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kultur magazin Nr. 5 · 2013. 11. 10. · Probleme des syrischen Widerstandes (10.6.2012) 20 Egypt: Revolution and Conterrevolution (14.12.2012) 21 Economic growth rate and wealth

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Table of Contentskultur magazin nr. 3 ......................................2Die Beiträge im Einzelnen ...........................2Der arabische Frühling vor dem Ende (22.8.2013)....................................................4

Ein Lufthauch von Freiheit..................4Dilemma der demokratischen Revolution............................................5Die Restauration und die "Heilige Allianz" von 2013................................6

Das Drama der syrischen Revolution (21.8.2013)....................................................7

Die Eskalation der Gewalt...................7Krieg gegen Kinder..............................7Die Intervention der fremden Mächte ................................................................8... ist eines der Schwächen des Syrischen Aufstandes...........................8Der schmale Grad der syrischen Revolution............................................9

Das Blutbad der Putschisten (17.8.2013)....11Tahrir 3.0 (3.7.2013)...................................12

Nachwort (12.7.2013)........................12Zwischen Mubarak und Mursi (21.8.2013).13

Eine Art von Doppelmacht................13Der "oberste Rat der Streitkräfte"......13Das Verfassungsreferendum vom März 2011...................................................14Die Intervention der Militärs am 15. Juni 2012............................................14Der Blutzoll vor den Wahlen im Winter

2011/2013..........................................15Von den Parlaments- zu den Präsidentschaftswahlen 2012.............15Die Präsidentschaftswahlen vom Mai/Juni 2012....................................16Was ist die größere Gefahr? ..............17

Mohammed Mursis Präsidentschaft (21.8.2013)..................................................18

Zwei Elemente Mursi´s Präsidentschaft...........................................................18Hier eine Zusammenfassung der Ereignisse: .........................................18

Probleme des syrischen Widerstandes (10.6.2012)..................................................20Egypt: Revolution and Conterrevolution (14.12.2012)................................................21Economic growth rate and wealth per capita / employed (7.3.2012)...................................2230 kurze Thesen zum „arabischen Frühling“ (7.3.2012)....................................................23Generalstreik in Syrien (2.3.2012)..............28Cairo: Militär-Kampfgas gegen Demonstranten? (26.11.2011).....................29Das befreite Libyen und die neue Interventionsgefahr (25.8.2011)..................30Libyen: Die Stunde Null? (24.8.2011)........32

Wie die demokratische Revolution vollenden? .........................................32Libyen: Underdog des europäischen Kapitalismus......................................33Die soziale Frage...............................34Neue Rollen, alte Rollen....................34Abbildungen......................................35

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Die Beiträge im Einzelnen

Der arabische Frühling vor dem Ende (22.8.2013) 4

Das Drama der syrischen Revolution (21.8.2013) 7

Das Blutbad der Putschisten (17.8.2013) 11

Tahrir 3.0 (3.7.2013) 12

Zwischen Mubarak und Mursi (21.8.2013) 13

Mohammed Mursis Präsidentschaft (21.8.2013) 18

Probleme des syrischen Widerstandes (10.6.2012) 20

Egypt: Revolution and Conterrevolution (14.12.2012) 21

Economic growth rate and wealth per capita / employed (7.3.2012) 22

30 kurze Thesen zum „arabischen Frühling“ (7.3.2012) 23

Generalstreik in Syrien (2.3.2012) 28

Cairo: Militär-Kampfgas gegen Demonstranten? (26.11.2011) 29

Das befreite Libyen und die neue Interventionsgefahr (25.8.2011) 30

Libyen: Die Stunde Null? (24.8.2011) 32

Impressum, Offenlegung und Bildquellennachw eis auf Seite 29. Reaktionen, Leserbriefe, Gastbeiträge w erden gerne entgegengenommen und nach Maßgabe des vorhandenen Platzes aufgenommen. Zusendungen bitte an: [email protected]. Werfen Sie darüber hinaus einen Blic k auf http://kulturkritik.blogw orld.at. Auch w enn nic ht jew eils extra ausgeschrieben, sind alle Personenbegriffe geschlechtsneutral gemeint.

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Der arabische Frühling vor dem Ende (22.8.2013)

In den Jahren seit der Vertreibung von Tunesiens Präsi­denten Ben Ali inspirierte der Siegeszug der demokrati­schen Revolution die halbe Welt. Ende 2010 begannen die Massenproteste in Tunesien, am 14. Jänner 2011 floh das Staatsoberhaupt. Bereits 11 Tage später war der "Tag des Zorns" in Ägypten und am 11. Februar 2011 trat Hosni Mubarak zurück. Nur 6 tage später begannen die Demons­trationen in bengasi, Libyen. In Libyen war der Kampf ge­gen das alte Regime bereits zäher und die demokratische Revolution durch die militärische Intervention des Westens getrübt, die Oppositions-Führung kappte sich von der Ba­sisbewegung und installierte bürgerlich-liberale Honoratio­nen, um das Misstrauen des Westen zu entkräften. Es dau­erte an die acht Monate, bis das Regime Gaddafis am Ende war. In der ersten Jahreshälfte 2011 bildete sich der Auf­stand in Syrien. Aber der arabische Frühling lief sich in ei­nem Bürgerkrieg, der bis heute andauert, tot.

Möchten wir darin eine Gesetzmäßigkeit erkennen, so wurde der Kampf der Massen für demokratische Rechte bei jedem Anlauf schwieriger und kräfteraubender und das Er­reichte immer schwerer abzusichern. Schließlich trat mit der Gegenrevolution des Militärs in Ägypten am 3. Juli 2013 der Verlauf des arabischen Frühlings in seine Umkehrung.

Seit der Attacke des Militärs, Polizei und Geheimdienste auf den demokratischen Protest der Muslimbrüder samt An­hänger sind an die 1.500 ermordet worden, das Militär setzt wieder freihändig Verwaltungsbeamte ein und zuletzt, als bedürfte es dieses Symbols, wurde Hosni Mubarak aus der Haft entlassen. Die liberale Bewegung, die noch vor kurz­em völlig zu recht auf dem Tahrir gegen die Mursi-Regie­rung protestierte und den Militärputsch als Unterstützung der demokratischen Revolution missverstand, hat sich da­mit in die Bedeutungslosigkeit manövriert.

"Ahmed Maher, Vorsitzender der Jugendbewegung 6. April, erklärte gegenüber der „New York Times", er erwar­te keine größeren Proteste: „Jeder, der es momentan wagt, Kritik an Regierung, Präsident oder Militär zu üben, wird sofort des Hochverrats beschuldigt und als heimlicher Muslimbruder verdächtigt."1 Das Zitat spricht eine klare

1 http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1444157/

Sprache. Tahriri & Co befinden sich im selbstverschuldeten Abseits.

Es wird einige Zeit dauern, bis die Bewegung merken wird, dass sie dem neuen alten Regime aufgesessen ist. Bis dahin wird das Ägypten der Generäle seine Stellung zemen­tiert haben.

Die Konterrevolution in Ägypten wird ihr Echo in der gesamten Region finden und die demokratischen Bewegun­gen in anderen Ländern die Courage nehmen, verwirren und desillusionieren. Es ist das Ende des arabischen Früh­lings.

Ein Lufthauch von Freiheit

Trotz des im Westen bei bürgerlichen Intellektuellen ver­breiteten Skeptizismus hatte der arabische Frühling eine im­mense Ausstrahlung. Nicht nur in der Region (vgl. Abbil­dung 1)2 sondern bis nach Russland, China und Spanien.

Mubarak-per-Helikopter-aus-der-Haft-entlassen?from=suche.intern.portal

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Die Inspiration, ja die Inspiration ... die erinnert an die berühmte Worte eines anderen Revolutionärs vor einiger Zeit:

"Wir haben ein Ende gemacht mit der Tyrannei der Pri­vilegien. Wir haben ein Ende gemacht mit den uralten Übeln, jenen Herrschaftsrechten und Gewalten, auf die kein Mensch ein Anrecht hatte. Wir haben ein Ende ge­macht mit dem Alleinanspruch von Reichtum und Geburt auf alle Entscheidungen unseres Staates (...) Wir haben er­klärt, dass der einfachste Mann gleich ist mit dem Größten im Land. Wir haben uns die Freiheit genommen, und gaben sie unseren Sklaven. Wir überlassen es der Welt, aufzubau­en auf der Hoffnung, die wir geboren haben. Das zählt mehr als ein Sieg in einer Schlacht, mehr als alle Schwerter und Kanonen all dieser glänzenden Kavallerien Europas. Es ist eine Inspiration für die Visionen aller Menschen überall; ein Lufthauch von Freiheit, der sich nicht mehr verleugnen lässt.“3

Der Westen gab der Revolution in Tunesien den ver­harmlosenden Begriff "Die Jasmin-Revolution". Die Men­schen vor Ort hat einen weit zutreffenderen Begriff als "Re­volution der Würde". Abseits aller Mühen, Kompromisse, Unzulänglichkeiten und Hindernissen wurde diese Bewe­gung getragen von der plötzlichen Erkenntnis, lieber zu sterben als weiterhin gebückt und gebrochen zu vegetieren: "They may take our lives, but they will never take our free­dom!".4

Ein zeitgenössiche Beobachter der französischen Revo­lution von 1789 hat einmal den langfristige Pfad zur Demo­kratie als Umwälzung und sozialen Egalisierung der alten Gesellschaft beschrieben: "Die Gesellschaft kannte damals wohl Ungleichheit und Elend, aber keine entwürdigten Menschen. Nicht Machtunterworfenheit oder gewohnter Gehorsam entehrt den Menschen; vielmehr die Ausübung einer für ungerecht gehaltenen Macht und Gehorsam ge­genüber einer Gewalt, die man für angemaßt (...) hält".5 Ir­3 http://de.wikipedia.org/wiki/Georges_Danton4 http://video.search.yahoo.com/video/play;_ylt=A2KLqIH

sQRZS0XwAZnz7w8QF;_ylu=X3oDMTEwNXVkczI3BHNlYwNzcgRzbGsDdmlkBHZ0aWQDVjE0NgRncG9zAzI4?p=tahrir+2011&vid=78d913acca5972c8042a1bde07600f8f&l=7%3A52&turl=http%3A%2F%2Fts2.mm.bing.net%2Fth%3Fid%3DV.5059421036415905%26pid%3D15.1&rurl=http%3A%2F%2Fvimeo.com%2F19559138&tit=Tahrir+Square%2C+Cairo%2C+Feb+1+2011&c=27&sigr=10p8anmih&pstcat=politics&age=0&fr=sfp-vid&tt=b

5 Alexis de Tocqueville, De la démocratie en Amérique, Paris 1835; deutsch: Demokratie in Amerika, Wien 1950, Seite 20. .

gendwie kommt das dem verbreiteten Gefühl der Menschen in der Region nahe, dass ihr Staat zwar auch in der Vergan­genheit nie wirklich gut war, aber entweder der Bogen an Unterdrückung wurde überspannt, oder das Gefühl dafür, was noch legitim sei, hat sich gewandelt.

Dilemma der demokratischen Revolution

Um was für Revolutionen handelte es sich überhaupt in Nordafrika und Westasien? Von der Stoßrichtung und des Inhalts eine demokratische Revolution. Das klingt in den Ohren derer, die seit Jahrzehnten nicht mehr in einer Auto­kratie leben, gering. Für die, die jahrzehntelang in einer Autokratie lebten, ist es schlicht das einzig erstrebenswerte Leben. Die demokratische Revolution ist zugleich viel und wenig, kühn und ungenügend.

Weshalb? Zum einen ist sie mehr als die alte bürger­lich-parlamentarische Demokratie im Westen. Die gewalti­ge Ausstrahlung des Tahrir 2011 bestand ja nicht nur darin, dass es sich um eine unbeugsame Massendemonstration handelte, um eine Kampfform. nein, der Tahrir war gleich­zeitig eine neue Art der Zusammenkunft, der Verständi­gung, der Lebenserfahrung. Plötzlich konnte jede und jeder frei reden, sich einbringen. Jede wurde gebraucht, die ge­sellschaftlichen Rollen von Frauen und Männern nivelliert, Freiwilligkeit und Aufopferung kein Gegensatz. Es war eine Art tägliche und unmittelbare Demokratie auf der Straße. Da war schon etwas mehr dabei, als die behäbige und abge­hobene parlamentarische Demokratie.

Andererseits war es auch weniger und ungenügend. und das hängt mir der ökonomischen Rolle der betroffenen Län­der im Weltsystem zusammen, als Werkbank des Westens, Rohstofflieferant oder einfach nur gezeichnet durch Kapit­alarmut und Abhängigkeit vom westlichen Kapital. Der alte Kalauer "Demokratie ist das Privileg reicher Länder" ist nicht ganz falsch. Sehr verallgemeinert lässt sich sagen: De­mokratische Fortschritte sind nicht von Dauer, sie fallen früher oder später der einen oder anderen Form des backs­lash zum Opfer. Oder aber: die demokratische Revolution geht in eine soziale über und stürzt den Kapitalismus. Rich­tig, auch damit ist nichts auf Dauer garantiert. Aber die Kräfteverhältnisse würden sich doch zu Gunsten der Mas­sen ändern. Sie hätten den Staats- und Sicherheitsapparat in den Händen und könnten diesen umgestalten. Das ist in ei­ner Weltregion, in der ganz "normale" Wahlen zuerst einmal durch hunderte Tote erkämpft wird, nicht wenig.

In allen Ländern des Aufstandes, in Tunesien, Ägypten, Libyen und Syrien, gab es auch ein soziales Element der Revolution. Einfach deswegen, weil eine demokratische Revolution der Massen solcher Länder immer auch soziale Anliegen zur Artikulation bringt. Ganz elementar: So die

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Slogans am Tahrir 2011: "Brot, Freiheit, Würde, Mensch­lichkeit!"6, "Würde, Freiheit, soziale Gerechtigkeit", "Ägyp­ten den Ägyptern, nicht Mubarak ...!"; "Mubarak ver­schwinde, Du hast Ägypten ausverkauft!"7 Zwei Tage nach dem Rücktritt von Mubarak, also in der Phase des ersten Sieges der Tahrir-Bewegung demonstrierten ArbeiterInnen im ganzen Land für bessere Verträge und Krankenwagen­fahrer und Beschäftigte des Transportgewerbes für bessere Löhne und Bedingungen. Man muss sich dabei auch vor Augen führen, dass die Arbeiter in der Mubarak-Epoche durch die Dominanz von gelben Gewerkschaften, die eng mit dem Staat verbunden waren, niedergehalten wurden. Allein das Ende von Mubarak ließ die Hoffnung nach einer Besserung der sozialen Lage entstehen.

Aber ohne ein Programm, wie die demokratische in eine soziale Revolution übergehen kann und ohne eine gesell­schaftlich relevante Kraft, die innerhalb des Tahrir für diese Schritte kämpft, verkümmert das soziale Element, wenn der Alltag einkehrt und die Institutionen den Takt vorgeben. So­dass sich das Dilemma der demokratischen Revolution auf den Punkt bringen lässt: Entweder die demokratische Revo­lution geht in eine soziale über, oder sie verendet und mün­det in der Restauration. Ebendies ist jetzt in Ägypten einge­treten.

Damit ist ein "historischer" Zyklus zu Ende und um wie­der auf die verlorene Höhe zu gelangen, ist ein neuer Anlauf notwendig.

Die Restauration und die "Heilige Allianz" von 2013

Die Reaktion der USA und Russlands auf den konterre­volutionären Militärputsch vom 3. Juli 2013 in Ägypten deckten sich. Das ist insofern interessant, da die für viele Linke plötzlich Putins Russland der Garant gewesen wäre, Interventionen wie jene des Westens in Libyen zu verhin­dern. In Wirklichkeit sind sich beide Rivalen in der positi­

6 http://www.dailymotion.com/video/xuonij_tahrir-2011-the-good-the-bad-and-the-politician-directed-by-amr-salama-tamer-ezzat-and-ayten-amin_news

7 http://video.search.yahoo.com/video/play;_ylt=A2KLqIHsQRZS0XwAZnz7w8QF;_ylu=X3oDMTEwNXVkczI3BHNlYwNzcgRzbGsDdmlkBHZ0aWQDVjE0NgRncG9zAzI4?p=tahrir+2011&vid=78d913acca5972c8042a1bde07600f8f&l=7%3A52&turl=http%3A%2F%2Fts2.mm.bing.net%2Fth%3Fid%3DV.5059421036415905%26pid%3D15.1&rurl=http%3A%2F%2Fvimeo.com%2F19559138&tit=Tahrir+Square%2C+Cairo%2C+Feb+1+2011&c=27&sigr=10p8anmih&pstcat=politics&age=0&fr=sfp-vid&tt=b

ven Veurteilung einig. So sagte der US-Außenminister Ker­ry: "„Das Militär wurde von Millionen und Abermillionen Menschen zum Einschreiten gebeten, die allesamt Angst davor hatten, in Chaos und Gewalt abzugleiten. [...] Nach allem, was wir wissen, hat das Militär bisher noch nicht die Macht übernommen. Es gibt eine zivile Regierung zur Lei­tung des Landes. Letztlich wurde dadurch die Demokratie wiederhergestellt"8

Und: "Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma Alexej Puchow sagte: „Der arabische Frühling hat­te nicht Demokratie, sondern Chaos zur Folge. Die Ereig­nisse in Ägypten zeigten, dass es keinen schnellen und friedlichen Übergang von autoritären Regimes zu einer de­mokratischen Politik gebe. Das bedeutet, dass die Demo­kratie kein Patentrezept ist und in den Ländern nicht funk­tioniert, die nicht zur westlichen Welt gehören.“9 Das war deutlich.

Zwei Antworten, ein Schluss. Und es zeigt, dass der Putsch sowie das Ende des Arabischen Frühlings auch auf internationaler Ebene die Kräfte stärkt, die den status quo vor der Revolution erhalten wollen. Es ist die Phase der Re­stauration und der "Heiligen Allianz" angebrochen, um den Fortschritt zu verhindern.

8 http://de.wikipedia.org/wiki/Staatskrise_in_%C3%84gypten_2013#Massent.C3.B6tung_von_Mitgliedern_der_Muslimbruderschaft

9 http://de.wikipedia.org/wiki/Staatskrise_in_%C3%84gypten_2013#Massent.C3.B6tung_von_Mitgliedern_der_Muslimbruderschaft

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Das Drama der syrischen Revoluti­on (21.8.2013)

Zwei lange Jahre dauert der Syrische Bürgerkrieg nun an, zwei Jahre, in denen die Kämpfe mindestens 100.000 Tote gefordert haben. Wo steht die Revolution heute?

Die Eskalation der Gewalt

Zuletzt kam es zu Berichten, dass das Regime Assads Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. "Die Berichte über einen angeblichen Giftgaseinsatz der syri­schen Armee werden immer dramatischer: 1300 Menschen sollen bei Angriffen auf Dörfer östlich von Damaskus getö­tet worden sein. Ein Vertreter der oppositionellen Nationa­len Syrischen Allianz sprach in Istanbul von 1300 Toten. Die syrische Regierung dementiert zwar nicht, Angriffe in der östlich von Damaskus gelegenen Region Ghuta geflo­gen zu sein, weist den Einsatz von Giftgas jedoch zurück."10

Aber auch die Rebellen sollen Giftgas angewendet ha­ben: "Die UNO hat Zeugenaussagen gesammelt, die auf den Einsatz des Nervengases Sarin durch syrische Rebellen hindeuten. Dies erklärte Carla Del Ponte, Mitglied der ent­sprechenden UN-Untersuchungskommission. Zeugen be­richteten von Giftgas-Einsatz in Syrien. "Auf Basis ihres Berichts von vergangener Woche gibt es einen deutlichen, konkreten Verdacht, aber noch keinen unwiderlegbaren Be­weis für den Einsatz von Saringas, was die Art der Behand­lung der Opfer angeht"11 Chemiewaffen solle bereits drei mal eingesetzt worden sein, im März 2013 in Aleppo und Damaskus und im Dezember 2012 in Homs.

Bürgerkriege sind in der Regel stets eine Dosis grausa­mer als Kriege zwischen Staaten. Beide Seiten wissen, dass für sie als Verlierer kein Platz im Freieden sein werden. Dazu kommt die Verzweiflung der Bevölkerung, deren Le­bensgrundlage vernichtet wurde. 200.000 Syrer sind in die Türkei in Camps untergebracht, ungefähr genauso viele ebenfalls in die Türkei geflohen, aber nicht in Camps unter­gebracht; 600.000 sind in den Libanon geflohen. "Derzeit stünde man kurz vor der Zwei-Millionen-Marke syrischer

10 http://www.salzburg.com/nachrichten/welt/politik/sn/artikel/bis-zu-1300-tote-durch-giftgaseinsatz-in-syrien-71318/

11 http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE94504920130506

Flüchtlinge, die ihr Land verlassen haben. Insgesamt hat Syrien eine Population von rund 20 Millionen Menschen".12 Somit sind 10% aller Syrer bereits außer Landes geflohen. Mehr als 4 Millionen Syrer sind innerhalb Syriens auf der Flucht und fliehen jeweils vor den aktuellen Kampfgebie­ten.

Krieg gegen Kinder

Zu der Eskalation gehört auch, dass der Krieg auch ge­gen Kinder geführt wird. "Brutal, unsäglich, unmenschlich - die Weltgemeinschaft hat mit drastischen Worten auf die Schreckensmeldungen aus Hula reagiert. Während eines Angriffs syrischer Panzer auf ein Wohnviertel starben in der Ortschaft nach Angaben von Uno-Beobachtern mindes­tens 92 Menschen, darunter 32 Kinder."13 "Bei dem Massa­ker im syrischen Hula sind 108 Menschen getötet worden, darunter 50 Kinder. UN-Vermittler Annan ist schockiert."14 Das alles geschieht übrigens als hunderte UN-Beobachter im Lande anwesend sind, quasi vor deren Augen und in den Monaten des sogenannten Waffenstillstandes.

Auch beim Häuserkampf werden Kinder "gerne" getötet, um die Zivilbevölkerung zu terrorisieren, und zum aufge­ben zu bewegen. So grausam dies ist, folgt es einen ratio­nellen Kalkül der Unterdrückung.

"(...) offenbar richtet sich die Gewalt auch gezielt gegen Kinder. Dies geht aus einem UN-Bericht hervor: Kinder würden verstümmelt und getötet, gefoltert und sexuell missbraucht. Die Täter seien Soldaten, Geheimdienstleute und regierungsnahe Milizen. (...) Ihr Team sei mit schrecklichen Schilderungen über gefolterte und massakrierte Kinder aus Syrien zurückgekehrt, sagte Radhika Coomaraswamy, UN-Sondergesandte für Kinder in bewaffneten Konflikten, der BBC. Kinder hätten sich als menschliche Schutzschilde auf Panzer setzen müssen, damit diese nicht von Aufständischen angegriffen würden. Inhaftierte Mädchen und Buben würden nicht nur geschlagen, sondern auch ausgepeitscht und mit Elektroschocks malträtiert. „So etwas haben wir noch nie gesehen“, sagte Coomaraswamy."15

12 http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2013/08/483120/tuerkische-lager-ueberfuellt-mehr-syrische-fluechtlinge-leben-ausserhalb/

13 http://www.spiegel.de/politik/ausland/massaker-an-kindern-im-syrischen-hula-schockiert-die-welt-a-835463.html

14 http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Syrien-Das-Massaker-in-Hula-und-die-Folgen;art4306,1480059

15 http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/765230/U

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Die Intervention der fremden Mächte ...

... nahm 2013 weiter zu. "In Israel herrscht indes nach dem Luftangriff im syrischen Nachbarland aus Sorge vor einer Reaktion erhöhte Alarmbereitschaft. Die Armeeein­heiten entlang der Grenze seien zu größter Wachsamkeit aufgerufen, meldete der israelische Rundfunk am Montag. Der Luftraum im Norden Israels ist bis Donnerstag für zivi­le Flugzeuge gesperrt. Israelische Kampfjets hatten in der Nacht auf Sonntag ein militärisches Entwicklungszentrum nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus angegriffen. Sy­rien sprach von einer Kriegserklärung. Der Angriff galt nach Medienberichten einer Lieferung iranischer Raketen des Typs Fateh-110 an die mit Israel verfeindete Hisbol­lah."16 Das ist nur ein Beispiel.

"Wenige Stunden nach einem Granatenangriff auf ein türkisches Grenzdorf hat die türkische Armee am Mittwoch erstmals Ziele in dem vom Bürgerkrieg erschütterten Nach­barland angegriffen. Der Einsatz sei Reaktion auf eine At­tacke syrischer Regierungstruppen, bei der fünf Türken ge­tötet worden waren (...) "17

Oder: "Der Iran wird 4.000 Elitesoldaten nach Syrien schicken um bei der Bekämpfung der Rebellen zu helfen. (...) "Es ist in der Tat so, dass wir logistische und personel­le, aber auch finanzielle Unterstützung aus Teheran bekom­men. Einerseits über den Arm der Hisbollah, andererseits auch direkt. Aber diese Hilfe ist nur ein zusätzlicher Hebel, um die Terroristen, die vom Westen Hilfe bekommen, zu be­kämpfen", meinte ein syrischer Offizier, der nicht beim Na­men genannt werden will, gegenüber der APA. (...) Waren es 2009 noch syrische Sicherheitskräfte, die Teheran bei der Zerschlagung der Proteste unterstützten, so sind es nun iranische Bassij- und Revolutionsgardisten, die in Damas­kus aushelfen. Zudem ist das sogenannte Perserviertel in Damaskus größer geworden, denn nicht unweit der Haupt­stadt bilden beide Länder Sicherheitskräfte in Camps aus. Teheran liefert an Syrien auch Ausrüstung zur Bekämpfung von Aufständen sowie Geräte zur Kontrolle des Internets und zum Abhören von Telefongesprächen."18

"Russland liefert trotz des Bürgerkriegs weiterhin

NO_Konflikt-in-Syrien-ist-Buergerkrieg?from=suche.intern.portal

16 http://www.salzburg.com/nachrichten/welt/politik/sn/artikel/zeugen-berichteten-von-giftgas-einsatz-in-syrien-57728/

17 http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/vergeltungsangriff-nach-granatbeschuss-tuerkei-greift-erstmals-ziele-in-syrien-an-11912929.html

18 http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/iran/3341840/iran-schickt-4-000-elitesoldaten-nach-syrien.story

Kriegsgerät an Syrien. Russland erfülle gegenüber Syrien "die in Lieferverträgen über Militärausrüstung eingegan­genen Verpflichtungen", sagte der Chef der staatlichen Rüstungsexportbehörde Rosoboronexport, Anatoli Issaikin. Zudem handele es sich hauptsächlich um Defensivwaffen wie Luftabwehrsysteme sowie militärische Reparaturtech­nik."19

Auf Seitens Assads kämpfen zahlreiche Milizen, die Schabiha, Hisbollah, Volksfront zur Befreiung Palästinas, al-Quds-Einheit. Diplomatische Unterstützung in den UN-Gremien enthält Assad durch die Vetomächte China und Russland.

Wie groß bislang die logistische und das bedeutet auch militärische Unterstützung der Aufständischen durch die USA, Frankreich und Großbritannien in der Zwischenzeit kladestin wirklich ist, ist nicht ganz klar. Vermutlich sind nachrichtendienstliche Informationen über die Feindbewe­gung das nützlichste vom Westen bislang. Bedeutender war in der letzten Zeit die finanzielle und militärische Unterstüt­zung von Seiten der Golfstaaten wie Katar und Saudi Arabi­en. Abgesehen davon kämpfen auf Syrischen Boden ver­schiedene Mudschahidin-Gruppen gegen die Syrische Re­gierung, al-Nusra-Front, Fatah al-Islam, ISI (ISIS) und Ta­liban.

Seit den letzten Giftgasangriffen erwägen die USA, Frankreich und Großbritannien Luftangriffe gegen die Assad-Einheiten.

... ist eines der Schwächen des Syrischen Auf­standes

Kann keine der Konfliktparteien den Bürgerkrieg gewin­nen? Muss die eine Seite vielleicht noch eine fremde Unter­stützung gewinnen?

Das Problem des Syrischen Aufstandes ist aber nicht, dass zu wenig fremde Unterstützung am Werken ist, son­dern genau umgekehrt, dass zu viel fremde Unterstützung bzw. die falsche im Lande ist. Der Syrische Aufstand von 2011 wurde somit zunehmend zu einem Spielball fremder Mächte. Das ist einer der Gründe für die Dauer des Kamp­fes und der erschreckend hohen Anzahl an Todesopfern und Vertriebenen.

Das für sich sprechende Indiz für diese Schlussfolgerung ist die zweite Front zwischen den syrischen Rebellen der nationalen Ko­

19 http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-02/russland-syrien-waffen

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alition (Freie Syrische Armee, Syrischer Nationalrat, Muslimbrü­der, Lokale Koordinationskomitees, Fahne der Nation, General­kommission der Syrischen Revolution) und den nach Syrien ge­sendeten Mudschahidin-Gruppen, die gleichzeitig Assad bekämp­fen seitdem Juli 2013. Dies zeigt sehr drastisch, dass mit der jeden Teilnehmenden politischen Kraft auch deren partikularen Interes­sen in den Syrischen Kampf einwirken. Es ist nicht egal, wer aller gegen Assad kämpft und wie gekämpft wird.

"Sie haben uns den Krieg erklärt", empörten sich Spre­cher der Freien Syrischen Armee (FSA). Letzte Woche hat­ten Al-Qaida-Bewaffnete den populären FSA-Kommandeur Abu Bassir an einer Straßensperre nahe Latakia hingerich­tet. Seitdem explodieren die seit Monaten andauernden Spannungen zwischen den moderaten und radikalen Geg­nern von Diktator Assad. Abu Bassir gehörte zur Füh­rungsspitze der Aufständischen, er war eines von 30 Mit­gliedern des Nationalen Militärrats. Seine Mörder kommen aus dem "Islamischen Staat im Irak und Syrien" (ISIS), der neuen Einheitsfront der Gotteskrieger, der auch die von Washington geächtete Al-Nusra-Front angehört. (...) Zwei FSA-Kämpfer mit abgeschnittenem Kopf wurden in einer Mülltonne auf dem Rathausplatz gefunden. Offenbar ein Racheakt. "Geht zurück nach Afghanistan, ihr habt die Re­volution ruiniert", sprühten Menschen in Aleppo an die Hauswände. Als im Mai drei schwarz gekleidete Bärtige mit ausländischem Akzent einen 14-jährigen Kaffeeverkäu­fer wegen angeblicher Gotteslästerung vor den Augen sei­ner entsetzten Eltern hinrichteten, zogen aufgebrachte Menschen vor die Zentrale der Al-Nusra-Brigaden. "Haut ab, raus mit euch, ihr seid nicht besser als Bashar al-Assad", skandierte die empörte Menge."20

Mittlerweile sind ca. 10.000 Jihadisten in Syrien militä­risch aktiv, die nicht nur gegen die regierungstreuen Einhei­ten kämpfen, sondern auch gegen kurdische Einheiten. Eine regierungsnahe britische Quelle behauptet, dass insgesamt 50.000 den Islamisten zugeordnet werden können, also ca. die Hälfte der bewaffneten Aufständischen.21 Aber es frgat sich, ob islamistisch dasselbe wie jihadistisch bedeuten soll. Auf dem militärischem Gebiet ist der Unterschied jeden­falls eindeutig und leicht zu definieren, denn die Jihaddisten beugen sich nicht unter die Kriegsziele einer der syrischen Dachorganisationen. Sie führen ihren eigenen Krieg. Glaubwürdige Quellen bezieffern ihre Größe auf 8 bis 15 prozent der Antiregierungseinheiten, je nach Region.22 In­des sind auch die kurdischen Parteien in Syrien auf die Seite Assads gewechselt, was ebenfalls die Möglichkeiten der

20 http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-07/syrien-buergerkrieg-rebellen

21 http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1453079/Syrien_Haelfte-der-Rebellen-offenbar-radikale-Islamisten

22 Die Presse, 19. September 2013, Seite 11.

Revolution einschränkt.

Diese Zahlen spiegeln aber nicht die realen Verhältnisse wieder, denn jede Kriegshandlung findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern - in einem Bürgerkrieg zumal - in einer Beziehung zur Bevölkerung. Die Jihadisten müssen sich die Unterstützung der lokalen Bevölkerung notfalls durch Dro­hung und Terror erwirken, die Regierungstruppen zählen auf die passive Haltung der Zivilbevölkerung. Die ur­sprünglichen Aufständischen hingegen sind Teil der Zivil­bevölkerung, aus deren Protest sich die bewaffneten Einhei­ten bildeten. Ohne hier auf die Unterschiede zwischen der FSA und anderen Kräften eingehen zu können, hat dieser Teil den größten Support durch die Bevölkerung - woraus sich übrigens auch erklärt, weshalb die regierungstreuen Einheiten den Krieg nicht nur gegen die bewaffneten Auf­ständischen sondern auch gegen die Zivilbevölkerung füh­ren. So grausam das klingen mag, von dem Gesichtspunkt Assads ist das ganz folgerichtig und rational.

Wie auch immer, mit jeder zusätzlichen Intervention von außen wird das Potential der demokratischen Revolution in Syrien weiter verschüttet. Das wird auch der Endeffekt ei­ner vom Westen vielleicht durchzusetzenden Flugverbots­zone sein. Die mit der Vernichtung bedrohten Rebellen­gruppen sehen den Westen als Möglichkeit, gegen Assad doch noch bestehen zu können. Doch wie in Libyen 2011 wird der militärische Sieg sodann mit einer politischen Nie­derlage der demokratischen Revolution erkauft.

Der schmale Grad der syrischen Revolution

Das übergeordnete Ziel der Revolution ist nicht eins zu eins der militärische Sieg über die syrische Regierung. Das zu behaupten, bedeutet aber nicht, dass der Widerstand ge­gen die Assad-Truppen und die regierungstreuen Milizen aufgegeben werden soll. Der beliebte Slogan einer "politi­schen Lösung" des Bürgerkrieges, bedeutet im Endeffekt, dass die Kraft mit den aktuell stärkeren militärischen Res­sourcen dominiert. Die Lösung am Verhandlungstisch mit Assad - vielleicht unter Beteiligung der Groß- und Regio­nalmächte" bedeutet, dass dessen Banden in der Zwischen­zeit mit den Rebellen gezielt aufräumen können. Diese "Lö­sung" würde erst recht das verkümmerte Potential der Re­volution endgültig begraben.

Nein, die Rebellen müssen gewinnen. Aber sie müssen und können nur anders gewinnen. Die Internationalisierung des Konfliktes muss umgedreht werden. Von einer Interna­tionalisierung nach dem Methoden und Interessen der in­volvierten Staaten in einer Internationalisierung der Massen Methoden und Interessen. Das hört sich nach einer abstrak­

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ten Floskel an. Und es ist tatsächlich schwer, ja fast unmög­lich, diese Perspektive umzusetzen. Es würde etwa bedeu­ten, dass eine breite, proletarische Antikriegsbewegung im Westen, in Russland, dem Iran und den Golfstaaten die In­tervention wie bisher verhindert oder nach den legitimen In­teressen der syrischen Rebellen umformt.

Es würde aber auch bedeuten, dass die Rebellen sich an­ders organisieren. Die Spaltung oder aber Vereinigung in verschiedene Gruppen müsste von der von der Bevölke­rung legitimiert werden; die Einbeziehung der unteren Klassen in alle Kampfformen erreicht werden; die Leitung müsste der Wohnbevölkerung und Vertriebenen verantwort­lich sein, dort wo der Kontakt noch herstellbar ist; ein kon­

sequent umgesetztes Programm für eine echte Demokratie unter Einbeziehung aller konfessioneller und ethnischer Minderheiten und für eine soziale Revolution könnte die verarmten Massen nicht nur Syriens sondern auch der Regi­on bis hin nach Russland und China eine Ausstrahlungs­kraft besitzen und dazu betragen, dass die internationale Unterstützung für Assad weniger leicht umgesetzt werden

kann. Vielleicht kann auf diese Weise auch eine Spaltung der syrischen Armee vertieft werden, den ein guter Teil fürchtet bislang mit Assad unterzugehen.

Unwahrscheinlich, dass dies umgesetzt werden kann. Aber man könnte genauso sagen: Unwahrscheinlich, dass das Drama Syriens endet.

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Das Blutbad der Putschisten (17.8.2013)

“Es waren Bilder des Grauens, die am Donnerstag von Kairo aus um die Welt gingen: verkohlte, entstellte Körper, die nur noch entfernt an menschliche Wesen erinnern, über­füllte Leichenhallen, in denen Angehörige die traurige Ge­

wissheit fanden, dass ihre Verwandten nicht mehr am Leben waren.”23

Ist die Rede von Chile 1973, als der General Pinochet die demokratisch gewählte Regierung wegputschte, oder von der Türkei 1980? Nicht ganz, aber Sie haben es bereits erra­ten, es ist die Rede von Ägypten 2013.

23 Die Presse, 16, August 2013, Seite 1.

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Tahrir 3.0 (3.7.2013)

In dem Kräftemessen der Opposition gegen die Regie­rung Mursi steht der Fortschritt auf Seiten ersterer. Seit der unvollendeten demokratischen Revolution von 2011, die schließlich von den Muslimbrüdern kanalisiert wurden, schwellt ein Machtkampf auf der Straße und am Tahrir um das Erbe der Revolution. Dass aber Mursi reüssieren konn­te, lag daran, dass beim Sturz des Ancien Régime von Mu­barak die Tahrir-Bewegung nicht weiter ging in Richtung sozialer Revolution. Ein sinnvoller Zwischenschritt wäre eine echte, das ganze Land durchdringende verfassungsge­bende Versammlung gewesen.

lag ein Teil der säkularen Opposition dieser Option, begrüß­te das Ultimatum der Armee an Mursi oder forderte gar di­rekt und unverblümt das Einschreiten der Armee, wie es etwa der bürgerliche El-Baradei tat. Der Punkt ist aber, dass der Militärputsch durchaus keine sinnvolle Option gegen Mursi ist, sondern die Revanche des alten Regime und der Entzug der in der Revolution erkämpften demokratischen Rechte. Es gibt in Ägypten 2013 keine fortschrittliche Rolle vergleichbar jener Kemal Atatürks in der Türkei nach dem ersten Weltkrieg.

Die Gefahr ist zudem groß, dass der Militärputsch, die Auflösung des Parlaments und die Beschränkung der Kan­didatenliste durch die Putschisten bei den nächsten Wahlen die Islamisten in den Augen der verarmten Bevölkerung der Vororten der Metropolen und auf dem Land unverdient zu Helden macht.

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Zwischen Mubarak und Mursi (21.8.2013)

Mohammed Mursi war ziemlich genau ein Jahr lang Prä­sident des neuen Ägyptens. Wie war das eigentlich und welche objektive Rolle spielten diese Phase bei der Wieder­herstellung der Macht der Generäle? An dieser Stelle wol­len wir uns mit der Vorgeschichte des Militärputsches vom 3. Juli 2013 beschäftigen. Diese Geschichte ist zugleich die Geschichte, wie die demokratische Revolution Ägyptens verkümmerte und korrumbierte. Und die Geschichte Mursi´s Präsidentschaft ist gleichzeitig die seiner Widersacher, dem Militär. Doch der Reihe nach.

Eine Art von Doppelmacht

Am 11. Februar 2011 zwangen die Massenproteste am Tahriri und in ganz Ägypten den langjährigen Diktator Hos­ni Mubarak zur Abgabe der Macht. Oder aber auch: Das Militär zwang Mubarak zum Rücktritt. Mubarak und seine Söhne wurden verhaftet und angeklagt. Die demokratische Revolution wurde somit vom 11. Februar 2011 bis zum 24. Juni 2012, als die Wahlkommission Mursi zum Sieger der Präsidentschaftswahlen erklärte, direkt von den Militärs verwaltet. Und der jetzige starke Mann Al-Sisi war unter Mubarak Chef des Militärgeheimdienstes.

Es scheint also, als habe das ägyptische Militär seine be­herrschende Rolle nie wirklich aufgegeben. In diesem Satz liegt einige Wahrheit, aber nicht die ganze. Denn tatsächlich war die Tahrir-Bewegung vom Ausmaß und der Tiefe des Volksempfindens für das Militär nicht mehr kontrollierbar. Die Militärs konnten aber immerhin noch den Zeitpunkt des Endes der Massenproteste bestimmen, indem sie gekonnt die Massenstimmung gegen das Haupt des alten Staates nutzen, um mit der Absetzung Mubaraks der Bewegung die Spitze zu nehmen. Mit diesem Schritt konnte das Militär das Gesetz des Handelns wieder in die Hand nehmen. Es waren aber die revolutionären Umstände, die dies überhaupt erst erzwangen. Ohne Tahrir hätten Mubarak und seine hochdekorierten Freunde so weitergemacht wie bisher.

Aber gleichzeitig stimmt es eben, dass das Militär so bleib wie es unter Mubarak war und es blieb, was es war: eine von der Bevölkerung abgehobene Macht im Staate, ja sie ist dieser Staatsapparat in Essenz. Dass die Tahrir-Bewe­

gung bei all ihren Meriten weder stark genug noch willens war, mit dem Fall Mubaraks auch gleich mit diesem bürger­lich-abgehobenen Militär aufzuräumen, kam in weiterer Folge als Bumerang zurück.

Nach dem 11. Februar 2011 hätte das Militär theoretisch gleich ohne Mubarak dafür aber auf eigene Rechnung Ägypten weiterregieren können. Aber zurecht fürchteten die Generäle, dass die Glut des Tahriri noch heiß genug wäre, um mit diesem Affront nicht einen weiteren Flächenbrand anzuheizen. Deswegen setzte das Militär auf einen kontrol­lierte Phase der bürgerlich-parlamentarischen Gebräuche: Wahlen.

Auch hier war das Militär nicht stark genug, um den Tahrir einfach zu übergehen, aber stark genug, um den Übergang zu dem demokratischen Experiment nach den ei­genen Spielregeln zu gestalten.

Wir haben daher eine Art Doppelmacht vor uns: Hier die demokratische Revolution, da der alte Staatsapparat. Beide Seiten zu schwach, um die jeweilig andere auf einen Satz hin niederzuringen. Das ist nun, im Sommer 2013 anders. Die Doppelmacht ist längst vorbei: die Revolution hat ver­loren. Zwischen diesen beiden Zuständen liegt Mursi´s Prä­sidentschaft. Das das ist ihre objektive Rolle in der Ent­wicklung.

Der "oberste Rat der Streitkräfte"

Der Rat ersetzte Mubarak als Regierungschef und stand über den eigentlich politischen Ministerien. Der Rat bestand aus Generaloberst Abd al-Fattah as-Sisi als Vorsitzender - diesen Herren kennen wir bereits. Des weiteren gehörten dem Militärrat an General Mohsen al-Fanagry (Stellvertre­tender Verteidigungsminister), Generalleutnant Sami Hafez Enan Anan (Generalstabschef der Armee), Vizeadmiral Mohab Mamish (Befehlshaber der Marine), Luftmarschall Reda Mahmoud Hafez Mohamed (Generalstabschef der Luftwaffe), General Mohammed Abdel Nabi (Befehlshaber der Grenztruppen), Generalleutnant Abd El Aziz Seif-Elde­en (Befehlshaber der Luftverteidigung), General Ismail Othman (Generalstabsoffizier für Moralische Landesvertei­digung), General Hassan al-Rwini (Befehlshaber der Zen­tralen Militärzone), General Mohammed Hegazy (Befehls­haber der 3. Feldarmee), General Sobhy Sedky ( Befehlsha­ber der 2. Feldarmee) sowie Sieben Kommandeure der Nord-, Süd- und Westmilitärzonen.

Über die herausragenden Heldentaten dieses Gremiums weiß Wikipedia folgendes zu berichten: "Zur Abschreckung wurde u.a. der in Ägypten umstrittene Blogger Maikel Na­

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bil Sanad, (...) von einem Militärgericht zu drei Jahren Haft verurteilt. Er hatte in seinem Blog berichtet, dass die ägyp­tische Armee absichtlich Konflikte zwischen Christen und Muslimen anheizte, um daraus politisches Kapital zu schla­gen." Der Militärrat: "hat Ende März 2011 ein Gesetz be­schlossen, das Proteste verbietet, die das reibungslose Funktionieren von Institutionen oder der Wirtschaft beein­trächtigen. Das Gesetz war keine vier Stunden alt, da wandte das Militär es bereits an und räumte die Besetzung der Kairoer Universität."24

Abgesehen davon legte der Oberste Militärat generös seine Hand über jene Exekutivkräfte, die an den Massakern und Folterungen an Demonstranten zu Beginn von 2011 be­teiligt waren, während die Bewegung nach Gerechtigkeit rief und Untersuchungsverfahren forderte.

Formell gesehen hatte der Militärrat auch eine zivile Ma­rionettenregierung an der Hand, das Kabinett Scharaf, das von dem 3. März 2011 bis zum 22. November 2011 die ägyptische Regierung stellte. Die Minister waren entweder vom Militärrat eingesetzt oder noch von Mubarak ernannt. Die Pointe ist, dass das brutale Vorgehen des Militärs gegen Demonstranten im Herbst 2011 das Scheinkabinett immer­hin veranlasste, kurz vor dem ersten Wahldurchgang aus Protest zu demissionieren. Und danach - am 16. Dezember 2011 - trat der kurz davor eingerichtete 30-köpfige zivile Beirat des Oberstern Rats der Streitkräfte zurück - aus Pro­test gegen das gewalttätige Vorgehen (mit mehreren Toten) des Militärs gegen eine Demonstration. Diese Pointe zeigt auch die Schwierigkeit des Militärs sich eine zivile Camou­flage zu geben. Diese Schwierigkeit wurde erst im Juli 2013 nach dem Militärputsch "gelöst", doch selbst dieser Schein­regierung sprang ElBardei aus Protest gegen das Morden der Militärs ab.

Das Verfassungsreferendum vom März 2011

Der erste Schritt des Militärs, die demokratische Revolu­tion niederzuringen, bestand darin, eine allgemeine, dem Volk verantwortliche, verfassungsgebende Versammlung zu verhindern und eine zermürbend zähe und lange Phase bis zu den Wahlen einzuschlagen. Die Methoden folgten der Napoleonischer Plebiszite. Sprich: ein achtköpfiges Komi­tee wurde von dem Obersten Militärat auserkoren und de­ren Schaffen dann auch vom Militärrat überwacht. Das Endergebnis wurde dem Wahlvolk vorgelegt, das nur noch ja oder nein stimmen, nicht aber selbst seine Vorstellungen einbringen konnte.

24 http://de.wikipedia.org/wiki/Oberster_Rat_der_%C3%84gyptischen_Streitkr%C3%A4fte

Statt dessen: "Der Entwurf zur Änderung der bestehen­den Verfassung wurde von einem Verfassungskomitee aus­gearbeitet und vom Obersten Rat der Streitkräfte autori­siert. Für die neue Verfassung stimmten 77,2 Prozent der Wähler, die Wahlbeteiligung lag bei etwa 41 Prozent, was deutlich mehr ist als bei früheren Referenden. Die Änderun­gen traten am 30. März 2011 in Kraft."25

Die Intervention der Militärs am 15. Juni 2012

Wie ging es indes mit der Staatsreform voran?

"Laut Militärrat sollen vom 28. November 2011 bis zum 10. Januar 2012 demokratische Parlamentswahlen in drei Phasen abgehalten werden. Die zweite Parlamentskammer (Schura-Rat), soll auch dreischrittig ab dem 29. Januar 2012 gewählt werden. Anfang Oktober 2011 änderte der Militärrat umstrittene Wahlrechtsparagraphen. Am 15. Juni 2012 – einen Tag vor dem Termin der Stichwahl zum ägyp­tischen Präsidenten – löste der Militärrat das aus den ers­ten Parlamentswahlen nach dem Sturz Mubaraks hervorge­gangene Parlament auf, nachdem sein Zustandekommen am Vortag vom obersten Gericht Ägyptens für verfassungs­widrig erklärt worden war, da nicht die Bedingungen zur Besetzung eines Drittels der Plätze durch sogenannte „Un­abhängige“ eingehalten worden waren. Der Militärrat in­itiierte, dass den Mitgliedern des Parlaments der Zugang zu diesem versperrt wurde."26 Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Der Militärrat ändert autonom und selbst nach dem Verfassungsreferendum die Verfassung. Die ersten freien Parlamentswahlen finden unter der Prä­misse statt, dass ein Drittel der Kandidaten "unabhängig" sein sollte. Wie gut und glaubhaft die Begründung für diese vom Militärrat vorweggenommene Wahlentscheidung ge­wesen sein war, erinnert sie frabant an unzähligen Wahlfäl­schungen, Wahlbeugungen und Verfassungskrisen des Di­rektoriums zwischen der Französichen Revolution und Na­poleons Militärdiktatur, 1795-1799. Wobei der Korse ge­genüber Al-Sisi den unschätzbaren Vorteil hatte, immerhin sozialen Umwälzungen der Revolution zu bewahren. Mit solch einem Erbe kann Al-Sisi der Weltgeschichte nicht aufwarten.

Die Rolle des Militärats kann insgesamt so auf den Punkt gebracht werden: Zurückdrängen des Tahrir-Elements durch repressive Maßnahmen, anderseits die schrittweise Ersetzung des Tahrir-Elements durch die Verheißung der

25 http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsreferendum_in_%C3%84gypten_2011

26 http://de.wikipedia.org/wiki/Oberster_Rat_der_%C3%84gyptischen_Streitkr%C3%A4fte

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bürgerlichen Demokratie, eine Verheißung, die auch im ländlichen Ägypten, in dem die Tahrir-Bewegung nicht Fuß fassen konnte, wirkt. Und schließlich auch die Gängelung des normalen Parlamentsbetriebs durch den Obersten Mili­tärrat.

Der erste Punkt, die Repression unter Tantawi war zeit­weise noch härter als jene unter Mubarak: "Unterdessen er­hob Amnesty International (AI) schwere Vorwürfe gegen die Militärführung: In Ägypten würden die Menschenrechte heute teilweise stärker mit Füßen getreten als zu Zeiten Mubaraks, hieß es in einem Bericht der Organisation. Amnesty wirft dem Militärrat vor, friedliche Proteste regel­mäßig gewaltsam aufzulösen. Außerdem sei in den vergan­genen Monaten mehr als 12.000 Zivilisten vor Militärge­richten ein unfairer Prozess gemacht worden, heißt es in dem 62 Seiten langen Bericht."27

Der Blutzoll vor den Wahlen im Winter 2011/2013

Die ersten Parlamentswahlen nach dem Sturz Mubaraks wurden vom Militärrat drei mal nach hinten verschoben. Im Vorfeld der Wahlen standen drei Konflikte im Vordergrund: Übergeben die Militärs tatsächlich einer zivilen Regierung die Macht, endet der Ausnahmezustand und die Militärge­richtsbarkeit? Erst als die Muslimbrüder mit einem Wahl­boykott drohten und damit die erste "freie" Wahl zur Farce geraten wäre und andererseits im Herbst 2011 erneut Mil­lionendemonstrationen die Machtabgabe der Militärs for­derte, versprach der Militärrat das Wahlergebnis ernst zu nehmen.

Der Zweite Konflikt bezog sich auf die Frage, ob die ehemalige Regierungspartei, die Nationaldemokratische Partei (NDP) überhaupt kandidieren dürfe. In weiterer Fol­ge war diese Frage nicht mehr relevant, da diese Parteien nicht mehr als 6% der Stimmen bekamen. Für den Militär­rat war dies aber eine schwierige Situation, denn ihr fehlte eine relevante politische Vertretung. Der dritte Konflikt be­traf ursprünglich den Wahltermin. Ein Teil der demokrati­schen Tahrir-Bewegung befürchtete eine unfaire Ausgangs­lage gegenüber den Muslimbrüder, weil diese bereits als (teils in der Illegalität formierten) Partei organisert waren. Bei den Wahlen erreichten die Muslimbrüder (FGP) 37,5%. Vermutlich hätte aber auch ein späterer Wahltermin daran nicht swesentliches geändert - außer dass der Oberste Mili­tärrat noch länger seine Macht einzementieren hätte kön­nen. Die Alternative zu einem "fairen" Wahltermin wäre die demokratische verfassungsgebende Versammlung gewesen

27 http://www.orf.at/stories/2090835/2090837/

und diese Option war bereits mit dem März 2011 passe.

Das wirklich relevante Element dieser Phase vor den Parlamentswahlen war das Wiederaufleben der Tahrir-Be­wegung auf der Straße. Die zentrale Losung war die Abga­be der Macht des Militärrats an eine zivile Regierung, das Ende der post-mubarak Repression durch Polizei, Geheim­polizei und Militärgerichte. Sehr wahrscheinlich, dass Mili­tär unter Tantawi bereits im Herbst 2011 plante, die gesam­te Macht weiterhin auszuüben. Auf alle Fälle war die Bewe­gung "Tahrir 2.0" das einzig ein starkes Argument, den Wahltermin nicht noch einmal zu verschieben:

"Tausende Demonstranten forderten einen sofortigen Rücktritt der Generäle und nicht erst im Juni eine Präsi­dentenwahl. Auf Livebildern von al-Jazeera waren De­monstranten zu hören, die ankündigten, den Platz so lange besetzt zu halten, bis ihre Forderungen erfüllt seien. Erneut soll es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Sicher­heitskräften gekommen sein. Nach einer kurzen Beruhigung in den frühen Morgenstunden setzten sich die Zusammen­stöße am Mittwoch den fünften Tag infolge fort. Die Stra­ßenkämpfe verlegten sich vor allem vor das stark befestigte Innenministerium."28 Der Blutzoll von "Tahrir 2.0", also dem "Marsch der Million" war mit ca. 50 Ermordeten be­trächtlich. Ohne diesem Blutzoll wäre es im im November 2011 bis zum Jänner 2012 zu keinen Wahlen gekommen! genau genommen ging es dabei auch weniger darum, wie die Mehrheitsverhältnisse am Ende aussahen, sondern dass das Militär seine diktatorischen Vollmachten abgab.

Von den Parlaments- zu den Präsidentschafts­wahlen 2012

Am 23. Januar 2012 tritt das in drei Durchgängen neu gewählte Parlament zum ersten mal zusammen. Zwei Tage zuvor war das Endergebnis der Auszählung bekannt gege­ben: die FGP wurde mit 45,7 % stärkste Kraft, salafistische Partei des Lichts erreicht 24,6 %, die liberale Partei Neue Wafd-Partei und das liberale Parteienbündnis Ägyptischer Block erreichen 8,4 % und 6,6 % Prozent. Das Parteien­bündnis "Die Revolution geht weiter erzielte" 2%. der Ge­neralsekretär der FPG wird zum Parlamentspräsident er­nannt. Wenig später wurden wurden die Notstandsgesetze weitgehend aufgehoben und über 1.950 Gefangene von der Militärjustiz freigelassen. daraus ist ersichtlich, dass allein die Bildung des Parlaments unabhängig vom Militär eine Schwächung der Macht desselben bedeutete.

Im Frühjahr 2012 ist die Stoßrichtung der Demokratiebe­

28 http://www.orf.at/stories/2090835/2090837/

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wegung weiterhin der alte Staat der Mubarak-Epoche. Das zeigt sich bei den Massenprotesten vor der staatlichen TV-Gesellschaft und in dem Konflikt des CTUWS mit dem ETUF, der gelben aus der Mubarak-Zeit stammenden Ge­werkschaftsföderation. Der CTUWS-Führer hatte die Rede des ETUF-Führer vor der ILO in Genf unterbrochen und ist daraufhin in Ägypten von einem Gericht verurteilt worden, was zeigt, dass im Staatsapparat keineswegs die alten Strukturen zerschlagen wurden. "Freitag, 4. Mai 2012 Knapp drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl haben in Kairo und Alexandria tausende Ägypter, vor allem Jugend­liche, gegen den Militärrat demonstriert. Sie forderten eine umgehende Machtübergabe an eine Zivilregierung. Vor dem Verteidigungsministerium, in den Straßen angrenzend zum Kairoer Stadtteil El-Abbassiyah, kam es zu stunden­langen Straßenschlachten mit den dort in Bereitschaft ste­henden Sicherheitskräften. Eingesetzt gegen die Demons­tranten wurden Wasserwerfer, Schlagstöcke, Tränengas und auch scharfe Munition. Um das Verteidigungsministerium herum wurden Schützenpanzer postiert und eine Barriere aus Stacheldraht angelegt. Zur Eskalation der Gewalt kam es, als die Protestierenden versuchten, den Stacheldraht beiseite zu räumen. Die vorläufige Bilanz dieser Auseinan­dersetzung lautet: zwei Tote und 130 Verletzte. In der ersten Maiwoche starben in Ägypten allein neun Menschen in den politischen Auseinandersetzungen."29

Eine Machtübergabe des Militärs konnte - wenn über­haupt - wegen der stark autoritären Verfassung nicht an das Parlament sondern nur an einen neuen Präsidenten überge­ben werden. Genauso wie vor den Parlamentswahlen be­fürchteten die Massen, dass die Machtübergabe des Militärs an einen Präsidenten nicht oder irgendwie getürkt stattfin­den werde.

Die Präsidentschaftswahlen vom Mai/Juni 2012

"Der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl in Ägyp­ten 2012 wurde am 23. und 24. Mai 2012 abgehalten. Am 16. und 17. Juni 2012 kam es zu einer Stichwahl zwischen Mohammed Mursi von der islamistischen Freiheits- und Gerechtigkeitspartei und dem als unabhängiger Kandidat angetretenen Ahmad Schafiq, der unter dem gestürzten Präsidenten Husni Mubarak als Minister und Premiermi­nister gedient hatte. Die Ergebnisse wurden am 24. Juni 2012 bekanntgegeben. Mursi gewann die Wahl mit 51,7 Prozent gegen Schafiq (48,3 Prozent)"30

29 http://de.wikipedia.org/wiki/Revolution_in_%C3%84gypten_2011

30 http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidentschaftswahl_in_%C3%84gypten_2012

Das Interessante fand allerdings kurz davor statt: Von den 23 Kandidaten wurden plötzlich ganze 10 vom dem - vom Militär installiereten - Verfassungsgericht aus fadenscheini­gen Gründen zu den Wahlen nicht zugelassen.31 Zwar kann es als berechtigt gelten, wenn etwa Suleiman als zentraler Verantwortlicher des Mubarak-Regimes vom dem passiven Wahlrecht ausgeschlossen werden kann - wenngleich dann auch Schafiq ausgeschlossen werden müsste, denn der war Luftwaffengeneral und letzter Premierminister unter Hosni Mubarak! Und die Begründungen für die anderen Wahlaus­schlüsse sind allesamt dubios. Die Stichwahl zwischen Mursi und Schafiq sollte eigentlich den Militärs, die auf Schafiq setzten, nützen. Denn ein guter Teil der Tahrir-Be­wegung stand nun vor dem 2. Durchgang vor einem Rätsel: Den Mubarak-Vertrauten Schafiq wird man wohl kaum wählen - aber deswegen die Islamisten wählen? Zurecht sa­hen viele des Tahrir in Schafiq den Vertreter des alten Staa­tes. Das belegen die Zwischenfälle bei seiner Stimmabgabe.

"Der Oberste Militärrat, der seit dem erzwungenen Rücktritt Mubaraks am 11. Februar 2011 das Land am Nil regiert, habe bestimmt, wer für die Wahlen antreten dürfe und wer nicht, so Nabil. Dies schließe eine wirklich freie Wahl aus. Außerdem könne auch ein mit großer Mehrheit gewählter Präsident jederzeit von den Generälen abgesetzt und vor ein Militärtribunal gestellt werden." - diese Worte des Bloggers Nabil sollten sich ein Jahr später bewahrhei­ten. "Die Wahlen finden in einer Atmosphäre der Unfreiheit statt", kritisiert Nabil und erinnert daran, dass seit der Re­31 "Am 14. April 2012 gab die Wahlkommission bekannt,

zehn von 23 Kandidaten von der Präsidentschaftswahl auszuschließen, darunter Chairat al-Schater, Aiman Nur, Omar Suleiman und Hasem Abu Ismail. El-Schater, der im März 2011 aus dem Gefängnis entlassen wurde, dürfe nicht an der Wahl teilnehmen, da ein geltendes Gesetz be­sagt, dass frühere Häftlinge nach Verbüßung ihrer Strafe oder Begnadigung sechs Jahre lang nicht bei einer Wahl antreten dürfen, was auch für Nur gilt. Suleiman habe nicht wie vorgeschrieben die Unterstützung von Wählern aus 15 Provinzen erhalten. Er hatte zuvor in einer reprä­sentativen Umfrage der unabhängigen Tageszeitung Al-Masry Al-Youm mit 20,1 Prozent die meiste Zustimmung erhalten. Ein gleichzeitig von der Mehrheit im Parlament gebilligtes Gesetz, das vorsieht, hohe Vertreter des Muba­rak-Regimes für einen Zeitraum von zehn Jahren von Staatsämtern auszuschließen, ist noch nicht von der Mili­tärregierung in Kraft gesetzt worden. Abu Ismail wurde gesperrt, weil seine Mutter die US-amerikanische Staats­bürgerschaft besessen habe. Kandidaten dürfen gemäß Gesetz ausschließlich die ägyptische Staatsbürgerschaft besitzen und müssen von ägyptischen Eltern abstammen" http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidentschafts­wahl_in_%C3%84gypten_2012

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volution mehr als 2.000 Menschen wegen ihrer politischen Ansichten verurteilt und inhaftiert worden seien. "Niemand kann in Ägypten seine Meinung frei äußern und es gibt kei­ne Versammlungsfreiheit." Menschen, die gegen die herr­schenden Zustände demonstrierten, würden verfolgt und getötet. Schon mehr als 12.000 Bürger seien verhaftet wor­den." (...) Maikel Nabil, der als Kriegsdienstverweigerer schon vor Beginn der Revolution im Gefängnis saß, war im März des letzten Jahres festgenommen und von einem Mili­tärgericht zunächst zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Diese Strafe wurde später auf zwei Jahre reduziert. Ihm wurde vorgeworfen, die Armee beleidigt, falsche Informa­tionen verbreitet und die öffentliche Sicherheit untergraben zu haben. Auf Facebook und in seinem Blog hatte er Artikel veröffentlicht, in denen er bestritt, dass das Militär die In­teressen des Volkes vertrete. "Die Armee stand nie auf Sei­ten der Menschen", schrieb er. "Wir sind zwar den Diktator losgeworden aber nicht die Diktatur.""32

Was ist die größere Gefahr?

Die Jugendbewegung 6. April vor der Stichwahl: "Zu­nächst einmal wenden wir uns prinzipiell gegen die Kandi­datur Ahmed Shafiks bei den Wahlen. (…) Außerdem: Wie soll es letztlich rechtmäßige Präsidentschaftswahlen geben, wenn dabei ein Vertreter des alten Regimes kandidiert, des­sen Sturz ja das Ziel der Revolution war? Unterstützt wird Shafik doch im Wesentlichen von Kadern der aufgelösten Nationaldemokratischen Partei (NDP) von Ex-Präsident Mubarak, die vor der Revolution Korruptionsnetzwerke un­terhielt sowie von Offizieren der Staatssicherheit, die nach der Revolution abtauchten oder sich zur Ruhe setzten. Ein Sieg Shafiks wäre das Ende der Revolution. Das muss ver­hindert werden, denn dieser Mann verkörpert das alte Re­gime. Deshalb gibt es auch Forderungen nach einer Wie­derholung der Wahlen unter Ausschluss Shafiks, weil er ei­gentlich gar nicht als Kandidat zulässig ist. Auf diese Posi­tion haben sich die meisten Organisationen der Revoluti­onsjugend bisher verständigt. Was den anderen Kandida­ten, Mohamed Mursi, angeht, so gibt es bisher keine ernst­haften Verhandlungen oder Gespräche mit den Muslimbrü­dern, um eine Einigung zu erreichen oder gemeinsame For­derungen aufzustellen. (…) Und viele Kopten und Angehö­rige anderer religiöser Minderheiten haben für Shafik ge­stimmt, weil sie eine Machtübernahme der Islamisten fürchten, was ja durchaus verständlich ist.“ Das ist ein in­teressanter Aspekt, den wir auch im syrischen Bürgerkrieg beobachten können. „Starken Rückhalt hat Shafik auch in­nerhalb der staatlichen Institutionen, etwa unter den höher gestellten Polizeibeamten oder im Innenministerium, wo

32 http://de.qantara.de/print/4577

man ja über Erfahrung im Umgang mit Wahlen verfügt.“ Maher weiters: „Insgesamt wurden doch die meisten Stim­men für die Revolution abgegeben, denn Shafik erhielt ja nur 20 Prozent der Stimmen, Abdel Moneim Aboul Fotouh und Hamdeen Sabahi dagegen fast 50 Prozent und die Muslimbrüder 25 Prozent. Die allgemeine Stimmung ist also gegen das alte Regime und seine loyalen Anhänger.“ Wie soll sich die Tahrir-Bewegung nun in der Stichwahl entscheiden? „Der Lösungsansatz, nun Mursi zu unterstüt­zen, steht durchaus im Raum und wir verschließen uns ihm nicht. Doch unsere Bewegung hegt natürlich Vorbehalte gegenüber den Ansichten der Muslimbrüder. (…) Vielfach haben sie uns in der Auseinandersetzung mit dem Militär­rat einfach allein gelassen. Zudem lösen die Muslimbrüder mit ihrem Verhalten und ihren Forderungen im Parlament große Ängste unter den Kopten aus. Sollte es uns gelingen, öffentlich ein Abkommen mit den Muslimbrüdern zu unter­zeichnen, das ihre Verpflichtungen uns gegenüber im Falle eines Wahlsieges Mursis klar festlegt, dann wäre die Opti­on, ihn zu unterstützen, durchaus eine realistische Lösung.“ (…) „Schließlich ist das alte Regime weiter in allen Staats­organen fest verwurzelt: in der Justiz, der Staatsanwalt­schaft, bei der Polizei und innerhalb der staatlichen Medien – einfach überall. Leider haben wir das alte Regime bisher gar nicht zerschlagen können, weil die Strukturen, das Rückgrat der autoritären Herrschaft Mubaraks, nicht auf­gebrochen wurden.“

Auch wenn die Variante, Mursi kritisch bei den Wahlen zu unterstützen, nicht richtig war, denn damit wäre Mursi doch irgdnwie als Alternative propagiert, kommt in diesen Zitaten von zwei bekannten Repräsentanten doch klar zum Ausdruck, dass nicht die Muslimbrüder, sondern das Militär und der alte Staatsapparat als der Hauptfeind betrachtet wird. Das war zweifelsohne richtig und mit dieser Klarheit war es in der Tahrir-Bewegung am Ende der Mursi-Präsi­dentschaft ein Jahr später vorbei. Die 52%, die Mursi im zweiten Wahldurchgang, der Stichwahl gegen den Kandida­ten aus der Mubarak-Riege erreichte, war mehr ein Votum gegen die Rückkehr zum alten Staat als eines für Mursi, der im ersten Durchgang 25% der Stimmen bekam.

Mursis Präsidentschaft selbst lässt sich in zwei Teile glie­dern: die Auseinandersetzung gegen den Einfluß des Mili­tärs, bei der der neue Präsident einige Punkte gewann, die strukturelle Macht der Streitkräfte aber nicht brechen konn­te und schließlich an ihnen scheiterte. Und zweitens die Agenda, mittels des Staates den Einfluß des Islams auf die ägyptische Gesellschaft zu erhöhen. Mit dieser Agenda rief er den anhaltenden Widerstand der demokratischen Bewe­gung auf den Plan. Eine Polarisierung, die schließlich das Militär geschickt ausnutzen konnte.

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Mohammed Mursis Präsidentschaft (21.8.2013)

Am 30. Juni 2012 legte Mohammed Mursi seinen Amts­eid ab. Die Präsidentschaft begann.

Damit beginnt eine einjährige Phase, die durch eine wi­dersprüchliche Entwicklung gekennzeichnet war: Einerseits führte die Präsidentschaft Mursi jenen Kampf weiter, der seit Mubaraks Sturz das Thema bestimmte: Den Druck des Militärs, die Revolution zu neutralisieren, zu kanalisieren und zurückzudrängen - abzufangen. Aber der Präsident führte diesen Kampf nicht auf der Straße, sondern mit den Mitteln und Methoden eines reaktionären Staatsapparates. Vermutlich ist das der Grund, weshalb eine reale Entmach­tung der Militärs und eine Lösung der Doppelmacht zu­gunsten der Revolution nicht gelingen konnte. Stattdessen "gelang" es Mohammed Mursi innerhalb eines Jahres, sich die Tahrir-Bewegung von einem Verbündeten zum Feind zu machen und die Bewegung in die Arme der Armee zu trei­ben, was freilich zu gleichen Teilen wiederum das Versagen der Tahrir-Bewegung deutlich macht, aber anderseits auch mit dem reaktionären Gesellschaftsbild der Muslimbrüder zusammenhängt. Unzählig die Berichte von Frauen der De­mokratiebewegung, die in diesem Jahr auf der Straße ge­mobbt, belästigt, genötigt oder vergewaltigt wurden. Erst in dieser Konstellation konnte das Militär die Doppelmachtsi­tuation endgültig für sich entscheiden und mit dem coup de etat reüssieren. Objektiv gesehen hat Mursi die Revolution bürgerlich abortiert und der Konterrevolution ausgeliefert.

Wäre dieses eine Jahr, als die Revolution sich noch in ei­ner Art labiler Doppelmacht mit dem Militärapparat befand, von einer Regierung genutzt, die sich auf die Straße und die Massen stützt ... es wäre wahrscheinlich die Doppelmacht zugunsten der Revolution ausgegangen.

Zwei Elemente Mursi´s Präsidentschaft

In der ersten Phase Mursis Präsidentschaft dominierte der Versuch, mittels der Institutionen, der Modifikation von Institutionen und der Besetzung wichtiger Verwaltungsposi­tionen den Einfluss der Militärs zurückzudrängen. In der zweiten Phase der Präsidentschaft dominierte der Kampf gegen die Demokratiebewegung. Aber auch der ersterer Aspekt, wiewohl die Stoßrichtung gegen das Militär pro­gressiv war, wurde mit solch reaktionären Methoden ge­

führt, dass am Ende nichts Fortschrittliches dabei heraus­kam.

Hier eine Zusammenfassung der Ereignisse33:

12. August 2012: Mursi setzt Verfassungszusätze außer Kraft, die seine Macht zugunsten des Militärs einschränken.

22. November: Mursi spricht dem Verfassungsgericht die Kompetenz ab, über die Rechtmäßigkeit des von Islamisten dominierten Verfassungskomitees zu entscheiden.

29. November: Im Eilverfahren peitscht das Verfas­sungskomitee seinen Entwurf einer neuen Verfassung durch. Christen und liberale Ägypter kritisieren den Text. Die Massenproteste halten an.

8. Dezember: Im Konflikt mit der Opposition gibt Mursi nach und annulliert seine Sondervollmachten.

15. Dezember: In zehn Provinzen beginnt die erste Ab­stimmungsrunde über den Verfassungsentwurf. Die Opposi­tion wirft den Islamisten Manipulation vor. Am 22. Dezem­ber beginnt die zweite Runde.

25. Dezember: Laut Wahlkommission stimmten 63,8 Prozent für die Verfassung.

25. Jänner 2013: Mindestens 500.000 Ägypter protestie­ren gegen Mursi.

26. Jänner: In Kairo werden 21 Menschen wegen ihrer Beteiligung an Fußballkrawallen mit 74 Todesopfern in Port Said im Februar 2012 zum Tode verurteilt. Nach dem Urteil eskaliert in Port Said die Gewalt. Es gibt Dutzende Tote und Hunderte Verletzte.

27./28. Jänner: Mursi verhängt den Ausnahmezustand über Port Said, Sues und Ismailija am Sues-Kanal. Trotz­dem gehen die Proteste weiter.

11. Februar: Am zweiten Jahrestag des Mubarak-Rück­tritts gehen mehr als zehntausend Ägypter auf die Straße. In mehreren Städten kommt es in den folgenden Wochen im­mer wieder zu gewalttätigen Protesten.

8. März: Die Wahlkommission beschließt die Verschie­bung der für April geplanten Parlamentswahl. Oppositions­gruppen rufen zum Boykott auf.

33 http://orf.at/stories/2189465/2189480/ gekürzt.

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2. Juni: Das oberste Verfassungsgericht spricht dem von Muslimbrüdern und Salafisten dominierten Oberhaus des Parlaments die Legitimität ab.

7. Juni: Mursi weist Rücktrittsforderungen zurück.

17. Juni: Mursi macht sieben Muslimbrüder und ein Mit­glied der ehemaligen Terrorgruppe Gamaa al-Islamija zu Provinzgouverneuren.

28. Juni: Tausende Demonstranten fordern Mursis Rück­tritt. Bei Zusammenstößen sterben mindestens drei Men­schen, darunter ein US-Bürger. Tausende Ausländer verlas­sen das Land.

30 Juni: In Kairo und anderen Städten gehen Hundert­tausende gegen den Präsidenten auf die Straße. Die Mas­senproteste markieren das Ende einer Unterschriftenkampa­gne, mit der er zum Rücktritt gezwungen werden soll. Die

Initiatoren von Tamarod (Rebellion) sammelten nach eige­nen Angaben über 22 Millionen Unterschriften gegen Mur­si.

1. Juli: Begleitet von weiteren Protesten fordert der Ar­meechef und Verteidigungsminister General Abdel Fattah al-Sisi, der Konflikt müsse innerhalb von 48 Stunden gelöst werden.

2. Juli: Mursi reagiert verärgert auf das Armeeultimatum

und lehnt einen Rücktritt weiterhin ab. Islamistische Politi­ker und Geistliche rufen die Ägypter auf, die legitime Füh­rung im Land zu verteidigen.

3. Juli: Nach Ablauf des Ultimatums setzt das Militär Mursi ab und kündigt eine vorgezogene Neuwahl an. Der Präsident des Verfassungsgerichts soll vorläufig Staatschef sein. Auch die von den Islamisten ausgearbeitete Verfas­sung wird vom Militär aufgehoben.

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Probleme des syrischen Widerstan­des (10.6.2012)

Der Syrische Oppositionelle Kamal al-Labwani im Pres­se-Interview: „Annan-Plan ist Lizenz zum Töten"34 – das ist ganz richtig formuliert. Der Aufstand in Syrien hatte längst den Punkt überschritten, bis zu dem ein friedlicher Kom­promiss möglich wäre. Damit bedeutet jeder Friedenplan mit dem Regime nichts anderes, als dieses implizit zu unter­stützen. Bas­har Assad konnte Zeit gewinnen und sich for­mieren, so wie bereits von 2008 bis 2011, genutzt wurden, die Rüstungsim­porte aus der Russischen Föderation um mehr als 500% gegen­über der Vor­periode zu­nahm.35 Der Friedenplan von Kofi An­nan war da­her von An­fang an reak­tionär und mit dem Blut der syrischen Zivilisten und Aufständischen gedränkt. „Laut Annans Plan sollte ab dem 12. April eine Feuerpause gelten. Diese wurde aber immer wieder ver­letzt. Die syrische Führung und die Rebellen machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Annan will dem UNO-Si­cherheitsrat am Donnerstag Bericht erstatten. Bei dem seit etwa 15 Monaten anhaltenden Aufstand gegen Präsident Bashar al-Assad sind nach UNO-Angaben mehr als 10.000 34 http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/763226/A

nnanPlan-ist-Lizenz-zum-Toeten?from=suche.intern.portal

35 http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/763083/Syrien-steigerte-Waffenimporte-um-580-Prozent?from=suche.intern.portal

Menschen getötet worden.“36

Kamal al-Labwani erklärt richtigerweise: „Der Annan-Plan basiert auf der Zustimmung des Regimes und ist des­halb sinnlos. Wenn das Regime heute seine Versprechen bricht, wird es nur mit neuen Friedensinitiativen „bestraft“. Die derzeitige Initiative ist für das Regime eine Lizenz zum Töten und kein Instrument, um den Konflikt zu lösen. Wir brauchen mehr Druck von außen.“.37

Wie soll der Druck von außen aber aussehen? Kamal al-Labwani meinte nicht eine internationale Kampagne der Arbeiterbewegung gegen das höchst repressive Regime in Damaskus. Stattdessen nimmt er das, was in seinen Augen die effektivste Lösung wäre: Eine militärische Intervention

des Westens, vorerst ge­tarnt als UN-Mission: „Wir brau­chen eine UN-Resoluti­on, die klar­stellt, dass in Syrien Kapi­tel VII wirk­sam wird. Die Beob­achtermissi­on muss auf 2000 Beob­achter ver­größert wer­den und eine UN-Frieden­struppe muss eingreifen. Wir brauchen jemanden,

der die Gewalt stoppt und die Minderheiten schützen kann.“38

Doch diese „Lösung“ verhindert bekanntlich die russi­sche Föderation im UN-Sicherheitsrat. Ist das gut? Nein, auch eine falsche Antwort auf eine falsche Frage ist falsch. 36 http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/763252/A

nnan-befuerchtet-moeglichen-Buergerkrieg-in-Syrien?from=suche.intern.portal

37 http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/763226/AnnanPlan-ist-Lizenz-zum-Toeten?from=suche.intern.portal

38 http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/763226/AnnanPlan-ist-Lizenz-zum-Toeten?from=suche.intern.portal

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Auch für die Gegner einer Intervention ist die russische Blockade zutiefst reaktionär, wie auch das undemokratische Gebilde UN-Sicherheitsrat als solches. Das russische Kal­kül besteht aus zwei Teilen: Einerseits möchte Moskau einen guten Kunden russischer Waffensysteme nicht verlie­ren – und angesichts der Komplexität der Technologie be­deutet der Lieferantenstatus eine politische Bindung, eine Machtkonstellation, die der russische Imperialismus sich nicht nehmen lassen möchte, von seinem Mittelmeer-Mari­nestützpunkt an der Syrischen Küste ganz zu schweigen. Der zweite Teil des Kalküls teilt Russland mit China: Eine Einmischung von außen in die inneren Angelegenheiten der Kerkerstaaten soll nicht Mode werden. Das ist eine zutiefst unheilige Allianz zwischen Putin, Assad und Hu, an deren Händen Blut trieft.

Die Assoziation mit der Heiligen Allianz der Restaurati­onsperiode 1815-1830 ist weit hergeholt aber in einem be­stimmten Punkt ziemlich sinnig: Es wird in andere Staaten interveniert um sie vor der Fortschritt, der vielleicht in un­demokratische Staaten intervenieren könnte, zu bewahren. Darauf lässt sich Russlands Haltung zu Syrien und zum ara­bischen Frühling reduzieren.

Statt sich nun aber mit dem Kampf für demokratische Rechte in Russland und China zu solidarisieren und ein in­ternationales Bündnis von unten zu schmieden, vertraut die Syrische Opposition darauf, Russlands Machthabern zu verstehen zu geben, sie wäre an keine Änderung des Paktes interessiert: „Wir haben den Russen versprochen, dass ihre Interessen in Syrien gewahrt bleiben. Aber bisher fruchtet das wenig. Auch die internationale Gemeinschaft muss auf Moskau einwirken. Es muss schnell gehen. Die Zeit vergeht und Zeit ist Blut in Syrien. (...) Wenn die internationale Ge­meinschaft der syrischen Bevölkerung aber nicht hilft, dann finden al-Qaida und die Salafisten eine Chance, aktiv zu werden. Dann könnten sie versuchen, die Syrer auf ihre Sei­te zu ziehen.“39

In diesem Passus ist absurd, dass die Interessen Russ­lands gewahrt sein sollen. Putins Interessen in Syrien de­cken sich ja mit jenen Assads. Überhaupt besteht das Dra­ma der syrischen Revolution gerade darin, dass sie immer mehr der Spielball anderer Mächte wurde. Russland, Groß­britannien samt anderer westlichen Mächte, der Iran nebst der Hisbollah, Israel und die Türkei, Al-Qaida, Katar und die Golfstaaten, Saudi Arabien ... sie alle haben mittlerweile auf die eine oder andere Art ihre Finger in Syrien und ver­wandeln damit die Revolution in einen Stellvertreterkrieg.

39 http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/763226/AnnanPlan-ist-Lizenz-zum-Toeten?from=suche.intern.portal

Egypt: Revolution and Conterrevo­lution (14.12.2012)

“Demonstration gegen die Verfassung in Ägypten14.12.2012, Wien, 15 Uhr

Die Dekrete Mursis und der formell und inhaltlich um­strittener Verfassungsentwurf sorgten für eine breite Protest­welle in Ägypten. Die Weigerung des Regimes, die von ihm verursachte Polarisierung in der Bevölkerung, sowie die ge­walttätigen Übergriffe seiner Anhänger führten zu weiterer Eskalation. Nun protestieren Ägypter und Ägypterinnen überall in Solidarität mit der Bewegung und gegen den Ver­fassungsentwurf und gegen die Abhaltung einer Volksab­stimmung über eine Verfassung, welche das Volk mehr spaltet als vereinigt. Auch in Wien rufen Ägypter zum De­monstrieren auf. Im folgenden senden wird den Aufruf ägyptischer Aktivisten zu einer Solidaritäts-und Protest­kundgebung am kommenden Freitag, 14. Dezember am Wiener Stephansplatz. Die momentane Situation in Ägyp­ten sorgt für große Aufruhr, nicht nur im eigenen Land, son­dern auf der ganzen Welt. Anstatt Fortschritte zu machen,wird das Land langsam wieder in eine Diktatur umgewan­delt. Wir sind mit folgenden Punkten in der neuen Verfas­sung nicht einverstanden:

- Einschränkung der Pressefreiheit (Artikel 49 und 215)- Abschaffung der allgemeinen Gesundheitsversicherung (Artikel 62)- Keine Garantie für Inhaftierungen innerhalb eines staatli­chenGefängnisses (Artikel 36)- Auflösung von Gewerkschaften (Artikel 52)- Einschränkung der Frauenrechte (Artikel 10)- Einschränkung der Rechte religiöser Minderheiten (Arti­kel 3, 4, 43, 54,212)- Immunisierung des Militärs und Rechtfertigung militäri­scher Verfahrengegen Zivilisten (Artikel 198)

Wir sagen NEIN zu dieser ungerechten Verfassung, die keine Freiheit und keineGerechtigkeit in Ägypten garantiert.

Freitag, 14. Dezember 2012 – 15:00WienStephansplatz” Quelle: “Antiimperialistische Koordination” <[email protected]>

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Economic growth rate and wealth per capita / employed

(7.3.2012)

Während die BIP-Zuwachsraten der arabischen Welt im Schnitt seit 1975 größer waren als die der Welt, stagnierten seitdem alle volkswirtschaftliche Wohlstandindikatoren der arabischen Welt, während dieselben im Weltdurchschnitt zunahmen.

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30 kurze Thesen zum „arabischen Frühling“ (7.3.2012)

1. Die umwälzenden Ereignisse in Tunesien, Ägyp­ten, Libyen, Syrien, Jemen, Bahrain und anderen Ländern der Region haben eine gemeinsame Ursache. Ökonomi­scher Abstieg, geringe Beteiligung der Massen an den na­tionalen Ressourcen, kombiniert mit einem kleinlichen und repressiven Polizeistaat. Es handelt sich um eine Kombina­tion sowohl sozialer als auch politischer Gründe - etwa der Kampf um demokratische Rechte - die zu den Erhebungen der Massen führen. Die Berichte, die zur Verfügung stehen, sprechen weniger davon, dass ein wirtschaftlicher Aufstieg zu der Forderung nach mehr Mitsprache und Partizipation führte, sondern der Abstieg. Auch die Verbreitungszunahme des Internet ist nicht der Motor der Revolution, sondern bloß ein nicht unwichtiges Mittel zur Mobilisierung.

2. Sobald die ersten Demonstrationen die gewaltsame Reaktion des Regimes auf sich zog, konnte neben dem so­zialen Elend und der politischen Repression ein dritter An­trieb der Revolutionen deutlich werden, der nicht ganz so leicht in kurze Worte zu fassen ist: Der Unwille, weiterhin nach vielleicht 30-40 Jahre „gebückt zu gehen“, die Demü­tigungen weiterhin zu internalisieren, ohne wenigstens ma­teriell davon zu profitieren … ab einem bestimmten Punkt erscheint die Gefahr, bei Demonstrationen umzukommen als das kleinere Übel als sich selbst weiterhin wegen des Sich-Ducken verachten zu müssen. Eine treffende Selbstbe­zeichnung machten die Tunesier zu Beginn der ganzen Ent­wicklung: Sie sprachen von der „dignity revolution“. Es ist daher bei allen nationalen Besonderheiten gerechtfertigt, von einem gemeinsamen roten Faden zu sprechen. Wer den Umsturz etwa in Tunesien begrüßt, müsste dies etwa auch z.B. in Syrien tun. Es handelt sich um ein politisches Phä­nomen einer Region, die etwa von Mauretanien im Westen bis zum Oman in Osten, vom Norden Syriens bis zum Sü­den Ägyptens reicht.

3. Der „arabische Frühling“ sendete Wellen um den halben Erdball aus. Nachwirkungen waren abgesehen von China z.B. auch in Russland zu erkennen, wo es zum ersten mal seit langem zu Massendemonstrationen gegen die Re­gierung kam. Hier stand die demokratische Frage im Vor­dergrund, während bei der spanischen „Puerta-del-sol-Be­wegung“ ökonomische, allerdings auf dem Niveau eines europäischen Landes, im Vordergrund stand. In diesen Fäl­len strahlte der arabische Frühling aus und gab Inspiration – aber auf einer ganz anderen materiellen Basis und daher mit

weniger Mut, weniger Verzweiflung und somit mit be­schränkteren Zielen. Erst recht trifft das auf die Occupy-Be­wegung zu.

4. Die meisten der alten Regime waren ganz gut in das geopolitische System des Westens integriert, das traf in den letzten Jahrzehnt auch auf Gadaffis Libyen zu. Umso weniger tief waren die Regimes trotz gutdotierten Sicher­heitsapparat in ihren Ländern verankert. Es ist eine inter­essante Erfahrung, die etwa - bei allen sonstigen Unter­schieden - an die DDR erinnert, dass ein Sicherheitsapparat, der das halbe Land wie eine Krake umschlingt, dennoch ei­gentlich ein Fremdkörper bleiben und dann überraschend binnen weniger Monate abgeschüttelt werden kann.

5. In allen betroffenen Ländern der Region entwickel­te sich eine eigene Dynamik: Es begann oft mit kleinen Protesten, die sofort übermäßig blutig unterdrückt wurden. Die Begräbnisse der Repressionsopfer wurden wiederum zu bereits größeren Kundgebungen, bei denen wiederum Blut floss. Doch mit jeden dieser Eskalationsschritten und mit je­dem Mehr an Menschenopfern lohnte sich die Umkehr ins Geleis der Normalität immer weniger, denn dann wären ja die bisherigen Opfer umsonst gewesen. Somit kehren die Massen nicht mehr um und es wird der Punkt erreicht, ab dem immer mehr Polizisten und Soldaten den Schießbefehl verweigern und sich eher selbst in Gefahr bringen, als noch mehr unter den eigenen Leuten das Blutbad zu vergrößern.

6. Mit dem Abfall von Truppen von der Regierung kommt zu den Massendemonstrationen das Element des Bürgerkrieges hinzu. Aber dies ist bloß die militärische Sei­te des Konflikts – und der allgemeinen Spin untergeordnet, es handelt sich dennoch um eine Revolution, nicht um einen Bürgerkrieg in dem Sinne, dass zwei Fraktionen der Eliten den Staatsapparat in zwei gegeneinander vorgehende Teile getrennt hätten. Der Charakter der Revolution wird nicht dadurch geändert, das sich bewaffnete Einheiten der Aufständischen bilden – einzig die Chance auf einen Sieg über das alte Regime wird damit vergrößert. Die Umstürze gelingen nur dann, wenn entweder relevante Teile des Staatsapparats - aus welchen Gründen auch immer - die Es­kalation des alten Regimes nicht mehr mittragen oder in­dem überhaupt neue, halbstaatliche bewaffnete Organe ge­bildet werden, die militärisch siegen.

7. Um eine Revolution handelt es sich nicht im sozia­len Sinne, also in dem Sinne, dass die Produktionsverhält­nisse umgewälzt werden. Wir machen die Anwendung des Begriffs „Revolution“ auch nicht davon abhängig, wer aller ihn gegenüber den aktuellen Auseinandersetzungen gerade verwendet oder nicht verwendet. Der Begriff ist angemes­sen, weil die Staatsmacht von unten, von den Massen her, angegriffen wird. Die Massen wollen oder können sich so

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nicht mehr regieren lassen und die Machtapparate können nicht mehr so weiterregieren wie bisher. Der Unterschied zwischen einer Revolution und anderen Formen der Aus­einandersetzung liegt aber auch darin, von wem der Impe­tus ausgeht. In Nordafrika und Westasien ging die Bewe­gung von unten aus, vergrößerte sich durch die unverhält­nismäßige Gewaltanwendung der Regimes und ab einer be­stimmten Größe zog die Bewegung auch Teile der Eliten, der herrschenden Klassen, Honoratioren und deklariert pro-bürgerliche Kräfte an - wie im Falle des NTC Libyens.

8. Das ist somit die genau gegenteilige Entwicklungs­dynamik als etwa bei der „Orangenen Revolution“ (Ukraine 2004), die zu unrecht den Titel „Revolution“ trägt. Hier be­gann der Konflikt bei dem Aufeinanderprallen zweier Frak­tionen der herrschenden Klasse, die in weiterer Folge je­weils auch Massenunterstützung an sich zogen, die dann auch Massenkampfformen (Generalstreik, Demonstratio­nen, Sit-Ins) anwendeten. Andererseits hatten die Platzbe­setzungen in Spanien vom Mai 2011, die keine Teile der herrschenden Klassen anzog, weder die Größe, noch den in­neren „drive“ als Revolution zu gelten.

9. Es handelt sich beim „arabischen Frühling“ um eine demokratische Revolution. Dieses Hinweis ist zuerst einmal notwendig, weil mancherorts im Westen der Begriff „Revolution“ nur als soziale Revolution gedacht wird. An­derseits hatte der Begriff „demokratische Revolution“ in Halbkolonien auch eine unglückliche Tradition, indem das Programm der Revolution in einer Art Ablöse von ver­meintlichen feudalen Zuständen auf die Entwicklung des Kapitalismus beschränkt bleiben sollte. Das war vermutlich bereits während des gesamten 20. Jahrhunderts Unsinn, erst recht im 21. Jahrhundert, wo ein Großteil der Bevölkerung als Lohnarbeiter lebt und der Kapitalismus – eingebettet in die Globalisierung – längst den Grundbesitzer overruled hat. Somit bekamen die „Werkbank-Länder“ Nordafrikas die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu spüren, aber gleichzeitig bei jedem Streik, jeder Kundgebung, ja bei je­dem kritischen Bloggen einen gleichermaßen hochgerüste­ten wie bornierten Sicherheitsapparat. Der Begriff demo­kratische Revolution bedeutet weder, dass der Grund für die Revolutionen einzig und allein und losgelöst von der sozia­len Lage in einem Defizit demokratischer Grundrechte zu finden ist. Erst recht bedeutet dieser Begriff nicht, dass das Ziel der Revolution in einer „reinen Demokratie“ liegen kann. Der Begriff „demokratische Revolution“ bedeutet bloß, dass aktuell um demokratische Forderungen und An­liegen gekämpft wird. Aber es wird mit den Methoden des Massenkampfes und zugespitzt um die Staatsmacht ge­kämpft – insofern ist der Begriff „Revolution“ ganz tref­fend.

10. Entgegen der Einschätzung in westlicher Medien

endet die Revolution mit dem Sturz der alten Regimes nicht, es ändern sich damit nur die Kampfbedingungen. In Tunesien, Ägypten und Libyen schloss an die Flucht Ben Alis, der Absetzung Mubaraks und der Hinrichtung Gadda­fis eine Phase der Instabilität an: Einerseits wurde der Weg zu einigen tatsächlichen Reformen, Parlaments- und Präsi­dentschaftswahlen, einer neuen Verfassung, Parteienzulas­sung, der Formierung neuer Medien aufgestoßen, anderseits wurde der Elan, das Land von Grund auf zu verändern, auf die lange Bank geschoben, in institutionelle Kanäle geleitet, bis von der Kraft und Unmittelbarkeit der Straße nur noch wenig übrigbleibt. Und Drittens wurde mit dem Aufräumen nur halbe Sache gemacht und Teile des Staatsapparates blei­ben, was und wie sie immer waren. Gegenüber diesem fau­len Kompromiss formierte sich eine militante Minderheit wieder auf der Straße und machte die Erfahrung, dass auch die neuen Polizisten und Soldaten scharfe Munition parat haben und diese auch einzusetzen bereit sind. Die neue, ge­meinsame Nation aller die gegen das alte Regime auf der Straße waren, gibt es offensichtlich gar nicht.

11. Das alles bedeutet klarerweise nicht, dass die Re­volution schlecht wäre, dass sich das Blutopfer nicht be­zahlt gemacht oder gar, dass das alte Regime recht gehabt hätte. Das alles bedeutet nur, dass die Revolution objektiv noch nicht abgeschlossen ist. Wie gesagt, haben sich nur die Kampfbedingungen geändert. Nun muss eine Minderheit eine mit den neuen Verhältnissen vorerst befriedigte Mehr­heit dazu gewinnen, demokratische Verhältnisse konsequent zu erkämpfen. Das gelingt aber nur, indem der Staatsappa­rat von einer Formation intransparenter und von der Bevöl­kerung separierter Einheiten zu einem transparenten Halb­staat wird, in dem die Bevölkerung selbst ihre Leute in die entscheidenden Komitees und Räte beruft und jederzeit wieder austauschen kann. Damit einhergehend müssen die bürgerlichen Kräfte, die nun an einem Schwenk des Landes in die ruhigen Bahnen der parlamentarischen Demokratie arbeiten, von den verantwortlichen Stellen abgezogen wer­den. Dazu sollten sich die militanten Kämpfer der sozialen Lage zuwenden, die Forderungen der Verarmten aufgreifen und zuspitzen, indem Betriebe und ökonomische Ressour­cen unter Arbeiterkontrolle nationalisiert werden, die Arbeit auf alle aufgeteilt wird, die Verträge mit dem Westen ge­kündigt bzw. neu verhandelt werden und die Wirtschaft un­ter einen demokratisch erstellten Wirtschaftsplan gestellt wird. Kurzum, die demokratische Revolution muss sich zu einer sozialen Revolution weiterentwickeln. Dies wird den bewaffneten Widerstand der einheimischen Bourgeoisie und der Großmächte hervorrufen, wogegen auch Vorberei­tungen getroffen werden müssen.

12. Gelingt es nicht, aus der demokratischen Revoluti­on eine soziale zu machen, droht früher oder später der backslash und die bisherigen Errungenschaften werden zu­

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1815 in Europa.

17. Damit wird kein gesellschaftlicher Fortschritt er­zielt werden. Hingegen kann der Kampf gegen den gesell­schaftlichen Einfluss religiöser Strömungen mit Erfolg nur offen geführt werden. Also nicht in Allianz mit dem staatli­chen Unterdrückungsapparat, sondern indem für ein Pro­gramm der Lösung der sozialen Missstände gekämpft wird. Genau diese Perspektive bedeutet aus der demokratischen Revolution eine soziale machen. Erst wenn die materiellen Sorgen der Menschen ausgeräumt sind, werden religiöse Ideologien überflüssig werden. Nur der europäische Klein­bürger, der bequem in seinem „Ohrensessel“ (frei nach Thomas Bernhard) sitzt, träumt vom zivilisatorischen Er­folg des aufgeklärten Despotismus in der wilden Halbkolo­nien.

18. Freilich leben wir nicht in einer Welt, in der nicht nur die inneren Veränderungen der Länder des arabischen Frühlings zählen. Auch die Auswirkungen auf der interna­tionalen Ebene spielt eine Rolle bei der Bewertung revolu­tionärer Ereignisse. Erst recht gilt dies für die Region Nord­afrika-Westasien, die für die westlichen Großmächte, aber auch für den konkurrierende Großmächte wie Russland und China eine bedeutende Rolle spielt. Teilweise sind dies Länder der Region Energieproduzenten, teilweise sind sie verlängerte Werkbanken, wie Tunesien oder Ägyptens Tex­tilindustrie. Genauso wichtig ist die militärisch-politische Komponente: Ägypten war unter Mubarak verlässlicher Verbündeter Israels und der USA und erhielt dafür jährliche Militärhilfe in Milliardenhöhe. Syrien wiederum war bis­lang treuer Waffenkäufer Russlands und ein lokales Gegen­gewicht zu dem amerikanischen Einfluss vor Ort sowie Bindeglied zwischen dem Iran der Hisbollah. Libyen wie­derum war zwar auch Importeur russischer Waffensysteme (abgesehen von westeuropäischen), aber seit zehn Jahren lokaler Polizist Europas, der die schwarzafrikanischen Im­migranten vor einen Zuzug nach Europa abhielt – im Ge­genzug investierten die westeuropäischen Länder in die li­bysche Infrastruktur und unterhielt Ölförder- und verarbei­tungsverträge.

19. Die Tatsache, dass die demokratischen Revolutio­nen in Ländern mit einer so unterschiedlichen internationa­len Stellung wie Ägypten, Libyen und Syrien ergriff, de­monstriert, dass es den Revolutionären nicht um Stärkung oder Schwächung eines bestimmten internationalen Blocks, etwa USA-EU vs. Russland / China ging, sondern um ge­nuine Anliegen der Menschen. Sie standen auf gegen das, was die alten Regines verbindet, und nicht gegen das, was sie unterscheidet – etwa die außenpolitische Orientierung. Das, was die alten Regimes der Region verbindet: ein klein­licher und bornierter, aber hochgerüsteter Polizeistaat. Täg­liche Schikanen bei kaum einer Aussicht auf zumindest

wirtschaftlichen Aufstieg.

20. Als der arabische Frühling begann, reagierten die westlichen Großmächte zuerst mit einer Mischung aus Skepsis, Zurückhaltung und Ablehnung. Der strategische - nicht der taktische - Punkt für den Westen ist die Erhaltung bzw. Wiedererrichtung der politische Stabilität vor Ort. Noch im Februar 2010 hieß es von Fr. Clinton und Fr. Mer­kl „der Übergang zur Demokratie im arabischen Raum hat Risken und ist gefährlich. Stabilität und Sicherheit ist ein mindestens genauso zentraler Wert“. Die strategische Kate­gorie der Großmächte lautet „Stabilität“ und nicht „Wandel“. Der etwas schwächere Großmächteblock beste­hend aus Russland und China hatte vor Ort etwas weniger zu verlieren, fürchtete aber im Gegensatz zu dem formell-demokratischen Westen umso mehr das ansteckende Bei­spiel demokratischer Revolutionen.

21. Die taktische Haltung der westlichen Großmächte zu den demokratischen Revolutionen änderte sich erst, als entweder - wie in Tunesien und später Ägypten - die alte Despoten nicht mehr zu halten waren, weil die Gegenseite stärker war oder – wie im Falle Libyens und nun Syriens – die extrem blutige Repression der alten Regimes zu einem größeren Ausmaß an politischer Instabilität führte als ein Sieg von neuen Kräften. Die westlichen Großmächte unter­stützen die demokratischen Revolutionen nicht grundsätz­lich, sondern nur, sofern es sich im Interesse der Stabilität nicht vermeiden lässt.

22. Freilich ist Stabilität eine relative Sache und der Ausgang immer ungewiss. In Ägypten führte die demokra­tische Revolution zu einer Beschädigung der von der USA und der EU gewünschten guten Beziehungen zu Israel und eine ganze Reihe von neuen Spannungen waren die Folge. In Libyen führte die NATO-Militärintervention zu einer Stärkung der Position der USA vor Ort, obwohl Obama Frankreich und Großbritannien den Vortritt ließ. „Sicher­heitspolitisch“ ist Libyen nun stärker westlich orientiert, wiewohl auch das Gaddafi-Regime nichts antiimperialisti­sches mehr an sich hatte. Was die Ölverträge betrifft, so werden diese von der neuen Regierung neu vergeben und jene Länder bevorzugt, die sich an der Militärintervention beteiligt hatten.

23. Dort, wo die westlichen Großmächte die demokra­tische Revolution gegen die alten Regime unterstützen, ge­schieht dies mit den Methoden und Mitteln des Westens, also auf eine dezitiert bürgerliche Art und Weise. Damit werden auch Kräfte aufgebaut, die die Verwirklichung der demokratische Revolution blockieren. Eine echte Demokra­tisierung wäre nur möglich, wenn die Revolution in eine so­ziale übergeht. Am deutlichsten war dieser Zusammenhang in Libyen sichtbar: Die lokalen Räte und Komitees waren

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zuerst dem TNC noch nicht völlig untergeordnet sondern hatten das Potential zu einem proletarischen Staatstyp. Auch der TNC war vor einem Jahr noch weniger vor den bürgerlichen Kräften dominiert und in Bengasi hin ein Transparent mit dem Slogan „No foreign intervention – Ly­bien peaope can manage it alone“. Aber synchron mit der NATO-Intervention wurde der TNC in seiner führenden personellen Zusammensetzung verbürgerlicht und von den lokalen Strukturen abgehoben. Die Chance die Revolution durch den Übergang in eine soziale verwirklichen zu lassen, wurde noch kleiner.

24. Daher sollte die Intervention der Großmächte be­kämpft werden, sei es durch eine Antikriegsbewegung im Westen, die sich auf Methoden des proletarischen Massen­kampfes orientiert, sei es durch den militärischen Wider­stand gegen die Intervention vor Ort. In dieser Hinsicht ist eine Einheitsfront mit den Truppen der alten Regimes ge­gen die westliche Intervention angebracht, während gleich­zeitig die Revolution im Inneren gegen das alte Regime un­terstützt werden muss. Mit Gaddafi freilich war eine Ein­heitsfront gegen die NATO-Intervention schon allein des­wegen schwierig, weil er 95% seiner militärischen Kapazi­täten gegen die eigene Zivilbevölkerung und die Revolution einsetzte und nur 5% gegen die NATO! Umso wichtiger in solch einer Konstellation, an dem inneren Kampf gegen das Regime nicht nachzulassen, sondern im Gegenteil diesen zu radikalisieren und intensivieren.

25. Teile der Linken im Westen änderten mit Beginn der NATO-Intervention in Libyen ihre grundsätzliche Hal­tung zur demokratischen Revolution. Überwog zuvor die Sympathie, wandelte sich dies zu einer Ablehnung. Die Umstürze der „nützlichen Idioten“ würden nur dazu beitra­gen, den Einfluss des Imperialismus in der Region zu stär­ken, gezielt werde das Menschenrechtsthema in westlichen Medien aufbereitet, um die Stimmung für diplomatische, wirtschaftliche und sogar militärische Maßnahmen gegen die Regimes zu mehren. Letztlich sei es die Außenpolitik der Russischen Föderation oder Chinas, die zumindest noch ein letztes Bollwerk gegen eine Intervention darstellt.

26. Diese Haltung ist reaktionär. Sie kopiert dabei – vielleicht unbewusst – die politischen Logik der Großmäch­te, die da lautet: „der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Diese Haltung ist nicht souverän, sondern immer abhängig von der aktuellen Haltung des Westens. Es ist ein eindimensionales Verständnis von Geschichte, die keinen eigene gesellschaftliche Kraft mehr erkennt. Es handelt sich um die hundertsten Aufguss von den Vorwurf, der seit 1917 den russischen Revolutionären gemacht worden ist: Die Agenten (ob bezahlt oder unbewusst als „nützliche Idioten“) des deutschen Imperialismus zu sein, der sich mit der Revolution eine Kriegsfront einsparen wollte. Zu recht

ließen sich die Bolschewiki von Vorwürfen dieser Art nicht beeindrucken.

27. Das heutige Russland und China sind Großmächte, nicht weniger reaktionär und imperialistisch als der Westen, bloß ökonomisch, militärisch und politisch zur Zeit schwä­cher. Eine Kräfteverlagerung zu diesen zweiten Block ist genauso wenig ein Fortschritt für die Menschheit wie eine Stärkung des Westens. Wenn keine anderen Werte dem ent­gegenstehen, ist die fortschrittliche Haltung gegenüber ei­nes Konflikte zwischen dem Westen und dem zweitmäch­tigsten imperialistischen Block (Russland und China) der Defaitismus.

28. Zu Ende gedacht bedeutet die Haltung der klein­bürgerlichen Linken, dass jedes Regime die Massen solan­ge blutig unterdrücken darf, wenn es sich nur irgendwie selbst in Frontstellung zu den westlichen Großmächten bringt oder gerät. Nach dieser Logik ist jede Revolution, und sei sie von ihren Zielen, Methoden und beteiligten Kräften noch so „lupenrein“, bald auf der Abschussliste und ein stillschweigendes Bündnis der Linken mit der Fried­hofsruhe der Polizeiherrschaft hergestellt.

29. Zugespitzt lautet die Frage folgendermaßen Was ist das höhere Gut für den Fortschritt der Menschheit: die Re­volution, auch wenn sie scheitern kann, oder die Aufrecht­erhaltung der Freidhofsruhe, wenn damit nur jegliche Inter­vention der westlichen Großmächte verhindert werden kann? Bricht irgendwo eine Revolution aus, sollte man den Leuten sagen: „Psst nicht so laut, geht lieber nach Hause, ihr provoziert sonst gar noch das sich die NATO in Bewe­gung setzt!“ ... Mit dieser Haltung freilich haben die Groß­mächte bereits gewonnen.

30. Die demokratische Revolution des arabischen Frühling ist mit zahlreichen Schwächen und Gefahren be­haftet, aber ihr Erfolg würde der ganzen Welt demonstrier­ten, dass es sich lohnt, gemeinsam aufzustehen und sich zur Wehr zu setzen. Diese Lektion wäre die schärfste Waffe ge­gen die diversen imperialistischen Lager und den mit ihnen verbundenen Polizeiregimes vor Ort. Freilich kann die de­mokratische Revolution nur gewinnen, wenn sie ihre eige­nen bürgerlichen Führer abschüttelt. Mit welchen Forderun­gen und Mobilisierungen dies am ehesten geschehen kann, ist nicht Inhalt dieser Thesen, sondern müsste durch eine sorgfältige Analyse vor Ort unternommen werden (doch scheint die Forderung nach einer verfassungsgebenden Ver­sammlung mit lokalen Delegierten meist angebracht zu sein). Diese Auseinandersetzung kann aber nur führen, wer zuerst den Schritt in das Lager der Befürworter der Revolu­tion unternommen hat. Alle anderen bleiben Lakaien der al­ten Ordnung.

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Generalstreik in Syrien (2.3.2012)

Die demokratische Revolution in Syrien organisierte

heute einen Generalstreik. Bereits letztes Jahr wurde am 18.5. und am 11.12. Generalstreiks ausgerufen, letzterer wurde im Nordwesten, im Süden und Teilen von Damaskus vor allem aber in Daraa und Homs befolgt. Streiks in Syrien umfassen nicht nur Produktionsbetriebe, auch Kleinhändler und Ladenbesitzer spielen dabei eine wichtige Rolle. Der nächste Streik fand am 29. Dezember 2011 statt, daraufhin

Ende Februar.

Heute wurde ebenfalls von einem Generalstreik berich­tet, in einer Situation wie in Syrien haben Streiks vermut­lich weniger den Charakter, die Produktion zu stoppen, son­dern den Widerstand gegen den staatliche Repression zu or­ganisieren.

Alle Kampfreportagen von Suleiman aus Syrien: http://www.demotix.com/search/context?filters=uid%3A33626

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Cairo: Militär-Kampfgas gegen De­monstranten? (26.11.2011)

Ärzte und Demonstranten berichtet von Symptomen wie Erstickungsanfälle von Patienten der Straßenkämpfe um den Tahrir -Platz. Verschiedene Indizien weisen darauf hin, dass das Militär gegen die eigene Bevölkerung ein militäri­sches Kampfmittel verwendet. z.B.: http://www.youtube.com/watch?v=WPZJr4fK0oU

Hier die Zusammenfassung des jüngsten reports über die Menschenrechtsverletzungen der Militärregierung in Egyp­ten:

“Amnesty: Seit dem Sturz Mubaraks sind Menschen­rechtsverletzungen teils schlimmer geworden

Ägypten: Neue Machthaber regieren mit Mubaraks Me­thoden

22. November 2011 – “Der Oberste Militärrat glaubt, dass Freiheit, Gesetze, Gleichheit, Demokratie…die Grundlage für die Regierung sein muss, das Land in die Zukunft zu führen” – das versprach der Militärrat im Fe­bruar dieses Jahres in einer Grundsatzerklärung. Doch die Realität sieht anders aus – das dokumentiert ein heute ver­öffentlichter Bericht von Amnesty International: “Der Oberste Militärrat löst friedliche Proteste regelmäßig ge­waltsam auf – wie auch an diesem Wochenende. Tausende Zivilisten wurden vor Militärgerichte gestellt und die Not­standsgesetze sind noch immer nicht aufgehoben. Die neu­

en Machthaber haben einfach die Tradition der Unter­drückung aus der Mubarak-Ära fortgesetzt. Genau gegen diese Tradition hatten sich die Demonstrierenden in Kairo so entschieden gewandt,” sagt Henning Franzmeier, Ägyp­ten-Experte bei Amnesty International.

12.000 Zivilisten wurde in den letzten Monaten vor Mili­tärgerichten ein unfairer Prozess gemacht. Mindestens 13 von ihnen sind zum Tode verurteilt worden. Die angebli­chen Vorwürfe gegen die Beschuldigten: rücksichtsloses Verhalten, Missachtung der Ausgangssperre, Sachbeschä­digung oder Beleidigung der Armee. Kritiker des Militärra­tes, Demonstranten, Journalisten, Blogger oder Streikende werden verfolgt und schonungslos zum Schweigen ge­bracht. Der gewaltlose politische Häftling Maikel Nabil Sa­nad ist zum Symbol für diese Politik geworden. Ein Militär­gericht verurteilte den Blogger im April zu drei Jahren Haft. Die Anklage: Kritik an der Armee und Verweigerung des Wehrdienstes. Seit August ist Maikel Nabil im Hunger­streik – notwendige Herzmedikamente verweigern ihm die Machthaber.

Auch Folter gehört zu den Methoden des Militärs: Be­troffene berichteten Amnesty, dass sie in Armeegewahrsam misshandelt wurden. “Das ägyptische Militär darf die Si­cherheit nicht als Vorwand nutzen, um altbekannte Prakti­ken, wie wir sie unter Mubarak erlebt haben, einfach fort­zusetzen. Sie sind ihren Versprechen, die Menschenrechte im Land zu achten, in keiner Weise nachgekommen – ganz im Gegenteil: die Menschenrechtslage ist in einigen Fällen sogar schlechter als früher”, so Henning Franzmeier.

siehe auch: http://www.amnesty.de/presse/2011/11/22/aegyp­ten-neue-machthaber-regieren-mit-mubaraks-methoden

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Offenlegung gemäß §25 Mediengesetz 1981 in der Fassung 2007: Medieninhaber ist zu 100% Hr. Martin Seelos,Wien. Grundlegende Richtung (Blattlinien) des Medienw erkes: kultur magazin ist kein Kultur- Veranstaltungskalender, hat nichts mit demkommerziellen und off iziösen Kunst– und Kulturbetrieb auf dem Hut und ist von politischen Parteien und Vereinens unabhängig.kultur magazin sucht die Kultur im Alltag und bietet Auseinandersetzung mit aktuellen, historischen und strukturellen Aspekten der Gesellschaft.

Impressum: Beiträge, Fragen, Anregungen, Kritik und Mitarbeit an: [email protected] auch: http://kulturkritik.blogw orld.at —————————————————————kultur magazin — ein Medienw erk zur Exploration des Zeitgeistes (§50, 4. Mediengesetz 1981, Novelle 2007, kann Anw endung f inden); Kostenersatz bei Weitergabe: 2€.Impressum: Medieninhaber, Hersteller, Herausgeber, Redaktion: Martin Seelos; Verlags– und Herstellungsort: Wien

Bildquellennachw eis: Seite 4, 2 und 20: w ikipedia; Foto Seite 28: Suleiman, Demotix(http://w w w.demotix.com/sites/default/f iles/imagecache/large_652x488_scaled/photos/1085529.jpg); alle anderten: Martin Seelos 2013

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Das befreite Libyen und die neue Interventionsgefahr

(25.8.2011)

Die Gefahr, dass sich der politische, wirtschaftliche aber auch militärische Einfluss des Westens in Libyen verstärkt, diese Gefahr ist seit der Eroberung Tripolis durch die Auf­ständischen eher noch gestiegen anstatt gesunken.

Denn nun geht es nicht nur um die Neuverteilung wirt­schaftlicher Privilegien an die westlichen Konzerne – wobei hier vor allem die Interventionsländer Frankreich, die USA und Großbritannien die Nase vorne haben. Nein, es geht auch darum, dass die aktiven NATO-Staaten ihren Fuß bei dem Aufbau von neuen „Sicherheitsstrukturen“ in Libyen haben wollen. In der nun anrollenden Vordebatte zu diesem Thema wird nun auch gerne das Beispiel Iraq herangezo­gen, wie dieser Artikel demonstriert:

„(...) Langsam lichtet sich der Nebel des Krieges, lang­sam werden die Meldungen zuverlässiger. Es ist wie ein Déjà-vu. Nur ist es diesmal der Shadid-Platz, nicht der Fir­dous-Platz, auf dem der Sieg über den Diktator gefeiert wird, es ist Tripolis und nicht Bagdad, und es sind die Por­träts von Oberst Muammar al-Gaddafi und nicht die von Saddam Hussein, die von den Gebäuden gerissen und durch den Dreck gezogen werden. Doch vor acht Jahren war es ein US-Panzer, der die Saddam-Statue vom Sockel gezogen hat, in Tripolis waren es die Libyer selbst, die Gaddafi aus seiner Festung Bab Al-Azizia vertrieben ha­ben.Von Karl Marx stammt das Zitat, dass sich die Ge­schichte wiederholt: zuerst als Tragödie, dann als Farce. Ob die Siegesfeiern einen Schlusspunkt hinter die Gewalt der letzten Monate setzen, wird sich zeigen - auch Saddams Tod am Strang brachte im Irak kein Ende des Tötens. Die neue libysche Führung versucht die Fehler, die 2003 ge­macht wurden, zu vermeiden: Nach dem Sturz Saddam Husseins wurde die gesamte Armee entlassen, hunderttau­sende Offiziere und Mannschaften waren ohne Geld, Brot und Zukunft. Aus diesen Reihen rekrutierten Extremisten erfolgreich jene Kämpfer, die die Besatzungstruppen über Jahre bedrängten und die irakische Bevölkerung terrori­sierten. (…) US-General Jay Garner, der erste Statthalter der USA nach dem Fall Saddams, meinte im Gespräch mit dem britischen Sender BBC, dass es nun darum ginge, „Technokraten für die verschiedenen Regierungspositionen zu finden, die akzeptabel sind". Einige Mitglieder des neuen Nationalen Übergangsrats waren zuvor Mitglieder des An­cien Régime Gaddafis - ein Element der Kontinuität, das im

Irak gefehlt hat. Garner betont auch die Notwendigkeit der raschen Wiederherstellung von Recht und Ordnung (…)Vielleicht hatte Mark Twain recht und nicht Karl Marx. Twain meinte, die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“40

Dass gerade der Statthalter der USA im Iraq, Jay Garner, als Experte für ein sicheres new libya herangezogen wird, ist nicht wenig kurios. Den der augenscheinliche Unter­schied zwischen dem Iraq nach dem Fall Sadam Hussein und dem Libyens nach dem Fall Muammar Gaddafis ist doch gerade der, dass der Iraq von den USA besetzt war und Libyen nicht! Es war die Okkupation des Zweistrom­landes, die eine ununterbrochene Kette der Gewalt nach sich zog. Es stimmt, dass die Anschläge nicht nur den Be­satzungssoldaten galten. Die Iraqis, die die Besetzung be­kämpften, bekämpften folgerichtig auch die neuen Polizei­einheiten der Kollaborateure. Wenn man so will, ist dies vergleichbar mit dem Gegensatz zwischen der Résistance und dem Vichy-Frankreich zwischen 1940 und 1944. Nahe­liegenderweise gingen die Résistance-Einheiten auch nicht zimperlich mit den Vichy-Polizisten um. Ein anderes Bei­spiel wäre Tschetschenien. Und der Iraq war immerhin von 2003 bis 2010 besetzt. Ja, noch immer sind US-Einheiten von 50.000 Mann und Frau ebendort stationiert. Richtig ist, dass es im Iraq auch Gewalt und Anschläge zwischen den unterschiedlichen Konfessionen gab. Aber der Anstoß zur Gewalt ging von den Besatzungstruppen aus – das ist mitt­lerweile gut dokumentiert, nicht zuletzt durch wikileaks.

Und, auch fast schon ein Naturgesetz jeder Besatzung: Die fremden Soldaten müssen in jedem - auch zivilen - Ein­heimischen, der nicht extra Loyalität bekundet, einen poten­tiellen Gegner sehen. Auch passive Gegnerschaft, wie das Gewähren von Kost und Logis für Aufständische, ist dem Besatzer brandgefährlich. Genau das erklärt die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen der US-Einheiten (von Abu Ghuraib bis zu dem Abknallen auf Zivilisten von Hub­schraubern aus, wovon es ein ja ein gut bekanntes Video gibt). Ein kluger Mensch hat dies einmal so auf den Punkt gebracht: „Besatzung bringt Folter mit sich.“ Und es ist na­heliegend, dass es darauf eine heftige Gegenreaktion gibt.

Um auf unser Thema zurück zu kommen: Wenn es den pro-interventionistischen Kräften darum geht, sich eine neues Mandat in Libyen zu erspielen, und diesmal eines auf der Erde und nicht nur in der Luft, so ist das Beispiel Iraq kein geglückter Griff in die jüngere Geschichte.

Genauso wie der Griff der Zeitung „Die Presse“ in die Zitatenschatzkiste nicht ganz geglückt ist. Denn Karl Marx meinte mit seinem berühmten Sager ja gerade nicht, dass

40 Die Presse, 25.8.2011, Seite 1.

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Wiederholungen aus geschichtsbildenden Antrieben heraus unmöglich seien. Ganz im Gegenteil, gerade der Materialis­mus legt eine objektive Gesetzlichkeit und Kausalität nahe, so die Voraussetzungen dieselben blieben. Das bekannte Zi­tat bezog sich hingegen auf den Nutzen geschichtsbildender Subjekte, sich mit den Federn vergangener Größen zu schmücken - gerade wenn sie einen Sprung nach vorne ma­chen. Zur Farce wird der Federschmuck nur dann, wenn der Sprung nicht weit gelingt; dem Erfolgreichen hingegen sieht man den „Klassizismus“ gerne nach. Das Zitat lautet original:

„Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltge­schichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zwei­mal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. Caussidière für Danton, Louis Blanc für Robespierre, die Montagne von 1848-1851 für die Montagne von 1793-1795, der Neffe für den Onkel. Und dieselbe Karikatur in den Umständen, un­ter denen die zweite Auflage des achtzehnten Brumaire her­ausgegeben wird! Die Menschen machen ihre eigene Ge­schichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefun­

denen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradi­tion aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Ge­hirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Da­gewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolu­tionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdi­gen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neu­en Weltgeschichtsszene aufzuführen. So maskierte sich Lu­ther als Apostel Paulus, die Revolution von 1789-1814 dra­

pierte sich abwechselnd als römische Republik und als rö­misches Kaisertum, und die Revolution von 1848 wußte nichts besseres zu tun, als hier 1789, dort die revolutionäre Überlieferung von 1793-1795 zu parodieren. So übersetzt der Anfänger, der eine neue Sprache erlernt hat, sie immer zurück in seine Muttersprache, aber den Geist der neuen Sprache hat er sich nur angeeignet, und frei in ihr zu pro­duzieren vermag er nur, sobald er sich ohne Rückerinne­rung in ihr bewegt und die ihm angestammte Sprache in ihr vergißt.“41

41 Karl Marx, Der Achtzehnte Brumaire des Napoleon

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Libyen: Die Stunde Null? (24.8.2011)

„Die Stunde Null hat begonnen“ - hieß es in der SMS des Übergangsrates an alle Handybesitzer im Lande. Das war am Sonntag. Heute Dienstag wird noch immer in Tri­polis gekämpft. Doch nicht wegen des noch ausstehenden militärischen Sieges kam die SMS-Meldung zur Unzeit. Der militärische Sieg ist den Rebellen ja gewiss. Politisch gesehen ist die Stunde Null bereits verstrichen. Die Staatss­truktur von free libya, das einst aus einer demokratischen Revolution hervorging, mit einem schweren bürgerlichen, konservativen Deckel versehen.42

Wenn nun unsere Blätter im Westen genau wie vor der NATO-Intervention vor einem Machtvakuum, den archai­schen Stämmen, einem failed state und vor dem Chaos war­nen43, so geht es in Wirklichkeit nun nicht mehr wie im

Bonaparte, Kapitel 1. 42 Vergleiche dazu unsere ausführlich begründete

Einschätzung in http://kulturkritik.blogworld.at/2011/07/21/kultur-magazin-nr-3-arabischen-fruhling/

43 „Es gilt also, ein Staatswesen vom Nullpunkt weg neu aufzubauen. Die letzte Verfassung des Landes war bis 1969 in Kraft, es war die einer konstitutionellen Monarchie. Dann kam Revolutionsführer Gaddafi, der zwar unumschränkt herrschte, aber keine offizielle Position bekleidete. Sein wichtigstes Machtinstrument waren die Öleinnahmen, wichtigste strukturelle Akteure waren die Stämme und ihre Untergruppen. Zum Niedergang des Gaddafi-Regimes trug denn auch nicht unwesentlich bei, dass ihm sukzessive immer mehr Stämme die Loyalität aufkündigten.Die herausgehobene Bedeutung der Stämme birgt gleich mehrere Gefahren: Zum einen die, dass jeder Stamm vor allem seine Partikularinteressen vorantreibt. Schon vor Monaten befürchtete eine Studie der Berliner „Stiftung Wissenschaft und Politik“ daher, dass „die zu erwartenden Auseinandersetzungen über die Gestalt des neuen Staates vor allem Verteilungskämpfe sein oder von diesen überlagert werden“. Eine weitere Gefahr ist die, dass nicht nur ehemals regimetreue Stämme in den Hintergrund gedrängt werden und andere an Bedeutung gewinnen, sondern dass es zu Rache- und Vergeltungsakten kommt. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits, immer wieder kam es in den von den Rebellen gehaltenen Gebieten zu Übergriffen gegen Zivilisten, die dem „falschen“ Stamm angehörten. Angehörige regimetreuer Stämme könnten wiederum in den

März 2011 um die Angst des Bourgeois vor einem unbür­gerlichen Staatswesen, sondern einfach um die Verteilung des Fells der erlegten Bären. Folgerichtig fordert die bürger­liche Presse: „Es wäre fatal, wenn der Westen sein Engage­ment nach der Beseitigung des Diktators einstellt“44. Das ist auch gar nicht vorgesehen: „Der Westen will offenbar keine Zeit verlieren: Montagvormittag, als die libyschen Rebellen gerade erste Viertel der Hauptstadt Tripolis unter ihre Kon­trolle gebracht hatten, lud Frankreichs Außenminister Alain Juppé für kommende Woche bereits zu einem „Transitions-Gipfel“ nach Paris ein, bei dem eine Art Fahrplan für die nächsten Wochen und Monate erarbeitet werden soll“45 Be­reits zu Beginn seiner diplomatischen Aktivitäten machte der Übergangsrat klar, dass Firmen jener Länder die zur Durchsetzung der „Flugverbotszone“ beitrugen, bevorzugt werden. Auch alle Ölförderlizenzen und Handelsverträge können nun neu aufgerollt werden. Der Westen macht nun offensichtlich bald klaren Tisch und stellt dem neuen Liby­en die Rechnung aus, dafür dass die NATO-Bomber Benga­si im März 2011 vor dem militärischen Untergang bewahrt und im August 2011 den Weg nach Tripolis geebnet hatte. Die Rechnung wird hoch sein, nicht finanziell, aber poli­tisch. Frankreich, Großbritannien und die USA haben nun ein gewichtiges Wort mitzureden, wenn es um die Neuord­nung der inneren und äußeren Verhältnisse Libyens geht. Es geht hier zu wie in dem alten Erzählstoff des „Teufelspakts“ bei Chamisso: Um zu Reichtum und Glück zu gelangen verkauft der junge Schlehmihl seinen Schatten an den Teu­fel, der diesen später in dessen Seele eintauscht und so dem Protagonisten das Glück und sogar die Existenz abnimmt.

So gesehen wird die Revolution militärisch gegen Gad­dafi gewinnen, hat aber bereits politisch gegenüber dem Westen verloren.

Wie die demokratische Revolution vollenden?

Im militärischen Ringen hatte Bengasi im März 2011 die Orientierung geändert. Im Februar stand noch „No inter­vention“ auf den Bannern in der Hauptstadt der Cyrenaica. Unter dem Druck von Gaddafis Kriegsmaschine vollzog Bengasi eine Kehrtwendung und warf sich dem Westen in die Arme. An der Spitze des Übergangsrates wurden – ab­gesehen von Überläufern von Seiten der Bürokratie des al­ten Staates – profiliert marktwirtschaftliche und im Westen bekannte Figuren gesetzt. Es wäre ja auch anders möglich gewesen: etwa mit der Übernahme der Betriebe durch die

Untergrund gehen und einen Guerillakrieg beginnen.“ Die Presse, 23.8.2011, Seite 2.

44 Die Presse, 23.8.2011, Seite 2. 45 Die Presse, 23.8.2011, Seite 2.

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Beschäftigten, der Einsetzung eines demokratischen Wirt­schaftsplanes, der Einberufung einer allgemeinen verfas­sungsgebenden Versammlung, der Kontrolle des nationalen Übergangsrates durch die lokalen und kommunalen Wider­standskomitees der Aufständischen, die im Februar ja vor dem Übergangsrat das Geschehen bestimmten. Aber so war es nicht, die Entwicklung der Revolution ging in die entge­gengesetzte Richtung. Vermutlich wird erst in Monaten ir­gendetwas durch allgemeine Wahlen legitimiert werden, die Sicherheit und Stabilität nach westlichen Interessen geht vor. Und dann wird das, was dann gewählt wird, von den Massen genauso wenig kontrollierbar sein, wie bei unseren Parlamenten.

Aus der Entfernung kann dies nur noch konstatiert wer­den. Was genau vor Ort getan werden müsste, um die de­mokratische Revolution vor der Verbürgerlichung zu be­wahren … darüber kann nur spekuliert werden. Die Kam­pagne für „Übergangsforderungen“ (Terminologie des rus­sischen Revolutionärs Leon Trotzki) ist grundsätzlich ein erfolgversprechender Weg.

Libyen: Underdog des europäischen Kapitalis­mus

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erwarb. Abbildung 3 zeigt uns den per anni akkumulierten Stand der FDI-Investitionen von 1980 bis 2010. Hier ist gut erkennbar, dass sich Libyen erst Anfang der 2000er Jahre dem westlichen Kapital öffnete aber dann relativ zu dieser Verspätung mehr FDI anziehen konnte. Abbildung 4 zeigt uns wiederum das Saldo aus inflow stock minus outflow stock für den selben Zeitraum. Abbildung 5 zeigt uns die FDI Importe pro Kopf: Relativ zur Bevölkerungsanzahl ist zuletzt Libyen Spitzenreiter des Zustroms gewesen. Abbil­dung 6 zeigt uns den akkumulierten Stand der FDI-Importe in Relation zum jeweiligen BIP – auch hier sehen wir einen beachtlichen Anstieg im Falle Libyens seit 2004. Letztlich hatten die FDI-Importe eine Größenordnung von fast 30 % des BIP.46 Übrigens muss beachtet werden, dass die Daten aller Abbildungen nicht Inflationsbereinigt sind. Real gese­hen sind die Anstiege weit flacher. Und zweitens müssten für eine abgerundete Einschätzung auch andere Geldkapi­talströme, wie etwa Portfolioinvestments berechnet werden.

An den alles bestimmenden Erlösen der Ölexporte ging die breite Masse so gut wie leer aus. Das sicherte nicht nur finanzielle Privilegien für den Despoten in Tripolis, sondern gleichzeitig auch einen niedrigen Einkaufspreis für die westlichen Mineralölkonzerne. Das sind nur einige Beispie­le. Aber sie machen deutlich, dass die Despotie in den Ara­bischen Ländern für den westlichen Kapitalismus nicht ganz unwichtig waren.47

Die soziale Frage

Wer etwas genauer hinguckt, wird bald erkennen, dass überall hinter dem demokratischen Aufbruch die ungelöste soziale Frage durchschimmert und den Menschen erst die Verzweiflung geben, die ein Teil der Mut der Verzweiflung ist.48 Dieser Mut der Verzweiflung ist das, was für uns im

46 Abbildung 1- 6: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten der UNCTAD. http://unctadstat.unctad.org/TableViewer/tableView.aspx (24.8.2011)

47 Ergänzen könnte man: Die Despoten sicherten eine Art von Stabilität wie die Heilige Allianz nach dem Wiener Kongress in Mitteleuropa. Also übersetzt auf heutige Verhältnisse: Migranten wurden per Polizei und Militär an der Route nach Europa gehindert (Gaddafi), für Israel wurde die Grenze zum Gazastreifen geschlossen (Mubarak).

48 Die „Werkstatt für den Frieden“ entwickelte dazu immer kuriosere Ideen und publizierte unlängst den unglaublichen Satz: „In Libyen hingegen mit seinem relativen hohen Lebensstandard leidet kaum einer materielle Not„, um zu beweisen, dass es sich in Libyen

Westen so schwer nachvollziehbar war: Sich Gaddafis oder Assads Einheiten lieber töten zu lassen, als so weiterzule­ben als bisher.

Die sozialen Frage schimmerte auch in einem Interview mit einer Aktivistin des Aufstandes in Jemen durch: „STANDARD: Haben Sie Angst, dass das Land im Chaos versinken könnte? Al-Sakkaf: Das Risiko ist da. Aber die revolutionären Kräfte haben alle erstaunt - den Westen wie auch unsere eigenen Leute. Bisher nahm man an, dass die Zivilgesellschaft schwach und wenig involviert sei. Unser Aufstand ist der längste und am besten organisierte in der ganzen Region, die Gestaltung muss in den Händen der Menschen liegen, die diesen Umbruch getragen haben. Es ist das erste Mal, dass die Menschen eine Verbindung zwi­schen Politik und dem Brot auf ihren Teller sehen. STAN­DARD: Wie stellen Sie sich die Entwicklung vor? Al-Sak­kaf: (…) Es muss Mikrokredite und Kommunalprojekte ge­ben. (…) STANDARD: Saleh warnt immer wieder, dass Al-Kaida ohne ihn rasch an Boden gewinnen werde. Wie ste­hen Sie zu dieser These? Al-Sakkaf: Es gibt religiöse Füh­rer, die die Krise nutzen. Aber Terrorismus entsteht aus Ar­mut. Viele junge Menschen im Jemen haben keine Hoffnung und wollen Helden sein. Man muss verstehen, dass Terro­rismus ein ökonomisches Problem ist, wir müssen über Jobs und Perspektiven sprechen, um die Gewalt zu verhin­dern. Zwischen der Regierung und Al-Kaida gab es meiner Meinung nach eine organisiertere Beziehung, als sie zuge­ben. (...)“49 In AL-Sakkaf´s Begeisterung für Mikrokredite sehen wir nicht die großen Sprünge, die soziale Frage zu lö­sen, aber dass dringend etwas geändert werden muss, kommt hier zumindest gut zum Ausdruck.

Neue Rollen, alte Rollen

„Die Stunde Null hat begonnen“ - ja, wenn diese Aussa­ge tatsächlich nun Sinn machen sollte, dann in einem nicht beabsichtigten Sinne: Dass sich nun die Demokratiebewe­gung gegen … den Übergangsrat stellen muss, wenn die echte Freiheit und soziale Prosperität eine Zukunft haben sollen. Sonst wird es in einem halben Jahr ähnlich wie in Ägypten heißen:

die gestohlene Revolution

nicht um einen Aufstand handelte, sondern um eine Verschwörung prowestlicher Organisationen. http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=490&Itemid=1

49 Der Standard, 6.6.2011

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Abbildungen

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Abbildung 2: FDI Importe minus FDI Exporte, nordafrikanische Länder, in Mio. US-Dollar, zu laufenden Preisen und Wechselkursen, 1970-2010

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Abbildung 3: Stand der FDI Importe, nordafrikanische Länder, in Mio. US-Dollar, zu laufenden Preisen und Wechselkursen, 1980-2010

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Abbildung 4: Stand der FDI Importe minus der FDI Exporte, nordafrikanische Länder, in Mio. US-Dollar, zu laufenden Preisen und Wechselkursen, 1980-2010

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Abbildung 5: FDI Import, nordafrikanische Länder, in Mio. US-Dollar pro Kopf, zu laufenden Preisen und Wechselkursen, 1970-2010

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Abbildung 6: Stand der FDI Importe in Prozent zum BIP, nordafrikanische Länder, in Mio. US-Dollar, zu laufenden Preisen und Wechselkursen, 1980-2010

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Abbildung 1: FDI Import, nordafrikanische Länder, in Mio. US-Dollar, zu laufenden Preisen und Wechselkursen, 1970-2010

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