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SUCHT BEGINNT IM ALLTAG. PRÄVENTION AUCH. Die Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich laut & leise Magazin der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich Nr. 2, Juni 2009, erscheint dreimal jährlich, Jahresabonnement Fr. 20.– Ritual Alkohol

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Alkohol Sucht im Alltag

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SUCHT BEGINNT IMALLTAG. PRÄVENTIONAUCH.Die Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich

laut & leiseMagazin der Stellen für Suchtprävention im Kanton ZürichNr. 2, Juni 2009, erscheint dreimal jährlich, Jahresabonnement Fr. 20.–

Ritual Alkohol

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Ich merkte schnell, dass ich kein Bier mochte. Und auchsonst keinen Alkohol. Es schmeckte bitter, vor allem aberüberkam mich statt Fröhlichkeit sofort ein grosses Schlaf-bedürfnis.Also liess ich es bleiben.Unddamit fingendie Pro-

bleme an.Zum Beispiel im Fussball-Klub. Unser Trainer hiess Wabo,

und wenn er uns jeweils dienstags und donnerstags im Trainingnach der Schule um den Platz gehetzt, ordentliches Grätscheneingetrichtert und denBall – «Sack» nannte ihnWabo – aufs Torzu hämmern befohlen hatte, ging’s ins «Kreuz» oder ins «Bahn-

höfli». In der Dorfbeiz wurden dann Stangen bestellt, Waboorderte einen Chübel. Ich lutschte an meinem Colafläschchen,während die ganze Juniorenmannschaft Bier kippte und amrunden Tisch den Referaten des Trainers lauschte.Natürlich wurde ich so Aussenseiter. Wer nicht mittrank,

gehörte nicht dazu. Aber es störte mich nicht gross. Im Gegen-teil, ich begann die Rolle des Sonderlings zu kultivieren. Wenndie Runde im Laufe des Abends immer lauter und zotiger wur-de, bestellte ich statt Cola Milch. Das war nicht immer einfach.Denn wer sich beim Biertrinken nicht eingliedern wollte, warauch kein richtiger Teil der Mannschaft. Beim Scherzen undSprücheklopfen konnte ich mit jedem mithalten, dennoch be-kam ich es zu spüren, dass ich nicht wirklich mitmachte. WennWabo vor dem Spiel die Leibchen verteilte, gab er mir oft einShirt mit der hohen Nummer des Ersatzspielers. Aber es störte

michnichtgross. IchmochtemeineMitspieler, spieltegerneFuss-ball und konnte jeweils auch in der zweiten Halbzeit noch aufsFeld kommen und «den Sack ins Tor hauen», wie Wabo zu sa-gen pflegte.Dennoch endete meine Vereinskarriere früh. Als ich bei

einem Grümpelturnier nicht zum Bierzapfen erschien, warfmich Wabo und der Präsident per eingeschriebenen Brief ausdem Klub. Ich sollte nicht dazugehören. Das wollte ich unter-dessen auch gar nicht mehr. Es war ohnehin Zeit geworden, dasDorf zu verlassen, für immer.Fünfundzwanzig Jahre später ist mir natürlich bewusst, dass

die Sauferei im Fussball-Klub ein ganz normaler Initiations-Ritus indiedörflicheMänner-Gemeinschaftwar.Ähnlichembinich später auch in ganz anderen Zusammenhängen, fernab vomDorf meiner Jugend begegnet. Und auch im Berufsalltag alsFussball-Reporter finde ich mich manchmal unvermittelt inSituationen, die mich an Wabo, das «Kreuz» und das «Bahn-höfli» erinnern. Es gibt wahrscheinlich Dinge, die ändern sichnie. Vielleicht überkommt mich auch deshalb noch heute eingrosses Schlafbedürfnis, wenn ich Bier trinke.

Stephan Ramming ist Sportredaktor bei der NZZ/NZZ am Sonntag

K O N T R A P U N K T

InhaltWas ist ein Ritual?Interview mit Mario Erdheim, Psychoanalytiker ........... Seite 5

«Prost… auf deine Gesundheit»Alkohol und Rituale ..................................................... Seite 8

Virtuell organisiert: ein reales MassenbesäufnisDas Wichtigste über ein Botellón ................................ Seite 10

Alkoholkonsum unter Migrant/innenJahresthema: Interkulturelle Suchtprävention ........... Seite 12

MediothekFachwissen zum Bestellen ......................................... Seite 14

AdressenDas komplette Verzeichnis der Stellen fürSuchtprävention im Kanton Zürich ............................. Seite 15

laut & leise Nr. 2, Juni 2009

Herausgeber: Die Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich

Zuschriften: [email protected]

Redaktions- und Produktionsleitung: Brigitte Müller, www.muellertext.ch

Redaktionsteam: Rahel Finger, Diana Joss, Marcel Mauerhofer, Christian

Schwendimann (Vorsitz)

Mitarbeiter/innen dieser Nummer:Mario Erdheim, Christine Köhler,

Joseph Oggier, Stephan Ramming, Peter Trauffer

Fotos: Robert Huber, Zürich

Gestaltung: Fabian Brunner, [email protected]

Druck: Zürichsee Druckereien AG, Stäfa

Bezug von weiteren Exemplaren: Sekretariat Zürichsee Druckereien AG,

Tel. 044 928 53 24. Unkostenbeitrag: bis 10 Ex. Fr. 5.– / ab 11 Ex. Fr. 10.–

Abonnement: Fr. 20.– jährlich. Bestellen bei: Sekretariat Zürichsee

Druckereien AG, Tel. 044 928 53 24

Adressänderung und Abbestellung: Zürichsee Druckereien AG,

Seestrasse 86, 8712 Stäfa oder [email protected]

Die Beiträge und die Fotos in diesem «laut & leise» geben die Meinung der

Autorinnen und Autoren wieder. Diese muss nicht mit der Meinung des

Herausgebers, der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich, überein-

stimmen.

IMPRESSUM

Milch stattBier

Dennoch endete meine Vereinskarriere früh.Als ich bei einem Grümpelturnier nicht zumBierzapfen erschien,warf mich Wabo undder Präsident per eingeschriebenen Brief ausdem Klub.

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ist bedeutsam und beinhaltet eine gewis-seFeierlichkeit.DieseZugehörigkeit kannsogar Verfolgung und gesellschaftlicheund ökonomische Nachteile auslösen.

l & l: Sind liebgewonnene, persönlicheGewohnheiten auch Rituale?Erdheim:Nein.Wenn jemand am Sonn-tag regelmässig in die Kirche geht, aberdabei weder Gott, den katholischenGlau-

ben, noch den Papst anerkennt, dann istdiese Handlung kein Ritual, sondern eineGewohnheit. Es braucht eine innere Aus-richtung auf das Ereignis. Da könnenMenschen beispielsweise in der Fussball-oder Jugendklubszene eher Handlungenausführen, die einen rituellen Charakterzeigen. Es gibt doch Jugendliche, die nurperfekt gestylt zum Tanzen gehen. DiesesEreignis – eineArtMitternachtsmesse – istmit einemhohen Sinn besetzt. Undwenndie Jugendlichen nicht daran teilnehmenkönnen, empfinden sie dies als eine Qualund sie fallen in ein Loch.

l & l: Welches ist der Unterschied zwi-schen einem Ritual und einer Tradition?Erdheim: Bei der Tradition geht es dar-um, dass Menschen etwas genauso ma-chen wollen wie ihre Vorfahren. Im Un-terschied zum Ritual kann bei der Tradi-tion das Kriterium des Sinnbezuges undder Feierlichkeit fehlen. Rituale haben je-doch eine Tendenz, dass sie sich gernemitder Aura eines langen Zeitraumes umge-ben. Da kommt mir die Streetparade inden Sinn. Bei der Streetparade wird dochversucht, diese zu ritualisieren und so zutun, dass es diesenAnlass schon lange gibtund deshalb unbedingt durchgeführtwerdenmuss.ObdiesesAnsinnenbei die-

sem Anlass klappt, da bin ich mir nicht sosicher.

l & l: Verändern sich Rituale im Laufe derZeit?Erdheim: Ja, wenn wir zum Beispiel anWeihnachten denken. Bei diesem religiö-sen Fest steht die Geburt Christi – des Er-lösers – im Mittelpunkt. Heute haben wirdieses Fest im Dienste des Kapitalismus

umgedeutet.Wichtig ist oft nurnoch, dasswir das passende Geschenk unter demWeihnachtsbaum finden. Es gibt noch an-dere religiöse Feste, bei denen versuchtwird, über den Konsum eine neue Sinn-gebung zu erzielen. Zum Beispiel beiOstern soll Christus am Kreuz durch dieputzigen Osterhasen ersetzt werden. Eindoch schwierigeres Unterfangen als beider Geburt vom Christkind. Von Amerikakommen auch neue Gepflogenheitenwieder Valentinstag oder als Ersatz des Schul-silvesters der Halloween.

l & l: Geben Rituale Sicherheit?Erdheim: Rituale sind meistens an kom-plizierte Handlungen gebunden, bei de-nen man sich konzentrieren muss. DieseHandlungen haben den Zweck, dassZweifel am Glauben sich nicht festigenkönnen. Die rituellen Handlungen sollenden Glauben immer wieder bestärken,ohne dass man darüber nachdenkt. DerSoziologe Arnold Gehlen meinte dazuprovozierend, dass Rituale zu einem Re-flexionsstopp führen.

l & l: Wann gewinnt ein Ritual an Be-deutung für einen Menschen?Erdheim:Oft in Zeiten der Unsicherheit.Meistens beten Menschen, wenn sie in

laut & leise: Ist Ihnen heute schon einRitual begegnet oder haben Sie selber einRitual ausgeführt?Mario Erdheim: Nein, heute habe ichkein Ritual vollzogen. Wohl aber meineGewohnheiten gepflegt. Ich kann michnicht einmalmehr genau erinnern, wannich das letzte Mal an einem Ritual teilge-nommen habe. Vielleicht als «Götti» beieiner Taufe.

l & l:Gibt es ein Ritual, das Ihnen gefällt?Erdheim:Nun, in der jüdischen Religiongibt es nach dem Freitagabendgebet,wenn der Sabbat eingeleitet wird, das Ri-tual der Gastfreundschaft. Fremde Leutewerden zum Essen eingeladen. Diese ri-tuelle Handlung verbindet Menschenmiteinander und zeichnet sich aus, Ge-selligkeit in der Gemeinschaft zu erleben.In der heutigen individualisierten Gesell-schaft eine interessante Haltung.

l & l:Wie definieren Sie ein Ritual?Erdheim: Ein Ritual wird meistens in ei-nem religiösen Rahmen vollzogen. Zen-tral bei einer rituellen Handlung ist die

Herstellung von Sinn. Deshalb ist dermorgendliche Kaffee kein Ritual. Im Ge-gensatz dazu ist ein Ritual, wenn jemandmorgens betet und Gott dankt.

l & l:Wann ist ein Ritual ein Ritual?Erdheim: Neben dem religiösen undsinngebenden Charakter bezeugen Men-schen mit der Teilnahme an einem Ritualden Bezug zu einer bestimmten Gemein-schaft. Zum Beispiel zur katholischen, jü-dischen oder muslimischen Religion. Dasbewusste Zeugnis zu einer Gemeinschaft

INTERVIEW MIT DR. PHIL. MARIO ERDHEIM, PSYCHOANALYTIKER

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Ein Ritual wird meistens in einem religiösen Kontext durchgeführt und soll einen höherenSinnbezug herstellen. Der Psychoanalytiker Mario Erdheim stellt interessante Zusammenhängezwischen Ritual, Gewohnheit und Tradition her.Text: Brigitte Müller

Was ist einRitual?

Wenn jemand am Sonntag regelmässig in die Kirche geht, aberdabei weder Gott, den katholischen Glauben, noch den Papst aner-kennt, dann ist diese Handlung kein Ritual, sondern eine Gewohn-heit. Es braucht eine innere Ausrichtung auf das Ereignis.

Ein Ritual wird meistens ineinem religiösen Rahmenvollzogen. Zentral bei einerrituellen Handlung ist dieHerstellung von Sinn.

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Not sind, eine Krise erleben. Rituale kön-nen eine chaotische Situation strukturie-ren und somit beruhigend wirken.

l & l: Gibt es gute oder schlechte Rituale?Erdheim: Gut oder schlecht, das sindSchwarzweiss-Begriffe. Innerreligiös un-terscheidet man zwischen «guten» und«bösen» Ritualen. Eine «Teufelsmesse»ist in diesem Sinne ein schlechtes Ritual;für die Teufelsanbeter ist es hingegen eingutes Ritual. Wenn man ausserhalb derReligion und der sie tragenden Gemein-schaft steht, könnteman zwischen schäd-lichenund gutenRitualenunterscheiden.Eine katholische «Teufelsaustreibung»

wäre dannein schädlichesRitual,weil derdavon Betroffene wahrscheinlich nochmehr leiden muss, als wenn er sich einerpsychotherapeutischen Behandlung zu-wendete.

l & l: Und kann ein Ritual pervertieren?Erdheim: Oft benutzen Institutionen ri-tuelle Handlungen, wenn sie selber nichtmehr richtig funktionieren oder von derGesellschaft als weniger wichtig angese-henwerden. Ich kannmich erinnern, wiewir im Militärdienst minutiös die Bettenfalteten, das Gewehr zerlegten und zu-sammensetzten oder die Schuhe putzenmussten. Diese Handlungen sollten die Il-lusion aufrechterhalten, dass das Militäralles imGriff hat,wennes gefährlichwird,wenn der Krieg in die Schweiz kommt.Während solche Drillübungen bis vordem ErstenWeltkrieg mehr oder wenigerSinn und Bedeutung hatten, verloren sieim modernen Krieg ihre Funktion. Mankann sagen, dass sie «pervertieren» undnur dazu dienen, den Kadavergehorsameinzuüben.

l & l: Sind Menschen, die an einem Ritu-al teilnehmen, über das Ritual fremdbe-stimmt?Erdheim:Wenn Menschen einen tiefenGlauben und einen echten Bezug zur Ge-

meinschaft besitzen, dann fühlen sie sichnicht fremdbestimmt. Auf der anderenSeite kann man das Denken nicht rituali-sieren. Gerade in unserer Wissensgesell-schaft sind wir geradezu gezwungen,eigenständig zu reflektieren und zu den-ken. Deshalb behaupte ich, dass wir ineiner ungünstigen Zeit für Rituale leben.

l & l:Wann hört ein Ritual auf und wirdzum Zwang?Erdheim: Wenn man nicht mehr daranglaubt und sich nicht als Teil der Gemein-schaft erkennt. Ist jemand gezwungen,sonntags in die Kirche zu gehen, weil ersonst ausgeschlossen und gesellschaftli-

che sowie ökonomische Nachteile erfah-ren wird, dann können Rituale als sehreinengend und quälend erlebt werden.

l & l: Unterscheiden sich ritualisierteHandlungen von Männern und Frauen?Erdheim: Könnte eine Päpstin nichtauch so schöne rote Schuhe tragen? Ichglaube nicht, dass Rituale speziell ge-schlechterspezifisch funktionieren. Aberwer an das Matriarchat glaubt, wird dieseAussage bestreiten und sagen männlicheRituale tendieren darauf, Macht zu de-monstrieren, während weibliche RitualeZusammengehörigkeit markieren.

l & l: Bemerken Sie wegen der Globali-sierungeineAnnäherungderRituale zwi-schen den Kulturen?Erdheim: Das ist eine schwierige Frage.Was mir zu dieser Frage gerade einfällt,sind die strengen Kontrollen am Flugha-fen unter dem Gesichtspunkt möglicherterroristischer Gefahren. Es gab vor Jah-ren die Meldung, dass Terroristen mitFlüssigsprengstoff mehrere Flugzeugesprengen wollten. Seither misstraut manallen Flugzeugreisenden und sie dürfenkeine Flüssigkeit mehr ins Flugzeug neh-men. Das umständliche Check-in-Ritualwird, ohne zu hinterfragen, weltweit anallen Flughäfen vollzogen. In Zügen und

BussenkannausorganisatorischenGrün-den die gleiche Sicherheitsmassnahmenicht durchgeführt werden. Aber dieGefahr ist doch ähnlich wie bei einemFlugzeug, oder? Ich vermute, dass dieseSicherheitsrituale dazu dienen, in einerglobalisierten Welt die Angst vor demFremden zu inszenieren.

l & l: In unserer Kultur ist der Konsumvon Alkohol bei fast jedemAnlass ein fes-ter Bestandteil. Können wir deshalb vomRitual Alkohol sprechen?Erdheim: Grundsätzlich nicht. Alkoholtrinken ist eine Gewohnheit und ein Be-standteil unserer Ernährung. Bei einemFest kann jedoch eine rituelle Grund-struktur entstehen. Durch den Alkohol,das Begiessen und Zuprosten anlässlichder Feier und der Gefeierten, erreicht dasFest Würde und einen tieferen Sinn.Umso teurer der Wein oder der Champa-gner, umso wichtiger wird das Fest unddie teilnehmenden Personen. In diesemRahmen wird jemand, der nur Wassertrinkt, sogar aus der Gemeinschaft ausge-schlossen. Solche Leute müssen sich oftrechtfertigen, warum sie keinen Alkoholtrinken.

l & l: Zuviel Alkohol führt zum Rausch.Gibt es einen Zusammenhang zwischenRitual und Rausch?Erdheim:Menschen aller Kulturen ken-nen seit Urzeiten das Bedürfnis nach ei-nem Rausch. Es scheint, dass der Rausch-zustand bis zur Besinnungslosigkeit fürviele Menschen eine wichtige Erfahrungist. Nicht einmal die Aufklärung oder der

gesunde Verstand haben es geschafft, denRausch abzuschaffen. Früher war das Er-reichen des Rauschzustandes verbundenmit der Möglichkeit, mit den Göttern zukommunizieren. Heute suchen Men-schen das Rauscherlebnis, weil sie in die-sem Zustand aus der Haut fahren könnenund Grössenfantasien erlebbar werdenwie «Ich bin der Schönste, die Beste, der

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Rituale sind meistens an komplizierte Handlungen gebunden,bei denen man sich konzentrieren muss. Diese Handlungen habenden Zweck, dass Zweifel am Glauben sich nicht festigen können.Die rituellen Handlungen sollen den Glauben immer wiederbestärken, ohne dass man darüber nachdenkt.

Alkohol trinken ist eineGewohnheit und ein Bestandteilunserer Ernährung. Bei einemFest kann jedoch eine rituelleGrundstruktur entstehen.

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Rausch und die Mittel dazu unter Kon-trolle zu bringen, zu kanalisieren. In un-serer entritualisierten Zeit stehen unsRauschmittel stets zur Verfügung. Ichglaube, dass der einsame Trinker, die ver-bitterte Trinkerin viel eher süchtig wer-den als Jugendliche, die sich ab und zu beieinem Botellón volllaufen lassen.

l & l: Und noch eine persönliche Frage:Gibt es eine Gewohnheit, die Ihnen ansHerz gewachsen ist?Erdheim: Ich versuche seit langem dieGewohnheit, einmal in der Woche Gästezu empfangen, zu ritualisieren. Leidergelingt mir es bis heute nicht, dass diese

Lustigste» und so weiter. An Grossanläs-sen trinkt manmit einer berauschten Ge-meinschaft Alkohol, man ist somit Teildieser «Gemeinde».

l & l:Haben sich die Rituale rund um denAlkohol im Laufe der Zeit verändert?Erdheim: Im 19. Jahrhundert wurde esmöglich, Alkohol in grossenMengen her-zustellen und zu vertreiben. Erst zu die-sem Zeitpunkt wurde ein hoher Alkohol-

konsum bei der breiten Bevölkerung zueinem Problem. Dabei wurden auch alteRituale, dieRauschzuständekennen, aus-genützt und kommerzialisiert. In neusterZeit kennen wir dafür das Beispiel derStreetparade. Am Anfang stand dasrauschhafte Tanzen im Mittelpunkt. MitdemAuftritt vonAlkoholproduzenten alsSponsoren wurde das Rauscherlebnisüber den Alkohol erweitert.

l & l: Bezeichnen Sie die im letzten Jahrerstmals stattgefundenen Botellóns alsRitual oder als Trend?Erdheim: Die Jugendlichen erleben beieinem Botellón eine Gemeinschaft imRausch.Dabei geht es darum,wer vonderGruppe kann am meisten Alkohol trin-ken, wer ist also ein Held. Ein Botellónweist rituelle Züge auf. Neu ist hingegendie Organisation über das Internet.

l & l: Ist die ganze Aufregung deshalb einSturm im Wasserglas?Erdheim: Ja, wobei auch ich nicht be-geistert bin, dass die Allgemeinheit dannam nächsten Tag die Sauerei aufräumenmuss. Doch oft hat die Empörung überAnlässe, wo viel getrunken wird, etwasPharisäerhaftes. Und zwar deshalb, weildiese Anlässe – beispielsweise Sportver-anstaltungen oder ein Stadtfest – aus Pro-fitgründen – geschaffen werden, auchzum Alkoholkonsum ermuntern.

l & l:Wann kippt ein Ritual in ein Sucht-verhalten?Erdheim: Rituale sind der Versuch, den

Rituale sind der Versuch, denRausch und die Mittel dazuunter Kontrolle zu bringen, zukanalisieren.

Gewohnheit zu einemRitualwird. Immerwieder kommen mir irgendwelche ande-re Vorhaben dazwischen. Deshalb gefälltmir das jüdische Ritual der Einladung ei-nes Fremden am Sabbat.

Dr. phil.Mario Erdheim ist Psychoanalytiker, Lehrbe-auftragter und Supervisor. Seine Interessenschwer-punkte sind Entwicklungspsychologie, psychoanaly-tische Theorie der Adoleszenz sowie psychoanalyti-sche Kulturtheorie.

Brigitte Müller, Texterin und Redaktionsleiterin laut &leise, stellte die Fragen.

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Ablösung von den Eltern und der Eintrittins Berufsleben, gekennzeichnet durchKonfirmation oder Kommunion; die Hei-rat mit der Übernahme neuer Verant-wortlichkeiten und Verbindlichkeitenund als letzten Übergang der vom Lebenin den Tod. Für diese Übergänge habenwir wichtige Rituale entwickelt, die uns

helfen sollen, sie besser zu bewältigen.Alle diese «Übergangs-Feste» sind auchmit dem Genuss von Alkohol verbunden.Damit wird Alkohol zu einer grundlegen-den emotionalen Erfahrung.

Alkohol als Belastung

In unserer Gesellschaft werden fast allewichtigenAnlässemit Alkohol begangen.Menschen, die sich mit der Thematik derAlkoholabhängigkeit nie auseinander-gesetzt haben, ahnen nicht, wie oft Be-troffene damit konfrontiert werden, Aus-senseiter zu sein. Immer souverän undautonom den angebotenen Alkohol ab-zulehnen, ist bestimmt nicht einfach.Was tun Menschen, die sich entschie-

den haben, keinen Alkohol zu trinken?Besonders schwer ist es für diejenigen, diedie Abstinenz als Verzicht empfinden,weil sie aufgrund einer Alkoholabhängig-keit keinen Alkohol mehr vertragen oderGefahr laufen, rückfällig zu werden. Siefühlen sich bald ausgeschlossen und amRande stehend. Es gelingt ihnen häufignicht, ihre Hemmungen und ihr Gefühlvom Ausgeschlossensein zu überwindenund sich trotzdem an einem Fest wohl zufühlen.

Frau B. wird rückfällig

Eine Klientin unserer Beratungsstelle er-zählte mir, dass sie sich verpflichtet fühl-te, zum betriebsinternen Weihnachtses-sen zu gehen. Am liebsten hätte sie von

vornherein ihre Teilnahme abgesagt;dazu fehlte ihr jedoch der Mut. Sie wuss-te, dass dieser Abend für sie eine Tortursein würde. Sie hatte erst ein halbes Jahrzuvor aufgehört Alkohol zu trinken,nachdem sie am Arbeitsplatz mit ihremProblem auffiel und angesprochen wur-de. Den Abend hat sie mit grosser Wil-lensanstrengung überstanden, aber aufdemHeimweg kaufte sie sich eine FlascheGin und trank sie zu Hause aus, um dieaufgebaute Spannung besser bewältigenzu können. Der so eingeleitete Rückfalldauerte zirka vier bis fünf Tage und siekonnte ihn auch ihrem Arbeitgeber ge-genüber nicht verheimlichen.

Herr S. schafft sich sein Ritual

Ein anderer Klient, Herr S., berichtete imGegensatz zum vorherigen Beispiel, wieer Geschäftsabschlüsse bewältigt: Wennein grösserer Geschäftsabschluss zustan-de gekommen ist, gehört das gemeinsameEssen und natürlich das ritualisierte GlasRotwein zum Anstossen zwingend dazu.Nachdemer verschiedeneVerhaltenswei-sen erprobt hat, stösst er mit seinen Kun-den mit einem Glas Rotwein an, stellt esaber, ohne zu trinken, zur Seite und be-

Wer ein Fest oder eine Vernissa-ge besucht, wird mit Apéround Snacks empfangen. Manmacht eine Begrüssungsrun-

de, in der man sich den anderen Teilneh-menden persönlich vorstellt. Erst danachfolgt der «offizielle Teil» der Veranstal-tung. Ein solcher Ablauf hilft, sich in ei-

ner fremden Situation zurechtzufindenund sich weniger fremd zu fühlen. All-tagsrituale regelnmit ihren strukturiertenAbläufen deshalb auch unseren Tagesab-lauf. Sie nehmen uns unsere Ängste undgeben uns Sicherheit und Gefühle derZufriedenheit.«Das Ritual ist eine Sinn gebende

Handlung und weist auf Höheres hin»,sagt Dr. Mario Erdheim im vorhergehen-den Interview. Dabei dokumentiert eshäufig die Zugehörigkeit zu einer be-stimmten Gemeinschaft. Handlungenund Abläufe sind meist vorgegeben undwerden häufig im religiösen Kontext aus-geübt. Religiöse Feste sind wichtige Be-gleiter für die Gestaltung von Übergangs-phasen im Leben. Weil aber immer mehrMenschen Mühe haben, sich inhaltlichmit traditionellen Ritualen zu identifizie-ren, schaffen sie sich säkulare, eben ihreeigenen Rituale.

Rituale für Lebensübergänge

Übergang bedeutet, dass frühere Ord-nungen, die ihre Richtigkeit hatten, ei-nemEnde entgegengehen. Altes undVer-trautes greift nichtmehr undKünftiges istnoch nicht vorhanden und eingeübt. Insolchen Phasen entstehen Krisen, Turbu-lenzen, Konflikte und Chaos im individu-ellen Menschenleben, möglicherweisemit Krankheiten, Unfällen und Depres-sionen.DieGeburt, symbolisiert durchdieTau-

fe; der Eintritt ins Erwachsenenalter, die

ALKOHOL UND RITUALE

Bei vielen Anlässen und Festivitäten ist Alkohol ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichenZusammenseins.Menschen, die sich mit der Thematik der Alkoholabhängigkeit nie auseinander-gesetzt haben, ahnen nicht,wie oft sich Betroffene an solchen Anlässen als Aussenseiter fühlen.Text: Christine Köhler

«Prost...auf deineGesundheit!»

In unserer Gesellschaft werden fast alle wichtigen Anlässe mitAlkohol begangen.Menschen, die sich mit der Thematik der Alko-holabhängigkeit nie auseinandergesetzt haben, ahnen nicht,wieoft Betroffene damit konfrontiert werden, Aussenseiter zu sein.

Zürcher Fachstelle fürAlkoholproblemeDie Zürcher Fachstelle für Alkoholpro-bleme (ZFA) leistet einen Beitrag zurVerminderung von risikoreichemKon-sum, Missbrauch und Abhängigkeitvon Alkohol und zusätzlichen Sucht-mitteln sowie deren Folgen. Zur Errei-chung dieser Zielsetzung tragen dreiBereiche bei:• Beratung und Therapie• Prävention• Zentrale Dienste

Zielgruppen:Die Dienstleistungen richten sichan Betroffene, deren Bezugspersonen sowie anUnternehmen im Profit- und Non-Profit-Bereich.

Adresse:Zürcher Fachstelle für Alkoholprobleme,Josefstrasse 91, 8005 Zürich,Tel. 043 444 77 00

Öffnungszeiten:Mo–Fr von 8.30–12h, 13.30–17h.Weitere Termine nach Vereinbarung

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streitet dasGeschäftsessen alkoholfrei. AlsBegründung gab er an, dass er die «Cho-reographie der Feier nicht stören wolleund dass er keine Erklärungen zu seinerAbstinenz vom Alkohol mehr abgebenmöchte». Herr S. lebt seit drei Jahren ab-stinent und hat sich eine hohe Autono-mie im Umgang mit solchen Situationenerworben. Er hat sich im Rahmen einesgesellschaftlich üblichen Rituals sein ei-genes für ihn hilfreiches Ritual erarbeitet.

Betroffene unterstützen

Der Umgang mit den gesellschaftlichenAlltagsritualen erfordert von Alkoholbe-troffenen ein grosses Mass an Willens-stärke, Aufmerksamkeit und Kreativität,damit sie nicht zum Stolperstein werden.Dafür benötigen die Betroffenen auchnach Jahren Anerkennung und Beach-tung. Es ist ein langer Prozess, bis aus derinneren Haltung von: «Ich darf nichtmehr trinken» eine Haltung von: «Ichbrauche nicht mehr zu trinken» gewor-den ist. Und jeder Rückfall wird als per-sönliches Versagen erlebt.Nicht Betroffene möchte ich ermuti-

gen, eineguteArtundWeisedesUmgangsmit einem Suchtkranken zu finden, was,wie ich zugebe, nicht immer einfach ist.Sensibilität, Einfühlungsvermögen undBewusstheit sind sicher hilfreich. Viel-leicht ist es wichtig, einmal ein Tabu zubrechen undmutig nachzufragen, wie je-

mand die Abstinenz bewältigt, welcheUnterstützung er/sie braucht und was esfür ihn/sie bedeutet, diesenWegzugehen.

Rituale erfinden

FüralkoholfreiLebende ist eswichtig, sicheigene, neue Rituale in der alkoholtrin-kenden Gesellschaft anzueignen. Sie ver-mindern Angst, schaffen Sicherheit undgeben ein Gefühl von Souveränität unddamit Glück. Damit Betroffene sich auchin solchen schwierigen Situationen wohlfühlen, brauchen sie eine andere Art desUmgangs mit solchen Alltagsritualen.Hier einige Tipps:• Bei einer Einladung darauf hinzuwei-sen, dassman keinenAlkohol trinkt,manaber nichts dagegen hat, wenn anderetrinken. So beugt man der peinlichen Si-tuation vor, dass beim Anlass dann keineentsprechenden alkoholfreien Getränkezu Verfügung stehen.• Bei einem Restaurantbesuch wähltman seinenPlatz so aus, dassman ihnver-lassenkann,ohneandere zubemühen.Sohat man jederzeit die Freiheit, sich füreine gewisse Zeit aus spannungsgela-denen Situationen zu entfernen.• Man weiss schon beim Eintritt ins Re-staurant, welches Getränk man bestellenwill: zum Beispiel einen alkoholfreienCocktail, den man wirklich gerne mag.Gibt man seine Bestellung als Erster auf,setzt man damit ein Paradigma, so dass

auch andere sich erlaubenkönnen, ein al-koholfreies Getränk zu bestellen.• Auf die Frage, warum man keinen Al-kohol trinkt, hat man seine ritualisiertenAntworten wie «Ich vertrage keinen Al-

kohol» oder: «Ich trinke keinen Alko-hol». Das lässt anderen Interpretations-spielraum, weil viele Menschen, die Me-dikamente nehmen müssen, keinen Al-kohol trinken dürfen. Eine Antwort, hin-ter der man stehen kann, klingt am über-zeugendsten.

Mit eigenen Ritualen schaffen wir uns imAlltagsgeschehen unser Wohlbefindenund Sicherheit. Der Kreativität dafür sindkeine Grenzen gesetzt. «Prost ...»

Christiane Köhler, Psychotherapeutin SPV, seit8 Jahren tätig in der Zürcher Fachstelle für Alkohol-probleme im Fachbereich Beratung und Therapie,sowie selbständige Supervisorin, Coach undOrganisationsentwicklerin BSO.

Für alkoholfrei Lebende istes wichtig, sich eigene, neueRituale in der alkoholtrinkendenGesellschaft anzueignen.

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zur Party geht – Warmtrinken nennt sichdas. Kollektives Betrinken hat seit Jahr-hunderten Tradition und ist noch immerBrauch bei Dorffesten, Vereins- oderSportanlässen.AuchgrössereMassenvonAlkoholisierten sind keine neue Heraus-forderung, wenn man Street Parade oderEuro 08 zum Vergleich nimmt. Wohl jedeGemeinde hat auch Erfahrung mitRauschtrinkerszenen, Littering und Van-

dalismus.Nichtdass dieseProblemegelöstwären, aber sie sind nicht mehr neu, son-dern einfach Alltag geworden.

Was war wirklich neu?

Empörung über berauschte Massen undAbfallberge allein hätten im Sommer2008kaumsoanhaltendAufsehenerregt.Es fragt sich, was an den Botellones sospeziell war, dass sie zum Medienhypewurden.

War es die unverblümt ehrliche Deklarati-on des Veranstaltungszweckes – sich kollektivzu betrinken? Das löste schockierte undempörte Reaktionen aus. DieMotive sindallerdings auch bei bekannten und wohlorganisiertenVeranstaltungen oft sehr fa-denscheinig. Beim Fussball steht für vie-le nicht der Sport, sondern Trinken undRandale im Vordergrund. Bei kommerzi-ellen Events, wie etwa der Flatrate-Party,fehlen die Motive bereits vollständig.

War es das erstaunliche Mobilisierungspo-tential der «Virtuellen Communities»? Eswurde deutlich, dass über Internetplatt-formen wie Facebook jedes Mitgliedspontan und kurzfristig Treffen beachtli-cherMenschenmengen zu einem beliebi-gen Thema organisieren kann. Interes-sant, weil für viele beunruhigend oderfaszinierend,warwohl diese Entdeckung,

wasgeschehenkann,wennvirtuelleNetz-werke im konkreten Alltag in Erschei-nung treten. DieMedien haben durch ag-gressive Berichterstattung gefördert, dassdas Phänomen Botellón schnell Kultsta-tus erlangte.

War es die Anonymität der Veranstalter?Da diese Kommunikationsmittel anonymeinsetzbar sind, steht denBehördenmeistkein Veranstalter als Partner für organisa-

torische Fragen zur Verfügung. Auch fürSchäden und Umtriebe kann niemandhaftbar gemacht werden.

Eine Herausforderung für Behörden

Stadt- undGemeindebehördenwaren ge-fordert, zweckmässige Vorkehrungen zutreffen. Die rechtlichen Grundlagenwaren dürftig und gewohnte Vorgehens-weisen bei Festanlässen scheiterten amfehlenden Veranstalter. Wichtig war, un-ter Beizug aller tangierten Instanzen,schnell Klarheit über eine gemeinsameGrundhaltung und Strategie zu schaffen.Entsprechend den lokalen Gegebenhei-ten und der Grösse der erwarteten Veran-staltung, sind diese sehr unterschiedlichausgefallen. Bewährt hat sich aber inallen Fällen, dem Anlass nicht mehr Auf-merksamkeit zu widmen, als unbedingterforderlich, um ihm nicht zusätzlichBedeutung zu verleihen.Wenn Organisatoren fehlen, sind die

Gemeinden in der Pflicht ausreichendeNotfallorganisation und Wahrung vonOrdnung und Sicherheit zu gewährleis-ten. Das Notwendige mit Zurückhaltungund möglichst im Hintergrund zu veran-lassen,hat sichbewährt.Mit einerklar de-finierten Anlaufstelle für Medien undNachbarschaft konnte der vielfach über-

NZZ am 13. März 2009: «Der ers-te Botellón in der Stadt Zürich,zudemsicham29.August 2008rund 2500 junge Leute auf der

Blatterwiese versammelten, belastet dieStadtkasse gehörig: 34 000 Franken kos-teten allein die Reparatur der von Glas-scherben durchsetzten Wiese und dieMüllbeseitigung; die 6,5 Tonnen Abfallentsprachen einem 26-mal höheren Pro-Kopf-Anteil als etwa an der Street Parade2008. Hinzu kommen nebst Kosten fürmedizinische Betreuung noch 200 000Franken für eingesetztes Personal, von100 präventiv aufgebotenen Polizeikräf-ten bis zu 36 Zivilschützern.»Frühzeitig auf Saisonbeginn, so möch-

te man meinen, wird in Erinnerunggerufen, was letzten Sommer fetteSchlagzeilen bescherte. Eine neue FormkollektivenBetrinkenshatStädteundGe-meinden in Aufregung versetzt.

Ein spanischer Brauch

InSpanien sindBotellones seit den frühen90er-Jahren Brauch. Jugendliche undjunge Erwachsene treffen sich zu ge-meinsamem Alkoholkonsum und Feiernauf öffentlichen Plätzen. Den Namen Bo-tellón* verdanken diese Anlässe demUmstand, dass die Teilnehmenden grosseFlaschen mit selbst gemischten Alkoholi-ka mitbringen. Ein wichtiger Aspekt istdabei das Geld: Während der Ausgang inClubs oder Bars schnell teuer wird, sindBotellones deutlich günstiger – das ist vorallem bei Jugendlichen ausschlaggebend.Dass es an Botellones zu Exzessen, zu«binge drinking», Lärm- und Abfallbe-lastung kommt, ist auch in Spanien einProblem.

Kollektives Betrinken – in derSchweiz nicht neu

Jugendliche kaufen auch hierzulande al-koholische Getränke immer öfter im Su-permarktundkonsumierendiesebevores

BOTELLÓN

Das letztjährige, erste Botellón in der Stadt Zürich kostet weit über 200 000 Franken.Da hinter diesemAnlass kein Veranstalter steht, sondern sich junge Leute übers Internet organisiert haben, trägt dieAllgemeinheit die Kosten.Was erwartet uns diesen Sommer und wie können Behörden reagieren?Text: Peter Trauffer

Virtuell organisiert:ein realesMassenbesäufnis

Jugendliche kaufen auch hierzulande alkoholische Getränkeimmer öfter im Supermarkt und konsumieren diese bevor es zurParty geht – Warmtrinken nennt sich das. Kollektives Betrinkenhat seit Jahrhunderten Tradition und ist noch immer Brauch beiDorffesten,Vereins- oder Sportanlässen.

* Das Wort Botellón stammt aus dem Spanischenund bedeutet «grosse Flasche».

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triebene Wirbel in der Öffentlichkeit ver-mieden werden.

Die rechtliche Situation

Die Alkoholgesetzgebung der Schweizenthält keine Bestimmung, die das Trin-ken auf öffentlichem Grund verbietet.Botellones sind dem sicherheits- und ord-nungsrechtlichen Bereich – Blockierungvon Strassen und Plätzen, Lärm, Men-schenaufläufe, Littering, Stadtbild, un-züchtiges Verhalten etc. – zuzuordnenund fallen in die kantonale bzw. kommu-nale Kompetenz. Gesteigerter Gemein-gebrauch des öffentlichen Grundes kannbewilligungspflichtig sein. Es kann aufLärmschutz- und sonstige Ordnungsvor-schriften zurückgegriffen werden. EineBewilligung kann mit Auflagen verbun-den werden, zum Beispiel betreffend Ab-fallentsorgung. Falls keine Bewilligungfür einen Botellón vorliegt, kann dieserabgebrochen und die Verantwortlichenkönnen gebüsst werden. RechtlicheGrundlagen für denKantonZürich fehlenbis heute*. Regelungen auf kommunalerEbene bieten aber meist konkrete Hand-habe, zumBeispiel die Polizeiverordnungder Stadt Zürich.

Kommunale Alkoholpolitik

Gemeinden, die in Zusammenarbeit mitihrer Suchtpräventionsstelle eine eigeneAlkoholpolitik entwickelt haben – bei-spielsweise im Rahmen des nationalenProgramms «Die Gemeinden handeln» –waren in einer glücklichen Lage: Sie ver-

fügten bereits über eine klare Grundhal-tungundüber Instrumente,umdieseum-zusetzen. Im Gremium, das die Alkohol-politik ausarbeitet, sind jeweils alle rele-vanten Akteure vertreten wie Sicher-heits- und Gesundheitsbehörde, Polizei,Jugendarbeit, Beratungsdienste undSuchtprävention. Damit ist auch das

Know-howvorhanden, umbei eineman-stehenden Botellón schnell die richtigenMassnahmen zu treffen.

Jugendschutz

Die gesetzlichen Altersbeschränkungenfür Verkauf und Weitergabe von Alkoho-lika gelten auch bei Botellones. Kontrolleund Durchsetzung sind hier allerdingsschwierig. Versuche, über Ausweiskon-trollen bei Jugendlichen die Herkunftmitgebrachter Getränke zu eruieren, ha-

ben wenig gefruchtet. Verkaufsstellen,welche die Beschränkungen konsequentumsetzen, leisteneinenwichtigenBeitragdazu, die Erhältlichkeit für Jugendlichegenerell einzuschränken.

Gesundheitsrisiko?

Wenn sich einige hundert Betrunkene ineinem Park treffen, liegt nahe, dass auchmit Vandalismus und Gewalt zu rechnenist. Die gesundheitlichen Risiken desRauschtrinkens sind bekannt. Mit demVollrauscheinmaldie eigenenGrenzenzutesten, ist in der Entwicklung von Ju-gendlichen ein typisches Verhalten undsoweit normal. Verharren im Konsum-muster Rauschtrinken muss hingegen alsHinweis auf SuchtgefährdungundalsAn-zeichen einer gestörten Persönlichkeits-entwicklung ernst genommenwerden. Esist davon auszugehen, dass ein Botellónfür die überwiegende Mehrheit der Teil-nehmenden zwar ungesund, aber nichtmit gravierenden Gefahren verbundenist. Anders sieht es bei einer kleinenMin-derheit von gefährdeten Jugendlichenaus, vor allem wenn Botellones zum re-gelmässigen Zeitvertreib werden.

Frühintervention

Bei der kleinenMinderheit von gefährde-ten Jugendlichen besteht Handlungsbe-darf. Können sie an einem Botellón auf-gegriffen und einer Kurzintervention mit

Triagemöglichkeiten zugeführt werden,können sich anbahnende Störungenfrühzeitig behandelt werden. Verschiede-ne regionale Suchtpräventionsstellenbie-ten entsprechende Programme an, meistin Zusammenarbeit mit Polizei, Bera-tungsdiensten und Vormundschafts-behörden oder auch mit Akutspitälern.

Was können Eltern tun?

KlareRegelnundGrenzenbezüglichAus-gang undAlkoholkonsum auszuhandeln,

ist nicht nur im Zusammenhang mit Bo-tellones ratsam.Ein Blick zurück in die eigene Jugend

und auf eigenes Risikoverhalten erleich-tert die nüchterne, unaufgeregte Beurtei-lung der Situation und das konstruktiveGesprächmit heranwachsendenKindern.Wird eine Gefährdung befürchtet, emp-fiehlt sich, frühzeitig professionellen Rateinzuholen. Die Suchtpräventionsstellenvermitteln gern geeignete Adressen.Wer sichnochnichtmit Facebook,Net-

log und Chatrooms vertraut gemacht hat,sollte dies nachholen. Kontaktpflege undFreizeitgestaltung von Jugendlichen fin-det heute da statt und ohne Sachkenntnisist Mitreden für Eltern schwierig.Die Schweizer Botellones haben ihre

Wurzeln in den «Virtuellen Communi-ties». Man darf gespannt sein, welcheneuen Veranstaltungsformen sie uns alsNächstes bescheren werden.

Peter Trauffer ist Psychologe lic.phil. undOrganisationsentwickler MAS und leitet seit 1994die Suchtpräventionsstelle Zürcher Oberland.

Die Alkoholgesetzgebung derSchweiz enthält keine Bestim-mung, die das Trinken auföffentlichem Grund verbietet.

Es ist davon auszugehen, dass ein Botellón für die überwiegendeMehrheit der Teilnehmenden zwar ungesund, aber nicht mitgravierenden Gefahren verbunden ist. Anders sieht es bei einerkleinen Minderheit von gefährdeten Jugendlichen aus, vor allemwenn Botellones zum regelmässigen Zeitvertreib werden.

* Kantonales Polizeigesetz und Kt. Polizei-verordnung sind zurzeit noch nicht verfügbar.

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Wein, Bier,Wodka, Rum,Whis-ky, Champagner, Raki, Slibo-witz, Sangría… Die Liste lies-se sich nahezu beliebig fort-

setzen. Meistens ist uns bekannt, in wel-chen Ländern was getrunken wird – zu-mindest traditionellerweise. Etwas an-ders sieht es aus,wennwir einenBlick auf

denWissensstand bezüglich des Alkohol-konsums vonMigrantinnen undMigran-ten in der Schweiz werfen. Trinken sieviel? Mehr als die einheimische Bevölke-rung? Oder weniger? Diese Fragen wer-den im Folgenden thematisiert.Im Endbericht des Gesundheitsmoni-

torings der schweizerischen Migrations-bevölkerung (2006) wird festgehalten:• «AlleMigrantengruppenweisenhöhe-re Abstinenzquoten auf als die schweize-rische Bevölkerung.» (S. 191)• «Der Anteil derjenigen, die überhauptzumRauschtrinkenneigen, liegt in fast al-len Migrantengruppen deutlich (…) un-

terhalb der Quote der Schweizerinnenund Schweizer (…).» (S. 194) Bei denMi-grantengruppen liegt der Anteil klar un-ter 20%, bei den Schweizerinnen undSchweizern bei rund 25%.Haben alsoMigrantinnen undMigran-

ten grundsätzlich ein bedeutend geringe-res Alkoholproblem als Schweizerinnen

und Schweizer? Eine solche Interpretati-on greift aus mehreren Gründen zu kurzund könnte leicht zu Fehlschlüssen hin-sichtlich der Prävention verleiten. Malabgesehen davon, dass sich die beidenGruppen, Migrant/innen einerseits undSchweizer/innen andererseits, nichttrennscharf unterscheiden lassen, spre-chen folgende Aspekte für eine differen-ziertere Betrachtungsweise:• Der Alkohol gehört auch unter Mi-grantinnen und vor allem Migranten zuden meistkonsumierten Suchtmitteln.Entsprechend ist die Alkoholpräventionunter dieser Zielgruppe als sehr wichtigeinzustufen.• Die Unterscheidung nach Herkunfts-ländern zeigt erhebliche Unterschiedezwischen verschiedenen Ethnien undSprachgruppen.• Eine Reihe anderer Kriterien wie diebekannten Schutz- und Risikofaktorenspielen eine viel wichtigere Rolle als derkulturelle Hintergrund, sprich die Zu-gehörigkeit zu einer Ethnie oder Sprach-gruppe.

Was den letztgenannten Punkt betrifft,gilt es, nicht einer allzu simplen Kultura-lisierung zu verfallen. Zwar ist es bei-spielsweise richtig, dass in der Heimat derTamilen ein vergleichsweise geringes Al-koholproblem besteht. Eine Reihe von

Einflussfaktoren, welche in Zusammen-hang mit der Migration und den verän-derten Lebensbedingungen stehen,führen aber hier in der Schweiz unter Ta-milinnen und besonders bei den Tamilenzu einem anderen Konsumverhalten. Dieviel kleinere soziale Kontrolle durch dieVerwandtschaft, das Wegfallen der star-kenTabuisierungdesAlkoholkonsums imVergleich zur Heimat, die Einsamkeit deroft traumatisierten Menschen sowie die(berufliche) Nähe zum Gastgewerbe, ha-ben allesamt bedeutende Auswirkungen.DiesesBeispiel zeigt, dasswederderAl-

koholkonsum an sich noch sein Ausmassdurch die kulturelle Tradition in Stein ge-meisselt und unveränderlich sind. Für dieAlkoholprävention bedeutet diese Tatsa-che, dass der Veränderungs-, teilweiseauch Anpassungsprozess bezüglich Alko-holkonsum der verschiedenen Migran-tengruppen aufmerksam beobachtetwerden sollte. Verstärkt gilt dies für jenenTeil der Migrationsbevölkerung, die nochnicht auf ein halbes Jahrhundert Immi-grationsgeschichte in der Schweiz zu-rückblicken kann.

Bitte beachten

Im bereits erwähnten Gesundheitsmoni-toring unterteilen die Verfasserin und dieVerfasser die ständige Wohnbevölkerungin der Schweiz nach Staatsangehörigkeitaufgrund der Häufigkeit des Alkoholkon-sums in drei Gruppen ein (S. 191–192):• Schweizer/innen sowie Migrant/in-nen aus Österreich, Frankreich undDeutschland: In dieserGruppe beträgt derAnteil an Personen, welche generell kei-nen Alkohol trinken, bloss ca. 20%, rund15% trinken dagegen täglich Alkohol.• Migrant/innen aus Italien und Portu-gal: Unter ihnen gibt es einerseitsmit über30%einendeutlichhöherenAnteil anab-stinenten Personen, andererseits konsu-mieren gut 25% bzw. 18% ein- odermehrmals täglich Alkohol.• Migrant/innen aus Ex-Jugoslawien,der Türkei und Sri Lanka: In diesen Teilen

Der Alkohol gehört auch unter Migrantinnen und vorallemMigranten zu denmeistkonsumierten Suchtmitteln.Entsprechend ist die Alkoholprävention unter dieserZielgruppe als sehr wichtig einzustufen.

JAHRESTHEMA: INTERKULTURELLE SUCHTPRÄVENTION

Die kantonalen Fachstellen für Suchtprävention FISP und ZüFAMwollten es genauer wissen:Wiesteht es um den Alkoholkonsum unter Migrantinnen undMigranten?Wie immer muss differenzierthingeschaut werden, um konkrete Massnahmen für die Prävention zu treffen.Text: ZüFAM-Team

AlkoholkonsumunterMigrantinnenundMigranten

Tagung zu Alkoholkonsum&RitualeDievonder ZüFAMkonzipierteundor-ganisierte 3. Zürcher Alkohol-Tagungfür Fachpersonen aus der Prävention,dem Beratungs-, Behandlungs- undSozialbereich findet im September2010 zum Thema «Alkoholkonsum &Rituale» statt. Die Ausschreibung undEinladung zu dieser Tagung wird imJuni 2010 verschickt.Weitere Informa-tionen sind ab Januar 2010 aufwww.zuefam.ch zu finden und im«laut & leise».

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der Migrationsbevölkerung lassen sichsehr hohe Abstinenzquoten (Ex-Jugosla-wien: 49%, Türkei: 58%, Sri Lanka: 70%)und ein geringer täglicher Alkoholkon-sum (2 bis 6%) feststellen.

Bei genauerer Betrachtung der einzelnenGruppen mit Berücksichtigung weiterer

Einflussfaktoren zeigt sich vor allem:• Mit steigendem Alter erhöht sich dieWahrscheinlichkeit des täglichen Alko-holkonsums, sinkt aber das Risiko, min-destens einmal im Monat eine grössereMenge Alkohol zu konsumieren.• Personen aus unteren sozialen Schich-ten trinkenweniger häufig grössereMen-gen Alkohol auf einmal als andere.• Frauen trinken generell weniger Alko-hol als Männer.• Sozial besser gestellte Frauen konsu-mierenhäufigerAlkohol als andereFrauen.

• Lebt ein unter 15-jähriges Kind imHaushalt, so ist der AlkoholkonsumunterFrauen vergleichsweise geringer.(Quelle: «Wie gesund sind Migrantinnenund Migranten?», Bern, Juli 2007)

Diese kleine Auswahl an empirischenDaten führt zu folgenden Schlüssen für

die (interkulturelle) Alkoholprävention:Eine Unterscheidung hinsichtlich des Al-koholkonsums nach Herkunftsgebiet hatin erster Linie einen ganz praktischenNutzen, nämlich zu erfahren, in welchenSprachen Prävention am dringendstenund in welchem Ausmass nötig ist. Danngilt es die richtigen Zugänge und Kanälezu wählen, um an die Hauptzielgruppenzu gelangen, welche sich mittels sozialerMerkmale und Verhaltensweisen (z.B.Trinkgewohnheiten) definieren lassen.Das Eine ohne das Andere ginge auf

Kosten der Effektivität, womit nieman-dem gedient wäre.

ZüFAM,Zürcher Fachstelle zur Präventiondes Alkohol- und Medikamenten-Missbrauchs:Tel. 044 271 87 23, www.zuefam.ch

Dieser Artikel ist eine leicht modifizierte Fassungdes ZüFAM-Newsletters April 2009.

Eine Unterscheidung hinsichtlich des Alkoholkonsums nachHerkunftsgebiet hat in erster Linie einen ganz praktischenNutzen, nämlich zu erfahren, in welchen Sprachen Präventionam dringendsten und in welchem Ausmass nötig ist.

InterkulturelleSuchtprävention, 2. TeilNachdem imvergangenen Jahr die An-liegen der Stellen für Suchtpräventionim Kanton Zürich bezüglich der inter-kulturellenSuchtprävention imMittel-punkt standen,wird 2009 von der Aus-arbeitung konkreter Massnahmen ge-prägt sein. Insbesondere die Erstellungeines Leitfadens/einer Checkliste be-züglich migrationsgerechter Projektar-beit sowie die Koordination und Ver-netzung betreffend der Weiterbildungund des Einsatzes interkultureller Ver-mittler/innen bilden den diesjährigenSchwerpunkt.

JAHRESTHEMA 2009

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M E D I O T H E K

Infos über AlkoholDie sechsseitige Information der SFAüber Alkohol befasst sich mit den wich-tigsten Themen: die Substanz, Gesetzge-bung in der Schweiz, risikoarmer, pro-blematischer und abhängiger Alkohol-konsum, unmittelbare Wirkung, Risikenund Schäden, Prävention. Als Downloadim Internet.

Info-Broschüre:Alkohol, 6 Seiten, kostenlos,Herausgeber: sfa / ispa, www.sfa-ispa.ch

Weihnachten, ein FamilienritualWie feiern heutige Familien Weihnach-ten? Welchen Sinn hat dieses Ritual fürsie? Das Forschungsprojekt zu Weih-nachten knüpft an die Ritualforschungan. Dabei wird die Praxis in den Mittel-punkt gestellt, also die Ausführung undInszenierung des Rituals betrachtet. ImLaufe der Forschungwurde klar, dass dasfamiliäreWeihnachtsritual als ein höchstkomplexes und vielschichtiges Phäno-men zu verstehen ist. Die Untersuchungumfasst Interviews mit drei Generatio-nen aus 18 Schweizer Familien sowie dieBefragung von über 1000 weiteren Fa-milien.

Buch-Tipp: «Weihnachten – Familienritual zwischenTradition und Kreativität», Hrsg. Maurice Baumann,Roland Hauri, Verlag W. Kohlhammer, 2008.

Trinkrituale in DeutschlandRituale helfen – so der Gedanke des Bu-ches – den Alkoholkonsum zu regeln. Sieliefern Strukturen, um den Alkoholkon-sum in unsere gesellschaftlicheWirklich-keit einzugliedern.AuchderRauschwirddurch die Einbettung in ein Ritual kon-

trollierbarer. Das Buch ist eine Samm-lung von unterschiedlichsten Trinkritua-len. Die Rituale werden beschrieben undes wird erklärt, wann und wo diese ge-sichtet wurden.

Buch-Tipp: «Trinkrituale in Deutschland – Geselligerund gesellschaftlicher Alkoholkonsum in Vergangen-heit und Gegenwart», Hrsg. Frank Nolte, Karl Wassen-berg, Schriften für Drogenforschung, Bremen 1997.

Berauschende JugendDiese Diplomarbeit kreist um drei Leit-fragen: 1. Was ist unter dem Phänomen«Rauschtrinken bei Jugendlichen» zuverstehen? 2. Warum ist das Phänomen«Rauschtrinken» vermehrt in der Le-bensphase derAdoleszenz zu beobachtenund in den letzten Jahren in der Schweizhäufiger anzutreffen? 3.Welche Schluss-folgerungen lassen sich daraus für diePraxis der Soziokulturellen Animationableiten?

Diplomarbeit: «Berauschende Jugend» von MartinaBruder und Jolanda Erni, Diplomarbeit der HSALuzern, 2007.

Umfrage zum RauschtrinkenIm Auftrag des Bundesamtes für Ge-sundheit wurde die SFA in Zusammen-arbeit mit dem Institut für Suchtfor-schung (ISF) beauftragt, Daten zumRauschtrinken zu harmonisieren undeine verbesserte Schätzungder Prävalenzvon «Rauschtrinken» durch die Ver-knüpfung der Information aus vorliegen-den Umfragen durchzuführen.

Forschungsbericht: «Rauschtrinken in der Schweiz– eine Schätzung der Prävalenz aufgrund verschie-dener Umfragen seit 1997», Autoren:Matthias Wicki,Gerhard Gmel, sfa 2005.

Nationales Programm AlkoholAlkohol ist ein traditioneller, fest veran-kerter Bestandteil unserer Kultur. Trotz-dem ist er kein normales Konsumgut, derUmgangmit Alkoholwill gelernt sein. ImAuftrag des Bundesrats erarbeitete dasBundesamt für Gesundheit in enger Ko-operation mit wichtigen Akteuren dasNationale ProgrammAlkohol (NPA). DieHandlungsschwerpunkte liegen in denBereichen Jugend, Gewalt, Sport undUnfälle.

Broschüre: «Nationales Programm Alkohol 2008 –2012», Herausgeber: Bundesamt für Gesundheit.

Rituale im SportAuf der Grundlage der systematischenReligionswissenschaft wird der Sport aufreligionsähnlicheErscheinungenhinun-tersucht.

Buch-Tipp: «Rituale im Sport – Der Kult der ReligioAthletae», Autor: Frank Röller, Invoco-Verlag, 2006.

Männer im RauschDrogen spielen in männlichen Lebens-konzepten eine herausragende Rolle alsDemonstrationsmittel von Stärke, alsAnti-Stressmittel, als Symbol von Grenz-übverschreitung und Gefährlichkeits-suche, als Kommunikations- und Rück-zugsmittel oder als soziales Schmiermit-tel überhaupt. Die Artikelsammlung be-leuchtet Zusammenhänge aus unter-schiedlichen Perspektiven.

Buch-Tipp:«Männer im Rausch», Herausgeber: JuttaJacob, Heino Stöver, transcript Verlag, 2009.

Medien zumThemaRitual sowie AlkoholSämtliche aufgeführten Medien können Sie ausleihen bei Radix, InfoDoc, Stampfenbach-strasse 161, 8006 Zürich. Tel. 044 360 41 00, Fax 044 360 41 14, E-Mail: [email protected] Internet: www.radix.ch

Das Kantonale Netzwerk Gesundheits-fördernder Schulen (Volksschule) hatzum erstenMal den Zürcher Preis für Ge-sundheitsförderung in der Schule verlie-hen. Regierungsrätin Regine Aeppli undWalter Bircher, Rektor der Pädagogi-schen Hochschule Zürich, haben am 7.März 2009 im Rahmen der Netzwerkta-gung zum Thema «Schulen begegnenGewalt» den Gewinnerschulen die Prei-

se von insgesamt 16 000 Franken über-geben.Zwanzig Netzwerkschulen haben ihre

Projekte eingereicht. Prämiert wurdendie Primarschule Grünau, Stadt Zürich,die Sekundarschule Petermoos, Buchs,und die Primarschule Zentrum, Egg. DerPreis ist ein Zeichen der Wertschätzungfür das grosse Engagement der Schulen,Gesundheitsförderung als expliziten und

nachhaltigen Baustein ihrer Schulent-wicklung zu verankern und so zu einerSchule beizutragen, die Gesundheit alsBasis für Wohlbefinden und Leistungs-fähigkeit versteht und lebt.

Weitere Informationen:www.gesunde-schulen-zuerich.ch

KANTONALES NETZWERK GESUNDHEITSFÖRDERNDER SCHULEN

Verleihung Zürcher Preis für Gesundheitsförderung in der Schule

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DieStellen fürSuchtprävention imKantonZürich

Die acht regionalen Suchtpräventions-stellen (RSPS) sind zuständig für diepräventive Grundversorgung in ihrerklar abgegrenzten Region. Sie initiierendie Basisarbeit und unterstützen undkoordinieren bestehende Bestrebungenund Aktivitäten im Bereich Suchtpräven-tion. Dabei orientieren sich die Stellenan den jeweiligen lokalen und regionalenBedürfnissen. Die Arbeit der RSPS zieltsowohl auf Individuen (persönlichesVerhalten) wie auch auf die Beeinflus-sung von Strukturen und Lebensberei-chen (gesellschaftliche Verhältnisse).Die Angebote der Stellen, welchegeschlechts- und kulturspezifischeAspekte berücksichtigen, umfassen:Bildung, Information und Beratung vonEinzelnen, Gruppen, Gemeinden usw.,Öffentlichkeitsarbeit und strukturelleArbeit in Gemeinden, Stadtteilen, Quar-tieren und Firmen. Die regionalen Sucht-präventionsstellen sind generalistischtätig und werden von den acht speziali-sierten, kantonsweit tätigen Fachstellen

unterstützt. Die RSPS werden haupt-sächlich von den Gemeinden finanziert,der Kanton leistet eine finanzielleUnterstützung (in der Regel 30%).

Suchtpräventionsstelle derBezirke Affoltern und DietikonGrabenstr. 9, 8952 SchlierenTel. 044 731 13 21Fax 044 731 13 22E-Mail: [email protected]: Cathy CaviezelInternet: www.supad.ch

Suchtpräventionsstelle desBezirks AndelfingenLandstr. 36, 8450 AndelfingenTel. 052 304 26 60Fax 052 304 26 00E-Mail:[email protected]: www.rsps-andelfingen.chLeitung:Matthias Huber

Suchtpräventionsstelle für denBezirk HorgenSamowar, Bahnhofstr.24, 8800 ThalwilTel. 044 723 18 17, Fax 044 723 18 19E-Mail: [email protected]: www.samowar.chStellenleiterin: Patrizia Pedone Karaca

Suchtpräventionsstelle desBezirks MeilenSamowar, Hüniweg 12, 8706 MeilenTel. 044 924 40 10, Fax 044 924 40 11E-Mail: [email protected]: www.samowar.chLeitung: Belinda Inglin, Diana Joss,Enrico Zoppelli

Suchtpräventionsstelle WinterthurTechnikumstr. 1, Postfach,8402 WinterthurTel.052 267 63 80, Fax 052 267 63 84E-Mail: [email protected]: www.suchtpraev.winterthur.chLeitung: Georges Peterelli, MarkusStädler

Spezialisierte Fachstelle für Alkohol-,Drogen-, und Medikamentenkonsumim Zusammenhang mit Strassenverkehr.Führt diverse Animationsinstrumente(z.B. Funky-Bar und Fahrsimulator).

Suchtprävention an Berufs- sowieMittelschulen: Koordination und Vernet-zung, einschliesslich Arbeit mit Behör-den, Lehrmeistern und Eltern. BetreibtLehrer/innenbildung in Suchtprävention,führt Mediothek und Dokumentations-stelle. Schafft Lehrmittel zur Sucht-prävention in der Sekundarstufe II. Hatein Netz von Kontaktlehrpersonen.

Spezialisierte Fachstelle, welcheSuchtprävention für die Migrationsbe-völkerung im Kanton Zürich betreibt undkoordiniert.

Das Institut koordiniert und fördert imAuftrag der Gesundheitsdirektion dieAktivitäten der privaten sowie staatli-chen Stellen und Akteure im Bereichder Suchtprävention. Es leistet Beiträgean die Entwicklung der Suchtprävention,ist Ansprechstelle für die Öffentlichkeitund ist antragstellender Träger dergemeinsam mit allen Stellen realisiertenMedienkampagne für Suchtprävention.

Pädagogische Hochschule ZürichFachstelle SuchtpräventionVolksschuleRämistr. 59, 8090 ZürichTel. 043 305 59 04Fax 043 305 68 01E-Mail: [email protected]: www.phzh.chStellenleiterin: Barbara Meister

infoDoc Suchtprävention RADIXStampfenbachstr. 1618006 ZürichTel. 044 360 41 05Fax 044 360 41 14E-Mail: [email protected]: www.infodoc-radix.chStellenleiter: Diego Morosoli

ZüFAM, Zürcher Fachstelle zurPrävention des Alkohol- undMedikamenten-MissbrauchsLangstr. 229, 8031 ZürichTel. 044 271 87 23Fax 044 271 85 74E-Mail: [email protected]: www.zuefam.chLeitung: Cristina Crotti, Laura Jucker,Barbara Steiger

Züri RauchfreiZähringerstr. 328001 ZürichTel. 044 262 69 66Fax 044 262 69 67E-Mail: [email protected]: www.zurismokefree.chStellenleiter: Christian Schwendimann

Fachstelle ASNAlkohol- und Drogenprävention imStrassenverkehrOttikerstr. 10, 8006 ZürichTel. 044 360 26 00, Fax 044 360 26 05E-Mail: [email protected]: www.fachstelle-asn.chStellenleiter: Paul Gisin

Fachstelle SuchtpräventionMittelschulen und BerufsbildungNeumühlequai 10, 8090 ZürichTel. 043 259 22 76, Fax 043 259 43 79E-Mail: infosuchtpraevention@mba.zh.chwww.fs-suchtpraevention.zh.chStellenleiter: Vigeli Venzin

FISP, Fachstelle für interkulturelleSuchtprävention und Gesundheitsför-derungKehlhofstr. 12, 8003 ZürichTel. 043 960 01 60, Fax 043 960 01 61E-Mail: [email protected]: www.fisp-zh.chLeitung: Claudia Arnold, Joseph Oggier

Institut für Sozial- und Präventivmedi-zin der Universität Zürich,Abteilung Prävention und Gesundheits-förderungHirschengraben 84, 8001 ZürichTel. 044 634 49 99Fax 044 634 49 77E-Mail: praev.gf@ifspm.unizh.chwww.gesundheitsfoerderung-zh.chAbteilungsleiter: Roland Stähli

Regionale Suchtpräventionsstellen

Kantonsweit tätige, spezialisierte Fachstellen für Suchtprävention

SuchtpräventionsstelleZürcher OberlandGerichtsstr. 4, Postfach, 8610 UsterTel. 043 399 10 80, Fax 043 399 10 81E-Mail: [email protected]: www.sucht-praevention.chStellenleiter: Peter Trauffer(Bezirke Hinwil, Pfäffikon und Uster)

SuchtpräventionsstelleZürcher UnterlandErachfeldstr. 4, 8180 BülachTel. 044 872 77 33, Fax 044 872 77 37E-Mail: [email protected]: www.praevention-zu.chStellenleiter: Robert Schmid(Bezirke Bülach und Dielsdorf)

Suchtpräventionsstelleder Stadt ZürichRöntgenstr. 44, 8005 ZürichTel. 044 444 50 44, Fax 044 444 50 33E-Mail: [email protected]/suchtpraeventionStellenleiterin: Eveline Winnewisser

Die acht kantonsweit tätigen Fachstellen für Suchtprävention (KFSP) sind speziali-siert auf eine Zielgruppe, auf ein Suchtmittel, oder sie nehmen übergreifende Auf-gaben wahr. Sie arbeiten mit den regionalen Suchtpräventionsstellen zusammen.

Suchtprävention im Bereich der Volks-schule. Dies schliesst die Arbeit mitBehörden und Eltern mit ein. Verant-wortlich für die Lehrer/innenbildung imBereich der Suchtprävention. Führt eineMediothek und Dokumentationsstelle.Ausarbeitung von Unterrichtshilfen undanderen Projekten für schulische Sucht-prävention.

Öffentliche Dokumentationsstelle füralle Belange der Suchtprävention.

Spezialisierte Fachstelle, die primäreund sekundäre Prävention des Alkohol-und Medikamenten-Missbrauchsbetreibt.

Spezialisierte Fachstelle für Tabak-prävention. Einzelberatungen (u. a.Auskünfte zu Entwöhnungsmethoden),Beratung von Betrieben. Schaffungvon Materialien für Schulen. Expertisenzu Tabakpräventionsprogrammen.Rauchstopp-Programme für Jugendli-che.

Im Internet:www.suchtpraevention-zh.chSuchtprävention,laut

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Stäfalaut&

leiseMagazin

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Kanton

Zürich

Nr.2,Juni2009,erscheint

dreimaljährlich,Jahresabonnem

entFr.20.–

Ritual, Gewohnheit oder Tradition?

Der Fotograf Robert Huber baute mit Playmobil-Figuren verschiedene Szenen rund um den Begriff

Ritual. Nur: Welche Szene zeigt ein Ritual, welche eine Gewohnheit oder eine Tradition? Lesen Sie das

Interview «Was ist ein Ritual?» mit Mario Erdheim. Danach sollte es Ihnen leichterfallen, die einzelnen

Szenen einordnen zu können. Oder entstehen wie in unserem Redaktionsteam lebhafte Diskussionen,

welche Szene nun wirklich ein Ritual darstellt?

(www.roberthuber.com)