63
II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven Autor: Lukas Heimes Untersuchung im Rahmen einer Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades „Master of Arts (M. A.)“ im hochschulübergreifenden betriebswirtschaftlichen Studiengang „Nonprofit-Management und Public Governance" der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin Zusammenfassung: Im Oktober 2016 gibt es in Berlin 22 Freiwilligenagenturen. Alle im Rahmen dieser Untersuchung befragten Freiwilligenagenturen beraten BürgerInnen zu freiwilligen Engagementmöglichkeiten und machen Öffentlichkeitsarbeit für die Freiwilligentätigkeit. Die große Mehrzahl begleitet außerdem zivilgesellschaftliche Organisationen in der Arbeit mit Freiwilligen. Die Mehrzahl der befragten Berliner Freiwilligenagenturen ist in Trägerschaft eines Vereins. Eine Bezirksverwaltung ist bei drei Befragten Trägerin. Jeweils zwei Agenturen gehören einem Wohlfahrtsverband, einer Stiftung oder einer (gemeinnützigen) GmbH an. Das Jahresbudget lässt sich bei einem Viertel der befragten Berliner Freiwilligenagenturen auf jeweils unter 10.000 Euro beziffern. Knapp einem Drittel der Berliner Freiwilligenagenturen steht ein Gesamtbudget von zwischen 10.000 und 50.000 Euro zur Verfügung. Einer Agentur stehen 80.000 Euro zur Verfügung. Jeweils zwei Agenturen arbeiten mit einem Jahresbudget von zwischen 100.001 und 150.000, bzw. zwischen 150.001 und 200.000 Euro. Einer Agentur stehen mehr als 200.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Die öffentliche Hand ist die wichtigste Geldgeberin für Freiwilligenagenturen – häufig in Form von institutioneller Förderung. Auch projektgebundene Mittel (zum Teil ebenfalls aus öffentlichen Töpfen) und selbsterwirtschaftete Mittel tragen maßgeblich zur Finanzierung der Freiwilligenagenturen bei. Bezüglich der Struktur der MitarbeiterInnen gaben fast alle befragten Freiwilligenagenturen an, selbst Unterstützung von Freiwilligen zu erhalten. Hauptamtliche MitarbeiterInnen in Vollzeit sind bei der Hälfte der Agenturen eingestellt. Etwas mehr als die Hälfte der Organisationen beschäftigen HauptamtlerInnen in Teilzeit. Die Handlungslogik der Berliner Freiwilligenagenturen kann als eher informell / zivilgesellschaftlich bezeichnet werden. Im Laufe der sogenannten Flüchtlingskrise nahm die Fülle an Aufgaben für Freiwilligenagenturen in Berlin nach deren Selbstangabe zu. Gleichzeitig stieg das durchschnittliche Jahresbudget – vor allem durch projektgebundene öffentliche Mittel. Die Handlungslogik der Berliner Freiwilligenagenturen änderte sich durch die „Flüchtlingskrise“ nicht merklich.

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II

Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner

Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung

und Perspektiven

Autor: Lukas Heimes

Untersuchung im Rahmen einer

Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades „Master of Arts (M.

A.)“ im hochschulübergreifenden betriebswirtschaftlichen Studiengang

„Nonprofit-Management und Public Governance" der Hochschule für Technik

und Wirtschaft Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Zusammenfassung:

Im Oktober 2016 gibt es in Berlin 22 Freiwilligenagenturen. Alle im Rahmen dieser

Untersuchung befragten Freiwilligenagenturen beraten BürgerInnen zu freiwilligen

Engagementmöglichkeiten und machen Öffentlichkeitsarbeit für die Freiwilligentätigkeit. Die

große Mehrzahl begleitet außerdem zivilgesellschaftliche Organisationen in der Arbeit mit

Freiwilligen. Die Mehrzahl der befragten Berliner Freiwilligenagenturen ist in Trägerschaft

eines Vereins. Eine Bezirksverwaltung ist bei drei Befragten Trägerin. Jeweils zwei Agenturen

gehören einem Wohlfahrtsverband, einer Stiftung oder einer (gemeinnützigen) GmbH an.

Das Jahresbudget lässt sich bei einem Viertel der befragten Berliner Freiwilligenagenturen

auf jeweils unter 10.000 Euro beziffern. Knapp einem Drittel der Berliner

Freiwilligenagenturen steht ein Gesamtbudget von zwischen 10.000 und 50.000 Euro zur

Verfügung. Einer Agentur stehen 80.000 Euro zur Verfügung. Jeweils zwei Agenturen arbeiten

mit einem Jahresbudget von zwischen 100.001 und 150.000, bzw. zwischen 150.001 und

200.000 Euro. Einer Agentur stehen mehr als 200.000 Euro pro Jahr zur Verfügung.

Die öffentliche Hand ist die wichtigste Geldgeberin für Freiwilligenagenturen – häufig in

Form von institutioneller Förderung. Auch projektgebundene Mittel (zum Teil ebenfalls aus

öffentlichen Töpfen) und selbsterwirtschaftete Mittel tragen maßgeblich zur Finanzierung der

Freiwilligenagenturen bei.

Bezüglich der Struktur der MitarbeiterInnen gaben fast alle befragten Freiwilligenagenturen

an, selbst Unterstützung von Freiwilligen zu erhalten. Hauptamtliche MitarbeiterInnen in

Vollzeit sind bei der Hälfte der Agenturen eingestellt. Etwas mehr als die Hälfte der

Organisationen beschäftigen HauptamtlerInnen in Teilzeit.

Die Handlungslogik der Berliner Freiwilligenagenturen kann als eher informell /

zivilgesellschaftlich bezeichnet werden.

Im Laufe der sogenannten Flüchtlingskrise nahm die Fülle an Aufgaben für

Freiwilligenagenturen in Berlin nach deren Selbstangabe zu. Gleichzeitig stieg das

durchschnittliche Jahresbudget – vor allem durch projektgebundene öffentliche Mittel. Die

Handlungslogik der Berliner Freiwilligenagenturen änderte sich durch die

„Flüchtlingskrise“ nicht merklich.

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III

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ............................................................................................................. 1

2 Forschungsstand und aktuelle Entwicklungen ................................................. 5

2.1 Leistungsprofile und strukturelle Merkmale von Freiwilligenagenturen in

Deutschland ........................................................................................................... 5

2.2 Freiwilligenagenturen als intermediäre Organisationen.............................. 7

2.3 Merkmale und Handlungslogiken von Zivilgesellschaft und öffentlicher

Verwaltung als Umwelt von Freiwilligenagenturen .............................................. 9

2.4 Die sogenannte Flüchtlingskrise und die Reaktionen von öffentlicher

Verwaltung, informeller Zivilgesellschaft und Freiwilligenagenturen in Deutschland

13

3 Theoretisches Analysemodell ........................................................................... 17

3.1 Entwicklungsmodell für Freiwilligenagenturen ........................................ 17

3.2 Der soziologische Neo-Institutionalismus als organisationstheoretischer

Analyserahmen .................................................................................................... 18

3.3 Der institutionelle Rahmen von Freiwilligenagenturen in Berlin ............. 21

3.4 Operationalisierung des theoretischen Rahmens ....................................... 23

4 Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse ........................... 29

4.1 Leistungsprofile und strukturelle Merkmale von Freiwilligenagenturen in

Berlin. .................................................................................................................. 29

4.2 Handlungslogiken von Freiwilligenagenturen in Berlin ........................... 36

4.3 Veränderungen in Leistungsprofilen, strukturellen Merkmalen und

Handlungslogiken von Freiwilligenagenturen in Berlin durch die sogenannte

Flüchtlingskrise ................................................................................................... 38

4.4 Ergebnisse des qualitativen Gruppengesprächs und zukünftige Entwicklung von

Freiwilligenagenturen in Berlin ........................................................................... 47

5 Fazit .................................................................................................................... 51

Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 54

Gesprächsverzeichnis ...................................................................................................... 62

Anhang ............................................................................................................................ 63

Anhang I: Zusammenfassung des explorativen Interviews mit Carola Schaaf-Derichs

............................................................................................................................. 63

Anhang II: Synopse des Gruppengesprächs zum Thema „Entwicklung und

Perspektiven von Freiwilligenagenturen in Berlin“ ............................................ 65

Anhang III: Standardisierter Online-Fragebogen ................................................ 68

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IV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: 4-Stufen-Modell zur Entwicklung von Freiwilligenagenturen ................. 17

Abbildung 2: Theoretisches Analysemodell ................................................................... 20

Abbildung 3: Anpassungen von Leistungsprofilen und Handlungslogiken Berliner

Freiwilligenagenturen aus neo-institutionalistischer Perspektive ........................... 22

Abbildung 4: Anzahl der Nennungen der jeweiligen Arbeitsbereiche von

Freiwilligenagenturen in Berlin............................................................................... 29

Abbildung 5: Positionierung auf dem Entwicklungsmodell der LAGFA ....................... 30

Abbildung 6: Häufigkeit der Zuordnung zu verschiedenen Kombinationen der

Entwicklungsstufen ................................................................................................. 30

Abbildung 7: Trägerschaft der befragten Freiwilligenagenturen .................................... 31

Abbildung 8: Anzahl der befragten Freiwilligenagenturen mit jeweils angegebener Höhe des

Jahresbudgets 2016.................................................................................................. 32

Abbildung 9: Häufigkeit der Nennungen jeweils aufgezählter Mittelherkünfte ............. 33

Abbildung 10: Anzahl der befragten Freiwilligenagenturen, die den jeweiligen

MitarbeiterInnentyp beschäftigen............................................................................ 34

Abbildung 11: Anzahl der Agenturen, die mit der jeweiligen Stellenanzahl (in

Vollzeitäquivalenten) ausgestattet sind ................................................................... 34

Abbildung 12: Handlungslogiken von Freiwilligenagenturen in Berlin nach Merkmalen auf

dem Kontinuum informelle Zivilgesellschaft – öffentliche Verwaltung ................ 37

Abbildung 13: Veränderung der Aktivitäten Berliner Freiwilligenagenturen durch die

sogenannte Flüchtlingskrise .................................................................................... 39

Abbildung 14: Veränderung in den strukturellen Merkmalen von Berliner

Freiwilligenagenturen durch die sogenannte Flüchtlingskrise ................................ 40

Abbildung 15: Veränderung der Handlungslogiken Berliner Freiwilligenagenturen durch die

sogenannte Flüchtlingskrise. Darstellung der Zustimmung auf die genannten Aussagen

................................................................................................................................. 41

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V

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Unterschiede der Handlungslogiken von Verwaltung und Zivilgesellschaft . 12 Tabelle 2: Zuordnung der abgefragten Aufgabenbereiche .............................................. 24 Tabelle 3: Merkmalkategorien und Pole des Kontinuums zwischen der Handlungslogik der

öffentlichen Verwaltung und der informellen Zivilgesellschaft ............................. 26 Tabelle 4: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Ausprägungen der Merkmale

„Jahresbudget über 40.000 Euro“ sowie „Mehr als zwei hauptamtliche Stellen (in VZÄ)“

in Bezug auf das Erreichen höherer Entwicklungsstufen ........................................ 35 Tabelle 5: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Freiwilligenagenturen, die einen Zuwachs

der jeweiligen Leistung angeben, und den Agenturen, die nicht von einem solchen

Zuwachs berichten, in Bezug auf den Zuwachs der dargestellten strukturellen Merkmale

................................................................................................................................. 43 Tabelle 6: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Freiwilligenagenturen, die die jeweils

genannte Veränderung in den Handlungslogiken bejahen, und den Agenturen, die nicht

von einer solchen Veränderung berichten, in Bezug auf einen Zuwachs der dargestellten

strukturellen Merkmale ........................................................................................... 44 Tabelle 7: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Freiwilligenagenturen, die einen Zuwachs

der jeweiligen Leistung angeben, und den Agenturen, die nicht von einer solchen

Veränderung berichten, in Bezug auf einen Zuwachs der dargestellten Indikatoren der

Legitimität ............................................................................................................... 45 Tabelle 8: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Freiwilligenagenturen, die die jeweils

genannte Veränderung in den Handlungslogiken bejahen, und den Agenturen, die nicht

von einer solchen Veränderung berichten, in Bezug auf einen Zuwachs der dargestellten

Indikatoren der Legitimität ...................................................................................... 46

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VI

Abkürzungsverzeichnis

BAGFA – Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V.

LAGESO – Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales

LAGFA – Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen

LKF – Landesweiter Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement

VZÄ – Vollzeitäquivalent

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1

1 Einleitung

Freiwilligenagenturen haben sich als intermediäre Organisationen zum Ziel gesetzt, zwischen

verschiedenen Akteuren der Gesellschaft zu vermitteln. Sie beraten BürgerInnen1 zu

freiwilligen Engagementmöglichkeiten, begleiten zivilgesellschaftliche Organisationen in der

Arbeit mit Freiwilligen und treten vermehrt in Kontakt mit privatwirtschaftlichen Unternehmen

(Speck, Backhaus-Maul, Friedrich und Krohn, 2012, S.11). Im Zuge der Ankunft von über einer

Millionen geflüchteter Menschen in Deutschland (ca. 80.000 davon in Berlin) im Jahr 2015

(Landesweiter Koordinierungsstab Flüchtlings-management - LKF, 2016) wurden sie auch

vermehrt zu Ansprechpartnern der öffentlichen Verwaltung. Im Sommer und Herbst 2015

gerieten nicht nur die lokalen Behörden unter Druck. In Folge einer schnell ansteigenden

Inanspruchnahme ihrer Leistungen zeigten sich auch bei den Berliner Freiwilligenagenturen

krisenartige Symptome (Schaaf-Derichs, 2016). So gelang es den Agenturen insbesondere im

Herbst 2015 kurzfristig nicht, die Anfragen interessierter Freiwilliger zufriedenstellend zu

bearbeiten. Auch die Kooperation mit der für die Unterbringung und Versorgung geflüchteter

Menschen zuständigen Berliner Verwaltungen funktionierte in dieser Phase nicht ausreichend

gut. So konnten Freiwilligenagenturen zunächst keine für das freiwillige Engagement

notwendigen Informationen weitergeben oder gar in der Koordination und Vernetzung von

Freiwilligen aktiv werden (ebd.). Gleichzeitig wurde in dieser Situation das große

Vermittlungspotenzial der Freiwilligenagenturen deutlich: Auf der einen Seite wurde die

Notwendigkeit von professioneller Koordination und Beratung der sich vermehrt selbst

organisierenden Freiwilligen sichtbar (Karakayali, 2016, S.6). Auf der anderen Seite gelang es

der den Zuzug Tausender Menschen administrierenden öffentlichen Verwaltung nicht,

eigenständig einen konstruktiven Dialog mit den Freiwilligen aufzunehmen (Hamann,

Karakayali, Wallis und Höfler, 2016, S.36).

Die vorliegende Masterarbeit geht in Anbetracht dieser aktuellen Entwicklungen der Frage

nach, wie Berliner Freiwilligenagenturen ihre Rolle als Intermediäre zwischen Verwaltung und

engagierter Zivilgesellschaft ausfüllen. Außerdem soll untersucht werden, inwiefern die

sogenannte Flüchtlingskrise2 die Freiwilligenagenturen in Berlin verändert hat. Fünf

Forschungsfragen wurden hierfür formuliert:

1 In dieser Arbeit soll durch die Verwendung des sogenannten Binnen-I die Ansprache von Männern und Frauen

gleichermaßen ausgedrückt werden. Diese geschlechtergerechte Schreibweise wird vom Autor als eine den

Lesefluss wenig störende Ausdruckweise angesehen, die der gleichwertigen Relevanz beider Geschlechter

Rechnung trägt. 2 Der Begriff „Flüchtlingskrise“ ist insofern problematisch, als er suggeriert, dass geflüchtete Menschen als

zentraler Grund (und somit als Schuldige) der Krise anzusehen sind. Dabei sind vielmehr die Schwierigkeiten

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2

1) Wie gestaltet sich das Leistungsprofil Berliner Freiwilligenagenturen?

2) Welche strukturellen Merkmale weisen Freiwilligenagenturen in Berlin auf?

3) Welchen Handlungslogiken unterliegt die Leistungserbringung von Berliner

Freiwilligenagenturen als intermediären Organisationen?

4) Welche Veränderungen in der Leistungserbringung, in den strukturellen Merkmalen

und in den Handlungslogiken Berliner Freiwilligenagenturen haben sich durch die

sogenannte Flüchtlingskrise vollzogen?

5) Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für Berliner

Freiwilligenagenturen auf Basis dieser Veränderungen für die Zukunft?

Für die Masterarbeit wurde ein deskriptiv-analytischer Forschungsansatz gewählt. Dabei liegt

bei der deskriptiven Bestandsaufnahme der Berliner Freiwilligenagenturen der Fokus auf der

Meso-Ebene (angebotene Leistungen, Zusammensetzung der Mitarbeitenden, Höhe und

Herkunft der finanziellen Mittel, wirkende Handlungslogiken). In Bezug auf die

Veränderungen im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise wird die Makro-Ebene betrachtet,

d.h. die Auswirkungen extern induzierter Veränderungen auf die Organisationen. Um die

gesammelten Ergebnisse interpretieren zu können, wurde ein Analysemodell entwickelt. Dieses

Modell basiert auf dem Verständnis von Freiwilligenagenturen als intermediäre

Organisationen. Eine intermediäre Organisation wird dabei als „Bindeglied [...] Kopplungs-

und Vermittlungsinstanz zwischen Systemelementen des lokalen, regionalen und

bürgerschaftlichen Hintergrundes und der Verwaltung“ (Alt, Ebert, Jutzi, Müller und Wöllert,

2007, S.23) verstanden. Dabei stehen die Referenzsysteme öffentliche Verwaltung (und hier

die Ebene der Berliner Bezirke) sowie die informelle Zivilgesellschaft3 im Fokus der

Betrachtung. Außerdem fließt in das Analysemodell ein Entwicklungsmodell für

Freiwilligenagenturen ein, das als Gradmesser für die Veränderung des Leistungsprofils der

Berliner Freiwilligenagenturen durch die sogenannte Flüchtlingskrise dient. Unter

Leistungsprofil wird dabei die für jede Freiwilligenagentur spezifische Zusammensetzung der

gemeint, mit welchen sich insbesondere die Behörden, aber auch andere Institutionen in Deutschland bei der

Aufnahme der ankommenden Menschen konfrontiert sehen. Alternativ sollte also von „Behördenkrise“,

„Verwaltungskrise“, „Institutionenkrise“, etc. geredet werden. Da sich der Begriff „Flüchtlingskrise“ als alle

diese Teilkrisen zusammenfassender Terminus in der Literatur durchgesetzt hat und um die Lesbarkeit zu

erhöhen, wird er in dieser Arbeit dennoch verwendet. Dabei wird er allerdings entweder in Anführungszeichen

gesetzt oder um den Zusatz ‚sogenannte’ [Flüchtlingskrise] ergänzt. Der Begriff „Flüchtling“, der ebenfalls

diskriminiert, da er Menschen auf der Flucht auf eben dieses Ereignis reduziert, wird, wo es geht, durch den

Ausdruck „geflüchtete(r) Mensch(en)“ oder „GeflüchteteR“ ersetzt. Das Wort ‚Flüchtlingshilfe’ wird

durchgehend verwendet, da es aus Verständnisgründen auch im Fragebogen eingesetzt wurde. 3 Der Zusatz ‚informell’ wird verwendet, um basisdemokratisch organisierte Initiativen und individuell

agierende Freiwillige, mit denen Freiwilligenagenturen im Rahmen der sogenannten Flüchtlingskrise in Kontakt

kamen, von formalisierten und zum Teil sehr professionell agierenden Organisationen des Dritten Sektors

abzugrenzen.

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3

von ihr angebotenen Leistungen verstanden. Die Forschungsperspektive des Neo-

Institutionalismus in seiner soziologischen Ausprägung4 (vgl. Neumann, 2005; Schulze, 1997)

schließlich bietet den organisationstheoretischen Rahmen des Analysemodells.

Methodisch wurde mit einem standardisierten Fragebogen gearbeitet (siehe Anhang III). Dieser

wurde von 16 der 22 Berliner Freiwilligenagenturen online ausgefüllt (Rücklaufquote ca. 73

Prozent).5 Im Fragebogen wurden insbesondere die Forschungsfragen 1 bis 4 operationalisiert

und abgefragt. Zur Konkretisierung der Fragestellungen fand im Anfangsstadium der

Erstellung am 11. Oktober 2016 ein exploratives Interview mit Frau Carola Schaaf-Derichs,

Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Berlin und

Geschäftsführerin der Landesfreiwilligenagentur Berlin, statt. Das Gespräch wurde in

Schriftform zusammengefasst (siehe Anhang I). Zusätzlich wurde ein zweistündiges

Gruppengespräch mit fünf GeschäftsführerInnen Berliner Freiwilligenagenturen durchgeführt.

In diesem Gespräch wurden vor allem Erkenntnisse zur Beantwortung der Forschungsfrage 5

gesammelt sowie die Ergebnisse der vorgelagerten standardisierten Befragung überprüft und

ergänzt. Das Gruppengespräch wurde zusammengefasst und in Schriftform dokumentiert (siehe

Anhang II).

Die Arbeit ist wie folgt angelegt: Zunächst werden im zweiten Kapitel der Forschungsstand zu

Leistungsprofilen und strukturellen Merkmalen von Freiwilligenagenturen in Deutschland

dargestellt sowie Besonderheiten von Freiwilligenagenturen in Berlin erläutert (2.1).

Anschließend werden die Intermediarität von Freiwilligenagenturen beschrieben (2.2) und die

Merkmale und Handlungslogiken dargestellt, die sich aus dieser Intermediarität zwischen den

Institutionen der öffentlichen Verwaltung und der informellen Zivilgesellschaft ergeben (2.3).

Zum Ende des Kapitels wird auf die sogenannte Flüchtlingskrise sowie ihre Auswirkungen auf

die öffentliche Verwaltung, die informelle Zivilgesellschaft und auf Freiwilligenagenturen in

Berlin eingegangen (2.4).

Kapitel 3 geht ausführlicher auf das theoretische Analysemodell ein. Zunächst wird das

Entwicklungsmodell für Freiwilligenagenturen vorgestellt (3.1) und der soziologische Neo-

Institutionalismus als organisationstheoretischer Rahmen eingeführt (3.2). Anschließend

4 Wenn im Folgenden die Rede von ‚Neo-Institutionalismus’ ist, ist stets dessen soziologische Ausprägung

gemeint. 5 Für diese Arbeit wurden ausschließlich Mitgliedsorganisationen der Landesarbeitsgemeinschaft der

Freiwilligenagenturen Berlin (LAGFA) berücksichtigt. Während es theoretisch möglich ist, dass es in Berlin

weitere Organisationen gibt, die sich als Freiwilligenagentur verstehen, aber nicht Mitglied der LAGFA sind, ist

dem Autor eine solche Organisation nicht bekannt. Vorhergehende Studien fanden bereits eine flächendeckende

Mitgliedschaft in der LAGFA bei allen Berliner Freiwilligenagenturen heraus (siehe Speck et al., 2012, S.40)

und legitimieren somit die hier gewählte Vorgehensweise.

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4

werden die Begrifflichkeiten des Neo-Institutionalismus auf die Situation der

Freiwilligenagenturen in Berlin übertragen (3.3). Schließlich wird erläutert, wie der gesamte

theoretische Rahmen operationalisiert wurde (3.4).

Im vierten Kapitel werden die Untersuchungsergebnisse dargestellt und interpretiert. Dies

umfasst zunächst die Präsentation des Leistungsspektrums und der strukturellen Merkmale von

Freiwilligenagenturen in Berlin (4.1). Im Anschluss folgt die Analyse der in

Freiwilligenagenturen wirkenden Handlungslogiken (4.2). Außerdem werden die durch die

sogenannte Flüchtlingskrise verursachten Veränderungen in Leistungsprofilen, strukturellen

Merkmalen und Handlungslogiken vorgestellt (4.3). Schließlich werden die Ergebnisse des

qualitativen Gruppengesprächs präsentiert. Zunächst werden dabei Ergänzungen zu den bereits

durch den Fragebogen abgefragten Themenkomplexen vorgenommen. Anschließend werden

aktuelle Chancen und Herausforderungen von Freiwilligenagenturen in Berlin dargestellt (4.4).

Im fünften Kapitel wird ein Fazit gezogen. Hierfür werden die Erkenntnisse der Arbeit

zusammengefasst sowie der praktische Wert und die Limitationen der Arbeit erläutert.

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5

2 Forschungsstand und aktuelle Entwicklungen

In diesem Kapitel werden zunächst bestehende Erhebungen zu Freiwilligenagenturen in

Deutschland vorgestellt und – wo bekannt – Besonderheiten Berliner Freiwilligenagenturen

aufgezeigt (2.1). Anschließend werden die Charakteristika intermediärer Organisationen

präsentiert und Freiwilligenagenturen mit dieser Organisationsform in Verbindung gebracht

(2.2). Daraufhin werden mit der informellen Zivilgesellschaft und der öffentlichen Verwaltung

zwei Sektoren mit denen Freiwilligenagenturen in Kontakt treten, näher beleuchtet. Außerdem

wird auf die Besonderheiten der den Aktivitäten des jeweiligen Umfeldes unterliegenden

Handlungslogiken eingegangen (2.3). Im Anschluss wird die sogenannte Flüchtlingskrise als

prägendes aktuelles Ereignis erläutert und Reaktionen sowie Symptome der Krise in

Zivilgesellschaft und Verwaltung aufgezeigt (2.4).

2.1 Leistungsprofile und strukturelle Merkmale von Freiwilligenagenturen in

Deutschland

Laut Satzung der deutschen Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, in der 189

Freiwilligenagenturen organisiert sind, verstehen sich Freiwilligenagenturen als gemeinnützige

Organisationen, „die sich durch Aufbau und Betrieb einer Einrichtung, d.h. einer Anlauf-,

Informations-, Beratungs- und Vermittlungsstelle für Freiwillige und Organisationen, die

Förderung und Unterstützung des freiwilligen, ehrenamtlichen, bürgerschaftlichen

Engagements zur Aufgabe“ gemacht haben. Damit sind Freiwilligenagenturen als ein Teil der

Infrastruktur zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements6 zu verstehen (Krell, 2012, S.80).

Diese Infrastruktur entstand in Deutschland vor allem in den letzten 40 Jahren und umfasst

neben Freiwilligenagenturen auch Bürgerstiftungen, Mehrgenerationenhäuser,

Selbsthilfekontaktstellen, Seniorenbüros, soziokulturelle Zentren und ähnliche Einrichtungen

(Bertelsmann Stiftung, 2014, S.3). Von anderen Einrichtungen der Engagementförderung

unterscheiden sich Freiwilligenagenturen dadurch, dass sie keine Eingrenzung der Zielgruppe

oder der Engagementfelder vornehmen, sondern sich an alle Bevölkerungsgruppen wenden

(Speck et al., 2012, S.13).

Den aktuellsten – und in diesem Umfang einzigen - Überblick über den Status quo von

Freiwilligenagenturen geben Speck et al. in ihrer Studie aus dem Jahr 2012. Dazu fassten sie

bestehende Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen der Freiwilligenagenturen

6 Einen Überblick über die wissenschaftliche Debatte, welche Bezeichnung für Tätigkeiten, die unentgeltlich,

freiwillig und mit Ausrichtung auf das Gemeinwohl ausgeübt werden, am treffendsten ist, gibt Priller (2010,

S.199ff). In dieser Arbeit werden die Begriffe bürgerschaftliches Engagement, zivilgesellschaftliches

Engagement, freiwilliges Engagement, ehrenamtliches Engagement und Freiwilligenarbeit synonym verwendet.

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6

zusammen (ebd., S.12). Empirische Daten erhoben sie außerdem durch eine bundesweite

repräsentative Fragebogenerhebung, qualitative Fallstudien und ExpertInnenbefragungen

(ebd., S.24). Die zentralen Ergebnisse dieser Studie fassen den aktuellen Forschungsstand über

Freiwilligenagenturen in Deutschland kompakt zusammen und sollen hier kurz wiedergegeben

werden – teilweise ergänzt durch aktuellere Daten aus anderen Studien.

Die erste Freiwilligenagentur wurde in Deutschland im Jahr 1980 in München gegründet, 1988

folgte in Berlin die zweite (Krell, 2012, S.82). Die entscheidende Phase für die Verbreitung der

Organisationsform setzte Ende der 1990er Jahre ein, sodass 2001 ca. 190 Agenturen bestanden

(Speck et al., 2012, S.119). Bis 2009 stieg diese Zahl auf 360 Agenturen an (ebd.), 2014 wurde

bereits von 500 Organisationen gesprochen (Bertelsmann Stiftung, 2014, S.5). Speck et al.

(2012) führen das starke Wachstum Ende der 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre vor allem

auf förderpolitische Maßnahmen zurück (ebd., S.34).

Das Leistungsprofil der von Speck et al. (2012) befragten Freiwilligenagenturen umfasst vor

allem die Information, Beratung und Vermittlung von Freiwilligen, die Zusammenarbeit mit

und Beratung von gemeinnützigen Organisationen und die Öffentlichkeitsarbeit für

bürgerschaftliches Engagement. Darüber hinaus betreiben die meisten Agenturen (97 Prozent)

auch Vernetzungsarbeit im Freiwilligensektor, Projektentwicklung zum freiwilligen

Engagement (91 Prozent) und organisieren Fort- und Weiterbildungen im Freiwilligensektor

(85 Prozent) (ebd., S.68). Mehr als die Hälfte der Freiwilligenagenturen arbeiten mit Akteuren

aus zwei Sektoren zusammen (meist aus dem zivilgesellschaftlichen Sektor und der

kommunalen Verwaltung). Knapp 40 Prozent arbeiten mit Akteuren aus drei Sektoren (neben

Zivilgesellschaft und Verwaltung auch privatwirtschaftliche Organisationen) zusammen (ebd.,

S.77).

In Bezug auf ihre Trägerschaft weisen Freiwilligenagenturen in Deutschland eine große

Heterogenität auf. Ein Viertel der Organisationen ist in der Trägerschaft eigenständiger

Vereine. Ein weiteres Viertel sind Wohlfahrtsverbänden zugehörig. Ein Fünftel ist in

kommunaler Trägerschaft; während ein weiteres Sechstel Trägerverbünden aus verschiedenen

Akteuren angehört (Speck et al., 2012, S.120).

Auch die Ressourcenausstattung von Freiwilligenagenturen in Deutschland ist als heterogen zu

bezeichnen. 40 Prozent der Organisationen arbeiten mit einem Budget von bis zu 10.000 Euro

pro Jahr. Ein weiteres Drittel hat einen Jahresetat von mehr als 10.000 bis zu 50.000 Euro,

während etwas weniger als ein Drittel jeweils über 50.000 Euro pro Jahr zur Verfügung hat. 81

Prozent der Freiwilligenagenturen schätzen ihren tatsächlichen Jahresbedarf (zum Teil

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7

deutlich) höher ein als ihr gegenwärtiges Budget (Speck et al., 2012, S.66). Den überwiegenden

Teil (41 Prozent) ihrer finanziellen Ressourcen beziehen Freiwilligenagenturen aus

kommunalen Mitteln. 80 Prozent der Organisationen erhalten eine grundständige

(institutionelle) Finanzierung - mit deren Höhe die eine Hälfte der Befragten zufrieden, die

andere Hälfte unzufrieden ist (ebd., S.53f). 27 Prozent der Organisationen arbeiten

ausschließlich mit ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. 43 Prozent der Agenturen haben eine

hauptamtliche Stelle, 30 Prozent zwei oder mehr hauptamtliche Personalstellen.

Für Freiwilligenagenturen in Berlin lässt sich bezüglich der Entstehungshistorie ähnliches

konstatieren wie für die von Speck et al. (2012) untersuchte nationale Stichprobe. Wenn auch

mit großen Lücken, lässt sich in Berlin nach der Gründung der ersten Agentur im Jahr 1988 ein

Wachstum auf 16 Organisationen im Jahr 2009 (ebd., S.32) und 22 Agenturen im Jahr 2016

(Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Berlin - LAGFA, 2015) erkennen. Für

die Ausgestaltung der Leistungsprofile sowie die Trägerschaft von Berliner

Freiwilligenagenturen lagen bislang keine systematisch erfassten Daten vor. In Kapitel 4.1

werden die in der quantitativen Umfrage erhobenen Angaben zur Trägerschaft dargestellt. Auch

in Berlin scheint die Ressourcenlage der Freiwilligenagenturen als schwierig eingeschätzt zu

werden. So sieht der Berliner Senat die Finanzierung der lokalen, in den Bezirken aktiven,

Freiwilligenagenturen als „prekär und unbefriedigend“ an (Meyer, 2012, S.57).

Der Kenntnisstand zu Freiwilligenagenturen in Deutschland und insbesondere in Berlin ist trotz

der umfassenden Erhebung von Speck et al. (2012) noch gering. Die quantitativen Daten, denen

der oben zusammengefasste Forschungsstand zugrunde liegt, stammen aus dem Jahr 2009

(ebd.). Zu den Berliner Freiwilligenagenturen gibt es über die nationalen Stichproben-Daten,

die nicht regional aufgeschlüsselt werden, keine empirischen Informationen. In dieser Arbeit

soll mit der Erhebung der Leistungsprofile und der strukturellen Merkmale von

Freiwilligenagenturen in Berlin diese Forschungslücke zumindest ein Stück weit geschlossen

werden.

2.2 Freiwilligenagenturen als intermediäre Organisationen

Freiwilligenagenturen werden in der Literatur als „Prototyp intermediärer Organisationen“

bezeichnet (Speck et al., 2012, S.11). Intermediäre Organisationen werden dabei als

vermittelnde Instanzen zwischen verschiedenen Akteuren verstanden (Alt et al., 2007, S.23).

Als notwendig werden intermediäre Instanzen angesichts aktueller gesellschaftlicher

Entwicklungen betrachtet. So weisen Alt et al. (2007) auf eine zunehmende Ausdifferenzierung

der Gesellschaft hin, was eine Überbrückung zwischen den auseinanderdriftenden

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Teilsystemen notwendig mache. Außerdem verhindere punktuelles Staatsversagen die

ausreichende Zurverfügungstellung und gerechte Verteilung kollektiver Güter. Zwar bleibt in

der zitierten Studie unklar, wie genau Intermediäre dieses Staatsversagen in Mangelsituationen

kompensieren können, nachvollziehbar erscheint aber die „demokratiesichernde Funktion“

intermediärer Organisationen durch ihre Rolle in der „Verringerung der Distanz zwischen

gesellschaftlichen Systemelementen“ (ebd., S.47f).

Die vorrangigen Kontaktfelder, in denen intermediäre Organisationen aktiv sind, sind „Bürger

und Bürokratie, Politik und Verwaltung sowie Wirtschaft“ (Alt et al., 2007, S.22). Dies deckt

sich mit den Sektoren, mit denen auch Freiwilligenagenturen in Kontakt sind. Zu den Aufgaben

von Intermediären gehören neben dem Vermitteln zwischen den Akteuren auch die Erkundung

möglicherweise auftretender Probleme (sowie ggf. die Generierung möglicher

Problemlösungen), die Aktivierung vorhandener Ressourcen sowie die Erschließung neuer

Ressourcen (auf welche die in dem entsprechenden Handlungsfeld agierenden Akteure

zugreifen können). Intermediäre Organisationen sind außerdem in der Vernetzung

verschiedener Akteure eines Feldes aktiv und üben, im Interesse aller beteiligten Akteure,

Einfluss auf bestimmte Politikbereiche aus (ebd., S.22f). Die Aufgabenbereiche von

Intermediären entsprechen somit zu großen Teilen den in Kapitel 2.1 ausgemachten

Leistungsprofilen von Freiwilligenagenturen in Deutschland.

Intermediäre agieren zwischen verschiedenen Systemen, die nach eigenen Handlungslogiken

operieren. Handlungslogiken sind „Korridore des Handelns“, die die „Funktionsprinzipien,

Wirkmechanismen“ und „inneren Gesetzmäßigkeiten“ des Handelns von Akteuren darstellen

(Neuberger, 1995, S. 44 ff.). Während Intermediäre diese (z.T. verschiedenen oder sogar

gegensätzlichen) Handlungslogiken verstehen und interpretieren können müssen, folgen auch

sie selbst spezifischen Handlungslogiken (Alt et al., 2007, S.31f).7 Als eins dieser

innersystemischen „Funktionsprinzipien“ beschreiben die AutorInnen zum einen die

Autonomie des Handelns im intermediären Sektor. Zum anderen wird für intermediäre

Organisationen eine hohe Orientierung an Sachzielen sowie eine „Dominanz von und

Orientierung an Informalität“ ausgemacht. Auch eine „solidarische Grundorientierung“ sowie

eine „Orientierung an direkten Austauschverhältnissen“ werden als prägende Logiken für

intermediäre Organisationen angeführt. Damit sind auf der einen Seite spezifische

7 Einige Autoren vertreten den Standpunkt, dass Intermediäre nicht für ihren Bereich spezifischen und

bestimmbaren Logiken folgen, sondern sich der Handlungslogiken der an sie angrenzenden Bereiche bedienen

(vgl. Backhaus-Maul und Olk, 1992, S.106). In dieser Arbeit wird der Position von Alt et al. (2007) gefolgt. Die

AutorInnen weisen auf die Gefahr der Beliebigkeit hin, die mit einer Verneinung eigener Handlunglogiken für

den intermediären Sektor verbunden ist (siehe ebd., S.31 für die gesamte Diskussion).

Page 14: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

9

Handlungslogiken für das Agieren intermediärer Organisationen identifiziert (ebd.). Auf der

anderen Seite betonen Alt et al. (2007), dass „neben den genuin intermediären Logiken auch

weitere Referenzlogiken, aus benachbarten System- und Interaktionsbereichen, wirksam sind

oder der Berücksichtigung bedürfen“. Als besondere Herausforderung für die Autonomie-

Maxime intermediärer Organisation nennen die AutorInnen die zum Teil sehr hohe

Abhängigkeit vom staatlichen Sektor, der oft größter Zuwendungsgeber für gemeinnützige

Organisationen sei (ebd., S.33). Während die Handlungslogiken von Freiwilligenagenturen in

der Literatur bislang nicht untersucht wurden, kann aus den in Kapitel 2.1 präsentierten Daten

zur Ressourcenausstattung von Freiwilligenagenturen eine Übereinstimmung mit der These der

Abhängigkeit von staatlicher Mittelzuführung ausgemacht werden.

Als Intermediäre verknüpfen Freiwilligenagenturen also verschiedene Systemelemente

miteinander, übersetzen zwischen den verschiedenen Systemlogiken und vermindern damit die

Instabilität, die bei einem Aufeinandertreffen der verschiedenen Logiken entsteht. Dies kann

nur dann gelingen, wenn sie von beiden Seiten in ihrer Rolle akzeptiert werden (Alt et al., 2007,

S.21). Es ist daher wichtig, dass sie ihre Neutralität bewahren und nicht institutionell an ein

System angebunden sind. Außerdem sind intermediäre Organisationen auf Kontaktfähigkeit,

Präsenz (bzw. Bekanntheit) und Anschlussfähigkeit angewiesen. Alt et al. (2007) weisen

darüber hinaus darauf hin, dass die Gefahr bestehe, dass intermediäre Organisationen die

eigenen Ressourcen nicht für die Vermittlung zwischen Akteuren einsetzen, sondern für eigene

Projektarbeit (im Sinne der Aufgabe einzelner anderer Akteure). Damit entstehe ein Dilemma

zwischen dem eigenen Engagement für eine durch einzelne Akteure unterstützte Position oder

Aktion und der für ihre Arbeit als Mittler notwendigen Distanzwahrung zu allen mit ihr in

Kontakt stehenden Systembereichen (ebd., S.26). Inwiefern Freiwilligenagenturen in ein

solches Dilemma geraten, wird in Kapitel 2.4 thematisiert. Zunächst sollen aber die Systeme,

zwischen denen Freiwilligenagenturen vermitteln, näher betrachtet werden.

2.3 Merkmale und Handlungslogiken von Zivilgesellschaft und öffentlicher Verwaltung

als Umwelt von Freiwilligenagenturen

Der Kontext, in dem Freiwilligenagenturen operieren, ist insbesondere geprägt durch Akteure

aus zwei verschiedenen Sektoren (Speck et al., 2012, S.77). Das Agieren dieser Akteure

unterliegt unterschiedlichen Handlungslogiken, wie im Folgenden dargelegt werden soll. Auf

der einen Seite steht die Zivilgesellschaft. Hierzu zählen sowohl Freiwillige als

Hauptzielgruppe der Agenturen als auch gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen, die

durch die Agenturen beraten werden und außerdem als Kooperationspartner agieren. Auf der

anderen Seite steht die öffentliche Verwaltung. Insbesondere sind Freiwilligenagenturen hier

Page 15: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

10

mit kommunalen Behörden in Kontakt. Für die Betrachtungen in dieser Arbeit steht der Kontakt

zur Privatwirtschaft als drittem von Speck et al. (2012) als Kooperationsumfeld von

Freiwilligenagenturen identifiziertem Sektor (ebd., S.77) nicht im Fokus und wird daher hier

nicht behandelt.

Um das Umfeld von Freiwilligenagenturen adäquat zu beschreiben, muss innerhalb des Sektors

der Zivilgesellschaft erneut unterschieden werden. Dabei soll hier eine Unterscheidung

zwischen informeller und organisierter Zivilgesellschaft vorgenommen werden. Als informelle

Zivilgesellschaft wird – in Anlehnung an das bei Strachwitz (2003) vertretene Verständnis des

Begriffs - eine „durch Selbstermächtigung und Selbstorganisation definierte und insbesondere

durch bürgerschaftliches Engagement geprägte gesellschaftliche Teilfunktion“ verstanden, „die

dem Staat und Markt gleichrangig ist“ (ebd., S.23). Freiwillige, mit denen

Freiwilligenagenturen in Kontakt kommen, sind in dieser Definition durch die explizite

Nennung bürgerschaftlichen Engagements als Charakteristikum inbegriffen. Angesichts des

Untersuchungsgegenstands der Arbeit soll hier betont werden, dass auch Freiwillige, die keiner

(formalen) Organisation angehören, bzw. für eine solche freiwillig tätig sind, zur informellen

Zivilgesellschaft zählen. Der informellen steht in diesem Verständnis die organisierte

(formelle) Zivilgesellschaft gegenüber. Dieser gehören Wohlfahrtsverbände und andere

Organisationen an, die formal organisiert sind. Diesem Verständnis liegt die Definition des

‚Dritten Sektors’ nach Strachwitz (2003) zugrunde (ebd., S.23f). Der Fokus dieser

Untersuchung liegt auf der informellen Zivilgesellschaft. Die organisierte Zivilgesellschaft

wird an dieser Stelle nicht ausführlich behandelt.

Das konstituierende Merkmal der informellen Zivilgesellschaft ist freiwilliges Engagement

(Strachwitz, 2003, S.20). Engagement gilt dabei als eine wichtige Form gesellschaftlicher

Partizipation und kann als Indikator für die Stärke der Zivilgesellschaft eines Landes oder einer

Region herangezogen werden (Simonson, Vogel und Tesch-Römer, 2014, S.26). Laut

Freiwilligensurvey engagieren sich 43,6 Prozent der über 14-jährigen Bevölkerung in

Deutschland freiwillig (ebd., S.25). In Berlin liegt dieser Wert mit 37 Prozent unter dem

Bundesdurchschnitt, ist aber im Vergleich zu 2009 um ca. 10 Prozentpunkte gestiegen

(Kausmann, Simonson, Ziegelmann, Vogel und Tesch-Römer, 2016, S.11).

Freiwilligenagenturen haben es sich zur Aufgabe gemacht, das zivilgesellschaftliche

Engagement zu unterstützen. Dabei bestehen Zweifel, ob Freiwilligenagenturen einen direkten

positiven Einfluss auf die Engagementquote haben (Nährlich, 2008, Abs.2). Immerhin scheint

es in Berlin ein generelles Interesse (potenzieller) Freiwilliger an Informations- und

Kontaktstellen zur Erschließung der Möglichkeiten des Engagements zu geben und der Kontakt

Page 16: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

11

mit solchen in der Regel positiv zu verlaufen (Rodejohann, 2011, S.13). In jedem Fall wird in

der Praxis und in der Forschung anerkannt, dass die Wirksamkeit von Freiwilligenagenturen

erhöht werden kann, wenn das Leistungsprofil über die reine Vermittlungsarbeit hinausgeht

und um die Aspekte der Engagemententwicklung und Beteiligung erweitert wird (vgl.

Rodejohann, 2011, S.13; Speck et al., 2012, S.20).8 Als grundlegendes Qualitätsmerkmal

nennen Speck et al. (2012) außerdem die Akzeptanz bzw. Bekanntheit einer

Freiwilligenagentur in ihrem lokalen Umfeld (ebd., S.187).

Die für Freiwilligenagenturen relevanten Bereiche der öffentlichen Verwaltung befinden sich

auf der kommunalen Ebene (Speck et al., 2012, S.12), das heißt in den Berliner

Bezirksverwaltungen.9 Dabei sind politische Institutionen in Berlin auf mehreren Ebenen in das

Politikfeld Engagementförderung involviert. Zunächst gibt es eine ressortübergreifende

Beauftragte für Bürgerschaftliches Engagement (berlin.de, n.d.). Außerdem wurde im Berliner

Abgeordnetenhaus im Jahr 2013 der Ausschuss Bürgerschaftliches Engagement eingesetzt, der

sich in unregelmäßigen Abständen trifft (berlin.de, n.d.-a). Auf bezirklicher Ebene gibt es in

vielen Bezirksämtern Büros oder Stabstellen, die sich ausschließlich mit dem Thema

bürgerschaftliches Engagement beschäftigen. Die Einrichtung dieser Anlaufstellen scheint aber

nicht flächendeckend zu sein und unterscheidet sich von Bezirk zu Bezirk in Intensität und

Qualität der Aktivitäten (Meyer, 2012, S.54f). Während einzelne Bezirke z.B. kein

Ehrenamtsbüro aufweisen können (z.B. der Bezirk Marzahn-Hellersdorf), tritt in anderen

Bezirken das Ehrenamtsbüro als voll entwickelte ‚Freiwilligenagentur’ auf (z.B. im Bezirk

Tempelhof-Schöneberg - manifestiert durch die Mitgliedschaft in der Berliner LAGFA, vgl.

Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Berlin, 2015). Der offensichtlichste

Begegnungsbereich von Freiwilligenagenturen und Bezirksverwaltungen ist die Finanzierung,

bzw. in einigen Fällen (siehe oben) die Trägerschaft. Diese Begegnungsdimension ist nicht

selten durch ein Abhängigkeitsverhältnis gekennzeichnet. Speck et al. (2012) identifizieren

außerdem die politisch-administrativen Rahmenbedingungen als entscheidenden externen

Faktor für eine erfolgreiche Etablierung und eine wirksame Tätigkeit von

Freiwilligenagenturen (ebd., S.188). Sie stellen in diesem Zusammenhang die Frage nach „der

8 Ein Modell zur Profilbestimmung von Freiwilligenagenturen und eine Erläuterung des Verständnisses von

Engagemententwicklung und Beteiligung wird in Kapitel 3.1 vorgestellt. 9 Als Stadtstaat liegt in Berlin ein Sonderfall der Struktur zur regionalen Selbstverwaltung vor. So werden bei

den Kommunalwahlen das politische Personal der 12 Berliner Bezirksverordnetenversammlung gewählt. Deren

Beschlüsse werden von den örtlichen Bezirksverwaltungen umgesetzt, die damit eine ähnliche Position

einnehmen wie die kommunale Verwaltung in anderen Landkreisen oder Kommunen (Kaliga und Lehmann,

2010). Insbesondere wenn aus anderen Studien zitiert wird, werden in dieser Arbeit die Begriffe kommunale und

bezirkliche Verwaltung synonym verwendet.

Page 17: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

12

Unabhängigkeit von Freiwilligenagenturen gegenüber Versuchen kommunaler Einflussnahme“

(ebd., S.191).

Herauszustellen ist an dieser Stelle zunächst die unterschiedliche Funktionsweise der beiden

geschilderten sektoralen Bereiche. So macht Embacher (2013) in einem Essay über die

Entwicklung sektorenübergreifender Engagementstrategien auf die „Differenzen in der

Binnenlogik“ von Verwaltung und Zivilgesellschaft aufmerksam (ebd., S.32).

Staat / Verwaltung Burgergesellschaft

System Lebenswelt

demokratisch legitimierte Macht argumentative Verständigung

Vertikales Ordnungsprinzip/Hierarchie horizontale Vernetzung/"Anarchie"

Rechtsstaatprinzip Aktionslogik

Kontinuität Spontaneität

Tabelle 1: Unterschiede der Handlungslogiken von Verwaltung und Zivilgesellschaft (Embacher, 2013, S.32)

So sei der staatliche Sektor ein ausdifferenziertes System, das für sein Funktionieren in erster

Linie mit dem Medium Macht operiere (Ebacher, 2013, S.32; vgl. Tabelle 1). Die Mechanismen

der Entscheidungsfindung bzw. dem der Entscheidung vorgelagerten Diskurs folgten dem

Prinzip Mehrheit/Minderheit bzw. Regierung/Opposition. Das übergeordnete

Steuerungsprinzip sei dabei die hierarchische Anordnung der Ebenen, die an die Weisungen

der jeweils höher liegenden Ebene gebunden sind. Das Rechtsstaatprinzip schließlich erfordere

eine prinzipielle Ausrichtung auf alle Anspruchsgruppen und eine Kontinuität (Embacher

spricht auch von „Berechenbarkeit“) in der Handlungsausführung. Die Zivilgesellschaft10

hingegen operiere aus der „Mitte der gesellschaftlichen Lebenswelt“ heraus. Macht sei hier

nicht die entscheidende Ressource zur Durchsetzung von Interessen. Vielmehr komme der

argumentativen Verständigung eine zentrale Rolle zu, um Ideen und Initiativen Gehör zu

verschaffen. Anstelle hierarchischer Entscheidungsfindung trete ein „bisweilen anarchistischer

Eigensinn“. Die Zivilgesellschaft könne auch dann aktiv werden, wenn ein Bedarf einer

einzelnen Zielgruppe (auch einer Minderheit) im lokalen Umfeld identifiziert werde

(„Aktionslogik“) und müsse sich nicht an bürokratischen, standardisierenden Prozessen

orientieren. Dies ermögliche auch spontane und flexible Reaktionen (ebd.).

Freiwilligenagenturen stehen als Intermediäre zwischen der informellen Zivilgesellschaft und

der öffentlichen Verwaltung. In Kapitel 2.4 wird beschrieben, wie Zivilgesellschaft und

10 Embacher (2003) spricht von „Bürgergesellschaft“ und bringt damit die oben erwähnten auch von Strachwitz

(2003) betonten Merkmale der „Selbstermächtigung und Selbstorganisation“ zur Geltung.

Page 18: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

13

Verwaltung im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise agierten und wie Freiwilligenagenturen

ihre Mittlerposition in dieser Situation ausübten.

2.4 Die sogenannte Flüchtlingskrise und die Reaktionen von öffentlicher Verwaltung,

informeller Zivilgesellschaft und Freiwilligenagenturen in Deutschland

Steigende Ankunftszahlen von geflüchteten Menschen in Deutschland sind seit 2013 ein

öffentliches Thema. Die Entwicklungen in den Jahren 2014 und insbesondere 2015 (Ankunft

von insgesamt mehr als einer Millionen Menschen in Deutschland, 80.000 davon in Berlin;

LKF, 2016) führten zu krisenartigen Umständen. Vor allem bei der öffentlichen Verwaltung

machten KommentatorInnen diese Krise aus (Berliner Morgenpost, 2015, Abs.2; Embacher,

2015, S.1). Dem gegenüber entstand in der deutschen Zivilgesellschaft eine „bundesweite

Bewegung der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit“ (Karakayali und Kleist, 2015), die als spontan

und proaktiv (Karakayali und Kleist, 2016) bezeichnet werden kann. Im Folgenden werden die

Reaktionen beider Sektoren skizziert.

Die zuständige Berliner Behörde für die Unterbringung und Grundversorgung von geflüchteten

Menschen war bis Mitte 2016 das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGESO).

Wenn in der Berliner Öffentlichkeit von Verwaltungsversagen und Verwaltungskrise die Rede

war, dann war nach Speth und Becker (2016) vor allem diese Behörde gemeint (ebd., S.18).

Die Berliner Zeitung schrieb gar über einen Zusammenbruch des LAGESO im Sommer 2015

und machte darauf aufmerksam, dass zu dieser Zeit AntragsstellerInnen „tage- und wochenlang

bei Hitze und Regen vor dem Amt in der Turmstraße auf ihre Registrierung warten“ mussten

(ebd., 2016). Im September 2015 wurde als Reaktion auf diese Krise der Landesweite

Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement (LKF) als Lenkungsgruppe beim regierenden

Bürgermeister der Stadt eingerichtet (Speth und Becker, 2016, S.18). Ende 2016 stellte die

Lenkungsgruppe ihre Arbeit ein (Amin, 2016). Somit bleibt das im August als Nachfolger des

LAGESO neu eingerichtete Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) als

zukünftig einzige Behörde verantwortlich für Registrierung, Unterbringung und

Leistungsgewährung für geflüchtete Menschen in Berlin (Berliner Zeitung, 2016). Die

Verwaltungsaufgaben in der ersten (Grund-)Versorgung geflüchteter Menschen sind also in

Berlin zentral organisiert. Parallel dazu sind die Behörden des jeweiligen Bezirks, in dem

Menschen untergebracht sind, zuständig für die Zuteilung von Kita- und Schulplätzen für

Kinder und Jugendliche (berlin.de, n.d.-b). Bei Bewilligung weiterer Leistungen nach der

Entscheidung über den Asylantrag übernehmen die Jobcenter oder Sozialämter der Bezirke die

Zuständigkeit für die Leistungen für geflüchtete Menschen (berlin.de, n.d.-d). Aumüller, Daphi

und Biesenkamp (2015) merken jedoch an, dass die bezirkliche Verwaltung auf der lokalen

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14

Ebene oftmals auch über die formale Verantwortlichkeit hinaus an der Integration der

Neuankommenden interessiert sei (ebd., S.30). Nicht-Integration bedeute eine „vollständige

Abhängigkeit“ von staatlichen Hilfeleistungen, die verhindert werden soll. Auch bei nicht

dauerhaftem Aufenthalt entwickele sich in vielen Kommunen (bzw. Berliner Bezirken) daher

ein „pragmatische[r] Umgang“ mit Geflüchteten (ebd.). Als Ausdruck der

Integrationsbemühungen kann auch der zunehmende Versuch der Kontaktaufnahme mit bzw.

Koordinierung von Freiwilligen in den Bezirken verstanden werden. Hierzu wurden im Laufe

des Jahres 2016 in vielen Bezirken Stellen für EhrenamtskoordinatorInnen geschaffen

(Abgeordnetenhaus Berlin, 2016).

Unabhängig von Versorgungs- und Integrationsbemühungen der öffentlichen Verwaltung

(bzw. oftmals als Reaktion auf deren Versagen) zeigte die Zivilgesellschaft vielerorts eine

„ungeahnte Hilfsbereitschaft“ (Karakayali und Kleist, 2015, S.9)11. Nach einer Studie des

sozialwissenschaftlichen Instituts der evangelischen Kirche in Deutschland engagierten sich

zeitweise fast elf Prozent der Deutschen für Geflüchtete (Ahrens, 2015, S.13). Zwei Studien

des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung untersuchten die

Strukturen des Engagements in der Flüchtlingsarbeit (Karakayali und Kleist, 2015; Karakayali

und Kleist, 2016). Unter anderem wird in diesen Studien die bereits oben angesprochene

wichtige gesellschaftliche Funktion von bürgerschaftlichem Engagement herausgearbeitet. Im

Engagementfeld Flüchtlingshilfe fördern Freiwillige die Inklusion von geflüchteten Menschen,

nehmen durch ihr Engagement aber auch Einfluss auf die Einstellungen und Lebenswelten in

der deutschen Gesellschaft (Karakayali und Kleist, 2016, S.8). So sei das Engagement nicht

selten auch als „Plebiszit gegen Rechts“ zu verstehen (Karakayali, 2016, S.4). Strukturell fällt

auf, dass ca. 40 Prozent der Freiwilligen angeben, sich außerhalb von bereits zuvor bestehenden

Organisatio-nen zu engagieren (Karakayali und Kleist, 2015, S.5). Außerdem gibt die Mehrheit

der Befragten an, mit dem Engagement die „Gesellschaft aktiv mitgestalten“ zu wollen (ebd.,

S.6). Des Weiteren stellen die Autoren heraus, dass Freiwillige „ein Defizit staatlicher

Aufgaben ausgleichen müssen“ (ebd., S.7). Trotz Rückgang des Engagements im Laufe des

Jahres 2016 prognostizieren Karakayali und Kleist ein großes Potenzial für eine „nachhaltige

und dauerhafte“ Unterstützungsarbeit für Geflüchtete durch Freiwillige (Karakayali und Kleist,

11 Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass die Reaktionen der Bevölkerung auf die neue

Nachbarschaft mit geflüchteten Menschen nicht immer positiv ausfallen. So kommt es auch zu Protesten und

Ausschreitungen von Menschen, die der Aufnahme von Geflüchteten ablehnend gegenüber stehen (Karakayali

und Kleist, 2015, S.9). Diese negativen Reaktionen werden hier nicht weiter ausgeführt. Dennoch sollte

bewusstgemacht werden, dass es auch „Engagement“ gibt, das sich gegen die Interessen der Zivilgesellschaft –

hier im Sinne von Priller (2010) verstanden als werte- und normorientierte Gemeinschaft mit Betonung von

„Gewaltfreiheit, Toleranz und Gemeinwohlorientierung“ (2010) - stellt.

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2016, S.5). Gleichzeitig müsse die Koordination freiwilliger Tätigkeit an den Stellen, an denen

sie mit großem Aufwand ehrenamtlich betrieben wird, langfristig in professionelle Strukturen

überführt werden (Karakayali, 2016, S.7). Zusätzlich benötigten Initiativen auch Supervision

und Weiterbildung, um die emotionale Belastung der Engagierten zu mindern (ebd., S.8).

Die unterschiedlichen Ausgangssituationen und Perspektiven führen zum Teil zu Konflikten

zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft. So klagen Freiwillige über „die langsamen und

schwer zugänglichen Verwaltungsstrukturen“ sowie deren Inflexibilität und mangelnde

Kooperationsbereitschaft (Schammann und Kühn, 2016, S.53). Angestellte der Behörden, auf

der anderen Seite, bereiten „die Spontanität, die Hartnäckigkeit und die Anspruchshaltung“ der

Engagierten Schwierigkeiten (ebd., S.26). Insbesondere in Berlin führte das „tatsächliche

Versagen der zuständigen Behörde“ und das Zusammentreffen einer „kritische[n],

politisierte[n] Zivilgesellschaft“ auf „ein bürgerfernes Kompetenzgeflecht zwischen Landes-

und Bezirksbehörden“ zu Problemen (Speth und Becker, 2016, S.16-22). Verschärft wird der

Konflikt durch den Umstand, dass die Berliner Verwaltung „ohne die Unterstützung durch

ehrenamtliche Helferinnen und Helfer überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre (und immer

noch nicht ist), mit der großen Anzahl der Geflüchteten angemessen umzugehen“ (ebd., S.22).

Schließlich stehen Freiwillige Koordinierungsversuchen durch hauptamtliche MitarbeiterInnen

in der Verwaltung zum Teil ablehnend gegenüber (Schammann und Kühn, 2016, S.28).

Deutschlandweit richten sich die Angebote von Freiwilligenagenturen auch in der sogenannten

Flüchtlingskrise in erster Linie an die Zivilgesellschaft: nach einer Studie der

Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (BAGFA) gaben 85,5 Prozent der (im

September 2015) befragten Freiwilligenagenturen an, dass sie im Bereich Flüchtlingshilfe

(potenzielle) Freiwillige beraten. 68 Prozent der befragten Organisationen waren in der

Vernetzung und Koordinierung von Initiativen und HelferInnenkreisen aktiv. Gleichzeitig

wurde bundesweit im September 2015 auch die Zusammenarbeit mit der öffentlichen

Verwaltung von zwei Drittel der befragten Agenturen als gut oder sehr gut bewertet (Knüvener

und Kemnitzer, 2016, S.5). Die BAGFA konstatiert, dass „die Kompetenz von

Freiwilligenagenturen [...] gebraucht“ und „von vielen Seiten gesehen und wertgeschätzt“ wird

(ebd., S.18). In ihrer Arbeit in der Unterstützung von Freiwilligen und Verwaltung stoßen

Freiwilligenagenturen aber an Grenzen. Drei Viertel aller befragten Freiwilligenagenturen

nennen „mangelnde Koordination“ als größtes Hindernis, um Engagement effektiv zu fördern.

Auch Freiwilligenagenturen können die Koordinierung des freiwilligen Engagements scheinbar

nicht in ausreichendem Maße leisten. Als möglicher Grund hierfür nennen die Autoren der

BAGFA-Studie den Mangel an personellen Ressourcen (ebd., S.9). Auch das Fehlen

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finanzieller Ressourcen wird als Hindernis ausgemacht. So erhielt bis zum Zeitpunkt der

Befragung (September 2015) nur ca. ein Drittel der Freiwilligenagenturen in Deutschland für

die Bearbeitung des Themenfelds „Flüchtlingsarbeit“ zusätzliche finanzielle Mittel (ebd., S.4).

Dies obwohl Aktivitäten im Bereich Flüchtlingshilfe bei der Mehrheit der deutschen

Freiwilligenagenturen zu diesem Zeitpunkt über ein Viertel - teilweise sogar mehr als die Hälfte

- der personellen und zeitlichen Ressourcen in Anspruch nahmen (ebd., S.18).

Angesichts der deutschlandweiten Erkenntnisse stellt sich die Frage, welche Rolle

Freiwilligenagenturen in Berlin übernehmen. Welchen Einfluss hatte die sogenannte

Flüchtlingskrise auf Freiwilligenagenturen und deren Positionierung im Spannungsfeld

zwischen öffentlicher Verwaltung und Zivilgesellschaft? In Kapitel 4 werden die aus der

vorgenommenen Befragung resultierenden Erkenntnisse zu diesen Fragen präsentiert.

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17

3 Theoretisches Analysemodell

Bevor in Kapitel 4 die Ergebnisse präsentiert werden, sollen im Folgenden theoretische Modelle

vorgestellt werden, die die Heuristik der Untersuchung beschreiben. Zur Einordnung des

Leistungsprofils von Freiwilligenagenturen wird zunächst das Entwicklungsmodell für

Freiwilligenagenturen der Berliner LAGFA präsentiert (2.1). Darauf folgend wird die

Forschungsperspektive des soziologischen Neo-Institutionalismus vorgestellt (2.2).

Anschließend wird die im Neo-Institutionalismus als Determinante für das Handeln und die

Struktur von Organisationen ausgemachte institutionelle Umwelt für Berliner

Freiwilligenagenturen beschrieben (2.3). Den Abschluss des Kapitels bildet die

Zusammenführung aller theoretischen Elemente in einem Gesamtmodell, die Beschreibung der

Operationalisierung der Forschungsfragen im standardisierten Fragebogen und die Erläuterung

der Fragestellung für das qualitative Gruppengespräch (2.4).

3.1 Entwicklungsmodell für Freiwilligenagenturen

Die von Freiwilligenagenturen in Deutschland durchgeführten Aktivitäten wurden bereits in

Kapitel 2.1 vorgestellt. Um eine Kategorisierung von Freiwilligenagenturen nach ihrer

Funktion vorzunehmen und Veränderungen in dieser Funktion aufzeigen zu können, bietet sich

eine zusammenfassende Beschreibung der Leistungen verschiedener Typen von

Freiwilligenagenturen an. Ebert, Hartnuß, Rahn und Schaaf-Derichs (2002) unterscheiden in

Vermittlungs- und Entwicklungsagenturen (ebd., S.63). Die Berliner LAGFA beruft sich auf

ein darüberhinausgehendes Modell, das vier Stufen kennt (Vollrath und Schaaf-Derichs, 2013,

S.11). Unterschieden werden Engagement-, Vernetzungs-, Entwicklungs- und

Beteiligungsagenturen (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: 4-Stufen-Modell zur Entwicklung von Freiwilligenagenturen (Vollrath und Schaaf-Derichs, 2013,

S.11)

Die feinere Gliederung erscheint angemessener, da sie eine genauere Bestimmung des

Leistungsprofils einer Agentur erlaubt und der Heterogenität der Agenturen zu einem stärkeren

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18

Maße Rechnung trägt. Als Engagement-Agentur verstehen die AutorInnen des Modells

Einrichtungen, die insbesondere in der Information und persönlichen Beratung von Freiwilligen

und von Organisationen tätig sind (Vollrath und Schaaf-Derichs, S.12). Engagement-Agenturen

sind somit vor allem Kontaktvermittler und setzen sich öffentlich für die Stärkung des

Engagements ein. Vernetzungs-Agenturen leisten Netzwerkarbeit und bringen auch über die

Vermittlung hinaus verschiedene Akteure miteinander in Kontakt. Dies schließt auch die aktive

Teilnahme in Gremien und Verbünden mit ein. Auch Unternehmen können in Netzwerk-

Kooperationen eingebunden sein. Entwicklungs-Agenturen leisten Arbeit, die über die

Vermittlung und Vernetzung hinausgeht. Sie schaffen selbst Angebote, in denen Freiwillige

aktiv werden. Ihre Ziele werden auch durch die Durchführung von Fortbildungs-

Veranstaltungen und Workshops erreicht und sie fördern Akteur-übergreifende Strukturen.

Beteiligungs-Agenturen, schließlich, fördern vor allem die Eigenständigkeit von Menschen, die

sich engagieren oder engagieren möchten. Sie schaffen Möglichkeiten, lokales Zusammenleben

gemeinsam zu gestalten und versuchen dabei auch wenig erreichte Zielgruppen anzusprechen

(ebd.). Im Hinblick auf die Rolle von Freiwilligenagenturen als Intermediäre kann die zweite

Entwicklungsstufe als besonders zentral gelten, da sie den Austausch zwischen den Akteuren

als vorrangiges Ziel hat.

Im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit soll eine Bestandsaufnahme der in Berlin vertretenen

Agenturtypen unternommen werden. Außerdem sollen mögliche Auswirkungen der

„Flüchtlingskrise“ auf die Entwicklungsstufen der Berliner Freiwilligenagenturen ausgemacht

werden.

3.2 Der soziologische Neo-Institutionalismus als organisationstheoretischer

Analyserahmen

Das Hinzuziehen eines theoretischen Konstrukts wie der Neo-Institutionalismus es ist,

verspricht ein besseres Verständnis der Einflüsse, die aus der Organisationsumwelt auf die

Freiwilligenagenturen wirken. Der (soziologische)12 Neo-Institutionalismus scheint für dieses

12 Verschiedene institutionalistische Ansätze sind vielfältig klassifiziert und interpretiert worden – mit

wechselnden Begrifflichkeiten und Einordnungen. Mal wird der akteurzentrierte Institutionalismus als

Unterkategorie neo-institutionalistischer Ansätze dargestellt (vgl. Schimank, 2008), mal der Neo-Institu-

tionalismus als Spielart akteurzentrierter Theorien präsentiert (vgl. Schulze, 1997). In dieser Arbeit ist, wenn von

Neo-Institutionalismus die Rede ist, stets der soziologische Neo-Institutionalismus (Schimank, 2008, S.163)

gemeint. Als Grundlage für dessen Beschreibung, bzw. für die Abgrenzung von anderen Theorien dienen

insbesondere Arbeiten aus der Ursprungszeit der Ansätze (vgl. DiMaggio und Powell (1991) für die Einführung

des Neo-Institutionalismus und Mayntz und Scharpf (1995) für die Erläuterung des Akteurzentrierten

Institutionalismus).

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Vorhaben geeigneter als andere organisationstheoretische Ansätze, was im Folgenden

begründet wird.

Abzugrenzen ist der soziologische Neo-Institutionalismus von anderen Spielarten der

Organisationstheorie, des Institutionalismus und schließlich von anderen Formen des Neo-

Institutionalismus. Zunächst festzuhalten ist der makro-perspektivische Ansatz der

vorgenommenen Analyse. Im Fokus steht die Ausprägung und Entwicklung des Handelns und

der Strukturen ganzer Organisationen – das Agieren individueller Organisationsmitglieder steht

im Hintergrund. Der Neo-Institutionalismus setzt mit seinem Erklärungssatz auf dieser

makroperspektivischen Organisationsebene an. Damit grenzt sich der Neo-Institutionalismus

insbesondere von institutionenökonomischen Ansätzen wie dem Rational-Choice-Ansatz ab.

Letzterer interpretiert das Handeln und die Struktur einer Organisation als „Resultat individuell-

rationaler Wahlentscheidungen“ (Schulze, 1997, S.9) und schließt von der Mikro-Ebene des

Handeln des homo oeconomicus auf die Entstehung und Veränderung von Strukturen auf der

Makro-Ebene (Drepper, 2010, S.130, für eine ausführliche Vorstellung des Rational-Choice-

Ansatzes siehe Smelser, 1992). Neo-Institutionalisten hingegen betonen die Komplexität des

Organisationssystems und richten den Fokus auf die „strukturelle Einbettung von

Organisationen in übergreifende gesellschaftliche Kontexte“ (Drepper, 2010, S.131). Damit

ermöglicht der Ansatz die Betrachtung der Organisation als kleinste Systemeinheit.13

Für diese Arbeit wurde auch die Perspektive des akteurzentrierten Institutionalismus (vgl.

Mayntz und Scharpf, 1995) in Erwägung gezogen. Als Forschungsheuristik, die die Wichtigkeit

des institutionellen Kontextes, in dem Organisationen agieren, anerkennt, erscheint er zunächst

ebenfalls passend. Dem institutionellen Rahmen wird im akteurzentrierten Institutionalismus

aber ausdrücklich keine determinierende Wirkung zugeschrieben (ebd., S.3). Im Neo-

Institutionalismus hingegen wird den Akteuren zwar ein gewisser Handlungsspielraum

eingeräumt, die entscheidende Determinante für Veränderungen innerhalb einer Organisation

sind aber in der Umwelt der Akteure auszumachen (DiMaggio und Powell, 1991, S.13).

13 Gleichzeitig kann auch der Neo-Institutionalismus auf mikrosoziologische Theorien zurückgeführt werden

(siehe DiMaggio und Powell,1991, S.15ff).

Page 25: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

20

Abbildung 2: Theoretisches Analysemodell (eigene Darstellung, nach Meyer/Rowan, 1977, S.353)

Ausgangspunkt ist beim Neo-Institutionalismus die Prämisse, dass Organisationen nach ihrer

Selbsterhaltung streben (Meyer und Rowan, 1977, S.353, vgl. Abbildung 2). Um diese zu

gewährleisten, sind Organisationen auf die Anerkennung ihrer Legitimität sowie auf den

Zufluss von Ressourcen angewiesen (Walgenbach, 2014, S.307). Sowohl Legitimität als auch

Ressourcen erhalten Organisationen entweder aus ihrer institutionellen Umwelt oder durch

Transaktionen an einem Markt, d.h. durch die Steigerung ihrer organisationalen Effizienz

(Meyer und Rowan, 1977, S.353). Als gemeinnützige Organisatio-nen stehen

Freiwilligenagenturen Markttransaktionen als Überlebenssicherungsstrategie nicht (oder nur in

sehr geringem Maße) zur Verfügung. Um Legitimität und Ressourcen zu erhalten, sind sie auf

ihre institutionelle Umwelt angewiesen. Meyer und Rowan argumentieren, dass Organisationen

zum Erhalt von Legitimität und Ressourcen aus ihrer institutionellen Umwelt den Erwartungen

dieser Umwelt entsprechen müssen (1977, S.350). Von institutioneller Umwelt wird dabei

gesprochen, da argumentiert wird, dass Verhaltensweisen und Strukturen in der Umwelt der

Organisationen mit der Zeit so gefestigt seien, dass sie als institutionalisiert gelten könnten

(Drepper, 2010, S.133). Um den Erwartungen der Umwelt zu entsprechen, übernehmen die

Organisationen Strukturen und Verhaltensweisen, die sie in ihrer Umwelt als legitimiert

betrachten. Was als legitim gilt und was nicht, wird bestimmt durch einen Prozess der

„Diffusion von Standards“ in denjenigen Bereichen, in denen die entsprechenden Strukturen

und Verhaltensweisen anschließend als legitim anerkannt werden. Dieser Prozess wird als

Institutionalisierung bezeichnet (Neumann, 2005, S.78). Als Institutionen werden infolge

dessen „soziale, konstruierte Systeme verstanden, die einen partikularen, routine-

reproduzierenden Prozess aufweisen“ (ebd.). Mit der Zeit erhalten die so institutionalisierten

Strukturen und Verhaltensweisen den Status unhinterfragter Handlungsmuster. Meyer und

Rowan (1977) beschreiben die in der jeweiligen Organisation entstehenden Interpretationen der

Page 26: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

21

Erwartungen der Umwelt in Bezug auf diese Handlungsmuster als Rationalitätsmythen. Diesen

Rationalitätsmythen passen sich Organisationen also letztendlich an, um Legitimität und

Ressourcen zu erhalten (ebd., S.352).

Das folgende Kapitel beschreibt, wie sich die institutionelle Umwelt für Freiwilligenagenturen

in Berlin gestaltet.

3.3 Der institutionelle Rahmen von Freiwilligenagenturen in Berlin

In Kapitel 2.3 wurden bereits die informelle Zivilgesellschaft und die öffentliche Verwaltung

als relevante Systeme für die Aktivitäten von Freiwilligenagenturen als intermediäre

Organisationen ausgemacht. Mit den Begrifflichkeiten des Neo-Institutionalismus lassen sich

diese beiden Sektoren als Teile der institutionellen Umwelt von Freiwilligenagenturen

definieren. Diese Bezeichnung erscheint auch deswegen begründet, da es vor allem diese

beiden Sektoren sind, die die für Freiwilligenagenturen notwendigen materiellen (Geld,

Räumlichkeiten, Mitarbeiter) und immateriellen (Vertrauen, ideelle Unterstützung, fachliche

Beratung) Mittel zur Verfügung stellen (Speck et al. 2012, S.45ff). Freiwilligenagenturen

unterliegen also, um ihr Überleben zu sichern, dem Druck, sich den Rationalitätsmythen der

Systeme informelle Zivilgesellschaft und öffentliche Verwaltung anzupassen. In dieser Arbeit

werden die Anpassungen in Leistungsprofilen und Handlungslogiken untersucht. Bei den

erhobenen strukturellen Merkmalen handelt es sich in erster Linie um Ressourcen, die

Freiwilligenagenturen zur Durchführung ihrer Aktivitäten einsetzen. Diese Ressourcen werden

dabei als Variablen betrachtet, auf deren Veränderung Freiwilligenagenturen keinen direkten

Einfluss haben. Die Daten zur Ressourcenausstattung von Freiwilligenagenturen von Speck et

al. (2012) belegen die relative Unbeeinflussbarkeit der Ressourcenausstattung durch die

aufgezeigte Lücke zwischen benötigten und tatsächlich zur Verfügung stehenden Ressourcen

(ebd., S.66). Nur indirekt veränderbar ist ebenfalls die Legitimität, die den

Freiwilligenagenturen aus ihrem Umfeld zugesprochen wird.

Page 27: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

22

Abbildung 3: Anpassungen von Leistungsprofilen und Handlungslogiken Berliner Freiwilligenagenturen aus neo-

institutionalistischer Perspektive (eigene Darstellung, angelehnt an Meyer/Rowan, 1977, S.352)

Die Ausgestaltung von Leistungsprofilen und Handlungslogiken werden als beeinflussbare

Variablen betrachtet, deren Anpassung Auswirkungen auf die durch die institutionelle Umwelt

zugesprochene Legitimität und die von dieser Umwelt zur Verfügung gestellten Ressourcen hat

(vgl. Abbildung 3). Eine Besonderheit, die sich für Freiwilligenagenturen als intermediäre

Organisationen dabei ergibt, ist die Notwendigkeit der Orientierung an zwei sich

gegenüberstehenden Sektoren, deren Erwartungen bezüglich Anpassungen in Leistungsprofilen

und Handlungslogiken sich ggf. unterscheiden. Eine Schwierigkeit ist zudem, dass die

Erwartungen der institutionellen Umwelt nicht eindeutig identifizierbar sind, sondern in der

Form von Rationalitätsmythen vorliegen, nach denen Freiwilligenagenturen Anpassungen

vornehmen.

Während mögliche Anpassungen des Leistungsprofils mit dem in Kapitel 3.1 vorgestellten

Entwicklungsmodell bereits erläutert wurden, erfordert die Variable der Handlungslogiken

noch einige Erklärung. Oben wurde bereits ausgeführt, dass Freiwilligenagenturen als

intermediäre Organisationen zwar zum einen nach Autonomie und Distanz zu den an sie

angrenzende Sektoren streben, zum anderen aber Handlungslogiken folgen, die auch für die

Sektoren, zwischen denen sie vermitteln, prägend sind. Ebenfalls zitiert wurde die These von

Alt et al. (2007), die besagt, dass intermediäre Organisationen aufgrund ihrer Abhängigkeit von

Ressourcengebern aus den angrenzenden Sektoren Schwierigkeiten in der Abgrenzung von

diesen erfahren könnten (ebd., S.32). Aus der Perspektive des Neo-Institutionalismus steht die

Distanz- und Autonomie-Maxime intermediärer Organisationen in Konflikt mit der Anpassung

an die institutionalisierte Umwelt, die Ressourcen und Legitimität zuführen soll. In dieser

Masterarbeit soll die Handlungslogik von Freiwilligenagenturen in Berlin beschrieben werden

Page 28: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

23

sowie mit den Handlungslogiken von informeller Zivilgesellschaft und öffentlicher Verwaltung

in Bezug gesetzt werden. Die Interpretation der Handlungslogiken ermöglicht es, die von

Berliner Freiwilligenagenturen institutionalisierten Rationalitätsmythen sichtbar zu machen.

Das heißt, die den Handlungen der Freiwilligenagenturen unterliegenden Logiken lassen

Rückschlüsse darauf zu, welchen Rationalitäten Berliner Freiwilligenagenturen überwiegend

folgen, um ihre Legitimität zu gewährleisten.

Die sogenannte Flüchtlingskrise bildet den Kontext, in dem Veränderungen und Anpassungen

der Berliner Freiwilligenagenturen in dieser Masterarbeit untersucht werden. Diese

Veränderungen werden in Kapitel 4 aufgezeigt und analysiert. Der oben eingeführte Neo-

Institutionalismus hilft, den Prozess der Veränderungen zu verstehen. So ist eine Anpassung

der Leistungsprofile und der Handlungslogiken mit veränderten Erwartungen in der

institutionellen Umwelt zu erklären und als Versuch zu deuten, die eigene Legitimität zu

erhöhen und somit auch für die Zukunft Ressourcen zur Selbsterhaltung der Organisation zu

sichern.

3.4 Operationalisierung des theoretischen Rahmens

Im Folgenden wird ausgehend von den in Kapitel 1 formulierten Forschungsfragen die

Operationalisierung des theoretischen Rahmens für die Durchführung einer empirischen

Erhebung vorgestellt.

1) Wie gestaltet sich das Leistungsprofil Berliner Freiwilligenagenturen?

Die Abfrage der von Freiwilligenagenturen in Berlin erbrachten Leistungen erfolgt in

Anlehnung an die von Speck et al. (2012) in ihrer deutschlandweiten Studie verwendeten

Aufgabenbereiche (ebd., S.68). Die verschiedenen Aktivitäten werden dabei den

Entwicklungsstufen des in 3.1 erläuterten Modells zugeordnet (vgl. Tabelle 2). Zu diesem

Zwecke wurden drei weitere Aktivitäten hinzugefügt. Zunächst wurde mit der Teilnahme /

Mitarbeit in politischen Gremien eine Aufgabe hinzugefügt, die als wichtige Aktivität in der

Entwicklungsstufe der Vernetzungs-Agentur gilt (Vollrath und Schaaf-Derichs, 2013, S.12).

Zum anderen wurden die Aufgaben Aktivitäten zum Thema inklusives Engagement und/oder

Diversity sowie Gezielte Aktivitäten zur Stärkung der Beteiligung und Teilhabe von

Bürgerinnen und Bürgern innerhalb der Kommune / des Stadtbezirks hinzugefügt, um die

Entwicklungsstufe der Beteiligungsagentur abzubilden.14 In der Auswertung der Antworten

14 Während die anderen drei Stufen jeweils aus drei Leistungen bestehen, erschien dies für die vierte Stufe nicht

sinnvoll, da sich in der Literatur nicht hinreichend differenzierbare Aufgabenbereiche für drei separate

Leistungsbeschreibungen finden.

Page 29: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

24

wurde die jeweilige Entwicklungsstufe dann einer Freiwilligenagentur zugeordnet, wenn sie

mindestens 50 Prozent der dieser Stufe zugeordneten Leistungen anbietet. Tabelle 2

veranschaulicht die im Fragebogen angebotenen Auswahlmöglichkeiten für Aufgabenbereiche,

deren Entsprechung in der Studie von Speck et al. (2012) und die Zuordnung der Leistungen

zu den Entwicklungsstufen des LAGFA-Modells.

Aufgabenbereiche in der Studie

von Speck et al. (2012, S.68)

Im standardisierten Fragebogen

dieser Arbeit zur Auswahl

stehende Aufgabenbereiche

Zugeordnete

Entwicklungsstufen

nach Vollrath und

Schaaf-Derichs

(2013, S.11)

Information, Beratung und

Vermittlung von Freiwilligen

Information, Beratung und

Vermittlung von Freiwilligen

Engagem

ent-

Agen

tur

Zusammenarbeit mit und

Beratung von Organisationen Beratung von Organisationen

Öffentlichkeitsarbeit für das

freiwillige Engagement

Öffentlichkeitsarbeit für das

freiwillige Engagement

Vernetzung im Freiwilligensektor Vernetzung im Freiwilligensektor

Vern

etzungs-

Agen

tur

Projektentwicklung zum

freiwilligen Engagement

Durchführung und/oder

Entwicklung von eigenen

Projekten, in denen sich

Freiwillige engagieren

- Teilnahme / Mitarbeit in

politischen Gremien

Fort- und Weiterbildung im

Freiwilligensektor

Fort- und Weiterbildung im

Freiwilligensektor

Entw

icklu

ngs-A

gen

tur

Zusammenarbeit mit

Unternehmen

Zusammenarbeit / Vernetzung mit

Unternehmen

Freiwilligendienste

Vermittlung von

Freiwilligendiensten und/oder

Tätigkeit als Träger von

Freiwilligendiensten

- Aktivitäten zum Thema inklusives

Engagement und/oder Diversity

Beteilig

ungs-

Agen

tur -

Gezielte Aktivitäten zur Stärkung

der Beteiligung und Teilhabe von

Bür-gerinnen und Bürgern

innerhalb der Kommune / des

Stadtbezirks

Tabelle 2: Zuordnung der abgefragten Aufgabenbereiche (eigene Darstellung)

2) Welche strukturellen Merkmale weisen Freiwilligenagenturen in Berlin auf?

Auch in der Erfassung der strukturellen Merkmale von Freiwilligenagenturen orientierte sich

die Befragung an der Fragestellung bestehender Studien. In Entsprechung zu Speck et al. (2012)

betrugen die Auswahlmöglichkeiten für die Trägerschaft der Agenturen a) eigenständiger

Verein, b) Wohlfahrtsverband, c) Kommune, d) Trägerverbund oder e) Sonstiges. Auch die

Page 30: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

25

Formulierung der Frage nach dem aktuellen Jahresbudget orientierte sich an der genannten

Studie: Wie hoch ist das aktuelle Jahresbudget Ihrer Freiwilligenagentur (für das Jahr 2016,

in Euro)? Die Frage nach dem „Jahresbedarf“ (Speck et al., 2012, S.48) wurde abweichend zu

dieser Formulierung praktischer dargestellt: Wie hoch müsste das Jahresbudget Ihrer

Freiwilligenagentur (in Euro) sein, damit Sie alle Aufgaben gut bewältigen könnten? Bei der

Zusammensetzung der Mittel wurden einige Kategorien von Speck et al. (2012) übernommen:

„Spenden“, „Mitgliedsbeiträge“, „Stiftungsmittel“, „Sponsoring“ (ebd., S.49). Eine Kategorie

wurde umformuliert: selbsterwirtschaftete Mittel (z.B. aus Dienstleistungen an anderen

Organisationen/Unternehmen) anstelle von „Honorare/Dienstleistungen“ (ebd.). Für die

Gruppe der öffentlichen Zuwendungen wurde eine neue Unterteilung gefunden. um den

verschiedenartigen Charakter der Mittel abbilden zu können: Institutionelle Zuwendungen

(nicht-projektgebunden) aus öffentlichen Haushalten und Projektgebundene Mittel aus

öffentlichen Haushalten. Auch die Abfrage der Angestellten wurde neugestaltet und erfolgte

unterteilt in ehrenamtliche MitarbeiterInnen (auch Bundesfreiwilligendienstleistende und nicht

bezahlte Praktikant-

Innen), hauptamtliche MitarbeiterInnen (auch geringfügig Beschäftigte) in Vollzeit

(mindestens 38,5 Std. / Woche) und hauptamtliche MitarbeiterInnen und geringfügig

Beschäftigte in Teilzeit (weniger als 38,5 Std. / Woche) sowie freie MitarbeiterInnen (nur bei

regelmäßiger Mitarbeit) und bezahlte PraktikantInnen.

3) Welchen Handlungslogiken unterliegt die Leistungserbringung von Berliner

Freiwilligenagenturen als intermediären Organisationen?

Die Handlungslogiken wurden im standardisierten Fragebogen durch eine Einordnung der

jeweils befragten Freiwilligenagentur auf bipolaren Rating-Skalen15 zu unterschiedlichen

Merkmalen ihrer Arbeitsweise erfasst. Für jedes Merkmal wurde ein Kontinuum zwischen den

in Kapitel 2.3 beschriebenen Handlungslogiken der informellen Zivilgesellschaft sowie denen

der öffentlichen Verwaltung angeboten (vgl. Tabelle 3). Eine Verortung zwischen diesen zwei

Extremen erscheint angesichts des intermediären Charakters von Freiwilligenagenturen und

dem in dieser Arbeit gesetzten Fokus begründbar (vgl. Kapitel 2.2).

15 Für eine Diskussion der Vor- und Nachteile bipolarer Skalen sowie zur Begründung der Entscheidung gegen

eine Mittelposition in der angebotenen Skala siehe Menold und Bogner (2015, S.3f).

Page 31: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

26

Merkmal Pol 1: Öffentliche Verwaltung Pol 2: Informelle

Zivilgesellschaft

Arbeitsprozesse durch Regeln bestimmte

Arbeitsprozesse

individuell gestaltbare

Arbeitsprozesse

Hierarchisierungs-

Intensität

hierarchische

Entscheidungsstruktur

flache Entscheidungsstruktur

Regelgebender

Rahmen

Vorgaben der öffentlichen

Verwaltung sind für unsere

Arbeit bestimmend

Lebenswelt der (potenziellen)

Freiwilligen ist für unsere Arbeit

bestimmend

Dynamik der

Lösungsfindung

auf Kontinuität ausgelegte

Lösungsfindung

schnelle, flexible Lösungsfindung

Entscheidungsstruktur Entscheidungen werden von

Führungspersonal /

Führungsgremium getroffen

Entscheidungen werden im

Konsens durch das gesamte Team

getroffen

Tabelle 3: Merkmalkategorien und Pole des Kontinuums zwischen der Handlungslogik der öffentlichen

Verwaltung und der informellen Zivilgesellschaft (eigene Darstellung)

Als Kategorien für die Einordnung wurden fünf verschiedene Merkmale festgesetzt, die sich

aus der in Kapitel 2.3 vorgestellten Gegenüberstellung zivilgesellschaftlicher und staatlicher

Handlungslogiken bei Embacher (2013, S.33) ableiten lassen. So sind die Kategorien

Arbeitsprozesse (mit den Polen durch Regeln bestimmte Arbeitsprozesse auf der einen und

individuell gestaltbare Arbeitsprozesse auf der anderen Seite) und Hierarchisierungs-Intensität

(hierarchische Entscheidungsstruktur gegenüber flache Entscheidungsstruktur) an Embachers

Gegenüberstellung vertikaler und horizontaler Ordnungs-/Vernetzungsprinzipien angelehnt

(ebd.). Die Kategorie Entscheidungssruktur (Entscheidungen werden von Führungspersonal /

Führungsgremium getroffen versus Entscheidungen werden im Konsens durch das gesamte

Team getroffen) zielt auf eine Abbildung der bei Embacher benannten Macht- und

Kommunikationsmittel („demokratisch legitimierte Macht“ in der Verwaltung gegenüber

„argumentative[r] Verständigung“ in der Bürgergesellschaft) ab (ebd., S.32). Die Kategorie

regelgebender Rahmen (Vorgaben der öffentlichen Verwaltung sind für unsere Arbeit

bestimmend versus Lebenswelt der (potenziellen) Freiwilligen ist für unsere Arbeit

bestimmend) bezieht die Ebene der von Embacher so betitelten „Reproduktionslogik“ (ebd.)

ein. Für die Erfassung der Kategorie Dynamik der Lösungsfindung (mit den Ausprägungen auf

Kontinuität ausgelegte Lösungsfindung auf der einen und schnelle, flexible Lösungsfindung auf

der anderen Seite) schließlich wurden Umformulierungen der von Embacher angeführten

„Aktionsformen“ (ebd., S.33) mit den Polen „Kontinuität“ und „Spontaneität“ vorgenommen.16

16 Um den general primacy Effekt (häufigeres Wählen des linken Endes einer Skala, vgl. Menold und Bogner,

2015. S.6) zu vermindern, wurden bei den Kategorien Hierarchisierungs-Intensität sowie Regelgebender

Rahmen die Endpunkte der Skala vertauscht. So stand im Fragebogen bei diesen beiden Kategorien die

Page 32: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

27

4) Welche Veränderungen in der Leistungserbringung, in den strukturellen Merkmalen

und in den Handlungslogiken Berliner Freiwilligenagenturen haben sich durch die

sogenannte Flüchtlingskrise vollzogen?

Um die Auswirkungen der sogenannten Flüchtlingskrise auf die Berliner Freiwilligenagenturen

zu erfassen, wurde zunächst im Rahmen des standardisierten Fragebogens darum gebeten,

jeweils die Veränderungen in den Bereichen Leistungsprofile, strukturelle Merkmale und

Handlungslogiken einzuschätzen. So sollten die Befragten angeben, ob der Anteil der

genannten Arbeitsbereiche jeweils weniger geworden, gleich geblieben oder mehr geworden

sei.

Auch in Bezug auf die Anzahl der ehrenamtlichen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen, die

Höhe des Jahresbudgets sowie die Höhe der Einnahmen aus projektgebundenen öffentlichen

Mitteln, aus nicht-projektgebundenen (institutionellen) öffentlichen Mitteln, aus Spenden und

aus Stiftungsmitteln wurde um eine Einschätzung gebeten, ob diese jeweils gesunken, gleich

geblieben oder gestiegen seien.

Für die Erfassung der Veränderungen in der Handlungslogik wurde für alle fünf

Merkmalkategorien eine Aussage formuliert. Diese Aussage suggeriert stets die Zunahme einer

der beiden Extrempositionen des Kontinuums öffentliche Verwaltung – informelle

Zivilgesellschaft (Bsp.: Die Entscheidungsstrukturen in unserer Agentur sind flacher

geworden). Zu jeder dieser Aussagen sollte angegeben werden ob diese zutreffe, eher zutreffe,

eher nicht zutreffe oder nicht zutreffe.

Neben den Veränderungen in Leistungsprofilen, strukturellen Merkmalen und

Handlungslogiken wurden im standardisierten Fragebogen außerdem Fragen gestellt, die eine

Bewertung der Entwicklung der Legitimität der Berliner Freiwilligenagenturen in der

sogenannten Flüchtlingskrise zulassen. So wurde danach gefragt, ob die Bekanntheit der

jeweiligen Freiwilligenagentur in der Bevölkerung bzw. in der öffentlichen Verwaltung

gestiegen sei. Außerdem wurde gefragt, ob das Agieren der jeweiligen Freiwilligenagentur nach

Meinung der/des Antwortenden von Seiten der potenziellen Freiwilligen bzw. von der

öffentlichen Verwaltung als kompetent wahrgenommen worden sei. Für alle vier Aspekte

wurden Statements formuliert, denen die Befragten zustimmen, eher zustimmen, eher nicht

zustimmen oder nicht zustimmen konnten (Bsp.: Die Bekanntheit unserer Freiwilligenagentur

in der Bevölkerung ist durch die sogenannte Flüchtlingskrise gestiegen.).

Handlungslogik der öffentlichen Verwaltung an erster Stelle, bei allen anderen Kategorien wurde zunächst das

der informellen Zivilgesellschaft zugeordnete Merkmal genannt.

Page 33: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

28

Zur Absicherung der Erkenntnisse über mögliche Veränderungen von Leistungsprofilen,

strukturellen Merkmalen und Handlungslogiken sowie über die Kooperation mit informeller

Zivilgesellschaft und öffentlicher Verwaltung wurde zudem ein Gruppengespräch17

durchgeführt. Die Auswahl der GruppenteilnehmerInnen erfolgte aus dem Kreis der Personen,

die zuvor den standardisierten Fragebogen beantwortet hatten. Ziel war es, eine möglichst

heterogene, aber die Gesamtheit der befragten Freiwilligenagenturen repräsentierende Auswahl

zu treffen. Berücksichtigt wurden dafür die Kriterien Art der Trägerschaft, Struktur der

MitarbeiterInnen (Verhältnis Hauptamtliche vs. Ehrenamtliche), Leistungsprofil und

Handlungslogik. Die im Gespräch erhaltenen Auskünfte wurden digital aufgezeichnet und

anschließend in einer Synopse zusammengefasst (siehe Anhang II). Um weitere Erkenntnisse

über durch die sogenannte Flüchtlingskrise hervorgerufene Veränderungen in

Leistungsprofilen, strukturellen Merkmalen und Handlungslogiken der Freiwilligenagenturen

zu erlangen, wurden die Anwesenden zunächst gebeten, die Entwicklungen im Zuge der

„Flüchtlingskrise“ mit eigenen Worten zu beschreiben. Außerdem wurde nach den konkreten

Gründen für die o.g. Veränderungen gefragt. Im Anschluss wurde auf die Entwicklung der

Zusammenarbeit mit informeller Zivilgesellschaft und öffentlicher Verwaltung eingegangen.

5) Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für Berliner

Freiwilligenagenturen auf Basis dieser Veränderungen für die Zukunft?

Die Erfassung der Zukunftsperspektiven Berliner Freiwilligenagenturen erfolgte ebenfalls im

Rahmen des oben beschriebenen Gruppengesprächs. Dazu wurden die Teilnehmenden dazu

aufgefordert, ihre Einschätzung zu Perspektiven, Chancen und Herausforderungen für Berliner

Freiwilligenagenturen abzugeben.

17 (Für eine Erläuterung der methodischen Vorgehensweise eines Gruppengesprächs siehe Hirth und Ziegler,

2006).

Page 34: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

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4 Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse

Im Folgenden werden die Forschungsergebnisse präsentiert und eingeordnet. Dabei werden

zunächst die Leistungsprofile und strukturellen Merkmale von Freiwilligenagenturen in Berlin

vorgestellt (Kapitel 4.1). Anschließend werden die Handlungslogiken präsentiert (Kapitel 4.2).

Die Veränderungen, die sich in Leistungsprofilen, strukturellen Merkmalen und

Handlungslogikgen durch die „Flüchtlingskrise“ ergaben, sind Inhalt von Kapitel 4.3. Den

Abschluss bildet die Darstellung der Einschätzungen der Freiwilligenagenturen zu zukünftigen

Entwicklungen und Perspektiven (Kapitel 4.4).

4.1 Leistungsprofile und strukturelle Merkmale von Freiwilligenagenturen in Berlin

In Bezug auf die Leistungsprofile werden zwei Tätigkeiten von allen befragten

Freiwilligenagenturen durchgeführt: Die Information und Beratung von Freiwilligen sowie die

Öffentlichkeitsarbeit für die Freiwilligentätigkeit (vgl.

Abbildung 4).

Abbildung 4: Anzahl der Nennungen der jeweiligen Arbeitsbereiche (n=16; eigene Darstellung)

Wie von Speck et al. (2012) bereits für die durchschnittliche Freiwilligenagentur in

Deutschland herausgefunden wurde (ebd., S.68), kann somit auch für Berliner

Freiwilligenagenturen die Vermittlungs- und Informationsarbeit als Kernprofil bestätigt

werden. 88 Prozent der Agenturen sind darüber hinaus auch in der Beratung von Organisationen

aktiv. An vierter Stelle steht die Vernetzungsarbeit im Freiwilligensektor, gefolgt von der

Durchführung eigener Projekte, was 12 der befragten Agenturen als von ihnen angebotene

Leistung nennen. Elf Freiwilligenagenturen geben an, Aktivitäten zum Thema inklusives

Engagement und Diversity in ihrem Leistungsprofil zu haben. Mit jeweils zehn Nennungen

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16Engagement-Agentur Vernetzungs-Agentur Entwicklungs-Agentur Beteiligungs-

Agentur

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folgen die Leistungen Zusammenarbeit mit Unternehmen und die Mitwirkung in Gremien.

Fort- und Weiterbildungsangebote werden von neun der 16 befragten Agenturen als Tätigkeit

angegeben.

Abbildung 5: Positionierung auf dem Entwicklungsmodell der LAGFA (n=16; eigene Darstellung)

Für die Einordnung der befragten Freiwilligenagenturen in das Entwicklungsmodell der

LAGFA, wurden, wie in Kapitel 3.1 beschrieben, die Arbeitsbereiche zu vier

Entwicklungsstufen zusammengefasst. Bei der Zuordnung der befragten Agenturen wird

deutlich, dass alle Berliner Freiwilligenagenturen als Engagement-Agentur agieren (vgl.

Abbildung 5). Die Mehrzahl der befragten Organisationen ist außerdem als Vernetzungs-

Agentur zu verstehen. Die Hälfte der Agenturen entspricht dem Profil der Entwicklungs-

Agentur. Sechs Freiwilligenagenturen können als Beteiligungs-Agenturen bezeichnet werden.

Abbildung 6: Häufigkeit der Zuordnung zu verschiedenen Kombinationen der Entwicklungsstufen (n=16; eigene

Darstellung)

Insgesamt fünf Agenturen erfüllen die Kriterien aller vier Entwicklungsstufen (vgl.

Abbildung 6). Drei Freiwilligenagenturen sind gleichzeitig als Engagement-, Vernetzungs- und

Entwicklungsagentur aktiv. Mehr als ein Drittel der Organisationen decken mit ihrer Arbeit nur

zwei Entwicklungsstufen gleichzeitig ab. In der Regel die Kombination aus Engagement- und

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2

4

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8

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14

16

Engagement-Agentur Vernetzungs-Agenturen Entwicklungs-Agenturen Beteiligungs-Agenturen

alle Leistungen dieser Entwicklungsstufe werden angeboten

mehr als die Hälfte der Leistungen dieser Entwicklungsstufe werden angeboten

0

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4

5

Engagement-,Vernetzungs-,

Entwicklungs- undBeteiligungs-Agentur

Engagement-,Vernetzungs- und

Entwicklungs-Agentur

Engagement- undVernetzungs-Agentur

Engagement- undBeteiligungs-Agentur

Engagement-Agentur

Page 36: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

31

Vernetzungs-Agentur – einmal aber auch die Kombination aus Engagement- und Beteiligungs-

Agentur. Zwei Agenturen sind nur als Engagement-Agentur aktiv.

Die Verteilung der Entwicklungsstufen bestätigt (mit Ausnahme der Kombination aus

Engagement- und Beteiligungs-Agentur) die von Schaaf-Derichs und Vollrath (2013)

zumindest visuell zum Ausdruck gebrachte These (vgl. Abbildung 1), dass die Stufen

aufeinander aufbauen (ebd., S.11).

Abbildung 7: Trägerschaft der befragten Freiwilligenagenturen (n=16; eigene Darstellung)

Die Mehrzahl der befragten Berliner Freiwilligenagenturen ist in Trägerschaft eines Vereins

(vgl.

Abbildung 7). Der Bezirk ist bei drei Befragten der Träger. Jeweils zwei Agenturen gehören

einem Wohlfahrtsverband, einer Stiftung oder einer (gemeinnützigen) GmbH an. Damit weicht

die Verteilung der Trägerschaften von den Daten für Freiwilligenagenturen in ganz

Deutschland ab. In Berlin sind deutlich mehr Agenturen in der Trägerschaft von Vereinen: 44

Prozent gegenüber 28 Prozent deutschlandweit, (vgl. Speck et al., 2012, S.37). Deutschlandweit

folgen Wohlfahrtsverbände und anschließend kommunale Träger als zweit-, bzw. dritthäufigste

Träger von Freiwilligenagenturen (26 Prozent und 21 Prozent respektive, ebd.). In Berlin ist

dieses Verhältnis umgekehrt: 19 Prozent der Agenturen befinden sich in bezirklicher

Trägerschaft, 13 Prozent sind bei Wohlfahrtsverbänden angesiedelt. Trägerverbünde kommen

bei den befragten Agenturen in Berlin nicht vor. „Sonstige“ Träger - in der vorliegenden

Befragung Stiftungen und (gemeinnützige) GmbHs - sind dafür in Berlin häufiger vertreten als

im Bundesdurchschnitt: 25 Prozent gegenüber 9 Prozent respektive. Ein Grund für die

abweichende Verteilung könnte die besondere Struktur Berlins als Stadtstaat sein. So unterhält

beispielsweise der Deutsche Caritasverband je Stadt nur ein Freiwilligenzentrum - unabhängig

von der Größe der Stadt. Dies führt bei deutschlandweit insgesamt 54 Freiwilligenzentren (vgl.

Deutscher Caritasverband e.V., 2015) zu einer statistischen Nivellierung zwischen städtischen,

ländlichen und Metropol-Regionen. Ein weiterer Faktor ist die in der vorliegenden Erhebung

vorgenommene Gleichsetzung von Bezirk und Kommune. Während deutschlandweit die

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1

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Verein Bezirk Wohlfahrtsverband Stiftung (g)GmbH

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meisten Städte von einer einzigen Kommunalverwaltung aus verwaltet werden, ist Berlin in

zwölf Bezirke mit jeweils eigenen Verwaltungen aufgeteilt (Kaliga und Lehmann, 2010, S.8).

Damit existiert eine deutlich höhere Zahl an möglichen bezirklichen (bzw. im Fall der anderen

Städte: kommunalen) Betreibern von Freiwilligenagenturen als dies in anderen deutschen

Städten der Fall ist. Während also in den deutschen Flächenstaaten die tatsächliche Verteilung

den Daten von Speck et al. (2012, S.37) näherkommen dürfte, kommt es in Berlin (und

vermutlich auch in anderen deutschen Stadtstaaten) zu einer abweichenden Verteilung. Einen

Einfluss hat in der vorliegenden Arbeit wohl auch die, angesichts der geringen Grundgesamtheit

unvermeidliche, geringe Fallzahl der Stichprobe.18

Abbildung 8: Anzahl der befragten Freiwilligenagenturen mit jeweils angegebener Höhe des Jahresbudgets 2016

(n=1519, eigene Darstellung)

Das Jahresbudget lässt sich bei einem Viertel der befragten Berliner Freiwilligenagenturen auf

jeweils unter 10.000 Euro (vgl.

Abbildung 8) beziffern. Von diesem Viertel geben zwei Agenturen an, im Jahr 2016 kein

Budget zur Verfügung gehabt zu haben, einer weiteren Agentur stehen lediglich 100 Euro im

Jahr zur Verfügung. Die vierte Agentur dieser Gruppe verfügt über ein Jahresbudget von 1.500

Euro. Die beiden letztgenannten Freiwilligenagenturen geben an, mit dem zur Verfügung

stehenden Geld lediglich Büromaterialien und ungeplant aufkommende Kosten zu decken.

Knapp einem Drittel der Berliner Freiwilligenagenturen steht ein Gesamtbudget von zwischen

10.000 und 50.000 Euro zur Verfügung. Einer Agentur stehen 80.000 Euro zur Verfügung.

Jeweils zwei Agenturen arbeiten mit einem Jahresbudget von zwischen 100.001 und 150.000,

bzw. zwischen 150.001 und 200.000 Euro. Einer Agentur stehen mehr als 200.000 Euro pro

18 So ist dem Autor bekannt, dass eine weitere Freiwilligenagentur in Trägerschaft eines Wohlfahrtsverbandes

zurzeit in der Umstrukturierung ist und daher nicht an der Umfrage teilnehmen konnte. Eine einzige weitere

Agentur in einer der vorgestellten Träger-Kategorien würde das Ergebnis deutlich beeinflussen. 19 Eine Organisation machte keine Angaben zur Höhe des Jahresbudgets.

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3

4

5

unter 10.000 Euro zwischen 10.000und 50.000 Euro

zwischen 50.001und 100.000 Euro

zwischen 100.001und 150.000

zwischen 150.001und 200.000

mehr als 200.000

Page 38: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

33

Jahr zur Verfügung. Mit einem Mittelwert von 40.000 Euro (Median20) liegt die Finanzierung

Berliner Freiwilligenagenturen im Jahr 2016 deutlich höher als der Wert, der im Jahr 2012 für

Freiwilligenagenturen deutschlandweit ermittelt wurde (vgl. Speck et al., 2012, S.46).

Allerdings fanden die Autoren heraus, dass die Hälfte der großstädtischen

Freiwilligenagenturen ein Budget von mehr als 50.000 Euro zur Verfügung haben (ebd., S.47).

In Berlin haben lediglich sechs von 15 antwortenden Agenturen ein solches Budget zur

Verfügung. Gleichzeitig gaben neun Berliner Freiwilligenagenturen an, ein höheres Budget zu

benötigen, um ihre aktuellen Aufgaben gut bewältigen zu können.

Abbildung 9: Häufigkeit der Nennungen jeweils aufgezählter Mittelherkünfte (n=16; eigene Darstellung)

Zehn Berliner Freiwilligenagenturen gaben an, institutionelle Mittel zu erhalten, die sie projekt-

ungebunden aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt bekommen (vgl.

Abbildung 9). Sieben Organisationen in dieser Kategorie arbeiten ausschließlich mit

institutionellen Mitteln. Sechs Berliner Agenturen erhalten (z.T. zusätzlich) projektgebundene

öffentliche Mitteln. Selbsterwirtschaftete Mittel (bzw. Eigenmittel im Falle einer Gesellschaft)

wurden von fünf Agenturen als Finanzquelle genannt. Einnahmen aus Stiftungsmitteln wurden

von zwei Agenturen angegeben, eine Organisation erhält Spenden. Insgesamt nennen nur drei

Berliner Freiwilligenagenturen keine öffentlichen Mittel (weder institutioneller noch

projektgebundener Art) als Finanzierungsquelle. Die öffentliche Hand ist somit – in

Übereinstimmung mit den Erkenntnissen von Speck et al. (2012, S. 49) – auch in Berlin die

wichtigste Geldgeberin für Freiwilligenagenturen.

20 Die Verwendung des Medians als Kennzahl für den Mittelwert des Jahresbudgets erscheint angesichts der

Heterogenität in der Höhe der Jahresbudgets zur Angabe der zentralen Tendenz angemessener als das

arithmetische Mittel (vgl. Diekmann, 2009, S.677).

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Institutionell Projektegebundeneöffentliche

SelbsterwirtschafteteMittel / Eigenmittel

Stiftungsmittel Spenden

Page 39: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

34

Abbildung 10: Anzahl der befragten Berliner Freiwilligenagenturen, die den jeweiligen MitarbeiterInnentyp

beschäftigen (n=16; eigene Darstellung)

Bezüglich der Struktur der MitarbeiterInnen gaben fast alle befragten Freiwilligenagenturen an,

selbst Unterstützung von Freiwilligen zu erhalten (vgl.

Abbildung 10). Hauptamtliche MitarbeiterInnen in Vollzeit sind bei der Hälfte der Agenturen

eingestellt. Etwas mehr als die Hälfte der Organisationen beschäftigen HauptamtlerInnen in

Teilzeit. Insgesamt wurden die befragten Freiwilligenagenturen im Jahr 2016 von 37

Ehrenamtlichen unterstützt. Dies entspricht im Mittel (Median) 1,5 Freiwilligen pro

Freiwilligenagentur. Dem gegenüber stehen insgesamt 16 hauptamtlich Angestellte in Vollzeit

(Median: 0,5) und 33 hauptamtlich Angestellte in Teilzeit (Median: 1).

Abbildung 11: Anzahl der befragten Berliner Freiwilligenagenturen, die mit der jeweiligen Stellenanzahl (in

Vollzeitäquivalenten) ausgestattet sind (n=16; eigene Darstellung)

Um weitere Analysen durchzuführen, wurde die Stellenanzahl der Agenturen in

Vollzeitäquivalenten (VZÄ) errechnet (vgl.

Abbildung 11).21 Dabei wird deutlich, dass zwei Freiwilligenagenturen ausschließlich auf

freiwillige Arbeit angewiesen sind (0 Stellen in VZÄ). Sieben Agenturen arbeiten mit zwischen

einer halben und zwei hauptamtlichen Stellen. Sechs Berliner Freiwilligenagenturen stehen

zwischen zweieinhalb und vier Stellen zur Verfügung. Nur eine Agentur finanziert mehr als

21 Dabei wurde jede Teilzeitstelle vereinfachend mit 0,5 Hauptzeitstellen berechnet. Drei befragte

Organisationen gaben an, mit mehr als fünf TeilzeitmitarbeiterInnen zu arbeiten. Für diese drei Agenturen wurde

mit einer jeweiligen Anzahl von sieben Teilzeitstellen gerechnet, um sowohl Freiwilligenagenturen mit deutlich

mehr als fünf Teilzeitangestellten, als auch denjenigen mit nur knapp über fünf Teilzeitangestellten gerecht zu

werden.

0

2

4

6

8

10

12

14

Ehrenamtliche Hauptamtliche in Vollzeit Hauptamtliche in Teilzeit

0

2

4

6

8

nur EA 0,5 - 2 VZÄ 2,5 - 4 VZÄ mehr als 4 VZÄ

Page 40: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

35

vier Stellen. Freiwilligenagenturen in Berlin beschäftigen damit durchschnittlich mehr

Menschen als dies im deutschlandweiten Vergleich der Fall ist. Nach Speck et al. (2012)

arbeiten 70 Prozent der Freiwilligenagenturen in ganz Deutschland mit keiner (27 Prozent),

bzw. einer (43 Prozent) Personalstelle (ebd., S.56). 30 Prozent der Agenturen arbeiten mit zwei

oder mehr Personalstellen. Dabei wird nicht explizit in Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte

unterschieden, die Autoren fanden aber heraus, dass es sich in 80 Prozent der Fälle um

Teilzeitstellen handelt (ebd.). Im Vergleich mit der Beschäftigungsstruktur bei Agenturen in

anderen deutschen Großstädten lässt sich feststellen, dass in Berliner Freiwilligenagenturen

mehr hauptamtliche MitarbeiterInnen arbeiten. So gaben 48 Prozent der von Speck et al.

befragten großstädtischen Agenturen an, zwei oder mehr HauptamtlerInnen zu beschäftigen

(ebd., S.57). In Berlin arbeiten elf der befragten Agenturen (also knapp 69 Prozent) mit einer

solchen Anzahl an hauptamtlich Beschäftigten (in Vollzeit oder Teilzeit).

Jahresbudget liegt über dem

Median von 40.000 Euro

(ja = 7, nein = 8, ein fehlender

Wert)

Mehr als zwei hauptamtliche

Stellen (in VZÄ)

(ja = 6, nein = 10)

Mehr als zwei

Entwicklungsstufen

(ja = 8, nein = 8)

73,21** -16,67

Erfullen der Entwicklungsstufe

Vernetzungs-Agentur

(ja = 13, nein = 3) 37,50 3,33

Erfullen der Entwicklungsstufe

Entwicklungs-Agentur

(ja = 8, nein = 8) 73,21** 53,33*

Erfullen der Entwicklungsstufe

Beteiligungs-Agentur

(ja = 6, nein = 10) 17,86 100,00**

Tabelle 4: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Ausprägungen der Merkmale „Jahresbudget über 40.000

Euro“ sowie „Mehr als zwei hauptamtliche Stellen (in VZÄ)“ in Bezug auf das Erreichen höherer

Entwicklungsstufen (* = signifikant mit = 0,05, ** = sehr signifikant mit =0,01; n=16, bzw. n=15 für die

Auswertung des Jahresbudgets; eigene Darstellung)

Interessante Erkenntnisse bringt die Analyse der Zusammenhänge von strukturellen

Merkmalen und Leistungsprofilen. Vollrath und Schaaf-Derichs (2013) deuten an, dass eine

Abhängigkeit zwischen der Ressourcenausstattung einer Freiwilligenagentur und der

Möglichkeit zur Entfaltung ihres Leistungsprofils besteht (ebd., S.11). Dies kann durch die

Auswertung der vorliegenden Daten bestätigt werden. Für die Analyse wurde die

Prozentsatzdifferenz zwischen jeweils zwei Ausprägungen der unabhängigen Variablen

Jahresbudget und Anzahl der hauptamtlichen Stellen (im Vollzeitäquivalent) in Bezug auf die

abhängigen Variablen Anzahl der abgedeckten Entwicklungsstufen sowie Erfüllen der

Entwicklungsstufe Vernetzungs-Agentur (vgl. Tabelle 4, Spalte 3), Entwicklungs-Agentur

Page 41: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

36

(Spalte 4) und Beteiligungs-Agentur (Spalte 5) berechnet.22 Das Ergebnis zeigt, dass die

Wahrscheinlichkeit, dass eine Freiwilligenagentur, die mit einem Jahresbudget von über 40.000

Euro23 ausgestattet ist, mehr als zwei Entwicklungsstufen abdeckt um ca. 73 Prozent höher ist,

als dies für Agenturen der Fall ist, die 40.000 Euro oder weniger zur Verfügung haben (vgl.

Tabelle 4). Um ebenso viele Prozentpunkte höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine

überdurchschnittlich gut finanziell ausgestattete Agentur die Entwicklungsstufe Entwicklungs-

Agentur erreicht.

Freiwilligenagenturen, die mehr als zwei hauptamtliche Stellen (in Vollzeitäquivalenten)

eingerichtet haben, erreichen die Stufe Entwicklungs-Agentur mit einer um 50 Prozent höheren

Wahrscheinlichkeit als Freiwilligenagenturen, die zwei oder weniger hauptamtliche Stellen

haben. Am deutlichsten ist der Zusammenhang zwischen der Anzahl der hauptamtlichen Stellen

und dem Erreichen der höchsten Entwicklungsstufe Beteiligungs-Agentur: Alle befragten

Freiwilligenagenturen, die diese Stufe erreichen, haben mehr als zwei hauptamtliche Stellen.

4.2 Handlungslogiken von Freiwilligenagenturen in Berlin

Die Abfrage der Arbeitsweise der Organisationen sollte Erkenntnisse über die den Aktivitäten

der Berliner Freiwilligenagenturen unterliegenden Handlungslogiken geben. In allen fünf

abgefragten Kategorien (Arbeitsprozesse, Hierarchisierungs-Intensität, Regelgebender

Rahmen, Dynamik der Lösungsfindung, Entscheidungsstruktur, vgl. Kapitel 3.4) zeigt sich bei

den befragten Agenturen eine Dominanz der zivilgesellschaftlichen Handlungslogik.

22 Berechnet wurden die Häufigkeiten der gemeinsamen, bivariaten Verteilungen der dargestellten Variablen.

Dafür wurde für jeden Wert eine Vier-Felder-Tabelle erstellt und die Prozentsatzdifferenz nach der Formel

𝑑% = 𝑊𝑒𝑟𝑡 𝑖𝑛 𝐹𝑒𝑙𝑑 1

𝑅𝑎𝑛𝑑𝑣𝑒𝑟𝑡𝑒𝑖𝑙𝑢𝑛𝑔 (𝑊𝑒𝑟𝑡 𝑖𝑛 𝐹𝑒𝑙𝑑 1+𝑊𝑒𝑟𝑡 𝑖𝑛 𝐹𝑒𝑙𝑑 3)−

𝑊𝑒𝑟𝑡 𝑖𝑛 𝐹𝑒𝑙𝑑 2

𝑅𝑎𝑛𝑑𝑣𝑒𝑟𝑡𝑒𝑖𝑙𝑢𝑛𝑔 (𝑊𝑒𝑟𝑡 𝑖𝑛 𝐹𝑒𝑙𝑑 2+𝑊𝑒𝑟𝑡 𝑖𝑛 𝐹𝑒𝑙𝑑 4) × 100, d.h. das

Kreuzprodukt der vier Zellenwerte geteilt durch das Produkt aus den Häufigkeiten der beiden Kategorien der

Randverteilung, errechnet. Als Signifikanztest wurden die z-Werte mit der Formel

𝑧 =p1 − p2

√𝑝(1−𝑝)(1

𝑁1+

1𝑁2

)

(wobei �� =𝑁1𝑝1+𝑁2𝑝2

𝑁1+𝑁2) erhoben. Getestet wurde jeweils die Nullhypothese H0:

Prozentsatzdifferenz = 0 Prozent. Mit Hilfe des z-Wertes wurde die Wahrscheinlichkeit der jeweiligen

Nullhypothese ermittelt. Die Ablehnung dieser Nullhypothese unterliegt dabei stets einer

Irrtumswahrscheinlichkeit. Beträgt diese höchstens fünf Prozent (=0,05), wird das entsprechende Ergebnis als

signifikant bezeichnet. Beträgt die Irrtumswahrscheinlichkeit höchstens ein Prozent (=0,0), gilt das

entsprechende Ergebnis als sehr signifikant. Beispielhaft soll hier die Nullhypothese für das erste Feld formuliert

werden: „Es besteht kein statistischer Zusammenhang zwischen der Steigerung der Aktivitäten einer

Freiwilligenagentur im Bereich Information und Beratung von Freiwilligen und einem Zuwachs im Jahresbudget

der Agentur.“ (Für eine ausführliche Erklärung des angewandten Verfahrens siehe Diekmann, 2009, S.688ff). 23 Median des Jahresbudgets von Freiwilligenagenturen (vgl. Kapitel 4.1).

Page 42: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

37

Abbildung 12: Handlungslogiken von Freiwilligenagenturen in Berlin nach Merkmalen auf dem Kontinuum

informelle Zivilgesellschaft – öffentliche Verwaltung (n=16; eigene Darstellung)

Elf Agenturen gaben an, in ihrer Organisation eher individuell gestaltbare Arbeitsprozesse

vorzufinden. Dem standen fünf Agenturen gegenüber, die die Arbeitsprozesse in ihrer Agentur

als eher durch Regeln bestimmt wahrnehmen. Numerisch (1 = Dominanz der

zivilgesellschaftlichen Handlungslogik, 4 = Dominanz der Handlungslogik der öffentlichen

Verwaltung)24 lässt sich für die Kategorie Arbeitsprozesse der (arithmetische) Mittelwert 2,06

bestimmen. Dieser verdeutlicht die Tendenz zum zivilgesellschaftlichen Pol des Kontinuums

(vgl.

Abbildung 12). Noch eindeutiger fiel das Ergebnis in der Kategorie Hierarchisierungs-

Intensität aus: vierzehn der befragten Freiwilligenagenturen beschreiben die

Entscheidungsstrukturen ihrer Organisation als flach. Dem stehen zwei Agenturen gegenüber,

die die Entscheidungsstrukturen als eher hierarchisch einstufen. Der entsprechende Mittelwert

von 1,88 zeugt erneut von einer größeren Nähe zu der Handlungslogik der informellen

Zivilgesellschaft.25 Das eindeutigste Ergebnis liefert die Merkmalkategorie Regelgebender

Rahmen. Vierzehn Freiwilligenagenturen halten die Lebenswelt (potenzieller) Freiwilliger für

bestimmend in Bezug auf ihre Arbeit. Nur zwei Agenturen sehen die Vorgaben der öffentlichen

Verwaltung als bestimmender an. Insgesamt führt dies zu einem Mittelwert von 1,69. Zehn

Agenturen geben an, dass die Lösungsfindung ihrer Agentur eher schnell und flexibel verlaufe.

Sechs Berliner Freiwilligenagenturen beschreiben die Lösungsfindung als eher auf Kontinuität

24 In der folgenden schriftlichen Darstellung werden die Freiwilligenagenturen, die sich für die Werte 1 und 2

sowie die Agenturen, die sich für die Werte 3 oder 4 entschieden, jeweils zusammengefasst. 25 Wie in Kapitel 3.4 beschrieben, wurde für die Kategorien Hierarchisierungs-Intensität und regelgebender

Rahmen die Skalenrichtung umgedreht. Der hier angegebene Wert stellt die Umrechnung der Antworten in die

Skalenrichtung der anderen Kategorien (1 = Dominanz der zivilgesellschaftlichen Handlungslogik, 4 =

Dominanz der Handlungslogik der öffentlichen Verwaltung) dar.

Page 43: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

38

ausgelegt. Der Mittelwert für diese Kategorie beträgt 2,06. Elf Agenturen geben an, dass

Entscheidungen in ihrer Agentur im Konsens durch das gesamte Team getroffen werden. Dem

gegenüber stehen fünf Freiwilligenagenturen, die sich für die Position „Entscheidungen werden

von Führungspersonal / Führungsgremium getroffen“ entschieden haben. Der Mittelwert dieser

Kategorie kann auf 1,88 beziffert werden.

Damit bestätigt sich die von Alt et al. (2007) als für das Handeln von Intermediären prägende

Logik ausgemachte „Orientierung an Informalität“ (ebd., S31.f) - sofern individueller

Gestaltungsspielraum in den Arbeitsprozessen und die Orientierung an der Lebenswelt von

Freiwilligen als Ausdruck einer solchen anerkannt werden. Auch Tendenzen einer

„solidarischen Grundorientierung“ (ebd.) sind zu erkennen, da hier erneut der Bezug zum

regelgebenden Rahmen der Lebenswelt (potenzieller) Freiwilliger hergestellt werden kann. Die

darin zum Ausdruck kommende zivilgesellschaftliche Verankerung von

Freiwilligenagenturen26 wird durch die starke Bestätigung der von Embacher (2013, S.32)

adaptierten Merkmale der Handlungslogik der informellen Zivilgesellschaft (vgl. Kapitel 2.3)

noch verdeutlicht. Angesichts dieses Ergebnisses könnte die Frage gestellt werden, ob

Freiwilligenagenturen als Intermediäre zwischen öffentlicher Verwaltung und informeller

Zivilgesellschaft überhaupt erfolgreich sein können. Die Annahme, dass Freiwilligenagenturen

die für eine intermediäre Organisation notwendige Neutralität und Autonomie (vgl. Kapitel 2.2)

erreichen können, muss auf Basis der Ergebnisse zu den Handlungslogiken Berliner

Freiwilligenagenturen in Frage gestellt werden. Gleiches gilt für die von Speck et al. (2012)

formulierte Aussage Freiwilligenagenturen seien der „Prototyp intermediärer Organisationen“

(ebd., S.11).

4.3 Veränderungen in Leistungsprofilen, strukturellen Merkmalen und

Handlungslogiken von Freiwilligenagenturen in Berlin durch die sogenannte

Flüchtlingskrise

Alle befragten Freiwilligenagenturen gaben an, dass die Arbeit in mindestens einer der

abgefragten Aktivitäten durch die „Flüchtlingskrise“ mehr geworden sei. Zwei Agenturen

benannten Bereiche, in denen die Arbeit weniger geworden sei (eine dieser beiden Agenturen

führte hier gleich drei Aktivitäten an).

26 Ablesbar auch an den in Kapitel 4.1 beschriebenen Trägerformen.

Page 44: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

39

Abbildung 13: Veränderung der Aktivitäten Berliner Freiwilligenagenturen durch die sogenannte Flüchtlingskrise

(n=16; eigene Darstellung)

Am meisten Zuwachs kann in den Tätigkeiten Information, Beratung und Vermittlung von

Freiwilligen sowie in der Vernetzung im Freiwilligensektor nachgewiesen werden (vgl.

Abbildung 13). Elf- bzw. vierzehnmal wurde eine Steigerung in diesen beiden Kategorien

genannt. Eine befragte Person gab an, dass die Information, Beratung und Vermittlung von

Freiwilligen durch die Krise weniger geworden sei. Jeweils neun Freiwilligenagenturen gaben

an, dass die Beratung von Organisationen, bzw. die Durchführung oder Entwicklung von

eigenen Projekten durch die „Flüchtlingskrise“ mehr geworden sei. Acht Agenturen stellten

dies für Aktivitäten zum Thema inklusives Engagement und/oder Diversity fest. Je sieben

Organisationen verzeichneten im Zuge der „Flüchtlingskrise“ einen Anstieg in der

Zusammenarbeit / Vernetzung mit Unternehmen, bzw. bei Aktivitäten in der Fort- und

Weiterbildung im Freiwilligensektor. Noch weniger Nennungen wurden bei den Aktivitäten

Öffentlichkeitsarbeit für das freiwillige Engagement, Teilnahme / Mitarbeit in politischen

Gremien, Vermittlung oder Tätigkeit als Träger von Freiwilligendiensten und gezielte

Aktivitäten zur Steigerung der Beteiligung und Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern

innerhalb des Stadtbezirks verzeichnet. Mit Ausnahme der erstgenannten Aktivität wurde in

diesen Arbeitsbereichen sogar von einer Agentur in allen anderen Bereichen ein Rückgang

verzeichnet.

-2

0

2

4

6

8

10

12

14

mehr geworden weniger geworden

Engagement-Agentur Vernetzungs-Agentur Entwicklungs-Agentur Beteiligungs-

Agentur

Page 45: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

40

In Bezug auf die Entwicklungsstufen verstärkten Berliner Freiwilligenagenturen am stärksten

ihre Aktivitäten als Engagement-Agenturen.27 Am zweitstärksten war der durchschnittliche

Zuwachs in der Funktion als Vernetzungs-Agentur. Dieses Ergebnis lässt sich mit den

Aussagen von Knüvener und Kemnitzer (2016) zusammenbringen, die herausfanden, dass

Freiwilligenagenturen deutschlandweit im Bereich „Flüchtlingshilfe“ vor allem informieren,

beraten und vernetzen (ebd., S.5). Außerdem bedeutet die Ausdehnung der Tätigkeiten in dieser

Entwicklungsstufe auch eine Verstärkung der Rolle von Freiwilligenagenturen als

Intermediäre. Etwas weniger Zuwachs, aber immer noch eine deutlich positive Entwicklung,

zeichnet sich in den Funktionen der Entwicklungs- sowie der Beteiligungs-Agentur ab. Für die

Leistungen der Stufe der Entwicklungs-Agentur wurde insgesamt 19 Mal ein Anstieg

ausgewiesen. Dem stehen 14 Nennungen einer gleichbleibenden Aufgabenerfüllung und eine

Nennung einer Reduktion des Arbeitsumfangs in einem der Bereiche gegenüber. Für die

Leistungen der Stufe Beteiligungs-Agentur überwiegen mit 12 Nennungen die Agenturen, die

in den beiden Arbeitsbereichen keine Veränderungen durch die sogenannte Flüchtlingskrise

ausmachten. Dennoch wurde auch hier elf Mal eine Steigerung des Arbeitsaufkommens in den

jeweiligen Leistungen ausgemacht. Nur einmal wurde eine Reduktion einer Leistung

ausgemacht.

Abbildung 14: Veränderung in den strukturellen Merkmalen von Berliner Freiwilligenagenturen durch die

sogenannte Flüchtlingskrise (n=16; eigene Darstellung)

Bei insgesamt acht Berliner Freiwilligenagenturen haben sich durch die „Flüchtlingskrise“

Veränderungen in den strukturellen Merkmalen ergeben. Dies betrifft besonders häufig den

27 Dies ergibt sich aus dem Vergleich der (nach Anzahl der einzelnen Leistungen gewichteten)

durchschnittlichen Aktivitätssteigerung innerhalb jeder Entwicklungsstufe (Engagement-Agentur: 28/3 = 9,33,

Vernetzungs-Agentur: 23/3 = 7,67, Entwicklungs-Agentur: 19/3 = 6,33, Beteiligungs-Agentur: 11/2 = 5,5)

-1

0

1

2

3

4

5

6

7

8

mehr weniger

Page 46: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

41

Zufluss von projektgebundenen öffentlichen Mitteln (die Hälfte der befragten Agenturen

verzeichnete hier einen Zuwachs, vgl.

Abbildung 14) und die Gesamthöhe des Jahresbudgets (hier wurde von sieben Antwortenden

eine Steigerung angegeben). Nur wenige Agenturen berichten von Veränderungen in

Mittelzuflüssen aus anderen Quellen. Zweimal wird eine Steigerung von Spendeneinnahmen

durch die „Flüchtlingskrise“ genannt, jeweils einmal werden hier Stiftungsmittel sowie

institutionelle öffentliche Mittel erwähnt. Eine Agentur gibt an, eine Verminderung der

letztgenannten Kategorie verzeichnet zu haben. Fünf Freiwilligenagenturen konnten durch die

sogenannte Flüchtlingskrise die Anzahl der ehrenamtlichen MitarbeiterInnen steigern. Bei

sieben Agenturen traf dies auf die hauptamtlich Beschäftigten zu (dreimal wurden mehr

Vollzeitbeschäftigte, viermal wurden mehr Teilzeitbeschäftigte eingestellt). Insgesamt wird

deutlich, dass ein beträchtlicher Teil der Berliner Freiwilligenagenturen durch die sogenannte

Flüchtlingskrise seine Ressourcen steigern konnte. Finanzielle Mittel wurden dabei vor allem

als projektgebundene Gelder aus öffentlichen Haushalten eingenommen.

Abbildung 15: Veränderung der Handlungslogiken Berliner Freiwilligenagenturen durch die sogenannte

Flüchtlingskrise. Darstellung der Zustimmung auf die genannten Aussagen (n=16; eigene Darstellung)

Auf Basis der standardisierten Befragung können keine eindeutigen Veränderungen in den

Handlungslogiken Berliner Freiwilligenagenturen durch die „Flüchtlingskrise“ festgestellt

werden. In nahezu allen fünf abgefragten Kategorien überwiegen die Antworten, es habe sich

keine Veränderung vollzogen (vgl.

Abbildung 15). Nur vier Agenturen gaben an, ihre Arbeitsprozesse seien durch die

„Flüchtlingskrise“ stärker durch Regeln bestimmt als zuvor. Lediglich eine Person stimmte der

Aussage zu, dass die Entscheidungsstrukturen durch die „Flüchtlingskrise“ flacher geworden

seien. Zweimal wurde auf die Aussage, die Vorgaben der öffentlichen Verwaltung seien durch

0 2 4 6 8 10 12 14 16

Die Arbeitsprozesse sind mehr durch Regeln bestimmt als zuvor

Die Entscheidungsstrukturen in unserer Agentur sind flachergeworden

Vorgaben der öffentlichen Verwaltung sind in unserer Arbeitwichtiger geworden

Die Lösungsfindung ist mehr als zuvor auf Schnelligkeit undFlexibilität ausgelegt

Die Entscheidungen innerhalb unserer Organisation werdennun häufiger im Konsens durch das gesamte Team getroffen

stimme zu / stimme eher zu stimme eher nicht zu / stimme nicht zu

Page 47: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

42

die „Flüchtlingskrise“ wichtiger geworden, mit Zustimmung reagiert. Dreimal wurde der

Aussage zugestimmt, die „Flüchtlingskrise“ habe zu häufigeren Konsensentscheidungen

innerhalb der eigenen Organisation geführt. Eine Ausnahme bilden die Antworten auf die Frage

nach einer Veränderung in der Lösungsfindung. Acht Agenturen stimmten der Aussage zu, dass

diese durch die sogenannte Flüchtlingskrise schneller und flexibler geworden sei. Ebenfalls

achtmal wurde demgegenüber keine Veränderung in der Lösungsfindung festgestellt. Damit

bleibt bestehen, dass Berliner Freiwilligenagenturen deutlich stärker von Handlungslogiken

geprägt sind, die der der Zivilgesellschaft zugeschrieben werden. Die Daten bieten keine

Grundlage für eine Veränderung dieser Orientierung durch die „Flüchtlingskrise“.

Um einen Zusammenhang zwischen den beschriebenen Veränderungen herzustellen, wurden

die einzelnen Leistungen mit ausgewählten strukturellen Merkmalen in Bezug gesetzt (vgl.

Tabelle 5). Die Auswertung legt nahe, dass Freiwilligenagenturen, die im Zuge der sogenannten

Flüchtlingskrise von einem Zuwachs in der Beratung von Organisationen berichteten, mit einer

um 52 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit auch einen Zuwachs im Jahresbudget sowie

in der Anzahl der hauptamtlich Mitarbeitenden verzeichnen konnten als Agenturen, die ihre

Aktivitäten im Bereich Beratung von Organisationen nicht steigerten. Um knapp 63 Prozent

höher ist die Wahrscheinlichkeit durch die Krise mehr projektgebundene öffentliche Mittel zu

erhalten für Agenturen mit einem Zuwachs in der Beratung von Organisationen gegenüber

Agenturen ohne einen Zuwachs in diesem Bereich. Ein ähnlicher Zusammenhang scheint für

die Kategorie Zusammenarbeit / Vernetzung mit Unternehmen zu bestehen – mit einer etwas

schwächer ausgeprägten Korrelation mit einem wachsenden Jahresbudget. Noch höher ist die

Wahrscheinlichkeit, dass eine Steigerung der Aktivitäten in dem Bereich Zusammenarbeit /

Vernetzung mit Unternehmen auf eine positive Entwicklung der Anzahl hauptamtlich

Mitarbeitender trifft. Auch eine Ausweitung der Arbeit im Bereich Fort- und Weiterbildung im

Freiwilligensektor korreliert mit Zuwächsen in den drei strukturellen Merkmalen – wiederum

mit verminderten Werten für den Zusammenhang mit einem Zuwachs im Jahresbudget sowie

mit der Erhöhung der Anzahl hauptamtlich Mitarbeitender.

Page 48: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

43

Mehr

Informatio

n und

Beratung

von

Freiwillige

n

(ja – n=13,

nein –

n=3)

Mehr

Beratung

von

Organisati

onen

(ja – n=9,

nein –

n=7)

Mehr

Öffentlich

keitsarbeit

(ja – n=6,

nein –

n=10)

Mehr

Vernetzun

g

(ja – n=14,

nein –

n=2)

Mehr

Zusamme

narbeit

mit

Unterneh

men

(ja – n=7,

nein –

n=9)

Mehr

Gremiena

rbeit

(ja – n=2,

nein –

n=14)

Mehr

Freiwillige

ndienste

(ja – n=3,

nein –

n=13)

Mehr

eigene

Projekte

(ja – n=9,

nein –

n=7)

Mehr

Fort- und

Weiterbild

ung

(ja – n=7,

nein –

n=9)

Mehr

Diversity

(ja – n=8,

nein –

n=8)

Mehr

Teilhabe

(ja – n=3,

nein –

n=13)

Zuwachs

Budget

(ja – n=7,

nein – n=9)

12,82 52,38* 36,67 50,00 49,21* 64,29* -12,82 1,59 49,21* -12,50 28,21

Zuwachs

projektgebundene

öffentliche Mittel

(ja – n=8,

nein – n=8)

20,51 63,49* 26,67 57,14 63,49* 57,14 -20,51 12,70 63,49* 0,00 61,54

Zuwachs

hauptamtliche

Mitarbeitende

(ja – n=7,

nein – n=9)

12,82 52,38* 36,67 50,00 74,60** 7,14 -12,82 1,59 49,21* -12,50 69,23*

Tabelle 5: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Freiwilligenagenturen, die einen Zuwachs der jeweiligen Leistung angeben, und den Agenturen, die nicht von einem solchen

Zuwachs berichten, in Bezug auf den Zuwachs der dargestellten strukturellen Merkmale (* = signifikant mit = 0,05, ** = sehr signifikant mit =0,01; n=16; eigene

Darstellung)

Page 49: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

44

Schließlich haben auch Freiwilligenagenturen, die durch die „Flüchtlingskrise“ ihre Aktivitäten

im Bereich Stärkung der Teilhabe und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ausbauen

konnten, mit einer um ca. 69 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit gleichzeitig einen

Zuwachs ihres hauptamtlichen Personals verzeichnet als solche, die keine Veränderung in

dieser Leistung verzeichneten (vgl. Tabelle 5).

Mehr Regeln

(ja – n=4,

nein – n=12)

Flachere

Entscheidung

sstrukturen

(ja – n=1,

nein – n=15)

Vorgaben der

öffentlichen

Verwaltung

wichtiger

(ja – n=2,

nein – n=14)

Flexiblere

Lösungsfindu

ng

(ja – n=8,

nein – n=8)

Mehr

Konsensentsc

heidungen

(ja – n=3,

nein – n=13)

Zuwachs

Budget

(ja – n=7,

nein – n=9)

41,67 -46,67 7,14 87,50** 28,21

Zuwachs

projektgebundene

öffentliche Mittel

(ja – n=8,

nein – n=8)

33,33 53,33 0,00 75,00** 61,54

Zuwachs

hauptamtliche

Mitarbeitende

(ja – n=7,

nein – n=9)

41,67 60,00 7,14 62,50* 69,23*

Tabelle 6: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Freiwilligenagenturen, die die jeweils genannte Veränderung

in den Handlungslogiken bejahen, und den Agenturen, die nicht von einer solchen Veränderung berichten, in

Bezug auf einen Zuwachs der dargestellten strukturellen Merkmale (* = signifikant mit = 0,05, ** = sehr

signifikant mit =0,01; n=16; eigene Darstellung)

Auch die Veränderung der Handlungslogiken wurde auf Zusammenhänge mit einer

Veränderung der o.g. strukturellen Merkmale überprüft. Die einzige Kategorie, für die sich

nennenswerte und signifikante Korrelation ablesen lassen, ist die Dynamik der

Lösungsfindung. So vollzogen sich bei Freiwilligenagenturen, deren Prozesse zur

Lösungsfindung durch die „Flüchtlingskrise“ flexibler wurden, mit einer zum Teil deutlich

höheren Wahrscheinlichkeit auch positive Veränderung in der Ausgestaltung der abgebildeten

strukturellen Merkmale, als bei denjenigen Agenturen, die eine Flexibilisierung der

Lösungsfindung verneinten (vgl. Tabelle 6).

Um eine mögliche Veränderung in der Legitimität der Freiwilligenagenturen zu untersuchen,

wurden die Berliner Freiwilligenagenturen gefragt, ob sie im Zuge der „Flüchtlingskrise“ ihre

Bekanntheit bei (potenziellen) Freiwilligen und bei der öffentlichen Verwaltung steigern

konnten sowie ob sie der Meinung sind, dass ihr Handeln bei Akteuren aus diesen beiden

Sektoren als kompetent wahrgenommen wurde.

Page 50: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

45

Mehr

Informatio

n und

Beratung

von

Freiwillige

n

(ja – n=13,

nein – n=3)

Mehr

Beratung

von

Organisati

onen

(ja – n=9,

nein – n=7)

Mehr

Öffentlich

keitsarbeit

(ja – n=6,

nein –

n=10)

Mehr

Vernetzun

g

(ja – n=14,

nein – n=2)

Mehr

Zusammen

arbeit mit

Unterneh

men

(ja – n=7,

nein – n=9)

Mehr

Gremienar

beit

(ja – n=2,

nein –

n=14)

Mehr

Freiwillige

ndienste

(ja – n=3,

nein –

n=13)

Mehr

eigene

Projekte

(ja – n=9,

nein – n=7)

Mehr

Fort- und

Weiterbild

ung

(ja – n=7,

nein – n=9)

Mehr

Diversity

(ja – n=8,

nein – n=8)

Mehr

Teilhabe

(ja – n=3,

nein –

n=13)

Zuwachs

Bekanntheit

(Bevölkerung)

(ja – n=12,

nein – n=4)

10,26 31,75 40,00 85,71** 44,44* -28,57 30,77 31,75 19,05 0,00 30,77

Zuwachs

Bekanntheit

(Verwaltung)

(ja – n=12,

nein – n=4)

51,28 57,14** 13,33 85,71** 44,44* 28,57 30,77 31,75 44,44* 25,00 30,77

Kompetenz

(Bevölkerung)

(ja – n=15,

nein – n=1)

33,33* 14,29 10,00 50,00** 11,11 7,14 7,69 14,29 11,11 -12,50 7,69

Kompetenz

(Verwaltung)

(ja – n=13,

nein – n=2,

1 fehlender

Wert)

42,31 33,33 20,00 100,00** 25,00 15,38 16,67 28,57 25,00 1,79 16,67

Tabelle 7: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Freiwilligenagenturen, die einen Zuwachs der jeweiligen Leistung angeben, und den Agenturen, die nicht von einer

solchen Veränderung berichten, in Bezug auf einen Zuwachs der dargestellten Indikatoren der Legitimität (* = signifikant mit = 0,05, ** = sehr signifikant mit =0,01;

n=16 bzw. n=15 für letzte Spalte; eigene Darstellung)

Page 51: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

Jeweils zwölf Agenturen gaben an, dass sie ihre Bekanntheit bei der Bevölkerung, bzw. bei der

öffentlichen Verwaltung durch die „Flüchtlingskrise“ steigern konnten (vgl. Angaben in der

ersten Spalte von Tabelle 7 und Tabelle 8). 15 bzw. 13 Agenturen gaben an, dass ihr Agieren

in der sogenannten Flüchtlingskrise von (potenziellen) Freiwilligen, bzw. von öffentlichen

Verwaltungen als kompetent wahrgenommen wurde. Gesetzt den Fall, dass die beiden

Kategorien als Indikatoren akzeptiert werden, lässt sich auf Grundlage der Befragung eine

Steigerung der Legitimität der befragten Freiwilligenagenturen im Zuge der sogenannten

Flüchtlingskrise ableiten. Dabei bestehen statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen

einer Aktivitätensteigerung in den Bereichen Vernetzung im Freiwilligensektor sowie

Zusammenarbeit / Vernetzung mit Unternehmen und einer Zunahme der Bekanntheit einer

Freiwilligenagentur in der Bevölkerung. Beide genannten Leistungen sowie die Aktivitäten

Beratung von Organisationen und Fort- und Weiterbildung im Freiwilligensektor korrelieren

darüber hinaus positiv mit der Bekanntheit einer Freiwilligenagentur bei der öffentlichen

Verwaltung. Die Zunahme in der Aktivität Vernetzung im Freiwilligensektor lässt sich zudem

in Bezug setzen mit der Wahrnehmung eines kompetenten Agierens der Freiwilligenagentur in

der „Flüchtlingskrise“. Ausschließlich in Zusammenhang mit einer höheren

Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung als kompetenter Akteur durch die Bevölkerung lässt

sich eine Steigerung in der Leistung Information und Beratung von Freiwilligen bringen (vgl.

Tabelle 7).

Mehr Regeln

(ja – n=4,

nein – n=12)

Flachere

Entscheidung

sstrukturen

(ja – n=1,

nein – n=15)

Vorgaben der

öffentlichen

Verwaltung

wichtiger

(ja – n=2,

nein – n=14)

Flexiblere

Lösungsfindu

ng

(ja – n=8,

nein – n=8)

Mehr

Konsensentsc

heidungen

(ja – n=3,

nein – n=13)

Zuwachs Bekanntheit

(Bevölkerung)

(ja – n=12, nein – n=4)

25,00 26,67 28,57 25,00 30,77

Zuwachs Bekanntheit

(Verwaltung)

(ja – n=12, nein – n=4)

33,33 26,67 28,57 50,00* 30,77

Kompetenz

(Bevölkerung)

(ja – n=15, nein – n=1)

0,00 6,67 7,14 12,50 7,69

Kompetenz

(Verwaltung)

(ja – n=13, nein – n=2,

1 fehlender Wert)

18,18 14,29 15,38 28,57 16,67

Tabelle 8: Prozentsatzdifferenz (d %) zwischen den Freiwilligenagenturen, die die jeweils genannte

Veränderung in den Handlungslogiken bejahen, und den Agenturen, die nicht von einer solchen Veränderung

berichten, in Bezug auf einen Zuwachs der dargestellten Indikatoren der Legitimität (* = signifikant mit =

0,05, ** = sehr signifikant mit =0,01; n=16 bzw. n=15 für letzte Spalte; eigene Darstellung)

Page 52: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

Auch Freiwilligenagenturen, die durch die Krise eine flexiblere Lösungsfindung entwickelten,

konnten mit einer um ca. 50 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit ihre Bekanntheit bei

der öffentlichen Verwaltung steigern als solche Freiwilligenagenturen, die ihre Lösungsfindung

nicht flexibilisierten (vgl. Tabelle 8).

Die statistischen Auswertungen haben aufgrund einer sehr kleinen zugrundeliegenden Fallzahl

(und Survey-Population) eine beschränkte Aussagekraft (vgl. Diekmann, 2009, S.711). Auch

weisen die Tests keine eindeutigen kausalen Zusammenhänge nach. Trotzdem lassen sich die

Ergebnisse mithilfe des in Kapitel 3.3 erstellten Modells aus der Perspektive des Neo-

Institutionalismus interpretieren. Erneut soll dabei vom Überleben der Organisationen als

Endzweck ausgegangen werden. Wie oben beschrieben sind für dieses Überleben Legitimität

und Ressourcen notwendig, die einer Organisation aus ihrer Umwelt zugesprochen werden. Der

nachgewiesene Zuwachs an Ressourcen und Legitimität folgt im Erklärungsansatz des Neo-

Institutionalismus auf eine Anpassung der Organisation an die Erwartungen der Umwelt. Aus

dieser Perspektive ließe sich analysieren, dass Freiwilligenagenturen, die im Zuge der

„Flüchtlingskrise“ ihre Aktivitäten in den Bereichen Beratung von Organisationen,

Zusammenarbeit / Vernetzung mit Unternehmen und Fort- und Weiterbildung im

Freiwilligensektor intensiviert haben, besonders gut auf die Erwartungen ihrer Umwelt

eingegangen sind. Dafür, so folgt aus dem Blickwinkel des Neo-Institutionalismus, wurden sie

mit einem Zuwachs an Ressourcen „belohnt“. Gleiches gilt für Agenturen, die ihre

Lösungsfindung flexibilisiert haben. Analog dazu erfüllten Freiwilligenagenturen, die ihre

Leistungen in den Bereichen Information und Beratung von Freiwilligen, Beratung von

Organisationen, Vernetzung im Freiwilligensektor, Zusammenarbeit / Vernetzung mit

Unternehmen sowie Fort- und Weiterbildung im Freiwilligensektor ausbauten, in besonderem

Maße die Ansprüche ihres Umfelds. Dadurch konnten gerade sie ihre Legitimität steigern.

4.4 Ergebnisse des qualitativen Gruppengesprächs und zukünftige Entwicklung von

Freiwilligenagenturen in Berlin

Das im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführte Gruppengespräch war in zwei Teile

unterteilt. Im ersten Teil wurde mit dem Ziel, die Ergebnisse der quantitativen Befragung

abzusichern und zu ergänzen, die Entwicklung der Berliner Freiwilligenagenturen in der

sogenannten Flüchtlingskrise behandelt. Im zweiten Teil wurden Zukunftsperspektiven,

Herausforderungen und Chancen von Freiwilligenagenturen in Berlin thematisiert.

In Bezug auf die Entwicklung der Leistungsprofile zeugen die Aussagen der Teilnehmenden

zunächst von der großen Nachfrage der Zivilgesellschaft nach Leistungen von

Page 53: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

Freiwilligenagenturen (Heimes, 2016). Insbesondere zwischen August und November 2015 sei

es zu sehr vielen telefonischen und schriftlichen Anfragen von BürgerInnen gekommen, die

sich engagieren wollten und fragten wie und wo dies am besten möglich sei. Das Handlungsfeld

‚Engagement für Geflüchtete’ wurde dabei von den am Gruppengespräch teilnehmenden

Agenturen als schnelllebig und durch sich häufig ändernde Bedarfe gekennzeichnet

beschrieben. Viele Freiwilligenagenturen hätten mit der Anpassung der eigenen Leistungen und

der Entwicklung neuer Leistungsformate auf die Krise reagiert. Mehrmals genannt wurde im

Gruppengespräch das Format des runden Tisches, zu dem VertreterInnen der informellen

Zivilgesellschaft, etablierter Organisationen sowie der öffentlichen Verwaltung eingeladen

wurden. Auch die Beratung etablierter Organisationen zu Themen des

Freiwilligenmanagements sei im Zuge der Krise von hoher Wichtigkeit gewesen. Als positive

Veränderung wurde der Ausbau der Netzwerke von Berliner Freiwilligenagenturen genannt. So

habe man durch die Flüchtlingskrise Kontakt zu vielen Akteuren erhalten, mit denen man zuvor

noch nicht kooperiert hatte (ebd.).

Hinsichtlich der strukturellen Merkmale berichteten die Teilnehmenden des Gruppengesprächs

von einer großen Überforderung zu Beginn der Krise (Heimes, 2016). MitarbeiterInnen seien

durch die Bearbeitung der zahlreichen Anfragen zunächst stark überlastet gewesen. Erst Ende

2015 sei es bei einzelnen Agenturen möglich gewesen neue Beschäftigte einzustellen. Deutlich

kritisiert wurde die zeitliche Trennung von Ressourcenbedarf und Ressourcendeckung. Bis in

die „Flüchtlingskrise“ hinein hätten Berliner Freiwilligenagenturen lange Zeit mit minimaler

Basisförderung agieren müssen. Diese Grundförderung sei zuvor über Jahre hinweg immer

weiter gekürzt worden. Durch die „Flüchtlingskrise“ würde inzwischen eine große Fülle

finanzieller Mittel ausgeschüttet (ebd.).

In Zusammenhang mit den wirkenden Handlungslogiken wiesen die Teilnehmenden des

Gruppengesprächs mehrfach auf die Schwierigkeiten hin, die bei dem Aufeinandertreffen von

Strukturen unterschiedlicher Dynamik entstanden seien (Heimes, 2016). Explizit wurden dabei

die „langsame, etablierte“ Struktur von öffentlicher Verwaltung und traditionellen

Organisationen sowie die „schnellen, neuen“ Strukturen von Willkommensinitiativen und

individuell agierenden Engagierten genannt. Die Schnittstellenfunktion von

Freiwilligenagenturen zwischen diesen beiden Strukturen wurde mehrfach betont. Auch

Konflikte mit der öffentlichen Verwaltung kamen zur Sprache. Dabei wurden vor allem (als

solche beschriebene) jahrelange Versäumnisse der Behörden bei der Neueinstellung und

Qualifizierung junger, leistungsfähiger Mitarbeitender betont. Zudem seien auf Landesebene

Zusagen in Bezug auf Absprachen zu Kooperationen im Rahmen der Unterstützung von

Page 54: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

Geflüchteten mehrfach nicht eingehalten worden. Bis heute (Dezember 2016) – so einige

Teilnehmende des Gruppengespräches – wären viele Dinge nicht besser geworden. Der

Verwaltung wurde übereinstimmend ein Mangel an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit

attestiert. Dem gegenüber kamen auch teilweise übersteigerte Ansprüche der informellen

Zivilgesellschaft zur Sprache. In diesem Zusammenhang hätten Freiwilligenagenturen gelernt,

an ihren eigenen Qualitätsstandards festzuhalten und diese auch gegenüber

Partnerorganisationen und –initiativen zu behaupten. Gleichzeitig sei Freiwilligenagenturen die

Bedeutung sozialer Medien und damit die Notwendigkeit neuer Kompetenzen im Umgang mit

schneller, flexibler Kommunikation bewusstgeworden. Dies habe zu einem Lernprozess

geführt. Mehrfach nannten die Gesprächsteilnehmenden den Begriff der „Rollenflexibilität“.

Diese müsse man, das habe die Krise gezeigt, als Freiwilligenagenturen beherrschen.

Insgesamt, so war man sich einig, konnte die Präsenz von Freiwilligenagenturen durch die

„Flüchtlingskrise“ gesteigert werden (ebd.).

Aus einer analytischen Perspektive bestätigen die Erkenntnisse des Gruppengesprächs die

Ergebnisse der quantitativen Umfrage hinsichtlich des Ausbaus der Leistungsprofile sowie des

Zuwachses von Ressourcen. Ebenfalls deutet sich durch die Betonung der notwendigen

„Rollenflexibilität“ an, dass Freiwilligenagenturen im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise

das Selbstverständnis als intermediäre Organisationen stärken konnten. Gleichzeitig werden

auch im Gespräch Distanzen zwischen den Handlungslogiken der Freiwilligenagenturen auf

der einen und denen der öffentlichen Verwaltung auf der anderen Seite sowie sich daraus

ergebende Konfliktpotenziale sichtbar. Das Gruppengespräch lieferte auch Erkenntnisse

bezüglich der Wirkungszusammenhänge des oben besprochenen neo-institutionalistischen

Erklärungsmodells. So bestätigten die anwesenden VertreterInnen Berliner

Freiwilligenagenturen, dass die Anpassung des Leistungsprofils als Reaktion auf die

Entwicklungen im Organisationsumfeld geschehen sei. Der Zufluss finanzieller Mittel erfolgte

zu einem späteren Zeitpunkt (Heimes, 2016). Anfängliche Überlegungen des Autors, dass

zunächst Gelder zur Verfügung gestellt worden seien und erst im Anschluss Veränderungen bei

den Agenturen vorgenommen worden seien, können auf Basis dieser Aussagen verworfen

werden.28

28 Nichtsdestotrotz verdeutlicht die starke Relevanz projektgebundener öffentlicher Gelder (vgl. Kapitel 4.3) den

Zusammenhang zwischen Art und Weise der Leistungsanpassung und der Zurverfügungstellung finanzieller

Ressourcen – je nach Anforderungen und Vertragsgestaltung des jeweiligen Projekts folgt eine Ausgestaltung

der Leistungen typischerweise in Abhängigkeit der Vorgaben des Mittelgebers (z.B. in Bezug auf den

thematischen Fokus oder auf das Projektformat).

Page 55: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

Im zweiten Teil des Gruppengesprächs wurden die Freiwilligenagenturen zu

Zukunftsperspektiven, Chancen und Herausforderungen befragt. Als größte Chance wurde

dabei das große Engagementpotenzial in der Gesellschaft dargestellt (Heimes, 2016). Auch die

systemischen Veränderungen und „Bewegungen“ in der Gesellschaft seien notwendig gewesen,

um beispielsweise veraltete Prozesse und Strukturen der Bürokratie zu verändern. Außerdem

sei die Wichtigkeit der Engagementförderung sichtbar geworden. Freiwilligenagenturen seien

als Folge der Flüchtlingskrise in der Engagementlandschaft präsenter als zuvor. Es wäre laut

den Teilnehmenden des Gruppengesprächs wünschenswert, diese Ausgangslange für den

Aufbau einer nachhaltigen Förderinfrastruktur bürgerschaftlichen Engagements zu nutzen.

Dies sei gleichzeitig aber die größte Herausforderung. Die Rahmenfinanzierung für

Freiwilligenagenturen sei nach wie vor schlecht, bei den im Zuge der Flüchtlingskrise zur

Verfügung gestellten Geldern sei nicht gesichert, dass diese Fördermöglichkeiten langfristig

Bestand haben. Eine wichtige Aufgabe sei es, zu klären, welche Strukturen der

Engagementförderung fest und langfristig angelegt und welche flexibel gehalten werden sollten

und dies dann entsprechend umzusetzen. Was das Engagement betrifft, sei eine Gefahr, dass

die Unterstützung von Geflüchteten im privaten Raum verschwinde, d.h. zunehmend auf

informeller, familiärer Basis ohne institutionelle Anbindung und Anerkennung stattfinde. Eine

große Herausforderung sei außerdem das große Frustrationspotenzial für Freiwillige, die z.B.

keinen Erfolg in der Unterstützung von Geflüchteten bei der Wohnungssuche haben.

Anhaltende negative Erfahrungen könnten dazu führen, dass Menschen sich in Zukunft nicht

mehr engagierten. Auch konkrete Forderungen an die Politik wurden im Gruppengespräch

formuliert. So müsse aus den Erfahrungen der „Flüchtlingskrise“ die Erkenntnis erfolgen, dass

leistungsfähige Strukturen der Engagementförderung notwendig seien, um Freiwillige

ausreichend gut zu unterstützen. Dafür sei eine Grundfinanzierung notwendig, die als

institutionelle, projektunabhängige Förderung auch Freiwilligenagenturen die notwendige

Ressourcenausstattung ermögliche. Engagementförderung solle als Querschnittsaufgabe

verstanden werden, die nicht nur in Krisen Informations- und Vernetzungsbedarfe von

Zivilgesellschaft und Politik / Verwaltung decke, sondern auch langfristig Strukturen zu mehr

Partizipation und Mitsprache von BürgerInnen bereitstellen könne. Dafür sollten sich, so die

Forderung, auch lokale Verwaltungen öffnen und Dialogbereitschaft mit engagierten

BürgerInnen vor Ort zeigen (ebd.).

Page 56: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

5 Fazit

In der vorliegenden Arbeit erfolgte zum ersten Mal eine ausführliche Standortbestimmung der

Freiwilligenagenturen in Berlin. Dabei zeigt sich, dass das Leistungsprofil Berliner

Freiwilligenagenturen breit gefächert ist. Der Fokus liegt auf dem Informieren und Beraten von

Freiwilligen und Organisationen sowie auf Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung im

Freiwilligensektor. Noch ausbaufähig sind die Tätigkeiten Berliner Freiwilligen-agenturen als

Entwicklungs- bzw. Beteiligungs-Agenturen, d.h. Aktivitäten, die eigene Engagement-

Möglichkeiten schaffen, Freiwillige weiterbilden und verschiedene Zielgruppen stärker in

Strukturen des lokalen Zusammenlebens mit einbeziehen. Es besteht ein positiver statistischer

Zusammenhang zwischen der Höhe des Jahresbudgets sowie der Anzahl hauptamtlich

Mitarbeitender und dem Erreichen höherer Entwicklungsstufen.

Bezüglich der strukturellen Merkmale unterscheiden sich Berliner Freiwilligenagenturen

insofern von Agenturen in anderen deutschen Großstädten als sie öfter als Verein organisiert

sind, im Durchschnitt weniger Geld zur Verfügung haben und häufiger mehr als zwei

hauptamtliche Mitarbeitende beschäftigen. Auch in Berlin ist die öffentliche Hand wichtigste

Geldgeberin für Freiwilligenagenturen.

Die der Leistungserbringung Berliner Freiwilligenagenturen unterliegende Handlungslogik ist

derjenigen der informellen Zivilgesellschaft deutlich näher als der für die öffentliche

Verwaltung charakteristische Handlungslogik. Dies wirft die Frage auf, ob die ideologische

Nähe von Berliner Freiwilligenagenturen zur Zivilgesellschaft dem Ideal der Autonomie und

Distanz von intermediären Organisationen gegenüber ihren Referenzsystemen widerspricht. So

könnte die Distanz der Handlungslogik der Freiwilligenagenturen zu Wirkmechanismen und

Funktionsprinzipien der öffentlichen Verwaltung die im Zuge der „Flüchtlingskrise“

entstandenen Konflikte zum Teil erklären.

Durch die sogenannte Flüchtlingskrise hat sich die Leistungserbringung Berliner

Freiwilligenagenturen in allen Bereichen intensiviert. Besonders häufig wurde dabei die

Funktion von Freiwilligenagenturen als Engagement- und als Vernetzungs-Agentur gestärkt.

Dies bedeutet auch eine Verbreitung der Rolle von Freiwilligenagenturen als vernetzende und

vermittelnde Intermediäre. Knapp die Hälfte der Berliner Freiwilligenagenturen verzeichnete

durch die sogenannte Flüchtlingskrise eine Erhöhung des Jahresbudgets – in der Regel in der

Form von projektgebundenen öffentlichen Mitteln. Bezüglich der Handlungslogiken hatte die

„Flüchtlingskrise“ nur geringe Auswirkungen auf die Berliner Freiwilligenagenturen – mit

Page 57: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

Ausnahme der Dynamik der Lösungsfindung: die Hälfte der Agenturen gab an, dass diese mehr

als zuvor auf Schnelligkeit und Flexibilität ausgelegt sei.

Weitere Ergebnisse lassen erkennen, dass Freiwilligenagenturen durch ihr Agieren in der

„Flüchtlingskrise“ ihre Legitimität gegenüber den zwei für sie besonders relevanten

gesellschaftlichen Umwelten – der informellen Zivilgesellschaft und der öffentlichen

Verwaltung – steigern konnten. Aus der Perspektive des Neo-Institutionalismus lassen sich die

Steigerungen in Legitimität und Ressourcen auf die Veränderungen im Leistungsprofil der

Freiwilligenagenturen zurückführen.

Es besteht bei Berliner Freiwilligenagenturen die Hoffnung, dass die verbesserte

Ressourcenlage zur Etablierung einer nachhaltigen Infrastruktur zur Engagementförderung

genutzt werden kann. Gleichzeitig stellt dies eine große Herausforderung dar, da zunächst

kurzfristig vergebene Fördermittel das Themenfeld der Flüchtlingshilfe dominieren. Eine

Forderung der Agenturen an die Politik ist es, für eine ausreichende Grundfinanzierung von

Freiwilligenagenturen zu sorgen. Nur so könnten langfristige Strukturen aufgebaut und

engagierte BürgerInnen auch über ihr spontanes Engagement hinaus eingebunden werden. Die

verbesserte Ressourcenlage und die aktuell erhöhte Legitimität als Kooperationspartner der

öffentlichen Verwaltung bieten eine gute Ausgangslage, um die Kooperation mit den Behörden

weiter zu verbessern. Dabei erscheint es schwierig und nicht sinnvoll, die Handlungslogiken in

Richtung der öffentlichen Verwaltung korrigieren zu wollen. Vielmehr sollte die Verankerung

der Freiwilligenagenturen in zivilgesellschaftlichen Handlungslogiken wahrgenommen und

anerkannt werden.

Die Erkenntnisse der Masterarbeit ermöglichen den steuernden Akteuren die Berücksichtigung

empirischer Erkenntnisse in der Entscheidungsfindung. So deuten die Ergebnisse darauf hin,

dass eine Intensivierung der Information und Beratung von Organisationen, ein Ausbau der

Zusammenarbeit mit Unternehmen und die Schaffung von Fort- und Weiterbildungsangeboten

besonders förderlich für eine Steigerung der eigenen Ressourcen sein könnten. In Bezug auf

die Förderung der koordinierenden Strukturen von ehrenamtlichem Engagement zeichnet sich

ab, dass eine ausreichende Finanzierung für die Weiterentwicklung von Berliner

Freiwilligenagenturen von hoher Bedeutung ist. Insbesondere im Hinblick auf den Erhalt und

die Unterstützung selbstständig und informell koordinierter Freiwilligenarbeit könnten

Freiwilligenagenturen mit einer gesicherten Grundfinanzierung ihre Tätigkeiten ausbauen. Mit

der Bestimmung der wirkenden Handlungslogiken ist zudem eine Positionsbestimmung des

Akteurs ‚Freiwilligenagentur’ als Intermediär zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung

Page 58: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

erfolgt, wobei diese Position mit der idealtypischen Verortung der Agenturen abgeglichen

werden kann und bei Bedarf Maßnahmen ergriffen werden können, um einzelne

Handlungslogiken zu stärken, bzw. anderen entgegenzuwirken.

Die wichtigste Limitation der vorliegenden Arbeit ist die geringe Fallzahl der befragten

Freiwilligenagenturen. Trotz der sehr hohen Rücklaufquote muss die Aussagekraft der

statistischen Auswertungen als beschränkt angesehen werden. Auch die Erhebung der den

Freiwilligenagenturen zugesprochenen Legitimität muss als oberflächlich bezeichnet werden.

Zukünftige Studien sollten für eine detaillierte Beurteilung der Legitimität auch Daten von

Akteuren, die mit Freiwilligenagenturen zusammenarbeiten, erheben. Interessant für die

Zukunft wäre außerdem eine nähere Analyse der tatsächlichen Wirkung und Effektivität der

Arbeit von Berliner Freiwilligenagenturen. Dazu sollten auch andere analytische Ansätze

getestet werden, z.B. solche, die auf die Mikro-Ebene der Agenturen fokussieren. Trotz dieser

Einschränkungen besteht mit den hier präsentierten Forschungsergebnissen eine Datenbasis,

die zur Beschreibung und Begleitung der Entwicklung von Freiwilligenagenturen als

Intermediäre zwischen Zivilgesellschaft und öffentlicher Verwaltung herangezogen werden

kann.

Page 59: Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner ... · II Leistungsprofile und Handlungslogiken der Berliner Freiwilligenagenturen – Strukturen, Entwicklung und Perspektiven

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