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Susanne Hohoff Mathe auf Rezept. Eine Interaktionsanalyse von Nachhilfeunterricht in Mathematik Mathe auf Rezept 3 Eine Interaktionsanaiyse von Nachhilfeunterricht in Mathematik Zusammenfassung: Nachhilfeunterricht spielt till viele Schiller 1 eine wichtige Rolle, wenn Unverstandenes erkliirt oder wenn Unterrichtsstoff geilbt und wiederholt werden solI. In der vorliegenden Untersuchung wurde der Nachhilfeunterricht eines kommerziellen Institutes bei verschiedenen Nachhilfelehrern und -schillern dokumentiert und analysiert. Am Beispiel der Schillerin Jana (7. Klasse Gymnasium) werden erste Untersuchungsergebnisse dargestellt. Verschiedene theoretische Ansatze aus der Interaktionstheorie und aus der padagogischen Psychologie lassen eine Besonderheit der Nachhilfe in Mathematik verstehen: Die algorithmische Seite der Schulmathematik steht im Vordergrund. Zur weiteren Erklarung dieses Phanomens werden die Bedingungen kommerzieller Nachhilfeinstitute betrachtet sowie die schulischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in die der Nachhilfeunterricht eingebunden ist. Abstract: Private tutoring plays an important role for many pupils when it comes to explain topics they did not understand in class or when topics/exercises need to be practised and/or repeated. The study reported in this paper seeks to document and to analyse the teaching and learning practices of a tutoring academy, focussing on different tutors and pupils. First results of this investigation are presented with the example of Jana, a grade 7 grammar school pupil. Different theoretical approaches from interactionist theory and pedagogical psychology provide insight into a unique characteristic of mathematical tutoring: the algorithmic side of school mathematics. In order to further explain this phenomenon, the conditions encountered in external tutoring academies are examined in addition to the school and society related factors in which tutoring is embedded. 1. Einieitung Das Bildungsangebot und die Bildungschancen sind fUr Jugendliche heute giinstiger als fUr fruhere Generationen. Zugleich aber sind die Erwartungen an ein erfolgreiches Durchlaufen anspruchsvoller Bildungsgange enorm gestiegen. Das hangt auch mit den hohen Qualifikationsanforderungen zusammen, die unser Beschaftigungssystem heute veriangt. Eltern und SchUler nutzen daher verschiedene Angebote auf dem Nachhilfesektor. Zunachst sei Nachhilfeunterricht definiert: Nachhilfeunterricht wird gemeinhin verstanden als ein "auBerhalb des regularen Schulunterrichts und zusatzlich stattfindender, rnehr oder weniger regelrnMiger und haufig vorubergehender privater Einzel- (oder Gruppen-) unterricht durch Lehrer, Studenten, SchUler und Laien zurn Zwecke einer dern Schulunterricht nachfolgenden Erfolgssicherung in bestimmten Unterrichtsfachern" (Kruger 1977, 545). 1m Wesentlichen handelt es sich also urn zusatzliches Uben, urn Wiederholen von Grundlagen des Unterrichts sowie urn ein Schliefien von Lucken zwischen dern im Unterricht Erreichten nnd eigenen Lernzielen des Kindes und/oder der Eltern (Thurau 1993,4). Dabei kann zwischen Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung nicht scharf unterschieden werden. Besondere psychologische Forderung, etwa in "Mathe-Kliniken" oder Dyskalkulie-Instituten, wird hier nicht betrachtet. 1 Viele der mannlichen Formen sind hier geschlechtsneutral gemeint. (JMD 23 (2002) H. 1, S. 3-27)

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Susanne Hohoff

Mathe auf Rezept. Eine Interaktionsanalyse von Nachhilfeunterricht in Mathematik

Mathe auf Rezept

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Eine Interaktionsanaiyse von N achhilfeunterricht in Mathematik

Zusammenfassung: Nachhilfeunterricht spielt till viele Schiller 1 eine wichtige Rolle, wenn Unverstandenes erkliirt oder wenn Unterrichtsstoff geilbt und wiederholt werden solI. In der vorliegenden Untersuchung wurde der Nachhilfeunterricht eines kommerziellen Institutes bei verschiedenen Nachhilfelehrern und -schillern dokumentiert und analysiert. Am Beispiel der Schillerin Jana (7. Klasse Gymnasium) werden erste Untersuchungsergebnisse dargestellt. Verschiedene theoretische Ansatze aus der Interaktionstheorie und aus der padagogischen Psychologie lassen eine Besonderheit der Nachhilfe in Mathematik verstehen: Die algorithmische Seite der Schulmathematik steht im Vordergrund. Zur weiteren Erklarung dieses Phanomens werden die Bedingungen kommerzieller Nachhilfeinstitute betrachtet sowie die schulischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in die der Nachhilfeunterricht eingebunden ist.

Abstract: Private tutoring plays an important role for many pupils when it comes to explain topics they did not understand in class or when topics/exercises need to be practised and/or repeated. The study reported in this paper seeks to document and to analyse the teaching and learning practices of a tutoring academy, focussing on different tutors and pupils. First results of this investigation are presented with the example of Jana, a grade 7 grammar school pupil. Different theoretical approaches from interactionist theory and pedagogical psychology provide insight into a unique characteristic of mathematical tutoring: the algorithmic side of school mathematics. In order to further explain this phenomenon, the conditions encountered in external tutoring academies are examined in addition to the school and society related factors in which tutoring is embedded.

1. Einieitung Das Bildungsangebot und die Bildungschancen sind fUr Jugendliche heute giinstiger

als fUr fruhere Generationen. Zugleich aber sind die Erwartungen an ein erfolgreiches Durchlaufen anspruchsvoller Bildungsgange enorm gestiegen. Das hangt auch mit den hohen Qualifikationsanforderungen zusammen, die unser Beschaftigungssystem heute veriangt. Eltern und SchUler nutzen daher verschiedene Angebote auf dem N achhilfesektor.

Zunachst sei Nachhilfeunterricht definiert: Nachhilfeunterricht wird gemeinhin verstanden als ein "auBerhalb des regularen Schulunterrichts und zusatzlich stattfindender, rnehr oder weniger regelrnMiger und haufig vorubergehender privater Einzel- (oder Gruppen-) unterricht durch Lehrer, Studenten, SchUler und Laien zurn Zwecke einer dern Schulunterricht nachfolgenden Erfolgssicherung in bestimmten Unterrichtsfachern" (Kruger 1977, 545). 1m Wesentlichen handelt es sich also urn zusatzliches Uben, urn Wiederholen von Grundlagen des Unterrichts sowie urn ein Schliefien von Lucken zwischen dern im Unterricht Erreichten nnd eigenen Lernzielen des Kindes und/oder der Eltern (Thurau 1993,4). Dabei kann zwischen Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung nicht scharf unterschieden werden. Besondere psychologische Forderung, etwa in "Mathe-Kliniken" oder Dyskalkulie-Instituten, wird hier nicht betrachtet.

1 Viele der mannlichen Formen sind hier geschlechtsneutral gemeint.

(JMD 23 (2002) H. 1, S. 3-27)

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Das Thema Nachhilfe steht nicht im Zentrum erziehungswissenschaftlichen bzw. fachdidaktischen Interesses. Es wurden meines Wissens fur diesen Forschungs­gegenstand erst dreizehn Studien durchgefuhrt, in denen Datenmaterial zum NachhiIfe­unterricht erhoben bzw. miterhoben wurde. Die Erforschung des Themenbereichs NachhiIfe bezieht sich bis heute auf Befragungen von SchUlem, Eltem und Lehrem. 1m Vordergrund stehen Fragen der Verbreitung, der Haufigkeit, der Anbieter und der Kosten von Nachhilfeunterricht, der Bedeutung der Hausaufgaben, der Verteilung der Schulfomlen, der Geschlechter, der Facher und des Alters sowie der Anlass und die Ursachen fur den Nachhilfeunterricht. Bei genauer Betrachtung der Umfrageergebnisse stellt sich heraus, daB die Mehrzahl aller Kinder aufierschulische Untersttitzung erhalten. Zunachst sind in der Grundschule die Eltem an der Reihe, vor allem die Mtitter, urn Hausaufgabenkontrolle, zusatzliches Uben und das Erklaren schwieriger Aufgaben zu tibemehmen. Reicht die hausliche Hilfe nicht mehr aus, dann kommt weitere Nachhilfe in Frage, d.h. es werden privat Lehrer, Studenten, SchUler oder auch Nachhilfe­einrichtungen mit der Untersttitzung betraut (Abele & Liebau 1998, 37).

In der Klasse 10 erhalten fast ein Drittel der SchUler Nachhilfeunterricht (Behr 1990). Laut Untersuchungen von Behr (1990) und Hurrelmann (1995) sind Mathematik zu 31 % und Englisch die "beliebtesten" Nachhilfefacher. Behr weist durch einen Vergleich der Ergebnisse seiner Studie mit friiheren Erhebungen auch darauf hin, daB "mit NachhiIfeunterricht heute deutlich friiher begonnen ... wird als noch vor 30 lahren" (1990,89).

Es hat sich ein sehr groBer Markt fur NachhiIfe entwickelt. ,,30 Mill. DM lassen sich das deutsche Eltem jede Woche kosten", so eine Studie der Universitat Bielefeld (Hurrelmann 1995, 7). Nach der Schatzung von Hurrelmann (1995) wird etwa ein Drittel des Nachhilfeunterrichts von kommerziellen Instituten abgewickelt. In der vorliegenden Studie wird der durch privatwirtschaftliche Institute organisierte Nachhilfeunterricht untersucht, wei! mer leichter verallgemeinerbare Untersuchungsergebnisse zu erwarten sind.

Speziell auf den Nachhilfeunterricht in Mathematik bezogen hat die Autorin noch keine fertiggestellte Arbeit gefunden. 1m Bereich der Mathematikdidaktik gibt es die einschlagig bekannte Literatur zum Fordem und Forderunterricht in Mathematik, die sich tiber Spezialprobleme hinaus jedoch nicht mit dem tiblichen auBerschulischen Bereich der Nachhilfe in den Sekundarstufen beschaftigt.

Auf das Fach Mathematik bezogen existieren daher nur wenige empirische Erkenntnisse tiber Nachhilfeunterricht. "Auf diesem weiBen Fleck der mathematik­didaktischen Landkarte" bot es sich an, Fallstudien vorzunehmen. Die Untersuchung der Zusammenhange an einzelnen Fallen versprach einen hOheren Erkenntnisgewinn als die statistische Erhebung einzelner Merkmale an'vielen Fallen. Die Forschungsmethode ist primar interpretativ. Ausgehend von der Interpretation der Interaktion zwischen Nachhilfelehrer und -schUler wurde versucht, das Nachhilfegeschehen sowohl in seinen Feinprozessen als auch in seiner Einbettung in groBere Strukturen zu erkennen. Den theoretischen Hintergrund bildet zunachst die Interaktionstheorie (s. KrummheuerNoigt 1991), die im vorliegenden Aufsatz durch piidagogisch-psychologische und makrosoziologische Theorien (s. CollinsIBrownINewman 1989 und Fend 1980) erganzt wird. In der Rekonstruktion der Wirklichkeit im NachhiIfeunterricht wurde erstens versucht, das Interaktionsgeschehen aus der Binnenperspektive der Beteiligten (z.B. Rahmungen) zu betrachten. Zweitens wurden Regelhaftigkeiten bzw. Muster in der

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Interaktion rekonstruiert, unabbangig davon, ob sie den Beteiligten bewuBt sind. Der Nachhilfeunterricht wurde drittens mit Hilfe der schulischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erklart. Das Hauptaugenmerk ist auf Verstandigungsprozesse im Nachhilfeunterricht in Mathematik gerichtet. Die Untersuchung ist auf den Unterricht in einem privatwirtschaftlich organisierten Nachhilfeinstitut begrenzt, das in seiner Eigenwerbung darauf Wert legt, dass die Nachhilfe keine Hausaufgabenbetreuung ist. Hier wurden je 6-8 aufeinanderfolgende Unterrichtsstunden von 6 Nachhilfelehrem mit ihren SchUlergruppen auf Video aufgenommen. Die Aufmerksamkeit war jedoch immer nur auf die Interaktion zwischen dem Nachhilfelehrer und einem Schiiler aus dieser jeweiligen SChUlergruppe gerichtet. Von diesem Paar wurden jeweils mehrere aufeinanderfolgende Stunden aufgenommen. Zur anschliefienden Analyse wurden diese Videoaufnahmen transkribiert.

Nachhilfeschiiler haben im Schulunterricht oft etwas nicht verstanden. Sie erhalten zusatzlichen Unterricht in einer kleineren Lemgruppe. Unter diesen Bedingungen konnte man erwarten, dass in der Nachhilfe das mathematisch-begrift1iche Verstehen vordring­lich gef6rdert wird. Das ist auch der Anspruch der Nachhilfeinstitute gemafi ihrer Werbung und aufiert sieh in der Kritik von einigen Fachdidaktikem an der Auswahl vermeintlich schlechter Nachhilfebeispiele der Autorin. Vielleicht ist das nicht iiber­raschend. ledoch ist zu fragen, warum die Algorithmisierung oder anders gesagt eine mechanische, rezepthafte Anwendung und Vermittlung von Losungsalgorithmen den Nachhilfeunterricht so pragt. Darauf solI die Untersuchung differenzierte Antworten geben.

Die Autorin hat zu Beginn der Untersuchung die marktfiihrenden Institute in einer mittelgrofien Stadt angesprochen und ist an die bundesweiten Leitungen verwiesen worden. In einem Fall wurde die Untersuchung abgelehnt, in dem anderen Fall befurwortet. Mit der bundesweiten Leitung des Nachhilfeuntemehmens wurde besprochen, dass fur diese Untersuchung Videoaufnahmen erforderlich sind und unter interaktionstheoretischer sowie fachdidaktischer Perspektive analysiert werden sollten, ohne das Institut und weitere Beteiligte zu nennen. Spezifische Fragestellungen standen jedoch noch nieht fest. Es gab sonst keinerlei Absprachen hinsichtlich der Auswertung seitens des Institutes. Gleichwohl wurde den beteiligten Lehrem und Schiilem Anonymitat zugesichert. Daher sind die im Folgenden auftretenden Namen Pseudonyme.

An dem von ihr gewahlten Ort hat die Autorin die in diesem Nachhilfeinstitut tatigen Nachhilfelehrer urn Bereitsehaft zur Mitarbeit gebeten. AIle Lehrer haben zugesagt. Ebenso waren aile SchUler einverstanden. Bei zu grofier Scham der SchUler wurde auf deren Wunsch der Kopf nieht mitgefilmt. Es war nieht erkennbar, dass sich Lehrer und SchUler auf die Untersuchungssituation besonders vorbereiteten. Z.B. hat sich keiner der Nachhilfelehrer vor der Aufnahmesituation erkundigt, was er mit den SchUlem zu bearbeiten batte. Die in der Schule anzutreffende Scham vor Videoaufnahmen war bei den Naehhilfelehrem nieht gegeben. Die Auswahl der SchUler war aIlein durch Vorgaben der Autorin bestimmt: Termine, Schulstufe, Themengebiete sowie technische und raumliche Bedingungen. Zunachst wurde von allen Eltem der Nachhilfeschiiler einer Gruppe die Einwilligung zur Teilnahme an der Untersuchung erbeten. Welcher SchUler aus dieser Gruppe wahrend der Unterrichtsstunden dann aufgenommen wurde, wurde z.B. durch die raumlichen Bedingungen fur die Kameraperspektive bestimmt. Dieser SchUler wurde dann in den nachfolgenden Sitzungen zusammen mit seinem Lehrer immer wieder beobachtet. Falls in einer Gruppe mehrere SchOler die

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vorgegebenen Auswahlkriterien erfiillten, wurde derjenige SchUler ausgewahlt, der noch nicht allzulange Nachhilfe erhielt, damit die Interpretationen nicht aufgrund einer unbekannten Vorgeschichte erschwert wfirden.

Vor, wahrend und nach der Unterrichtsstunde hat die Autorin sich gegenfiber den Beteiligten nicht zu der Nachhilfesituation gealillert. Ais ein Nachhilfelehrer jedoch in einer Nachhilfestunde urn einen kurzen, fachlichen Rat bat, hat sie diese Hilfestellung gegeben. Wenn ein Schfiler die Beobachterin ansprach, hat sie sich ebenfalls fachlicher Kommentare moglichst enthalten. Es reichte den Schiilern zu wissen, dass sie eine Beobachtungsaufgabe ihres Professors zu erfiillen hatte.

1m vorliegenden Text wird zunachst mit Hilfe der interaktionistischen Begriffe Rahmung, Modulation und Arbeitsinterim eine Nachhilfestunde von lana und Frau Lange interpretiert. An diesem Beispiel wird aufgrund von Indizien eine Interpretation vorgenommen, die sich an den meisten der untersuchten Nachhilfestunden bewahrt hat. Insofern ist die hier gewahlte Nachhilfestunde typisch. In Betrachtung a11er bisher untersuchten Nachhilfestunden werden Regelhaftigkeiten im Verlauf der Nachhilfe­stunden im dritten Teil des Aufsatzes dargestellt. 1m folgenden Abschnitt werden die padagogisch-psychologischen Begriffe Format, scaffolding und coaching benutzt, die die Interaktionsmuster der Nachhilfestunden in Mathematik theoretisch beschreiben lassen. Zum Abschluss wird erortert, welchen okonomischen, schulischen und gese11schaft­lichen Rahmenbedingungen die mechanische und rezepthafte Arbeitsweise des Nach­hilfeunterrichts geschuldet ist. In dem Projekt sind noch weitere Fragen, wie z.B. die Motivation des Schfilers, verfolgt worden. Systematische Antworten dazu bleibenjedoch anderen Veroffentlichungen vorbehalten.

"Das Interesse liegt im Verstehen des a11taglichen Geschehens, ohne dass direkt beabsichtigt ist, das Beobachtete zu veriindem. 1m Sinne der interpretativen Unterrichts­forschung sol1 die Rekonstruktion der Unterrichtsprozesse dabei fiber alltagliche Verstehensleistungen hinausgehen und wissenschaftlichen Status erlangen" (Voigt 1991, 152). Die methodologische Konzeption der Untersuchung ist am Typ der Fallstudie orientiert, die einerseits vera11gemeinerbare empirische Erkenntnisse und andererseits theoretische Klarung der empirischen Phanomene gewinnen will. 1m empirischen Teil wird ein typisches, d.h. oft auftretendes Interaktionsmuster rekonstruiert. Da ein solches Muster von den subjektiven Deutungen der Interaktionsteilnehmer abhangt, bietet sich ein interpretativer Zugang an. Dazu dienen Fa11studien, weil in ihnen an Dokumen­tationen der Interaktion die subjektiven Deutungen der Beteiligten erschlossen werden konnen. Es bedarf gleichwohl mehrerer Fa11e, damit nicht ein Muster rekonstruiert wird, das nur unter besonderen Bedingungen auftritt. "Die Strukturen oder Muster im Sinne der objektiven Hermeneutik sind, zum einen wirklich, zum zweiten zeitios, zum dritten steuern sie die Handlungen von Subjekten innerhalb der Lebenspraxis (und zwar recht autonom),' (Reichertz 1995, 383).

Mithilfe theoretischer Begriffe wird dann geklart, warum das Muster in der Interaktion der Nachhilfe auftritt. Dazu werden Begriffe aus der Interaktionstheorie und der padagogischen Psychologie benutzt. Hier reicht es, einen Fall zum Ausgangspunkt zu nehmen, denn es geht nicht darum, empirisch zu belegen, was faktisch ist, sondern es gilt, theoretisch zu klaren, warum es so ist. Zunachst wird die Interaktionstheorie herangezogen, dann die Theorie des "Cognitive Apprenticeship" und zuletzt eine Theorie von Gese11schaft und Schule.

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2. Die Interpretation einer Nachhilfestunde

2.1 Interaktionistische Begriffe

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Eine Grundlage flir meine Arbeit bilden die von Heinrich Bauersfeld, Gotz Krummheuer und Jorg Voigt erarbeiteten und weiterentwickelten Begriffe zur Beschreibung von Interaktionsstrukturen im schulischen Mathematikunterricht. Fur die Analyse der folgenden Ausschnitte aus dem Nachhilfeunterricht werden vor a11em die Begriffe Rahmung, Modulation und Arbeitsinterim von Krummheuer (1982, 1983) genutzt.

Fur die Sichtweise, mit der ein Beteiligter eine Unterrichtssituation deutet, verwendet Krummheuer den Begriff der Rahmung. Die Vorste11ungen der Lehrenden orientieren sich i. A11g. an der mathematischen Fachsystematik, und flir den Ablauf einer Interaktion bilden etwa padagogisch-psychologische Konzepte oder die gese11schaftliche Funktion des Nachhilfeunterrichts den Hintergrund flir die Deutung des aktue11en Geschehens. Fur die Deutung der SchUler ist anderes maBgeblich: die a11taglichen Erfahrungen mit den Schwierigkeiten eigenen Mathematik-Lemens, die frische subjektive Erfahrung mit dem gegenwartigen mathematischen Thema in der Schule oder die Erwartungen an den Nachhilfeunterricht im Sinne einer Hoffnung aufbessere Zensuren in der Schule.

Krummheuer (1982) hat bei Lehrem einerseits und SchUlern andererseits im schulischen Mathematikunterricht divergierende Rahmungen rekonstruiert. Solche Rahmungsdifferenzen konnen in der Interaktion zwischen Lehrern und SchUlern entscharft werden, indem die Rahmungen verandert, "moduliert" werden. Durch ein solches Modulieren entsteht bei dem Einzelnen eine neue Sichtweise, die jedoch noch an die urspriingliche gebunden ist. So kann die Interaktion aufrecht erhalten werden. Das Ergebnis solcher Versuche zeigt sich in der Herste11ung eines Arbeitsinterims. Krummheuer beschreibt die Situation der Lehrer und SchUler in einem Arbeitsinterim folgendermafien: "Man tut offenbar das gleiche, ohne dabei dasselbe zu denken" (Krummheuer 1983, 74). In einem Arbeitsinterim verwenden Lehrer und SchUlereine gemeinsame Sprache. Sie kannen sich z.B. uber einzelne Rechenschritte verstandigen, die der Lehrer aus seiner algebraischen Rahmung als Termumformungen versteht, wahrend der SchUler aus seiner arithmetischen Rahmung die Rechenschritte eher als Anwendung von Handlungsanweisungen flir bestimmte Aufgaben sieht. Das Arbeitsinterim fungiert auch als ein "Zwischenstadium, das den SchUlern den Sprung zu diesen flir sie qualitativ neuen Primarrahmen erleichtern sol1" (Krummheuer 1983, 75). Rierzu kannen u.a. Modulationshinweisedes Lehrers in Richtung auf die algebraische Rahmung hilfreich sein, etwa das Lenken der Aufmerksamkeit auf die Struktur der Rechnung.

Die im Folgenden beschriebenen Rahmungen sind an Krummheuer (1982) angelehnt, aber besonders flir die Situation des Nachhilfeunterrichts in Mathematik gefasst. Eine algorithmisch-mechanische Rahmung basiert auf der Erfahrung, dass im Mathematik­unterricht eine Vielzahl von Aufgaben geste11t werden, zu deren Bewaltigung Techniken beherrscht werden mussen (z.B. schriftliches Dividieren oder Multiplizieren). In einer algorithmisch-mechanischen Rahmung interpretiert ein SchUler z.B. einen Term als Rechenaufgabe. Er sucht im Schulbuch, Schulheft oder in einer Formelsammlung nach einer geeigneten Regel oder Formel, um diesen Term umformen oder den Termwert berechnen zu konnen. In einer strukture11-mathematischen Rahmung sieht ein

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Mathematikexperte den Tenn als ein algebraisches Gebilde, das Beziehungen zwischen Variablen wiedergibt.

Bei Mathematiklehrem hat Krummheuer (1982) eine algebraisch-didaktische Rahmung fur Terme beobachtet, unter der er die mathematikdidaktisch aufbereitete Algebra der Temle und Tennumfonnungen versteht. In dieser algebraisch-didaktischen Rahmung tritt zu der oben beschriebenen mathematischen Sichtweise eine mathematik­didaktische Komponente, die Mathematiklehrer im Studium erworben haben bzw. aus Lehrerhandbiichem etc. entnehmen.

In den untersuchten Fallen konnte immer wieder eine algorithmisch-mechanische Rahmung bei den Nachhilfeschiilem rekonstruiert werden. Deshalb wird bei der Unterrichtsszene imnachsten Abschnitt darauf geachtet, ob die Schiilerin die mathe­matischen Anforderungen algorithmisch-mechanisch bewaltigen wollte. Auf die interaktionistischen Begriffe Interaktionsmuster bzw. Zugzwang wird im dritten Abschnitt eingegangen.

2.2 Die interaktionstheoretische Analyse einer Nachhilfestunde

2.2.1 Die Anfangssituation der Nachhilfestunde

Zunachst wird an einem Beispiel die algorithmisch-mechanische Rahmung einer Schiilerin wie auch die Modulation der Lehrerin in einer Anfangssituation des Nachhilfeunterrichts dargestellt. Die Schiilerin Jana (7. Schuljahr, Gymnasium) und die Lehrerin Frau Lange (Diplom-Mathematikerin) beginnen eine 90-miniitige Nachhilfe­stunde. 1m schulisehen Mathematikunterrieht war die Prozentrechnung mit den dazugehOrigen Aufgabentypen und deren Losungswegen Thema. Die Transkriptions­regeln sind im Anhang zu tinden.

L was macht ihr denn jetzt'

2 J Prozente (Die Sehiilerin schlagt in ihrem Schulheft die in Frage kommenden Seiten auf, wahrend die Lehrerin mit in das Heft schaut.)

3 L kannst du das'

4 J ich weiB nicht, wie man das rechnet'

5 L aha, wie man so startet

6 J mmh (zustimmend)

7 Loder wie man das Ergebnis rauskriegt, ieh glaube, wenn man die Fonnel erst mal hat und wei6, was man, einsetzen und ausreehnen muss, dann ist das nicht mehr so schwierig

8 J das ist ja auch das spannende

9 L jf1. m~, dann gucken wir mal und suchen ein paar Aufgaben, die wir dann machen und gucken, wie das so funktioniert (Die Lehrerin schaut in dem Sehulbueh (Mathematik 7. Schuljahr (1993), Comelsen Verlag) nach und sucht eine Aufgabe.) (60 sec)

Der Nachhilfeunterricht erfordert es, sich auf den Schulunterricht und dessen Anforderungen zu beziehen. Da es sich um die erste Stunde handelt, erkundigt sich die

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Lehrerin, was im Sehulunterrieht behandelt wird. Wei! die Lehrerin mit in das Sehulheft sehaut, erf<ihrt sie aueh, dass im Sehulunterrieht die Bearbeitung der Aufgaben zur Prozentreehnung anhand der Formeln flir den Grundwert, den Prozentwert und den Prozentsatz im Vordergrund steht.

In dem mathematisehen Gebiet der Prozentreehnung konzentrieren sieh die Beteiligten flir diese Naehhilfestunde auf ein Verfahren bzw. eine Methode zur L6sung einzelner Aufgaben. lana m6ehte geme wissen, " ... wie man das reehnet". Das ist ein erstes Indiz damr, dass lana algorithmiseh-meehaniseh rahmt. Sie bittet nieht urn eine Klarung ihres Verstiindnisses, dann Mtte sie vielleieht formuliert, "ieh weifi nieht, warum man das so reehnet" oder "ieh weifi nieht, warum man diese Formel benutzt". Die Lehrerin thematisiert das von lana gewiinsehte methodisehe Vorgehen, d.h. das Abarbeiten des L6sungsweges, indem sie es ausdifferenziert " .. wie man so startet oder wie man das Ergebnis rauskriegt ... ". Sie ermutigt die Sehiilerin, " ... dann ist das nieht mehr so sehwierig", und lana zeigt ihr Interesse, "das ist ja aueh das spannende". Es bleibt wohl unbestimmt, worauf sieh "das" bezieht. ZWl1indest bestatigt lana, dass der L6sungsweg der Aufgabe in dieser Naehhilfestunde thematisiert werden soIl. Indem lana ihr Problem andeutet, die Lehrerin diese Andeutungen explizit interpretiert und lana dieser Interpretation zustimmt, haben lana und die Lehrerin eine erste Verstandigung, ein Arbeitsinterim, interaktiv erreieht.

Einerseits kann man der Lehrerin, die eine Ausbildung als Diplom-Mathematikerin hat, eine strukturell-mathematisehe Rahmung unterstellen; sie erkennt wohl den zugrunde liegenden funktionalen Zusammenhang der Prozentreehnung. Auf der anderen Seite aufiert sie sieh fiber den L6sungsprozefi der Aufgaben nieht in dieser strukturell­mathematisehen Rahmung. Die Lehrerin moduliert also ihre strukturell-mathematisehe Rahmung in Riehtung auf die von ihr vermutete Erwartung der Sehiilerin, die ihr Niehtwissen in dem "wie" des Reehenverfahrens angab (Zeile 4). Sie auBert sieh daher: " ... wie man so startet oder wie man das Ergebnis rauskriegt, ieh glaube, wenn man die Formel erst mal hat und weiB, was man einsetzen und ausreehnen muss, dann ist das nicht mehr so schwierig". Hier betont sie algorithmische Vorgange und spricht von "ausreehnen" und "rauskriegen". Die Lehrerin bewegt sieh mit ihrer Modulation, die man mit Krummheuer (1983, 62) "Konkretisieren" nennen k6nnte, auf die algorithmiseh-meehaniseh rahmende Sehiilerin zu, urn mit lana eine Verstiindigung zu erzielen bzw. ein Arbeitsinterim herzustellen. Damit ist jedoeh nieht gesagt, dass beide die Situation fibereinstimmend rahmen, obwohl sie beide Worte benutzen, die flir die algorithmiseh-mechanisehe Rahmung typiseh sind.

Naehdem zu Beginn der Naehhilfestunde in dem interaktiv hergestellten Arbeitsinterim die Bearbeitung einer Mathematikaufgabe als Unterriehtsinhalt festgelegt wurde, nennt die Lehrerin dann aueh das Ziel dieser Naehhilfestunde: " ... wir ... suehen ein paar Aufgaben, die wir dann maehen und gueken, wie das so funktioniert". Die Lehrerin lasst sich zum einen auf die Sehfilerebene ein, sie "maehen" die Aufgaben. Zum anderen weist sie aber aueh im Sinne einer Reflexion des L6sungsprozesses der Aufgabe fiber die algorithmiseh-meehanisehe Rahmung der Sehiilerin hinaus. Sie wollen " ... gucken, wie das so funktioniert".

10 L ... ieh glaube, wir fangen erst mal bei diesem hier an. das ist ein bissehen eindeutiger, was man rechnen solI .. auf dieser Seite .. erst mal noeh nieht so direkt bei den Textaufgaben sondem hier so ein bissehen wie bei diesen

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(L zeigt auf Nr. 8 im Schulbuch. lana schaut mit in das Schulbuch.2) ... 1.58 nehmen wir Aufgabe 8, hast du die schon mal gemacht'

II 1 (lana schaut in ihrem Heft nach.) (12 sec) h bis m (Sie zeigt auf die Teilaufgaben im Buch.)

12 L aha. (L muss sich mit einem anderen SchUler beschaftigen.) (58 sec) (L wendet sich wieder lana zu.) so, guck mal nicht nach bei dem was ihr vorher gerechnet habt, sondern versuch die Aufgaben seiber zu rechnen. (L spricht im weiteren akustisch unverstandlich.)

8. In einer Liste stehen Preise ohne Mehrwertsteuer. Berechne die Preise mit Mehrwert­steuer, wenn diese 15% betriigt! a) 300 OM b) 50 OM f) 0,05 OM g) 42 OM k) 625 OM I) 763 OM

c) 15000M b) 360 OM m) 7,80 OM

d) 70M i) 19500M 0) 362,50 OM

e) 0,6 OM j) 284000M 0) 869,56 OM

Abbildung 1: Schulbuchauszug: Mathematik 7. Schuljahr. Berlin: Comelsen

Frau Langes Auswahl von Aufgaben kann auf dem didaktischen Prinzip "Vom Leichten zum Schwierigen" beruhen, indem sie zunachst eine Aufgabe aussucht, bei der es " ... ein bisschen eindeutiger (ist), was man rechnen soli ... (und) ... erst mal noch nicht so direkt bei den Textaufgaben, sondern hier so ein bisschen wie bei diesen". Sie wahlt aus dem Schulbuch Mathematik 7. Schuljahr (1993) aus dem Cornelsen Verlag von Seite 76 die Aufgabe Nr. 8 aus. Die beiden Beteiligten klaren untereinander, welche Teilaufgaben lana in der Schule schon "gemacht" hat. Der Hinweis, lana salle die Aufgaben "rechnen", wie auch das Kriterium fur die Auswahl dieser Aufgabe "das ist ein bisschen eindeutiger, was man rechnen solI" (Zeilenblock 10) bestiitigen auf der einen Seite die Modulation der strukturell-mathematischen RahnlUng der Lehrerin in Richtung der algorithmisch-mechanisch rahmenden Schtilerin. Auf der anderen Seite fordert die Lehrerin lana auf, die Aufgaben eigenstiindig, d.h. ohne Nachschauen bei den schon fur den Schulunterricht gelosten Teilaufgaben, zu bearbeiten. Ohne die Moglichkeit, einen Losungsweg nachzuahmen, ist lana auf das Verstiindnis der Anwendung des allgemeinen, eher strukturellen Wissens angewiesen.

In der Anfangssituation des Nachhilfeunterrichts ist also erkennbar, dass die Lehrerin sich auf die Schiilerin einHisst und mit Hilfe der konkretisierenden Modulation ihrer strukturell-mathematischen Rahmung in Richtung der algorithmisch-mechanisch rahmenden Schtilerin ein Arbeitsinterim herst~lIt. Hier verstandigen sich die Beteiligten interaktiv auf die Bearbeitung bzw. die Losung einer Mathematikaufgabe aus dem genannten Schulbuch. Zugleich stellt die Lehrerin eine Reflexion tiber den Losungs­prozess in Aussicht, was als Hinweis auf die strukturell-mathematische Rahmung verstanden werden konnte.

2 Es handelt sich urn Kuypers, W.; Lauter, J.; Wuttke, H. (Hrsg.) (\993). Mathematik 7. Schuljahr. Berlin: Comelsen, S. 76 Nr. 8

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2.2.2 Die lehrergeleitete Entwicklung der Aufgabenlosung

Die Lehrerin fordert Jana zunachst auf, die Aufgaben eigenstandig zu rechnen. D: Jana diese Forderung nicht einlosen kann, entwickelt Frau Lange im weiteren Verlau der Nachhilfestunde auf der Grundlage des zuvor interaktiv hergestellten Arbeitsinterim ein Rezept zur Losung dieser Aufgabe wie aber auch der Aufgabenklasse.

15 L ... so, jetzt geht es hier darum hier haben wir also immer Preise stehen ... und man soIl jetzt ausrechnen, wie teuer das mit Mehrwertsteuer ist und diese Mehrwertsteuer ist 15%. wie macht man denn das'

16 J ja, p sind 15 Prozent, Gist ... gleich 300 (Jana spricht unversUindlich.)

17 L und was ist das, was wir ausrechnen wollen' (5 sec)

18 das II haben wir schon, das sind die 15 und das Q haben wir auch, das sind die 300, also was ist das Dritte was uns noch fehlt' W, also brauchen wir die Formel flir Wum W auszurechnen (5 sec)

19 und wenn du die nicht weifit moBt du hier mal gucken, das steht ja alles hier .. und gesucht ist ja W wir sind bei b steht ja jetzt im Buch sogar drin, wie man es macht, und da steht auch sofort nach W aufgelOst die richtige Formel. (L schlagt das Schulbuch S. 72 auf und deutet auf das Beispiel.) das heifit, wenn du so eine Aufgabe hast, schreibst du dir erst mal die Sachen raus, die du kennst, wie du das immer gemacht hast, schreibst ruhig driiber p = 15 und G = 300 und Wist gesucht, suchst dir die Formel dafiir raus, schreibst die Formel hin und der nachste Schritt ist ja dann einfach nur noch die Zahlen einzusetzen flir diese Buchstaben und dann ist das ja eine Rechenaufgabe, dann kannst du es ausrechnen

20 J mmh

21 L also mach das einfach mal flir die erste Reihe oder so, brauchen wir nicht zu lange machen, nur ein paar, dann konnen wir noch etwas machen, dann

5.00 konnen wir noch andere Sachen ausrechnen

Nach einem Exkurs iiber den Gebrauch des Taschenrechners (Zeile 13 und 14) reformuliert die Lehrerin den Aufgabentext der gewahlten Aufgabe 8. Sie beginn1 allerdings erst nach einer kurzen Pause " ... so, jetzt geht es hier darum hier haben wi! also immer Preise stehen ... ". Frau Lange sagt inhaltlich nicht mehr als in der Aufgabe steht, regt aber durch ihre Frage " wie macht man denn das'" die Nennung einel Rechenmethode oder eines Verfahrens zur 'Losung dieser Aufgabenklasse an. Jana antwortet konkret, z.T. etwas zogerlich, und ordnet nacheinander die gegebenen Zahlen den passenden Variablennamen zu. Die Lehrerin versteht die Belegung der Variablen als Beginn eines Losungsalgorithmus und flihrt ihn weiter, indem sie nach der gesuchten GrOfie fragt: "und was ist das, was wir ausrechnen wollen'''. Hier unterstellt sie, es gebe nur 3 Variablen. Jana antwortet nicht, die Lehrerin wartet abo Weil Jana nicht antwortet, rekapituliert Frau Lange im Sinne einer Wiederholung den bis dahin entwickelten Losungsprozess und fuhrt ihn fort, indem sie die zuvor an Jana gestellte Frage selbst beantwortet. "das II haben wir schon, das sind die 15 und das Q haben wir auch, das sind die 300, also was ist das Dritte was uns noch fehlt' W, also brauchen wir die Formel fur

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W um W auszurechnen". Die eintretende Pause deutet wieder daraufhin, dass Frau Lange Jana noch einmal die Moglichkeit bietet, in den Losungsalgorithmus einzusteigen, um ihn selbststandig fortzufiihren. Jana kann auch jetzt nicht antworten, und die Lehrerin erHiutert ihr, wie sie sich unabhangig yom Nachhilfeunterricht in einer derartigen Situation des Nichtwissens einer Formel verhalten kann. Dabei verweist sie auf das Schulbuch (vgl. Zeile 19). In diesem Zusammenhang vollendet die Lehrerin schrittweise den musterhaften Losungsprozess dieser Aufgabe und gibt lana damit ein Rezept zur Losung dieser Aufgabe an die Hand. Dieser Algorithmus beriicksichtigt weder mathematisch-strukturelle Besonderheiten der Terme noch den Sachverhalt der Aufgabenstellung.

Der diesen Abschnitt der Nachhilfestunde abschlieBende Kommentar der Lehrerin (Zeile 19) erlautert zusammengefasst die Vorgehensweise bei der Losung dieser Aufgabenklasse und kann es Jana ermoglichen, wie nach einem Kochrezept schrittweise die Formel anzuwenden. Der Kommentar kann auch aufgefasst werden als eine Art "Hilfe zur Selbsthilfe" fur ahnliche Situationen ohne die Nachhilfelehrerin. Der Losungsprozess dieser Aufgabe wird in kleine Teilschritte zerlegt, die es wie ein "Rezept" konsequent abzuarbeiten gilt. Solange Jana sich an das Rezept halt, wird sie diese Art von Aufgaben losen konnen. Auch fur den Fall, dass dieser Losungsprozess nicht fehlerfrei oder problemlos verlauft, bietet die Lehrerin eine Hilfestellung an. lana solI im Schulbuch an Beispielaufgaben nachsehen, wie diese gelOst werden. Es " ... steht ja jetzt im Buch sogar drin, wie man es macht ... ". Diese Prozedur erinnert zu Beginn an das Muster der Vermathematisierung (Neth & Voigt, 1991) in dem Sinne, dass einzelnen Bestandteilen eines Sachverhaltes schrittweise einzelne mathematische Zeichen zugeordnet werden. Dabei wird weder der sachliche noch der mathematische Zusammenhang zwischen den Zeichen thematisiert. Nach dem Aufstellen der Formel handelt es sich um eine mechanische Anwendung von Termumformungen, wie an den Aufierungen und der Mitschrift der Schiilerin im nachsten Abschnitt gezeigt wird.

Bis zu diesem Moment der Unterrichtsstunde hat vor allen Dingen die Lehrerin in ihrer algorithmisch-mechanischen Modulation den Losungsalgorithmus dieser Auf­gabenklasse an einem Beispiel entwickelt und kommentiert. Wie beschrieben, wird in diesem Schema nach gegebenen und gesuchten Sachverhalten unterschieden. Zunachst haben lana und anschlieBend Frau Lange die in Aufgabe 8 genannten Werte dem Prozentsatz p % und dem Grundwert G zugeordnet. Unter der Voraussetzung, dass es in diesem funktionalen Zusammenhang nur 3 Variablen gibt, entwickelt Frau Lange diesen Algorithmus mit Blick auf die dritte GroBe weiter. Wenn der dritten Variablen keine Zahl zugeordnet werden kann, ist eine Formel zur Berechnung erforderIich, die durch Einsetzen der gegebenen Zahlenwerte zu einer Rechenaufgabe wird und zu dem Ergebnis fuhrt. Der Losungsalgorithmus koilllte folgendermafien lauten: Wenn zwei Variablen gegeben sind, identifiziere die dritte Variable, finde die Formel fur die dritte Variable entweder im Heft oder im Buch, setze die gegebenen Zahlenwerte ein und rechne aus. Der Zusammenhang zwischen den gegebenen und der fehlenden GrOBe wird weder auf mathematischer noch auf sachlicher Ebene zwischen den Beteiligten naher geklart. Der Losungsalgorithmus hat somit das Ziel, die gefragte GroBe in dieser Aufgabe, in ihrem mathematischen und sachlichen Zusammenhang nicht im Blick und hat sich daher von der Sachaufgabe gelOst und verselbststandigt. Es handelt sich somit um eine mechanische, rezepthafte Anwendung eines Losungsalgorithmus.

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Mathe auf Rezept 13

2.2.3 Die Einiibung des Losungsweges durch den Schiller

In Zeile 21 fordert die Lehrerin lana auf, einige Teilaufgaben von Nr. 8 zu lOsen: "also mach das einfach mal fur die erste Reihe oder so, brauchen wir nicht zu lange machen, nur ein paar, dann konnen wir noch etwas machen, dann konnen wir noch andere Sachen ausrechnen". Obwohl sie in Zeile 12 die Schiilerin darauf hingewiesen hat, die Aufgaben eigenstandig zu bearbeiten "so, guck mal nicht nach bei dem was ihr vorher gerechnet habt, sondern versuch die Aufgaben seIber zu rechnen", liest lana dennoch ein Musterbeispiel mit Fornlel im Schulbuch. Dort wird neben anderen Zugangen ein rezepthafter Umgang mit den Aufgaben angeboten. lana schaut auch in ihren eigenen Aufzeichnungen nacho Sie berechnet dann Teilaufgabe a.

0.) PYa '= I S%

G ~ :)00 'DH

GJ ::; ~u&\~

(U : l5. .2:00 \00

~ 6J + \5: 100 '" 0, IS

0, \S . :,()O .4Sp{)

p~s fIIt+ klUS\"~OO'+~= 3L...s'Dr'> Abbildung 2: lana:; Notizen

Ein Indiz fur lanas algorithmisch-mechanische Rahmung wird an lanas Notizen (s. Abb. 2) deutlich. Hier geht lana nun eigensUindig vor. Sie halt sich an das Rezept: "Was ist gegeben? Was ist gesueht? Finde die Formel, setze die gegebenen Zahlenwerte ein und rechne aus." Die Formel zur Berechnung des Prozentwertes lautet W = p/l00 . G. lana ersetzt die Variablen durch die entsprechenden Zahlen und erhalt W = 15/100 . 300. Sie berechnet gesondert 15/100 und arbeitet dann den gesamten Ternl von links nach rechts ohne Rlicksicht auf Rechenvorteile abo lana sieht den Term demnach· als "Rechenaufgabe" .

23 L ja .. hier hattest du das auch noch ein bisschen einfacher rechnen konnen, glaube ieh, wenn du nicht die 15 mit den 100 klirzt, sondern die 300 mit den 100, dann kannst du namlieh einfach hier diese Nullen streichen, dann bleibt da nur noeh 15 . 3 stehen, das ist, glaube ieh, einfacher zu reehnen, als wenn du mit 0,15 . 300 .. vieder rechnest. ... wenn du das machst, da musst du dann .. uberlegen, wo hinterher das Komma hin

11.1 5 muss. weiBt du, wie die Regel dafiir ist'

24 1 mmh (verneinend)

25 L da gibt es eine Regel fur Malnehmen mit Kommazahlen und zwar musst du dann bei beiden Zahlen, die du vorne hast, zahlen wieviel Stellen hinter dem Komma sind, das sind hierbei zwei und hierbei ist gar keine Zahl hinter dem Komma, dann hat das Ergebnis aueh zwei Stellen hinter dem Komma, das heiBt, das Komma muB dann da hin und nicht da. 45 kommt dabei raus, das kommt einem aueh irgendwie .. bei 15% von 300

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DM ist 45 glaube ich ein sinnvollerer Wert als 0,45. da kann man schon mal stutzen und denken, das kann doch nicht so ganz stimmen .... na ja, so ist es ja vorbildlich " wenn du es also im Kopf ausrechnen musst, wenn du es also schriftlich ausrechnen musst, da hast du so ein bisschen Probleme ne' ja gut, aber beim nachsten machst du es einfach noch einmal, ein paar, und dann konnen wir ja so nach und nach

26 J mmh

27 Lund du musst immer versuchen, moglichst geschickt zu kiirzen, sonst waren namlich gar keine Kommazahlen aufgetreten, du kannst natiirlich genauso gut, hier diese 100 gegen diese 300, da bleiben hier einfach 3

13.04 tiber und da eine 1, dann steht da 3 durch 1

28 J mmh (lana spricht unverstandlich und rechnet Teilaufgabe b und c.) (10.24 min)

Frau Lange kommentiert Janas Arbeitsweise mit dem Hinweis auf eleganteres Rechnen und Ausnutzen von Rechenvorteilen. Sie lenkt Janas Aufmerksamkeit auf den gesamten Term 15/100 . 300, indem sie auf das rechnerisch geschicktere Kiirzen von 300 und 100 verweist. Diese Hinweise der Lehrerin konnen Janas augenblickliche Rahmung eines Terms als "Rechenaufgabe" hin zu einem Term als "algebraisches Gebilde" verandem. Des Weiteren erlautert Frau Lange der Schiilerin die Regel fur das "Malnehmen von Kommazahlen". Diese Redewendung der Lehrerin wie auch der Sprachgebrauch bei den folgenden mathematischen Erklarungen insgesamt verstarkt den Eindruck der Modulation ihrer mathematisch-strukturellen Rahmung auf die Schiilerin zu in Richtung einer algorithmisch-mechanischen Rahmung. Die Modulationshinweise der Lehrerin in Zeile 23 deuten darauf hin, dass die Lehrerin eine grOBere Souveranitat Janas in der Bearbeitung der Aufgaben anstrebt. Sie bietet Jana die Moglichkeit, sich ein wenig von dem starren Losungsalgorithmus zu losen. Dennoch erfolgt eine Verstandigung mit Jana letztlich durch die interaktive Herstellung eines Arbeitsinterims im Bereich der algorithmisch-mechanischen Rahmung. AuBer den bestatigenden "nunhs" finden sich keine Anzeichen damr, dass Jana die Modulationshinweise der Lehrerin annimmt.

1m Verlauf der Nachhilfestunde berechnet Jana die weiteren Teilaufgaben der Nr. 8 in ahnlicher algorithmischer und rezepthafter Weise wie 8a. Obwohl Frau Lange Jana auf die Vereinfachung der Terme hinweist, beriicksichtigt Jana dies in ihrem eigenen, einmal eingeschlagenen Losungsweg nicht. Es treten Rechenfehler auf, die Frau Lange der Schiilerin erkHirt und verbessert. Die ausgewahlten Notizen der Schiilerin zu den Teilaufgaben e und f sollen hier als ein Beispiel fur Janas eigene algorithmisch­mechanische und rezepthafte Arbeitsweise gelten (s. Abb. 3).

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Mathe auf Rezept

e) PYa ::: \S% p~s t"f\i\ NWst :

G :: 0l~ D~ Ot b

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15

0(02. 5 Abbildung 3: Janas Notizen mit Bemerkungen der Frau Lange

3. Grobverlauf der N achhilfestunden Die Analyse der betraehteten Unterriehtsstunden hat interaktive Regelmafiigkeiten

im Verlauf des Nachhilfeunterriehts ergeben. Ein Interaktionsmuster wird von den Beteiligten, hier dem Naehhilfelehrer und seinem SchUler, im Prozess interaktiv produziert. Voigt hat ein Interaktionsmuster als Struktur der Interaktion zweier oder mehrerer Subjekte definiert, wenn

,. - mit der Struktur eine spezitische soziale, themenzentrierte Rege1ma.J3igkeit der Inter­aktion rekonstruiert wird,

- die Struktur sich auf die Handlungen, Interpretationen, wechselseitige Wahmehmungen mindestens zweier Interaktionspartner bezieht und nicht als Summe der individuellen Aktivitaten darstellbar ist,

• die Struktur nicht mit der Belo1gung von vorgegebenen Rege1n im Sinne einer expliziten oder impliziten Grammatik deduktiv erklart werden kann und

• die beteiligten Subjekte die RegelmaJ3igkeit nicht bewuJ3t strategisch erzeugen und sie nicht retlektieren, sondern routinemai3ig vollziehen" (Voigt 1984,47).

Das Interaktionsmuster Hisst sich vorstellen als ein Netzwerk von Handlungen, die durch Zugzwange interaktiv aufeinander bezogen sind. In unserer Szene setzt die Aussage der SehUlerin "ich weill· nieht, wie man das rechnet" die Lehrerin unter Zugzwang, die Initiative zu ergreifen. Als Nachhilfelehrerin hat Frau Lange nun die

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Erwartung von Hilfe zu erfiillen. Dagegen konnte eine Lehrerin im Schulunterricht sich unter Zugzwang sehen, lana negativ zu bewerten. Wenn Frau Lange wie in einer Diagnosesituation lana auffordem wiirde, etwas vorzurechnen, wiirde sie lana wieder in die Situation des Scheitems fuhren und weiter entmutigen. Ais nachster Zug liegt es fur Frau Lange im Nachhilfeunterricht daher nahe, Verstandnis fur Janas Schwierigkeiten zu zeigen und gemeinsam mit lana eine Aufgabe zu lOsen.

Ergriffe die Lehrerin jetzt nicht die Initiative und liefie lana sofort eigenstandig rechnen, stiinden beide wieder vor der gleichen Situation, namlich dass lana diese Aufgaben nicht rechnen kann. 1m Nachhilfeunterricht kann es sich die Schiilerin anders als im schulischen Mathematikunterricht erlauben, "ehrlich" zu antworten. Dies kann die SchOlerin tun, in ihrer Erwartung einer Hilfestellung bzw. Dienstleistung von Frau Lange in deren sozialer Rolle als Nachhilfelehrerin. 1m schulischen Mathematikunter­richt kame Janas Aussage bei mehrmaligem Auftreten sicherlich einem "Offenbarungs­eid" gleich. Denn dort gehOrt es zur sozialen Rolle des Mathematiklehrers, die SchUler zu beurteilen. Ober mehrere solcher Zugzwange entstehen Interaktionsmuster.

3.1 Eroffnung des Themas und Festlegung des Lerninhaltes der Unterrichtsstunde

Betrachtet man die untersuchten Nachhilfestunden, kann festgehalten werden, dass zu Beginn jeder Nachhilfestunde der Lehrer und der SchOler interaktiv festlegen, welche Aufgabe(n) in dieser Unterrichtsstunde zu bearbeiten ist (sind). Stets wird ebenfalls die fehlende Kompetenz des SchOlers zur eigensrnndigen Losung dieser Aufgaben zwischen den Beteiligten explizit festgestellt. Der SchUler deutet schon hier immer eine algorithmisch-mechanische Rahmung beim Umgang mit mathematischen Aufgaben an. In dem Fall Beate und Herr Kastner beginnt Beate:

3 B ja. undjetzt sollen wir halt dann, also d und e haben wir auf. aber, das kann ich nicht.

4 L mmhmml). 5 B weil ich nicht weifi, was ich da ausrechnen solI

Bei Sabine und Herro Thamm beginnt der Nachhilfelehrer:

1 L welche Hausaufgaben habt ihr auf

2 S Aufgabe 14 und 12 (L schaut in das Schulbuch.)

3 L da musst du ja Gleichungen aufstellen.

4 S das kann ich ja nicht.

5 L das kannst du nicht

6 S mmh (ablehnend)

7 L da gibt es so ein paar Tricks halt, die man beachten muss .. du musst halt immer ein bisschen umdenken, bei diesen Aufgaben.

8 S 0.30 mrnh (zustimmend)

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Mathe auf Rezept 17

Die Wortwahl "konnen, ausrechnen, Tricks" wird hier als Indiz fur eine algorithmisch-mechanische Rahmung aufgefasst. Es wird das Losen von Aufgaben, nicht das Verstehen mathematischer Grundlagen angestrebt.

Die algorithmisch-mechanische Rahmung bestimmt auch den weiteren Verlaufjeder Nachhilfestunde. In einem weiteren Fall "Klara und Frau Gosrau" waren keine Haus­aufgaben zu erledigen. Hier llatte sich ein anderer Verlauf ergeben konnen. 1m Schulunterricht wurde mit dem neuen Thema "Bruchzahlen" begonnen. Die Nachhilfe­lehrerin, die ausgebildete Mathematiklehrerin ist, versuchte, begrifflich mit der Schwerin uber Bruchzahlen zu sprechen. Der Nachhilfeunterricht schwenkte jedoch nach deutlichen Verstandnisproblemen der SchUlerin auf die algorithmische Behandlung von Aufgaben aus einem Trainingsbuch ein.

3.2 Entwicldung und Modellierung des Uisungsweges der Aufgabe durch den Lehrer

Die angezeigte fehlende Kompetenz zur eigenstandigen Losung der Aufgaben wie auch die algorithmisch-mechanische Rahmung des SchUlers bringen den Lehrer im Nachhilfeunterricht unter Zugzwang. Er muss sich mit Hilfe einer Modulation seiner eigenen Primarrahmung auf den SchUler zubewegen. Zwischen Lehrer und SchUler entsteht auf diese Weise ein Arbeitsinterim. Das Arbeitsinterim der Beteiligten beruht in der kongruenten Sichtweise der Aufgabe als eine "Rechenaufgabe". Geklart werden muss unter einer solchen Rahmung der benotigte Algorithmus zur Losung der Aufgabe. Daher entwickelt und kommentiert der Lehrer schrittweise einen Losungsalgorithmus fur den Aufgabentyp wie auch konkret fur diese Aufgabe. Er bietet dem SchUler immer wieder die Moglichkeit, die Losung dieser Aufgabe selbststandig fortzufuhren. In der Regel zeigt sich der SchUler dazu nicht in der Lage, so dass der Lehrer ihn weiterhin unterstutzen muss, bis die Entwicklung des Losungsalgorithmus abgeschlossen ist. In keinem der beobachteten FaIle konnte ein SchUler die zuerst behandelte Aufgabe ohne Hilfe des Lehrers losen.

3.3 Durchfiihrung des LOsungsweges dieser Aufgabe von dem SchUler

In der Regel, wie auch in dem hier vorgestellten Beispiel, konnen die SchUler diese Aufgabe dann schriftlich eigenstandig bearbeiten. Der Lehrer hat abschlieBend die Aufgabe, den Losungsweg und das Ergebnis rechnerisch zu kontrollieren. 1m Laufe der Bearbeitung dieser Aufgabe gewinnt der SchUler mehr SouveranWit in der rezepthaften Ausfuhrung des Losungsalgorithmus. Der SchUler kann sich auf die begleitende Hilfe und Unterstutzung des Lehrers verlassen. Der Nachhilfelehrer greift jedoch nur nach der LOsung der Aufgabe ein oder, wenn er von dem SchUler zu Hilfe gerufen wird. Nur in einem der untersuchten FaIle zeigte sich dieser Erfolg bei dem SchUler nicht. Der SchUler blieb bis zum Schluss auf Hilfe angewiesen. Er schien vollig demotiviert den Lehrer fur ihn rechnen lassen zu wollen.

3.4 Durchfiihrung des Uisungsweges ahnlicher Aufgaben durch den Schiller

1m weiteren Verlauf der Nachhilfestunde lost der SchUler ahnliche Aufgaben der Aufgabenklasse. Falls der SchUler bei diesen Aufgaben nun nicht mehr der laufenden Unterstutzung des Lehrers bedarf, perfektioniert er seinen Losungsalgoritl1fllUs. Der Schiller kann die Aufgaben algorithmisch-mechanisch inmler selbststandiger bearbeiten. Er hat die fur die AufgabenkIasse erforderlichen Regeln zur Verfiigung und kann sie anwenden. Der Lehrer kontrolliert im Allgemeinen nur noch die Richtigkeit des

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Losungsweges und korrigiert evtl. auftretende Rechenfehler. Der SchUler hat letztlich die Verantwortung fur die vollstandige Durchfiihrung des Losungsprozesses iibernommern.

Nur in einem Fall hat die Lehrerin (Diplom-Mathematikerin) eine Aufgabe hinterfragt und daraufhin zusammen mit der Schiilerin das Schulbuch nach Definitionen und Satzen durchgearbeitet. 1m Laufe der begleitenden Hilfestellung bzw. der abschlieBenden Priifung der Bearbeitung der Aufgabe gibt der Nachhilfelehrer auch Modulationshinweise, die iiber die algorithmisch-mechanische Rahmung des SchUlers hinausgehen und weist damit in Richtung einer strukturell-mathematischen Rahmung. Falls sichjedoch herausstellt, dass der SchUler eine der nachsten Aufgaben nicht alleine bewaltigen kann, startet das Interaktionsmuster wieder von vorne.

Aus interaktionistischer Sicht kommt es im Nachhilfeunterricht also nicht zum Lernen im Sinne einer Veranderung der Rahmung des Schiilers. Vielmehr wird trotz der Modulationshilfen des Nachhilfelehrers die algorithmisch-mechanische Rahmung des Schiilers stabilisiert. Es ist aber bemerkenswert, dass injedem der untersuchten Falle die Nachhilfelehrer Modulationshilfen zu geben versuchen.

1m Folgenden werden Begriffe aus der padagogischen Psychologie benutzt, die den Lehr-Lern-Prozess zwischen dem Lehrer und dem SchUler im Nachhilfeunterricht passend beschreiben und insbesondere den Lernerfolg des Nachhilfeunterrichts erklaren sollen. Die Begriffe stammen aus einem Begriffssystem, das jeglichen Lehr-Lern­Prozess theoretisch erklaren solI. Wir werden hier aber nur diejenigen Begriffe verwenden, die uns den untersuchten Nachhilfeunterricht und dort den Erwerb und die Vermittlung algorithrnischen Wissens erklaren konnen. Das hat insbesondere zur Folge, dass Begriffe zur Erklarung des Erwerbs und der Vermittlung strukturellen Wissens aus dem Begriffssystem nicht genutzt werden. 1m Folgenden wird also nur das Muster theorieorientiert erortert, das am Beispiel lana erlautert und in den meisten anderen untersuchten Fallen ebenso rekonstruiert wurde.

4. Apprenticeship-Format ("Untenveisung des Lehrlings durch den Meister")

4.1 Theoretische Hintergriinde

Wie dargestellt, ist der InteraktionsprozeB zwischen den Beteiligten im Nachhilfeunterricht in Mathematik durch ein Ablaufschema strukturiert. Dieses Interaktionsmuster beginnt in einer ersten Phase mit der interaktiven Festlegung des Lerninhaltes der Nachhilfestunde und der Feststellung der fehlenden Kompetenz des Schiilers. Vygotski (1978) spricht in diesem Zusammenhang von der "Zone der proximalen Entwicklung" und meint darnit die Differenz zwischen dem, was die Lernenden von sich aus intellektuell allein bewaltigen konnen, und dem, was sie nur mit Hilfe des Lehrers konnen: "... the distance between the actual development level as determined by independent problem-solving and the level of potential development as determined through problem-solving under adult guidance or in collaboration with more capable peers" (Vygotsky 1978, 76). Erfolgreiche Interaktionen spielen sich in dieser Zone ab, d.h. je besser es dem Lehrer gelingt, den aktuellen kognitiven Entwicklungs­stand des Schiilers zu erfassen und die neuen Lerninhalte so vorzulegen, dass sie mit gezielten Hinweisen, Fragen und DenkanstoBen bearbeitet werden konnen, desto starker wird das Verstehen und das Umgehenkonnen mit diesen Lerninhalten gef6rdert. Dieses Verstehen und Umgehenkonnen fuhrt nach Vygotski zu einem hOheren Entwicklungs­stand, so dass die "Zone der proximalen Entwicklung" fur die nachste Phase auf ein

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hOheres Niveau gelangt. Damit kann auch eine Rahmungsanderung bei den Lernenden gemeint sein.

In einer zweiten Phase des Interaktionsmusters wird von den Beteiligten ein Format konstituiert, das wir als Apprenticeship-Format bezeichnen. Formate sind allgemein zwischen Lehrenden und Lernenden eingespielte und standardisierte Ablaufschemata von Handlungs- und Redeaktivitaten, bei denen die Rollenverteilung an SchUler und Lehrervariabel ist (vgl. Bruner 1987,131).

,,Eine spezielle Eigenschaft von Fonnaten, die ein Kieinkind und einen Erwachsenen betreffen, ist ihre Asyrrunetrie hinsichtlich des Wissens der Partner: Der eine weill, 'worum es geht' , der andere weill es nicht oder weniger gut .... Insofern der Erwachsene gewillt ist, sein Wissen zu 'ilbergeben', kann er im Fonnat ais Modell oder Lehrer dienen, bis das Kind es seIber zu angemessener Meisterschaft gebracht hat" (Bruner 1987, 115).

Krummheuer (1992, 145) hat den Gesichtspunkt der zunehmenden Initiative des Kindes bis hin zur eigenstandigen Ausfuhrung in der Kooperation mit Erwachsenen auf den Lernprozess eines Schiilers im Mathematikunterricht der Schule iibertragen. Die zunehrnende Autonomie eines Schiilers in dem Interaktionsprozess mit einem Lehrer stellt nach Krummheuer den entscheidenden lerntheoretischen Aspekt des Begriffs "Format" fur den Mathematikunterricht dar.

Bruner (1987) hat den Format-Begriff in seinen Studien zum Spracherwerb des Kindes eingefuhrt. Ein Beispiel fur ein Format aus Bruners Untersuchungen ist das Format des "Versteck-Spiels", bei dem zwischen Mutter und Kind ein Gegenstand wie z.B. eine Puppe hinter dem Riicken versteckt wird, dann die Frage nach der verschwundenen Puppe gestellt und diese nach einer kurzen Suchphase wieder hervorgeholt wird. Zu Beginn des Spiels ist das Verstecken des Gegenstandes immer eine Sache des Erwachsenen und das Suchen und Finden immer die des Kindes. 1m weiteren Spielvedauf iibernimmt das Kind immer mehr die Rolle des Handelnden und variiert zum Schluss selbststandig das Spie1. Dabei lernt das Kind, bestimmte sprachliche Aufierungen in unterschiedlichen Situationen zu gebrauchen. Es lernt also wie beilaufig, seine Sprachkompetenz zu entwickein.

"Wie im FaIle Jonathans hatten also auch Richard und seine Mutter nach und nach ein ritualisiertes Spiel geschaffen, in welchem sie abwechselnd die einzelnen Rollen iibernahmen. Das Spiel wurde immer vielfaltiger und kam der wachsenden Initiative des Kindes entgegen, als es lernte, das Spiel seIber in Gang zu bringen und die einzelnen Bewegungen auszufuhren" (Bruner 1987, 50).

Ein solches Spiel wird zunachst unter Leitung der Mutter als ein Format bis in die Feinabstimmung der Interaktionsbeitrage stabilisiert. Je besser das Kind seine Rolle, auch sprachlich, beherrschte, desto eher wurden anfangliche Rollenzuschreibungen variiert. In einem spateren Entwicklungsstadium konnte das Kind dieses formatierte Spiel vollig allein ausfuhren, konnte also alle "Rollen" in diesem Format selbst spielen.

,,Die geschiiderten Spiele beider Kinder waren voller Obergange, indem die Mutter immer wieder etwas Neues einfilhrte und es dann nach und nach an das Kind 'ilbergab', wenn es fahig wurde, dieses Neue seIber auszufUhren. Dies ist ein zentraler Zugjedes Hilfssystems ... " (Bruner 1987, 50).

Bruner beschreibt die Rolle des Lehrenden in einem Format folgendermafien.

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"The adult serves as a modell, scaffold, and monitor until the child can take over on his own" (Bruner 1982, 9).

Collins, Brown und Newman (1989) betrachten das Hilfssystem eines Lehrenden zu­nachst aus dem Blickwinkel der Meister - Lehrling - Ausbildung der traditionellen Handwerkslehre. Zentral dabei ist die Tatsache, dcill in der traditionellen Handwerkslehre das Wissen durch den sozialen Austausch zwischen einem Meister (dem Experten) und seinem Lehrling stattfindet.

,,First and foremost, apprenticeship focusses closely on the specific methods for carrying out tasks in a domain. Apprentices learn these methods through a combination of what Lave calls observation, coaching, and practice, or what we, from the teacher's point of view, call modeling, coaching, and fading. In this sequence of activities, the apprentice repeatedly observes the master executing (or modeling) the target processes, which usually involves some different but interrelated subskills. The apprentice then attempts to execute the process with guidance and help from the master (i.e., coaching). A key aspect of coaching is the provision of scaffolding, which is the support, in the form of reminders and help, that the apprentice requires to approximate the execution of the entire composite of skills. Once the learner has a grasp of the target skill, the master reduces (or fades) his participation, providing only limited hints, refinements, and feedback to the learner, who practices by successively approximating smooth execution of the whole skill" (455f).

Das Hilfssystem des Nachhilfelehrers liillt sich mit dem Begriff Format und den Methoden modeling, coaching und scaffolding (zu letzteren Begriffen s.u.) angemessen beschreiben. Die genannten Methoden ermoglichen dem SchUler, Strategien zur Losung von Mathematikaufgaben durch Beobachtung des Nachhilfelehrers wie auch durch vom Lehrer angeleitete und unterstutzte eigene Tatigkeit zu erwerben. Der Nachhilfelehrer begleitet den ScMler in fur ihn relevanten Lernprozessen in dialogischer Form. Dabei ist er aber nicht "Unterweiservon Wissen" im Sinne eines Nurnberger Trichters, sondern er unterstutzt den ScMler durch Modellieren, Scaffolding und weitere Formen zur Forderung des eigenen Denkens. Man kann dabei unterstellen, dass der Nachhilfelehrer hofft, dass der ScMler in diesem ProzeB eigenstandig wird. 1m Folgenden werden in Anlehnung an Collins, Brown & Newman (1989) diese Unterrichtsmethoden anhand des Nachhilfeunterrichts dargestellt.

4.2. Der Nachhilfeunterricht als Cognitive Apprenticeship

4.2.1 Entwicklung und Modellierung des LOsungsweges der Aufgabe durch den Lehrer

Wenn der SchUler zu Beginn des Nachhilfeunterrichts seine fehlende Kompetenz zur Bearbeitung der Aufgaben auBert, steht der Nachhilfelehrer als Dienstleister unter Zug­zwang, zu Beginn des Apprenticeship-Formats die Initiative zu ergreifen. 1m Sinne eines modeling (kognitives Modellieren) nach Collins, Brown & Newman (1989, 481) entwickelt der Nachhilfelehrer in Zusammenarbeit mit dem Schuler die Losung der Mathematikaufgabe und beschreibt dabei, welche Uberlegungen anzustellen sind, urn diese Aufgabe zu lOsen. Auf der einen Seite gibter dem SchUler im Laufe der Interaktion die Moglichkeit, sich mit seinen Moglichkeiten und Fragen einzubringen. Ausbleibende oder fehlerhafte SchUleraufierungen setzen den Nachhilfelehrer unter Zugzwang, im Sinne eines Scaffolding Hinweise und Unterstutzung zu geben, damit der Losungsprozess der Aufgabe in Gang gehalten wird und die Fahigkeiten und

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Mathe auf Rezept 21

Fertigkeiten des SchUlers weiterentwickelt werden konnen. Sobald der Nachhilfelehrer merkt, dass der SchUler in der Lage ist, Teile des Losungsprozesses der Aufgabe selbststandig zu bearbeiten, nimmt der Lehrer seine Unterstiitzung zuruck (fading). Das Scaffolding (Riistzeug) im Sinne von Collins, Brown & Newman

"... requires the teacher to carry out parts of the overall task that the student cannot yet manage. It involves a kind of cooperative problem-solving etTort by teacher and student in which the express intention is for the student to assume as much of the task on his own as possible, as soon as possible" (1989, 482).

Die Hilfestellung durch den Lehrer gibt dem SchUler ein Gerust fur ein immer selbststandiger werdendes Arbeiten. Unter Scaffolding wird der Prozess verstanden, durch den die Lernenden befahigt werden, ein Problem zu losen oder eine Aufgabe auszufiihren, was ohne die gezielte Hilfe einer Lehrkraft fur sie nicht moglich gewesen ware (Wood, Bruner, Ross 1976). Scaffolding als Unterstiitzung des Lernenden reicht somit von Vorschlagen und konkreten Hilfen bis zur Ubernahme von Teilaufgaben durch den Experten. Voraussetzung ist hier, dass die Lehrkraft den Lernenden genau beobachtet und dessen Fahigkeiten und Fertigkeiten wahrend des Bearbeitungs- und Losungsprozesses der Aufgaben erkennt.

Die allgemeinen Hinweise des Nachhilfelehrers wahrend des Interaktionsprozesses ordnen den gewahlten Losungsalgorithmus in den Zusammenhang einer Aufgabenklasse ein oder weisen auf einfaches, elegantes Rechnen im Sinne von mathematisch­strukturellen Vereinfachungen hin. Diesen Aspekt zahien Collins, Brown & Newman zum coaching (Anleiten). Hier wird die Aufmerksarnkeit des Lernenden auf einen bisher nicht bemerkten Aspekt der Aufgabe gelenkt, oder es wird dem Lernenden eine Perspektive vermittelt, die ihm eine mathematisch-strukturelle Rahmung eines Experten zumindest in Teilaspekten ernloglichen kann. 1m Sinne der Interaktionstheorie konnte hier eine Rahmungsanderung der Lernenden entstehen.

4.2.2 Die Einiibung des LOsungsweges durch den SchUler Nachdem der Lehrer die Losung der Aufgabe in der Interaktion mit dem SchUler

entwickelte und nachdem die Aufgabe z.T. auch schriftlich gelOst wurde, fordert er den SchUler auf, weitere Aufgaben dieser Aufgabenklasse zu losen. Der SchUler iibernimmt nun die Initiative und lOst die Aufgaben mehr oder minder vollkommen in eigener Regie. Die Unterstiitzung des Nachhilfelehrers, das Hilfssystem im Sinne Bruners, wird im Laufe der Betreuung schrittweise reduziert (fading), bis der SchUler die Aufgaben selbst bewaltigen kann. Der Lehrer unterstiitzt den SchUler in dem hergestellten Arbeitsinterim durch Modulationshilfen, die auf eine mathematisch eiegantere Losung zielen (coaching). 1m weiteren Verlauf hat der SchUler dann die Moglichkeit, die Verbesserungsvorschlage umzusetzen und seine Rahmung zu modulieren bzw. die mathematische Struktur seines Wissens zu erweitern.

Hinweise auf ein Lernen im Sinne einer Rahmungsanderung sind im untersuchten Nachhilfeunterricht jedoch nicht gefunden worden, obwohl der Lehrer Modulations­hilfen anbietet, oder anders gesagt, im Sinne des coaching die Aufmerksarnkeit des SchUlers auf einen von diesem bisher nicht bemerkten Aspekt der Aufgabe lenkt. Der SchUler bleibt bei seinem einmal erfolgreich angewandten Losungsalgorithmus. Die Nachhilfesituation als bezahlte Dienstieistung wie auch die zu Beginn interaktiv festgestellte fehlende Kompetenz des SchUlers setzen den Lehrer wohl unter Zugzwang, sich auf den algorithmisch-mechanisch rahmenden SchUler einzu-Iassen. Entgegen den

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fachdidaktischen Anspriichen aus der Literatur lasst sich der Lehrer so weit auf das algorithmische Abarbeiten der Aufgabe ein, dass fur den SchUler auch keine Notwendigkeit mehr besteht, eine mathematisch-strukturelle Rahmung auch nur ansatzweise einzunehmen. Gleichwohllemt der SchOler in dem Sinne, daB er rezepthaft und weitestgehend fehlerfrei Aufgaben eines Typs lOsen kann. Bei gleichbleibenden Aufgabentypen, wie etwa in Klassenarbeiten, versprechen diese starren Losungs­algoritilluen auch Erfolg.

Collins, Brown und Newman (1989) erfassen mit ihrer Theorie des Cognitive Apprenticeship auch Lehr-Lem-Prozesse, in denen es urn die Vermittlung und den Erwerb von hOherem mathematischen Wissen, von heuristischem Wissen etc. geht, also urn mehr als die Entwicklung algorithmisch-mechanischen Wissens. In dem vorliegenden Projekt wurden jedoch kaum Anzeichen fur das Entstehen von hOherem mathematischem Wissen im Nachhilfeunterricht festgestellt.

Nun Mnnte man konstruktiv iiberlegen, wie die QualiHit des Nachhilfeunterrichts zu verbessem ist. Es ware jedoch voreilig, ohne Kenntnis der Bedingungen, Ullter denen Nachhilfeunterricht stattfindet, Verbesserungsvorschlage zu machen. Es geht mir auch primar nicht darum, den Nachhilfeunterricht zu bewerten, sondem ich will erklaren, wie er tatsiichlich funktioniert und wie relative Lemerfolge erzielt werden. Wenn man mathematikdidaktische Anspriiche an den Nachhilfeunterricht stellt und in unserem Fall beklagen wiirde, dass Jana zu rezepthaft lemt und bei scheinbar leichten Anderungen der Aufgabenstellungen folglich scheitem wiirde, ist zu beriicksichtigen, unter weIchen Rahmenbedingungen N achhilfeunterricht geschieht.

5. Hintergriinde

Zunachst wird in diesem Abschnitt der Nachhilfeunterricht in einem privatwirtschaftlichen Institut als Dienstieistung am Kunden SchUler unter okonomisch begrenzten Bedingungen angesprochen. Dann werden die gesellschaftlichen Hinter­griinde von Schule und Nachhilfe betrachtet.

5.1 Marldwitischaftliche Organisation von Nachhilfeunterricht

Bezahlter Nachhilfeunterricht ist auch als Dienstleistung an dem Kunden SchUler bzw. Eltern zu begreifen. Der Nachhilfelehrer ist bereit, dem Nachhilfeschiiler bei seinen Problemen zu helfen und seinen Erwartungen nachzukommen, unter der Bedingung, dafur auch entlohnt zu werden. Der Nachhilfelehrer wird nicht dafur bezahlt, fachdidaktische Anspriiche den Lehrpanen gemiiB zu realisieren. Die Eltem erwarten fur ihre Bezahlung auch eine Gegenleistung. Diese Gegenleistung des Nachhilfelehrers besteht in der Hilfestellung zur Verbesserung der Zensuren oder auch zur Erreichung eines Schulabschlusses ihrer Kinder (Langemeyer-Krohn & Krohn 1987, 499). Die rezepthafte Vermittlung von Mathematik kommt der Erwartung der NachhilfeschUler entgegen und verspricht kurzfristigen Erfolg bei den Zensuren (Hussein 1987, 92).

Nachhilfeinstitute miissen in einem umkampften Markt Gewinne erwirtschaften. Sie konnen die Nachhilfelehrer nicht so gut wie ausgebildete Mathematiklehrer im Haupt­beruf an Schulen entlohnen. Deshalb sind auch Erwachsene mit anderen Ausbildungen als Nachhilfelehrer tiitig, z.B. in unseren Fallen ein Elektroingenieur und ein Diplom­Chemiker. In der Untersuchung von Tomer und Grigutsch (1994) unter Studierenden zum Weltbild von Mathematik hat bei den Nicht-Mathematikstudierenden der Aspekt von Mathematik als "Werkzeugkasten" und "Formelpaket" dominiert. Dieses Ergebnis wurde durch eine Studie von Stroop (1998) bestiitigt und vertieft. Mathematik ist im

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Bewusstsein der Erwachsenen stark verwurzelt. "Es sind tiefe Erfahrungen mit Mathe­matik bereits in der Schulzeit gemacht worden, deren Erinnerungen bis in die Gegenwart lebendig sind. Das derzeitige Alltagsverstandnis von Mathematik wird von den Erwachsenen als Konsequenz oder sogar Fortfiihrung aus der Schulzeit gesehen .... Haufig wird Mathematik im Alltag als Werkzeug angesehen" (Stroop 1998,277). Die Nachhilfelehrer ohne mathematisches bzw. mathematik-didaktisches Studium lassen sich vermutlich eher auf die algorithmisch-mechanische Rahmung des SchUlers ein und stabilisieren sie.

Selbst wenn der Nachhilfelehrer ein mathematisches Studium, wie in unserem Fall Frau Lange, oder sogar ein mathematikdidaktisches Studium absolviert hat, ist zu berucksichtigen, dass die schlecht bezahlte Tiitigkeit als Nachhilfelehrer, ab ca. 10 DM pro Zeitstunde, ein vorubergehender Job oder nur eine Nebentatigkeit ist. Vor- und Nachbereitungszeit fur die Unterrichtsstunden werden nicht bezahlt. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass die Nachhilfe mit den didaktischen AnspIiichen und Erfahrungen durchgefuhrt wird, wie sie in der Schule gelten, sondem dass pragmatisch die rezepthafte Vermittlung von Mathematik vorherrscht.

Der Kostendruck in den Instituten fuhrt dazu, dass Gruppen von bis zu funf SchUlem gleichzeitig von einem Nachhilfelehrer betreut werden, obwohl die Schiiler aus verschie­denen Klassen und Schulen stammen. Die Vielfalt der didaktischen Probleme in einer solchen Situation IMt anspruchsvolles didaktisches Handeln des Nachhilfelehrers kaum zu.

5.2 Nachhilfe im Fach Mathematik vor dem Hintergrund von Schule und Gesellschaft

Je mehr die Schule in unserer Gesellschaft als Institution fur die Zuweisung von Berufs- und Lebenschancen begriffen wird, desto wichtiger wird ein erfolgreicher Schulabschluss, und urn so starker versuchen viele Eltem, ihren Kindem einen solchen zu ermoglichen. Helmke (1983) untersuchte am Beispiel der Entstehung von Erfolgszuversicht oder Misserfolgsangst die Bedeutung eines familiaren Stiitzsystems fur die Verarbeitung von schulischen Leistungssituationen. Aus der Untersuchung von Helmke (1983) liisst sich als Verallgemeinerung festhalten: Hinter den Schiilem stehen Eltem, die als "Coach" ihrer Kinder tagtaglich mehr oder weniger erfolgreich bemiiht sind, die Schularbeiten und die Schullaufbahnen ihrer Kinder zu managen und sie auf gute Wege zu bringen (Weegen 1986, 246). Familiare Nachhilfe oder bezahlter Nachhilfeunterricht soIl in dieser Situation helfen, Lemdefizite auszugleichen.

Dabei geht der Nachhilfeunterricht in Mathematik, anders als z.T. der Forder­unterricht in speziellen Einrichtungen, in der Regel vom Stand des Schulunterrichts und den dort geltenden Leistungsnormen aus, kann aber grundlegende Defizite im Verstehen von Mathematik meist weder erkennen noch beheben. Das Interesse des Nachhilfe­schiilers muss nicht auf das Verstehen der Mathematik gerichtet sein, obwohl wir es uns in idealistischer Sichtweise wiinschen. Nach Fend (1980) erzeugt die Institution Schule eine starke Wettbewerbshaltung und Ergebnisorientierung der SchUler.

,,Bei dieser Orientierung gerat der Inhalt unterrichtlichen Handelns immer starker in den Hintergrund; im Vordergrund steht der 'Sieg fiber den Verlierer'. 'Die Sache' ist langst zum Mittel fm Zwecke des Vergleichs, der Ausscheidung geworden. Je scharfer der Wettbewerb im Bildungssystem (unter gegebenen ausbildungs- und arbeitsmarkt­politischen Bedingungen) ist, desto weniger konnen SchUler sich den Luxus leisten, vor

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allem an den Inhalten des Lernens interessiert zu sein; sie milssen sich darauf konzentrieren, gute Noten zu erzie!en - nahezu gleichgilltig urn welchen Preis" (Heid 1987, 73).

Heid (1987) weist darauf hin, dass die "Sache", d.h. das Verstehen eines mathe­matischen Begriffs oder eines strukturellen Zusammenhangs, im Schulunterricht aufgrund der zu erfullenden Selektions- und Beurteilungsfunktion der Schule starker in den Hintergrund tritt. So wird verstandlich, warum in der Startphase des Nach­hilfeunterrichts Lehrer und SchUler interaktiv festlegen, welche Aufgaben gelOst werden mussen, statt festzustellen, was der SchUler im Mathematikunterricht nicht verstanden hat.

In diesem Zusammenhang sind auch die in dieser Arbeit empirisch festgestellten Ergebnisse einer schematischen, rezepthaften Bearbeitung von Mathematikaufgaben im Nachhilfeunterricht nachvollziehbar. Denn nun ist der Nachhilfeschiiler, der sich mit der Nachhilfe einen kleinen "Vorteil" verschafft hat, zumindest in der Lage, in der Hausauf­gabenbesprechung dem Mathematiklehrer die richtigen Ergebnisse prasentieren zu konnen. Auch bei Aufgaben des gleichen Aufgabentyps, die zum Abschluss der jeweiligen Unterrichtsreihe in Klassenarbeiten geprUft werden konnen, verspricht diese rezepthafte Bearbeitung Erfolg. Somit besteht fur den Nachhilfeschiiler eine groBe Chance, seine Zensur zu verbessem und die gewiinschte Versetzung bzw. den Schulabschluss zu erreichen.

,,Ergebnisorientierung und Selbstkontrolle in der Selbstdarstellung der SchUler werden durch den Schulunterricht zwangslaufig provoziert. Da Priifungen nicht einfach von Zeit zu Zeit getrennt von 'normalem' Unterrichtsalltag stattfinden, sondern der gesamte Schulalltag einer umfassenden Bewiihmngsprobe fur Schiller entspricht, kann ein reines Lehrer-Schiller-Verhaltnis im Sinne von Hand in Hand zuarbeiten beim Wissensautbau niemals zustandekommen. Das komplette Unterrichtssystem kommt einer riesigen in zigtausende national verstreute Klassen aufgegliederten Quizveranstaltung gleich, .... Bis dahin mull er zu Hause Uben, die moglicherweise vorkommenden Ratse! in den vorgegebenen Fachgebieten, moglichst vollstandig in der geforderten Zeit, rosen zu konnen" (Steeg 1996, 148).

Auf einer emotionalen oder motivationalen Ebene starken das Wissen des Schiilers urn die im Nachhilfeunterricht erarbeitete richtige Losung der (Haus-) Aufgaben und der (mehr oder weniger) selbststandig ausgefuhrte Losungsprozess der Aufgaben das Selbstvertrauen des Schiilers. Falls im Nachhilfeunterricht der mathematische Sachverhalt fachdidaktisch gut aufbereitet wiirde, konnte das sich dort anbahnende mathematische Verstandnis im Schulunterricht nicht notwendigerweise sofort in mundliche Mitarbeit und damit zu erzielende Verbesserung der Zensur umgesetzt werden, auch wenn der Schiiler die mathematischen Hintergriinde dann besser verstanden hatte und dieses ihn sogar fur das Mathematik-Lemen motivieren konnte. Zudem fehlte dem SchUler dann sogar noch die Losung der Hausaufgaben, die er ja selbst nicht erstellen konnte, sonst ware er nicht im Nachhilfeunterricht. Des Weiteren ermoglicht die Losung der Aufgaben wie auch das Ergebnis der Mathematikaufgaben den Eltem, das im Nachhilfeunterricht Geleistete zu priifen. Ware etwa die Abwagung zweier heuristischer Losungsstrategien einer Aufgabe oder die Diskussion eines mathematischen Begriffs Lerninhalt einer Nachhilfestunde gewesen, fehlte den Eltem eine direkte Priifmoglichkeit.

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Entgegen den mathematikdidaktischen Anspriichen, wie sie an den schulischen Unterricht gestellt werden, wird in der Nachhilfe Mathematik rezeptartig vermittelt und gelernt. "Die Mathematik im ganzen tritt dem SchUler weniger als innere ideelle Einheit, sondern vielmehr als eine Sammlung von Aufgabentypen entgegen" (Lenne 1969,35). Dieses Prinzip der Stoff organisation in der traditionellen Schulmathematik hat Lenne als Aufgabendidaktik bezeichnet. Die Aufgabendidaktik lasst sich hier im Nachhilfe­unterricht im kleineren Mafistab wiedererkennen. Erklart wurde das Phanomen des Lehrens und Lernens nach Rezept mit den Bedingungen, die durch die Nachhilfeinstitute vorgegeben werden, und den schulischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in die der Nachhilfeunterricht eingebunden bzw. hieraus erst entstanden ist.

1m Nachhilfeunterricht geht es darum, das jeweils anstehende Aufgabenmuster mit dem Losungsalgorithmus zu identifizieren und bewaltigbar zu machen. Insofern wird es eine Aufgabe weiterer Untersuchungen sein, Nachhilfeunterricht auch unter dem Aspekt der in der PISA-Studie focussierten Mathematical Literacy neu zu bewerten. Die Untersuchung sollte zunachst einen relativ weiBen Fleck in der mathematikdidaktischen Landkarte ausflillen. Man kann nun nicht unmittelbar von der Erkenntnis des Nachhilfeunterrichts auf schulischen Mathematikunterricht schlieBen. Man konnte jedoch dem schulischen Unterricht mit den Erkenntnissen aus der Untersuchung einen Spiegel vorhalten. Unter der Annahme, dass der Nachhilfeunterricht das erreicht, was ein Schiiler flir das Bestehen im Schulunterricht braucht, heiBt Bestehen im Mathematik­unterricht keineswegs Verstehen von Mathematik im Sinne von begriffiich-strukturellem Wissen.

Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen stehen Nachhilfeinstitute als Dienst­leistungsunternehmen vor einem Dilemma. Wenn sie eine didaktisch anspruchsvollere Mathematiknachhilfe gewahrleisten wollen, wird dieses nur gegen die vordergriindigen Interessen ihrer Kunden und auf Kosten kurzfristiger Erfolge und ihrer Motivations­schiibe moglich sein. Die Modulationshilfen der beobachteten Nachhilfelehrer weisen jedoch darauf hin, dass es ihnen nicht an gutem Willen fehlt.

Die Befunde weisen auf eine spezifische, von kurzfristigen Erfolgsinteressen gepragte KuItur des Nachhilfeunterrichts hin. Wenn aber die bildungspolitischen Ziel­setzungen ein tiefergelegtes Spektrum an mathematischen Fahigkeiten anstreben, dann miisste es eine politische Forderung sein, die Diskrepanzen zwischen einer wiinschenswerten Unterrichtskultur in der Schule und einer wiinschenswerten Kultur von FordermaBnahmen auBerhalb der Schule auszugleichen.

Literatur

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Child Psychology and Psychiatry 17, 89-100

Anhang: Transkriptionsregeln:

1. Linguistische Zeichen L Lehrkraft Frau Lange

J Abkilrzung fill Jana

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Mathe auf Rezept

2. Paralinguistische Zeichen

(6 sec)

genau.

was'

glJ!

sicher

kurzes Absetzen innerhalb einer AuBerung, max. eine Sekunde

kurze Pause, max. zwei Sel..lmden

mittlere Pause, max. drei Sekunden

Sprechpause, Lange in Sekunden

Senken qer Stinune am Ende eines Wortes oder einer AuBerung

Heben der Stimme, Angabe jeweils hinter dem entsprechenden Wort

gedehnt gesprochen

autfallige Betonung

3. Weitere Charakterisierungen

(schreiben) u.ii.

us

Susanne Hohoff Schleswigstr. 18 59065 Hamm

Charakterisierung der Handlungen der entsprechenden Person

verstrichene Zeit seit Beginn der Szene in Minuten.Sekunden

Email: [email protected]

Manuskripteingang: 17. November 2000 Typoskripteingang: 31. Januar 2002

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