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1 Einleitung In diesem Beitrag untersuchen wir o ¨ kono- mische Ansa ¨tze zur Bewertung alternati- ver Kooperationsformen in Supply- Chains. Dabei soll insbesondere gezeigt werden, dass diese Bewertungen die Grundlage fu ¨ r eine Wirtschaftlichkeitsana- lyse des u ¨ berbetrieblichen Einsatzes von Informations- und Kommunikationstech- nologien (IuK-Technologien), z. B. EDI oder Supply-Chain-Management-Software (SCM-Software), darstellen ko ¨ nnen. Im zweiten Kapitel wollen wir zuna ¨chst ei- nen șberblick u ¨ ber Kooperationsformen in Supply-Chains und Mo ¨ glichkeiten ihrer informationstechnischen Unterstu ¨ tzung geben. Gegenstand des dritten Kapitels sind Ansa ¨tze zur Messung des Wertes von Kooperationen in Supply-Chains: Dabei handelt es sich zum einen um die Quantifi- zierung des so genannten Bullwhip-Effek- tes; zum anderen stellen wir unseren Pro- totypen SCOptimizer zur Bestimmung des Mehrwertes von Kooperationen in der Distributionsplanung vor. Der Artikel schließt mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse. 2 Kooperationen in Supply- Chains: Ein șberblick In Supply-Chains ko ¨ nnen wir heute eine Vielzahl unterschiedlicher Formen der Zu- sammenarbeit beobachten, in denen die Be- teiligten, z. B. Zulieferer, Produzenten, Dis- tributoren und Logistikdienstleister, koope- rieren, um gemeinsam ihre Ziele besser zu erreichen [HaNi99; BKFþ03]. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die kooperative Bestellmengen- und Distributionsplanung. Hier sind die in Bild 1 dargestellten Kon- stellationen denkbar [WyMa96]. Der Fall „keine Kooperation“ ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder Akteur eine iso- lierte Planung durchfu ¨ hrt und diese nicht mit den Partnern abstimmt. Eine „dezen- trale Kooperation“ liegt vor, wenn die Ak- teure untereinander Informationen u ¨ ber ihre Planungen austauschen und darauf aufbauend gegebenenfalls ihre Pla ¨ne anpas- sen. Im dritten Fall „zentrale Kooperation“ fu ¨ hrt eine zentrale Instanz fu ¨ r die Partner eine gemeinsame Planung durch. Diese Kooperationsformen ko ¨ nnen durch verschiedene IuK-Technologien unter- stu ¨ tzt werden. Der einfache Informations- austausch als Grundlage einer „dezentralen Kooperation“ la ¨sst sich etwa durch An- wendung von EDI oder XML/EDI umset- zen. Demgegenu ¨ ber verlangt eine „zentrale Kooperation“ eine weitergehende Integra- tion: Hier sind die gesamten planungsrele- vanten Daten, z. B. Nachfragedaten, einer WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 5, S. 509 514 Die Autoren Peter Buxmann Luis Martı ´n Dı ´az Anette von Ahsen Prof. Dr. Peter Buxmann, Dipl.-Kfm. Luis Martı ´n Dı ´az, Technische Universita ¨t Freiberg, Lehrstuhl fu ¨r Wirtschaftsinformatik, Lessingstr. 45, 09596 Freiberg E-Mail: {buxmannjluis.martin}@bwl. tu-freiberg.de, http://www.bwl.tu-freiberg.de/wi; Dr. Anette von Ahsen, Universita ¨t Duisburg-Essen, Lehrstuhl fu ¨r Umweltwirtschaft und Controlling, 45117 Essen, E-Mail: [email protected], http://www.uni-essen.de/uws-con Kooperationen in Supply-Chains – Úkonomische Bewertungsansa ¨tze und Anwendung eines Simulations- modells Keine Kooperation Dezentrale Kooperation Zentrale Kooperation Bild 1 Kooperationsformen WI – Schwerpunktaufsatz

Kooperationen in Supply-Chains — Ökonomische Bewertungsansätze und Anwendung eines Simulationsmodells

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Page 1: Kooperationen in Supply-Chains — Ökonomische Bewertungsansätze und Anwendung eines Simulationsmodells

1 Einleitung

In diesem Beitrag untersuchen wir okono-mische Ansatze zur Bewertung alternati-ver Kooperationsformen in Supply-Chains. Dabei soll insbesondere gezeigtwerden, dass diese Bewertungen dieGrundlage fur eine Wirtschaftlichkeitsana-lyse des uberbetrieblichen Einsatzes vonInformations- und Kommunikationstech-nologien (IuK-Technologien), z. B. EDIoder Supply-Chain-Management-Software(SCM-Software), darstellen konnen.

Im zweiten Kapitel wollen wir zunachst ei-nen �berblick uber Kooperationsformenin Supply-Chains und Moglichkeiten ihrerinformationstechnischen Unterstutzunggeben. Gegenstand des dritten Kapitelssind Ansatze zur Messung des Wertes vonKooperationen in Supply-Chains: Dabeihandelt es sich zum einen um die Quantifi-zierung des so genannten Bullwhip-Effek-tes; zum anderen stellen wir unseren Pro-totypen SCOptimizer zur Bestimmung desMehrwertes von Kooperationen in derDistributionsplanung vor. Der Artikelschließt mit einer Zusammenfassung derwesentlichen Ergebnisse.

2 Kooperationen in Supply-Chains: Ein �berblick

In Supply-Chains konnen wir heute eineVielzahl unterschiedlicher Formen der Zu-sammenarbeit beobachten, in denen die Be-teiligten, z. B. Zulieferer, Produzenten, Dis-tributoren und Logistikdienstleister, koope-

rieren, um gemeinsam ihre Ziele besser zuerreichen [HaNi99; BKFþ03]. Im Folgendenkonzentrieren wir uns auf die kooperativeBestellmengen- und Distributionsplanung.Hier sind die in Bild 1 dargestellten Kon-stellationen denkbar [WyMa96].

Der Fall „keine Kooperation“ ist dadurchgekennzeichnet, dass jeder Akteur eine iso-lierte Planung durchfuhrt und diese nichtmit den Partnern abstimmt. Eine „dezen-trale Kooperation“ liegt vor, wenn die Ak-teure untereinander Informationen uberihre Planungen austauschen und daraufaufbauend gegebenenfalls ihre Plane anpas-sen. Im dritten Fall „zentrale Kooperation“fuhrt eine zentrale Instanz fur die Partnereine gemeinsame Planung durch.

Diese Kooperationsformen konnen durchverschiedene IuK-Technologien unter-stutzt werden. Der einfache Informations-austausch als Grundlage einer „dezentralenKooperation“ lasst sich etwa durch An-wendung von EDI oder XML/EDI umset-zen. Demgegenuber verlangt eine „zentraleKooperation“ eine weitergehende Integra-tion: Hier sind die gesamten planungsrele-vanten Daten, z. B. Nachfragedaten, einer

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 5, S. 509–514

Die Autoren

Peter BuxmannLuis Martın DıazAnette von Ahsen

Prof. Dr. Peter Buxmann,Dipl.-Kfm. Luis Martın Dıaz,Technische Universitat Freiberg,Lehrstuhl fur Wirtschaftsinformatik,Lessingstr. 45,09596 FreibergE-Mail: {buxmannjluis.martin}@bwl.tu-freiberg.de,http://www.bwl.tu-freiberg.de/wi;

Dr. Anette von Ahsen,Universitat Duisburg-Essen,Lehrstuhl fur Umweltwirtschaft undControlling,45117 Essen,E-Mail: [email protected],http://www.uni-essen.de/uws-con

Kooperationen in Supply-Chains –�konomische Bewertungsansatzeund Anwendung eines Simulations-modells

KeineKooperation

DezentraleKooperation

ZentraleKooperation

Bild 1 Kooperationsformen

WI – Schwerpunktaufsatz

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zentralen Instanz bereitzustellen, die daraufaufbauend den Absatzplan fur die gesamteSupply-Chain ermittelt. Solche Funktiona-litaten werden heute etwa von SCM-Soft-ware-Anbietern, wie i2, Oracle oder SAP,zur Verfugung gestellt [KnMZ02; Zeie02;BKFþ03]. Dabei wurde in einer kurzlichdurchgefuhrten empirischen Untersuchungzum Einsatz von SCM-Software die Quan-tifizierung des Nutzens von Kooperationenals zentrale Herausforderung beim unter-nehmensubergreifenden Einsatz dieserSoftwarelosungen ermittelt [ABMW02].Vor diesemHintergrund wollen wir im Fol-genden alternative Ansatze zur Bewertungvon Kooperationen vorstellen [siehe zurallgemeinen Bewertung von Netzwerkenauch JaWo96; Klei96].

3 Ansatze zur Bewertungvon Kooperationenim Supply-Chain-Management

3.1 Der Bullwhip-Effekt

Der Bullwhip-Effekt bezeichnet das Pha-nomen, dass auch bei relativ konstanterNachfrage der Endkunden die Bestellmen-gen entlang der Logistikkette, angefangenbei den Einzelhandlern bis hin zu den Zu-lieferern, zunehmend variieren. Dies fuhrtinsbesondere zu erhohten Lagerkosten;weitere Folgen sind z. B. erhohte Material-kosten beim Hersteller als Konsequenz un-geplanter Lieferungen, Ineffizienzen in derKapazitatsauslastung, erhohte Personal-kosten bei �berstunden sowie erhohteTransportkosten [LePW97].

Ursachen fur den Bullwhip-Effekt sind inerster Linie Verzerrungen der Informatio-nen uber die tatsachliche Nachfrage desEndkunden. Diese entstehen zum einendurch die angewandten Absatzprog-nosemethoden. Zum anderen fuhren Reak-tionen auf – vermutete – Lieferengpassesowie Preisschwankungen und Bestellbun-delungen zu Veranderungen der Nachfra-gemengen, deren Ursachen auf den jeweilsnachgelagerten Lieferstufen nicht erkenn-bar sind [LePW97; SiKS00, 84–86]. DieseFaktoren sind in ihrem Auftreten unabhan-gig voneinander, verstarken sich aber ge-genseitig. Im Folgenden werden die Aus-wirkungen der in Kapitel 2 vorgestelltenKooperationsszenarios auf die Hohe desBullwhip-Effektes dargestellt.

Eine Quantifizierung des Bullwhip-Effektesdiskutieren Chen et al. [CDRS00], wobeiausschließlich die Auswirkungen von Feh-lern in der Absatzprognose analysiert wer-den. Im Fall „keine Kooperation“ fuhrt je-des Mitglied der Supply-Chain mittels derMethode der gleitenden Durchschnitte eineeigene Absatzprognose durch und tatigt aufdieser Basis seine Bestellungen, bei der je-weils am Ende gleichlanger Perioden das La-ger bis zur „Bestellgrenze“ aufgefullt wird.

Um den Bullwhip-Effekt formal zu be-schreiben, wird der Quotient aus der Va-rianz der Bestellmenge auf der k-ten Lie-ferstufe der Supply-Chain Var (qk) und derVarianz der Nachfrage des EndkundenVar (D) gebildet. Unter der Voraussetzung,dass zwischen den Bestellungen des End-kunden zu verschiedenen Zeitpunkten keinZusammenhang besteht und auf keinerLieferstufe Sicherheitsbestande gehaltenwerden, ergibt sich dieser Quotient gemaß(1) [zur Herleitung vgl. CDRS00, 439]; derBullwhip-Effekt wird also auf jeder Liefer-stufe multiplikativ verstarkt:

Var ðqkÞVar ðDÞ ¼ Qk

i¼11þ 2Li

pþ 2L2

i

p2

� �8k ; ð1Þ

mit

Li ¼ Lieferzeit zwischen der Lieferstufe iund Lieferstufe i þ 1 und

p ¼ Anzahl der Beobachtungen, die in dieAnwendung der Methode der gleiten-den Durchschnitte eingeht.

Im Szenario „dezentrale Kooperation“ er-halten alle Mitglieder der Supply-ChainZugriff auf die Informationen uber dieNachfrage des Endkunden. Damit ergibtsich die Varianz der Bestellmenge der k-tenStufe der Supply-Chain Var (qk) relativ zurVarianz der Endnachfrage des KundenVar (D) wie folgt [CDRS00, 441]:

Var ðqkÞVar ðDÞ ¼ 1þ

2Pki¼1

Li

pþ2Pki¼1

Li

!2

p28k :

ð2Þ

Die Varianz der Bestellmenge einer Liefer-stufe der Supply-Chain ist in diesem Falleine zunehmende Funktion der Summe derLieferzeiten zwischen den betrachtetenLieferstufen. Obwohl also auf allen Stufender Supply-Chain die Endnachfrage ein-heitlich prognostiziert wird, wird derBullwhip-Effekt im Szenario „dezentraleKooperation“ zwar vermindert, aber nichtvollstandig ausgeschaltet.

Im Szenario „zentrale Kooperation“ reali-siert ein Mitglied der Supply-Chain unterder Annahme vollkommener Informationdie Bestellungen fur alle weiteren Mitglie-der. In dem Maße, in dem dadurch die Ab-satzprognosen auf den beteiligten Liefer-stufen entfallen, tritt auch der hiermitverbundene Bullwhip-Effekt nicht auf.

Auf Basis von Simulationen kommtMetterszu dem Ergebnis, dass allein die Vermei-dung des auf fehlerhafte Absatzprognosenzuruckzufuhrenden Bullwhip-Effektes zueiner Steigerung des Gewinns um 5 bis10% fuhren kann [Mett97, 91]. Dieser po-tenzielle Nutzen der Kooperation ist mitden entsprechenden Kosten, z. B. bei „zen-traler Kooperation“ fur die Implementie-rung von SCM-Software, abzuwagen.

3.2 SCOptimizer – Ein Prototypzur Bestimmung des Wertesvon Kooperationenin der Distributionsplanung

Wahrend der Bullwhip-Effekt einen An-satzpunkt zur Bewertung von Kooperatio-nen im Bereich der Bestellmengenplanungliefert, wollen wir nun einen Prototypen(SCOptimizer) vorstellen, mit dem die inAbschnitt 2 unterschiedenen Koopera-tionsformen fur die Distributionsplanungsimuliert werden konnen.

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 5, S. 509–514

Tabelle 1 Fahrzeugdaten

Fahrzeugbesitzer Anzahl vonFahrzeugen

Fixe Fahrzeug-einsatzkosten

�berfuhrungskosten

DZ1 4 8 Distanzabhangig

DZ2 1 9 Distanzabhangig

DZ3 1 10 Distanzabhangig

3rd Party LSP Ausreichend 75 0

510 Peter Buxmann, Luis Martın Dıaz, Anette von Ahsen

Page 3: Kooperationen in Supply-Chains — Ökonomische Bewertungsansätze und Anwendung eines Simulationsmodells

3.2.1 Modellannahmen

Das Ziel der Anwendung des PrototypsSCOptimizer ist die Ermittlung des Mehr-wertes von Kooperationen in der Distribu-tionsplanung. Ausgangspunkt ist die Mo-dellierung einer Supply-Chain mit beliebigvielen Akteuren. Dabei kann der SCOpti-mizer fur die Distributionsplanung aufsamtlichen Stufen der Supply-Chain ange-wendet werden.

Im Folgenden wahlen wir als Beispiel dieBelieferung von Handlern durch Distribu-tionszentren (DZ). Die Zielsetzung bestehtdarin, die Nachfrage der Handler kosten-minimal zu bedienen. Dabei fallen distanz-abhangige variable Kosten einerseits sowiefixe Kosten fur den Einsatz der Fahrzeugeandererseits an. Die Fahrzeuge konnen so-wohl aus dem eigenen Fuhrpark kommenals auch von einem externen Logistik-

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Kernpunkte fur das Management

Hinter Kooperationen im Rahmen des Supply-Chain-Managements steht die Idee, dass eineintegrierte, kooperative Planung etwa der Beschaffungs-, Transport- und Lagerprozesse inder Regel zu besseren Ergebnissen fuhrt als isolierte Planungen. Dabei stellt die Quantifizie-rung des Nutzens von Kooperationen haufig ein offenes Problem dar. Hierzu wird gezeigt,

& wie der so genannte Bullwhip-Effekt durch Kooperationen vermindert werden kann und& wie durch den Einsatz des Prototyps SCOptimizer der Mehrwert von Kooperationen in

der Distributionsplanung quantifiziert werden kann.

Voraussetzung fur Kooperationen in Supply-Chains sind in der Regel Investitionen, z. B. in denEinsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien. Insofern kann die Bestimmungdes Mehrwertes kooperativer Planungen als Grundlage fur die Bewertung des Einsatzes etwavon EDI- oder XML/EDI-Losungen bzw. Supply-Chain-Management-Software dienen.

Stichworte: Betriebliche Informationssysteme, Bullwhip-Effekt, Distributionsplanung, Koope-rative Planung, Supply-Chain-Management

Bild 2 Ergebnis des Szenarios „keine Kooperation“

Kooperationen in Supply-Chains 511

Page 4: Kooperationen in Supply-Chains — Ökonomische Bewertungsansätze und Anwendung eines Simulationsmodells

dienstleister (3rd Party LSP) fur einen fest-gelegten Preis bezogen werden, wobei wireine ausreichende Anzahl von Transport-mitteln des Logistikdienstleisters anneh-men. Daruber hinaus konnen in den koope-rativen Simulationslaufen die Fahrzeugevon anderen DZ mit uberschussigen Trans-portkapazitaten bezogen werden. Dannfallen zusatzliche distanzabhangige Kostender �berfuhrung des Fahrzeugs von einemDistributor zum anderen an. Das Simula-tionsmodell geht vom 1-Produkt-Fall aus.Weitere Annahmen sind, dass die Nachfra-ge bedient werden muss, Transportauftragenicht geteilt werden konnen und die Fahr-zeugkapazitaten festgelegt sind. Bei denkooperativen Szenarios unterstellen wir,dass die Teamannahme gilt, die besagt, dasssich die einzelnen Akteure ausschließlicham Gesamtergebnis der Supply-Chain ori-entieren [Mars54].

3.2.2 Anwendungsbeispiel

Wir gehen fur unsere Simulation von dreiDistributoren einer Supply-Chain aus, diejeweils vier Handler beliefern und uber ei-ne begrenzte Anzahl von Transportmittelnverfugen, die unterschiedliche fixe Einsatz-kosten verursachen (siehe Tabelle 1).

Die weiteren Eingabeparameter der Simula-tionslaufe konnen unter http://www.bwl.tu-freiberg.de/wi/publications/wi2003/ ein-gesehen werden. Unter diesen Pramissenwollen wir nun die Distributionsplanungfur die drei Kooperationsformen simulie-ren.

Der Fall „keine Kooperation“ ist dadurchgekennzeichnet, dass jedes DZ seine eigeneDistributionsplanung durchfuhrt. Dazustehen im SCOptimizer das Savings-Ver-fahren, der Sweep-Algorithmus sowie einBranch&Bound-Verfahren zur Verfugung.

In dem hier vorgestellten Beispiel wendenwir das Savings-Verfahren mit einem2-Opt-Verbesserungsalgorithmus an. Ka-pazitatsengpasse beheben die DZ aus-schließlich durch die Inanspruchnahme desexternen Logistikdienstleisters. Den hier-bei entstehenden Tourenplan zeigt Bild 2.

In unserem Beispiel fahrt jedes DZ zweiTouren und benotigt entsprechend zweiFahrzeuge. Dabei bedienen die DZ auchKunden, die naher an einem anderen DZliegen. Zudem setzt DZ1 nur zwei seinervier Fahrzeuge ein, wahrend DZ2 undDZ3 jeweils ein Fahrzeug vom externenDienstleister beziehen. Die Summe derFahrzeugeinsatzkosten betragt hierbei 185Geldeinheiten, wahrend sich die distanz-abhangigen Transportkosten auf 2176,65Geldeinheiten belaufen.

Im Szenario „dezentrale Kooperation“ fuhrtjedes DZ zunachst erneut eine eigene Distri-

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Bild 3 Ergebnis des Szenarios „dezentrale Kooperation“

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Page 5: Kooperationen in Supply-Chains — Ökonomische Bewertungsansätze und Anwendung eines Simulationsmodells

butionsplanung durch. Im nachsten Schrittteilt jedoch jedes DZ jedem anderen DZmit,wie viele freie Fahrzeuge es noch verfugbarhat bzw. wie viele zusatzlich benotigt wer-den. Darauf aufbauend wird nun bestimmt,welches DZ welchem anderen DZ wie vieleFahrzeuge zur Verfugung stellt. Diese Zu-ordnung erfolgt unter Berucksichtigung derdistanzabhangigen variablen Kosten (zwi-schen den DZ), der fixen Fahrzeugeinsatz-kosten sowie der Kosten, die fur die Beauf-tragung eines externen Dienstleisters zuzahlen waren. Das Ergebnis dieser zweistu-figen Planung zeigt Bild 3.

Die ermittelten Touren sind die Gleichenwie im unkooperativen Szenario; jedes DZbenotigt somit zwei Transportmittel. ImGegensatz zum ersten Simulationslauf wer-den jedoch jetzt Kapazitaten zwischen denDZ dieser Supply-Chain ausgetauscht. FurDZ3 ist es gunstiger, das zusatzlich beno-tigte Fahrzeug von DZ1 und nicht vom ex-

ternen Transportdienstleister zu beziehen.Bei DZ2 fallt die Entscheidung zugunstendes Transportdienstleisters, da die Kosteneines Fahrzeugs von DZ1 aufgrund derEntfernung hoher sind. Der fur den Fahr-zeugaustausch eingesetzte Algorithmus istunter: http://www.bwl.tu-freiberg.de/wi/publications/wi2003/ dargestellt. In diesemdezentralen kooperativen Szenario sind dieTransportkosten zwar genauso hoch wieim unkooperativen Ansatz, die Fahrzeug-einsatzkosten sind aber geringer: Sie betra-gen 168,60 Geldeinheiten.

Das Szenario „zentrale Kooperation“ istdadurch gekennzeichnet, dass eine zentraleInstanz ubergreifend die Distributionspla-nung fur alle DZ durchfuhrt. Dabei wirdmithilfe der Voronoi-Heuristik im erstenSchritt eine raumliche Zuordnung derKunden zu den DZ vorgenommen, sodassdie variablen distanzabhangigen Kostenminimiert werden. Im nachsten Schritt

wird nun die Routenplanung mithilfe deroben genannten Algorithmen durch-gefuhrt. Dabei konnen die Fahrzeuge wieein gemeinsamer Fuhrpark auf die DZ ver-teilt werden; zugleich wird auch die Alter-native der Beauftragung externer Logistik-dienstleister berucksichtigt. Das Ergebnisdieser Kooperationsform zeigt Bild 4.

Aufgrund der Neuzuordnung der Handleran das nachstgelegene DZ hat sich die Tou-renplanung geandert, sodass DZ1 nun dreiTouren durchfuhrt. Das von DZ1 nicht ge-nutzte Fahrzeug wird an DZ3 abgegeben,das zwei Touren durchfuhrt. DZ2 brauchtebenfalls ein zusatzliches Fahrzeug, das ervom externen Dienstleister bezieht. In die-sem Szenario sind die Fahrzeugeinsatzkos-ten hoher als im dezentralen kooperativenSzenario, da insgesamt mehr Touren gefah-ren werden. Allerdings sind die tourenbe-zogenen Kosten um 557,38 Geldeinheitengeringer.

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Bild 4 Ergebnis des Szenarios „zentrale Kooperation“

Kooperationen in Supply-Chains 513

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Tabelle 2 fasst die Ergebnisse der drei Ko-operationsformen zusammen.

Die Ergebnisse der einzelnen Koopera-tionsformen gelten streng genommen nurfur die unterstellten Eingabewerte. Zurzeitarbeiten wir an einer Rechenstudie, in deranhand unterschiedlicher Parameterkon-stellationen verallgemeinernd gezeigt wer-den soll, wie sich die Gute der alternativenKooperationsformen im Verhaltnis zu-einander verandert.

4 Zusammenfassung

In diesem Artikel haben wir alternative An-satze zur Bewertung von Kooperationen inSupply-Chains vorgestellt. Dabei handelt essich um den Bullwhip-Effekt, der vor allembei unkoordiniertem Verhalten in der Sup-ply-Chain bei Nachfrageanderungen auf-tritt, sowie um unseren Prototypen SCOp-timizer zur Bestimmung des Mehrwertesvon Kooperationen in der Distributionspla-nung. Mithilfe dieser Ansatze lasst sich –auf Basis der jeweiligen Modellannahmen –ein Eindruck vom bestehenden Kooperati-onspotenzial gewinnen.

Damit konnen die Modellergebnisse aucheine Grundlage fur die Bewertung des Ein-satzes von IuK-Technologien bilden undso einen Beitrag zur okonomischen Fun-dierung der Wirtschaftsinformatik leisten[Koni94]. Geht man davon aus, dass etwadurch den Einsatz einer EDI- oder XML/EDI-Losung der �bergang vom Szenario„keine Kooperation“ zur „dezentralen Ko-operation“ realisiert werden kann, so lasstsich die Ergebnisdifferenz dieser beidenSzenarios als Obergrenze fur die Investi-tion in solche Softwarelosungen auffassen.Ebenso kann der Wert des Szenarios „zen-trale Kooperation“ als Obergrenze inter-pretiert werden, die Anwender bereit sind,fur den kooperativen Einsatz einer SCM-Software auszugeben.

Diesen �berlegungen liegt allerdings dieAnnahme zugrunde, dass die Software-

losungen eine solche Zusammenarbeit op-timal unterstutzen, was in der Praxis haufignoch nicht der Fall ist. Vielmehr beschranktsich die kooperative Unterstutzung durchSCM-Software in der Regel auf die Bunde-lung von Beschaffungsauftragen oder einegemeinsame Absatzprognose, die durch ei-ne Gewichtung der (uber das Internetbereitgestellten) Einzelprognosen erstelltwird. Durch eine solche Anwendung lassensich in einem ersten Schritt die Auswirkun-gen des Bullwhip-Effektes reduzieren. Wei-tere kooperative Planungsaktivitaten – wieetwa in den Bereichen Produktion oderDistribution – werden bislang jedoch nurrudimentar unterstutzt. Dabei gehen wirdavon aus, dass auch in diesen Bereichen –fur die Distributionsplanung kann dies si-mulativ mithilfe des SCOptimizer gezeigtwerden – ein hohes Kooperationspotenzialexistiert. Die sich hieraus ergebendenChancen stellen eine interessante zukunfti-ge Herausforderung sowohl fur Anwenderund Softwarehersteller als auch fur dieWirtschaftsinformatik dar.

Literatur

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WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 5, S. 509–514

Abstract

Economic evaluation of cooperation in supply chains

This paper examines economic approaches to evaluate cooperation in supply chains. There-by, we analyze the Bullwhip Effect in the context of procurement planning on the one handand present our prototype SCOptimizer for determining the added-value of cooperative dis-tribution planning on the other hand. The added value of cooperation can serve as a basisfor a profitability analysis of using information and communication technology on an inter-organizational level.

Keywords: Bullwhip Effect, distribution planning, cooperative planning, information sys-tems, supply chain management

Tabelle 2 Simulationsergebnis

Kooperationsart EingesetzteFahrzeuge

Fahrzeug-einsatzkosten

Tourenkosten Gesamtkosten

Zentrale Kooperation 7 176,60 1619,27 1795,87

Dezentrale Kooperation 6 168,60 2176,65 2345,25

Keine Kooperation 6 185 2176,65 2361,65

514 Peter Buxmann, Luis Martın Dıaz, Anette von Ahsen