12
VERANSTALTUNGEN Stuttgarter uni kurier Nr. 109 1/2012 68 (v.l.n.r.) Prof. Pfau begrüßt die über 2.000 Gäste zur DPG-Frühjahrstagung. Über die Forschungsschwerpunkte der Uni Stuttgart konnten sich die Teil- nehmer nicht nur in Vorträgen, sondern auch bei Laborführungen informieren: Hier präsentiert Marcus Witzany vom Institut für Halbleiteroptik und Funktionelle Grenzflächen sein Arbeitsgebiet. (Fotos: Grafik- und Fotolabor des Physikalischen Instituts) FRÜHJAHRSTAGUNG DER DEUTSCHEN PHYSIKALISCHEN GESELLSCHAFT AN DER UNI STUTTGART >>>>>>>>>>>> Nobelpreisträger in entspannter Atmosphäre Vom 12. bis 16. März 2012 war der Campus Vaihingen der Uni fest in Physikerhand: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) lud zur Frühjahrstagung und über 2.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, von Nobel- preisträgern bis zu Studierenden aus aller Welt kamen. Sie tauschten sich eine Woche lang über den aktuellen Stand der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie Quantenoptik und Photonik aus. Ein Blick ins umfangreiche Programm bewies, dass fast jeder der Teilnehmer zugleich auch eigene Forschungser- gebnisse präsentierte. So hatten die Teilnehmer die Qual der Wahl, sich aus rund 1.000 Vorträgen und mehr als 700 Posterpräsentationen ein individuelles Tagungsprogramm zusammenzustellen und auch mal in Bereiche abseits des eigenen Themenspektrums hineinzuschnuppern. „Gerade für unsere Nachwuchsforscher, die gerade an ihrer Master- oder Doktorarbeit schreiben, ist dies oft die erste Bewährungsprobe vor größerem Publikum“ erläutert Prof. Tilman Pfau, Leiter des 5. Physikalischen Instituts der Uni und Tagungsleiter. „Viele nutzen das auch als Jobmesse: Fühler ausstrecken, nach interessanten Forschergruppen Ausschau halten und erste Kontakte knüpfen.“ Parallel zur Tagung präsentierten auf der Industriemesse rund 50 natio- nale und internationale Unternehmen ihre aktuellen Produk- te vom Fachbuch bis zur neuesten Laser- und Messtechnik fürs Labor. Die Struktur des Protons Höhepunkt der Tagung war die Sitzung mit den Preisverlei- hungen. Die Leidenschaft des Festredners Prof. Theodor Hänsch vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Gar- ching ist das Wasserstoffatom. Mit Hilfe der Laserspektro- skopie konnte Hänsch die Energiezustände des aus einem Elektron und einem Proton bestehenden Wasserstoffatoms mit ausgeklügelten Methoden immer genauer vermessen. Damit bestimmte er Naturkonstanten präzise und testete Vorhersagen der Quantentheorie mit hoher Genauigkeit. Für die Entwicklung des sogenannten Frequenzkamms, den er zur Vermessung des Wasserstoffatoms einsetzt, erhielt Hänsch 2005 den Physik-Nobelpreis. Zwei weitere Festred- ner nutzten diese Entwicklung ebenfalls für ihre Forschun- gen und maßen den Radius des Protons. Randolf Pohl, ebenfalls vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik, und Aldo Antognini von der ETH Zürich wurden auf der Tagung für ihre Messungen zur Größe des Protons mit dem Gustav- Hertz-Preis ausgezeichnet. Völlig unerwartet haben sie einen kleineren Wert für den Protonenradius gemessen, als andere Methoden davor. Dies gibt nun Anstoß für weitere experimentelle und theoretische Untersuchungen zur Struk- tur des Protons und stellt die Theorie der Quantenelektrody- namik auf den Prüfstand. Mit Prof. Hänsch (links) und Prof. Ketterle (rechts) beehrten zwei Physik- Nobelpreisträger die Stuttgarter Tagung und diskutierten über den aktu- ellen Stand der Forschung.

kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

V E R A N S T A L T U N G E N Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/20126 8

(v.l.n.r.) Prof. Pfau begrüßt die über 2.000 Gäste zur DPG-Frühjahrstagung. Über die Forschungsschwerpunkte der Uni Stuttgart konnten sich die Teil-nehmer nicht nur in Vorträgen, sondern auch bei Laborführungen informieren: Hier präsentiert Marcus Witzany vom Institut für Halbleiteroptik undFunktionelle Grenzflächen sein Arbeitsgebiet. (Fotos: Grafik- und Fotolabor des Physikalischen Instituts)

F R Ü H J A H R S T A G U N G D E R D E U T S C H E N P H Y S I K A L I S C H E N G E S E L L S C H A F T A N D E R U N I S T U T T G A R T > > > > > > > > > > > >

Nobelpreisträger in entspannter AtmosphäreVom 12. bis 16. März 2012 war der Campus Vaihingen derUni fest in Physikerhand: Die Deutsche PhysikalischeGesellschaft (DPG) lud zur Frühjahrstagung und über 2.200Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, von Nobel-preisträgern bis zu Studierenden aus aller Welt kamen. Sietauschten sich eine Woche lang über den aktuellen Standder Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas-ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen-spektrometrie sowie Quantenoptik und Photonik aus.

Ein Blick ins umfangreiche Programm bewies, dass fastjeder der Teilnehmer zugleich auch eigene Forschungser-gebnisse präsentierte. So hatten die Teilnehmer die Qualder Wahl, sich aus rund 1.000 Vorträgen und mehr als 700Posterpräsentationen ein individuelles Tagungsprogrammzusammenzustellen und auch mal in Bereiche abseits deseigenen Themenspektrums hineinzuschnuppern. „Geradefür unsere Nachwuchsforscher, die gerade an ihrer Master-oder Doktorarbeit schreiben, ist dies oft die ersteBewährungsprobe vor größerem Publikum“ erläutert Prof.Tilman Pfau, Leiter des 5. Physikalischen Instituts der Uniund Tagungsleiter. „Viele nutzen das auch als Jobmesse:Fühler ausstrecken, nach interessanten ForschergruppenAusschau halten und erste Kontakte knüpfen.“ Parallel zurTagung präsentierten auf der Industriemesse rund 50 natio-nale und internationale Unternehmen ihre aktuellen Produk-te vom Fachbuch bis zur neuesten Laser- und Messtechnikfürs Labor.

Die Struktur des ProtonsHöhepunkt der Tagung war die Sitzung mit den Preisverlei-hungen. Die Leidenschaft des Festredners Prof. TheodorHänsch vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Gar-

ching ist das Wasserstoffatom. Mit Hilfe der Laserspektro-skopie konnte Hänsch die Energiezustände des aus einemElektron und einem Proton bestehenden Wasserstoffatomsmit ausgeklügelten Methoden immer genauer vermessen.Damit bestimmte er Naturkonstanten präzise und testeteVorhersagen der Quantentheorie mit hoher Genauigkeit. Fürdie Entwicklung des sogenannten Frequenzkamms, den erzur Vermessung des Wasserstoffatoms einsetzt, erhieltHänsch 2005 den Physik-Nobelpreis. Zwei weitere Festred-ner nutzten diese Entwicklung ebenfalls für ihre Forschun-gen und maßen den Radius des Protons. Randolf Pohl,ebenfalls vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik, undAldo Antognini von der ETH Zürich wurden auf der Tagungfür ihre Messungen zur Größe des Protons mit dem Gustav-Hertz-Preis ausgezeichnet. Völlig unerwartet haben sieeinen kleineren Wert für den Protonenradius gemessen, alsandere Methoden davor. Dies gibt nun Anstoß für weitereexperimentelle und theoretische Untersuchungen zur Struk-tur des Protons und stellt die Theorie der Quantenelektrody-namik auf den Prüfstand.

Mit Prof. Hänsch (links) und Prof. Ketterle (rechts) beehrten zwei Physik-Nobelpreisträger die Stuttgarter Tagung und diskutierten über den aktu-ellen Stand der Forschung.

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 68

Page 2: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/2012 V E R A N S T A L T U N G E N6 9

Dem Thema Quantencomputing widmete sich ein ande-rer Festredner: Prof. Rainer Blatt von der Uni Innsbruckberichtete über seine Experimente mit verschränkten Kalziu-mionen, mit denen er einen Quantenalgorithmus zur Fehler-kontrolle realisiert hat. Für „die experimentelle Demonstra-tion grundlegender Bausteine und Algorithmen eines Quan-tenprozessors, die Teleportation von Quantenzuständen derMaterie, die erste Realisierung eines Quantenbytes und dieSimulation von Quantensystemen“ wurde er im März 2012in Berlin mit der höchsten DPG-Auszeichnung für Experi-mentelle Physik geehrt – der Stern-Gerlach-Medaille 2012.„Einen herkömmlichen Computer ersetzen können wirdamit noch nicht. Wir führen im Labor aber bereits einfacheRechenoperationen durch“, räumt Blatt ein.

Hohes NiveauÜberrascht zeigte sich Nobelpreisträger Prof. Wolfgang Ket-terle, Massachusetts Institute of Technology in Cambridge,dass die Vorträge alle auf Englisch gehalten wurden undfreut sich über das hohe Niveau der präsentierten For-schungsarbeiten. Insgesamt könne die deutsche For-schungslandschaft international gut mithalten, da sind sichKetterle, Blatt, Hänsch, Pfau und der Präsident der DPGProf. Wolfgang Sandner in einer Gesprächsrunde einig.„Die Tagung ist eine tolle Plattform, Wissenschaftler allerErfahrensstufen zusammen zu bringen.“

Physik ist unterhaltsam und macht Spaß. Das konntendie Tagungsteilnehmer bei einem Kleinkunstabend derbesonderen Art erleben: Matthias Mader von der JungenDPG Stuttgart gab eine Kostprobe eines Science-Slams, beidem die Teilnehmer versuchen, ein Forschungsthema mög-lichst unterhaltsam und knapp zu präsentieren. Das Publi-kum entscheidet über Top oder Flop. Da sich bis zum Abendkeine Freiwilligen fanden, griff der Masterstudent kurzer-hand selbst zum Mikrophon. Passend zur nahenden Oster-zeit ging es zwar weniger um Physik als ums Fasten, unter-

haltsam war es allemal. Weiterging der Abend mit Magie unddem Stuttgarter Experimental-physikprofessor Gerd Dennin-ger. Seine physikalischen Zau-bertricks verblüfften sogar ein-gefleischte Wissenschaftler.

Auch bei dem öffentlichenVortrag von NobelpreisträgerKetterle ging es auch für Nicht-physiker verständlich zu. Erberichtete über superflüssigeGase nahe dem absoluten Tem-peratur-Nullpunkt. Bereits 1925sagte Einstein eine solche neueForm von Materie voraus, abererst im 1995 konnte sie in denLaboren in Boulder und am MITverwirklicht werden.

„Entspannte Atmosphäre“,„Tagung der kurzen Wege“,„interessantes Programm“, „professionell und liebevollorganisiert“, so könnte man die Resonanz der Tagungsbe-sucher zusammenfassen. Dass alles so gut geklappt hat,dafür sorgten mehr als 80 studentische Hilfskräfte, 40 Mitar-beiter aus allen beteiligten Stuttgarter Instituten, der Ver-waltung und den Werkstätten sowie das Studentenwerkund die Musiker der Big Band. Karin Otter/uk

KONTAKT

Prof. Tilman Pfau5. Physikalisches InstitutTel. 0711/685 -680 25e-Mail: [email protected]

Prof. Gerd Denninger unterhielt dasPublikum mit physikalischen Zauber-tricks.

E R S T E N A T I O N A L E S T U R Z P R Ä V E N T I O N S T A G U N G A N D E R U N I S T U T T G A R T > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Stolpern – Rutschen – StürzenWir alle stolpern ab und an, fangen jedoch die meisten die-ser „Beinahestürze“ relativ leicht und sicher ab. Mit zuneh-mendem Alter erschweren es altersbedingte Veränderun-gen, erfolgreich mit den typischen Risikofaktoren von Stür-zen umzugehen. „Stolpern – Rutschen – Stürzen: von derForschung zur Anwendung“ war das Thema der erstennationalen Sturzpräventionstagung, die vom 23. bis 24März am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft(Inspo) stattfand. Die Tagung, organisiert von Prof. NadjaSchott vom Inspo und Dr. Clemens Becker vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart in Zusammenarbeit mitder Bundesinitiative Sturzprävention, stieß auf reges Inter-esse.

Dargestellt wurden Perspektiven aus den verschiedenenDisziplinen, die in das Thema Sturzprävention „involviert“sind. Unter den 240 Teilnehmern fanden sich somit Wissen-schaftler aus den Sport- und Bewegungswissenschaftenebenso wie Psychologen, Mediziner, Physiotherapeuten,Vertreter der Krankenkassen, des Sportbundes oder der

Wohlfahrt. „Das positive Feedback zeigt, wie wichtig es war,alle Key-Player ‚in einer Halle‘ zusammenzubringen“, freutsich Nadja Schott: „Und auch die Kombination aus Theorieund Praxis, Vorträgen und Workshops kam sehr gut an.“

Die Referenten – fast alle wichtigen Sprecher desdeutschsprachigen Raums zu diesem Thema waren vertre-ten – griffen aktuelle Theorien und Konzepte sowie empiri-sche Ergebnisse und praktische Anwendungen rund um dieSturzprävention Zuhause, im Krankenhaus und Pflegeheimauf. Anhand von Best Practice Modellen wurde die Sturz-prävention etwa in Sportvereinen thematisiert oder wie mit-tels „aktivierender“ Hausbesuche das Deutsche Rote KreuzStürze verhindert. Nicht zu vergessen: Gerade dementeoder geistig behinderte Menschen sind anfällig für Stürze.Mehr und mehr in den Fokus geraten technische Hilfsmittel,um Hochrisikopersonen oder bereits Gestürzte in ihrerWohnumgebung zu identifizieren. Neben dem Training vonKraft und Gleichgewicht rücken zunehmend die kognitiveLeistungsfähigkeit und die Rolle der Emotionen in denFokus jener, die sich mit der Sturzprävention beschäftigen.

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 69

Page 3: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

V E R A N S T A L T U N G E N Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/20127 0

Wie etwa wirkt sich die Angst vor einem Sturz auf den älte-ren Menschen aus, insbesondere, wenn er schon einmalgefallen ist? Wie kann man ihm die Angst nehmen, seinSelbstvertrauen wieder stärken?

Im Gegensatz zu den USA oder Australien, wo die For-schung zur Sturzprävention schon sehr lange betriebenwird, beschäftigen sich in Deutschland erst wenige Standor-te mit Fragen zur Prävention und Rehabilitation von Stür-zen. Das große Ziel der Bundesinitiative Sturzprävention, soSchott, sei es, gemeinsam Ziele und Richtlinien für ein Qua-litätssiegel zu erarbeiten und schließlich – in Abhängigkeitvon der aktuellen Lebenssituation – das „richtige“ Konzeptfür Sturzpräventionsprogramme zu haben. Julia Alber

KONTAKT

Prof. Nadja SchottInstitut für Sport- und BewegungswissenschaftTel. 0711/685-63042e-mail: [email protected]

Bei der ersten nationalen Sturzpräventionstagung am Inspo gab es nichtnur Theorie: Es stand auch das praktische Training motorischer Fähigkei-ten auf dem Programm, wie hier im Workshop „Sturzprävention im Ver-ein“. (Bild: Heide Korbus)

S Y M P O S I U M D E S S T Ä D T E B A U - I N S T I T U T S U N D D E R L A N D E S H A U P T S T A D T S T U T T G A R T > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Impulse für die ÖffentlichkeitDie Kreativwirtschaft ist in den vergangenen Jahren zumHoffnungsträger der Stadtentwicklung geworden: Es gibtkaum eine Großstadt, die sich nicht die Förderung derKreativen auf die Fahnen geschrieben hat. Welchen Stellen-wert hat dieser Sektor heute erreicht? Wie sind seine Per-spektiven einzuschätzen? Diesen Fragen ging das Städte-bau-Institut der Universität Stuttgart gemeinsam mit derWirtschaftsförderung der Landeshauptstadt Stuttgart imRahmen des Symposiums „Die kreative Stadt – eineBilanz“ am Freitag, den 27. Januar 2012 nach. ProfilierteReferenten aus Wissenschaft und Praxis zogen – aus ihremjeweiligen Blickwinkel – eine Zwischenbilanz.

Die Kreativwirtschaft gilt als eine Branche mit hohemZukunftspotenzial, die bedingt durch den wirtschaftlichenStrukturwandel in den letzten Jahren enorm an Bedeutunggewonnen hat. Jährlich erzielt die Branche in der Bundesre-publik eine Bruttowertschöpfung von rund 60 MilliardenEuro. An dieser Wirtschaftsleistung sind nicht nur interna-tionale Architektur- und Designfirmen, Buchverlage undSoftware-Produzenten beteiligt, sondern auch eine Vielzahlvon Selbstständigen, die in digitalen Netzwerken zusam-menarbeiten. „Tatorte dieser innovativen Akteure“ sindGründerzeitquartiere, verlassene Industriestandorte undehemalige Güterbahnhofsgelände, die sich in Szeneviertelverwandelt haben, wo Künstler, Designer und Produzentenzu günstigen Konditionen Raum finden. „Die besondereAtmosphäre dieser Areale und ihre Nähe zu einem urbanenUmfeld bietet jungen Leuten aus kreativen Branchen überkurz oder lang auch eine wirtschaftliche Perspektive“, soder Direktor des Städtebau-Instituts, Prof. Franz Pesch. Wasnoch von einigen Jahren als Nischenprojekt belächelt wur-de, rückt aufgrund der inzwischen zählbaren Erfolge zuneh-mend ins Licht der Öffentlichkeit. Zahlreiche Fallbeispieledokumentieren eindrucksvoll, wie kreative Milieus zumMotor der Stadtentwicklung werden.

In Stuttgart stellt die Kreativwirtschaft mit über 25.000 sozi-alversicherungspflichtig Beschäftigten eine bedeutsameWirtschaftsbranche dar: Jedes zehnte Stuttgarter Unterneh-men gehört der Kreativwirtschaft an und jedes achte Unter-nehmen der baden-württembergischen Kreativwirtschafthat seinen Sitz in der Landeshauptstadt. Doch was tut dieStadt für ihre Kreativen, mit deren erfolgreichen Projekten

sie sich gerne schmückt? Ines Aufrecht, Leiterin der Wirt-schaftsförderung der Landeshauptstadt Stuttgart betonte inihrem Beitrag, dass sie Stuttgart im internationalen Städte-netzwerk als „Kreative Stadt“ platzieren möchte. „Geeigne-te Räume und Experimentierfelder stellen eine grundlegen-de Bedingung für kreatives Schaffen dar. Darin sehen wirangesichts der hohen Mietpreise in Stuttgart eine besonde-re Herausforderung.“

Prof. Franz Pesch (links) zog gemeinsam mit Referenten aus Wissenschaft und Pra-xis Bilanz zum Kreativpotenzial von Stuttgart und anderen Städten. (Foto: Eppler)

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 70

Page 4: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/2012 V E R A N S T A L T U N G E N7 1

Beispiele aus der PraxisZu Beginn des Symposiums beschrieb der Wirtschaftswis-senschaftler Alain Thierstein, Professor für Raumentwick-lung an der TU München, das Potenzial der Kreativen fürdie Stadtentwicklung. Es folgte der Beitrag von Klaus Over-meyer, Professor für Landschaftsarchitektur an der BU Wup-pertal. Seine Analysen und Projektstudien zeigten auf, wel-che große Chance die kreativen Milieus für die Stadtent-wicklung darstellen. In der kommunalen Praxis zeigt sich,dass etablierte Szeneviertel und Umbruchquartiere sehrgefragt sind. Die Planbarkeit hält sich jedoch in Grenzen.

Im Zentrum des Symposiums standen vier Fallbeispiele:die Architektin Wallie Heinisch aus Stuttgart machte deut-lich, dass das Verhältnis der Kreativen zu den Entscheidernnicht immer harmonisch ist. „Pioniere sind oft auch unbe-quem“, brachte sie ihre Erfahrung auf den Punkt. Die Stadt-planerin Barbara Rettenmaier aus Karlsruhe zeigte auf, wieaus einem Schlachthofareal ein attraktiver Kreativstandortwerden kann – insbesondere, wenn die Politik frühzeitig indas Projekt eingebunden wird. Die Leiterin des MünchenerStadtplanungsamts, Susanne Ritter, stellte aktuelle Projektewie das Kreativquartier an der Dachauer Straße vor und derKünstler Thomas Hartmann berichtete aus der Perspektive

eines Kulturschaffenden vom Projekt „Güterbahnhof Bre-men“.

Den gelungenen Festvortrag übernahm der bekannteSozialpsychologe Harald Welzer. Er bezweifelt, dass kreativeQuartiere planbar sind, denn die kreative Klasse zeichnesich dadurch aus, dass sie selbst etwas aufspüre, was fürihre Arbeits- und Lebensbedingungen interessant sei. Erhalte es für zielführender, gelungene Impulse in die Öffent-lichkeit zu bringen – ein Weg, den er mit seiner Stiftungfuturzwei.org verfolgt.

Zu diesem anregenden und gut besuchten Symposiumwaren Studierende, Architekten und Stadtplaner aus Hoch-schulen, Planungsämtern oder Planungsbüros gekommen,darunter zahlreiche Bürgermeister und Planungsamtsleiterder Städte der Region. Britta Hüttenhain

KONTAKT

Prof. Franz Pesch, Städtebau-InstitutLehrstuhl Stadtplanung und EntwerfenTel. 0711/685-83350e-mail: [email protected]

D A S I N T E R N A T I O N A L E Z E N T R U M F Ü R K U L T U R - U N D T E C H N I K F O R S C H U N G S T E L L T Z U K U N F T S K O N Z E P T E Z U R D I S K U S S I O N

Was ist Fortschritt?Die aufklärerische Idee des Fortschritts hat an Strahlkrafteingebüßt. Nicht nur die politischen Katastrophen des ver-gangenen Jahrhunderts, auch die globalen Herausforderun-gen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Urbanisierung,Armut und demographischer Wandel haben die „dunklenSeiten des Fortschritts“ hervortreten lassen. Müssen wir denBegriff des Fortschritts folglich verabschieden? Oder musses darum gehen, ihn neu zu entdecken, neu zu bestimmen,gar neu zu erfinden? Um diese Frage ging es in einer hoch-karätig besetzen dreiteiligen Gesprächsreihe, die das Inter-nationale Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT) inKooperation mit der Stadtbibliothek veranstaltete.

Als der Sozialpsychologe Harald Welzer und der ÖkonomMeinhard Miegel am 27. Oktober 2011 die Reihe „Fort-schritt?! Gespräche über die künftige Welt“ eröffneten,drohte das Max-Bense-Forum der Stadtbibliothek aus allenNähten zu platzen. Rund 300 Zuhö-rer waren gekommen um zu hören,wie die beiden das Verhältnis vonFortschritt und Wachstum analysier-ten. Macht uns Wirtschaftswachs-tum zukunftsfähig oder sollten wirumgekehrt den Blick auf andere Indi-katoren lenken, wenn wir nach demkollektiven Wohlbefinden fragen?

In dem von Jürgen Caspary vomSWR moderierten Gespräch stelltesich schnell heraus, dass sich der Fortschritt einer Gesell-schaft nicht in der Menge produzierter Register-Tonnenmessen lässt. Im Gegenteil: Weniger Produktion, wenigerKonsumption, weniger Geschäftigkeit und Konkurrenzkönnten gerade jene Potenziale freisetzen, die in Sonntags-

reden oft eingeklagt werden: Muße, Bildung, Kreativität.Während Harald Welzer in diesem Umdenken einen echtenGewinn an Lebensqualität sieht, ist dieser Weg aus Sichtvon Meinhard Miegel unvermeidlich vorgeschrieben undkeine Option, die man treffen oder auch vermeiden könnte:Die weltweit wachsende Nachfrage nach Rohstoffen werdedazu führen, dass die Wachstumsraten in den am weitestenentwickelten Ländern nicht mehr zu halten sein werden. Dasgelte, so lange unser Wirtschaften auf der Verschwendunggebundener Energie basiert. Zudem sei der Ausweg einerdurch Staatsschulden künstlich angeheizten Nachfrage ver-sperrt, weil dessen Ungerechtigkeit gegenüber nachfolgen-den Generationen mittlerweile offensichtlich geworden ist.Harald Welzer folgerte daraus, dass sich unsere Vorstellun-gen darüber, was als „normal“ zu betrachten sei, funda-mental ändern werden.

Vollgas ohne schlechtes GewissenAber können neue Innovationen nicht neue Wachstumsim-pulse setzen? Dürfen wir nicht auf einen technischen Befrei-ungsschlag hoffen, der die Lösung der Klimafrage endgültigvon unserem Lebensstandard entkoppelt? Vollgas ohne

von links: Meinhard Miegel, Ralf Caspary, Harald Welzer. (Fotos: die arge lola)

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 71

Page 5: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

V E R A N S T A L T U N G E N Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/20127 2

schlechtes Gewissen – das muss doch möglich sein! Auchhier waren die beiden Diskutanten skeptisch. Einigkeitbestand dahingehend, dass weite Teile des vermeintlichenFortschritts sich im Rückblick als bloße Optimierungen rela-tiv alter Technologien erwiesen. Zwar seien heutige Fahr-zeuge sicherer, bequemer, zuverlässiger und schneller alsihre Urahnen aus der ersten Generation des Automobils.Doch das grundlegende Prinzip – Übertragung fossiler Ener-gie in Bewegung – sei erhalten geblieben. Der wahre Fort-schritt könne daher nur darin bestehen, den Fortschrittsbe-griff selbst neu zu denken. Nur Mehr vom Gleichen – diessei kein tragfähiges Konzept. Wolle man eine Kultur derNachhaltigkeit und Innovation aufbauen, bedürfe es neuerLebensformen, neuer Mobilitätskonzepte, neuer Formendes urbanen Zusammenlebens.

Was erträgt der Homo sapiens?Wie genau diese Konzepte aussehen könnten, um dieseKernfrage ging es auch in den beiden anderen Diskussions-runden. Der Soziologe Ortwin Renn lotete im Gespräch mit

dem Technikphilosophen Klaus Kornwachs die Risikopro-blematik nicht nur neuer technologischer Konzepte, son-dern auch regressiver Lebensmodelle in unserer Zivilisationaus. Dagegen versuchten die Kulturwissenschaftlerin Barba-ra Vinken und der Medienwissenschaftler Stefan Münkereinen Grenzgang, indem sie fragten: Wie viel Technisierungerträgt eigentlich der Homo sapiens?

Die Gesprächsreihe „Fortschritt !?“ stieß auf breiteResonanz in der Stuttgarter Öffentlichkeit und stehen alsPodcast unter www.izkt.de/index.php/cat/87/title/Podcastszur Verfügung. Heidenreich/Uhl

KONTAKT

Dr. Elke UhlInternationales Zentrum für Kultur- und TechnikforschungTel.: 0711/685-8 23 79e-mail: [email protected]> > > www.izkt.de

E L Y S É E - V O R T R A G A M I Z K T > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Das Märchen von „Merkozy“ Jährlich lädt das Internationale Zentrum für Kultur- undTechnikforschung (IZKT) mit Unterstützung der DVA-Stif-tung zum Elysée-Vortrag ein, mit dem an die Unterzeich-nung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages imJahr 1963 erinnert wird. Den Festvortrag 2011 hielt der Her-ausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Prof.Günther Nonnenmacher.

Als Nonnenmacher das Podium betrat, bekamen diegebannten Zuhörer im vollbesetzten Max-Bense-Forum der

Stadtbibliothek zunächst ein Mär-chen zu hören: Das Märchen vonPrinzessin Angela und Prinz Nicolas,die nach anfänglichem Fremdelnzueinander fanden, ja schlussendlichzu einem neuen Wesen namens„Merkozy“ verschmolzen. Noch niewaren sich Deutschland und Frank-reich so nah wie heute, scheint es.Doch sind die deutsch-französischenBeziehungen tatsächlich so mär-chenhaft?

Günther Nonnenmacher verdeut-lichte in seiner scharfen Analyse,dass diese Freundschaft in Zeitender Finanz- und Schuldenkrise mehrdenn je eine strategische Partner-schaft darstellt. Dass selbst so über-zeugte pro-europäische Politiker wieJean-Claude Juncker den Anspruchauf eine Führungsrolle des deutsch-französischen Duos kritisieren,betrachte er als wichtiges Alarmsig-

nal. Die Ausbalancierung aller Interessen bedürfe dahereiner beständigen und hochsensiblen Arbeit an den Kom-promissen. Die kulturelle Dimension der europäischen Inte-gration sei über Jahrzehnte systematisch zu wenig beachtetworden. Dies räche sich nun durch das Auseinanderdriftenverschiedener Wirtschaftskulturen.

Kritischer BürgerDoch trotz aller Krisendiagnosen sah Nonnemacher auchAnlass zum Optimismus: Die Krise habe längst fundamenta-le Einstellungen der Bürger und Politiker umgewälzt. Sowerde die Staatsverschuldung mittlerweile nicht mehr alsLösung, sondern als Teil des Problems betrachtet. Dies stel-le eine Neuorientierung des gesamten politischen Feldesdar, weil Steuergeschenke auf Kredit auch von den Bürgernnicht mehr goutiert würden.

So klang der Abend nach ausführlicher Diskussion mitdem Publikum optimistisch aus. Die deutsch-französischeFreundschaft sei so stabil, dass sie auch durch verschiedeneCharaktere an den politischen Spitzen oder Turbulenzen anden Finanzmärkten nicht in Frage gestellt werden könne.Das große Interesse am Elysée-Vortrag belegte zudem, dassauch auf zivilgesellschaftlicher Ebene die deutsch-französi-sche Freundschaft lebt.

Der Vortrag steht als podcast auf der homepage desIZKT zur Verfügung. Felix Heidenreich

KONTAKT

Felix HeidenreichInternationales Zentrum für Kultur- und TechnikforschungTel.: 0711/685-82589e-mail: [email protected]> > > www.izkt.de

Prof. Günther Nonnemacher alsFestredner Der Elysée-Vortrags,der jährlich an die Unterzeich-nung des deutsch-französischenFreundschaftsvertrags 1963 erin-nert. (Foto: Nora Heinzelmann)

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 72

Page 6: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/2012 V E R A N S T A L T U N G E N7 3

P R O F . K R Ä M E R E R K L Ä R T B E I D E R K I N D E R - U N I W A R U M E I N H U B S C H R A U B E R F L I E G T > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Höher, höher, höher!Im voll besetzten Hörsaal 47.01 auf dem Vaihinger Campusist am 2. Dezember alles ein wenig anders als sonst: EinModellhubschrauber hebt ab und die kleinen Besucher derKinder-Uni sind voll aus dem Häuschen. „Warum fliegt einHubschrauber?“, ist die Frage, die in dieser Vorlesung kin-dergerecht beantwortet werden soll. Der, der das kann, undauch Anschauungsmaterial mitgebracht hat, ist ProfessorEwald Krämer, Direktor des Instituts für Aerodynamik undGasdynamik an der Uni Stuttgart.

„Ohne Anlauf“ können Hubschrauber abheben, in der Luftstehen bleiben, sich im Kreis drehen und rückwärts fliegen,das wissen die jungen Zuhörer schon. Filmeinspieler, diezeigen, dass auch Loopings machbar sind oder gar ein Flugauf dem Rücken, lassen dann sie aber doch staunen, wieauch extreme Situationen, in denen diese Flieger, die nichtumsonst auch Rettungshubschrauber heißen, etwa Men-schen aus Bergnot retten oder auf einem schwankendenSchiff landen.

Ohne sie geht es nicht: die AuftriebskraftWeshalb aber nun fliegt ein so schwerer Körper, wenn dochschon leichtere Dinge, wie etwa ein Ball oder ein Karton ein-fach auf die Erde fallen? Mit ihren Rotorblättern sorgen dieHubschrauber für die notwendige Auftriebskraft – den

Gegenspieler zur Gewichtskraft, die die Dinge zu Bodenzieht. Wer so ein Rotorblatt im Profil mal aus der Näheanschauen kann, sieht, dass dieses oben rund gebogen,unten dagegen gerade ist. Oben am Rotorblatt strömt die

Luft deshalb schneller vorbei als unten, und oben entstehtso ein Sog, unten ein Überdruck: die Auftriebskraft, die dasFliegen möglich macht.

Je nachdem, wie der Pilot mithilfe des sogenanntenCollective-Pitch-Hebels alle Rotorblätter gemeinsam zur Luftstellt, wird die Auftriebskraft größer, der Hubschraubergewinnt an Höhe, oder sie wird niedriger und es geht nachunten. In welche Richtung er fliegen möchte, kann der Pilotmittels des Steuerknüppels entscheiden, der die einzelnenRotorblätter entsprechend verstellt. Und schließlich gibt esda auch noch die – sehr wichtigen – Pedale. Mit ihnen wirdder Heckrotor gesteuert, ohne den sich der Hubschrauberstets um die eigene Achse drehen und nicht vom Fleck kom-men würde.

Sollte mal der Motor ausfallen, dann fällt so ein Hub-schrauber übrigens nicht einfach vom Himmel. Nein, gleicheinem Ahornsamen schwebt er zur Erde und dreht sichdabei immer um sich selber. Autorotation nennt das derFachmann. Nach einer Stunde sind die Studierenden fertigzum „Take-off“, wollen möglichst schnell ihren Elternerzählen, was sie gesehen haben. Julia Alber

Im Januar hielt Prof. Franz Pesch vom Städtebau-Institut bei der Kinder-Unidie Vorlesung zum Thema „Warum leben wir in Städten?“. Er erklärte denMini-Studenten zum Beispiel wie Architekten dabei vorgehen, wenn sie einUmfeld planen, in denen sich die Menschen wohlfühlen sollen. Pesch erläuter-te welche Vorteile das Leben in einer Stadt bietet und wie es eigentlich dazugekommen ist, dass Menschen in Städten leben, und was jeder Einzelne tunkann, damit das Leben dort schön bleibt. Als Ergänzung zur Vorlesung der Kin-der-Uni bot das Stadtlabor Stuttgart einen Modell-Workshop an. Hier konntedas neue Wissen praktisch umgesetzt werden. Als „Stadtplaner für einen Tag“konnten die Nachwuchswissenschaftler dort die eigene Traumstadt als Modellim kleinen Maßstab bauen. (Foto: Stoeckl)

Prof. Ewald Krämer erklärt den Nachwuchsforschern mithilfe einesModellhubschraubers, wie Fliegen funktioniert. (Foto: Eppler)

(Fotos: Eppler)

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 73

Page 7: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

V E R A N S T A L T U N G E N Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/20127 4

E R S T E S S T U T T G A R T E R S Y M P O S I U M F Ü R P R O D U K T E N T W I C K L U N G > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Hochwertig, schnell und effizientDas erste Stuttgarter Symposium für Produktentwick-lung (SSP) rief am 23. und 24. November über 200 Fach-leute unterschiedlicher Disziplinen aus Industrie und Wis-senschaft an das Fraunhofer Institut für Arbeitswissen-schaft und Organisation (IAO) nach Stuttgart-Vaihingen.Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage, wiehochwertige Produkte effizient und schnell entstehenkönnen. Ins Leben gerufen wurde das SSP anlässlich des30-jährigen Jubiläums des IAO in Zusammenarbeit mitdrei Instituten der Universität Stuttgart: dem Institut fürKonstruktionstechnik und Technisches Design (IKTD),dem Institut für Maschinenelemente (IMA) sowie dem

Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanage-ment (IAT).

„Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht die Frage, wie Spit-zenprodukte effizient und schnell entstehen können“, erklär-te Prof. Dieter Spath, Leiter IAT. Das Symposium vermittelteneue Kenntnisse, förderte den interdisziplinären Dialog zwi-schen den Fachleuten aus Industrie und Wissenschaft undzeigte auch Möglichkeiten zur Kooperation auf.

Auf der Basis neuester Forschungsergebnisse stelltendie Referenten Methoden, Strategien und Verfahren vor, diees ermöglichen, Entwicklungsprozesse zu vernetzen, digita-

V E R A N S T A L T U N G S R E I H E „ E X Z E L L E N Z I M D I A L O G “ V O N S I M T E C H > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Wirklichkeitsfremde Herzoperation?Am 7. Februar 2012 veranstaltete der ExzellenzclusterSimulation Technology (SimTech) die traditionelle Seme-sterabschluss-Vorlesung unter dem Motto „Exzellenz imDialog“. Prominenter Gast war der Vorsitzende des Wis-senschaftsrats aus Köln, Prof. Wolfgang Marquardt. In sei-nem Vortrag „Standort Disneyland“ setzte sich der Leibniz-Preisträger mit dem Realitätsgehalt der deutschen Wissen-schaftspolitik auseinander. Marquardts These: Währendsich die Politik auf reale Rahmenbedingungen berufe, umEntscheidungen zu legitimieren, empfänden Wissenschaft-ler und Studierende das politische Handeln oftmals alswirklichkeitsfremde Operation am Herzen.

In seinem Beitrag fokussierte sichder gebürtige Böblinger auf dreiwesentliche Aspekte: Die Illusionder Exzellenz, die Realität der Öko-nomie und die Simulation derZukunft. Im ersten Abschnitt wies erauf die Problematik am Begriff derExzellenz hin. Dabei betonte er, wiewichtig ein robustes, nachvollzieh-bares Auswahlkriterium sei.Schließlich solle gute Forschung imMittelpunkt stehen und belohntwerden anstatt guter Kulissen und

Antragsprosa. Anstelle einer vermeintlichen Elitenbildunggehe es eher darum, in verschiedenen Dimensionen Aner-kennung und Belohnung zu bieten. Auch betonte er, dassman in einem Land wie Deutschland nicht allein die Spitzefördern dürfe. Vielmehr komme es darauf an, das mittlereNiveau der Wissenschaft anzuheben und das Wissen-schaftssystem in allen Facetten zu stärken, auch in Lehreund Transfer.

Im zweiten Vortragsteil erklärte Marquardt, dass dieFinanzkrise und die damit einhergegangenen Sparmaßnah-men zu Kürzungen in Forschungs- und Bildungsetats inanderen Ländern geführt haben. Hierzulande sei die Lagenoch recht stabil, einige regionale Beispiele zeigen aber,

dass auch uns ein verschärftes Sparparadigma erreicht hat.Dies führe dazu, dass gerade für Studierende die Bedingun-gen an den Universitäten kritischer werden. So komme esangesichts hoher Studentenzahlen zu Raumnot infolgegeringerer infrastruktureller Investitionen, was letztlich zueinem Anstieg an Studienabbrüchen führen könne. Umdem frühzeitig entgegenzuwirken, müssen intelligenteLösungen gefunden werden, so das Plädoyer von Mar-quardt. Überhaupt sei es essentiell, dass die Kommunikati-on zwischen Politik und Wissenschaftler nicht gestört ist.

Im abschließenden Vortragsabschnitt sagte Marquardt,dass es für die Wissenschaftspolitik schwierig sei vorherzu-sehen, welche Fördermaßnahmen sinnvoll sind – geradeauch für den Zeitraum nach der kommenden Phase derExzellenzinitiative ab 2017. Der Rückgang der Geburtenzah-len wird, laut Marquardt, ab etwa 2020 neue Maßnahmenerforderlich machen. Ein Beispiel könne hier eine stärkereinternationale Öffnung der deutschen Universitäten sein.

In der anschließenden Diskussion stellt sich der Profes-sor der RWTH Aachen den Fragen der etwa 200 Besucher.Dabei sagte er, dass er es für richtig halte, nicht alle beste-henden Einrichtungen der Exzellenzinitiative weiter zu för-dern. Es sei ein Wettbewerb, in dem es Verlierer gebenmuss, wobei diese sich nicht als Verlierer fühlen sollten, dasie alle in der ersten Förderphase strukturell und im For-schungsbereich viel erreicht hätten. Auch sprach sich Mar-quardt für eine Frauenquote in der deutschen Wissenschaftaus. So habe sich an den Universitäten, die über dasZukunftskonzept gefördert werden, der Anteil an Frauen inder Professorenschaft verdoppelt, da diese sich im Sinneeines Paradigmenwechsels auf die Suche nach den bestenFrauen in der Forschung gemacht haben. Felix Jansen

KONTAKT

Julia AckermannExzellenzcluster SimTechTel. 0711/685-60126e-mail: [email protected]

Wolfgang Marquardt

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 74

Page 8: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

le Werkzeugezu integrierenund die Poten-ziale neuerTechnologienund Werkstof-fe optimal aus-zuschöpfen.Unter denHauptthemenfanden sichbeispielsweisedie virtuelleProduktent-wicklung, dieOptimierungvon Produkt-entwicklungs-prozessen,Maschinenele-menten und -systemen, dasfrühzeitigeErkennen vonTechnologie-potenzialensowie innova-tive Bauteile

und Produkte, wie etwa hybride Lösungsansätze.In ihrer mit „Konvergenz und Divergenz: Produktent-

wicklung im Wandel“ überschriebenen Einführung nanntenSpath, der Leiter des Instituts für Maschinenelemente derUni Stuttgart Prof. Bernd Bertsche und sein Kollege Prof.Hansgeorg Binz, der Leiter des Instituts für Konstruktions-technik und Technisches Design (IKTD), die Internetfähigkeitder Produkte eine der großen Herausforderungen der vier-

Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/2012 V E R A N S T A L T U N G E N7 5

Die digitale Produktentwicklung verfügt heute übereine Vielzahl leistungsfähiger 3D-CAx-Anwendun-gen für Konstruktion, Berechnung, Simulation undMarketing. (Bild: U. Völkner/Fotoagentur FOX)

ten industriellen Revolution. In Zukunft würden radikaleInnovationen benötigt, die Kunden müssten früh in die Ent-wicklungsprogramme mit eingebunden werden, und diemultidisziplinäre Produktentwicklung werfe die Frage auf:Haben wir die Kommunikationsplattform dazu?

Im zweiährigen Wechsel mit dem schon seit Jahren eta-blierten Fertigungstechnischen Kolloquium (FTK) soll dasSSP nun stattfinden. Der Rektor der Uni Stuttgart, Prof.Wolfram Ressel begrüßte es, diese Idee in Stuttgart zu ver-wirklichen, an einem der stärksten produktionstechnischenStandorte. Die wichtigen Themen Modellierung und Simu-lation lägen mitten im Forschungsprofil der Uni Stuttgartund die Uni zusammen mit Fraunhofer im Zentrum vielerGlobal Player. Und Ressel wies auf den weit fortgeschritte-nen Neubau des IAOs hin: Das Zentrum für VirtuellesEngineering (ZVE) soll als Plattform für die Erforschung,Entwicklung und Erprobung von Virtual Reality Technologi-en und innovativen Arbeitslösungen dienen. „Ohne ein her-vorragendes Produkt geht gar nichts“, betonte Prof. Hans-Jörg Bullinger, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, inseiner Festrede „Fraunhofer – weiter denken, weiter for-schen, weiter vorn. Vorsprung durch Innovation in der Pro-duktentwicklung“. Um sich dem Wettbewerb an den Welt-märkten zu stellen, sei man recht gut aufgestellt, betonte er,und bei der Entwicklung sei die Konzentration auf Innova-tionen angesagt. Zudem mahnte Bullinger, in Baden Würt-temberg fehle es an der für die Verteidigung der Positionam Markt wichtigen Dynamik. Julia Alber

KONTAKT

Prof. Dieter SpathInstitut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanage-ment Tel: 0711/ 970-2000e-mail: [email protected]

U M H Ö R E N K I I > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Das KII als Experimentelle BühneWo normalerweise Vorlesungen und Seminare stattfinden,studiert und geforscht wird, standen am 21. Januar 2012ganz andere Themen auf der Tagesordnung: Das Kollegien-gebäude in der Keplerstraße 17 – besser bekannt als KII –wurde für einen Tag zu einer Experimentellen Bühne fürAkustisches umfunktioniert. Zwei Studierende der Musik-hochschule und der Kunstakademie Stuttgart, Julia Wir-sching und Gabriel Hensche, entwickelten das ungewöhnli-

ches Aufführungsformat Experimentelle Bühne und ludenKreative dazu ein, sich in den Räumlichkeiten der Uni Stutt-gart auszudrücken.

„Hinter ‚Umhören KII’ steckt die Idee, Menschen, die inirgendeiner Weise mit dem KII zu tun haben, eine gemein-same Plattform zu geben“, erklärt Wirsching ihre Beweg-gründe. Denn im Kollegiengebäude der Uni Stuttgart kreu-

Das „Studentenchörle“ der Universität Stuttgart zeigte im KII die Sprachperformance „Artikulation“ (Foto: Hensche)

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 75

Page 9: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

V E R A N S T A L T U N G E N Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/20127 6

A U S S T E L L U N G „ A R C H I T E K T E N R E I S E N “ D E S I N S T I T U T S F Ü R A R C H I T E K T U R G E S C H I C H T E > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Reisedokumentationen deutscher BaumeisterVom 7. bis zum 17. Februar 2012 wurde im Foyer des Kolle-giengebäudes KI die kleine aber dennoch reich bestückteAusstellung „ArchitektenReisen“ des Instituts für Architek-turgeschichte gezeigt. Nach Stationen in Braunschweig,Hannover und Münster kam die von dem Architekturhistori-ker Dr. Simon Paulus, TU Braunschweig, kuratierte Ausstel-lung nun an die Fakultät für Architektur und Stadtplanungder Universität Stuttgart. Abgebildet wurden mehrereexemplarische Exkursionen von der frühen Italienreise Hein-rich Schickhardts (1599/1600) bis zur Weltreise Otto Bart-nings (1904/05).

Der „Lohn“ oft mühsamer und einsamer Reisen von Archi-tekten sind ihre Tagebücher und Skizzen. Aus ihnen schöpf-te der Kreative noch Jahre später: so dienen die schriftli-chen und zeichnerischen Zeugnisse dieser Unternehmun-gen als Inspirationsquelle für spätere Entwürfe. Entschei-dende Wandlungen, Impulse und Innovationen in derGeschichte der Architektur sind Impressionen und Studienreisender Architekten zu verdanken. Denn: Im Laufe derJahrhunderte wandelten sich Ziele und Ansichten, ändertensich Routen, Wahrnehmungsweisen und Reisegeschwindig-keiten. Ihre Darstellung auf bedruckten Textilfahnen bildetesomit auch das Herzstück der Ausstellung. Anhand von 18veranschaulichten Reisedokumentationen bekannter undweniger bekannter Baumeister erschloss sich eine kleineGeschichte der neuzeitlichen Architektur aus der Sicht rei-sender Architekten. Ergänzt wurde die Schau durch mehre-re, große Modelle aus der reichen Sammlung der Stuttgar-ter Architekturfakultät.

Auf der Vernissage zur Ausstellung sprachen der Kura-tor Dr. Paulus, sowie der Leiter des Instituts für Architektur-

geschichte Prof. Klaus Jan Philipp vor externen Gästen, Kol-legen und Studierenden der Architekturfakultät.

Dr. Dietlinde Schmitt-Vollmer/cfiKONTAKT

Dr. Dietlinde Schmitt-VollmerInstitut für ArchitekturgeschichteTel. 0711/685-83287e-mail: [email protected]

Auf bedruckten Textilfahnen und mit Modellen wurden die Reisen meh-rerer Architekten zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert veran-schaulicht. (Foto: Jan Lubitz)

A U S S T E L L U N G D E S P R O J E K T E S „ M A I S O N S D U M A L “ A M I G M A > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Häuser für AntiheldenVon den antiken Dramen bis in die literarische Moderneverbindet sich mit der Darstellung des Bösen auch dessenÄsthetisierung. Während Prosa, Lyrik, Film und Kunst häu-fig Referenz auf Antihelden nehmen, gibt es kaum moderneArchitektur zu dem Thema. Die „Bösen“ bewohnen besten-falls Höhlen oder ruinöse Burgen. Studierende am InstitutGrundlagen moderner Architektur und Entwerfen kreiertenunter der Leitung von Prof. Mona Mahall und Prof. Asli Ser-

best „Häuser für Schurken“ und zeigten diese in einer Aus-stellung.

Unter dem Titel „Maisons du Mal“ (auf Deutsch etwa:„Schurken Schuppen“) entwarfen die Studierenden insge-samt 15 Hausentwürfe für berühmte „Bösewichte“, unteranderem für Joker, Captain LeChuck, Dr. Jekyll und Mr.Hyde, Mephisto, Herzkönigin, Cruella de Vil, Poison Ivy,

zen sich die Wege von Studierenden verschiedener Hoch-schulen. Bis Mitte Dezember 2011 war es möglich sich miteinem Konzept für eine künstlerische Performance bei denOrganisatoren zu bewerben. Über 100 Teilnehmer ent-wickelten 18 künstlerische Projekte für die Räume des KII,und setzten sich so mit der Beziehung von Klang und Raumauseinander. Zum Event im Januar sahen dann zahlreicheZuschauer verschiedene Darbietungen, welche sich zwi-schen Musik, Tanz und Bildender Kunst bewegten. Bei-spielsweise konnte eine Choreographie zur architektoni-schen Struktur im Foyer bewundert werden, Aufzüge wur-

den zur Bühne sechssekündiger Performances, das Trep-penhaus wurde ein Resonanzkörper für Percussion undStimme und in einem Vorraum wurde der Samstag einesWG-Zimmers vertont. Über mehrere Stunden und Stock-werke hinweg konnten Besucher die Darbietungen in Formeiner Kollektivkomposition erkunden. cfi

KONTAKT

Julia Wirsching & Gabriel Henschee-mail: [email protected]

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 76

Page 10: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/2012 V E R A N S T A L T U N G E N7 7

Patrick, Herr Grundeis und Pinguin. Inspirationsquellewaren Texte, Comics und Filme zum jeweiligen Thema.Die „bösen Architekturen“ reichenvon fliegenden Schiffen, über Trag-werksysteme aus Tausendfüsslernbis hin zu Stadt-in-der-Stadt-For-men und spielerischen Anti-Räu-men. Die Studierenden bedientensich für die Darstellung bei experi-mentellen Medien und stellten ihreIdeen anhand von Filmen, Anima-ted-Gifs, Grafiken, Plakaten, Zeit-schriften, Büchern und Modellendar. „Der Held, als gute Person, isthäufig die uninteressantere Figurund wird daher ästhetisch banal.Dagegen steht das Böse seit Freud,Bataille oder Dali im Zentrum derAufmerksamkeit. Das Böse alsAbweichung ist sogar zum Symboldes Widerstands, der Emanzipation und der Auflösungaller Formen von Herrschaft aufgestiegen“, so Prof.Mahall.

Die Ausstellungseröffnung fand dann passend zum The-ma an einem diabolischen Datum statt: Unter dem Motto„carnEVIL“ wurden die Ergebnisse am 11. November 2011um 18:18 Uhr in den Kellerräumen der Architekturfakultät

präsentiert. Unter http://maisonsdumal.tumblr.com/ sindeinige Ideen zum Projekt zu finden. cfi

KONTAKT

Prof. Mona MahallInstitut Grundlagen moderner Architektur und EntwerfenTel. 0711/685-83314e-mail: [email protected]

Die Ausstellung in den Kellerräumen der Architekturfakultät zeigte unter anderem drei Spielhäuser fürJoker aus der Comic-Serie „Batman“; Entwurf von Bärbel Jetter und Andreas Gröning

(Foto: Mona Mahall)

D A U E R A U S S T E L L U N G „ H I R O S H I M A I N D E R V I T R I N E “ E R Ö F F N E T > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Mahnung mit DachziegelnDer Atombombenabwurf auf die japanische Stadt Hiro-shima am 6. August 1945 verursachte eine Katastropheschrecklichen Ausmaßes: Durch die Explosion und die freigesetzte radioaktive Strahlung kamen mindestens 200.000Menschen ums Leben, rund 80 Prozent der Stadt wurdenzerstört. Zum Gedenken an dieses geschichtsträchtigeEreignis erarbeiteten und installierten Studierende amHistorischen Institut im Rahmen eines Projektseminars die Dauerausstellung „Hiroshima in der Vitrine“.

Auch die Universität Stuttgart beteiligte sich nach demEnde des Zweiten Weltkriegs mit Buchspenden, drei Eichenund Samen aus der botanischen Sammlung am Wiederauf-bau der heutigen Hiroshima University. 2011 begann die„Association of Hiroshima University Students for Sendingan Atomic Bombed Roof Tile“ sich bei den spendablen Insti-tutionen für die Wiederaufbauhilfe mit „Gedenkstücken“ zubedanken: Sie überließen Prof. Klaus Hentschel, Leiter derAbteilung Geschichte der Naturwissenschaft und Technik(GNT) der Uni, angeschmolzene Dachziegel, die aus demGround Zero Bereich des Atombombenabwurfs stammen.Sie sollen als ein Zeichen des Friedens und der Mahnungverstanden werden und sind nun das „Herzstück“ einer vonStudierenden gestalteten Dauerausstellung in den beidenVitrinen des Hörsaals 17.17 im KII. „Die Ziegel sind auf einerSeite deutlich verbrannt – sie waren etwa 5.000 Grad Hitzeausgesetzt. Ein japanischer Student entnahm sie demMotoyasu Fluss in Hiroshima, und jetzt sind sie hier bei unsin Stuttgart“, erläutert Adam Maslanka, studentischer Tutor

des Seminars, in seinen einleitenden Worten bei der Aus-stellungseröffnung, Ende Januar 2012. Zehn Studierendehaben sich im Rahmen eines Projektseminars jeweils einemTeilbereich deshistorischenZusammen-hangs desersten Atom-bombenab-wurfs gewid-met. Ihre erar-beiteten Hin-tergründe tra-gen sie bei derVernissage vorund erläuterndazu ihreUmsetzung inder Ausstel-lung. „Von derChronologieder Ereignisse,über die medizinischen Folgen, bis hin zur Reflexion desAtombombenabwurfs in japanischen Manga-Comics habendie Studierenden viele spannende Aspekte beleuchtet unduns in der Vitrine zugänglich gemacht“, sagt Prof. Hentschel.

Robin Augenstein etwa, der sich dem Themenkomplex„Medien“ widmet, zeigt Beispiele der Berichterstattung inamerikanischen, englischen und deutschen Zeitungen und

Makroaufnahme der Dachschindeln aus Hiroshima: Gut zuerkennen ist die partielle Verglasung des Materials, welcheerst bei Temperaturen oberhalb von 1.000 Grad einsetzt.

(Foto: Mathias Engelmann)

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 77

Page 11: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

V E R A N S T A L T U N G E N Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/20127 8

T A G U N G D E R D G S - S E K T I O N „ W I S S E N S C H A F T S - U N D T E C H N I K F O R S C H U N G “ > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Mediensektoren im WandelDas Internet hat mittlerweile beträchtliche Auswirkungenauf die Restrukturierung bekannter und die Herausbildungneuer Medienangebote. So befördert etwa Social Media imWeb ganz neue Formen der Partizipation und Online-Music-Stores sorgen für einen Umbruch in der Musikindustrie. Mitdiesen sozioökonomischen Veränderungsprozessenbeschäftigte sich die Tagung „Das Internet und der Wandelvon Mediensektoren“, die im November 2011 von derAbteilung für Organisations- und Innovationsso-ziologie der Universität Stuttgart veranstaltetwurde und 30 thematisch einschlägige Wissen-schaftler versammelte.

Ein Beispiel für einen Aspekt des gegenwärtigenMedienwandels ist Facebook: Das soziale Netz-werk ist in den vergangenen Jahren zur zentralenKommunikationsplattform im Web geworden undhat seinem Vorläufer MySpace in kürzester Zeitden Rang abgelaufen. Mit Blick auf derartige Ent-wicklungen sprach Prof. Ulrich Dolata, Geschäfts-führender Direktor des Instituts für Sozialwissen-schaften, in seinen einleitenden Worten zu derTagung von einer „Tendenz zur volatilen Monopol-bildung im Netz“. Im Internet vollziehe sich damitgenau das, was offline auch schon beobachtbarist: Einige große Anbieter wie Google, Apple,Amazon oder Facebook beherrschen die Märkte,müssen ihre Position allerdings beständig durchneue Innovationen verteidigen. Wie schnell derFall nach dem Aufstieg kommen kann, zeigt dasBeispiel MySpace.

Doch wie gehen traditionelle Medienkonzerne mit die-sem Wandel um? Dieser Frage widmete sich das erste Panelder Tagung und insbesondere ein Vortrag zu denUmbrüchen im deutschen Verlagswesen: Während dieBuchverlage nach wie vor relative stabile Umsätze verzeich-nen können, seien vor allen Dingen Tageszeitungen von derKonkurrenz im Web betroffen. Aus Sicht des Referenten, Dr.Stefan Heng von DB Research, gründen sich aussichtsreicheGeschäftsmodelle vor allem auf einer Kombination aus freiverfügbaren und kostenpflichtigen Informationen, attrakti-

ven Zusatzfunktionen und kontextsensitiver Werbung. Diemomentan vieldiskutierten neuen Kommunikations- undInformationsmöglichkeiten im Web 2.0 und deren Auswir-kungen auf die Öffentlichkeitsstrukturen waren ebenfallsThema der Tagung. In einem der Vorträge kontrastierte Jan-Felix Schrape, Universität Stuttgart, die Visionen zum „Mit-mach-Web“ mit empirischen Daten zu den Nutzungspräfe-renzen der deutschen Onliner. Er leitete daraus die These

ab, dass Social Mediaund Massenmedien aufunterschiedlichen Ebenengesellschaftlicher Wirk-lichkeitskonstruktion wir-ken und insofern wenigerin einem konkurrierendenals in einem sich ergän-zenden Verhältnis stehen.

Mit Blick auf die dis-kutierten Forschungsre-sultate bilanzierten dieTagungsteilnehmer, dassdie Onlinetechnologienzwar einen Wandel in denKonstellationen derAkteure, institutionellenBedingungen und Markt-strukturen von Medien-sektoren angestoßenhaben, sich die Verände-rungen aber eher als stu-

fenweise Transformationsverläufe denn als kurzfristige radi-kale Umbrüche charakterisieren lassen. cfi

KONTAKT

Prof. Ulrich DolataInstitut für SozialwissenschaftenAbteilung für Organisations- und InnovationssoziologieTel. 0711/685-81001e-mail: [email protected]

Prof. Ulrich Dolata, Direktor des Instituts für Sozial-wissenschaften, eröffnet die Tagung „Das Internetund der Wandel von Mediensektoren“

(Foto: Jonas Schwan)

macht deutlich, inwieweit sich diese unterscheiden odergleichen. Eine Sonderform des Umgangs mit der Atom-bombe zeigte sich in Deutschland mit der Verarbeitung inKabarettprogrammen. „Auch diese, vielleicht etwas unge-wöhnliche Form der Bewältigung und Verurteilung derEreignisse werden in der Vitrine ausgestellt“, so Augen-stein. Illustriert hat er seine Forschungen mit einer Schall-platte der Münchner „Lach- und Schießgesellschaft“. Paral-lel zur Ausstellung wurde von den Studierenden auch eine

Webpage gestaltet, die ausführlichere Informationen undweiterführende Links und Literatur benennt. cfi

KONTAKT

Prof. Klaus HentschelHistorisches InstitutTel. 0711/685-82312e-mail: [email protected]> > > www.uni-stuttgart.de/hi/gnt/ausstellungen/hiroshima/

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 78

Page 12: kurier Nr. 109 1/2012 - uni-stuttgart.de · der Forschungen in den Bereichen Atom-, Molekül-, Plas- ma- und Kurzzeitphysik, Extraterrestrische Physik, Massen- spektrometrie sowie

Stuttgarter unikurier Nr. 109 1/2012 V E R A N S T A L T U N G E N7 9

1 4 . T H E O D O R - H E U S S - G E D Ä C H T N I S V O R L E S U N G M I T P R O F . R O B E R T L E I C H T > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

„…allein mir fehlt der Glaube“Wie hält es die liberale Gesellschaft mit der Religion? Mitdiesem Zitat frei nach Goethes Faust wurde im Dezemberzur 14. Theodor-Heuss-Gedächtnisvorlesung der StiftungBundespräsident-Theodor-Heuss-Haus und der UniversitätStuttgart geladen. Prof. Robert Leicht thematisierte in sei-nem Vortrag auch die islamistische Debatte. Mit dieser Vor-lesungsreihe wird an den Todestag des ersten Präsidentender Bundesrepublik Deutschland am 12. Dezember 1963erinnert.

Nach der einleitenden Begrüßung durch Prof. Frank Engl-mann, Dekan der Geistes- und Sozialwissenschaften, sowiedurch Gabriele Müller-Trimbusch, Vorstandsvorsitzende derStiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, übernahmProf. Robert Leicht, ehemaliger Chefredakteur und derzeiti-ger politischer Korrespondent der Wochenzeitung „DieZeit“, das Wort. In den darauf folgenden eineinhalb Stun-den stellte er zunächst den heutigen Stellenwert der Religi-on in der westlichen Gesellschaft für das Publikum dar. „DieReligion ist zu einer ‚nostalgischen Ressource’ und die Gret-chenfrage zur Privatsache geworden“, bilanzierte Leicht.Gleichzeitig existiere jedoch ein Paradoxon mit schwinden-den Mitgliedern und sinkenden Kirchenbesuchszahlen aufder einen Seite und einer steigenden Debatte über Religi-onsfragen auf der anderen Seite.

Spätestens seit den Ereignissen des 11. September2001, in Folge dessen der Islam auch zu einem politischenFaktor geworden sei, wird die westliche Gesellschaft zuneh-mend dazu gezwungen, eine Haltung zur eigenen Religionzu finden. Ein eigentlich vergessenes Thema wird akut,auch durch die Tatsache, dass Immigranten zunehmend inhöheren Positionen zu finden sind, wodurch beispielsweisedie Kopftuch-Problematik entstanden ist. „Die Freiheit kanndie Religion nicht unterdrücken, die Religion aber sehr wohl

die Freiheit.“, erklärte Leicht. So war es auch ein langerWeg bis zur Religionsfreiheit: Konnte man zunächst nur dieReligion des Herrschers annehmen, fand die Religionsfrei-heit erstmals in der Weimarer Verfassung ihren Platz. Die

Kirche blieb jedoch während dieses ganzen Prozessesaußen vor, obwohl sie doch selbst darauf angewiesen sei.

Als Resümee der Betrachtung des Verhältnisses vonliberalem Staat und Kirche zog Leicht, dass sich ein liberalerVerfassungsstaat nicht als Agent der Religion engagierendarf, denn nur wer Gott nicht abschafft, kann ein durch unddurch säkularer Staat sein. Als Konsequenz heißt das, dassdie Religion zwar Privatsache ist, aber man sich nicht dazuverpflichten kann sie in der Öffentlichkeit außen vor zu las-sen, da dies eine Beschneidung der Identität darstellt. EinReligionsunterricht an öffentlichen Schulen könne somit nurfreiwillig als Wahlpflichtfach geschehen. Magdalena Max

Der Publizist Prof. Robert Leicht sprach über das Verhältnis zwischen Re-ligion und Gesellschaft. (Bild: Regenscheit)

A N Z E I G E > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

06-veranstaltungen.09.05.12 18.06.2012 21:45 Uhr Seite 79