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Z Rheumatol 2007 · 66:195–197 DOI 10.1007/s00393-007-0168-2 Online publiziert: 14. April 2007 © Springer Medizin Verlag 2007 E. Genth 1 · G.-R. Burmester 2 1 Rheumaklinik und Rheumaforschungsinstitut, Aachen 2 Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und klinische Immunologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte Labormedizinische Diagnostik rheumatischer Krankheiten – quo vadis? Integraler Bestandteil der Rheumatologie Einführung zum Thema Labormedizinische Untersuchungen sind in vielen Bereichen ein entscheidender Be- standteil der rheumatologischer Diagnos- tik. Sie ermöglichen die nosologisch-ätiolo- gische Zuordnung klinischer Symptome zu definierten Erkrankungen. Sie tragen dazu bei, die Krankheitsaktivität insbesondere entzündlicher Prozesse genauer zu bestim- men, die Beteiligung metabolischer, endo- kriner und anderer Prozesse zu erkennen und sie unterstützen die Erkennung einer Mitbeteiligung verschiedener innerer Or- gane und deren Schadensentwicklung. E Labormedizinische Diagnostik ist ein integraler Bestandteil der rheumatologischen Diagnostik. Wesentliche Bereiche insbesondere der im- munologischen Diagnostik wurden in For- schungslaboratorien entwickelt, die Teil rheumatologischer Kliniken sind oder eng mit ihnen zusammenarbeiten. Die enge Ko- operation hat entscheidend dazu beigetra- gen neue Parameter der Diagnostik zu ent- decken und ihre klinische Bedeutung zu er- kennen. Die war und ist ein wichtiger Teil der Fachentwicklung in Bezug auf rheuma- tische und systemische entzündliche Krank- heiten. Die zentrale Bedeutung vor allem immunologischer Untersuchungen für die Diagnostik rheumatischer Krankheiten er- fordert wie auch in den Weiterbildungsricht- linien ausgeführt eine qualifizierte Weiter- und Fortbildung. Dies ist angesichts der Ent- wicklung der Weiterbildung in den Kliniken eine wesentliche Herausforderung. Das Leitthema „Labordiagnostik“ der Zeitschrift für Rheumatologie greift einige Aspekte der labormedizinischen Diagnos- tik rheumatischer Erkrankungen heraus. Beispielhaft zeigen die Beiträge die zentrale Rolle der Labordiagnostik für die Rheuma- tologie. Die Komplexität wird am Beispiel der rheumatoiden Arthritis, des Antiphos- pholipid-Syndroms und der systemischen Sklerose illustriert. Die rheumatologische Labordia- gnostik kennt außer dem Nachweis von Mononatriumuratkristallen kaum Ergeb- nisse so hoher Sensitivität und Spezifität, dass sie als pathognomonisch angesehen werden können. Einige Parameter mit ho- her Sensitivität eignen sich zur Ausschluss- diagnostik, was insbesondere bei seltenen Krankheiten wichtig ist. Ein negativer Be- fund von antinukleären Antikörpern im in- direkten Immunfluoreszenztest ist geeignet einen systemischen Lupus erythematodes, eine „mixed connective tissue disease“ oder eine systemische Sklerose weitgehend aus- zuschließen. Das Fehlen von Rheumafak- toren oder CCP-Antikörpern schließt je- doch die rheumatoide Arthritis nicht aus. Ihr diagnostischer Wert erschließt sich aus der Bewertung im Kontext anderer Be- funde. Dennoch machen die Beiträge zur Autoantikörperdiagnostik der rheumato- iden Arthritis, des Antiphospholipid-Syn- droms und der systemischen Sklerose deut- lich, dass die Autoantikörperdiagnostik und auch das Verständnis der pathogenen Bedeutung verschiedener Autoantikörper weiter in Bewegung sind. > Einige Parameter mit hoher Sensitivität eignen sich zur Ausschlussdiagnostik Die Indikation und Wertigkeit von La- boruntersuchungen orientieren sich daran, wie stark das positive oder negative Ergeb- nis die Wahrscheinlichkeit der Diagnose in Richtung Diagnosesicherung oder Aus- schluss verändert. Die Prätestwahrschein- lichkeit, der positive und negative prädiktive Wert der Ergebnisse und deren Wertigkeit im Kontext anderer Befunde sind entschei- dend. Die Ausrichtung der Diagnostik an klinischen Leitsymptomen ist ein wesent- liches Prinzip diagnostischer Pfade. Die Gelenkschwellung, die Enthesitis, die Ray- naud-Symptomatik oder photosensitive Hautsymptome sind häufige Leitsymptome rheumatischer Krankheiten in der Praxis. In Deutschland hat eine gemeinsame Ar- beitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Immunologie mit der Deutschen Gesellschaft für klinische Che- mie und Laboratoriumsmedizin Algorith- men für Autoimmundiagnostik rheuma- tischer und anderer Krankheiten erarbeitet (http://www.dgkl.de/). Dieses Modell dia- gnostischer Algorithmen verwirklicht den effizienten, sequentiellen und zielorientie- 195 Zeitschrift für Rheumatologie 3 · 2007 |

Labormedizinische Diagnostik rheumatischer Krankheiten – quo vadis?

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Z Rheumatol 2007 · 66:195–197

DOI 10.1007/s00393-007-0168-2

Online publiziert: 14. April 2007

© Springer Medizin Verlag 2007

E. Genth1 · G.-R. Burmester2

1 Rheumaklinik und Rheumaforschungsinstitut, Aachen2 Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und klinische

Immunologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte

Labormedizinische Diagnostik rheumatischer Krankheiten – quo vadis?Integraler Bestandteil der Rheumatologie

Einführung zum Thema

Labormedizinische Untersuchungen sind

in vielen Bereichen ein entscheidender Be-

standteil der rheumatologischer Diagnos-

tik. Sie ermöglichen die nosologisch-ätiolo-

gische Zuordnung klinischer Symptome zu

definierten Erkrankungen. Sie tragen dazu

bei, die Krankheitsaktivität insbesondere

entzündlicher Prozesse genauer zu bestim-

men, die Beteiligung metabolischer, endo-

kriner und anderer Prozesse zu erkennen

und sie unterstützen die Erkennung einer

Mitbeteiligung verschiedener innerer Or-

gane und deren Schadensentwicklung.

E Labormedizinische Diagnostik

ist ein integraler Bestandteil der

rheumatologischen Diagnostik.

Wesentliche Bereiche insbesondere der im-

munologischen Diagnostik wurden in For-

schungslaboratorien entwickelt, die Teil

rheumatologischer Kliniken sind oder eng

mit ihnen zusammenarbeiten. Die enge Ko-

operation hat entscheidend dazu beigetra-

gen neue Parameter der Diagnostik zu ent-

decken und ihre klinische Bedeutung zu er-

kennen. Die war und ist ein wichtiger Teil

der Fachentwicklung in Bezug auf rheuma-

tische und systemische entzündliche Krank-

heiten. Die zentrale Bedeutung vor allem

immunologischer Untersuchungen für die

Diagnostik rheumatischer Krankheiten er-

fordert wie auch in den Weiterbildungsricht-

linien ausgeführt eine qualifizierte Weiter-

und Fortbildung. Dies ist angesichts der Ent-

wicklung der Weiterbildung in den Kliniken

eine wesentliche Herausforderung.

Das Leitthema „Labordiagnostik“ der

Zeitschrift für Rheumatologie greift einige

Aspekte der labormedizinischen Diagnos-

tik rheumatischer Erkrankungen heraus.

Beispielhaft zeigen die Beiträge die zentrale

Rolle der Labordiagnostik für die Rheuma-

tologie. Die Komplexität wird am Beispiel

der rheumatoiden Arthritis, des Antiphos-

pholipid-Syndroms und der systemischen

Sklerose illustriert.

Die rheumatologische Labordia-

gnostik kennt außer dem Nachweis von

Mononatrium uratkristallen kaum Ergeb-

nisse so hoher Sensitivität und Spezifität,

dass sie als pathognomonisch angesehen

werden können. Einige Parameter mit ho-

her Sensitivität eignen sich zur Ausschluss-

diagnostik, was insbesondere bei seltenen

Krankheiten wichtig ist. Ein negativer Be-

fund von antinukleären Antikörpern im in-

direkten Immunfluoreszenztest ist geeignet

einen systemischen Lupus erythematodes,

eine „mixed connective tissue disease“ oder

eine systemische Sklerose weitgehend aus-

zuschließen. Das Fehlen von Rheumafak-

toren oder CCP-Antikörpern schließt je-

doch die rheumatoide Arthritis nicht aus.

Ihr diagnostischer Wert erschließt sich aus

der Bewertung im Kontext anderer Be-

funde. Dennoch machen die Beiträge zur

Autoantikörperdiagnostik der rheumato-

iden Arthritis, des Antiphospholipid-Syn-

droms und der systemischen Sklerose deut-

lich, dass die Autoantikörperdiagnostik

und auch das Verständnis der pathogenen

Bedeutung verschiedener Autoantikörper

weiter in Bewegung sind.

> Einige Parameter mit hoher Sensitivität eignen sich zur Ausschlussdiagnostik

Die Indikation und Wertigkeit von La-

boruntersuchungen orientieren sich daran,

wie stark das positive oder negative Ergeb-

nis die Wahrscheinlichkeit der Diagnose

in Richtung Diagnosesicherung oder Aus-

schluss verändert. Die Prätestwahrschein-

lichkeit, der positive und negative prädiktive

Wert der Ergebnisse und deren Wertigkeit

im Kontext anderer Befunde sind entschei-

dend. Die Ausrichtung der Diagnostik an

klinischen Leitsymptomen ist ein wesent-

liches Prinzip diagnostischer Pfade. Die

Gelenkschwellung, die Enthesitis, die Ray-

naud-Symptomatik oder photosensitive

Hautsymptome sind häufige Leitsymptome

rheumatischer Krankheiten in der Praxis.

In Deutschland hat eine gemeinsame Ar-

beitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für

Rheumatologie und Immunologie mit der

Deutschen Gesellschaft für klinische Che-

mie und Laboratoriumsmedizin Algorith-

men für Autoimmundiagnostik rheuma-

tischer und anderer Krankheiten erarbeitet

(http://www.dgkl.de/). Dieses Modell dia-

gnostischer Algorithmen verwirklicht den

effizienten, sequentiellen und zielorientie-

195Zeitschrift für Rheumatologie 3 · 2007 |

ren Einsatz labormedizinischer und ande-

rer diagnostischer Parameter und ist der-

zeit die beste diagnostische Strategie. Die

Persistenz der Mehrzahl der Autoantikör-

pern bietet dabei im Vergleich zu klinischen

Symptomen, die im Verlauf oft variabel

sind den Vorteil, dass entsprechende Tests

in der Regel nur einmal durchgeführt wer-

den müssen. Dieses Vorgehen setzt Fach-

wissen voraus und begründet die Notwen-

digkeit, dass die spezifische Labordiagnos-

tik durch den Rheumatologen veranlasst

und interpretiert wird.

Neue Ansätze in der Diagnostik, durch

Screening mittels Multiparameterassays

und computerisierter Auswertung auf der

Basis des vorhandenen Wissens über die

Sensitivität und Spezifität einzelner und

kombinierter Biomarker, werden zeigen

müssen, ob und in welchen diagnostischen

Situationen sie in der Diagnostik einer

durch spezielles Wissen gesteuerten Vorge-

hensweise überlegen sind.

E In den letzten Jahren wurde

eine Vielzahl von Problemen

der rheumatologischen Labora-

toriumsdiagnostik deutlich.

Verschiedene immunologische Methoden,

wie z. B. verschiedene Tests zum Nach-

weis von Autoantikörpern, erfassen unter-

schiedliche Aspekte der komplexen Immun-

antwort und erfordern ausreichende ver-

gleichende Untersuchungen. Weitere Facet-

ten dieses Problems sind die oft noch unzu-

reichende Standardisierung und Vergleich-

barkeit der Methoden und die oft fehlende

Evaluation an eigenen oder was in der eu-

ropäischen Initiative zur Standardisierung

der Autoantikörpertestung (EASI) geplant

ist internationalen Referenzkollektiven.

Diese Aspekte werden in dem Beitrag von

A. Wiik diskutiert. Vor allem auch durch

die Entwicklungen in der diagnostischen

Industrie wurden in der Breite die interne

und externe Qualitätssicherung verbessert.

Der Kostendruck hat eine jedoch eine zu-

nehmende Technisierung der Analytik und

einen Strukturwandel der Laboratorien

mit Konzentration der Analytik auf immer

weniger vernetzte Laboratorien mit effi-

zienter Logistik bewirkt. Laboratorien in

Rheumakliniken und rheumatologischen

Praxen haben große Probleme, mit diesen

Entwicklungen Schritt zu halten und die er-

forderliche Qualität und Wirtschaftlichkeit

zu erbringen.

Die Herausforderungen für die Rheuma-

tologie und Immunologie liegen darin, den

Bereich der Labordiagnostik in ihrem Fach-

gebiet weiter zu entwickeln. Der enge Kon-

takt mit diesem Bereich in der Forschung

und Entwicklung und insbesondere in der

täglichen Arbeit in Praxis und Klinik ist

die Grundlage für das notwendige Wissen

und die Erfahrung über die Entstehung der

Laborergebnisse und ihrer klinischen Be-

deutung. Curriculäre spezielle und berufs-

begleitende Weiterbildung ergänzt durch

Kurse sind wichtige Bausteine der Entwick-

lung der beruflichen Qualifikation eben-

so wie der Erwerb von Fachkunden für

Laboratoriumsmedizin und klinische Im-

munologie. Die interdisziplinäre Fortbil-

dung in speziellen Laborkursen und in

rheumatologischen Qualitätszirkeln sind

weitere Instrumente Wissen, Fähigkeiten

und Erfahrung in diesem wichtigen Be-

reich der Rheumatologie zu erhalten und

weiter zu entwickeln. Für die Deutsche Ge-

sellschaft für Rheumatologie, den Berufs-

verband der Rheumatologen und den Ver-

band rheumatologischer Akutkliniken sind

dies wichtige Ziele der Arbeit in der rheuma-

tologischen Fortbildungsakademie.

E. Genth

G.-R. Burmester

Korrespondierender AutorProf. Dr. E. GenthRheumaklinik und RheumaforschungsinstitutBurtscheider Markt 24, 52066 [email protected]

AusschreibungWyeth BioPharma Forschungs-

förderung Rheumatologie

Wyeth BioPharma wird vier Forschungs-

vorhaben in der Rheumatologie fördern.

Deutsche Forschergruppen werden

aufgefordert, Projekte zu wesentlichen

klinischen oder patho physiologischen

Fragestellungen zur TNF-Blockade in rheu-

matologischen Indikationen einzureichen.

Die Auswahl der Projekte erfolgt durch

internationale Gutachter in einem unab-

hängigen Auswahlverfahren.

Ein Merkblatt für Antragsteller mit Details

zum Bewerbungs- und Auswahlverfahren,

sowie weitere Auskünfte sind bei Dr. Stefan

Simianer erhältlich.

Anträge können bis zum 01. Juli 2007

eingereicht werden.

Auskunft: Dr. Stefan Simianer, Medizi-

nischer Leiter der Wyeth BioPharma

Tel. 0251/204 2110

Email: [email protected]

Fachnachrichten

196 | Zeitschrift für Rheumatologie 3 · 2007