5
SPORT 1 LARS MROSKO "Im Fußball wird ehrlich sein oft mit schwierig sein verwechselt" Der Talentscout Lars Mrosko war zu ehrlich für das große Bundesligabusiness. Er mochte Felix Magath und schrie Dieter Hoeneß an. Nun ist seine Story als Buch erschienen. VON Christian Spiller | 03. September 2015 - 15:45 Uhr © derweb.de / photocase.de "Aber ist es ein Fehler, geradeaus zu sein?": Tipp-Kick-Männchen ZEIT ONLINE: Herr Mrosko, wie fühlt es sich an, plötzlich sein eigenes Leben in Buchform vor einem liegen zu haben? Lars Mrosko: Sehr emotional. Weil ich auf Deutsch gesagt die Hosen runter gelassen habe. Jeder kennt jetzt meine Vergangenheit. Einiges kommt noch mal hoch, aber ich stehe zu allen vergangenen Dingen, da muss man sich als Typ gerade machen. ZEIT ONLINE: Das Buch begleitet Sie als Scout, als Talentespäher also, bei Ihrem Weg durch den Fußball. Auch wie Ihnen Ihr Gerechtigkeitssinn und Ihre Dickköpfigkeit im Weg stehen. Erschrecken Sie sich manchmal über sich selbst? Nach dem Motto: Du sturer Bock, warum hast du das gemacht?

Lars Mrosko Scout Buch

Embed Size (px)

DESCRIPTION

www

Citation preview

Page 1: Lars Mrosko Scout Buch

SPORT

1

L A R S M R O S K O

"Im Fußball wird ehrlich sein oft mitschwierig sein verwechselt"Der Talentscout Lars Mrosko war zu ehrlich für das großeBundesligabusiness. Er mochte Felix Magath und schrie DieterHoeneß an. Nun ist seine Story als Buch erschienen.VON Christian Spiller | 03. September 2015 - 15:45 Uhr

© derweb.de / photocase.de

"Aber ist es ein Fehler, geradeaus zu sein?": Tipp-Kick-Männchen

ZEIT ONLINE: Herr Mrosko, wie fühlt es sich an, plötzlich sein eigenes Leben in

Buchform vor einem liegen zu haben?

Lars Mrosko: Sehr emotional. Weil ich auf Deutsch gesagt die Hosen runter gelassen

habe. Jeder kennt jetzt meine Vergangenheit. Einiges kommt noch mal hoch, aber ich stehe

zu allen vergangenen Dingen, da muss man sich als Typ gerade machen.

ZEIT ONLINE: Das Buch begleitet Sie als Scout, als Talentespäher also, bei Ihrem Weg

durch den Fußball. Auch wie Ihnen Ihr Gerechtigkeitssinn und Ihre Dickköpfigkeit im Weg

stehen. Erschrecken Sie sich manchmal über sich selbst? Nach dem Motto: Du sturer Bock,

warum hast du das gemacht?

Page 2: Lars Mrosko Scout Buch

SPORT

2

© Reinaldo Coddou

LARS MROSKO

Lars Mrosko stammt aus Berlin-Neukölln. Seineaktive Karriere musste er früh wegen einer Verletzungbeenden. Danach arbeitete er als Talentspäher unteranderem für Tennis Borussia Berlin, den FC BayernMünchen und den VfL Wolfsburg, später als Spieleberater,bevor er sich aus dem Profifußball zurückzog. DerAutor Ronald Reng erzählt Mroskos Geschichte in demBuch "Mroskos Talente – Das erstaunliche Leben einesBundesliga-Scouts".

Mrosko: Auch ich ärgere mich im Nachhinein über Situationen, in denen ich die Fassung

verloren habe. Da hatte ich mich nicht im Griff und habe nicht meiner Intelligenz

entsprechend gehandelt. Aber, bei allem Ärger den ich hatte: Ich kann in den Spiegel

schauen und sagen, dass ich immer geradeaus war.

ZEIT ONLINE: Gibt es eine Situation, in der Sie mit dem Wissen von heute anders

agieren würden?

Mrosko: In der Situation mit Dieter Hoeneß beim VfL Wolfsburg ...

ZEIT ONLINE: ...als Sie plötzlich vor einem leergeräumten Schreibtisch standen,

eigentlich ein Missverständnis. Sie standen dann später im Büro von Dieter Hoeneß, ihrem

damaligen Chef, und haben sich angeschrien. Danach haben Sie Ihren Vertrag aufgelöst.

Mrosko: Die Situation schaukelte sich hoch. Dieter Hoeneß ist ein verdienter Mann

im deutschen Fußball, er hat bei der Hertha, wie er es immer so schön sagt, mit einer

Schreibmaschine angefangen und aus dem Verein eine Marke gemacht. Das ist einfach so

und verdient Hochachtung. Ich hätte damals sagen müssen: Ruhig, da stehst du drüber, du

bist sieben Jahre hier, du hast gute Arbeit gemacht, du wurdest mit dem Club Deutscher

Meister. So habe ich in zwei Minuten alles verspielt, was ich mir aufgebaut hatte.

ZEIT ONLINE: Für alle, die es noch nicht gelesen haben: Wie wird ein Neuköllner

Schlitzohr wie Sie eigentlich Scout beim FC Bayern?

Mrosko: Ich habe bei Tennis Borussia Berlin als Co-Trainer der B-Jugend für 150 Mark

angefangen. Dort habe ich Mirko Slomka kennengelernt, der mich gefördert hat. Damals

wurde sehr viel Geld in TeBe gepumpt, wir waren im Nachwuchs sogar noch einen Tick

besser als die Hertha. Ich habe die Mannschaften von der C-Jugend bis zur A-Jugend

zusammengestellt und von Mirko Slomka viele Freiheiten bekommen. Das hat sich dann

bis zu Wolfgang Dremmler, dem Chefscout der Bayern, rumgesprochen. Und dann bin ich

irgendwann dort gelandet. Völlig unspektakulär.

ZEIT ONLINE: Das Buch erzählt Ihr Leben und gibt vor allem einen Einblick in das

Geschäft Bundesliga. Wie geht es dort zu?

Page 3: Lars Mrosko Scout Buch

SPORT

3

Mrosko: Fußball ist etwas ganz Besonderes, er funkelt und glitzert. Aber es gibt in der

ersten Bundesliga nur 18 Vereine und da wollen zu viele Leute einen Arbeitsplatz und

mitmischen. Fußball ist ein Mikrokosmos, in dem sehr viel über Kontakte und Beziehungen

läuft. Man braucht viel Glück, um da reinzukommen. Ich habe das gehabt, war aber auch

sehr fleißig und habe mir erarbeitet, dazuzugehören. Heute ist es etwas einfacher, weil der

Fußball verwissenschaftlicht wird. Für Sportwissenschaftler öffnen sich da mittlerweile

mehr Türchen. Als Außenstehender in das Business zu kommen ist aber trotzdem noch

relativ schwer.

ZEIT ONLINE: Nach welchen Regeln funktioniert diese Fußballwelt?

Mrosko: Nach den Regeln der normalen Wirtschaft, die Vereine sind heutzutage

große Wirtschaftsunternehmen. Natürlich geht es um Kompetenzen, demnach auch um

Kompetenzgerangel. So sind wir Menschen.

ZEIT ONLINE: Sie haben sich mit Felix Magath sehr gut verstanden. Der hatte in seiner

späten Zeit einen sehr schweren Stand, auch bei uns Journalisten. Er wirkte in seiner

ganzen Art der Menschenführung aus der Zeit gefallen, seine Trainingsmethoden veraltet.

Haben wir ihm unrecht getan?

Mrosko: Im Fußball ist es ganz einfach: Der Erfolg gibt einem recht. Felix Magath ist eine

starke und interessante Persönlichkeit. Er möchte nur eines: ein vertrautes Umfeld. Der

schwierige Stand von Trainern und Managern in den Medien ist manchmal nicht fundiert

begründet. Die Medien haben große Macht und Einfluss, aber auch das gehört heutzutage

zum Fußball dazu. Felix Magath hatte mir gegenüber immer das Herz am rechten Fleck.

Und er war mir gegenüber immer ehrlich. Im Fußball wird ehrlich sein oft mit schwierig

verwechselt. Leute, die ehrlich sind, gelten immer als schwierig. Aber ist es ein Fehler,

geradeaus zu sein? Die Leute haben immer gesagt, ich müsse diplomatisch sein, aber

irgendwann muss man auch die Dinge auf den Punkt bringen. Direkt sein kann eine Stärke

und gleichzeitig eine Schwäche sein. Dann lieber ehrlich und somit schwierig.

ZEIT ONLINE: Glauben Sie, dass Sie an dieser Direktheit gescheitert sind?

Mrosko: Ja, das ist der Hauptgrund. Ich trage mein Herz manchmal auf der Zunge.

ZEIT ONLINE: Ihre Freunde bezeichnen Sie als vom Fußball Getriebenen. Sehen Sie sich

auch so?

Mrosko: Schon. Für mich ist Fußball Magie. Allein wie Welt- und Europameisterschaften

Leute verbinden, wie da nationalitätenübergreifend gefeiert wird. Es gibt keine Sportart, die

so viele Emotionen hervorruft.

Page 4: Lars Mrosko Scout Buch

SPORT

4

ZEIT ONLINE: Die Faszination Fußball ist auch der Grund, warum Sie das alles auf sich

genommen haben? Sie sind als Scout jede Woche Tausende Kilometer durch ganz Europa

gefahren. Weil Sie unbedingt dazugehören wollten?

Mrosko: Ich wollte nicht unbedingt dazugehören. Mir bereitet das Spiel an sich sehr

viel Freude und ich möchte durch meine Arbeit, durch tolle Spieler, die dann verpflichtet

werden, die Leute glücklich machen. Ich möchte nicht, dass die Leute sagen: Der Mrosko

hat den oder den entdeckt, das ist Quatsch. Weil die Spieler, die ich beobachte, schon

vorher von hundert anderen längst gesehen wurden. Aber ich kann mich stark machen

für eine gute Verpflichtung. Das treibt mich an. Ich würde vom Arbeiten vieles wieder so

machen, etwas mehr die Klappe halten und mehr auf die Gesundheit achten.

ZEIT ONLINE: Ronald Reng sagt: Die Liebe zum Fußball macht blind. Stimmt das?

Mrosko: Ja, teilweise schon. Viele Leute werden schlecht bezahlt. Einem U15-Coach,

der Spieler trainiert, die später für 35 Millionen verkauft werden, wird nicht einmal

Danke gesagt. Der bekommt vielleicht nach fünf Jahren mal 200 Euro mehr im Monat,

wenn überhaupt. Das finde ich traurig. Nachwuchstrainer, und –scouts haben nicht den

Stellenwert, den sie sich so sehr verdient haben, gerade nach der Entwicklung mit den

Nachwuchsleistungszentren in den vergangenen Jahren.

ZEIT ONLINE: Sie sind dann eher aus der Not heraus Spieleberater geworden. Die haben

in der Öffentlichkeit einen sehr schlechten Ruf, gelten als die bösen Buben des Fußballs. Zu

Recht?

Mrosko: Wie in jedem Bereich können auch hier ein paar schwarze Schafe einen ganzen

Beruf in Misskredit bringen. Spielerberater nehmen dem Verein viel Arbeit ab. Sie fahren

schon über die Jugendplätze und bieten den Vereinen gesichtete Spieler an. Wenn die

dann in der Bundesliga spielen, heißt es, die Jugendabteilung von XY habe den Spieler

entdeckt und über den Spielerberater heißt es nur, er will zehn Prozent von den vielen

Millionen. Aber die Vorarbeit, die der Berater geleistet hat, indem er den Spieler betreut,

sich um einen Ausbildungsplatz gekümmert hat oder als Ansprechpartner beim ersten

Liebeskummer da war, die möchte niemand mehr sehen. Die Berater leisten enorm viel,

ohne sie funktioniert das Geschäft nicht. Die 10 Prozent, die sie bekommen, sind meistens

absolut gerechtfertigt.

ZEIT ONLINE: Sie haben sich, nachdem es als Berater nicht geklappt hatte, aus dem

Geschäft zurückgezogen und eine SMS an alle ihre Fußballkontakte geschrieben. Die ging

los mit: "Ich bin enttäuscht vom Profifußball, wo es immer nur um den nächsten Profit, den

nächsten Vertrag, die nächste Schlagzeile geht, aber nicht mehr um das Spiel an sich! ...

Das ist nicht mehr meine Welt ..." Gab es Reaktionen?

Mrosko: Markus Kauczinski vom KSC hat mir eine tolle SMS geschrieben, auch Hermann

Hummels und Klemens Hartenbach vom SC Freiburg Sinngemäß meinten sie, dass es

Page 5: Lars Mrosko Scout Buch

SPORT

5

schade ist, dass ich mich so entschieden habe. Aber sie schrieben mir auch, sie seien sicher,

dass ich zurückkommen werde.

ZEIT ONLINE: Werden Sie?

Mrosko: Es geht mir gerade sehr gut. Ich lebe ein bescheidenes Leben, aber ich bin

dennoch glücklich. Natürlich merke ich das Jagdfieber langsam wieder. Ich habe auch

Bock, wieder im Fußball zu arbeiten. Durch das Buch konnte ich mein ganzes Leben auf

Null stellen. Dazu hat ja kaum jemand sonst die Möglichkeit. Wer auch immer mich jetzt

verpflichtet, ob im Fußball oder anderswo, weiß, woran er bei mir ist. Wer clever ist, weiß,

er bekommt einen guten Arbeiter, mit einem guten Auge und einen echt netten Typen.

Scouting ist eine Berufung, eine Leidenschaft, das, was ich am besten kann.

ZEIT ONLINE: Sehen Sie Fußball mittlerweile anders als vor 25 Jahren?

Mrosko: Alles ist viel schneller geworden. Es sind größere Summen im Spiel. Aus

den kleinen eVs wurden GmbHs und AGs. Vielleicht war früher alles ein bisschen

unbeschwerter. Aber ich glaube, dass der Fußball den Leuten nach wie vor so viel Freude

bringt wie vor 25 Jahren. Meine Liebe zum Fußball hat sich nicht geändert.

COPYRIGHT: ZEIT ONLINEADRESSE: http://www.zeit.de/sport/2015-09/lars-mrosko-scout-buch