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FRANKFURTER RUNDSCHAU » WIRTSCHAFT

05. JUNI 2015NESTLÉ

Maggi-Nudeln mit Blei Von WILLI GERMUND

Das neben Reis und Linsen am häufigsten konsumierte Gericht ist vorläufig

tabu: Nestlé nimmt die in Indien beliebten Instant-Nudeln aus den Regalen.

Indiens Zwei-Minuten-Mütter brauchen möglichst flott eine Alternative, wenn sie

wie gewohnt tagsüber kochen wollen oder sollen. Denn das neben Reis und Linsen

am häufigsten konsumierte Gericht ist vorläufig tabu. Erstmals seit der Einführung

im Jahr 1983 holte der Nestlé-Konzern seine beliebten Maggi Instantnudeln aus

den Regalen von Hunderttausenden von Supermärkten, Kramläden und

Verkaufsbuden. „Unser Produkt ist sicher für den Konsum“, erklärte der Schweizer

Konzern, „aber angesichts der Kontroverse haben wir uns zu diesem Schritt

entschlossen.“

Delhi und mehrere andere Bundesstaaten verboten vorübergehend den Verkauf

der zu einem Grundnahrungsmittel gewordenen Instantnudeln, weil Lebensmittel-

Kontrolleure in einigen Paketen bedenklich hohe Blei-Konzentrationen gefunden

hatten.

Indien-Veteran Nestlé, der seit 1912 auf dem Subkontinent von Büchsenmilch über

Muttermilchersatz bis zu Flaschenwasser oder Instantnudeln verkauft, arbeite mit

den Behörden zusammen, sagte Nestlé-Chef Paul Bulcke am Freitag. Trotzdem ist

Vorsicht geboten. Schließlich warnte ein Gericht sogar sonst eher unberührbare

Bollywood-Stars: Wer für unsichere Produkte wirbt, kann in Mithaftung genommen

werden. Sie hatten die mahlzeitgerechten Packungen als „gesunde“ Nahrung

gepriesen, obwohl die Instantnudeln im wahrsten Sinne des Wortes zur Kategorie

„Fast Food“ gehören. Nestlé hofft wohl, dass sich die Aufregung bald legt und

verzichtet vorübergehend auf den Verkaufsschlager.

Instantnudeln auf dem Vormarsch

Instantnudeln befinden sich in ganz Asien auf dem Vormarsch. In Thailand stehen

Maggi-Nudeln längst für Armut. Sie verkaufen sich wie warme Semmeln – aber

niemand will zugeben, dass sie bei jeder Mahlzeit auf dem Tisch stehen. In Indien

freuen sich die 750 Millionen Einwohner des Landes, die täglich mit weniger als

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1 von 6 05.06.2015 15:29

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zwei US-Dollar auskommen müssen, über die günstige Mahlzeit. Die

Welternährungsorganisation FAO veröffentlichte erst in der vergangenen Woche,

dass mit rund 200 Millionen Indern immer noch ein Fünftel der weltweit hungernden

Menschen auf dem Subkontinent leben.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir sehr bald zurück kommen werden“, erklärte

Nestlé-Chef Bulcke am Freitag. Ob dem so ist, wird sich noch zeigen. Zwar

beherrschte der Schweizer Konzern bislang 80 Prozent des Instantnudelmarkts in

Indien. Die Teigwaren, die lediglich den mit heißem Wasser gemischt werden

müssen, verwandelten nicht nur viele Hausfrauen der Mittelklasse in die

sogenannten Zwei-Minuten-Mütter. Ein Nobelrestaurant in Gurgaon nahe Delhi

servierte Maggi Nudeln mit Foie Gras, bis die Einfuhr der fetten Leberpastete aus

Tierschutzgründen verboten wurde. Ein paar Hunderttausend Packungen wurden

auch als Erste Hilfe nach dem Erdbeben in Nepal verteilt.

Allerdings erschüttert das Blei in der Nudelsuppe einen alten, bislang schier

unerschütterliche indischen Glauben an die Produktqualität ausländischer Firmen.

Der hindunationalistische Premierminister Narendra Modi mag mit seinem Slogan

„Make in India“ (In Indien herstellen) Unternehmer in aller Welt in seinen Bann

ziehen. Seine Landsleute reagieren bislang aber eher skeptisch. Das könnte sich

mit den verbleiten Maggi-Nudeln jetzt ändern.

AUTOR

Willi GermundKorrespondent, Asien

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