gestalten und die Jugendhilfe im Landkreis Hersfeld-Rotenburg zukunftsweisend und „nachhaltig“ aufzustellen.

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8. Anforderungen an die Ausstattung 8.1 Personelle Ausstattung Primäres Ziel muss zukünftig sein, eine ausreichende und konstante Mitarbeiterschaft aufzubauen. Weiterhin soll der Fluktuation der letzten Jahre entgegengewirkt werden. Häufige Personalwechsel führen zu Unzufriedenheit bei den Klienten (Bearbeitungs-dauer und -qualität) und widersprechen dem Leitbild der Kreisverwaltung des Landkrei-ses Hersfeld-Rotenburg. Die Einarbeitung in Arbeitsbereiche der personenbezogenen Dienstleistungen hat auf Grund des Aufbaus von Vertrauen und einer Arbeitsbeziehung einen deutlich höheren Zeitaufwand Eine konstante Mitarbeiterschaft mit guten Rah-menbedingungen des Arbeitens fördert die Mitarbeiterzufriedenheit, -motivation und-bindung. Hinsichtlich des personellen Bedarfs ist es unabdingbar, dass flexibel auf geänderte Rahmenbedingungen reagiert werden kann. Bereits heute ist erkennbar, dass ein wei-terer Fachkräftebedarf absehbar ist. Das Jugendamt unterliegt dem Fachkräftegebot (§ 72 SGB VIII) und es ist zu beobachten, dass es bereits jetzt schwierig ist Fachkräfte zu akquirieren. Bereits heute ist festzustellen, dass sich auf Grund anstehendender gesetzlicher Re-formen mit zusätzlichen Aufgaben (z. B. BTHG, SGB VIII-Reform) der Personalbedarf erhöhen wird. Fortbildung Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes wird • Fortbildung • Berufliche Weiterqualifizierung • Supervision auf Grund der fachlichen Bedarfe und Entwicklungen geplant und genehmigt. Die Budgetverantwortung und somit auch die Planung des Budgets obliegt der Pro-duktverantwortlichen, also der Jugendamtsleitung. Sie kennt die Bedarfe und hat die

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Aufgabe der Personalentwicklungsplanung. Daher sollten Personalentwicklung und Personalplanung im Fachdienst Kinder- und Jugendhilfe verortet sein. Hinzukommt, dass die Fortbildungsbedarfe Bestandteil des jährlichen Mitarbeitergesprächs sind. Seitens des Fachamtes erscheint es wünschenswert, dass die Entscheidung über eine Fortbildung bei der Jugendamtsleitung liegt. Wenn vertragliche Vereinbarungen bei be-ruflichen Weiterqualifizierungen erforderlich sind, erfolgt die Abwicklung über den Fachdienst Organisation/Personal. 8.2 Räumliche und sächliche Ausstattung Auch eine gute sächliche Ausstattung trägt dazu bei, dass die Mitarbeiter des Jugend-amtes ihren Aufgaben nachkommen können, die Qualität der Arbeit sichergestellt ist und die Arbeit in modernen Arbeitsvollzügen erfolgt. Beide Aspekte, die räumliche und sächliche Ausstattung sind - neben der personellen Ausstattung - untrennbar miteinander verbunden. Familien, die sich an das Jugendamt um Beratung und Hilfe wenden, erlauben den Fachkräften tiefe Einblicke in persönliche und intimste Angelegenheiten. Anvertrauen bedeutet in diesem Kontext, dass dritte Personen, auch nicht andere Mitarbeiter des Jugendamtes, „mithören“ sollten. Der § 65 SGB VIII ist mit seinem explizit benannten „besonderen Vertrauensschutz“ ein Qualitätsmerkmal der Jugendhilfe. Grundlage für das Vertrauen zwischen hilfesuchenden Klienten und der Fachkraft ist der Schutz der persönlichen Daten bei der Zusammenarbeit zur gemeinsamen Prob-lemanalyse und -lösung. Daher muss an dieser Stelle auf den Datenschutz im Beratungskontext, d. h. bei der Erbringung einer personenbezogenen Dienstleistung, eingegangen werden: Grundnorm des Sozialdatenschutzes ist § 35 SGB I. Diese Norm wird durch die Best-immungen des SGB X ergänzt. Für die Jugendhilfe sind ab § 61 SGB VIII nochmals spezielle Datenschutzvorschriften niedergelegt.

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Bezogen auf den Beratungskontext im Jugendamt heißt dies, dass bereits die Gesprä-che in einem geschützten Rahmen erfolgen müssen. Hier greift der besondere Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe (§ 65 SGB VIII). Im Gegensatz zu rein wirtschaftlichen oder administrativen Tätig-keiten sind hier alle Formen persönlicher Betreuung, Beratung und Unterstützung im Rahmen der Leistungen und anderen Aufgaben im Sinne des § 2 SGB VIII gemeint. Für das Jugendamt werden die räumlichen Bedarfe daher folgendermaßen gesehen: • Einzelbüros für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Jugendamtes, um einen besonderer Vertrauensschutz im Rahmen der Leistungen und Aufgaben gem. § 2 SGB VIII sicherzustellen, • Aufgaben zu erledigen sind, die ein hochkonzentriertes Arbeiten erforderlich ma-chen, • Arbeitssicherheit und Arbeitszufriedenheit erreicht werden können. • 4 Beratungsräume für 10 – 12 Personen • Sozialräume mit Teeküchen • Assistenzbereich mit Post- und Kopierraum • Archivräume Bei der Raumplanung wird von dem derzeitigen Kenntnisstand ausgegangen. Bei der aktuellen Geschwindigkeit der Entwicklung gesellschaftlicher Bedarfe und gesetzlicher Neuregelungen wird mit zusätzlichem Raumbedarf in den nächsten Jahren gerechnet (z. B. Reform des SGB VIII, BTHG Q). EDV-Infrastruktur Die Dokumentation der Arbeit im Jugendamt erfolgt über EDV. Hier ist es unabdingbar, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem dem Stand der Technik entspre-chenden Equipment ausgestattet sind: • am Arbeitsplatz einen PC und zukünftig (im Hinblick auf die E-Akte) zwei Bild-schirme, • Für die Protokollierung bei Verhandlungen, Hilfeplanungen, Gesprächen und die Teilnahme an Gremiensitzungen, an Terminen vor den Familien- und Strafgerichten

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Tablets/Notebooks, die einen kabellosen Zugriff auf Internet und Netzwerk des Landkreises (E-Akte) ermöglichen. • Smartphones als Diensthandys (z. B. zur Nutzung von Routen- und Übersetzungs-diensten) Mobiliar In den Büros muss eine ausreichende und funktionstüchtige Mobiliarausstattung vor-handen sein, die den Bedarfen der Mitarbeiter entspricht. Fahrzeuge Für die hoheitlichen Aufgaben (Kinderschutz – Inobhutnahme) muss permanent ein Fahrzeug bereitstehen, das auch für die Mitnahme mehrerer Personen geeignet ist. Hierbei muss sichergestellt sein, dass das Fahrzeug dem Jugendamt rund um die Uhr zur Verfügung steht. Kindersitze für alle Altersgruppen müssen vorhanden sein.

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9. Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich das Jugendamt bzw. die Jugendhilfe insgesamt in einem grundlegenden Umwälzungsprozess befindet. Dies betrifft die Veränderungen, die sich aus den gesellschaftlichen Entwicklungen er-geben, durch Entscheidungen des Gesetzgebers forciert werden und auch ganz mas-siv das Selbstverständnis der Jugendhilfe betreffen. Zentrales Thema ist - immer unter Berücksichtigung der Leitnorm des § 1 SGB VIII - das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in der modernen Gesellschaft, das wir als aktive Gestaltungsaufgabe der öffentlichen Jugendhilfe betrachten. Seit Beginn des Jahrtausends erfolgte die verstärkte Übernahme öffentlicher Verantwortung für das Aufwachsen junger Menschen in Deutschland (Kindertagesbetreuung, Frühe Hilfen, Schulsozialarbeit Q). Die verstärkte Vermischung von familiärer und öffentlicher Verantwortung für das Auf-wachsen von Kindern und Jugendlichen zieht sich durch alle Lebensphasen des Kin-des- und Jugendalters. Dabei wird deutlich, dass alle beteiligten verantwortlichen Insti-tutionen zunehmend enger miteinander kooperieren müssen, und dass sich das bisher vorherrschende klassische Bildungsverständnis erweitern muss im Sinne des § 1 SGB VIII („eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeit“). Im Interesse der Kinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaft wäre es wünschenswert, wenn ein gesetzlich verankertes Kooperationsgebot nicht nur für die Kinder- und Jugendhilfe gel-ten würde. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Bildung der zentrale Schlüssel ist, um Armutskreisläufe zu durchbrechen. Insofern kommt der Familie in der frühen Kindheit eine besondere Bedeutung zu. Die Kindheit bildet das zentrale Fundament für die ge-samte kognitive, sozial-emotional und sprachliche Entwicklung. Wir sehen es als be-deutsame (gesellschaftspolitische) Aufgabe des Jugendamtes an, durch geeignete An-gebote und Maßnahmen für die Herstellung von Chancengerechtigkeit in dieser frühen und sensiblen Lebensphase eines Kindes beizutragen. Die Veränderung von Lebenslagen findet ihren Niederschlag beispielsweise in instabi-leren Familien, prekären Einkommensverhältnissen, Häufung individueller Problemsi-tuationen in Familien. Dies macht gezielte Unterstützung für Familien erforderlich.

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Wir sind der Überzeugung, dass wir mit unserer Zielrichtung der Ausweitung der prä-ventiven Angebote, der Gestaltung von Gelingensbedingungen für das Aufwachsen in der modernen Gesellschaft und der Beförderung von Netzwerken im Kinderschutz den richtigen Weg beschritten haben. Umgesetzt wird die Zielsetzung intern sehr stark durch Fachdiskussionen, Konzept- und Qualitätsentwicklung sowie extern durch Verhandlungen und Kooperationen. Die Unterfütterung erfolgt durch das Controlling und die Jugendhilfeplanung. Letztere trägt durch die Bestands- und Bedarfsermittlung der Jugendhilfeangebote im Landkreis zur Weiterentwicklung der Angebotsstruktur bei. Implizit heißt dies für das Jugendamt: • Das Jugendamt muss neue Aufgaben und Funktionen übernehmen und seine Rolle unter Beibehaltung der fachlichen Identität und Eigenständigkeit neu definieren, • Qualität der eigenen Leistungen evaluieren und weiterentwickeln, • mit Bildungsträgern und Leistungsträgern Kooperationen aufbauen, • kontrollieren, dass die Angebotsstruktur von den Zielgruppen tatsächlich genutzt wird. Festzustellen ist, dass die Kinder- und Jugendhilfe zwischenzeitlich als ein deutlich ex-pandierendes Arbeitsfeld in der kommunalen Aufgabenwahrnehmung zu betrachten ist. Für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Hersfeld-Rotenburg muss das Jugendamt als Fachbehörde klar erkennbar sein und diese Fachbehörde muss sowohl den spezifischen Zugang zu den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gewährleisten als auch eindeutiger Ansprechpartner für Kooperationspartner und andere gesell-schaftliche Akteure sein. Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftspolitischen Herausforderungen ist es von großer Bedeutung, dass die Kommunalpolitik das Ju-gendamt auch weiterhin stärkt, und dass sich das Jugendamt zu einem „strategischen Zentrum für Fragen des Aufwachsens“ im Landkreis weiterentwickeln kann.

Page 51: Konzept Jugendamt Dez2017 end 180126 - hef-rof.de · Wir sind der Auffassung, dass dieses Konzept einen guten und wichtigen Beitrag dazu liefert, die Struktur, Inhalte und Ziele und

Landkreis_Hersfeld_Rotenburg_Jugendamt_Konzept Dezember_2017

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10. Abkürzungsverzeichnis ASD Allgemeiner Sozialer Dienst BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl Bundesgesetzblatt BKiSchG Bundeskinderschutzgesetz BT-Drucksache Bundestagsdrucksache EV Entgeltvereinbarung FamFG Gesetz über das Verfahren in den Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit HessKindGSG Hessisches Kindergesundheitsschutzgesetz HKJGB Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch IseF Insoweit erfahrene Fachkraft JWG Jugendwohlfahrtsgesetz KICK Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz KiföG Kinderförderungsgesetz KJSG Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz KKG Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz LV Leistungsvereinbarung PKD Pflegekinderdienst QEV Qualitätsentwicklungsvereinbarung RJWG Reichsjugendwohlfahrtsgesetz SGB VIII Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilfe) TAG Tagesbetreuungsausbaugesetz umA unbegleitete minderjährige Ausländer VzÄ Vollzeitäquivalent