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48 Lebensmi ttelZeitung LZ36 7. September 2018 MANAGEMENT UND KARRIER E Her r Lan g, Sie sage n, das Ziel der Busi- ness-Transf or mat io n, di e von auß en ge- tr ieben wi rd , sei ein ga nzhei tl ic hes Kun denerl ebn is. Wenn wi r den st at io - nären Texti lei nzelh an del betr achte n, der besonders viel Umsatz an den E- Comm erce verl or en hat: Was hat er falsch gemacht? Er hat zu lange nicht an den Kunden gedacht, sondern sich gedanklic h an Frequenz und Umsatz um jeden Preis geklamm ert. Er wollt e dem Kunden – sinn bildli ch – lieb er die br aune als di e blaue Hose verkau fen, weil er die braune auf Lager hat. Der Kunde hat sich dadur ch immer weniger verstan- den gefühlt , wenn onl in e die Blaue nur einen Klick weg war. Hinz u kommt, dass viele heutig e Om ni- Channel Händler in den ersten Jahren gar nicht online verkauf en, sondern die Kunden lieber in den Laden loc- ken wollt en. Der Kunde ist mündig und lässt sich je länger je weniger vor- schreiben. Ab er was ist in schö nen Modeshops mit vielen Kleidungsstüc ken zum An- probi eren nicht ganzhei tl ich? Ich kenne nur zu viele Beispiele, bei de- nen wegen des sogenannten Waren- drucks möglic hst viele Kleidungsstück e in unzähli gen Variant en bereit liegen. Die passende fehlt e dann doch. Kommt hinzu, dass Kunden gelernt haben, nicht nur Artik el zu kaufen, sondern einen Style oder ein Bedürfnis zu be- friedig en wie beispielsw eise „auf der Firmenf eier toll aussehen“. Da ist Bera- tungsk ompet enz und Kur atierungs-Ge- schick gefragt, was der stationär e Ein- zelhandel gerade im Modeber eich oft vernachlässigt hat. Spezialisierte und hochgradig personalisiert e Onlineshops oder Konzept e wie Outfitt ery sind dan- kend in diese Lü cke gesprung en. Wie hä tte n st at io nä re Hän dl er dem Onli ne-Han del als exponent iell wa ch - send em Conven ience-Bes te llwe g mi t tot al er Preist ra nspar enz schn ell er Ein- ha lt gebi ete n kö nn en? Man hätt e beispi elsweise frühze itig auf die alten Tu genden Beratung und Ku- ratierun g setzen sollen, dami t man sich dem Preiskampf entziehen kann. Zu- gegeben, dass ist extrem schwer und im Nachhine in sind alle schlauer. In unserer täglic hen Tätigk eit mit Händ- lern stellen wi r aber im mer wieder fest, dass die wenigsten die einfache Frage beantw ort en kö nn en, warum der Kun- de gerade bei ihnen einkauf en soll. Einf ach viel e Produk te der gängigen Mark en zu haben, ist kein Diff erenzie- rungsf aktor. Wer ka nn mi tt ler we il e On li ne -Pur e- Playe rn Paro li bi ete n? Da fehlt mir die Kenntnis des deut- schen Markt es. Aber verglichen mit der Schw eiz gibt es sicher auch in Deutsch- land zahlr eiche kleine Nisc henplay er, die sich einem Thema, einer Region oder einer speziellen Klient el mit Herz- blut dur ch exzellen ten Service ver- schrieben haben. Da mache ich mi r we- niger Sorgen. Das Wachstum von sol- chen Händlern ist natürlic h auch limi- tiert. Wer st ellt sich im Lebensm it te lber eich beso nd er s erfo lgr eich au f im Sinne ei nes ga nzhei tl ichen Erlebn isses? Da kann ich wiederum nur für die Schweiz sprechen. Hier sind es vor allem Nisc henplay er, die eine Ge- schic hte, ein Statement oder eine Mis- sion haben wie farmy.ch, die den Markt nach Hause bri ngen. Sie agieren als Plattf orm und verbinden Bio-Bauern dir ekt mit eink ommen sstarken Kun- den. Diese Nisc he bespielen sie sehr er- folgreich. Zur Transf ormat ion von inn en: Tut sich der Han del al s zahle ng etr iebene Bran- che beso nd ers schwe r dam it , Mi ta rbei- ter n Raum fü r Verä nd erun g zu gebe n? Tr ansform ation auf einen Blick Die E-Commerce-Beratung Carpathia empfiehlt dem Handel eine Zwei-Wege-Digit alisierung: von innen und von außen Zürich. Digi talisierun g könnte so einfach sein, wenn eingespielte Teams und Geschäftsmodelle die Unter nehmen nicht von der lehrbuchmäßigen Umsetzung abhalten wür den. Thomas Lang von der Schweizer Digi tal-Bera- tung Carpathia gibt Beispiele. Er beglei tet den Handel seit über 15 Jahren in die Neuzeit. LEBENSMITTEL ZEITUNG GRAFIK QUELLE:CARPATHIA Di gi ta l- Busi ne ss-Mode l (von außen nach innen) Di gi ta l- Cultur e-Mode l (von innen nach außen) C u l t u r e C u l t u r e C u l t u r e C u l t u r e C u l t u r e C u l t u r e C u l t ur e C u l t u r e C u l t u r e C u l t u r e C u l t u r e C u l t u r e C u l t u r e Human Know How/ Skil ls Organi sati on Process Infrastr uctur e Technology Data & Test Dr iven C o m p e t i t i o n C u s t o m e r C o m m u n i c a t i o n Comm un it y Content Comm erce Chann el Cultur e Zweigleisi g verändern: Für die Schwei- zer Unter nehmensbera tung Carpathia hat Transformation zwei Richtungen. Die digi tale Markt- Transformation verläuft von außen nach innen. Sie ordnet sämtli- che Aktivi täten Markt und Kundenbe- dür fnis unter und sorgt für ein ganz- heitliches Kundenerlebnis. Paralell dazu erfolgt der digi tale Kultur wandel von innen heraus. Hier geht es darum, wie das Unter nehmen mit Innova tion und Kollabora tion umgeht, wie es organisiert und struktur iert ist. Denn ein Kunde nimmt in Sekundenbruchteilen wahr, ob das Unter nehmen authentisch kom- muniziert oder ob im Hinter grund alte Struktur en und Prozesse vorher rschen. Carpathia sieht stationär e Händler in der Transformationsfalle: Sie machen mehr als 90 Prozent ihr er Umsätze mit dem tradi tionellen, stationär bestimm- ten Geschäft und wollen dieses nicht gefähr den. Investier en sie aber nur „anteilig“ 10 Prozent in Digi tal, ist das viel zu wenig gegenüber den 100 Pro- zent von Onlinehändler n. CHANGE-MANA GEMENT HA T ZWEI RICHTUNGEN Tho ma s Lan g : CEO und Gründer von Carpathia. Zu den Kunden gehör en Coop Home, Billa, Rewe, Denner . Ein Schiff namens Carpathia war als erstes zur Stelle, als die Titanic unter ging... FOTO: CARPATHIA Wi r begegnen auch heut e immer noch Silos, Profit centern und nach Kanalum- satz ausgeric htete Incentivierung en. Das geht nie gut. Das wir d nie zu einem ganzheitlic hen Kundenerlebnis , weil der Kunde immer – schon in Sekun- denbruc ht eilen – spürt, ob es sich da um ein und denselben Händler handelt oder ob da digital von stationär getrennt geführt wir d. Solche Ausgangslagen müssen drastisch korrigiert werden, auch wenn es nic ht leicht fällt. Oft wir d von Mitarbe it ern unt ernehmerisc hes Denk en verlangt. Dann sollten diese auch um Unt ernehmenserf olg, zum Beispiel dem Ebit beteiligt werden oder dur ch Kreuzzielvereinbarun gen, die einen Filialleit er am Onlineumsatz be- teilig en und vice versa. Das sind Model- le, die je nach Konst ellation und Kultur sehr gut funktionier en können. Als Schwe izer Berat er: Erkennen Sie gr oß e Un ter schi ede bei m Rei fe gr ad der Di gi ta lisi erun g im Han del zwisc hen der Schw eiz un d Deutsc hl an d? Es gibt Unt erschiede, wobei sich diese wenig nach Ländern ric hten. Ich sehe unt erschiedlic he Reifegrade eher im Zusammenhan g mit Unt ernehmens- modell und Eigentümer . Konzerne ha- ben es nachvollziehbar schwerer als kleiner e Händler . Börsennotiert e Un- ternehmen bekunden mehr Schwierig- keiten als inhaber geführt e Firmen. Oft liegt es am Management, wie langfristig es denk en kann, wie aufgeschlossen man gegenüber neuen Ideen und jün- geren Mitarbeit ern ist und, ja, auch wie risik ofr eudig man ist. jw/lz 36-18

LebensmittelZeitung MAN AGEME NT UND KA RR IER E LZ36 7. … · 2018-09-13 · 48 LebensmittelZeitung MAN AGEME NT UND KA RR IER E LZ36 7. September2018 Herr Lang, Sie sagen, das

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Page 1: LebensmittelZeitung MAN AGEME NT UND KA RR IER E LZ36 7. … · 2018-09-13 · 48 LebensmittelZeitung MAN AGEME NT UND KA RR IER E LZ36 7. September2018 Herr Lang, Sie sagen, das

48 Lebensmittel Zeitung LZ36 7. September2018MAN AG EM E N T U ND K A R R I E R E

Her r Lan g, Sie sage n, das Ziel der Busi-ness-Transf or mat io n, di e von auß en ge-tr ieben wi rd , sei ein ga nzhei tl ichesKun denerl ebn is. Wenn wi r den st at io -nä ren Texti lei nze lh an del betr achte n,der beso nd ers vi el Um satz an den E-Comm erce verl or en ha t: Was ha t erfa lsch gema cht?Er hat zu lange nic ht an den Kundengedacht, sondern sich gedank lic h anFrequenz und Umsa tz um jeden Preisgeklamm ert. Er wo llt e dem Kunden –sinn bildli ch – lieb er die braune als di eblaue Hose verkau fen, weil er diebraune auf Lager hat. Der Kunde hatsich dadur ch immer weniger verstan-den gefühlt , wenn onl in e die Blauenur einen Klick weg war. Hinz ukommt, dass viele heutig e Om ni-Channel Händler in den ersten Jahrengar nic ht online verkauf en, sonderndie Kunden lieber in den Laden loc-ken wo llt en. Der Kunde ist mündigund lässt sich je länger je weniger vor-schreiben.

Ab er wa s is t in schö nen Modeshopsmi t vi elen Kl eidu ng sstüc ken zum An-pr obi eren nicht ganzhei tl ich?Ich kenne nur zu viele Beispiele, bei de-nen wegen des sogenannt en Waren-drucks möglic hst viele Kleidungsstück ein unzähli gen Variant en bereit liegen.Die passende fehlt e dann doch. Kommthinzu, dass Kunden gelernt haben,ni cht nur Artik el zu kaufen, sonderneinen Style oder ein Bedürfnis zu be-friedig en wie beispielsw eise „auf derFirmenf eier toll aussehen“. Da ist Bera-tungsk ompet enz und Kur atierungs-Ge-schick gefragt, was der stationär e Ein-zelhandel gerade im Modeber eich oftvernachlässigt hat. Spezialisierte undhochgradig personalisiert e Onlineshopsoder Konzept e wie Outfitt ery sind dan-kend in diese Lücke gesprungen.

Wie hä tte n st at io nä re Hän dl er demOn li ne-Han del al s expo nent ie ll wa ch-

send em Conven ience-Bes te llwe g mi ttot al er Preis t ra nspar enz schn ell er Ein-ha lt gebi ete n kö nn en?Man hätte beispielsweise frühze itig aufdie alten Tu genden Beratung und Ku-ratierun g setzen sollen, dami t man sichdem Preiskampf entziehen kann. Zu-gegeben, dass ist extr em schwer undim Nachhine in sind alle schlauer. Inunserer täglichen Tätigk eit mit Händ-lern stellen wi r aber im mer wieder fest,dass die wenigsten die einfache Fragebeantw ort en können, warum der Kun-de gerade bei ihnen einkauf en soll.Einf ach viel e Produk te der gängigenMark en zu haben, ist kein Diff erenzie-rungsf aktor.

Wer ka nn mi tt ler we il e On li ne-Pur e-Playe rn Paro li bi ete n?Da fehlt mir die Kenntnis des deut-schen Markt es. Aber verglichen mit derSchweiz gibt es sicher auch in Deutsch-land zahlreiche kleine Nischenplay er,die sich einem Thema, einer Region

oder einer speziellen Klient el mit Herz-blut dur ch exzellen ten Service ver-schrieben haben. Da mache ich mi r we-niger Sorgen. Das Wachstum von sol-chen Händlern ist natürlic h auch limi-tiert.

Wer st el lt sich im Lebe nsm it te lber eichbeso nd ers er fo lgr eich au f im Sinn eei nes ga nzhei tl ichen Erlebn isses?Da kann ich wiederum nur für dieSchweiz sprechen. Hier sind es vorallem Nischenplay er, die eine Ge-schichte, ein Statement oder eine Mis-sion haben wie farmy.ch, die den Marktnach Hause bri ngen. Sie agieren alsPlattf orm und verbinden Bio-Bauerndir ekt mit eink ommen sstarken Kun-den. Diese Nische bespielen sie sehr er-folgreich.

Zur Transf or mat io n von inn en: Tut sichder Han del al s zahle ng etr iebene Bran-che beso nd ers schwe r dam it , Mi ta rbei-ter n Raum fü r Verä nd erun g zu gebe n?

Tr ansform ation auf einen BlickDie E-Commerce-Beratung Carpathia empfiehlt dem Handel eine Zwei-Wege-Digit alisierung: von innen und von außen

Zürich. Digi ta lisierun g könnte soeinfach sein, wenn eingespielteTeams und Geschäftsmodelledie Unter nehmen nicht von derlehrbuchmäßigen Umsetzungabhalten wür den. Thomas Langvon der Schweizer Digi ta l-Bera-tung Carpathia gibt Beispiele.Er beglei tet den Handel seit über15 Jahren in die Neuzeit.

LEBENSMITTEL ZEITUNG GRAFIKQUELLE: CARPATHIA

Di gi ta l- Busi ness-Mode l(von außen nach innen)

Di gi ta l- Cultur e-Mode l(von innen nach außen)

Culture Culture CultureCulture

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Human

Know How/Skil ls

Organi sati onProcess

Infrastr uctur eTechnology

Data &Test Dr iven

Compet it ionCustomer

Communicat ion

Comm unit y Content

Comm erce

Chann el

Cultur e

Zweigleisi g verä nd ern: Für die Schwei-zer Unter nehmensbera tung Carpathiahat Transformation zwei Richtungen. Diedigi ta le Markt- Transformation verläuftvon außen nach innen. Sie ordnet sämtli-che Aktivi tä ten Markt und Kundenbe-dür fnis unter und sorgt für ein ganz-heitliches Kundenerlebnis. Paralell dazuerfo lgt der digi ta le Kultur wandel voninnen heraus. Hier geht es darum, wiedas Unter nehmen mit Innova tion undKollabora tion umgeht, wie es organisiertund struktur iert ist. Denn ein Kunde

nimmt in Sekundenbruchteilen wahr, obdas Unter nehmen authentisch kom-muniziert oder ob im Hinter grund alteStruktur en und Prozesse vorher rschen.Carpathia sieht stat ionär e Händler inder Transformationsfalle: Sie machenmehr als 90 Prozent ihr er Umsätze mitdem tradi tionellen, stat ionär bestimm-ten Geschäft und wollen dieses nichtgefähr den. Investieren sie aber nur„anteilig“ 10 Prozent in Digi ta l, ist dasviel zu wenig gegenüber den 10 0 Pro-zent von Onlinehändler n.

CH ANGE-MANA GEMENT HA T ZWEI RICHTUNGEN

Tho ma s Lan g : CEO und Gründer vonCarpathia. Zu den Kunden gehör en CoopHome, Billa, Rewe, Denner . Ein Schiffnamens Carpathia war als erstes zurStelle, als die Titanic unter ging...

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Wi r begegnen auch heute immer nochSilos, Profit centern und nach Kanalum-satz ausgerichtete Incentivierung en.Das geht nie gut. Das wir d nie zu einemganzheitlic hen Kundenerlebnis , weilder Kunde immer – schon in Sekun-denbruc hteilen – spürt, ob es sich daum ein und denselben Händler handeltoder ob da digital von stationär getrenntgeführt wir d. Solche Ausgangslagenmüssen drastisch korrigiert werden,auch wenn es nicht leicht fällt. Oft wir dvon Mitarbe itern unt ernehmerisc hesDenk en verlangt. Dann sollt en dieseauch um Unt ernehmenserf olg, zumBeispiel dem Ebit beteiligt werden oderdur ch Kreuzzielvereinbarun gen, dieeinen Filialleit er am Onlineumsatz be-teilig en und vice versa. Das sind Model-le, die je nach Konst ellation und Kultursehr gut funktionier en können.

Als Schwe izer Berat er : Erkenn en Siegr oße Un ter schi ede bei m Rei fe gr ad derDi gi ta lisi erun g im Han del zwisc hen derSchw eiz un d Deutsc hl an d?Es gibt Unt erschiede, wobei sich diesewenig nach Ländern richten. Ich seheunt erschiedlic he Reifegrade eher imZusammenhan g mit Unt ernehmens-modell und Eigentümer . Konzerne ha-ben es nachvollziehbar schwerer alskleiner e Händler . Börsennotiert e Un-ternehmen bekunden mehr Schwierig-keit en als inhaber geführt e Firmen. Oftliegt es am Management, wie langfristiges denken kann, wie aufgeschlossenman gegenüber neuen Ideen und jün-geren Mitarbeit ern ist und, ja, auch wierisik ofreudig man ist. jw/lz 36-18