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PROLETARIER ALLER LANDER, VEREINIGT EUCH! LENIN WERKE 18

Lenin - Werke 18

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    PR OL E T A R IE R A L L E R L A N D E R , V E R E IN IGT E U C H!

    LENINW E R K E18

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    HERAUSGEGEBEN AUF BESCHLUSSDES IX. PARTEITAGES DER KPR(B) U N D DES

    II. SOWJETKONGRESSES DER UdSSRDIE DEUTSCHE AUSGABE ERSCHEINT

    AUF BESCHLUSS DES ZENTRALKOMITEESDER SOZIALISTISCHEN EINHEITSPARTEI

    D E U T S C H L A N D S

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    INSTITUT FR MARXISMUS-LENINISMUS BEIM ZK DER KPdSU

    WI.LENINWERKE

    INS DEUTSCHE BERTRAGENNACH DER VIERTEN RUSSISCHEN AUSGABEDIE DEUTSCHE AUSGABEWIRD VOM INSTITUT FR MARXISMUS-LENINISMUSBEIM ZENTRALKOMITEE DER SED BESORGT

    < SD IETZ V ERLA G BERLIN

    1974

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    Wl.LENINBAN D 18

    APRIL i912-MRZ 1913

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    Rnssisdicr Origlnaltltcl:B . B . J I E H H H - C O I H H E H H H

    Mit 4 Faksimiles5. Auflage 1974Dietz Verlag BerlinLizenznummer 1LSV0056Printed in the Germari Democratic RepablicFotomedianischer NachdnrckSatz: Karl-Marx-Werk, Pneck, V 15/30Druck un d Einba nd: LV Z-Drnckerei H ermann Du ncker", Leipzig, III 18 138Best.-N r.: 735 088 4EVP 7,50

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    VII

    V O R W O R T

    Die in Band 18 enthaltenen A rbeiten schrieb W . I. Lenin von April 1912bis Mrz 1913, in der Periode des weiteren Aufschwungs der revolutio-nren Bewegung in Ruland.Den grten Teil des Bandes bilden Arbeiten, in denen Lenin eineAnalyse der sozialkonomischen und politischen Ursachen fr das Her-anreifen einer neuen Revolution in Ruland gibt. Er arbeitet die Taktikder bolschewistischen Partei unter den Bedingungen des revolutionrenAufschwungs aus und enthllt den konterrevolutionren Charakter derliberalen Bourgeoisie und die verrterische Rolle der menschewistischenLiquidatoren, der Trotzkisten und Wperjod"-Leute in der Arbeiter-bewegung. Dazu gehren folgende Arbeiten: Der revolutionre Auf-schwung", Die politischen Parteien in Ruland", die Broschre Zurgegenwrtigen Sachlage in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Ru-lands", Die Liquidatoren gegen die Partei", Wie P. B. Axelrod dieLiquidatoren entlarvt" und andere.Eine groe Gruppe von Arbeiten - Die Wahlkampagne zur IV. Dum aund die Aufgaben der revolutionren Sozialdemokratie", Die Platt-form der Reformisten und die Plattform der revolutionren Sozialdemo-kraten", Die Ergebnisse der W ahlen ", ber einige Reden der Arbeiter-deputierten" u. a. - ist der Wahlkampagne zur IV. Reichsduma, der Ein-schtzung der Ergebnisse der Wahlen und der Ttigkeit der sozialdemo-kratischen Dumafraktion gewidmet.In den Artikeln Das Wesen der ,Agrarfrage in Ruland'", Ein Ver-gleich des Stolypinschen Agrarprogramms mit dem der Volkstmler",Das letzte Ventil" u. a. enthllt Lenin das Wesen der StolypinschenAgrarpolitik und zeigt, da ein Fiasko dieser Politik unvermeidlich ist.

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    Vin VorwortIn den im Band enthaltenen Resolutionen der Februar"beratung des

    ZK der SDAPR mit Parteifunktionren wird die Riditsdinur zu allenwiditigen Fragen der sozialdemokratischen Arbeit in Ruland gegeben.Der Band enthlt fnfzehn Dokumente, die zum erstenmal in denWerken W. I. Lenins verffentlicht werden. Diese Arbeiten sind demKampf gegen das Liquidatorentam und der Ausarbeitung von Fragen derTaktik der bolsdiewistisdien Partei gewidmet.. In dem Brief ber die sozialdemokratisdie Dumafraktion" gibtW . I. Lenin den bolsdiewistisdien Abgeordneten in der IV. Dum a D irek-tiven.Das Dokument Zur Frage der Arbeiterdeputierten in der Duma undihrer Deklaration" ist der Entwurf einer Deklaration fr die sozialdemo-kratisdie Fraktion in der IV. Duma.In den Arbeiten Illegale Partei und legale Arbeit", Antwort an dieLiquidatoren", Ursprnglidies Postskriptum zu der Sdirift ,Zur gegen-wrtigen Sachlage in der Sozialdemokratisdien Arbeiterpartei Rulands'",Kann heute die Losung der Koalitionsfreiheit* die Grundlage der Ar-beiterbewegung bilden?", Brief an die Sdiweizer Arbeiter", ber dieStellung zum Liquidatorentum und ber die Einheit. Thesen", Ur-

    sprnglidies Postskriptum zn dem Artikel ,Die Entwiddung des revolu-tionren Streiks und der Straendemonstrationen'" kritisiert Lenin dieAnsiditen der Liquidatoren und Trotzkis, der die Liquidatoren unein-geschrnkt unterst tzte.Die Artikel Die Kadetten und die Grobourgeoisie" und Der Zu-sammenbrudi der konstitutionellen Illusionen" entlarven die Dumataktikder Partei der konterrevolutionren liberalen Bourgeoisie, der Kadetten.In den Arbeiten Aufstnde in Armee und Hotte", Die Arbeiterund die ,Prawda'", Einst und jetzt" analysiert Lenin den Aufschwungder revolutionren Bewegung und die Entwicklung der legalen bolsche-wistischen Presse.In der Mitteilung" der Februar"beratung des ZK der SDAPR mitParteifunktionren werden die Ergebnisse der Beratung zusammengefat.

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    D I E W A H L K A M P A G N E Z U R IV . D U M AU N D D IE A U F G A B E N D E RR E V O L U T I O N R E N S O Z I A L D E M O K R A T I E

    Die politischen Streiks und die Demonstrationen anllich des Ge-metzels an der Lena zeigen das Anwachsen der revolntionren Bewegungder Arbeitermassen in Ruland. Und diese Verdichtung der revolutio-nren Atmosphre lt klar die Aufgaben der Partei und ihre Rolle in derWahlkampagne hervortreten.Die Krise reift in einer neuen Situation heran. Die Schwarzhunderter-duma, die den Gutsbesitzern die Macht, der Bourgeoisie eine Arena frGeschfte, dem Proletariat eine kleine Tribne gibt, bildet ein notwen-diges Attribut dieser Situation. Wir brauchen diese Tribne, brauchendie Wahlkampagne fr die revolutionre Arbeit unter den Massen. Wirbrauchen die illegale Partei fr die Leitung dieser ganzen Arbeit in ihrerGesamtheit: im Taurischen Palast wie auf dem Kasaner Platz, in derArbeiterversammlung wie im Streik, in der Bezirksversammlung dersozialdemokratischen Arbeiter wie in der ffentlichen Versammlung derGewerkschaften. Nur hoffnungslos Blinde vermgen selbst jetzt nicht zusehen, wie unsinnig, wie verderblich fr die Arbeiterklasse der Otsowis-mus und das Liquidatorentum sind, diese Frchte des Verfalls und derZerrttung in der Epoche, da die Konterrevolution triumphierte. DasBeispiel der Volkstmler hat uns anschaulich gezeigt, welch skandalseNull herauskommt bei der Addition des Citfuidatorentums der Trudo-aviki" wie auch der legalen Literaten vom Russkoje Bogatstwo"1 undSowremennik"2 und des Otsowismus der Partei" der Sozialrevolutio-nre.Ziehen wir das allgemeine Fazit aus dem, was die Mobilisierung derpolitischen Krfte fr die Wahl ergeben hat. Drei Lager haben sich deut-

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    W.3.eninlieh abgezeichnet: 1. Die Rechten, die fr die Regierung sind - vonPurischkewitsch bis Gutschkow. Der erzreaktionre Gutsbesitzer und deraltglubige Kaufmann setzen sich mit Leib und Seele fr die Regierungein. 2. Die liberalen Bourgeois - die Progressisten" und die Kadettenzusammen mit den Gruppen der verschiedenen Nationalen", die gegendie Regierung und gegen die Revolution sind. Der konterrevolutionreCharakter des Liberalismus ist eine der hauptschlichsten Besonderheitendes gegebenen historischen Moments. Wer diesen konterrevolutionrenCharakter der kultivierten" Bourgeoisie nicht sieht, der hat alles ver-gessen und nichts gelernt, der legt sich zu Unrecht den Namen einesDemokraten bei, vom Sozialisten schon ganz zu schweigen. Und dieTrudowiki und unsere" Liquidatoren sehen schlecht und verstehenschlecht! 3. Das Lager der Demokratie, in dem nur die revolutionrenSozialdemokraten, die Antiliquidatoren, geschlossen, organisiert, ent-schieden und eindeutig ihr Banner der Revolution entfaltet haben. DieTrudowiki und unsere Liquidatoren schwanken zwischen dem Liberalis-mus und der Demokratie, zwischen der legalen Opposition und der Revo-lution.Die Klassenwurzeln, die das erste Lager vom zweiten scheiden, sindklar erkenntlich. Dagegen ist es den Liberalen gelungen, viele - vonWodowosow bis Dan - hinsichtlich der Klassenwurzeln irrezufhren, diedas zweite Lager vom dritten scheiden. Die Strategie" des Liberalen, dievon Blank in den Saprossy Shisni"3 naiv ausgeplaudert wurde, ist simpel:die Kadetten sind das oppositionelle Zen trum, das Deichselpferd; die Bei-pferde (die Flanken") sind rechts die Progressisten, links die Trudowikiund die Liquidatoren. Mit dieser Troika" hoffen die Herren Miljukowin der Rolle der verantwortungsbewuten Opposition" zum Triumphzu fahren".

    Die Hegemonie der Liberalen in der russischen Befreiungsbewegunghat immer deren Niederlage nach sich gezogen und wird sie immer nachsich ziehen. Der Liberale laviert zwischen der Monarchie der Purischke-witsch und der Revolution der Arbeiter und Bauern, wobei er diese letz-,tere in jedem ernsten Moment verrt. Die Aufgabe der Revolution ist es,den Kampf der Liberalen gegen die Regierung auszunutzen und dieSchwankungen und den Verrat des Liberalismus zu neutralisieren.Mit der Revolution schrecken, um auf diese Weise die Macht mit

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    Die Wahlkampagne zur IV. DumaPurischkewitsch und Romanow zu teilen, dabei gemeinsam die Revolutionunterdrcken - das ist die Politik der Liberalen. Und diese Politik wirddurch die Klassenlage der Bourgeoisie bestimmt. Das ist der Grund, war-um die Kadetten in billigem Demokratismus" machen, real aber mit demsehr gemigten Progressismus" der Jefremow, Lwow, Rjabuschinskiund Co. verschmelzen.Den Kampf der Liberalen mit den Purischkewitsch um die Teilung derMacht ausnutzen, dabei keinesfalls im Volk den Glauben" an denLiberalen aufkommen lassen, um so den revolutionren Ansturm derMassen, der die Monarchie strzen, d ie Purischkewitsch und die Romanowmit Stumpf und Stiel ausrotten wird, voranzutreiben, zu verstrken, zuintensivieren - das ist die Taktik der proletarischen P artei. Bei den W ah-len: die Demokratie zusammenschlieen gegen die Rechten und gegendie Kadetten; beim zweiten Wahlgang, in der Presse, in den Versamm-lungen den Kampf der Liberalen gegen die Rechten ausnutzen". Darausergibt sich die Notwendigkeit einer revolutionren Plattform, die jetztschon ber den Rahmen der Legalitt" hinausgeht. Daraus ergibt sich dieLosung der Republik als Gegengewicht zu dem liberalen Spiel mit kon-stitutionellen" Losungen, mit Losungen einer Rasputin-Treschtschen-kowschen Konstitution". Unsere Aufgabe ist es, berall, stets und stndig,in allen Formen der Arbeit, auf allen Ttigkeitsgebieten eine Armeerevolutionrer Kmpfer heranzubilden, zu welchen Wendungen uns auchein Sieg der Reaktion oder der Verrat des Liberalismus oder die Ver-schleppung der Krise usw. zwingen sollte.Man betrachte die Trudowiki. Das sind volkstmlerische Liquidatorensans phrases*. W ir sind Revolutionre, wird von Herrn Wodowosow an-gedeutet", aber... gegen den Artikel 1294 ist eben nichts zu machen,fgt er hinzu. Hundert Jahre nach der Geburt Herzens vermag diePartei" der Millionenmasse der Bauern nicht einmal ein Flugblatt - undsei es ein hektographiertes! - dem Artikel 129 zum Tro tz herauszugeben!!Die Trudowiki, die in erster Linie" zu einem Block mit den Sozialdemo-kraten neigen, vermgen nicht, sich klar ber den konterrevolutionrenCharakter der Kadetten zu uern, verstehen nicht, den Grund fr einerepublikanische Bauernpartei zu legen. Dabei haben die Lehren der Jahre1905-1907 und 1908-1911 die Frage eben so gestellt: fr die Republik

    * ohne Umschweife. "Die Red.

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    T V . 1 } . Leninkmpfen oder die Stiefel Purisdikewitsdis lecken, unter der Knute Mar-kows und Romanows leben. Eine andere W ahl haben die Bauern nicht.Man betrachte die Liquidatoren. Wie die Martynow, Martow und Co.sich auch drehen und wenden, so wird doch jeder ehrliche und vernnftigeLeser zugeben, da R-kow5 das Fazit eben aus ihren Anschauungen ge-zogen hat, als er erklrte: Man soll sich keine Illusionen machen: derTriumph eines sehr gemigten brgerlichen Progressismus bereitet sichvor." Der objektive Sinn dieses geflgelten Wortes: die Revolution ist eineIllusion, die Untersttzung der Progressisten" eine Realitt. Nun, siehtjetzt nicht jeder, der nicht absichtlich die Augen schliet, da die Dan undMartow eben dies mit ein wenig anderen Worten sagen, wenn,sie dieLosung ausgeben: Die Duma (die vierte Duma, die Gutsbesitzerduma)den Hnden der Reaktion entreien"? wenn sie sich zum hundertstenMal in die Idee von den zwei Lagern verrennen? w enn sie schreien: ver-eitelt nicht" die progressive Arbeit der liberalen Bourgeois? wenn sie denLinksblock" bekmpfen? wenn sie im Shiwoje Delo"6 voller Selbst-zufriedenheit auf die Auslandsliteratur, die niemand liest", herab-blicken? wenn sie sich in der Praxis mit einer legalen Plattform, mit lega-len Anschlgen auf die Organisation zufriedengeben? wenn sie liquidato-rische Initiativgruppen"

    7schaffen und dergestalt mit der revolutionrenSDAPR brechen? Ist es etwa nicht klar, da dasselbe Liedchen auch dieLewizki singen, die die liberalen Ideen vom Kampf um das Recht philo-sophisch vertiefen, die Newedomski, die als Neuestes die Ideen Dobrolju-bows nach rckwrts revidieren", vo m Demokratismus zu m Liberalis-mus, die Smirnow, die mit dem Progressismus" liebugeln, und all diebrigen Ritter der Nascha Sarja"8 und des Shiwoje Delo"?

    In Wirklichkeit knnten die Demokraten wie die Sozialdemokratenniemals, selbst wenn sie es wollten, den Sieg der Progressisten" unter denGutsbesitzern und den Bourgeois vereiteln"! Das sind ganz und garhohle Phrasen. Die ernsthaften Meinungsverschiedenheiten liegen nichthier. Der Unterschied der liberalen und der sozialdemokratischen Arbei-terpolitik besteht nicht darin. Die Progressisten untersttzen", weil manin ihren Siegen" ein Heranrcken des kultivierten Bourgeois an dieMacht" erblickt, das ist eben liberale Arbeiterpolitik.W ir Sozialdemokraten erblicken in dem Sieg" der Progressisten einenmittelbaren Ausdruck des demokratischen Aufschwungs. Die Zusammen-

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    Die Wahlkampagne zur IV. Dumastoe der Progressisten/mit den Rechten gilt es auszunutzen,- mit derbloen Losung, die Progressisten zu untersttzen, ist nichts getan. UnsereAufgabe ist es, den demokratischen Aufschwung zu frdern, die neuerevolutionre Demokratie, die in einem neuen Ruland auf neue Weiseheranwchst, zu hegen und zu pflegen. Wenn sie nicht entgegen denLiberalen stark zu werden und zu siegen versteht, dann w ird in Wirklich-keit kein Triumph" der Progressisten und Kadetten bei den Wahlenernstlich irgend etwas an der Lage in Ruland ndern.Da ein demokratischer Aufschwung zu verzeichnen ist, das ist heuteunbestreitbar. Dieser Proze vollzieht sich schwerer, langsamer, kompli-zierter, als wir es wnschen mgen, aber er vollzieht sich. Ih n mu manuntersttzen" und frdern durch die Wahlarbeit wie durch jede andereArbeit. Die revolutionre Demokratie organisieren - durch schonungsloseKritik am volkstmlerischen Liqtridatorentnm und am volkstmlerischenOtsowismus eine republikanische Bauernpartei schmieden - und vor allemund in erster Linie das eigene H aus" von Liquidatorentum und O tsowis-mus subern, die revolutionre sozialdemokratische Arbeit im Proletariatverstrken und die illegale sozialdemokratische Arbeiterpartei festigen,das ist unsere Aufgabe. W ie sich die Lsung der heranreifenden revolu-tionren Krise gestalten wird, das hngt nicht von uns ab, sondern vonunzhligen Faktoren, von der Revolution in Asien und vom Sozialismus inEuropa; von uns aber hngt es ab, ob wir unter den Massen eine konse-quente und unentwegte Arbeit im Geiste des Marxismus betreiben wer-den , und n ur diese Arbeit allein geht niemals spurlos vorber.Sozia\-T)emohrat 9Jr. 26, Tiaj dem 7ext des8. M ai (-25. April) 1912. Sozidl-Demokrat".

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    D I E L I Q U I D A T O R E NGEGEN DIE PARTEIGegen die Parteikonferenz wird von den Liquidatoren aller Schattie-rungen in der legalen russischen Presse eine He tze be trieben, de ren hinter-hltige Schamlosigkeit die Bulgarin und Burenin 9 vor Neid erblassen lassenm u . Die Artikel im Shiwoje Delo", die die Delegierten offen danachfragen, von wem sie delegiert worden sind, und die unter dem Schutz derZensur ber das herfallen, was in der legalen Presse nicht verteidigt wer-den kann, sind ein solches Musterbeispiel an Ignorierung der elementarenRegeln publizistischer Ehrlichkeit, da sie nicht nur den Protest der Kon-ferenzanhnger, sondern den Abscheu aller ehrlichen Politiker berhaupthervorrufen mten. Die Artikel des anonymen Berichterstatters desVorwr ts"1 0 abe r liefern eine solche Bltenlese an unve rfrorener W ichtig-tuerei und phrasenhafter Lge, da kein Zweifel daran mglich ist: derliquidatorische Au ftrag, diese Artikel zu schreiben, ist in erfahrene H n degelangt.Die an die Wand gedrckten Gruppen und Zirkel der Liquidatorenbeschrnken sich jedoch nicht auf eine Verleumdungskampagne gegen diePartei. Sie versuchen, eine eigene Konferenz einzuberufen. Es werdennatrlich alle Mittel angewandt, um dem OK 11 , das diese Konferenz ein-beruft, den Anschein der Parteitreue", der Fraktionslosigkeit", derVereinigung" zu geben. Sind diese Worte doch so bequem,. . .wenn es Um die deutschen Genossen mit der wirklichen Sachlage in der SDA PRbekannt zu machen, hat die Redaktion des Zentralorgans eine spezielle Bro-schre in deutscher Sprache herausgegeben, die unter anderem die Methodendes Anonymus aus dem Vorwrts" entlarvt. (Siehe Werke, Bd. 17, S. 525 bis538. Die Ked.)

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    Die Liquidatoren gegen die Parteigilt, mit dem liquidatorischen Kder alle die zu fangen, die aus irgend-einem Grund mit der Parteikonferenz unzufrieden sind. Trotzki hat denAuftrag erhalten, alle Tugenden des OK und der knftigen Liquidatoren-konferenz zu besingen: wem anders als dem professionellen Vereiniger"htte man diesen Auftrag wohl auch geben sollen. Und er hat ein Lobliedan ge stim m t.. . in allen Lettern, die die W iener Druckerei zur Verfgunghat: Die ,Wperjod'-Leute, die ,Golos'-Leute, die parteitreuen Bolsdie-wiki, die parteitreuen Menschewiki, die sogenannten Liquidatoren und dieFraktionslosen in Ruland und im Ausland - untersttzen entschiedendie A rb ei t . . ." des OK (Prawda"12 Nr. 24).De r rmste hat wieder ei n m a l. .. gelogen und sich wieder einmal ver-rechnet. Der gegen die Konferenz des Jahres 1912 mit soviel Lrm undGeschrei vorbereitete Block unter der H egemonie der Liquidatoren krachtin allen Fugen, er kracht, weil die Liquidatoren allzu deutlich ihre Esels-ohren gezeigt haben. Die Polen haben eine Mitarbeit im OK abgelehnt.Plechanow hat nach Korrespondenz mit einem Vertreter des letztereneinige interessante Einzelheiten klargestellt: 1. da die Konferenz alskonstituierende" Konferenz, d. h. als Konferenz nicht der SDAPR, son-dern irgendeiner neuen Partei geplant ist, 2. da ihrer Einberufung einanarchisches" Prinzip zugrunde liegt, 3. da die Konferenz von Liqui-datoren einberufen wird". Nachdem diese Umstnde durch GenossenPlechanow klargestellt worden waren, konnte es uns schon nicht mehrwundernehmen, da die sogenannten bolschewistischen (?!) VershnlerM ut faten und Trotzki berfhren wollten, er h a b e . . . die Unwahrheitgesagt, als er sie zu den Anhngern des OK zhlte. Dieses OK in seinerjetzigen Zusammensetzung, mit seiner deutlichen Tendenz, der ganzenPartei sein eigenes Verhltnis zu den L iquidatoren aufzudrngen, mit denPrinzipien der organisatorischen Anarchie, die es der Auffllung seinesMitgliederbestands zugrunde gelegt hat - dieses OK garantiert nicht imgeringsten die Einberufung einer wirklich allgemeinen Parteikonferenz",so uern sich heute unsere so mutig gewordenen Parteitreuen" ber dasOK. W o heute unsere Linkesten der Linken, die Wperjod" -Leute,stehen, nachdem sie sich seinerzeit beeilt haben, ihre Sympathie fr dasOK zu bescheinigen, ist uns unbekannt, aber das ist auch nicht wichtig:wichtig ist, da der liquidatorische Charakter der vom OK einberufenenKonferenz von Plechanow unwiderlegbar und in aller Eindeutigkeit fest-

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    8 W. J. Leningestellt worden ist und da die staatsmnnischen Kpfe der Vershnler"sich diesen Tatsachen beugen muten. Wer ist briggeblieben? Die aus-gesprochenen Liquidatoren und T ro tz k i. . .Die Grundlage dieses Blocks ist klar: Die Liquidatoren genieen dievolle Freiheit, auf alte W eise" ihre Linie im Shiwoje Delo" und in derNascha Sarja" zu verfolgen, Trotzki aber deckt sie - vom Ausland her -durch die rrrevolutionre Phrase, die ihn nichts kostet und sie in keinerWeise bindet.Aus dieser Geschichte folgt eine kleine Lehre fr diejenigen, die imAusland nach der Einheit seufzen und unlngst das Pariser Blatt SaPartiju"13 geschaffen haben. Um die Partei aufzubauen, reicht es nichtaus, wenn man versteht, Einheit" zu schreien, man mu noch irgend-ein politisches Programm, ein Programm des politischen Handelns habenDer Block der Liquidatoren, Trotzkis, der Wperjod" -Leute, der Polen,der parteitreuen Bolschewiki (?), der Pariser Menschewiki usw. usw.usw. war im voraus zu einem skandalsen Reinfall verurteilt, denn er warauf Prinzipienlosigkeit, auf Heuchelei und auf die hohle Phrase gegrn-det. Den Seufzenden aber drfte es schlielich nichts schaden, fr sichselbst die so komplizierte und schwierige Frage zu lsen, mit wem sie dieEinheit wollen. Wenn mit den Liquidatoren, warum sagen sie das dannnicht ohne Umschweife? Wenn sie aber gegen die Vereinigung mit denLiquidatoren sind, nach welcher Einheit seufzen sie dann?Die Januarkonferenz und die von ihr gewhlten Organe sind das ein-zige, was gegenwrtig alle Parteiarbeiter der SDAPR in Ruland faktischvereint. Auer ihr gibt es lediglich das Versprechen der Bundisten undTrotzk is, eine liquidatorische Konferenz durch das OK einzuberufen, unddie Vershnler" mit ihrem liquidatorischen Katzenjammer..SoziaVDemokrat" 3Vr. 26, Tiadb dem 7ext des8. TAai (25. April) I9i2. .Sozial-T>em okrat".

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    D E M G E D C H T N I S H E R Z E N S

    Hundert Jahre sind seit dem Tage der Geburt H erzens vergangen. Ihnfeiert das ganze liberale Ruland, wobei es sorgfltig den ernsten Fragendes Sozialismus aus dem W eg geht und vorsorglich verheimlicht, wodurchsich der Revolutionr Herzen von einem Liberalen unterschied. Herzensgedenkt auch die Rechtspresse, die verlogen beteuert, Herzen habe sich amEnde seiner Tage von der Revolution losgesagt. Und in den Reden der imAusland weilenden Liberalen und Volkstmler ber Herzen herrscht diePhrase, nichts als die Phrase .Die Arbeiterpartei mu Herzens gedenken, nicht um spiebrgerlicheLobgesnge anzustimmen, sondern um ihre eigenen Aufgaben klarzustel-len, um Klarheit zu schaffen ber den wirklichen historischen Platz desSchriftstellers, der bei der Vorbereitung der russischen Revolution einegroe Rolle gespielt hat.Herzen gehrte zu der Generation der aus den Kreisen des Adels undder G utsbesitzer stamm enden Revolutionre der ersten Hlfte des vorigenJahrhunderts. Der Adel hat Ruland die Biron und Araktschejew gegeben,eine zahllose Menge von besoffenen Offizieren, Raufbolden, Spielern,Helden des Jahrmarkts, Pikren, Schlgern, Bauernpeinigern und Wst-lingen" - und schngeistigen Manilows*. Und zwischen ihnen", schriebHerzen, entwickelten sich die Mnner des 14. Dezember, eine Phalanxvon Helden, wie Romulus und Remus mit der Milch einer Wlfin ge-nhrt ... Es sind das wahre Recken, von Kopf bis Fu aus reinem Stahlgeschmiedet, kriegerische Paladine, die bewut in den offensichtlichenUntergang gegangen sind, um die junge G eneration zu neuem Leben auf-

    * Manilow - Gestalt aus Gogols Roman Die toten Seelen". Der Tibers.2 Lenin, W erke, Bd. 18

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    10 -W.1. Centnzurtteln und die Kinder zu lutern, die inmitten von Henkertum undKnechtseligkeit geboren worden waren ."

    14Zu diesen Kindern gehrte Herzen. Der Aufstand der Dekabristenrttelte ihn auf und luterte" ihn. In dem leibeigenen Ruland der vier-ziger Jahre des 19. Jahrhunderts vermochte er es, sich auf das Niveauder grten Denker seiner Zeit zu erheben. Er machte sich die DialektikHegels zu eigen. Er verstand, da sie die Algebra der Revolution" ist.Er ging weiter als Hegel, zum Materialismus, im Gefolge Feuerbachs. Derim Jahre 1844 geschriebene erste der Briefe ber das Studium derN atu r" - Empirie und Idealismus" - zeigt uns einen Denker, der dieunzhligen modernen Empiriker, die modernen Naturwissensdiafder, wieauch die Unmasse der heutigen Philosophen, Idealisten und Halbidealisten,jetzt noch um Haupteslnge berragt. Herzen kam ganz dicht an dendialektischen Materialismus heran und machte halt vor dem - historischenMaterialismus.Dieses Haltmachen" fhrte auch zu dem geistigen ZusammenbruchHerzens nach der Niederlage der Revolution von 1848. Herzen hatteRuland bereits verlassen und beobachtete diese Revolution unmittelbar.Er war damals Demokrat, Revolutionr, Sozialist. Aber sein Sozialis-mus" gehrte zu den in der Epoche von 1848 so zahllosen Formen undAbarten des brgerlichen und kleinbrgerlichen Sozialismus, die durch d ieJunitage endgltig den Todessto erhielten. Im Grunde genommen wardas berhaupt kein Sozialismus, sondern schngeistige Phrase, gut-gemeinte Phantasterei, in die die brgerliche Demokratie und ebenso dasProletariat, das sich noch nicht von deren Einflu frei gemacht hatte, ihrdamaliges revolutionres Streben kleideten.Der geistige Zusammenbruch Herzens, sein tiefer Skeptizismus undPessimismus nach dem Jahre 1848, war der Zusammenbruch der brger-lichen Illusionen im Sozialismus. Das geistige Drama Herzens war einErzengnis und eine Widerspiegelung jener weltgeschichtlichen Epoche, dadas revolutionre Streben der brgerlichen Demokratie scfocw in den letz-ten Zgen lag (in Westeuropa), die revolutionre Gesinnung des sozia-listischen Proletariats jedoch nodb nidht herangereift war. Das haben dieRitter der liberalen russischen Sprachschwelgerei nicht verstanden undkonnten es nicht verstehen, die heute ihre konterrevolutionre Gesinnungmit blumenreichen Phrasen ber den Skeptizismus Herzens bemnteln.

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    12 IV . 1. LeninIn Wirklichkeit gibt es in dieser Lehre Herzens wie in der ganzen

    russischen Volkstmlerrichtung - bis zu der matten Volkstmlerei derheutigen Sozialrevolutionre" au

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    Dem Qeddbtnis Herzens 13lieh fr die Befreiung der Bauern ein. Das sklavische Schweigen war ge-brochen.Aber Herzen gehrte dem Milieu der Gutsbesitzer, der Herren an. Erhatte Ruland im Jah re 1847 verlassen, hatte das revolutionre Volk nichtgesehen und konnte keinen Glauben an das Volk haben. D aher sein libera-ler Appell an die Spitzen". Daher seine zahllosen slichen Briefe imKolokol" an Alexander II., den Henker, die man heute nicht ohne Ab-scheu lesen kann. Tschernyschewski, Dobroljubow, Serno-Solowjewitsdi,diese Vertreter der neuen Generation der Rasnotschinzen*-Revolutionre,hatten tausendmal recht, wenn sie Herzen Vorwrfe machten wegen die-ser Abweichungen vom Demokratismus zum Liberalismus. Allein dieGerechtigkeit fordert zu sagen, da bei allen Schwankungen Herzenszwischen Demokratismus und Liberalismus dennoch der Demokrat inihm die Oberhand behieltAls einer der widerwrtigsten Typen des liberalen Gesindels, Kawelin,der sich frher fr den Kolokol" gerade wegen seiner liberalen Tenden-zen begeistert hatte, gegen die Konstitution auftrat, ber die revolutionreAgitation herfiel, sich gegen die Gewaltttigkeit" und die Aufrufe zurGewalt wandte und Geduld zu predigen begann, da bradh Herzen mitdiesem liberalen Weisen. Herzen zog ber sein kmmerliches, ab-geschmacktes und schdliches Pamphlet" her, das geschrieben sei nichtfr den Druck, sondern damit die liberalisierende Regierung es sich zurRichtschnur nehme", ber Kawelins politisch-sentimentale Sentenzen",die das russische Volk als Vieh, die Regierung aber als Ausbund derW eisheit" darstellten. De r Kolokol" verffentlichte einen Artikel Grab-rede", in dem die Professoren gegeielt wurden, die das verfaulte Spinn-gewebe ihrer hochmtig kmmerlichen Ideen weben, die Exprofessoren,die einst treu und bieder waren, dann aber erbosten, als sie sahen, da d iegesunde Jugend mit ihrer skrofulsen Denkweise nicht sympathisierenkann". U nd Kawelin erkannte sich irr diesem Portrt sofort wieder.Als Tschernyschewski verhaftet wurde, schrieb der niedertrchtigeLiberale Kawelin: Die Verhaftungen scheinen mir nicht emprend...die revolutionre Partei hlt alle Mittel fr gut, um die Regierung zu

    * Rasnotsdiinzen - Angehrige der Intelligenz, hervorgegangen aus derGeistlichkeit, der Beamtenschaft, dem Kleinbrgertum und der Bauernschaft.Der Tibers.

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    14 W.I.Leninstrzen, und diese verteidigt sich mit ihren M itteln." Herzen gab diesemKadetten eine treffende Antwort, als er anllidi des Verfahrens gegenTsdiernysdiewski sagte: Und da kommen diese klglichen, farblosenMensdien, diese qualligen Sdileimer, und sagen, man drfe diese Bandevon Rubern und Sdiuften, die uns regiert, nidit schmhen!"Als der Liberale Turgenjew einen Privatbrief mit der Versicherungseiner allerergebensten Gefhle an Alexander II.richteteund zwei Gold-stcke fr die bei der Niedersdilagung des polnisdien Aufstands verwun-deten Soldaten spendete, schrieb der Kolokol" von der grauhaarigenMagdalena (mnnlichen Gesdiledits), die Seiner Majestt geschriebenhat, sie knne keinen Schlaf finden und qule sidi ab , weil Seine Majesttnichts von der Reue wisse, die sie empfinde". Und Turgenjew erkanntesich sofort.Als das ganze Geliditer der russisdien Liberalen von Herzen abrckte,weil er Polen verteidigte, als die ganze gebildete Gesellschaft" demKolokol" den Rcken kehrte, lie sich Herzen nidit beirren. Er fuhrfort, fr die Freiheit Polens einzutreten, und geielte audi weiterhin dieBttel, die Sdiarfrichter und Henker Alexanders II. Herzen rettete dieEhre der russischen Demokratie. Wir haben die Ehre des russischenNamens gerettet", schrieb er an Turgenjew, und dafr hat uns diesklavische Mehrheit leiden lassen."Als die N adiridit eintraf, ein leibeigener Bauer habe einen Gutsbesitzerwegen eines Ansdilags auf die Ehre seiner Braut ersdilagen, kommen-tierte Herzen diese Nadiridit im Kolokol": Das hat er ausgezeichnetgemacht!" Als mitgeteilt wurde, da zur Durchfhrung einer ruhigen"Befreiung" Militrbefehlshaber eingesetzt wrden, schrieb Herzen: Dererste gescheite Oberst, der sich mit seiner Abteilung den Bauern an-schliet, anstatt sie niederzumachen, wird auf den Thron der Romanowskommen." Als der Oberst Reitern sich in Warschau ersdio (1860), umnicht zum Helfershelfer der Henker zu werden, schrieb Herzen: Wennersdiossen werden mu, so mssen die Generale erschossen werden, dieden Befehl geben, auf Waffenlose zu schieen." Als man in Besdna fnfzigBauern niedermachte und ihren Anfhrer, Anton Petrow, hinrichtete(12. April 1861), schrieb. Herzen im Kolokol":

    Oh, wenn meine Worte dod zu dir dringen knnten, Arbeitsmann undMrtyrer der russisdien Erde!... Wie wrde ich didi lehren, deine geistlidien

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    Dem Qeddbtnis Herzens 15Hirten zu verachten, die der Petersburger Synod und der deutsche Zar berdich gesetzt haben... Du hassest den Gutsbesitzer, du hassest den Gerichts-schreiber, du frchtest sie-und mit vollem Recht; aber du glaubst noch an denZaren und den Hohenpriester... glaub ihnen nichtf Der Zar ist mit ihnenund sie mit ihm. Ihn siehst du jetzt, du, Vater des ermordeten Jnglings inBesdna, du, Sohn des ermordeten Vaters in Pensa... Deine Hirten - sie sindunwissend wie du, arm wie du . . . Das war auch jener Antonius, der in K asanfr dich gelitten hat" (nicht der Bischof Antonius, sondern Anton von Besdna). . . . Die Leichen deiner Heiligen werden keine achtundvierzig W under tun, einGebet zu ihnen hilft nicht gegen Zahnweh,- aber das lebendige Andenken ansie kann ein Wunder verrichten - deine Befreiung."

    Das zeigt, wie gemein und niedrig unsere Liberalen, die sich in derlegalen" Sklavenpresse verschanzt haben, Herzen verleumden, wie sieseine schwachen Seiten bertrieben darstellen und seine starken mitSchweigen be rgeh en. Es ist nicht die Schuld H erz en s, es ist sein U nglck,da er das revolutionre Volk eben in Ruland in den vierziger Jahrennicht sehen konnte. Als er es in den sedbziger Jahren gesehen hatte, trat erfurchtlos auf die Seite der revolutionren Demokratie gegen den Libera-lismus. Er kmpfte fr den Sieg des Volkes ber den Zarismus und nichtfr einen Pakt der liberalen Bourgeoisie mit dem Gutsbesitzerzaren. Ererhob das Banner der R evolution.

    Wenn wir Herzen feiern, sehen wir deutlich drei Generationen, dreiKlassen, die in der russischen Revolution wirksam w are n. Zu nchst - dieAdligen und Gutsbesitzer, die Dekabristen und Herzen. Eng ist der Kreisdieser Revolutionre. Furchtbar fern stehen sie dem Volk. Aber ihre Sacheist nicht verlorengegangen. Die Dekabristen weckten Herzen. Herzenentfaltete die revolutionre Agitation.Diese Agitation wurde aufgegriffen von den Rasnotschinzen-Revolu-tionren, von Tsdiernyschewski bis zu den Helden der NarodnajaWolja", die sie erweiterten, festigten und sthlten. Weiter wurde derKreis der Kmpfer, enger ihre Verbindung mit dem Volk. Die jungenSteuerleute im knftigen Sturm" hat Herzen sie genannt. Aber das warnoch nicht der eigentliche S turm .De r Sturm , das ist die Bewegung der M assen selbst. Das Proletariat, dieeinzige wirklich revolutionre Klasse, hat sich erhoben, ist an ihre Spitze

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    16 TV. 7. Leningetreten und hat zum erstenmal die Millionen Bauern zum offenen, revo-lutionren Kampf mitgerissen. Der erste Sto des Sturmes erfolgte imJahre 1905. De r nchste beginnt vor unsern Augen an K raft zu gewinnen.Indem es Herzen feiert, lernt das Proletariat an seinem Beispiel diegewaltige Bedeutung der revolutionren Theorie verstehen; lernt es ver-stehen, da die unverbrchliche Treue zur Revolution und der revolutio-nre Appell an das Volk auch dann nicht vergebens sind, wenn ganzeJahrzehnte die Ernte von der Saat trennen; lernt es die Rolle der verschie-denen Klassen in der russischen und internationalen Revolution zu be-stimmen. Um diese Lehren bereichert, wird sich das Proletariat den Wegzum freien Bndnis mit den sozialistischen Arbeitern aller Lnder bahnenund jenes Reptil, die zaristische Monarchie, zertreten, gegen das Herzenals erster das hehre Banner des Kampfes erhoben hat, indem er an dieMassen appellierte mit dem freien russisdben Wort.Sozia\-T>em6kral" 9fr. 26, TJadi dem. Text des8. Mai (25. April) 1912. Sozial-Bemohrat".

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    D E R G R U N D B E S I T ZIM E U R O P I S C H E N R U S S L A N D

    Die Hungersnot, in die 30 Millionen Bauern geraten sind, hat vonneuem die Frage nach der Lage der Bauernschaft in Ruland auf dieTagesordnung gesetzt. Gewhnlich lt man bei Errterungen ber dieseFrage die Hauptsache auer acht: die Wechselbeziehung zwischen demGrogrundbesitz der - vornehmlich adligen - Gutsherren und der Lageder Bauernschaft. Auf diese Hauptsache eben wollen wir das Augenmerkder Leser lenken.Im Jahre 1907 wurde vom Innenministerium die Grundbesitzstatistikfr 1905" herausgegeben. Auf Grund dieser offiziellen Angaben, diesicherlich keinesfalls der Parteinahme fr die Bauern verdchtigt werdenknnen, kann man eine ziemlich genaue Vorstellung ber eine der haupt-schlichen Ursachen der Hungersnot gewinnen.Die Regierungsstatistik hat die Bodenflche in den 50 Gouvernementsdes Europischen Rulands mit 395 Millionen Desjatinen angegeben.Aber diese Ziffer gibt kein Bild der wirklichen Sachlage, weil in ihr ber100 Millionen D esjatinen anfiskalischen Lndereien im Hohen Norden, inden Gouvernements Archangelsk, Olonez und Wologda einbegriffensind. Fr die Landwirtschaft sind diese Lndereien grtenteils ungeeig-net; es sind das die Tundren und Wlder des Hohen Nordens. Gewhn-lich wird auf diese Lndereien nur verwiesen, um die wirkliche Verteilungdes fr landwirtschaftliche Zwecke tauglichen Bodens im dunkeln zulassen.Scheidet man diese Lndereien aus, so erhlt man als Gesamtflchegeeigneten Bodens (abgerundet) 280 Millionen Desjatinen. Von diesemBoden befinden sich 101 Millionen Desjatinen in Privatbesitz, und

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    18 rW. 1. Lenin139 Millionen sind A nteilland. Es gilt, den gutsherrlidien Grogrundbesitzund den kleinbuerlichen Grundbesitz auseinanderzuhalten. b e r die groen Gter macht die Regierungsstatistik folgende A n-gaben:

    Persnliches Privateigentum an Qrund und Bodenim Europisdoen RulandDurchsdinitts-Anzah l groe einerder Land in BesitzungGre des Besitzes Besitzungen Desjatinen in Desjatinen

    von 50O- 2 000 Desjatinen 21748 20 590 708 947 2000-10000 5 386 20602 109 3 825ber 10000 699 20798 504 29 754

    Insgesamt 27 833 61991 321 2 227Diese Angaben sind unvollstndig, da weder die Apanagelndereiennoch die Lndereien der groen Handelsgesellschaften und dergleicheneinbezogen sind. Aber immerhin knnen wir aus diesen Angaben die"Hauptsache ber den gutsherrlichen Grundbesitz in Ruland erfahren.Siebenhundert Gutsbesitzer besitzen 2 i Millionen Desjatinen, das heit,jeder einzelne besitzt fast dreiigtausend Desjatinen.We niger als achtundzwanzigtausend Gutsbesitzer besitzen 62 M illionenDesjatinen Land, das heit, im Durchschnitt entfallen auf jeden einzelnen2200 "Desjatinen. Hinzufgen mu man hier die Apanagelndereien; manzhlt ber fnf Millionen Desjatinen. Dann gehren mehr als dreieinhalbMillionen Desjatinen Land 272 Handels- und Industriegesellschaften,Betriebsgesellschaften u. a.". Es sind das zweifellos groe Gter ihreHauptmasse ist im Gouvernement Perm konzentriert - ; hier gehrenneun solchen Gesellschaften fast anderthalb Millionen Desjatinen Land

    (die genaue Ziffer: t 448 902).Wir erhalten also insgesamt keinesfalls weniger, sondern sicherlichmehr als 70 M illionen Desjatinen Land, die den grten Gutsbesitzerngehren. D ie Zahl dieser groen Gutsbesitzer erreicht nicht 30 000.Nehmen wir jetzt den Grundbesitz der Bauern. Nach den Angaben derRegierungsstatistik besaen die Bauern mit den kleinsten Parzellen anAnteilland:

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    Der Qrundbesitz im Europisoen Ruland 19

    Gre des AnteillandesBis 5 Desjatinen

    5-8 8-15

    Anteilland

    Anzahl der Hfe2 8576503 3176013 932 485

    Land inDesjatinen9030 333

    21 706 55042182 923

    Im Durch-schnitt aufeinen HofDesjatinen

    3,16,5

    10,7Insgesamt 10107736 72 919 806 7,0

    Also besitzen zehn Millionen Bauernfamilien - von insgesamt etwa13 Millionen - 73 Millionen Des/atmen Land. Im Durchschnitt entfallenauf einen Hof sieben Desjatinen. Hinzufgen mu man hier noch die imPrivatbesitz befindlichen kleinen Wirtschaften: Besitzer mit bis zu 10 De-sjatinen zhlt man 409 864, an Land besitzen sie 1625 226 Desjatinen,d. h. weniger als vier Desjatinen je Hof. Folglich erhalten wir ungefhrzehneinhalb Millionen Bauernfamilien mit 75 Millionen Desjatinen Land.

    Nunmehr knnen wir diese grundlegenden Daten, die bei den Betrach-tungen ber die Bauernfrage sehr hufig vergessen oder unrichtig dar-gestellt werden, zusammenfassen:

    Der gutsherrliche Grogrundbesitz: 30 000 Besitzer - 70 MillionenDesjatinen Land.Der kleinbuerliche Grundbesitz: zehneinhalb Millionen Besitzer -

    75 Millionen Desjatinen Land.Selbstverstndlich sind das allgemeine Angaben. Um die Lage der

    Bauern und die Bedeutung der groen Gter eingehender zu studieren,mu man auf die Angaben fr die verschiedenen Gebiete oder Bezirke,zuweilen sogar fr die einzelnen Gouvernements, zurckgreifen. Aber diekonomen der Regierung wie die konomen aus dem liberalen Lager undteilweise sogar aus dem Lager der Volkstmler verdunkeln sehr hufig denXern der Bodenfrage eben durch Hinweise auf einzelne Gebiete oder aufeinzelne spezielle Seiten der Frage. Um sich ber die fundamentale Be-deutung der Bodenfrage und ber die Lage der Bauern klarzuwerden, darfman die angefhrten grundlegenden Angaben nicht auer acht lassen, darfman nicht gestatten, da das Grundlegende durch Einzelheiten verdunkeltwerde.

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    20 W.leninBeispiele fr solche Verdtmkelnngsversnche werden wir im nchstenArtikel anfhren.* Heute jedoch wollen wir das erste grundlegende Fazitziehen. Der Grund und Boden im Europischen Ruland ist so verteilt,da die grten Gutsbesitzer, von denen jeder ber mehr als 500 De-sjatinen verfgt, 70 Millionen Desjatinen besitzen, wobei die Zahl dieserGutsbesitzer nicht einmal 30 000 erreicht.Die bergroe Mehrheit der Bauern hingegen, nmlich zehneinhalbMillionen Familien von insgesamt 13 Millionen Bauernfamilien, besitzen75 Millionen Desjatinen Land.Die Durdisdinittsgre der Gter der Grogrundbesitzer betrgt2200 Desjatinen. Die Durchschnittsgre der Parzelle des Kleinbauern -sieben Desjatinen.Ginge der Grund und Boden der dreiigtausend Grobesitzer an diezehn Millionen Bauernhfe ber, so wrde sich der Bodenbesitz dieserHfe fast verdoppeln.Welche wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Gutsbesitzern undden Bauern sich aus einer solchen Bodenverteilung ergeben, darber dasnchste M al.

    Netoskaja Swesda' 3Vr. 3, "Nada de m J e x t der6. Mai 1912. ."Newskaja Swesda".IXnUrsdoriit-.lLSiMn.

    * Siehe den vorliegenden Band, S. 60-64. De Red.

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    D IE T R U D O W I K IU N D D I E A R B E I T E R D E M O K R A T I EDie W ahlkampagne fr die Wahlen zur IV. Dum a hat zu einer ge-wissen Belebung gefhrt und das Interesse fr politische Fragen erhht.Die durch die Ereignisse an der Lena ausgelste breite Bewegung hat dieseBelebung vertieft und dieses Interesse besonders gro werden lassen. Mehrdenn je ist es heute am Platze , die Frage des Verhltnisses der Trudowiki,d. h. der Bauerndemokratie, zur Arbeiterdemokratie zu errtern.Herr W. Wodowosow legt in dem Artikel Die Trudowildgruppe unddie Arbeiterpartei" (Saprossy Shisni" Nr. 17) den Standpunkt derTrudowiki in dieser Frage dar, wobei er auf meine Artikel in derSwesda"18 Liberalismus und Demokratie"* antwortet. Der Streit be-rhrt das eigentliche Wesen der beiden politischen Richtungen, in denendie Interessen von neun Z ehnteln der Bevlkerung Rulands ihren Aus-druck finden. Es ist darum die Pflicht eines jeden Demokraten, demGegenstand des Streites die grte Aufmerksamkeit entgegenzubringen.

    IDie Arbeiterdemokratie steht auf dem Standpunkt des Klassenkampfes.Die Lohnarbeiter bilden eine bestimmte Klasse in der modernen Gesell-

    schaft. Die Lage dieser Klasse unterscheidet sich radikal von der Lage derKlasse der Kleinbesitzer, der Bauern. Darum kann von ihrer Vereinigungin einer Par tei keine Rede sein.Das Ziel der Arbeiter ist die Vernichtung der Lohnsklaverei durch dieBeseitigung der Herrschaft der Bourgeoisie. Die Bauern erheben demo-kratische Forderungen, die geeignet sind, die Leibeigenschaft in allen Siehe Werke, Bd. 17, S. 561-570. Die Red.

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    22 IV . 3. Leninihren sozialen Grundlagen und Erscheinungsformen zu vernichten, dieaber ungeeignet sind, die Herrschaft der Bourgeoisie auch nur anzutasten.Die diesen wie jenen gemeinsamen A ufgaben bringen in R uland in dergegenwrtigen Etappe die Bauern- und die Arbeiterdemokratie einandernher, die nicht anders als getrennt marschieren knnen, die aber vereinthandeln knnen - und es im Interesse des Erfolges mssen gegen alles,was dem Demokratismus widerspricht. Wenn diese Vereinigung oderdiese Gemeinsamkeit des Handelns nicht verwirklicht werden wird, wennsich die Bauerndemokratie nicht von der Vormundschaft der Liberalen(der Kadetten) frei machen wird, kann von ernsthaften demokratischenUmgestaltungen in Ruland keine Rede sein.Das sind die Anschauungen der Arbeiterdemokraten, der Marxisten,die ich in den beiden Artikeln Liberalismus u nd Dem okratie" entwickelthabe.Die T rudowiki, deren Anschauungen H err Wodowosow darlegt, wolleneine ber den Klassen stehende" Partei sein. Ihrer berzeugung nachknnte eine Partei durchaus den Interessen von drei GesellschaftsklassenGenge leisten": der Bauernschaft, der Arbeiterklasse und der werk-ttigen Intelligenz".

    Ich hatte gesagt, diese berzeugung" widerspreche 1. allen Wahr-heiten der konomischen Wissenschaft, 2. allen Erfahrungen der Lnder,die der gegenwrtigen Epoche in Ruland hnliche Epochen durchgemachthaben, 3. den Erfahrungen Rulands in einer besonders wichtigen, be-sonders kritischen Periode der russischen Geschichte ^ i m Jahre 1905 . Ichhatte mich lustig gemacht ber die echt kadettischen Ansprche, verschie-dene Klassen zu umfassen", und hatte daran erinnert, da die Kadettendie Herren M aklakow als werkttige Intelligenz" bezeichnen.Herr Wodowosow versucht, ohne diese meine Argumente vollstndigund im Zusammenhang anzufhren, fragmentarische Einwendungen zumachen. Gegen das erste Argument z. B. erklrt er: Die Bauernschaft isteine Masse, die von ihrer Arbeit lebt, ihre Interessen sind die Interessender Arbeit, und darum bildet sie die eine Abteilung in der groen Armeeder A rbeit, so wie die Arbeiter die andere Abteilung bilden."Das ist keine marxistische konomische Wissenschaft, sondern einebrgerliche: durch die Phrase von den Interessen der Arbeit wird hier dergrundlegende Unterschied zwischen der Lage des Kleinbesitzers und der

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    Die Jrudotviki und die Arbeiterdemokratie 23des Lohnarbeiters vertuscht. Der Arbeiter besitzt keinerlei Produktions-mittel und verkauft sich selbst, seine Hnde, seine Arbeitskraft. Der Bauerbesitzt Prod uktionsm ittel - G erte , Vieh, Lan d, eigenes oder gepachtetes -und verkauft die Produkte seiner Wirtschaft, er ist Kleinbesitzer, Klein-unternehmer, Kleinbrger.Die Bauern dingen auch heute in Ruland nicht weniger als zwei Mil-lionen landwirtschaftlicher Lohnarbeiter fr ihre Wirtschaften. Gingenaber alle Gutsbesitzerlndereien ohne Ablsung an die Bauern ber, dannwrden sie noch weitaus mehr Arbeiter dingen.Ein solcher bergang des Bodens an die Bauern liegt im gemeinsamenInteresse der gesamten Bauernschaft, aller Lohnarbeiter, der ganzenDemokratie, weil der gutsherrliche Grundbesitz die Basis ist fr die poli-tische M acht de r Gu tsbesitzer, fr eine M acht von solchem Ty pu s, wie ihnPurischkewitsch, dann M arko w 2 und die brigen Gr en der III . D u-ma", die Nationalisten, Oktobristen usw. Ruland besonders anschaulichvor Aug en gefhrt haben . 'Hieraus erhel l t , da das gemeinsame Ziel , das heute den Bauern undArbeitern gesetzt ist, absolut nichts Sozialistisches in sich birgt, entgegender Meinung der Schwarzhunderterignoranten und zuweilen auch derLiberalen. Dieses Ziel ist ein ausschlielich demokratisches Ziel. Ist diesesZiel erreicht, so w re die Freiheit fr Ru land errun gen, ab er noch keines-wegs die Lohnsklaverei vernichtet.Um das vereinte Handeln verschiedener Klassen ernsthaft zu organi-sieren, fr einen wirklichen und dauerhaften Erfolg solchen Handelns be-darf es der klaren Erkenntnis, worin die Interessen dieser Klassen ber-einstimmen und worin sie auseinandergehen. Jegliche Irrtmer, jeglicheMiverstndnisse" in dieser Hinsicht, jede Verdunkelung der Sachedurch Phrasen mu sich auf das verhngnisvollste auswirken, mu denErfolg vereitern.

    IIDie landwirtschafdiche Arbeit unterscheidet sich von der Fabrikarbeit;aber die Fabrikarbeit unterscheidet sich doch auch von der Arbeit der Hand-lungsgehilfen im Laden - allein die ,Swesda' beweist den Handlungsgehilfeneindringlich, da sie mit den Arbeitern eine Klasse bilden, da sie darum dieSozialdemokratie als ihre Vertreterin betrachten mssen ..."

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    24 W. J. LeninDas ist die Erwiderung des Herrn Wodowosow auf die Argumente von

    dem tiefen Klassenunterschied zwischen den Kleinbesitzern und denLohnarbeitern! Die Betrachtungen des Herrn Wodowosow sind auch hiervon dem gewhnlichen Geist der brgerlichen politischen konomiedurchdrungen. Der landwirtschaftliche Kleinbesitzer gehrt zusammenmit dem Fabrikanten, mit dem Kleinbesitzer in Handel und Gewerbe zueiner Klasse; hier gibt es keinen Unterschied zwischen Klassen, sondernzwischen Berufen. Der landwirtschaftliche Lohnarbeiter gehrt mit demCobnarbeiter aus Fabrik und Handel zu einer Klasse.Diese W ahrheiten sind vom Standpunkt des Marxismus die allerelemen-tarsten Wahrheiten. Und wenn Herr Wodowosow meinen" Marxismusuerst vereinfacht" n ennt, so hofft er vergeblich, dadurch das Wesen derSadbe verdecken zu knnen: da nmlich die Trudowiki stndig von dermarxistischen politischen konomie zur brgerlichen abirren.Dieselbe Tendenz zum Abirren, und zwar in eben derselben Richtung,offenbart Herr Wodowosow, wenn er meine1 Berufung auf die Erfahrun-gen aller Lnder und auf die Erfahrungen Rulands - hinsichtlich des tief-greifenden Klassenunterschiedes zwischen den Kleinbesitzern und denLohnarbeitern - mit dem Hinweis darauf zu widerlegen versucht, da zu-weilen verschiedene Parteien eine Klasse reprsentieren und umgekehrt.Die Arbeiter in Europa folgen manchmal den Liberalen, den Anarchisten,den Klerikalen usw. Die Gutsbesitzer verteilen sich zuweilen auf ver-schiedene Parteien.Was ist denn damit bewiesen? Lediglich, da auer den Klassenunter-schieden auch andere Unterschiede, z. B. religise, nationale usw., Einfluauf die Bildung von Parteien haben.Diese Tatsache stimmt, aber in welcher Beziehung steht sie zu unseremStreit? Zeigt Herr Wodowosow fr Ruland die besonderen historischen- religisen, nationalen oder anderen - Bedingungen auf, die sich in demgegebenen 7a\\ den Klassenunterschieden binzugesellen wrden?Herr Wodowosow hat absolut keine derartigen Bedingungen auf-gezeigt und konnte sie auch nicht aufzeigen. Der Streit ging ausschlie-lich darum, ob bei uns eine ber den Klassen stehende" Partei mgrlieh sei, die den Interessen von drei Klassen Genge leisten" wrde(wobei es lcherlich ist, die werkttige Intelligenz" als Klasse zu be-zeichnen).

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    Die Jrudowiki und die Arbeiterdemokratie 25Auf diese Frage gibt die Theorie die klare Antwort: das ist unmglich!

    Eine ebenso klare Antwort geben die Erfahrungen des Jahres 1905, wosich in den unmittelbarsten und grten Massenaktionen in einem auer-ordentlich wichtigen kritischen Augenblick der russischen Geschichte alleKlassen- und Gruppenunterschiede, alle nationalen usw. Unterschiede be-sonders deutlich offenbart haben. Die Theorie des Marxismus erhielt ihreBesttigung durch die Erfahrungen des Jahres 1905, die gezeigt haben,da eine einheitliche Bauern- und Arbeiterpartei in Ruland unmglich ist.Al!e drei Dumas haben dasselbe gezeigt.Was soll da der Hinweis darauf, da in verschiedenen Lndern Europasmanchmal eine Klasse auf mehrere Parteien aufgeteilt war oder verschie-dene Klassen unter der Fhrung einer Partei vereinigt waren? Dieser H in-weis besagt absolut nichts. Mit diesem Hinweis geht Herr Wodowosownur der zu errternden Frage aus dem Wege, versucht er nur, den Leserabzulenken.Fr den Erfolg der russischen Demokratie ist es beraus wichtig, dasie ihre Krfte kenne, die Lage der Dinge nchtern betrachte, klar be-' greife, auf welche Klassen sie zu rechnen vermag. Sich durch Illusionenverfhren lassen, die Klassenunterschiede durch Phrasen verdecken, sichmit frommen Wnschen ber sie hinwegsetzen all das ist im hchstenGrade schdlich.Man mu den tiefen, im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft, imRahmen der Herrschaft des Marktes nicht zu beseitigenden Klassenzwie-spalt zwischen den Bauern und den Arbeitern R ulands offen anerkennen.Man m u offen anerkennen, worin beute ihre Interessen bereinstimmen.Man mu jede dieser Klassen einigen, ihre Krfte zusammenschlieen,ihr politisches Bewutsein entwickeln und die gemeinsame Aufgabe be-stimmen.

    Eine radikale" (ich gebrauche den Ausdruck des H errn Wodowosow,obgleich er mir nicht sehr glcklich scheint) Bauernpartei ist ntzlich undnotwendig.Alle Versuche, eine ber den Klassen stehende" Partei zu schaffen, dieVersuche, Bauern und Arbeiter in einer Partei zu vereinigen, die Ver-suche, irgendeine niditexistierende werkttige Intelligenz" als besondereKlasse hinzustellen, sind uerst schdlich, sind verderblich fr dierussische Freiheit, weil solche Versuche nichts anderes zur Folge haben3 Lenin, Werke, Bd. 18

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    26 IV . 1. Leninknnen als Enttuschungen, Krfteverlust und Trbung des politischenBewutseins.Wir stehen der Bildung einer konsequent demokratischen Bauernparteivoller Sympathie gegenber und sind eben deshalb verpflichtet, die er-whnten Versuche zu bekmpfen. Die Arbeiter sind zugleich verpflichtet,gegen den Einflu der Liberalen auf die demokratische Bauernschaft zukmpfen.

    IIIber das Verhltnis der Liberalen zur brgerlichen Demokratie, der

    Kadetten zu den Trudowiki, hat die Konferenz der letzteren nichts Klaresund Bestimmtes gesagt.19 Bei den Trudowiki ist kein Verstndnis dafr zuentdecken, da gerade die Abhngigkeit der demokratischen Bauernschaftvon den Liberalen einer der Hauptgrnde war fr den Mierfolg derFreiheitsbewegung in den Jahren 1905/1906, da ein Erfolg dieser Be-wegung unmglidb ist, wenn nicht die breiten Schichten und die fhrendenSchichten der Bauernschaft den Unterschied zwischen Demokratismus undLiberalismus erkennen, wenn sie sich nicht frei machen von der Vormund-schaft und der Herrschaft der Liberalen.Herr Wodowosow hat diese Frage von grundlegender Wichtigkeit nurhchst flchtig und unzureichend berh rt. Er erklrt, da die Kadetten-partei vornehmlich die Interessen der stdtischen Bevlkerung vertritt".Das stimmt nicht. Eine solche Bestimmung der Klassenwurzeln und derpolitischen Rolle der Partei der Kadetten ist ganz und gar untauglich.Die Partei der Kadetten ist die Partei der liberal-monarchistischenBourgeoisie. Die soziale Basis dieser Partei (wie auch der Progressisten")sind die (im Vergleich zu den Oktobristen) konomisch fortschrittlicherenSchichten der Bourgeoisie, insbesondere aber die brgerliche Intelligenz.

    Zwar folgt noch ein Teil des stdtischen und lndlichen Kleinbrgertumsdieser Partei, doch lediglich kraft der Tradition (d. h. der einfachen Ge-wohnheit, der blinden Wiederholung des Gestrigen) und weil er von denLiberalen direkt betrogen wird. -Wenn die Kadetten sich als Demokraten bezeichnen, betrgen sie sichselbst und betrgen sie das Volk. In Wirklichkeit sind die Kadetten kon-terrevolutionre Liberale.Die ganze Geschichte Rulands, besonders des 20 . Jahrhunderts, be-

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    Die Jrudowiki und die Arbeiterdemokratie 27sonders der Jahre 1905/1906, hat das vollauf bewiesen, der SammelbandWechi"20 aber hat das besonders anschaulich, klar und vollstndigdemonstriert und enthllt. Und keinerlei Vorbehalte" der kadettischenDiplomaten gegenber den Wechi" werden an dieser Tatsache etwasndern.Der erste Abschnitt der Freiheitsbewegung in Ruland, das erste Jahr-zehnt des 20. Jahrhunderts hat offenbart, da noch breite Massen d erBevlkerung, die zur Demokratie neigen, nicht in gengendem Maepolitisch bewut sind, den Liberalismus vom Demokratismus nicht unter-scheiden und sich der Fhrung der Liberalen unterwerfen. Solange sichdas nicht ndert und soweit sich das nicht ndert, ist es zwecklos, vonirgendeiner demokratischen Umgestaltung Rulands auch nur zu reden.Das w rde nur leeres Gerede sein.Welche Einwendungen macht Herr Wodowosow gegen diese Prmis-sen, auf denen mein Artikel aufgebaut war? Die Trudowiki", schreibt er,halten es unter den gegenwrtigen Bedingungen fr uerst untak-tisch (!!), zuviel von dem konterrevolutionren Charakter der Kadettenzu sprechen "Da hat m an's! Was soll hier die T aktik"? was soll hier das zuviel"?Wenn es wahr ist, da die Kadetten konterrevolutionre Liberale sind,dann ist es Pflicht, die Wahrheit zu sagen. Ob man viel, ob man wenigvon den konterrevolutionren Rechten und von den konterrevolutionrenLiberalen sprechen soll das ist eine ganz und gar zweitrangige Frage:Jedesmal, wenn der Publizist von den Rechten spricht, jedesmal, wenn ervon den Liberalen spricht, mu er die Wahrheit sagen. Die Trudowikihaben ber die Rechten die Wahrheit gesagt. Dafr sprechen wir ihnenunser Lob aus. Von den Liberalen haben die Trudowiki selbst zu sprechenbegonnen - und sie haben die Wahrheit nicht ausgesprochen l

    N ur deswegen machen wir den Trudowiki Vorwrfe.Zuviel" oder zuwenig - das ist durchaus belanglos. Mgen dieTrudow iki tausend Zeilen den Rechten widmen und fnf den L iberalen,wir werden dagegen nichts einwenden. Nicht deswegen haben wir Ein-wendungen gegen die Trudowiki erhoben. Wir haben Einspruch dagegenerhoben, da in diesen fnf Zeilen" (machen Sie sich selbst den Vor-wurf, Herr Wodowosow, da Sie Ihr unglckliches zuviel" in die Debattegeworfen haben!) nicht die Wahrheit ber die Liberalen gesagt wurde.

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    28 WJ.LeninHerr Wodowosow'ist einer Antwort auf das Wesentliche ausgewichen:

    Sind die Kadetten konterrevolutionr oder nicht?Das Ausweichen der Trudowiki vor dieser Frage ist ein groer Fehler,ein Zeichen dafr, da in der Praxis ein Teil der Demokraten und ein Teilder ehemaligen Marxisten vom Liberalismus abhngig ist.Diese Frage ist durch die ganze Geschichte des ersten Jahrzehnts des20. Jahrhunderts unabwendbar aufgeworfen.Heute wachsen in Ruland berall, in den verschiedensten Schichtender Bevlkerung, neue demokratische Elemente heran. Das ist eine Tat-sache. Diese demokratischen Elemente mssen, whrend sie heranwachsen,in konsequentem Demokratismus erzogen werden. Eine solche Erziehungist unmglich, ohne das wahre Wesen der Liberalen klarzustellen, dieber Hunderte von Organen verfgen, hundert Sitze in der Duma inne-haben und dergestalt stndig in pseudodemokratischer Richtung unver-gleichlich mehr Menschen beeinflussen, als unsere Propaganda erfassenkann.Die Demokratie mu ihre Krfte zusammenschlieen. Die Trudowikiwerden wir stets fr ihre demokratischen Reden ber die Rechten loben.Aber ihr Demokratismus wird inkonsequent sein, wenn sie dann, wenn sievon den Liberalen sprechen, auf liberale Art sprechen, anstatt eine Sprachezu sprechen, die eines Demokraten wrdig ist.Nicht zwei Lager kmpfen bei den Wahlen, sondern drei. VerwechselnSie nicht, meine Herren Trudowiki, das zweite (liberale) Lager mit demdritten (demokratischen). Vertuschen Sie nicht den Unterschied zwischenihnen - fr diese schlechte Sache tragen schon die Liberalen zuviel"Sorge.Prawda" 5Vr. 13 und 14, Tlada dem Jext der .Prawda".8.und9.!Mai 1912.Unterschrift-. P.P.

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    DIE POLITISCHEN PARTEIEN IN RUSSLANDDie Wahlen zur Reichsduma veranlassen alle Parteien, ihre Agitationzu verstrken, ihre Krfte zusammenzufassen, um mglichst viel Abge-ordnete ihrer" Partei durchzubringen.Dabei wird auch bei uns, wie in allen anderen Lndern, die hemmungs-loseste Wahlreklame entfaltet. Alle brgerlichen Parteien, das heit allediejenigen, die die konomischen Privilegien der Kapitalisten verteidigen,machen fr ihre Parteien ebenso Reklame, wie die einzelnen Kapitalistenfr ihre Waren Reklame machen. Man betrachte die Geschftsinserate ineiner beliebigen Zeitung, und man wird sehen, wie die Kapitalisten die

    effektvollsten", schreiendsten, modischsten Bezeichnungen fr ihreWaren ersinnen und sie ber den grnen Klee loben, ohne sich auch nurden geringsten Zwang anzutun, ohne vor irgendeiner Lge oder Erfin-dung haltzumachen.Das Publikum - zumindest in den groen Stdten und in den Handels-zentren - ha t sich lngst an die Geschftsreklame gewhnt und w ei, wassie wert ist. Leider verwirrt die politische Reklame unvergleichlich mehrMenschen, ihre Entlarvung ist weitaus schwieriger, der Betrag hlt hierviel lnger vor. D ie Namen der Parteien werden in Europa wie auch beiuns - zuweilen direkt zum Zweck der Reklame ausgewhlt, die Pro -gramme" der Parteien werden sehr, sehr oft nur geschrieben, um dasPublikum zu betrgen. Je grer die politische Freiheit in einem kapita-listischen Land ist, je mehr Demokratismus es gibt, d. h., je grer dieMacht des Volkes und der Volksvertreter ist, desto unverfrorener wirdhufig die Reklame der Parteien.W ie soll man sich da, bei einer solchen Lage der Dinge, in dem Kampf

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    30 IV . 1. Leninder Parteien zurechtfinden? Bedeutet nicht dieser Kampf mit all seinemBetrug und seiner Reklame, da Vertretungskrperschaften, Parlamente,Versammlungen von Volksvertretern berhaupt unntz, ja sogar schdlichsind, wie das die Erzreaktionre, die Feinde des Parlamentarismus, nichtmde werden zu versichern? Nein. Gibt es keine Vertretungskrper-schaften, so gibt es noch weitaus mehr Tuschung, politische Lge undbetrgerische Machinationen jeder Art, und das Volk hat weitaus wenigerMittel in der Hand, um den Betrug aufzudecken und die Wahrheit aus-findig zu m achen.Um sich in dem Kampf der Parteien zurechtzufinden, darf man denParteien nicht aufs Wort glauben, sondern mu ihre wirkliche Geschichtestudieren, mu man nicht so sehr studieren, was die Parteien ber sichselbst sagen, als vielmehr, was sie tun, wie sie bei der Entscheidung derverschiedenen politischen Fragen handeln, w ie sie sich in den Fragen ver-halten, die die Lebensinteressen der verschiedenen Klassen der Gesell-schaft berhren, der Gutsbesitzer, der Kapitalisten, der Bauern, derArbeiter und so weiter.Je grer die politische Freiheit in einem Lande ist, je fester begrndetund demokratischer seine Vertretungskrperschaften sind, desto leichterist es fr die Volksmassen, sich im Kampf der Parteien zurechtzufindenund die Politik zu erlernen, d. h. den Betrug aufzudecken und die W ahr -heit ausfindig zu machen.Am klarsten tritt die Teilung jeder Gesellschaft in politische Parteienin der Zeit tiefer, das ganze Land erschtternder Krisen hervor. DieRegierungen pflegen dann notgedrungen Sttzen in den verschiedenenKlassen der Gesellschaft zu suchen; der ernste Kampf fegt alle Phrasen,alles Kleinliche, Angeschwemmte hinweg; die Parteien spannen alle ihreKrfte an , wenden sich an die Massen des Volkes, und die Massen, geleitetvom richtigen Instinkt, aufgeklrt durch die im offenen Kampf erwor-benen Erfahrungen, folgen den Parteien, die die Interessen dieser oderjener Klasse zum Ausdruck bringen.Die Zeiten solcher Krisen bestimmen stets fr viele Jahre, ja selbstJahrzehnte, die Parteiengrappierung der gesellschaftlichen Krfte desbetreffenden Landes. In Deutschland z. B. waren die Kriege von 1866und 1870 eine solche Krise; in Ruland die Ereignisse von 1905. Es istunmglich, das Wesen unserer politischen Parteien zu begreifen, es ist

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    Die politisiert Parteien in Ruland 31unmglich, sich klar darber zu werden, welche "Klassen diese oder jenePartei in Ruland vertritt, ohne auf die Ereignisse dieses Jahres zurck-zugehen.Beginnen wir unsere kurze Skizze der politischen Parteien in Rulandmit den extremen Rechtsparteien.Auf dem uersten rechten Flgel treffen wir den Bund des russischenVolkes.Das Programm dieser Partei wird im Blatt des Bundes des russischenVolkes, im Russkoje Snamja" [Reuenfahne], herausgegeben vonA. I . Du brow in, folgendermaen dargelegt:

    Der Bund des russischen Volkes, den der Zar am 3. Juni 1907 von der Hheseines Thrones herab des Appells gewrdigt hat, ihm eine zuverlssige Sttzezu sein, indem er fr alle und in allem als Beispiel der Gesetzlichkeit und derOrdnung diene, bekennt, da der Wille des Zaren nur verwirklicht werdenkann, wenn 1. die mit der russischen rechtglubigen, kanonisch geordnetenKirche unlsbar und lebendig verbundene Selbstherrschaft ihre Macht volleinsetzt; wenn 2. russisches Volkstum nicht nur in den inneren Gouvernements,sondern auch in den Randgebieten herrschend wird; wenn 3. eine ausschlielichaus russischen Mnnern zusammengesetzte Reichsduma bestehen wird alsHauptgehilfin des Selbstherrschers in seinen Bemhungen um den staatlichenAufbau; wenn 4. die grundlegenden Thesen des Bundes des russischen Volkesbezglich der Juden voll und ganz beachtet werden und wenn 5. Beamte, diezu den Gegnern der zaristischen absoluten Macht gehren, aus dem Staats-dienst entlassen werden."

    Wir haben diese feierliche Deklaration der Rechten genau wieder-gegeben, einerseits, um den Leser unmittelbar mit dem Original bekanntzu machen, und anderseits im Hinblick darauf, da die hier dargelegtenGrundmotive ihre Geltung bewahren fr al le Parteien der Mehrheit derIII. Duma, d. h. sowohl fr die Nationalisten" als auch fr die Okto-bristen. Das wird aus der weiteren Darlegung zu ersehen sein.Das P rogra m m des Bundes des russischen Volkes wiederholt im Gru ndegenommen die alte Losung aus den Zeiten der Leibeigenschaft: Recht-glubigkeit, Selbstherrschaft, Volkstum. Was die Frage betrifft, vermittelsderer man den Bund des russischen Volkes gewhnlich von den auf ihnfolgenden Parteien zu unterscheiden pflegt, nmlich die Anerkennungoder Ablehnung konstitutioneller" Prinzipien in der russischen Staats-

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    32 IV . J. LeninOrdnung, so ist es besonders wichtig, hervorzuheben, da der Bund desrussischen Volkes durchaus nicht gegen eine Vertretungskrperschaftschlechthin ist. Aus dem zitierten Programm ist ersichtlich, da der Bunddes russischen Volkes fr die Existenz einer Reichsduma in der Rolle einerGehilfin" eintritt. - Die Eigenart der russischen, wenn man sich so ausdrcken darf, Kon-stitution hat der Dubrowinmann eben richtig, d. h. entsprechend der tat-schlichen Lage der Dinge, zum Ausdruck gebracht. Sowohl die Nationa-listen als auch die Oktobristen stehen in ihrer wirklichen Politik-eben aufdiesem Standpunkt. Der Streit zwischen diesen Parteien ber die Kon-stitution" luft in bedeutendem Mae auf einen Streit um Worte hin-aus: die Rechten" sind nicht gegen eine Duma, sie betonen lediglich mitbesonderem Eifer, da sie Gehilfin" sein soll ohne irgendwelche Fest-legung ihrer Rechte, die Nationalisten und Oktobristen bestehen ihrerseitsnicht auf irgendwelche genau bestimmte Rechte und denken auch keines-wegs an reale Garantien dieses Rechts. Und die Konstitutionalisten"des Oktobrismus vertragen sich durchaus mit den Gegnern der Kon-stitution" auf dem Boden der Konstitution des 3. Juni.Die Hetze gegen die Fremdstmmigen im allgemeinen und gegen dieJuden im besonderen ist im Programm der Schwarzhunderter offen, klarund bestimmt formuliert. Wie stets sprechen sie hier grber, rcksichts-loser, aufreizender das aus, was die brigen Regierungsparteien mehroder weniger schamhaft" oder diplomatisch zu verstecken suchen.In Wirklichkeit beteiligen sich - wie das jedermann wei, der einiger-maen mit der Ttigkeit der III. Duma, mit der Presse vom Schlage desNowoje Wremja", des Swet", des Golos Moskwy"21 usw. vertrautist - an der Hetze gegen die Fremdstmmigen sowohl die Nationalistenwie die O ktobristen.Es fragt sich, welches denn nun die soziale Basis der Partei der Rechtenist, welche Klasse sie vertr itt, welcher Klasse sie dient.Die Rckkehr zu den Losungen der Leibeigenschaft, das Einstehen fralles Alte, alles Mittelalterliche im russischen Leben, die volle Zufrieden-heit mit der Konstitution des 3. Juni, dieser C/Mtsbesitzerkonstitution, dieVerteidigung der Privilegien des Adels und des Beamtentums - all dasgibt eine klare Antwort auf unsere Frage. Die Rechten, das ist die Parteider feudalen Gutsbesitzer, des Rates des vereinigten A dels. Nicht umsonst

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    Die poUtisden Parteien in Ruland 33hat doch gerade dieser Rat eine so hervorragende, mehr noch, fhrendeRolle gespielt bei der Auseinanderjagung der II. Dum a, bei der nderungdes Wahlgesetzes und beim Staatsstreich vom 3. Juni.Um die konomische Macht dieser Klasse in Ruland deutlich zumachen, gengt es, auf die folgende grundlegende Tatsache hinzuweisen,die durch Zahlen der von der Regierung, vom Innenministerium, heraus-gegebenen B odenstatistik vom Jahre 1905 bewiesen wird.Im Europischen Ruland besitzen weniger als 30000 Gutsbesitzer70 Millionen Desjatinen Land; ebensoviel besitzen die 10 MillionenBauernfamilien mit dem kleinsten Bodenanteil. Auf einen Grogrund-besitzer ergibt das im Durchschnitt ungefhr 2300 Desjatinen Land; aufeinen armen Bauern 7 Desjatinen Land - je Familie, je Hof.Es ist ganz natrlich und unvermeidlich, da der Bauer auf einemsolchen Anteil" nicht leben, sondern nur langsam sterben kann . StndigeHungersnte, von denen Millionen betroffen sind - wie die Hun gersnot indiesem Jahr -, zerstren in Ruland fortlaufend, nach jeder M iernte , dieBauernwirtschaft. Die Bauern mssen Land bei den Gutsbesitzern pach-ten - gegen Abarbeit jeder Art. Fr das Land arbeitet der Bauer mitseinem Pferd und seinen Gerten bei dem Gutsbesitzer. Das ist der alteFrondienst, nur da er offiziell nicht Leibeigenschaft genannt wird. Undauf Grundstcken von 2300 Desjatinen knnen die Gutsbesitzer im all-gemeinen auch keine andere Wirtschaft fhren als eine auf Schuldknecht-schaft und Abarbeit, d. h. auf Frondienst beruhende Wirtschaft. MitHilfe von Lohnarbeitern bearbeiten sie lediglich einen Teil dieser gewal-tigen Besitzungen.Weiter, diese selbe Klasse der adligen Gutsbesitzer stellt dem Staatden weitaus grten T eil aller hheren und mittleren Beamten. Die Privi-legien des Beamtentums in Ruland, das ist die andere Seite der Privi-legien und der auf dem Grundbesitz beruhenden Macht der adligen Guts-besitzer. Hieraus wird begreiflidi, da der Rat des vereinigten Adels unddie rechten" Parteien nicht zufllig, sondern unvermeidlich, nicht aufGrund des bsen Willens" einzelner Personen, sondern unter demDruck der Interessen einer unerhrt mchtigen Klasse eine Politik deralten Leibeigenschaftstraditionen vertreten. Die alte herrschende Klasse,die Nachkmmlinge der Fronherren, die nach wie vor die herrschendegeblieben ist, hat sich die entsprechende Partei geschaffen. Diese Partei,

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    34 IV . 1.das sind eben der Bund des russischen Volkes" oder die ,;Rechten" in derReichsduma und im Reichsrat.Aber wenn einmal Vertretungskrperschaften existieren, wenn einmaldie Massen in der politischen Arena schon offen in Aktion getreten sind,wie sie es bei uns im Jahre 1905 getan haben, dann wird es fr jede Parteinotwendig, in diesen oder jenen G renzen an das Volk zu appellieren. W o-mit aber knnen die rechten Parteien an das Volk appellieren, sich an dasVolk wenden?Natrlich ist es unmglich, geradeheraus ber den Schutz der Inter-essen der Gutsbesitzer zu sprechen. Es wird von der Erhaltung der gutenalten Zeit im allgemeinen gesprochen, man strengt sich nach Krften an,Mitrauen gegen die Fremdstmmigen, insbesondere gegen die Juden, zusen, vllig unentwickelte, vllig unwissende Menschen zu Pogromen, zurHetze gegen den Jud" hinzureien. Man bemht sich, die Privilegiender Adligen, der Beamten und der Gutsbesitzer hinter Reden ber dieUnterdrckung" der Russen durch die Fremdstmmigen zu verbergen.Solcherart ist die Partei der Rechten". Ihr Mitglied Purischkewitsch,einer der angesehensten Redner der Rechten in der III. Duma, hat sehrviel und erfolgreich daran gearbeitet, dem Volk zu zeigen, was die Rech-ten wollen, wie sie handeln, wem sie dienen. Purischkewitsch, das ist eintalentvoller Agitator.Neben den Rechten", die in der III. Duma 46 Abgeordnete zhlen,stehen die "Nationalisten" mit 91 Abgeordneten. Die Schattierung, diesie von den Rechten unterscheidet, ist vllig unbedeutend : im Grunde ge-nommen sind das nicht zwei Parteien, es ist eine Partei, die unter sich dieArbeit" geteilt hat, gegen den Fremdstmmigen, den Kadetten" (denLiberalen), den Demokraten usw. zu hetzen. Die einen verrichten plum-per, die anderen raffinierter genau das gleiche W erk . U nd fr die Regie-rung ist es ja von Vorteil, da die extremen" Rechten, die zu jedemSkandal, Pogrom, zum Mord an den Herzenstem, Jollos und Karawajewfhig sind, ein wenig im Hintergrund bleiben, gleichsam als ob sie dieRegierung von rechts kritisierten" . . . Eine ernste Bedeutung kann derUnterschied zwischen Rechten und Nationalisten nicht haben.Die Oktobristen haben in der III. Duma 131 Abgeordnete, wobeinatrlich auch die rechten Oktobristen" in diese Zahl einbegriffen sind.Sie unterscheiden sich in der heutigen Politik in nichts Wesentlichem von

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    Die politisiert Parteien in Ruland 35den Rechten, es sei denn dadurch, da ihre Partei auer dem Gutsbesitzerauch noch dem Grokapitalisten dient, dem altglubigen Kaufmann, derBourgeoisie, die das Erwachen der Arbeiter und dann auch der Bauernzu selbstndigem Leben in solchen Schrecken versetzt hat, da sie ganzund gar zur Verteidigung der alten Zustnde zurckgekehrt ist. Es gibtKapitalisten in Ruland - und ihrer sind nicht gerade wenig -, die mitihren Arbeitern keineswegs besser umgehen als die Gutsbesitzer mit denehemaligen Leibeigenen; die Arbeiter, der Handelsangestellte sind fr sieebenfalls Gesinde, Dienstleute. Niemand versteht diese alten Zustndebesser zu verteidigen als die rechten Parteien, die Nationalisten und dieOktobristen. Zwar gibt es auch Kapitalisten, die in den Semstwo- undStdtetagungen von 1904 und 1905 eine Konstitution" forderten, abergegen die Arbeiter sind sie bereit, sich mit der Konstitution des 3.- Junivllig zufriedenzugeben.Die Partei der O ktobristen ist die wichtigste konterrevolutionre Parteider Gutsbesitzer und Kapitalisten. Sie ist die fhrende Partei derIII. Duma: 131 Oktobristen und 137 Rechte und Nationalisten bilden diesolide M ehrheit der III. Duma.Das Wahlgesetz vom 3. Juni 1907 hat den Gutsbesitzern und Gro-kapitalisten die Mehrheit gesidhert-. In allen Wahlmnnerversammlungender Gouvernements, die die Abgeordneten in die Duma entsenden, gehrtdie Mehrheit den Gutsbesitzern und den Wahlmnnern der ersten stdti-schen (d. h. grokapitalistischen) Kurie. In den Versammlungen von28 Gouvernements gehrt die Mehrheit sogar den Wahlmnnern derGrundbesitzer allein. Die ganze Politik der Regierung des 3. Juni ist mitHilfe der oktobristischen Partei durchgefhrt worden, fr alle Sndenund Verbrechen der III. Duma fllt ihr die Verantwortung zu.In Worten, in ihrem Programm setzen sich die Oktobristen fr dieKonstitution" ein und sogar... fr die Freiheit! In der Tat aber hatdiese Partei alle Manahmen gegen die Arbeiter (wie z. B. den Entwurfeines Versicherungsgesetzes - man denke nur an den Vorsitzenden derDumakommission fr Arbeiterfragen, Baron Tiesenhausen!), gegen dieBauern, gegen eine Beschrnkung von Willkr und Rechtlosigkeit unter-sttzt. D ie Oktobristen sind genauso eine Regierungspartei wie die Natio-nalisten. Dieser Umstand wird nicht im geringsten dadurch gendert, dadie Oktobristen von Zeit zu Zeit - urd besonders vor den Wahlen! -

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    36 WJ. Leninoppositionelle" Reden halten. Oberall, wo Parlamente existieren, istschon seit jeher zu beobachten, beobachtet man stndig, wie die brger-lichen Parteien Opposition spielen, ein Spiel, das ihnen nichts schadet,denn keine Regierung nimmt es ernst, ein Spiel, das im Hinblick auf denWhler, den es mit der oppositionellen Gesinnung einzuseifen" gilt,manchmal nicht ohne Nutze n ist.Spezialisten und Virtuosen der Oppositionsspielerei sind hingegen dieKadetten, die konstitutionellen Demokraten", die Partei der Volksfrei'heit" - die wichtigste oppositionelle P artei der III. Dum a.Ein Spiel ist schon die Bezeichnung dieser Partei, die in Wirklichkeitabsolut keine demokratische Partei ist, keineswegs eine Partei des Volkes,keine Partei der Freiheit, sondern eine Partei der halben, wenn nicht derviertel Freiheit ist.In Wirklichkeit ist das die Partei der liberal-monarchistischen Bour-geoisie, die die Volksbewegung weitaus mehr frchtet als die Reaktion.Der D emokrat glaubt an das Volk, glaubt an die Bewegung der Massen,unte rsttzt sie in jeder Weise - obgleich er nicht selten (wie die brger-lichen Demokraten, die Trudowiki) eine unrichtige Vorstellung hat vonder Bedeutung dieser Bewegung im Rahmen der kapitalistischen Ordnung.Der Demokrat strebt aufrichtig danach, mit allem Mittelalterlichen aufzu-rumen.Der Liberale frchtet die Bewegung der Massen, hemmt sie und ver-teidigt bewut bestimmte, und zwar die wichtigsten mittelalterlichen Ein-richtungen, um eine Sttze gegen die Massen, insbesondere gegen dieArbeiter, zu haben. Die Teilung der Macht mit den Purischkewitsdi -keinesfalls die Vernichtung aller Grundlagen fr die Macht der Purisch-kewitsch -, das ist es, was die Liberalen erstreben: Alles fr das Volk,alles durch das Volk - sagt der demokratische Kleinbrger (darun ter de rBauer und der Trudowik), der aufrichtig die Vernichtung aller Grund-lagen der Purischkewitschordnung erstrebt, ohne jedoch die Bedeutungdes Kampfes der Lohnarbeiter gegen das Kapital zu begreifen. Umge-kehrt, mit den Purischkewitsch die Macht ber die Arbeiter u nd ber dieKleinbesitzer zu teilen, das ist das wirkliche Ziel der liberal-monarchi-stischen Bourgeoisie.Die Kadetten besaen in der I. und II. Dum a die Meh rheit bzw. die be-herrschende Position. Sie ben utzten sie fr ein sinnloses und schmachvolles

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    Die politischen Parteien in Ruland 37Spieh. nach rechts machten sie in Loyalitt und Ministerwrdigkeit (wirsind imstande, friedlich alle W idersprche zu lsen, ohne den Mushik- zuverderben und ohne Purischkewitsch zu krnken), nach links in Demo-kratismus. Rechts haben die Kadetten als Ergebnis dieses Spiels zu guterLetzt einen Futritt erhalten. Links erwarben sie sich die gerechte Be-zeichnung: Verrter der Volksfreiheit. In den ersten beiden Dumas habensie allezeit nicht nur die Arbeiterdemokratie, sondern auch die Trudowikibekmpft. Es gengt, daran zu erinnern, da der von den Trudowiki (inder I. Duma) aufgestellte Plan rtlicher Bodenkomitees, dieser elementardemokratische Plan, ein Plan des demokratischen Abc, von den Kadettenzu 7al\ gebracht wurde, weil sie die Vorherrschaft des Gutsbesitzers unddes Beamten ber den Bauern in den Flurbereinigungskommissionen ver-teidigten!In der III. Duma spielten die Kadetten die verantwortungsbewuteOpposition", die Opposition m it dem Genitiv. Als solche haben sie wieder-holt fr das Regierangsbudget gestimmt (Demokraten"!); sie machtenden Oktobristen die Ungefhrlichkeit und Harmlosigkeit ihres Zwangs" -loskaufs (Zwang fr die Bauern) klar - man denke an Beresowski 1; sieschickten Karaulow auf die Tribne, damit er gottesfrchtige" Redenhalte; sie sagten sich von der Bewegung der Massen los; sie appelliertenan die Spitzen" und unterdrckten die Vertreter der Massen (der Kampfder Kadetten gegen die Arbeiterdeputierten in der Frage der Arbeiterver-sicherung) usw. usf.Die Kadetten sind die Partei des konterrevolutionren Liberalismus.Durch ihren Anspruch auf die Rolle der verantwortungsbewuten Oppo-sition", d. h. einer anerkannten, gesetzlichen, zur Konkurrenz mit denOktobristen zugelassenen Opposition nicht gegen das Regime des 3. Juni,sondern innerhalb des Regimes des 3. Juni - durch diesen Anspruch habensich die Kadetten als Demokraten" endgltig selbst das Grab gegraben.Die schamlose wechistische Propaganda der kadettischen Ideologen, derHerren Struve, Isgojew und Co., die von Rosanow und Antonius vonWolhynien mit Lob berhuft worden sind, und die Rolle der verant-wortungsbew uten Opposition" in der III. Duma, das sind zwei Seiteneiner Medaille. Die von den Purischkewitsch geduldete liberal-monarchi-stische Bourgeoisie mchte neben Purischkewitsch Platz nehmen.Der Block der Kadetten mit den Progressisten" in der gegenwrtigen

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    38 W.I. LeninZeit, bei den Wahlen zur IV. Du ma, besttigt noch einmal von neuem denzutiefst konterrevolutionren Charakter der Kadetten. Die Progressistenerheben nicht den geringsten Anspruch darauf, Dem okraten zu sein, sagenkein Sterbenswort von Kampf gegen das ganze Regime des 3 . Juni undtrumen nicht einmal von einem allgemeinen Wahlrecht". Es sind dasgemigte Liberale, die ihre Verwandtschaft mit den Oktobristen nichtverbergen. Das Bndnis der Kadetten mit den Progressisten sollte selbstden Blindesten unter den kadettisdien Chorsngern" die Augen ffnenber das w ahre Wesen der kadettischen Partei.Die demokratische Bourgeoisie in Ruland reprsentieren die Volks-tmler aller Schattierungen, von den linkesten Sozialrevolutionren biszu den Volkssozialisten und den Trudowiki. Sie alle gebrauchen gernsozialistische" Phrasen, doch darf sich der klassenbewute Arbeiter berdie Bedeutung dieser Phrasen keiner Tuschung hingeben. In Wirklich-keit gibt es weder in irgendwelchem Recht auf Grund und Boden" nochin der ausgleichenden Bodenverteilung" noch in der Sozialisierung desGrund und Bodens" auch nur ein Qran Sozialismus. Das mu jeder be-greifen, der wei , da bei Aufhebung des Privateigentums am G rund undBoden und b ei einer neuen, un d sei es der gerechtesten", Verteilung desBodens die Warenproduktion, die Macht des Marktes, des Geldes, desKapitals, nicht nur unangetastet bleibt, sondern sich im Gegenteil nochweiter entfaltet.Aber die Phrasen ber das Arbeitsprinzip" und den Volkstmler-Sozialismus" bringen den tiefen Glauben (und das aufrichtige Bestreben)des Demokraten zum Ausdruck, da die Ausrottung alles Mittelalter-lichen in den Bodenbesitzverhltnissen und zugleich damit auch in derpolitischen Ordnung mglich und notwendig ist. Wenn die Liberalen (dieKadetten) danach streben, mit den Purischkewitsch die politische Machtund die politischen Privilegien zu teilen, so sind die Volkstmler darumeben Dem okraten , weil sie danach streben, und in der gegenwrtigen Z eitdanach streben mssen, alle Privilegien in den Bodenbesitzverhltnissenund alle Privilegien in der Politik zu beseitigen.Die Lage der russischen Bauernschaft in ihrer groen Masse ist derart,da sie von irgendeinem Kompromi mit den Purischkewitsch (das frden Liberalen vollkommen mglich, erreichbar und naheliegend ist) nichteinmal trumen kann. Darum besitzt der Demokratismus der Klein-

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    Die politisdben Parteien in Ruland 39bourgeoisie noch fr eine ziemlich lange Zeit in Ruland Wurzeln in derMasse, whrend die Stolypinsche Agrarreform, diese brgerliche Politikder Purisdikewitsch gegen den Mushik, bislang nichts Dauerhaftes ge-schaffen hat auer... der Hungersnot fr 30 Millionen!Die M illionen hungernder Kleinbesitzer mssen unbedingt eine andere,eine demokratische Agrarreform erstreben, die zwar ber den Rahmendes Kapitalismus nicht hinausgehen kann, die Lohnsklaverei nicht besei-tigen wird, aber das Mittelalter von der russischen Erde hinwegzufegenvermag.Die Trudowiki sind in der III. Duma furchtbar schwach, aber sie ver-treten die Massen. Das Schwanken der Trudowiki zwischen den Kadettenund der A rbeiterdemokratie ergibt sich unvermeidlich aus der Klassenlageder Kleinbesitzer, wobei die besondere Schwierigkeit, diese zusammen-zuschlieen, zu organisieren und aufzuklren, die uerste Unbestimmt-heit und Gestaltlosigkeit der Trudowiki als Partei zur Folge hat Darumeben bieten die Trudowiki - gefrdert durch den einfltigen Otsowis-mus" der linken Volkstmler - das traurige Bild einer liquidierten P artei.Die Trudowiki unterscheiden sich von unseren beinah-marxistischenLiquidatoren dadurch, da sie Liquidatoren aus Schwche, jene aber ausBswilligkeit sind. Den schwachen kleinbrgerlichen Demokraten helfen,sie dem Einflu der Liberalen en treien, das Lager der Dem okratie gegendie konterrevolutionren Kadetten, und nicht nur gegen die Rechten, zu-sammenschlieen - das ist die Aufgabe der Arbeiterdemokratie.In bezug auf diese, die ihre eigene Fraktion in der III. Duma gehabthat, knnen wir hier nur wenig sagen.Die Parteien der Arbeiterklasse haben sich berall in Europa dadurchherausgebildet, da sie sich vom Einflu der allgemeinen demokratischenIdeologie frei machten-und lernten, den Kampf der Lohnarbeiter gegendas Kapital zu sondern vom Kampf gegen den Feudalismus, unter ande-rem eben, um diesen letzteren Kampf zu intensivieren, ihn frei zu machenvon allen Schwankungen und aller Zaghaftigkeit. In Ruland hat sich dieArbeiterdemokratie sowohl vom Liberalismus als auch von der brger-lichen Demokratie (den Trudowiki) klar abgegrenzt, zum groen Vorteilfr die Sache der Demokratie berhaupt.Die liquidatorische Strmung in der Arbeiterdemokratie (NaschaSarja" und Shiwoje Delo") teilt die Schwche der Trudowikirichtung,

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    40 W. 3. Leninpreist die Gestaltlosigkeit, mchte die Lage der geduldeten" Oppositioneinnehmen, sagt sich los von der Hegemonie der Arbeiter, beschrnkt sichauf Worte ber eine legale" Organisation (wobei sie die nicht legaleschmht), propagiert eine liberale Arbeiterpolitik. D er Zusammenhangdieser Strmung mit dem Zerfall und der Depression in den Zeiten derKonterrevolution ist offensichtlich, ih r Abfall von der Arbeiterdemokratiewird offenkundig.Die klassenbewuten Arbeiter, die nichts liquidieren, die sich als Gegen-gewicht zu den liberalen Einflssen zusammenschlieen, sich als Klasseorganisieren, alle mglichen Formen des Zusammenschlusses, des gewerk-schaftlichen usw., entwickeln, treten als Vertreter der obnarbeit demKapital und zugleich als Vertreter der konsequenten Demokratie demganzen alten Regime in Ruland entgegen und verurteilen alle Z ugestnd-nisse an dieses Regime.

    Als Illustration verffentlichen wir die Angaben ber die parteimigeZusammensetzung der III. Reichsduma, die wir dem offiziellen Duma-Handbuch" fr das Jahr 1912 entnehmen.Zusammensetzung der III. Reicbsdumanao Parteien

    G u t s b e s i t z e r :RechteNationalistenUnabhngige NationalistenRechte OktobristenOktobristen

    Insgesamt RegierungsparteienB o u r g e o i s i e :

    ProgressistenKadettenPolnisches KoloPolnisch-Litauisch-Belorussische GruppeMohammedanische GruppeInsgesamt Liberale

    4674171112026 8

    36521179US

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    D ie poUtisdien Parteien in Jiuland 41B r g e r l i c h e D e m o k r a t i e :Trudowikigruppe 14

    A r b e i t e r d e m o k r a t i e :Sozialdemokraten 13Insgesamt Demokraten 27

    Parteilose 17Insgesamt 437

    In der III. Reichsduma gab es zwei Mehrheiten: 1. Rechte und Okto-bristen = 268 von 437; 2. Oktobristen und Liberale = 120 +. 115 = 235von 437. Beide Mehrheiten sind konterrevolutionr.Newskaja Swesda" Nr. 5, TJadb dem 7ext der10. !Mai 1912. TJewskaja Swesda".iXnters

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    E I N E E N Q U E T E B E R D I E O R G A N I S A T I O N E ND E S G R O S S K A P I T A L S 2 2

    Die Abteilung fr Industrie und Wirtschaft der Kaiserlich RussischenTechnischen Gesellschaft hat eine Enquete durchgefhrt ber die ffent-lichen Organisationen der H andels- und Industrieidasse in Ruland" -richtiger: ber die Organisationen des Grokapitals. Die Ergebnisse dieserEnquete sind jetzt in dem Buch des Herrn Gusdika23 Die Vertretungs-organisationen der Handels- und Industrieklasse in Ruland" (St. Peters-burg 1912) dargelegt worden. Sowohl das hier vorhandene Material alsaudi die Schlufolgerungen, die der Autor in recht bestimmter Formniederschreibt, verdienen groe Aufmerksamkeit.

    Die Enquete der Technischen Gesellschaft war eigentlich den Ver-tretungs"organisationen der Kapitalisten gewidmet, die etwa 80% allerOrganisationen bilden. Etwa 15% entfallen auf die Kartelle, Trusts undSyndikate; etwa 5% auf die Arbeitgeberverbnde,- die brigen auf dieBrsenkomitees, die Kongrerte usw. Diese letzteren Organisationen be-zeichnen sidi selber am liebsten als Vertretungs"organe. Ihre Aufgabeist es, auf die Organe der Staatsmacht Einflu zu nehmen.Die Arbeitgeberverbnde fhren nach Meinung des Herrn Guschka denunmittelbaren" Klassenkampf mit den Lohnarbeitern, whrend die Ver-tretungsorganisationen einen mittelbaren" Klassenkampf fhren, denKampf mit den anderen Klassen vermittels des Drucks auf die Staats-macht und die ffentliche Meinung".Diese Terminologie ist natrlich falsch. Sie zeigt uns sofort einen der

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    Eine Encjueie ber die Organisationen des Qrokapitah 43grundlegenden Mngel, die Herr Guschka mit den meisten Reprsentan-ten der professoralen", brgerlichen politischen konomie teilt. Angeb-lich erkennt man den Begriff des Klassenkampfes an, angeblich legt manihn der Untersuchung zugrunde. In Wirklichkeit aber wird dieser Begriffeingeengt und verzerrt. In der Tat ergibt sich bei Herrn Guschka, da derKampf der Kapitalisten gegen die Lohnarbeiter im Rahmen der gegebenenpolitischen Ordnung ein unmittelbarer" Klassenkampf ist, whrend derKampf um die politisdbe Ordnung selbst ein mittelbarer'' Klassenkampfist! Wohin gehrt dann der Kampf um die Staatsmacht" selbst?Aber auf diesen Grundfehler in der Weltanschauung" des HerrnGuschka werden wir an entsprechender Stelle einzugehen haben. Die Be-deutung seiner Arbeit liegt nicht in der Theorie, sondern in der Zusam-menstellung der Tatsach en. Die Ang aben, die die Organisationen des vor-herrschenden Typs umfassen, sind auf jeden Fall von betrchtlichem Inter-esse.Die Gesamtzahl der Vertretungs"organisationen des Grokapitals be-trug im Jahre 1910 in Ruland 143. Davon sind 71 Brsengesellschaftenmit ihren Komitees. Dann 14 Komitees fr Handel und Manufakturen,3 Kaufmannscha