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Lernort Praxis - seine Bedeutung für die ErzieherInnenausbildung Detlef Diskowski ..und das Theorie-Praxis-Missverständnis

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Lernort Praxis -seine Bedeutung für die ErzieherInnenausbildung

Detlef Diskowski

..und das Theorie-Praxis-Missverständnis

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„Das in der Qualifikationsphase erworbene Wissen und Können (wird) nicht durchgängig für die erfolgreiche Ausbuchstabierung des pädagogischen Alltags herangezogen und die Berufspraxis (wird) weitgehend ohne expliziten Rückgriff auf wissenschaftliches und methodisch-didaktisches Wissen realisiert. (…)

Das fachschulische Lernsetting ist bis in die Gegenwart hinein anscheinend nicht darauf ausgerichtet, die erfahrungsgesättigten, alltäglichen Deutungen der angehenden ErzieherInnen über wissenschaftliches Wissen in einer Art und Weise zu irritieren, dass sie als entscheidende Ressource für die Gestaltung beruflicher Praxis an Bedeutung verlieren.“ (Werner Thole, ZfP 2/10)

Alltagsempirie und empirische Forschung stellen fest:

• Detlef Diskowski

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„Das in der Qualifikationsphase erworbene Wissen und Können (wird) nicht durchgängig für die erfolgreiche Ausbuchstabierung des pädagogischen Alltags herangezogen und die Berufspraxis (wird) weitgehend ohne expliziten Rückgriff auf wissenschaftliches und methodisch-didaktisches Wissen realisiert. (…)

Das fachschulische Lernsetting ist bis in die Gegenwart hinein anscheinend nicht darauf ausgerichtet, die erfahrungsgesättigten, alltäglichen Deutungen der angehenden ErzieherInnen über wissenschaftliches Wissen in einer Art und Weise zu irritieren, dass sie als entscheidende Ressource für die Gestaltung beruflicher Praxis an Bedeutung verlieren.“ (Werner Thole ZfP 2/10)

• Detlef Diskowski

„Biografische Prägungen und erfahrungsgesättigte, alltägliche Deutungen bestimmen das praktische Handeln; wissenschaftliches Wissen kann diese Prägungen nicht irritieren.“

Alltagsempirie und empirische Forschung stellen fest:

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„Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis

ist nicht so großwie der zwischen Praktikern und

Theoretikern. „(Quadbeck-Seeger)

• Detlef Diskowski

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„Aus dem Bauch heraus handeln zu können

– ein zentrales Merkmal erzieherischer Kompetenz

…….. die Herausforderung,

- zumeist spontan, ohne Vorwarnzeit und Vorbereitung

- möglichst angemessen reagieren und agieren zu

müssen;

- dabei sich dieser Handlungen und Haltungen soweit

bewusst zu sein, dass sie nachträglicher Reflektion

zugänglich sind.

• Detlef Diskowski

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Eine vielleicht abwegige Frage:„Wie haben Sie autofahren gelernt?“

Die automatisierten Vorgänge des Gaswegnehmens, Kuppelns, Schaltens und Gasgebens …

Die Wahl des richtigen Gangs, das Spiel von Bremse, Kupplung und Gaspedal …die jeweils richtige Dosierung der großen und mächtigen Energie des Fahrzeugs … Den mitdenkenden Blick auf die anderen Verkehrsteilnehmer, die Aufmerksamkeit auf das Außen richten und dabei Ihr eigenes Ziel im Auge behalten, das Mitschwimmen im Verkehr, das vorausschauende Einfädeln, die schnellere Spur voraus ahnen …

• Detlef Diskowski

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…etwa durch viele Stunden sog. „Theorie“ (Verkehrsregeln und –zeichen, Bremswegberechnung, Funktionsweise des Motors …) bei einem Maschinenbauingenieur, der selber keine Fahrerfahrungen hat;

und wenigen anschließenden oder eingestreuten Stunden im Auto neben irgendeinem Autofahrer, wobei Sie wahlweise das Lenkrad, das Gaspedal, die Bremse oder die Kupplung übernehmen durften ….. oder auch nur zum Autowaschen eingeteilt waren?

So?

• Detlef Diskowski

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Detlef Diskowski

• Detlef Diskowski

ErzieherInnen würden das

Theorie-Praxis-Verhältnis vielleicht so bezeichnen:

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Die FH-Potsdam beschreibt als „Zentrales Merkmal des Studiengangs (den engen)Theorie-Praxis-Bezug. Schwerpunkt des Studiums wird eine Integration des `Lernorts Praxis´ in den `Lernort Ausbildung´ sein …“

Im Kindergartenhandbuch stellt Küls in einer vergleichenden Betrachtung der Fachschulbildungsgänge, vier gemeinsame „didaktische Prinzipien in allen curricularen Vorgaben“ fest und davon ist eines, der „Theorie-Praxis-Bezug (Unterricht am Lernort Schule und praktische Ausbildung in sozialpädagogischen Einrichtungen)“.

„Die ersten beiden Ausbildungsjahre sind charakterisiert durch den Wechsel von Theorie- und Praxisblöcken.“ (Berufskolleg Bethel)

„Zentrales Merkmal der Dualen Hochschule Baden-Württemberg ist das Studienkonzept mit wechselnden Theorie- und Praxisphasen sowie die enge Kooperation zwischen der Hochschule und ihren Dualen Partnern. Den theoretischen Teil des Studiums absolvieren die Studierenden an einem der Standorte der DHBW. Durch den kontinuierlichen Wechsel zwischen Theorie- und Praxisphasen …“

Und auch die Wiff informiert über die Erzieherinnausbildung zum Thema „Theorie/Praxis:Die Ausbildung zum/zur ErzieherIn umfasst theoretische und fachpraktische Ausbildungsanteile. Die theoretische Ausbildung in der Fachschule erfolgt in allgemeinbildenden und berufsbezogenen Fächern.“

…und die Fachdiskussion zum „Theorie-Praxis-Verhältnis“:

• Detlef Diskowski

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Wenn jedes „drüber reden“, jede normative Vorgabe, jedes

pädagogische Konzept, das „Bild vom Kind“ … zur Theorie wird, nur weil es

an der (Hoch)Schule Thema wird,

ist ErzieherInnen der Weg zu einer erklärenden Theorie versperrt,

als einem System von Aussagen, das dazu dient, die Realität zu beschreiben, zu erklären und begründete Annahmen über die Zukunft zu machen.

• Detlef Diskowski

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Wenn das Theorie-Praxis-Verhältnis verwechselt wird mit dem

Verhältnis von „Lernort Schule“ zum

„Lernort Praxis“

• Detlef Diskowski

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..verschwinden die vielfältigen Lernmöglichkeiten durch praktisches Handeln an der Schule (in der Lernwerkstatt, bei der Bearbeitung und Klärung von Sozialbeziehungen, in der Rollenklärung und Auseinandersetzung mit Lehrerautoritäten….);

..und ebenso die Theoriebildung in der Praxisstelle (bei der Suche nach Erklärungen für Beobachtetes, bei Verallgemeinerungen einzelner Erlebnisse, der Übersetzung reflektierter Erlebnisse in Handeln ..)?

Nur mit einem erweiterten Verständnis können die Möglichkeiten beider Lernorte überhaupt genutzt werden – und können wechselseitig aufeinander Bezug nehmen!

Detlef Diskowski

• Detlef Diskowski

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Der Erwerb von Handlungskompetenz und damit die Voraussetzung erzieherischer Qualifizierung erfolgt weit überwiegend in der Praxis- im Guten wie im Schlechten- ob man das will oder nicht!

Detlef Diskowski

Damit wird die (Hoch-)Schule nicht überflüssig! Im Gegenteil; aber sie hätte die Praxis als Ausgangs- und als Zielpunkt.

• Detlef Diskowski

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Der Erwerb der besonderen Handlungskompetenz am

Ausbildungsort Praxis

- Im Meister-Schüler-Verhältnis bei der jeweils besten ErzieherIn;- im schrittweisen Eintauchen in die Berufspraxis;- im Abschauen und Nachmachen – und Nachfragen und Hinterfragen;- mit unmittelbarem Feed-back durch die Anleiterin – und die Kinder,- und mit der unmittelbaren Möglichkeit, Alternativen auszuprobieren.

• Detlef Diskowski

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Der Erwerb der besonderen Handlungskompetenz am

Ausbildungsort Praxis

- Im Meister-Schüler-Verhältnis bei der jeweils besten ErzieherIn;- im schrittweisen Eintauchen in die Berufspraxis;- im Abschauen und Nachmachen – und Nachfragen und Hinterfragen;- mit unmittelbarem Feed-back durch die Anleiterin – und die Kinder,- und mit der unmittelbaren Möglichkeit , Alternativen auszuprobieren.

• Detlef Diskowski

…das ist weder „Umsetzen von Theorie“ noch simples „Erfahrungen machen“!

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Also muss die Praxis Verantwortung übernehmen für Weitergabe von Erfahrungswissen und Kompetenz

- ein Verständnis der eigenen Rolle als Ausbildungsort entwickeln.

Detlef Diskowski

Sie braucht dafür ein Selbst-verständnis der eigenen Aufgabenerfüllung,die Fähigkeit und Zeit für Anleitung, Abstimmung und Reflektion,übernimmt Verantwortung für die Beurteilung der Berufsfähigkeit der Auszubildenden undsie begreift sich selbst als lernende Organisation.

• Detlef Diskowski

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1. Für die Aufarbeitung der biografischen Prägungen zur Entwicklung personaler Kompetenzen;

2. damit das Ausbildung nicht zur bloßen Anpassung an die jeweils vorgefundene Praxis wird, ist die Begleitung, Korrektur, gemeinsame Reflektion durch Lehrende - wie Mitschüler – notwendig.

Die Fach(hoch)schule, das begleitende Seminar sind unersetzbar:

Bedeutung des Lernorts Schule

• Detlef Diskowski

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3. Die Freiheit von unmittelbarem Handlungsdruck, die Zeit zum Vor- und Nachdenken, die Gelegenheit für Irrtümer … erhöhen die Chance VERSTEHEN als Bereicherung zu erleben, Theorien als Hilfe und Geländer zu erfahren, die zur Erweiterung professioneller Kompetenz führen.

Die Fach(hoch)schule, das begleitende Seminar sind unersetzbar:

Bedeutung des Lernorts Schule

• Detlef Diskowski

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3. Die Freiheit von unmittelbarem Handlungsdruck, die Zeit zum Vor- und Nachdenken, die Gelegenheit für Irrtümer … erhöhen die Chance VERSTEHEN als Bereicherung zu erleben, Theorien als Hilfe und Geländer zu erfahren, die zur Erweiterung professioneller Kompetenz führen.

Die Fach(hoch)schule, das begleitende Seminar sind unersetzbar:

Bedeutung des Lernorts Schule

• Detlef Diskowski

…wenn keinesfalls Konzepte oder Normative als Theorie verkauft werden oder so getan wird, als ob die Lehrkraft die bessere Erzieherin wäre!

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In einem produktiven Verhältnis der Lernorte Schule und Praxis zueinander- achten und schätzen beide Lernorte die eigenen

Möglichkeiten, wie die des anderen Lernorts;- nutzen beide ihre jeweiligen Möglichkeiten

praktischen Tuns, der Erklärung und des Verstehens durch Theorien, des Planens und Konzipierens zukünftigen Tuns;

- und beziehen sich auf die Lernerfahrungen im anderen Lernort

- und erinnern sich daran, dass große Menschen auch so lernen wie kleine (beim bedeutungsvollen Tun, mit allen Sinnen ….)

Verhältnis der Lernorte zueinander:

• Detlef Diskowski

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…in zirkulären Prozessen

..praktischen Handelns ..Reflektierens..Theorien-Bildens..sich Austauschens ..theoretische Modelle zur Heranziehens..Handlungskonzepte Entwickelns..…………… praktischen Handelns……

So entsteht Handlungskompetenz in „unsicheren Situationen“…

• Detlef Diskowski

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So entsteht Handlungskompetenz in „unsicheren Situationen“…

• Detlef Diskowski

„Es geht also nicht um intuitives Handeln, sondern um Handeln, das im Kreis-lauf von Tun und Reflexion seine Tauglichkeit, Spon-taneität und Flexibilität gewonnen hat. Man könnte von einer reflektierten professionellen Spontaneität sprechen.“(Gerd E. Schäfer, Gutachten für Bosch-Stiftung)

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Bestenfalls ist die Ausbildung … grundsätzlich tätigkeitsbegleitend, in einer Rhythmisierung, die Lernzyklen ermöglicht, in einer genügenden Anzahl guter Ausbildungs-

einrichtungen, mit Kompetenz und Zeit für Ausbildung,

und vorbereitender Qualifizierung sowie fachlicher Begleitung für die Ausbildungsaufgabe,

in einem verbindlichen und geregelten Zusammenwirken beider Ausbildungsstätten,

und Fachschulen, die biografisches, verstehendes, reflektierendes und exemplarisches Lernen ermöglichen – statt Stofffülle abarbeiten zu müssen.

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• Detlef Diskowski

…in diesem Sinne

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Einige Literaturempfehlungen:Detlef Diskowski: „Ist Akademisierung selbstverständlich Professionalisierung?“ TPS 4/2011

Detlef Diskowski: „Kopf und Bauch - Ein unbegriffener Zusammenhang in der Handlungskompetenz von Erzieherinnen“. TPS 3/2013

Sigrid Ebert: „Die Kita als Ausbildungsort“. kindergarten heute - spezial

Jugendministerkonferenz „Lernort Praxis“ in der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher“. 2001

Norbert Neuß: Bildungswerkstatt „Elementarpädagogik“ – ein Beitrag zur Theorie-Praxis-Verknüpfung an der Hochschule

Gerd E. Schäfer: „Überlegungen zur Professionalisierung von Erzieherinnen“. Bosch-Stiftung

Detlef Diskowskiwww.diskowski.de