Liebe Konzertbesucher,

aufregende Monate der Vorbereitung liegen hinter uns, denn der Kreis um den ursprnglichen Kern dieser Veranstaltung zog sich immer weiter: Messiaens schpferisches Leben und lebendiges Schaffen, der Frhexpressionist Georg Trakl, dessen sinnliche Sprache und Klangfarben Musik sind und wir entdeckten die herrlichen Illustrationen der Bamberger Apokalypse aus dem Jahr 1004.

Farbe der Zeit..? 1959 komponierte Messiaen sein Orchester-werk Chronochromie (wrtlich: Farbe der Zeit), es ist eng verwandt mit dem Catalogue doiseaux. Im Alter von 51 Jah-ren faszinierte Messiaen ein Wasserfalls im Jura-Gebirge: Der Sturzbach springt grn, golden und wei. Das aufgewhlte Wasser wirkt wie () weie Flammen, Pferdemhnen, die Ar-mee des Pharaos, der im Roten Meer versinkt. () Der gewaltige Lrm mit tausenden von tieferen und hheren Obertnen.

Messiaen selbst nennt die Chronochromie einen sonnendurch-fl uteten Protest gegen die Zwlftonmusik und wurde nach Schnberg zur zweiten groen Vaterfi gur der Neuen Musik.

Herzlich danke ich unseren mitwirkenden Knstlern, insbe-sondere aber unseren Sponsoren, die meinen Gedanken und Plnen mit Phantasie und Energie begegneten und sehr dabei halfen, diese weiterzuentwickeln.

Herzlichst Ihr

2 Albrecht Drer: Die vier apokalyptischen Reiter.

1498 (Ausschnitt)

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Musik: Atem der Statuen, vielleicht: Stille der Bilder. Du Sprache, wo Sprachen enden R. M. Rilke

Olivier Messiaen war eine der inspirierendsten Personen fr die Musikwelt nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis 1978 unterrichtete er am Conser-vatoire Nationale Suprieur de Musique in Paris. Schlern aus der ganzen Welt, wie zum Beispiel Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen gab er wichtige Impulse, und un-tersttzte junge Komponisten bei ihren Versuchen auf dem Gebiet der Klangfarbe.

Olivier Messiaen wurde am 10. Dezember 1908 in Avignon geboren. Sein Vater war Englischprofessor und bersetzte Shakespeares Werke, die auch fr Olivier Messiaen groe Bedeutung erlangten. Er war fasziniert von den Schilderungen menschlicher Leidenschaften sowie der magischen, von Fabelwesen, Hexen und Gespenstern bevlkerten Mrchen-welt Shakespeares. Messiaens Mutter, Ccile Sauvage, war Dichterin. In diesem literarisch-poetischen familiren Umfeld entwickelte auch Olivier Messiaen seine dichterischen Fhig-keiten. Seine eigenen Texte waren ihm ebenso wichtig wie die Musik und so verwendete er sie auch fr seine vokalen Werke.

Im Juli 1919 zog die Familie Messiaen nach Paris, wo Olivier als Elfjhriger das Conservatoire besuchte. Die Sommerferien ver-brachte Messiaen bei seinen Tanten auf dem Lande. Er machte es sich zur Gewohnheit, seine Ferien zum Komponieren zu nut-zen und so entstanden im Sommer 1929 auch seine Prludes fr Klavier. La colombe (Die Taube) ist das Erffnungsstck der Sammlung und sehr charakteristisch fr Messiaens frhe

Es gibt Werke, die wie eine Brcke zum Absoluten sind,

ein Versuch, die Grenzen der Zeit zu berschreiten

Einblicke in Olivier Messiaens kammermusikalisches Schaffen bis 1958

betrachtet. Erffnet wird der Zyklus Chants de terre et de ciel mit einem Liebeslied Bail avec Mi. Die beiden mittleren Lieder sind mon petit Pascal gewidmet und besingen eine unbeschwerte Kindheit. Dieser Idylle folgt eine qualvolle Szene (Minuit pile et face) mit einem als Fuge angelegten Toten-tanz. In diesem, von Messiaen als Herzstck des Werkes bezeichneten Stck will er, vor dem Hintergrund nchtlicher Glocken, die Reue, die Gebete, die Angst und die Pein darstellen, auf die dann die himmlische Ruhe der Toten folgt. Vertrieben wird der Alptraum von einer Meditation ber die ungestrte Unschuld des schlafenden Kindes.Den Sommer 1939 verbrachte er wie immer auf dem Land, wo er am 25. August Les Corps glorieux vollendete. Er erinnerte sich spter, dass

es das letzte Werk war, das ich als Zivilist komponierte. Es war gerade fertig, als ich einberufen wurde.

Messiaen, der bei Verdun stationiert wurde, gehrte zu den vielen tausend franzsischen Soldaten, die in Kriegsgefangen-schaft gerieten, als Verdun am 15. Juni 1940 fiel. Hier lernte Messiaen bald andere Musiker kennen.

Fr Henri Akoka schrieb er ein Stck fr Klarinette solo. Im Juli 1940 wurde Messiaen in das Kriegsgefangenenlager Stalag VIII A bei Grlitz gebracht. Messiaen durfte glcklicherweise nicht nur seine kleine Sammlung Taschenpartituren behalten, man gab ihm sogar Notenpapier und Bleistifte, so dass er auch in diesem Umfeld komponieren konnte: es entstand das Quatour pour la fin du Temps.

Tonsprache. Eine erhabene, feinsinnige Stimmung durchzieht die gesamten Prludes, mit einer Ausnahme: das sechste Stck Cloches dangoisse et larmes dadieu (Glocken der Angst und Trnen des Abschieds) weist mit seiner apokalyptischen Vision sehr stark auf den spteren Messiaen voraus. Die Ruhe, die Messiaen in der ausgedehnten Coda erreicht, kennzeich-net alle seine groen, langsamen Stze in denen sich die Stille ausbreitet und die Musik in einzelne Fragmente zerfllt.

Als ich noch Schler bei Dukas war, schrieb ich meine Prludes. Sie bilden keine Folge im eigentlichen Sinne, sondern sind im Wesentlichen eine Sammlung aufeinander folgender Seelenzustnde und persnlicher Gefhle. (O. Messiaen)

Am 22. Juni 1932 heiratete Olivier Messiaen die Geigerin und Komponistin Claire Delbos. Fr sie entstanden im Jahr der Hochzeit die Thme et Variations fr Violine und Klavier. Im ersten Teil des Themas umspielt die Violine die Note E auf Franzsisch Mi, dies war Messiaens Kosename fr Claire. Ein schmeichelhafteres Hochzeitsgeschenk kann man sich kaum vorstellen. Das Thema ist innig und leidenschaftlich. In der ersten Variation entfaltet es sich sanft bevor es in den folgenden virtuosen Variationen in all seinen Facetten ausgeleuchtet wird. Bemerkenswert ist auch der Klavierpart, den Messiaen fr sich selbst erdachte. Er bietet grte Herausforderungen vor allem in der zweiten Variation, in der der Pianist sowohl weit gespannte Akkordfolgen leicht und schnell hintereinander wie auch einen komplizierten Doppelkanon spielen muss.

Ebenfalls fr seine Frau Claire entstanden 1936 die Pomes pour Mi und im Jahr 1939 die Chants de terre et de ciel fr seinen Sohn Pascal. Olivier Messiaen ist hier auch Autor der Texte in denen er die spirituellen Ebenen seiner Ehe und der Elternschaft

Im Vorwort der Notenausgabe benennt Messiaen die Apoca-lypse de Saint Jean, Chapitre X als seine Inspiration fr das Quartett. Er beschreibt seine musikalische Sprache als im-materiell, spirituell und katholisch, macht aber in einem kleinen

Exkurs auch konkrete Angaben zur Theorie sei-ner rhythmischen Sprache. Diese Kombination von konkreter technischer Beschreibung und my-thischem Katholizismus ist typisch fr Messiaen. Fr ihn war dies keineswegs ein Paradoxon. Er war einem pantheistischen Glauben verpflichtet, der in der Perfektion der Natur die Allgegenwart Gottes spren lsst. ber seine Musik schrieb er selbst:

Wenn es so etwas wie essentiell religise Kunst gibt, dann muss sie auch essentiell viel-gestaltig sein. Warum? Weil sie Vorstellungen ber ein einzelnes Wesen ausdrckt, nmlich Gott, das gleichzeitig allgegenwrtig ist und in allem entdeckt werden kann, ber und unter allem steht.

Die Verbindung des Quartetts mit der Johannes-Offenbarung, der Titel vom Ende der Zeit und die Tatsache, dass das Werk im Kriegsgefangenenlager entstanden ist, knnten die Annahme nahe legen, dass Messiaen in ihm die schrecklichen Ereignissen seiner Zeit vertonen wollte.

Doch eine bloe Abbildung hatte er nicht im Sinn:

Ich habe keineswegs einen Kommentar zur Apokalyp-se geben wollen; ich wollte nur meinen Wunsch nach der Aufhebung der Zeit motivieren.

Vier der acht Stze existierten bereits in irgendeiner Form bevor Messiaen die Idee zu seinem Quartett hatte.

Der Erffnungssatz, Liturgie de cristal, erscheint wie der Gesang von Vgeln, den Messiaen in der Partitur als den ei-ner Amsel oder einer Nachtigall charakterisiert. Der Klavier- und der Cellopart bestehen aus sich unregelmig berlagernden Harmonie- und Rhythmuszyklen. Mit ihnen findet Messiaen ein Symbol fr die Unendlichkeit, oder wie im Vorwort des Satzes zu lesen ist die harmonische Stille des Himmels.

Der zweite Satz Vocalise, pour lange qui annonce la fin du temps (Vokalise fr den Engel, der das Ende der Zeit ver-kndet) fr Violoncello und Klavier ist eine berarbeitung eines Abschnitts aus Fte des belles eaux, ein von Messiaen selbst als Improvisation bezeichnetes Stck. Es entstand fr die Reihe Ftes de la lumire im Rahmen der Pariser Weltausstel-lung 1937, bei der spektakulre Klang-, Wasser und Lichtshows entlang der Seine-Ufer von neu in Auftrag gegebener Musik un-termalt wurden. Trotz des improvisatorischen Charakters enthielt es laut Messiaen eine wertvolle Passage, die Wasser als Symbol der gttlichen Gnade und Ewigkeit darstellt. Dies war der Abschnitt, den er im Quatuor pour la fin du Temps noch einmal verwende-te. Der abschlieende Satz Louange lImmortalit de Jsus (Lobpreis der Unsterblichkeit Jesu) fr Violine und Klavier exis-tierte bereits in vereinfachter Form als Teil des Diptyque fr Orgel aus dem Jahr 1930. Das Intermde entstand sehr bald nach der Ankunft im Stammlager VIII A in Grlitz. Die Musiker Jean le Boulaire (Violine), tienne Pasquier (Violoncello) und Henri Akoka (Klarinette) probten es in den Waschrumen des Lagers. Nachdem die zustndigen Behrden ein Klavier fr Messiaen genehmigten, komponierte er den Rest des Quartetts.

Der fnfte Satz Louange lternit de Jsus (Loblied auf die Ewigkeit Jesu) ist ein Duo von Cello und Klavier. Mit seiner weit gespannten Melodik ist er eine Huldigung an das Gttliche Wort:

Am Anfang wa