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Kultur - Erbe - Ethik - »Heritage« im Wandel

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Page 1: Kultur - Erbe - Ethik - »Heritage« im Wandel
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Aus:

Reinhard Kren, Monika Leisch-Kiesl (Hg.)Kultur – Erbe – Ethik»Heritage« im Wandel gesellschaftlicher Orientierungen

Juni 2020, 486 S., kart.

49,00 € (DE), 978-3-8376-5338-0E-Book: PDF: 49,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5338-4

Der Umgang mit kulturellem Erbe ist eine weltweite Herausforderung, die durch län-derspezifische Traditionen und Kontexte sowohl regional als auch global besondere An-forderungen stellt. Wilfried Lipp ist als Denkmalpfleger und Intellektueller für diesen Komplex eine zentrale Person und aktiv an Diskursen und Entwicklungen im Feld be-teiligt. Internationale Expert*innen und Entscheidungsträger*innen sowie Persönlich-keiten aus Kultur, Medien und Politik widmen ihm Erörterungen und Analysen im Feld zwischen denkmalpflegerischen Aufgaben, kulturellen Identitäten und dynamischen Lebenswelten – und liefern damit einen umfassenden Einblick in die Heritage Studies.

Reinhard Kren, geb. 1973, Historiker und Philosoph, ist Mitarbeiter am Fachbereich Kunstwissenschaft der Fakultät für Philosophie und Kunstwissenschaft der Katholi-schen Universität Linz. Zudem arbeitet er als Buchhändler und Antiquar, als Lektor wissenschaftlicher Publikationen sowie als Rezensent.

Monika Leisch-Kiesl, geb. 1960, ist Universitätsprofessorin für Kunstwissenschaft und Ästhetik an der Fakultät für Philosophie und Kunstwissenschaft der Katholischen Uni-versität Linz. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind u.a. Kunsttheorie und Ästhetik, Text und Bild, Gegenwartskunst, Zeichnung, Gender Studies sowie Kunst in inter- und trans-kulturellen Kontexten.

Weitere Informationen und Bestellung unter:www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5338-0

© 2020 transcript Verlag, Bielefeld

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Inhaltsverzeichnis

9 9 GrußwortGrußwort Landeshauptmann Thomas Stelzer

11 11 Gelehrsamkeit mit EleganzGelehrsamkeit mit Eleganz Rektor Franz Gruber

15 15 EinleitungEinleitung Monika Leisch-Kiesl | Reinhard Kren

I. PreludeI. Prelude – Auftakt– Auftakt

23 23 What is (the) Matter? What is (the) Matter? On Former and Current Understanding of a Philosophical and On Former and Current Understanding of a Philosophical and Conservation ConceptConservation Concept

Marko Špikic

II. HeritageII. Heritage – Kulturelles Erbe– Kulturelles Erbe

37 37 On Paradigms, Theories, and HeritageOn Paradigms, Theories, and Heritage Willem Derde

49 49 Pandora’s Box of ReconstructionPandora’s Box of Reconstruction Natalia Dushkina

61 61 Historic Monuments … Historic Monuments … Drowned in the Ocean of Cultural Heritage?Drowned in the Ocean of Cultural Heritage?

Tamás Fejérdy

73 73 Reflections on the Meaning of HeritageReflections on the Meaning of Heritage Jukka Jokilehto

85 85 Several Common Issues Facing the Conservation WorldSeveral Common Issues Facing the Conservation World Giora Solar

91 91 A Plea for ‘Integrated Conservation’A Plea for ‘Integrated Conservation’ Giancarlo Barbato | Mounir Bouchenaki

101 101 Life Beyond Tourism Movement. Life Beyond Tourism Movement. Appeal ‘Building Peace through Heritage’Appeal ‘Building Peace through Heritage’

Paolo del Bianco

103 103 Reparaturbedarf. 12 RekapitulationenReparaturbedarf. 12 Rekapitulationen Thomas Will

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III. CountriesIII. Countries – Länder: Glocal – Global– Länder: Glocal – Global

115 115 Konservierung / Restaurierung von Architektur Konservierung / Restaurierung von Architektur in der Baudenkmalpflege Tschechiensin der Baudenkmalpflege Tschechiens

Josef Štulc

129 129 Vier Mal Grundsätze – eine Miszelle aus der SchweizVier Mal Grundsätze – eine Miszelle aus der Schweiz Nott Caviezel

143 143 Mass Housing as Cultural Heritage: Contrasts of Reception Mass Housing as Cultural Heritage: Contrasts of Reception and Valorisation in Eastern Asia, Europe and North Americaand Valorisation in Eastern Asia, Europe and North America

Miles Glendinning

155 155 Historic Urban Landscape in Twentieth Century World Heritage. Historic Urban Landscape in Twentieth Century World Heritage. Latin American University Cities: Mexico City and CaracasLatin American University Cities: Mexico City and Caracas

Louise Noelle

165 165 The Global ‘Image of Heritage’? The Bamiyan Buddhas Incident The Global ‘Image of Heritage’? The Bamiyan Buddhas Incident 2001 – Performative Iconoclasm in the Age of the Internet2001 – Performative Iconoclasm in the Age of the Internet

Michael Falser

179 179 Einige Gedanken zum WeltkulturerbeEinige Gedanken zum Weltkulturerbe Eva Nowotny

IV. DedicatedIV. Dedicated – Gewidmet– Gewidmet

183 183 Linz und die Welt. Für den Freund und Mitstreiter Linz und die Welt. Für den Freund und Mitstreiter Wilfried Lipp zum 75. GeburtstagWilfried Lipp zum 75. Geburtstag

Egon Johannes Greipl

209 209 Ein StatementEin Statement Erika Pieler

211 211 Habent sua fata … Wilfried Lipp zum 75. GeburtstagHabent sua fata … Wilfried Lipp zum 75. Geburtstag Uta Hassler

221 221 Von der Schwierigkeit des Vor-Denkens. Von der Schwierigkeit des Vor-Denkens. Wilfried Lipp zum 75. GeburtstagWilfried Lipp zum 75. Geburtstag

Ingrid Scheurmann

…… Former StudentsFormer Students – Ehemalige Studierende– Ehemalige Studierende

231 231 Ein StatementEin Statement Nicole Wegscheider

233 233 Ein StatementEin Statement Jürgen Wurzer

235 235 Ein StatementEin Statement Margit Öllinger

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7Inhaltsverzeichnis

237 237 Ein StatementEin Statement Jessica Jarosch

239 239 Ein StatementEin Statement Andrea Reichenberger

241 241 Ein StatementEin Statement Manfred Hebenstreit

243 243 Ein StatementEin Statement Rainer Zendron

…… FriendsFriends – Freunde– Freunde

247 247 Im Duett mit Wilfried LippIm Duett mit Wilfried Lipp Michael Petzet

253 253 Zur Erinnerung. Zur Erinnerung. Φίλιππος. Reflexionen einer Freundschaft. Reflexionen einer Freundschaft Hans Max-Theurer | Wilfried Lipp

…… ComposedComposed – Ausgedachtes– Ausgedachtes

261 261 „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Ein nicht geführtes Gespräch zwischen einem Kardinal, Ein nicht geführtes Gespräch zwischen einem Kardinal, einem Fürsten und einem Lipp-Schülereinem Fürsten und einem Lipp-Schüler

Georg Steinmetzer

V. Focus (Upper)AustriaV. Focus (Upper)Austria – Blickpunkt (Ober)Österreich– Blickpunkt (Ober)Österreich

281 281 Michael Hainisch – ein Bundespräsident als KulturpolitikerMichael Hainisch – ein Bundespräsident als Kulturpolitiker Wilfried Posch

295 295 Kunstvoll: Gartendenkmalpflege und Landschaftsarchitektur Kunstvoll: Gartendenkmalpflege und Landschaftsarchitektur in Österreichin Österreich

Ein Gespräch mit Maria Auböck, geführt von Eva Berger

309 309 Ein StatementEin Statement Martin Hochleitner

311 311 Neubau mit AuraNeubau mit Aura Thomas Zaunschirm

313 313 Über KulturlandschaftÜber Kulturlandschaft Ein Gespräch mit Helene Karmasin und

Tarek Leitner, moderiert von Imma Walderdorff

321 321 Kulturlandschaften im Spannungsfeld von Wirtschaft, Kulturlandschaften im Spannungsfeld von Wirtschaft, Politik und privaten InteressenPolitik und privaten Interessen

Ein Gespräch mit Christoph Leitl, geführt von Georg Spiegelfeld

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VI. Cultural PolicyVI. Cultural Policy – Kulturpolitik– Kulturpolitik

333 333 Ein Pyrrhussieg des bischöflichen „Bauwurmbs“. Kirche und Staat Ein Pyrrhussieg des bischöflichen „Bauwurmbs“. Kirche und Staat schleifen den denkmalgeschützten Innenraum der Berliner Sankt-schleifen den denkmalgeschützten Innenraum der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale. Ein Protokoll mit PostskriptHedwigs-Kathedrale. Ein Protokoll mit Postskript

Adrian von Buttlar

349 349 Palermo oder Überleben als ErinnernPalermo oder Überleben als Erinnern Gerhard Vinken

363 363 Wilfried Lipp und die Restaurierung. Wilfried Lipp und die Restaurierung. Dem Zeitgeist immer eine Nasenlänge vorausDem Zeitgeist immer eine Nasenlänge voraus

Ursula Schädler-Saub

VII. RealitiesVII. Realities – Mediales– Mediales

367 367 Data or Information or Knowledge or Wisdom? Data or Information or Knowledge or Wisdom? Heritage Conservation in an Age of ConfusionHeritage Conservation in an Age of Confusion

Dinu Bumbaru

379 379 Virtuelle Rekonstruktionen: Verhältnis/Durchdringung/Konkurrenz Virtuelle Rekonstruktionen: Verhältnis/Durchdringung/Konkurrenz von ‚First & Second World‘von ‚First & Second World‘

Ein Gespräch mit Achim Hubel, geführt von Johanna Blokker

389 389 Beethoven || nunc | et semper?Beethoven || nunc | et semper? Werner Telesko

399 399 „Nicht nur schöne Fassaden“ – das Denkmal als Imperativ„Nicht nur schöne Fassaden“ – das Denkmal als Imperativ Ein Gespräch mit Robert Dornhelm, geführt von Gabriele Flossmann

VIII. IdentityVIII. Identity – Mit allen Poren– Mit allen Poren

407 407 Identität, Schutz und Sinn – gegen die IdentitärenIdentität, Schutz und Sinn – gegen die Identitären Hans-Rudolf Meier

419 419 Ein StatementEin Statement Barbara Rett

IX. BiographyIX. Biography – Biografie– Biografie

425 425 Wilfried Lipp. Neun LebenskreiseWilfried Lipp. Neun Lebenskreise Reinhard Kren

435 435 Wilfried Lipp. SchriftenverzeichnisWilfried Lipp. Schriftenverzeichnis

AnhangAnhang

449 449 BeitragendeBeitragende

477 477 Dokumente / DocumentsDokumente / Documents

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Eine der höchsten Auszeichnungen, die man einer Persönlich-keit, die wissenschaftlich tätig war, überreichen kann, ist eine ihr zu Ehren gestaltete Festschrift. Sie ist der in Buchform gegosse-ne Ausdruck dafür, dass derjenige, dem die Schrift gewidmet ist, im wahrsten Sinn des Wortes etwas zu sagen hat.

18 Jahre lang, von 1992 bis 2010 war HR Univ. Prof. Dr. Wil-fried Lipp Landeskonservator von Oberösterreich. Er hat diesem Amt an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert Kontur verlie-hen. Streitbar, engagiert und konsequent. „Über die Kultur des Bewahrens“ heißt eines der Bücher, die er geschrieben hat. Der Titel ist perfekt gewählt, als Ausdruck seines Wirkens, das stets umfassender und weiter greifend war, als es die Bezeichnung Landeskonservator ausdrücken kann.

In all seinen Funktionen und Tätigkeiten hat sich Wilfried Lipp – national und international – dafür eingesetzt, ein Bewusst-sein für Werte zu schaffen. Dass dazu auch ein Bewusstsein für unser kulturelles Fundament zählt, ist selbstverständlich.

Jede Generation baut auf dem auf – materiell wie immate-riell –, was vorhergehende Generationen geschaffen haben. Die zentrale Frage lautet: Wie damit umgehen? Gedächtnis braucht Zeichen der Erinnerung. Eine Kultur, die ihr Gedächtnis in Frage stellt, läuft Gefahr, ihre Wurzeln zu verlieren. Daher ist es für uns als Gesellschaft wichtig, immer wieder neu zu reflektieren, was von Wert ist, erhalten zu werden und welche Zeitdokumente es zu bewahren gilt.

Wilfried Lipp ist einer, der sich nie gescheut hat, diese Fragen nicht nur zu diskutieren, sondern sie auch fundiert, klar und prä-

Grußwort

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zise zu beantworten. Sein umfangreiches Wissen und sein gro-ßer Erfahrungsschatz waren die Basis dafür. Er ist vielfach ver-netzt, durch seine langjährige Tätigkeit für ICOMOS auch in den internationalen Diskurs eingebunden.

Die vorliegende Festschrift spiegelt ein umfassendes Wir-ken, das weit über die Tätigkeit als Landeskonservator hinaus-ging. Ich danke allen, die diese Festschrift initiiert und verwirk-licht haben – vor allem Frau Univ. Prof. DDr. Monika Leisch-Kiesl für ihr Engagement.

HR Univ. Prof. Dr. Wilfried Lipp wünsche ich anlässlich seines 75. Geburtstages „ad multos annos“!

Mag. Thomas Stelzer Landeshauptmann

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Gelehrsamkeit mit Eleganz

Die ästhetische Kategorie des Schönen, wenngleich ihrer domi-nanten Stellung zurecht entmachtet, übernimmt meines Erach-tens dennoch eine bleibende heuristische Funktion. Sogar an ungewohnten Orten: Etwa der Wissenschaft und ihrer Suche nach „schönen Theorien“. Bekanntlich staunte Albert Einstein über die Schönheit des Universums und meinte dabei nicht ei-nen sinnlichen Eindruck, sondern eine in ihrer physikalisch-ma-thematischen Tiefendimension liegende Empfindung des Erha-benen. Oder im Raum des Personalen: Auch hier wäre Schönheit viel zu oberflächlich erfasst, meinte man damit eine bloß äuße-re sinnliche Dimension wohlgeformter Proportionen. Denn das Personale liegt auf der Innenseite der menschlichen Gestalt.

Was beides – außen und innen – verbindet, ist eine Kategorie, die im Besonderen auf den Jubilar dieser Festschrift zugeschnit-ten ist: Eleganz. Das assoziiere ich zuerst mit Honorarprofessor Dr. Wilfried Lipp. Eleganz ist die hohe Kunst eines ästhetischen Geschmacksinns, der sich im treffsicheren Urteil über Kunst- und Kulturobjekte genauso legt wie über die besondere Fähig-keit einer Gelehrsamkeit, die sich kenntnisreich und ausdrucks-stark durch ein Werk hindurchzieht. Gelehrsamkeit, Eleganz und Konsequenz sind Kategorien, die sich sowohl in der Praxis der Denkmalpflege und der Bewahrung des kulturellen Erbes als auch in der Forschung, in einer umfangreichen Publikationstä-tigkeit und in der Lehre – letzteres an der Universität Salzburg, an der Kunstuniversität Linz und eben, an der Katholischen Privat-Universität Linz – wie ein roter Faden durch das Wirken von Universitätsprofessor Dr. Wilfred Lipp ziehen.

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An unserem Haus war Professor Lipps Lehrtätigkeit mehr als bloß Lehre, sie war fakultätsbegründend. Seine Honorarpro-fessur ist eine der fünf Professuren, die aufgrund der vatikani-schen Vorgaben nötig waren, um ein Institut für Kunstwissen-schaft und Philosophie ad instar facultatis einrichten zu können, das mit dem Recht, Gradierungen durchzuführen, ausgestattet ist. Dadurch war Dr. phil. habil. Wilfried Lipp in die Gründungs-geschichte der nunmehrigen Fakultät für Philosophie und für Kunstwissenschaft konstitutiv involviert.

2005 –2015 nahm Lipp über die Honorarprofessur für Kunst-wissenschaft auch die Funktion des Pro-Praeses wahr, womit er in die öffentliche Vertretung der Einrichtung, aber auch ihrer administrativen und studienrechtlichen Belange an vorderster Stelle eingebunden war. Von 2005 –2018 wirkte Lipp als Wissen-schaftler, der das klassische Lehrrepertoire zu bestreiten hatte: Vorlesungen, Seminare und Exkursionen aus dem Bereich der Architektur und Denkmalpflege, aber auch prinzipieller Fragen zur Kultur- und Geistesgeschichte der Moderne. In dieser Rolle war er für unsere Studierenden zudem Betreuer zahlreicher Ba-chelor- und einer Reihe von Masterarbeiten.

Ich möchte Professor Lipp deshalb meinen großen Dank für seinen langjährigen Dienst an unserer Universität aussprechen. Er hat wesentlich mit dazu beigetragen, dass das Institut rasch an nationaler und internationaler Reputation gewonnen hat und dem Lehr- und Forschungsbetrieb sein charakteristisches Profil verliehen wurde. Gerade auch seine kultur- und geistes-wissenschaftliche Expertise bedeutet ein eminent wichtiges Bil-dungsgut, das er in das Gesamt unserer kleinen, aber qualitativ exzellenten Universität einbrachte. Dieses Profil zeichnet sich im Besonderen dadurch aus, dass unter einem Dach drei klassi-sche Wissenschaften versammelt sind, die zum ältesten kultu-rellen Erbe der Menschheit gehören: Theologie, Philosophie und eben Kunstwissenschaft. Diese drei „Reflexionswissenschaften“ schaffen eine ganz eigene Form des Wissens: die unverzichtba-ren hermeneutischen und kritischen Prozesse, die Erscheinun-gen des Geistes – um mit Hegel zu sprechen – immer wieder neu zu verstehen, anzueignen, aus ihren historischen, sozialen oder auch in Kunstwerken materialisierten Formen zu verflüssigen, damit sie je neu wieder angeeignet werden können.

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13Gelehrsamkeit mit Eleganz | Franz Gruber

Das Magistrale an Professor Lipps Tätigkeit war, sich im Schnittfeld dieser drei Wissenschaften höchst kompetent und mit Eleganz und Gelehrsamkeit bewegen zu können. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass sich an seiner Person auch die Geister schieden. Es gab diejenigen, die sein professorales Auftreten als unzeitgemäß ablehnten. Es gab jedoch auch eine beachtliche, weitgehend konstant bleibende Gruppe von Hörerinnen und Hörern quer durch die Generationen in allen Studienrichtungen und Studienabschnitten, die sein enormes Wissen schätzten, das er in der großen Geste und gespickt mit ungewöhnlichen Details zu vermitteln wusste.

Lipp war beliebt wegen seiner mitunter recht ungewöhnli-chen Lehrveranstaltungsformen, die häufig außerhalb der Hör-säle quer durch Österreich stattfanden. Aufgrund seiner Kom-petenzen und Kontakte im Bereich der Denkmalpflege erhiel-ten Studierende Zugang zu Orten, die sonst der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Er vermittelte Einsicht in Problemstellungen und Lösungsansätze im Umgang mit dem kulturellen Erbe, die sich Außenstehenden oft nur schwer erschließen. Galt er auch vielen als unnahbar, so war sein Einsatz für jene Studierenden, die er für sein Fach zu begeistern wusste, gewissermaßen gren-zenlos und beschritt er darin auch ungewöhnliche Wege. Ein „Lehrer der alten Schule“, wenn man so sagen möchte, der in gezielten Unternehmungen gegen die im Zuge der Bologna- Reform überhand nehmende Verschulung und Bürokratisie-rung antrat. Begeistert erzählten die Studierenden von langen Kaminabenden – als Ausklang einer Tagesexkursion – an denen Lipp versuchte, eine nächste und übernächste Generation in das Gelehrtengespräch einzuüben. Ebenso suchte er außergewöhn-liche Prüfungsformen, wenn er etwa zusammen mit einer Semi-nargruppe in Eigenregie ein Buch herausgab1 oder die kunstwis-senschaftliche Erarbeitung von ausgewählten Zeugnissen der Kunst- und Architekturgeschichte in Dokumentarfilmen umset-zen ließ.

Die nachdrückliche Auseinandersetzung mit konkreten Wer-ken der bildenden Kunst und der Architektur zum einen, ein

1 Vgl. Lipp, Wilfried (Hg.), Fokus Moderne im Kontext von Kunst und Philosophie (druck-frisch 1), Linz/Freistadt 2017.

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dicht gespanntes Netz mit internationalen Kontakten zum an-deren verbanden sich in der Konzeption zweier Ringvorlesun-gen, durch die eine breitere universitäre und außeruniversitäre Öffentlichkeit Einblick in Lipps kunstwissenschaftlichen Zugang erhielt: „Werk-Interpretationen I. Kunst im Wandel der Anschau-ungen“ im Wintersemester 2009/10 und „Werk-Interpretatio-nen II. Architektur im Wandel der Anschauungen“ im Winter-semester 2011/12.

Als Rektor der Katholischen Privat-Universität Linz danke ich deshalb Honorarprofessor Wilfried Lipp im Namen aller für sei-ne Leistungen und seinen Einsatz. Aus unserem wissenschaftli-chen Committment heraus ist es selbstredend zu sagen, dass wir das geistige Erbe, das er bei uns hinterlässt, weiterpflegen werden. Ihm persönlich aber wünsche ich alles Gute und allen Segen zu seinem 75. Geburtstag. Mögen ihm noch viele gesun-de Jahre geschenkt sein und seine Expertisen und Einwürfe den öffentlichen Diskurs beleben.

Univ.-Prof. Dr. Franz GruberRektor der Katholischen Privat-Universität Linz

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EinleitungEine Festschrift für Wilfried Lipp zum 75. Geburtstag

Monika Leisch-Kiesl und Reinhard Kren

Wie konzipiert man eine Festschrift für Wilfried Lipp? Man kennt ihn als langjährigen Landeskonservator für Oberösterreich. Man kennt ihn als Präsident von ICOMOS Österreich, zudem als Pro-tagonist in Kontexten von ICOMOS International. Man kennt ihn aber auch als Hochschullehrer: in Linz (an zwei sehr unterschied-lichen Universitäten) und in Salzburg – und punktuell dort und da. Man weiß um seine zahlreichen Publikationen: Monografien, Herausgeberschaften und vielfältige Artikel und Aufsätze aus den einschlägigen Fächern Denkmalpflege, Kunst- und Architek-turgeschichte, aber stets auch ausgreifend auf das Gebiet der Kultur- und Geisteswissenschaften. Und manche kennen ihn auch als Privatmann, mit für Außenstehende überraschenden Hobbys und Passionen. Ob seine Leidenschaft als Wissenschaftler und Forscher mehr der Praxis, dem unermüdlichen Kampf um einen adäquaten und zeitgemäßen Umgang mit dem kulturellen Erbe in all seinen Facetten gilt, oder mehr der Theorie, dem Durch-dringen dieser Fragen aus philosophischer Perspektive und mit kulturhistorischem Zugriff – das kann, zumal in einer ausschlie-ßenden Form, vermutlich auch er selbst nicht beantworten.

Wie also konzipiert man eine Festschrift für Wilfried Lipp? Am besten, man fragt ihn einmal selbst. Aus in mehreren Treffen gesammelten Ideen und Stichworten resultierten zunächst als möglicher Titel KULTUR – ERBE – ETHIK im Wandel gesellschaft-licher Orientierungen und schließlich eine Konzeption, wie sie als Call im September 2018 an einen Kreis ausgewählter Persön-lichkeiten quer durch Europa – und darüber hinaus – ausgesandt wurde. Dort hieß es unter anderem:

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Der ethisch verortete Grundtenor „Verantwortung“ und Fra-gen nach „Wert“ bzw. „Wertigkeit“ durchziehen Lipps Arbeiten. Prägend war für ihn Hans Jonas’ Studie Das Prinzip Verant-wortung1, dessen Hauptthesen sich wie folgt skizzieren lassen:Entsprechend der zunehmenden Handlungsreichweite der Menschen ist eine Erweiterung von der „Nächstenliebe“ zur „Fernstenliebe“ erforderlich, d. h. Verantwortung sowohl ge-genüber vergangenen und künftigen Generationen als auch gegenüber vertrauten und fremden Kulturen.

– Von daher müssen Handlungen im Blick auf das (wahrgenom-mene, vermutete, prognostizierte) Ganze, d. h. auch unter Ein-klammerung von Partikularinteressen, projektiert und gesetzt werden.– Im Zweifelsfall gilt der Vorrang der Unheilsprognose vor den Versprechungen der Heilsprognosen.– Dies betrifft im Besonderen die Verantwortung für das Ver-letzliche und Bedrohte, das der sorgenden und schützenden Anteilnahme bedarf.

In Kulturerbe-Debatten und der Denkmalpflege sind derartige Bezüge des „Imperativs Verantwortung“ unter den Begriffen „Pietät“ (Alois Riegl, Max Dvorák, Georg Dehio)2 und „Denkmal-moral“3 geläufig. In jüngster Zeit scheint sich unter dem Motto „Tolerance for Change“4 die von Jonas geforderte Besorgnis um das Schwächere und Bedrohte5 zusehends in eine Affirmation des Stärkeren und die Nachsicht gegenüber der Macht des Fak-tischen zu wandeln.

1 Jonas, Hans, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt a. Main 1979.

2 Vgl. Lipp, Wilfried, Adalbert Stifter und John Ruskin. Ding – Denkmal – Mensch, in: ders., Kultur des Bewahrens. Schrägansichten zur Denkmalpflege, Wien/Köln/Weimar 2008, 109 –126, hier 124.

3 Vgl. ebd. sowie Euler-Rolle, Bernd, Von der historischen Pietät zur sozialen Bewegung? – Die Bildungsgrundlagen der „modernen Denkmalpflege“, in: Bildung und Denkmalpflege. 78. Tag für Denkmalpflege, Brandenburg an der Havel, Mai 2010 (Forschungen und Beiträ-ge zur Denkmalpflege im Land Brandenburg 12), Worms 2010, 49 – 55; Meier, Hans-Rudolf, Wertedebatten und Wertelehren in der spätmodernen Denkmalpflege: Hierarchien ver-sus Pluralität, in: Meier, Hans-Rudolf / Scheurmann, Ingrid / Sonne, Wolfgang (Hg.), Werte. Begründungen der Denkmalpflege in Geschichte und Gegenwart (Jovis Diskurs), Berlin 2013, 62 – 71.

4 Vgl. Araoz, Gustavo, Preserving Heritage Places under a New Paradigm, in: Journal of Cul-tural Heritage Management and Sustainable Development 1 (2001), Issue 1, 55 – 60.

5 So schon Dvorák: „Und das Geringe bedarf da oft mehr des Schutzes als das Bedeutende.“ Dvorák, Max, Katechismus der Denkmalpflege, Wien 21918, 24 (im Original gesperrt).

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17Einleitung | Monika Leisch-Kiesl und Reinhard Kren

Um die zu erwartende Fülle der Beiträge vorzustrukturieren und auch dem Nachdenken mögliche Stoßrichtungen anzuzei-gen, hatten wir zudem zwölf Problemfelder stichwortartig um-rissen:

Was bedeutet Kulturerbe?Kulturbegriff allgemein, Denkmalbegriff, Aspekte des Bewahrens

Erweiterung – Zentrum – PeripherieZentralität versus Zentrifugalität, Spannung von individuellen und kollektiven Interessen

Fallbeispiele: Cultural Landscape / Historic Urban Landscape (HUL)„Schutz ist Antwort auf Gefährdung“, Aspekte der Ökologie, Konflikte zwischen Musealisierung und Modernisierung, „Smart City“-Konzepte

Denkmalmoral – Kulturerbe – EthikDer Mensch und seine Leistungen in der Geschichte – Erinnern, Bewahren, Demut, Achtung, Pietät, Sorge, Kultus, Mahnung, Mahnmal

Identität – Heimat / Kulturtransfer – GrenzenDas Fremde und das Eigene, das Verdrängte und das Angeeignete

Stichwort ‚Authentizität’Integrität, Originalität, Substanz – Renovierung, Reparatur, Re-staurierung – Differenzierung, Fragment, Torso – Musealisie-rung, Veränderung, Wandel

Rekonstruktion – InszenierungMotivationen und Arten der Rekonstruktion – werkgetreue Nachbildung, Kulisse, Attrappe, Fantasy, Fake

Ästhetik – Schauwert – SubstanzwertÄsthetik allgemein, Denkmalpflege-Ästhetik, Restaurier-Ästhe-tik – gewachsener Zustand, Harmonie, Ganzheit, Fragment, KontrastDas Immaterielle und GeistigeSpirit, Sinn, Bedeutung – Relativierung der materiellen Sub-stanz des Kulturguts? – Konflikte des Empor- und Abwertens

ÖkonomieProblematik der Konvertierbarkeit von kulturellem Kapital in ökonomisches Kapital – Konflikt zwischen ideellen und mate-riellen Werten – Paradigma Tourismus

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DigitalisierungZu technischen Metaebenen des kulturellen Erbes – digitale Er-satzwelten, Virtual Reality – digitales Gedächtnis – Vervielfälti-gung, Reproduktion, Entwicklung, Fiktion, Schein

Recht – Gesellschaft – PolitikÖffentliches Interesse/common sense-Problematik – Was heißt „rechtlich verankert“ und/oder „gesellschaftlich legitimiert“? – Kluft zwischen den fachlichen Leitlinien und rechtlichem und institutionellem Rahmen

In dieser strikten Gliederung ließ sich das Konzept selbstver-ständlich nicht durchhalten. Zu stark durchdringen die ange-sprochenen Fragestellungen die unterschiedlichen Themenfel-der. Auch haben die Autoren und Autorinnen, denen wir an die-ser Stelle für ihr persönliches und fachliches Engagement aus-drücklich danken möchten, die an sie gerichtete Einladung un-terschiedlich aufgefasst:

Die einen ließen sich stärker vom intellektuellen Anspruch Wilfried Lipps herausfordern und bemühten sich um Begriffs-klärungen und eine Einbettung aktueller Debatten in zum Teil bis in die Antike zurückreichende Denktraditionen sowie in un-terschiedliche kulturelle Kontexte.

Andere legten das Augenmerk auf institutionelle Rahmen-bedingungen des Umgangs mit dem kulturellen Erbe sowie auf konkrete Beispiele und Handlungsfelder. Aufgrund der Tatsa-che, dass es gelungen ist, Persönlichkeiten mit im wahrsten Sin-ne des Wortes weltweitem Wirkungsradius zu gewinnen,6 ent-stand so ein sehr vielfältiges und heterogenes Bild gegenwärti-ger Herausforderungen. Und wieder andere schließlich stellten die Persönlichkeit Wilfried Lipps ins Zentrum ihrer Ausführun-gen zu Fragen um kulturelle Werte und gesellschaftliche Ver-antwortung.

Unterschiedlich sind auch die Textgattungen. Um dies zu er-reichen, haben wir auch selbst ein wenig ins Offene gelenkt und neben dem klassischen Format des Fachartikels auch Interviews

6 Beiträge erreichten uns u. a. aus Belgien, Großbritannien, Israel, Italien, Kanada, Kroatien, Mexico, Russland, Tschechien und Ungarn – und selbstverständlich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Diese breite geographische Streuung enthält eine zusätzli-che Dimension: Viele der Autoren und Autorinnen agieren derart international, dass eine wie auch immer vorgenommene Verortung nur sehr bedingt aussagekräftig ist.

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19Einleitung | Monika Leisch-Kiesl und Reinhard Kren

sowie Statements erbeten – und damit den Dingen fürs Erste ih-ren Lauf gelassen. Ziel war es, einen Teil der aufgeführten The-menfelder in Form von Gesprächen aufzubereiten. Dabei lag es an den Interviewer/innen, ihre Gesprächspartner/innen auszu-wählen; mitunter haben sich die Rollen dann auch etwas ver-mischt. Die Verfasser der Statements, einerseits Fachkolleg/in-nen, andererseits ehemalige Studierende, wurden von uns mit einem kurzen Fragenkatalog (frei nach Marcel Proust) zur Per-sönlichkeit, zum Forschungsprofil und zu den Wirkungsfeldern Wilfried Lipps ausgestattet – die Ergebnisse sind recht unter-schiedlich ausgefallen.

Unsere Aufgabe sahen wir – neben der redaktionellen Auf-bereitung der Beiträge – schließlich darin, das gewaltige Kon-volut in eine Form zu bringen, die eine doppelte Aufgabe erfüllt: Zunächst eine Festschrift zu sein, und damit Wilfried Lipp ein Denkmal (in allen Facetten dieses schillernden Begriffs) zu set-zen. Sodann aber auch eine Leserschaft zu erreichen, die – un-abhängig davon, ob sie sich zum näheren oder weiteren Umfeld dieser Generation von Denkmalpfleger/innen zählt – ein Inter-esse an den letztlich globalen Herausforderungen von Kultur – Erbe – Ethik hat und sich möglicherweise auch nur einzelne Bei-träge gezielt herausfischt. Der Leser / die Leserin sieht sich vor einer abwechslungsreichen Abfolge an Fragestellungen und Zu-gängen, die in lockerer Form gruppiert zu Lektüren und eigenen Erkundungen einladen.

An dieser Stelle gilt es auch, einer Reihe von Personen und In-stitutionen zu danken: Zunächst für die Arbeit im Team, und hier besonders Barbara Forster, die mit viel Elan und großer Ge-nauigkeit das Lektorat sowohl der deutschsprachigen als auch der auf Englisch verfassten Beiträge übernommen hat. Sodann BK Layout+Textsatz, insbesondere Bernhard Kagerer für seine sichere und vielfach bewährte Hand bei der Gestaltung, sowie der Druckerei Plöchl Druck GmbH, die das Projekt schlussendlich „zu Papier“ gebracht hat.

Schließlich gilt unser Dank den Fördergebern, namentlich dem Bischöflichen Fonds zur Förderung der Katholischen Privat-Universität Linz, dem Land Oberösterreich, der Energie AG Ober-österreich und der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich.

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Als Herausgeber hoffen wir, dass es mit diesem Band gelun-gen ist, aktuelle und perspektivenreiche Einblicke zu geben in Felder, Problemlagen und die weltweit gesehen vielfältigen Her-ausforderungen des kulturellen Erbes.