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Kosmochemie Biogeochemie Luftchemie Geochemie Faszination Forschung Max-Planck-Institut für Chemie (Otto-Hahn-Institut) Mainz

Max-Planck-Institut für Chemie

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Page 1: Max-Planck-Institut für Chemie

Kosmochemie

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Geochemie

Faszination Forschung

Max-Planck-Institutfür Chemie(Otto-Hahn-Institut)

Mainz

Page 2: Max-Planck-Institut für Chemie

IMPRESSUM

Herausgeber: Redaktion: Produktion & Layout: Scans und Litho:Max-Planck-Institut für Chemie Mirjana Kotowski Donné Norbert Beyer Lasertype, Darmstadt(Otto-Hahn-Institut) Peter Merlet octopus media, Dreieich Druck:Joh.-J.-Becher-Weg 27 Oliver Dülk, Dreieich BNS Druckhaus, Heusenstamm55128 Mainz

Mit Beiträgen von: Wafa Abouchami · Donné Norbert Beyer · Reinhard Boehler · Carl Brenninkmeijer · Johannes Brückner · John Crowley · Paul J. Crutzen · Horst Fischer · Heinz Gimm · Johann J. Goldammer · Günter Helas · Frank Helleis · Albrecht W. Hofmann · Klaus Peter Jochum · Jürgen Kesselmeier · Franz Meixner · Geert Moortgat · Ulrich Ott · Dieter Perner · Thomas Peter · Rolf Sander ·Bärbel Sarbas · Andreas Zimmer · Jutta Zipfel

Titelbild: Renate Reifert, Wiesbaden

Bildnachweis:Photos Seite 5 (unten), 70 und 74 von Hans-Peter Löhr, MPI ChemiePhoto Seite 6 von Sabine Vielmo, WWF-DeutschlandAbbildung 37 von National Geophysical Data Center, Boulder, USAAbbildung 52 von Holger Everling, HamburgAbbildungen 61 und 63 von National Aeronautics and Space Administration (NASA)Abbildung 64 von der Europäischen Weltraumbehörde (ESA)Abbildung 65 von John Hopkins University, APL, USAAlle übrigen Abbildungen stammen aus dem Max-Planck-Institut für Chemie. Bildbearbeitung durch Iris Bambach und Gerhild Feyerherd.

©2000 Max-Planck-Institut für Chemie, MainzAlle Rechte vorbehalten. Diese Broschüre sowie einzelne Teile derselben sind urheberrechtlich geschützt.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

Kollegium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4

Biogeochemie 6

Spurenstoffaustausch Biosphäre – Atmosphäre . . . . . . . . .7

Pflanzenphysiologie und Spurengasflüsse . . . . . . . . . . . . . .9

Vegetationsbrände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13

Smogbildung über den Savannen Afrikas . . . . . . . . . . . . .16

Häusliche Kleinfeuer als Quellen atmosphärischer

Spurenstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18

Chemie der Atmosphäre 20

Die Bedeutung von Computermodellen für die

Atmosphärenchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21

Kinetische und photochemische

Laboruntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25

GOME – Ozonmessungen per Satellit . . . . . . . . . . . . . . . . .28

Optische Meßmethoden zum Nachweis

atmosphärischer Spurengase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30

Wissenschaft im Ferienflieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31

Die Rolle von Gebirgen bei der Ozonzerstörung . . . . . . . .33

Geochemie 36

Globales Recycling – Der Ursprung von

Hawaiis Vulkanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37

Botschaften aus dem Erdmantel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42

Black Box der Erdgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46

Basalte übers Internet: GEOROC – die neue

Geochemische Gesteinsdatenbank . . . . . . . . . . . . . . . . .49

Diamant – Ein Fenster zum Erdinnern . . . . . . . . . . . . . . . . . .51

Kosmochemie 54

Meteorite – Bausteine unseres Sonnensystems . . . . . . . . .55

Meteoritenmaterie – Schlüssel zum Verständnis

der Herkunft der chemischen Elemente . . . . . . . . . . . . . . .59

Erkundung von Planeten, Kometen und Asteroiden . . . .64

Zentrale Einrichtungen 68

Bibliothek – Elektronikgruppe – Werkstätten

Zahlen • Daten • Fakten 71

Page 3: Max-Planck-Institut für Chemie

Faszination Forschung 3

Aus der Erkenntnis, dass die stürmische Entwicklung

der Wissenschaft auch die Einrichtung neuartiger

Forschungseinrichtungen notwendig machte, ent-

stand zu Anfang des 20. Jahrhunderts die Kaiser-Wil-

helm-Gesellschaft. Sie gründete als eines ihrer ersten

beiden Forschungsinstitute neuer Art im Jahre 1912

das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin.

Um auch weiterhin die Entwicklung der Wissen-

schaft voranzutreiben, hat das Institut seine For-

schungsrichtungen im Verlauf seiner Geschichte

mehrfach drastisch verändert. So wurde die in den

Anfangsjahren betriebene klassische Chemie in den

30er Jahren von der Kernchemie (mit der schicksal-

haften Entdeckung der Kernspaltung durch Otto

Hahn, der seit dem Jahre 1928 Direktor des Instituts

war, Fritz Straßmann und Lise Meitner) sowie der

Kernphysik und Massenspektrometrie abgelöst. Das

Institut wurde während des zweiten Weltkrieges in

Berlin zerstört und musste nach Tailfingen ausgela-

gert werden. Im Jahre 1949 wurde es unter dem neu-

en Namen Max-Planck-Institut für Chemie auf dem

Institutsgelände der (wieder) gegründeten Mainzer

Universität wieder aufgebaut. Seit 1959 trägt es zu-

sätzlich den Namen Otto-Hahn-Institut.

Drei Mitgliedern des Instituts wurde der Nobel-

preis verliehen, Richard Willstätter (1915), Otto

Hahn (1944) und Paul J. Crutzen (1995).

Wie alle anderen Einrichtungen der Max-Planck-

Gesellschaft ist das Max-Planck-Institut für Chemie

der Grundlagenforschung gewidmet. Es setzt, gelei-

tet vom Kollegium seiner Direktoren, seine For-

schungsschwerpunkte eigenverantwortlich. Es be-

treibt keine eigenständige Lehre, ist aber insbesonde-

re durch seine Lage auf dem Universitätscampus

vielfach in das Leben der Universität eingebunden,

sowohl durch gemeinsame Forschungsprojekte als

auch durch Lehrtätigkeit an der Universität.

Heute sind die zentralen Forschungsthemen

dem Verständnis der Entstehung, Entwicklung und

Zukunft unseres Planeten und seiner Nachbarn ge-

widmet. Mit diesem Ziel wurden in den 70er Jahren

neue Forschungsschwerpunkte gesetzt: Kosmoche-

mie, Chemie der Atmosphäre und Geochemie der

festen Erde, vertreten durch je zwei Abteilungen. In

der jüngsten Vergangenheit wurden erhebliche Spar-

maßnahmen notwendig, so dass die Zahl der Abtei-

lungen schrittweise von 6 auf 4 verringert werden

musste. Es sind dies die Abteilungen Luftchemie,

Biogeochemie, Kosmochemie und Geochemie.

Die Kosmochemie (Prof. Lugmair) erforscht, vor

allem mit Hilfe von Analysen von Meteoriten,

Mond- und Marsgesteinen, das Alter, Entstehung,

Frühentwicklung und chemische Zusammensetzung

unseres Planetensystems, aber auch seine Vorge-

schichte, nämlich die Synthese der chemischen Ele-

mente in Sternen.

Die Abteilungen Luftchemie und Biogeochemie

(Profs. Crutzen und Andreae) betreiben Forschung

auf dem gesamten Gebiet der Chemie der Atmo-

sphäre und Biota, wobei besonders die Wechselwir-

kungen zwischen der Atmosphärenchemie, dem Kli-

ma, der Biosphäre und der Gesellschaft interessieren.

Ziel dieser Forschung ist es, das grundlegende Wis-

sen zu erarbeiten, welches zum Verständnis der

gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung der

globalen Umwelt notwendig ist.

Die Geochemie (Prof. Hofmann) ist dem Ver-

ständnis des Erdinneren gewidmet. Wie und wann

haben sich Erdkruste und Erdkern aus dem Erdman-

tel gebildet, wie sind sie zusammengesetzt, wie bil-

den sich Vulkane und Gebirge, wie haben sich die

Ozeane und das Klima in den letzten Jahrtausenden

und Jahrmillionen entwickelt?

In diesem Heft versuchen wir, einige wenige un-

serer Forschungsthemen und -ergebnisse einer brei-

teren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Grund-

lagenforschung“ ist nicht nur Grundlage aller ange-

wandten Forschung; sie befriedigt auch eine angebo-

rene Neugier des Menschen, seine Umwelt zu

erfahren und zu verstehen. Ein Stück dieser Befriedi-

gung wollen wir vermitteln.

Prof. Dr. A. W. Hofmann

Geschäftsführender Direktor

Vorw

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Max-Planck-Institut für Chemie4

Das Kollegium

Prof. Dr. Meinrat O. Andreae

Lebenslauf: Geboren am 19. Mai 1949 in Augsburg. Studium der Mineralogie in Karlsruhe und

Göttingen, Promotion in Ozeanographie Scripps Inst. of Oceanography (1978), Assistant Profes-

sor of Oceanography (1978-1982), Associate Professor (1982-1986), Professor of Oceanography

(1986-1987) Florida State Univ., Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Insti-

tut für Chemie (seit 1987).

Wissenschaftliche Preise und Mitgliedschaften (Auswahl): Gerbier-MUMM-Preis (1988),

Fairchild Award California Inst. of Technology (1993), Mitglied der American Chemical Society,

Mitglied der American Geophysical Union, Mitglied der European Geophysical Society.

Forschungsschwerpunkte: Untersuchungen zur Wechselwirkung Biosphäre/Atmosphäre, Spurengas-

Produktion/Emission in Ozeanen, Emissionen aus der Biomasseverbrennung, Studium atmosphärischer

Spurenstoffe und ihrer globalen Kreisläufe, Klimaeinfluss von Aerosolteilchen, chemische Vorgänge in der

tropischen Atmosphäre.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Paul J. Crutzen

Lebenslauf: Geboren am 3. Dezember 1933 in Amsterdam. Tiefbauingenieurexamen Amster-

dam (1955), Dr. phil. Meteorologie (1968) und Dr. habil. Univ. Stockholm (1973), Aeronomy

Laboratory und National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Boulder/Colorado (1974-

1977), Direktor am NCAR (1977-1980), Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-

Planck-Institut für Chemie (seit 1980).

Wissenschaftliche Preise und Mitgliedschaften (Auswahl): Tyler Prize for the Environment

(1989), Volvo Environment Prize (1991), Deutscher Umweltpreis (1994), Nobelpreis für Chemie

(1995), Mitglied des „Global Change“ Komitees von DFG/BMBF (1996-1999), Ausländisches Mit-

glied der National Academy of Sciences of the USA, Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der

Wissenschaften, Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.

Forschungsschwerpunkte: Modellierung der Chemie der Atmosphäre mit folgenden Schwerpunkten:

Untersuchung der Halogenchemie und heterogener Prozesse auf Aerosol- und Wolkenteilchen in der mari-

nen Grenzschicht, Berechnung von Photolyseraten unter Berücksichtigung von Wolken, Analysen von

HALOE-Satellitendaten (stratosphärische Spurengase), Abbaumechanismen von „Nichtmethan“-Kohlen-

wasserstoffen und Verteilung von Ozon, Kohlenmonoxid und des Hydroxylradikals, Entwicklung von

globalen stratosphärischen und troposphärischen Chemie-Meteorologie-Klima-Modellen und Vergleich der

Ergebnisse mit Messungen wichtiger Spurengase.

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Faszination Forschung 5

Prof. Dr. Albrecht W. Hofmann

Lebenslauf: Geboren am 11. März 1939 in Zeitz. Studium der Geologie und

Mineralogie Duke Univ. Durham/USA, Freiburg i.Br., Brown Univ. Provi-

dence/USA, Promotion in Geochemie Brown Univ. (1968), Wiss. Assistent

Univ. Heidelberg (1968-1970), Postdoctoral Fellow und Scientific Staff Mem-

ber Carnegie Inst. of Washington (1970-1980), Direktor und Wissenschaftli-

ches Mitglied am Max-Planck-Institut für Chemie (seit 1980), Honorarprofes-

sor Univ. Mainz (seit 1987), Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-

Instituts für Chemie (1989-1991 und 1998-2000).

Wissenschaftliche Preise/Ehrungen/Mitgliedschaften (Auswahl): V.M. Goldschmidt-Medaille der Geo-

chemical Society (1996), Humboldt-Preis des Ministère de l'Enseignement Supérieur et de la Recherche und

der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (1996), Fellow of the American Geophysical Union (1994), Chevalier

de l'Ordre des Palmes Académiques (1994), Sherman-Fairchild Scholarship at California Inst. of Technology

(1995), Gründungsmitglied (seit 1981) der European Union of Geosciences EUG, Präsident der European

Association of Geochemistry EAG (1999-2000), Ausländisches Mitglied der National Academy of Sciences of

the USA (1999).

Forschungsschwerpunkte: Isotopen- und Spurenelementgeochemie, Entwicklung und Differentiation der

Erdkruste und des Erdmantels, Geochronologie, Ursprung des ozeanischen Vulkanismus, geochemische

Studien verbunden mit geologischen Feldarbeiten.

Prof. Dr. Günter W. Lugmair

Lebenslauf: Geboren am 5. Februar 1940 in Wels/Österreich. Promotion Wien

(1968). Wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPI für Chemie (1965-1968),

Postdoc Univ. of California/San Diego (1968-1971), Assistant Research Che-

mist UCSD und Scripps Inst. of Oceanography (1971-1977), Associate Rese-

arch Chemist UCSD und Scripps Inst. of Oceanography (1977-1984), Research

Professor Chemistry UCSD und Scripps Inst. of Oceanography (seit 1984),

Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Chemie

(seit 1996).

Wissenschaftliche Preise und Mitgliedschaften (Auswahl): NASA Group Achievement Award-Planetary

Materials Curation Team (1983), George P. Merrill Award of the National Academy of Sciences of the USA

(1987), Fellow of the Meteoritical Society (1980), Geochemistry Fellow of the Geochemical Society and the

European Association of Geochemistry (1997), Mitgliedschaft in mehreren amerikanischen Gesellschaften

und in der American Association for the Advancement of Sciences.

Forschungsschwerpunkte: Kosmochemie, Ursprung und Entwicklung des Sonnensystems, Nukleosynthe-

se, Isotopenchronologie, Planetologie.

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Stickstoffhaltige atmosphärische Spurengase sindsowohl an der Regulierung des Säuregehalts derAtmosphäre wie auch an der photochemischenOzonbildung in der unteren Atmosphäre („Ozon-Smog“) beteiligt. Biologische Vorgänge spielen ei-ne wesentliche Rolle bei der Produktion und demAustausch mit der Atmosphäre. So werden Am-moniak wie auch Stickoxide in Abhängigkeit vonder Stickstoffversorgung verschiedener Ökotypenmit der Atmosphäre ausgetauscht.

Viele gas- und partikelförmige Spurenstoffe wer-den durch Pflanzen und Tiere oder als Folge mikro-biologischer Vorgänge, z.B. in Böden und Ozeanen,in die bodennahe Luftschicht entlassen und aus ihraufgenommen. Daneben werden Spurenstoffe, wel-che aus industriellen Emissionen oder deren atmo-sphärischen Reaktionsprodukten stammen, in dieÖkosysteme der Erde eingetragen, wo sie die natürli-che Umgebung beeinflussen und verändern. Für dieUntersuchung des Spurenstoffaustausches zwischenBiosphäre und Atmosphäre stehen uns eine Reiheunterschiedlicher Untersuchungsmethoden zur Ver-fügung, die im Feldeinsatz und in geeigneten Labor-versuchen eingesetzt und durch modellhafte Berech-nungen unterstützt werden.

Eine Gruppe der Spurenstoffe beinhaltet stick-stoffhaltige Verbindungen. Da alle lebenden Orga-nismen ihren Stickstoffbedarf für verschiedene Ver-bindungen decken müssen, wird der für das Lebenessentielle Stickstoff ständig zwischen Böden, denPflanzen und der Tierwelt ausgetauscht. Im Bodenselbst stellt sich ein Stickstoffkreislauf ein, bei demniedrige Organismen (Bakterien und Pilze) organischgebundenen Stickstoff in anorganische Formen um-wandeln. Diese werden von den Pflanzen über dieWurzeln aufgenommen und in organische Bausteinewie Proteine (Aminosäuren) und Erbmaterial (Nu-kleinsäuren) eingebaut. Pflanzen wiederum dienenden Tieren als Nahrung. Durch tierische Exkremen-te, verwesende Tiere oder verrottendes Pflanzenma-terial wird der Stickstoff wieder dem Bodensystemzugeführt, womit der Kreislauf in einem natürlichenÖkosystem wieder geschlossen ist. Es gibt aber Stö-rungen für ein solches natürliches System. Insbeson-dere in den industrialisierten Gegenden übersteigtder Stickstoffeintrag aus der Luft den Stickstoffbedarfvon natürlichen und naturnahen Ökosystemen. Die

Systeme reagieren darauf in äußerst vielfältiger Art,z.B. mit einer Verringerung der Artenvielfalt odermit einer Veränderung der Bodenchemie und Mikro-biologie. Der erhöhte Stickstoffeintrag aus der Luftkann in den mittleren Breiten der nördlichen Hemi-sphäre im Wesentlichen auf zwei, durch den Men-schen verursachte Vorgänge zurückgeführt werden,nämlich

• auf die ungebrochen steigenden Emissionenvon Stickoxiden (NO + NO2) aus industriellen Quel-len und dem Straßenverkehr und

• auf die Freisetzung von Ammoniak (NH3) undStickstoffmonoxid (NO) aus gedüngten, landwirt-schaftlich genutzten Böden und Pflanzen.

NO und NO2 aus beiden Quellen werden in derAtmosphäre zu gasförmiger Salpetersäure (HNO3)und Nitrat (NO-

3) umgewandelt, welche dann genau-so wie NH3 durch trockene Ablagerung bzw. Auswa-schen durch Regen, Schnee und Tau in die Ökosyste-me eingetragen werden.

Spurengaserzeugende und -verbrauchendeProzesse im Wettbewerb

Durch Pflanzen und Böden werden Stickoxide undAmmoniak nicht nur aufgenommen, sondern durchpflanzenphysiologische und bodenbiologische Vor-gänge auch erzeugt und abgegeben. Produzierendeund verbrauchende Prozesse stehen dabei stets imWettbewerb. Chemische und physikalische Gleich-gewichte kombiniert mit enzymatischen Vorgängenführen zu einem Austauschvorgang, der einem sogenannten Kompensationspunkt unterliegt. Kurz zu-sammengefasst: Ist die Spurengaskonzentration inder bodennahen Luftschicht größer als die „Kom-pensationspunkt-Konzentration“, so wird das jewei-lige Spurengas in das System eingetragen, im gegen-teiligen Fall in die Atmosphäre entlassen. Zusätzli-che Einflüsse können diese Vorgänge aber nochweiter komplizieren. In Abbildung 1 ist der tageszeit-liche Verlauf des NH3-Austausches und der NH3-Konzentration in der bodennahen Luftschicht übereinem niederbayerischen Weizenfeld dargestellt.Trotz einer nur geringen Änderung der atmosphäri-schen NH3-Konzentration wechselt der NH3-Aus-tausch über dem Weizenfeld hier sogar seine Aus-tauschrichtung. Wir sehen eine NH3-Aufnahme

SpurenstoffaustauschBiosphäre – Atmosphäre

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(negative Werte) in der Nacht und eine NH3-Abgabe(positive Werte) am Tag. Wir gehen deshalb davonaus, dass das am Kompensationspunkt orientierteAustauschverhalten durch tageszeitlich orientiertebiologische Entwicklungen überlagert wird.

NO-Anteil aus den Böden wächst

In Abbildung 2 ist der Austausch von Stickstoffmo-noxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) über ver-schiedenen Ökosystemen dargestellt. Alle untersuch-ten Ökosysteme nehmen generell das SpurengasNO2 auf, was zeigt, dass es wohl weder eine pflan-zenphysiologische noch eine mikrobiologische NO2-Produktion gibt. NO wird dagegen in die bodennaheLuftschicht entlassen. Die Abgabemengen können jenach Ökosystem sehr unterschiedlich sein und zei-gen für das untersuchte landwirtschaftliche Ökosys-tem Weizenfeld-Manndorf einen zusätzlichen Ein-fluss des Bodenzustandes (Bearbeitung und Dün-gung). Die höchsten NO-Abgaberaten wurden fürdas Marschland in Halvergate (England) nach Bewei-dung durch Rinder (Stickstoffeintrag durch Exkre-mente) und für das Weizenfeld in Manndorf(Niederbayern) nach der Ernte (Stickstoffeintragdurch Düngung) ermittelt.

NO-Emissionen tragen zur photochemischenOzonbildung in der unteren Atmosphäre bei(„Ozon-Smog“). Es sei deshalb abschließend daraufhingewiesen, dass zurzeit der Anteil der NO-Emissio-nen aus den Böden nur 5-20 % der gesamten europä-ischen Stickoxidemissionen (einschließlich Industrieund Verkehr) ausmacht. Für die nächsten 20-50 Jahre wird ein Rückgang der industriellen undverkehrsbedingten Stickoxidemission angestrebt(vermehrter Einsatz von Katalysatoren). Das wirddazu führen, dass sich dann der relative Anteil derNO-Emission aus Böden auf 30-40% erhöhen wird.Unsere zukünftigen Untersuchungen zielen nichtnur auf die großflächige Bestimmung der NO-Abga-beraten aus Böden, sondern besonders auf Untersu-chungen zu den Kontrollmechanismen der mikro-biologischen Vorgänge. Umfassendes Verstehen aufdiesem Gebiet wird eine der wesentlichen Vorausset-zungen für eine Verminderung der Freisetzung auchaus der Bodennutzung sein.

Abb. 1.Austausch von Ammoniak (NH3) zwischen einem Weizenfeld (Mann-dorf, Niederbayern) und der Atmosphäre im Vergleich mit der atmo-sphärischen NH3-Konzentration.

Abb. 2.Austausch von Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) zwischenverschiedenen Ökosystemen und der Atmosphäre.

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Pflanzenphysiologie und SpurengasflüsseDie Aufnahme des atmosphärischen Carbonylsulfids durch biologische Senken

Gasförmige Schwefelverbindungen spielen imKlimageschehen unseres Planeten eine wesentli-che Rolle. Sie steuern die Wolkenbildung undproduzieren kleinste atmosphärische Schwebe-teilchen (Aerosole) und beeinflussen damit durchLichtbrechung und Reflexion den Energiehaus-halt unserer Erde. Der Artikel beschreibt den Ein-fluss der Biosphäre auf die Regulation der atmo-sphärischen Konzentration dieser Verbindungenund nimmt besonders Bezug auf die Befunde zumAustausch von Carbonylsulfid (COS).

Die Funktion von Schwefelgasen im Klimageschehen

Gasförmige Schwefelverbindungen spielen im Kli-mageschehen unseres Planeten in der Troposphäre,wie auch in der Stratosphäre, eine wesentliche Rolle.Allgemein bekannt ist Schwefeldioxid (SO2) aus denBerichten über den sauren Regen und das Waldster-ben. Das SO2 hat aber neben dem Vulkanismus auchandere natürliche Quellen, deren global betrachteteEmission insgesamt so groß wie die anthropogeneFreisetzung ist. Im Falle der für die Atmosphärewichtigen, flüchtigen Schwefelverbindungen kannman zwischen zwei Gruppen unterscheiden. Zueiner Gruppe gehört Schwefeldioxid (SO2), der ande-ren Gruppe werden die reduzierten S-Verbindungenzugeordnet. Zur letzteren gehören entsprechend ih-rer atmosphärischen Verweilzeit zwei Klassen, (i) diereaktiveren Gase wie Schwefelwasserstoff (H2S), Me-thylmercaptan (CH3SH), Dimethylsulfid (CH3SCH3,DMS) und Schwefelkohlenstoff (CS2) und (ii) diesehr stabile Verbindung Carbonylsulfid oder Carbo-noxysulfid (COS oder OCS) mit einer atmosphäri-schen Verweilzeit von einem Jahr und mehr. BeideGruppen beeinflussen die Produktion von Aerosolenin der Atmosphäre und damit unser Klima (Abb.3).Alle reduzierten S-Verbindungen außer COS werdenschon in der Troposphäre zu SO2/SO4

2- oxidiert undhaben damit die gleiche Wirkung auf die Produktionvon Aerosolpartikeln (Wolkenkondensationskerne)und Wolken wie das aus Verbrennungsprozessenstammende Schwefeldioxid. Neben der Ansäuerungder Atmosphäre (saurer Regen) haben sie damit überdie Energiereflexion durch Aerosolpartikel und Wol-ken einen wesentlichen Einfluss auf das Energie-

budget unseres Planeten. Während SO2 und SO42-

durch nasse und trockene Deposition aus der Tropo-sphäre entfernt werden, wird das unter den flüchti-gen reduzierten S-Verbindungen am weitesten ver-breitete Carbonylsulfid aufgrund seiner Langlebig-keit bis in die Stratosphäre transportiert, wo es nachPhotodissoziation und Photooxidation als eine we-sentliche Quelle des Energie streuenden und reflek-tierenden stratosphärischen Sulfataerosols angese-hen wird. Vor diesem Hintergrund ist es verständ-lich, dass die Quantifizierung der Quellen und Sen-ken der natürlichen Schwefelverbindungen vonbeträchtlicher Bedeutung ist.

Die besondere Funktion des COS

Wegen der Langlebigkeit und der Bedeutung für diestratosphärische Aerosolschicht ist der Austauschvon COS intensiv untersucht worden. Von grundle-gender Bedeutung sind dabei die Befunde, die aufeine relative Konstanz der atmosphärischen Konzen-tration hinweisen, was letztendlich bedeutet, dassdie Gesamtheit der Quellen und Senken sehr ausge-wogen sein muss. Eine der wesentlichen Quellenstellen die Ozeane dar, COS wird hier durch photo-chemische Prozesse aus biogenen Vorläufern gebil-det. Als entscheidende Senke wird die terrestrischeVegetation angesehen. Trotz intensiver Forschungenist es aber offensichtlich bis heute nicht gelungen,alle für das Verständnis des globalen Budget notwen-digen Quellen und Senken zu identifizieren EineÜbersicht über die zurzeit diskutierte globale Quel-len/ Senken-Verteilung gibt die Tabelle. Es wird deut-lich, dass es noch erhebliche Lücken in unseremKenntnisstand des globalen Budgets geben muss.Falsch beschriebene oder nicht erkannte Quellenund Senken können die Budgetierung schnell um-werfen. Eine der wichtigsten Diskussionen betrifftzurzeit die Rolle der Böden. Sind sie als Quellen oderals Netto-Senken einzustufen? Auch neu erkanntebedeutende Quellen werden diskutiert. Diese kurzenAusführungen mögen zeigen, dass wir noch erheb-lichen Lücken im Verständnis der Austauschprozessedieses wichtigen Spurengases haben. Der Austauschvon COS zwischen Biosphäre und Atmosphäre istdeshalb einer unserer Forschungsschwerpunkte.

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Physiologie der COS-Aufnahme:Verdächtige Enzyme

Carbonylsulfid ist ein Analogon zum Kohlendioxid.Es ist deshalb eigentlich nicht verwunderlich, dassUntersuchungen der für die Fixierung von CO2 ver-antwortlichen pflanzlichen Enzyme Phosphoenolpy-ruvatcarboxylase (PEP-Co) und Ribulose-1,5-diphos-phat-carboxylase (RUBISCO) zeigten, dass diese bei-den bei der photosynthetischen Aufnahme vonCO2-involvierten Enzyme auch COS verbrauchen.Überraschender waren dann aber eine Reihe vonBefunden, die zeigten, dass ein weiteres an diesenReaktionen beteiligtes Enzym, die Carboanhydrase(CA), den Aufnahmeprozess so erheblich beschleu-nigte, dass der Schluss nahe lag, die CA als daseigentliche Schlüsselenzym für die biologische Auf-nahme von COS anzusehen. Dieser Befund war um-so wichtiger, als die CA in allen Organismen, dieCO2 austauschen, vorhanden ist. Dieses aus demCO2-Metabolismus wohl bekannte Enzym ist für dieBeschleunigung der Gleichgewichtseinstellung zwi-schen dem in Wasser gelösten CO2 und dem Hydro-gencarbonat verantwortlich:

CO2 + H2O I H2CO3 I H+ + HCO3-

Die CA ist damit letztendlich für die Verfügbarkeitund den Transport des Kohlendioxids verantwort-lich. Deshalb überrascht es nicht, dass dieses Enzymsowohl in unseren roten Blutkörperchen als auch inBakterien, Algen, Pilzen und höheren Pflanzen zufinden ist.

Erste Untersuchungen zum Metabolismus des inseiner Struktur dem CO2 sehr ähnlichen COS wur-den an Blutzellen von Ratten und an Cyanobakte-rien in der Literatur beschrieben. Die Ergebnissezeigten, dass COS direkt durch die Carboanhydraseumgesetzt wird. Demnach wird COS in Gegenwartvon Wasser zu H2S und CO2 hydrolysiert:

COS + H2O I H2S + CO2

Globale Quellen und Senken für Carbonylsulfid;nach Chin und Davis (a) bzw. nach Andreae und Crutzen (b). Alle Angaben in [Tg COS/Jahr]

QUELLEN a) b) SENKEN a) b)

Ozeane 0,32 0,15 Böden --- 0,3Böden und Marsche 0,27 --- Reaktionen mit OH 0,13 0,13CS2 - Konversion 0,34 0,34 Aufnahme durch Vegetation 0,43 0,43Biomassenverbrennung 0,14 0,14 Reaktionen mit O 0,015 +Kohleverbrennung 0,036 + Photolyse 0,029 +Schwefelrückgewinnung 0,002 + Gesamtmenge 0,60 0,9Straßenverkehr 0,009 + Vulkane 0,02 +Gesamtmenge 1,14 0,73

a) Chin M., Davis D.D. (1993), Global sources and sinks of OCS and CS2 and their distributions. Global Biogeochemical Cycles 7, 321-337.

b) Andreae M.O., Crutzen, P.J. (1997), Atmospheric aerosols: Biogeochemical sources and role in atmospheric chemistry. Science 176, 1052-1058.

\ 0,1

\ 0,045

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Unsere weiteren Untersuchungen erlaubten dieErweiterung der Carboanhydrase-These auf Grünal-gen, höhere Pflanzen und Flechten (Abb. 4). Auf-grund der parallelen Aufnahme von CO2 und COSund der Verknüpfung beider Aufnahmeprozesse mitder CA-Aktivität kann die häufig beobachtete engeKorrelation zwischen Photosynthese und COS-Auf-nahme leicht verstanden werden. Der Gesamtzu-sammenhang ist in Abbildung 5 dargestellt.

Enzymatisch gesteuerter Verbrauchvon COS durch Böden

Wie oben schon diskutiert, sind Böden in der Ver-gangenheit immer als Quellen für COS diskutiertworden. Die dabei berücksichtigten Untersuchungenhatten aber praktisch alle einen gemeinsamen syste-matischen Fehler. Die Austauschmessungen wurdenaus technischen Gründen unter Verwendung vonCOS-freier Luft durchgeführt, was zwangsläufig zueiner Freisetzung des Gases führte. COS wird offen-sichtlich von einigen Böden produziert. Zu einerEmission führt das aber wohl nicht, weil die poten-tielle Freisetzung durch einen stärkeren Verbrauchmaskiert wird.

Neben Feldexperimenten haben wir deshalb Bo-denproben eines Ackers auf ihre Kapazität zur Aufnah-me von COS aus der Atmosphäre untersucht. DieseMessungen unter Verwendung von Luft mit natür-licher Konzentration an COS haben klar gezeigt, dassBöden wohl bevorzugt COS aufnehmen und daher alseine starke Senke angesehen werden müssen. Der da-bei beobachtete Kompensationspunkt, der angibt, beiwelcher Außenkonzentration sich die Abgabe (Produk-tion) und die Aufnahme (Verbrauch) die Waage hal-ten, liegt bei ca. 50 ppt. Dieser niedrige Wert zeigt, dassder untersuchte Bodentyp niemals COS abgeben wird.Die Aufnahme von COS erfolgt in Abhängigkeit vonder physiologischen Aktivität der Bodenorganismen,was sich durch ein klares Temperaturoptimum, wieauch durch die erfolgreiche Hemmung der COS-Hydrolyse bei Einsatz des oben beschriebenen EnzymsCarboanhydrase zeigt (Abb. 6).

Abb. 3.Austausch von reduzierten flüchtigen Schwefelverbindungen mit bio-logischen Quellen und Senken im Ozean und am Boden.

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Abb. 4.Die Hemmung der Carboanhydrase-Ak-tivität mit dem spezifischen Hemmstoff EZ(6-ethoxy-2-benzothiazol-2-sulfonamid)führt zur drastischen Verminderung derCOS-Hydrolyse bei der Phytoplankton-Spezies Mantoniella squamata. Aktivitätnach Zugabe des Hemmstoffes (108 µMEZ, Kreise) im Vergleich zur Kontrolle ohneHemmstoff (Quadrate).

Abb. 5.Metabolismus der COS-Aufnahme in hö-heren Pflanzen, Frischwasser-Grünalgen,marinem Phytoplankton und Flechten.Das Enzym Carboanhydrase ist dasSchlüsselenzym für die Hydrolyse und da-mit den Verbrauch des COS-Moleküls.Das dabei entstehende CO2 kann danndurch die carboxylierenden Enzyme inden Kohlenstoffkreislauf der photosyn-thetisierenden Organismen einge-schleust werden. H2S wird entweder frei-gesetzt oder im Schwefelhaushalt, z.B.zur Proteinsynthese, eingesetzt.

Abb. 6.Hemmung der Aufnahme von COSdurch einen Ackerboden unter Einwir-kung des für die Carboanhydrase spezifi-schen Hemmstoffes EZ (6-ethoxy-2-ben-zothiazol-2-sulfonamid).

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VegetationsbrändeUrsachen und Auswirkungen auf Ökosysteme, Atmosphäre und Klima

Neben den Emissionen aus tech-nogener Verbrennung fossilerEnergieträger spielen auch dieEmissionen aus Vegetations-bränden und anderer pflanz-licher Biomasse, beispielsweisedie Verbrennung landwirt-schaftlicher Abfälle oder dieBrennholznutzung, eine bedeu-tende Rolle in biogeochemi-schen Kreisläufen und für dieZusammensetzung der Atmo-sphäre. Damit haben sie einenAnteil an der Beeinflussung desglobalen Klimas. Das Feuer istaber auch ein wichtiger, unver-zichtbarer Faktor für die Stabi-lität von Ökosystemen. DasMax-Planck-Institut für Chemieleitet eine Reihe internationalerVorhaben zur Erforschung derregionalen und globalen Aus-wirkungen von Vegetations-bränden.

Während der durch das Kli-maphänomen El Niño in den Jah-ren 1997-98 ausgelösten extremenTrockenheit in Südostasien undanderen Teilen der Welt kam es zusehr großräumigen Rauchbelas-tungen. Medien und Politik befas-sten sich aus zwei Gründen mitdiesem Phänomen. Zum einentrat eine sehr starke, akute Gefähr-dung der Gesundheit der lokalenBevölkerung auf. Zum anderenwurde in der Waldverbrennung ei-ne starke Bedrohung des Bestan-des an Tropenwäldern und an Bio-diversität gesehen.

Tatsächlich kommt bei derUmwandlung des Tropenwaldesin andere Nutzungssysteme imwesentlichen Feuer zum Einsatz,sowohl bei der traditionellen, aberstark zunehmenden kleinbäuer-lichen Brandrodung im Rahmen

des Wanderfeldbaues, als auch beider großflächigen Umwandlungvon Wald in Weideflächen undPlantagen. Zusätzlich zu denBrandrodungsfeuern sind eineVielzahl von weiteren Vegeta-tionstypen regelmäßig und groß-flächig dem Feuer ausgesetzt. Diessind besonders die Baum-, Busch-und Grassavannen der Tropenund Subtropen, die weltweit aufeiner Fläche von ca. 2,6 MilliardenHektar (= 26 Millionen km2)vorkommen und die zu einemgroßen Teil in Intervallen von 1-3Jahren brennen. Weiterhin findetbesonders in den Tropen das Feuerweit verbreitete Anwendung inder Landwirtschaft, insbesondereim Reisanbau (Verbrennung vonReisstroh), und in der Weidewirt-schaft.

Die vom Feuer jährlich betrof-fenen Waldflächen in den nörd-lichen Industrieländern sind ver-gleichsweise kleiner. Im Mittel-meerraum brennt es jährlich aufdurchschnittlich 600.000 Hektar,in Nordamerika (USA und Kana-da) auf ca. 4-7 Millionen Hektar.

Im größten zusammenhängendenWaldgebiet der Erde, dem borea-len Nadelwald Eurasiens, ein-schließlich der subarktischen Tun-dra, im Wesentlichen in der Russi-schen Föderation gelegen, betra-gen die jährlichen Brandflächenetwa 10 Millionen Hektar. ZumVergleich: Die gesamte Waldflächeder Bundesrepublik Deutschlandumfasst 10 Millionen Hektar.

Internationale Messkampagnen

Um zu erforschen, welche Rollegroßflächige Waldverbrennungenin biogeochemischen Kreisläufen,der Zusammensetzung der Atmo-sphäre und damit in klimawirksa-men Prozessen spielen, hat dasMax-Planck-Institut für ChemieEnde der 80er Jahre eine Arbeits-gruppe „Feuerökologie“ in Frei-burg eingerichtet. Seitdem wurdeeine Reihe internationaler Kam-pagnen zur Erforschung der Aus-wirkungen von Vegetationsbrän-den auf die Umwelt durchgeführt(Abb. 7).

Abb. 7.Großfeuer auf derWaldinsel Bor in derRegion Krasnoyarsk(Sibirien). Bei derUntersuchung deskontrolliert geleg-ten Großwaldbran-des nahmen Wis-senschaftler ausacht Nationen teilund untersuchtenneben den Emissio-nen von Spurenga-sen und Aerosolenauch die Auswir-kungen des Feuersauf das Ökosystemdes borealen Wal-des. Die Analysenvon Emissionen ausdiesem Waldbrandzeigen, dass ver-gleichsweise mitden Savannenfeu-ern ein hoher Anteilvon chemisch undphotochemisch re-aktiven Kohlen-stoffverbindungenfreigesetzt wird.

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Während der Messkampagnenwurden sowohl die Auswirkungender Feuer auf die Ökosysteme alsauch die Emissionen aus diesenVerbrennungsvorgängen er-forscht. Die Bestimmung der Ver-brennungsprodukte erfolgt dabeisowohl in Bodennähe (Abb. 8), alsauch mit Hilfe von Messflugzeu-gen in verschiedenen Höhen überdem Boden und in größerer Trans-portentfernung von den Bränden.Damit konnten nicht nur dieMenge und die chemische Zu-sammensetzung der emittiertengasförmigen Produkte (vor allemKohlendioxid (CO2), Kohlenmo-noxid (CO), Ozon (O3) und Stick-oxide (NOx) und der festen Ver-bindungen (Rauchpartikel) er-mittelt werden, sondern auch de-ren Transport und chemischenReaktionen innerhalb der Atmo-sphäre.

Zu den wichtigsten Ergebnis-sen dieser Messkampagnen zählen:

• Emissionen aus Wald- undSavannenbränden werden übergroße Entfernungen und sogar zir-kumglobal transportiert.

• Vegetationsbrände erzeugenin der Troposphäre eine erhebli-che Erhöhung der Ozon-Konzen-tration und führen regional zeit-weise zur Erhöhung des Treib-hauseffektes.

• Zusammen mit biogenen,marinen und technogenen Aero-solen reflektieren die aus Vegeta-tionsbränden emittierten Partikeldie Einstrahlung von Sonnenener-gie auf die Erdoberfläche und füh-ren damit zu einem Abkühlungs-effekt der globalen Atmosphäre.

Abb. 8.Die Messung vonEmissionen beieinem Feuerex-periment im Rah-men der „SouthernAfrica Fire-Atmos-phere ResearchInitiative“ (SAFARI).

Abb. 9.Schematische Darstellung von Emission,Umformung und Verbleib einiger Spuren-gase und Aerosole aus Vegetations-bränden.

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• Durch halogenierte Ver-bindungen (Methylbromid undMethylchlorid), die in hohe Luft-schichten aufsteigen, wird dasstratosphärische Ozon zerstört.Dadurch erhöht sich die Einstrah-lung der gesundheitsgefährden-den UV-B-Strahlung.

• Verbrennung pflanzlicherBiomasse erzeugt „saure“ Nieder-schläge.

Die Auswirkungen von Vege-tationsbränden auf biogeochemi-sche Kreisläufe sind komplex undin Hinblick auf Klimawirksamkeiteben nicht unbedingt eindeutig(Abb. 9).

Die historische, soziale undkulturelle Dimension von Feuer

Um die gegenwärtige und künfti-ge Rolle von Vegetationsbrändenin biogeochemischen Kreisläufenund in Hinblick auf Veränderun-gen der globalen Atmosphäre bes-ser verstehen zu können, bedarf esgenauer Kenntnis der historischenund prähistorischen Situation.Traditionelle Anwendung vonFeuer spielt unverändert einewichtige Rolle in der Landnut-zung. Weitgehend unklar ist, obsich der Umfang des Brennensund auch der natürlich entstande-nen Feuer (Blitzschlagfeuer) geän-dert hat. Während der Umfangder Verbrennung von tropischemRegenwald zugenommen hat,haben intensive land- und weide-wirtschaftliche Nutzung sowohlin den Industrieländern als auchin den tropischen und subtropi-schen Trockenwäldern und Savan-nen eine Verminderung derBrandflächen zur Folge. Um derar-tige Veränderungen von natür-

lichen und anthropogenen Feuer-Regimen zu erfassen, widmet sicheine Reihe von Forschungsvorha-ben der Arbeitsgruppe Feuerökolo-gie daher auch dem geschicht-lichen, kulturellen und sozialenUmfeld des Brennens in verschie-denen Regionen der Welt. DasMax-Planck-Institut für Chemiearbeitet auf diesem Feld daherauch sehr eng mit der DeutschenGesellschaft für Technische Zu-sammenarbeit (GTZ) zusammen.

Globale Erfassung von Vegetationsbränden

Ein langfristig angestrebtes Ziel istdie Ermittlung des weltweiten flä-chenmäßigen Umfanges der Brän-de, der dabei verbrannten Vegeta-tion und der daraus resultieren-den Emissionen. Denn währenddie oben genannten Zahlen überWald- und Buschbrände aus Euro-pa und Nordamerika noch alsrelativ zuverlässig gelten können,sind die Flächenermittlungen inden übrigen Regionen der Weltbislang eher Schätzungen bzw.Hochrechnungen, die einer ge-nauen Überprüfung bedürfen.

Zuverlässige Informationenüber die weltweite räumliche undzeitliche Verteilung von Vegeta-tionsbränden sind nicht nur fürdie Wissenschaft von Interesse,sondern auch für Anwendungund Politik. Die Feuer- undRauchkrise in Südostasien 1997bis 1998 hat gezeigt, dass nationa-le und internationale politischeEntscheidungen oder Maßnah-men der Katastrophenhilfe nichtzielgerichtet und wirksam waren.Der Grund hierfür lag im Mangelan einem weltweiten Informa-

tions- und Datensystem, das fürAnwender zugänglich ist.

Mit Mitteln des AuswärtigenAmtes der Bundesregierungwurde an der ArbeitsgruppeFeuerökologie daher im Jahr 1998das Global Fire MonitoringCenter am Flughafen Freiburgeingerichtet. Dieses Zentrumunterstützt Wissenschaft, Anwen-dung und Politik durch ein Infor-mationssystem und eine globaleDatenbank. Hier werden täglichdie weltweit vorkommendenVegetationsbrände mit Hilfe vonSatelliten-Sensoren registriert,interpretiert und anschließendarchiviert. Dieses Monitoring-System, das systematisch einweltweites Archiv an Feuerdatenaufbaut, ist frei über das Internetverfügbar (www.uni-freiburg.de/fireglobe). Das System ist weltweiteinmalig und von verschiedeneninternationalen Organisationeneinschließlich der Vereinten Na-tionen offiziell anerkannt. Mitdieser Einrichtung hat das Max-Planck-Institut für Chemie einewichtige Lücke für den Wissens-und Technologietransfer ge-schlossen.

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Bis zum Ende der 70er Jahre wurde angenommen,dass die Luft über der südlichen Hemisphäre un-serer Erde sehr sauber sein müsste, weil bis dahinLuftverschmutzung nur als Folge industriellerAktivitäten verstanden wurde. Dies änderte sicherst, nachdem man auf die Ausmaße und Folgender Vegetationsbrände in Afrika, Südamerika undAustralien aufmerksam wurde. Diese saisonalenBrände emittieren im Grunde dieselben Mischun-gen an Spurenstoffen, wie wir sie von Großstäd-ten kennen. Entsprechend gibt es gleichartigePhotosmogbildung, wie sie in der Nordhemi-sphäre seit längerem bekannt ist.

Diese Erkenntnis führte zu einer Reihe von großangelegten Messkampagnen, bei denen nicht nurdie Einflüsse der Brände auf die Atmosphäre unter-sucht wurden, sondern auch ökologische Fragestel-lungen angegangen wurden, wie die Auswirkungenauf Bodenfruchtbarkeit, nachhaltige Bewirtschaf-tung und Spurenstoffkreislauf durch die Biosphäre.Für die Atmosphärenwissenschaften brachte vorallem die Messkampagne SAFARI-92 neue Erkennt-nisse über die Luftmassenzirkulation über dem süd-

lichen Afrika. Diese kann wie ein gigantischer hori-zontaler Wirbel beschrieben werden, der von obendurch absinkende Luft aus dem Äquatorbereich undvon unten durch aufsteigende Luft vom erwärmtenHochplateau des südlichen afrikanischen Subkonti-nents gespeist wird. Der Wirbel scheint dynamischsehr stabil zu sein und sich bis zu mehrere Wochenlang zu halten. Er dreht sich im Gegenuhrzeigersinnund entlässt Luftmassen (aus der 4-5 Uhr-Position)in Richtung südliches Australien und (aus der 9 Uhr-Position) in Richtung Atlantik und Südamerika.

Wir interessieren uns für die Spurenstoffe inner-halb des Luftmassenwirbels, wie reichern sie sich an,welche Wetterwirksamkeit haben sie und wie undwodurch wird der Wirbel wieder aufgebrochen. Inden vergangenen Jahren haben wir besondersatmosphärische Konzentrationen von Ozon (O3),Kohlenmonoxid (CO) und Aerosolen, kleinsten Par-tikeln mit 0,1 bis 3 Mikrometer (= Tausendstel Milli-meter) Durchmesser, im Wirbel untersucht. Dasssolcher Staub in Schichten in der Atmosphäre überdem südlichen Afrika existiert, zeigt Abbildung 10.Dort sieht man, wie die Staubbelastung aus der Flug-zeugperspektive sichtbar ist. Aerosolteilchen werden

Smogbildung über den Savannen AfrikasAtmosphärische Spurenstoffmessungen über dem südlichen Afrika

Abb. 10.Der graue Horizontzeigt die starkeStaubbelastungder Atmosphäreüber dem süd-lichen Afrika. DieSonde für dieStaubmessunghängt im Außen-tank des Messflug-zeuges. Hier ist esein Learjet 24 derWater Commissionvon Südafrika.

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aus Rückstreumessungen in einem kleinen Hohl-raum bestimmt. Das Messgerät dafür hängt in einemder Außentanks eines Flugzeugs, wie in Abbildung10 zu sehen ist.

Aus den Teilchenzahldichten in Abhängigkeitvon der Höhe wird die atmosphärische Trübung ab-geleitet. Diese Trübung ist wegen der kurzen Aufent-haltsdauer des Luftstaubes in der Atmosphäre sehrvariabel, sowohl räumlich als zeitlich. Als optischeDicke (Optical Depth, OD) bezeichnet man die Ge-samttrübung in der vertikalen Luftsäule bei einergegebenen Wellenlänge, und ihr Wert wird aus demLogarithmus des Lichtschwächungsverhältnissesbestimmt. Die optische Dicke wird stark durch dieStaubbelastung der Atmosphäre beeinflusst, und siewird entweder direkt aus der Schwächung des Son-nen- oder Sternenlichts gemessen oder mit plausi-blen Annahmen aus den Teilchenzahldichten er-rechnet. Solche OD-Werte zeigen wir in Abbildung11 für verschiedene Gebiete des südlichen Afrika fürLicht bei einer Wellenlänge von 550 Nanometern.Zum Vergleich sind sowohl ältere astronomischeDaten für vergleichbare Jahreszeiten als auch neuereeigene Messungen gegen Sonnenlicht (Kapstadt) inder Abbildung dargestellt . Unsere Ergebnisse fürFlüge über dem östlichen Hochplateau des südlichenTeil von Afrika, dem Highveld, bestätigen die starkeBelastung durch Staub. In der Abbildung werden fürden Vergleich Werte für die gesamte Luftsäule heran-gezogen. Durch Vertikalsondierung (grüner Balkenfür eigene Messungen über dem südlichen Afrika)mit dem Flugzeug können wir die Lage der verschie-denen Schichten und ihre Belastung erfassen. DieLuftstaubmessungen werden weitergeführt, um dieVariationen im Gang der Jahreszeiten zu bestimmen.

Abb. 11.Optische Dickeals Maß für die

Staubbelastungfür verschiedeneGebiete des süd-

lichen Afrika.

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Häusliche Kleinfeuer als Quellenatmosphärischer SpurenstoffeEmissionen aus traditionellen Kochpraktiken im ländlichen Afrika

Abb. 12.In der Abbildung isteine Interviewerinbei der Datener-hebung zu sehen;gleichzeitig be-kommt man einenguten Eindruckvom klassischenDreisteineherd, aufdem traditioneller-weise gekochtwird. Die Informa-tionen müssen vonlokalen Kräften ge-sammelt werden,da Sprachbarrierensonst unüberwind-lich sind und auchAusländern nichtgenügend Vertrau-en entgegenge-bracht wird.

Abb. 13.Über der Kochstellewird ein künstlicher,schwach ziehen-der Kamin aufge-baut. Die Abluftdes Kochfeuerswird über Leitun-gen zu den Mess-geräten geführt,die auf einem klei-nen Lieferwagenaufgebaut sind. Wirversuchen, denKochablaufmöglichst wenigzu stören.

Durch die Medien sind großflächige Savannen-und Waldbrände heute allgemein geläufig. Vondiesen spektakulären Savannenfeuer ist bekannt,dass sie zur globalen Luftverschmutzung nen-nenswert beitragen. Fast vergessen wurden dabeidie kleinen „Brände“, die zum täglichen Lebennotwendig sind. Gemeint sind die kleinen Koch-feuer bei den einzelnen Familien, zum Beispiel imländlichen Afrika. Die Art und Menge der Abgasedieser Feuer zu bestimmen und mit denen dergroßen Flächenbrände, die im jährlichen oder immehrjährlichen Rhythmus auftreten, zu verglei-chen, war Zweck mehrerer Messkampagnen.

Um die Emissionen aus den „kleinen Feuern“ zuquantifizieren, müssen zum einen die eingesetzteBiomasse und zum anderen die Zusammensetzungder vom Feuer abgegebenen Gase bekannt sein. Fürbeide Anteile gab es bis jetzt keine Messdaten.

Zur Informationsbeschaffung haben wir folgen-de Wege eingeschlagen: Wir haben Fragebögen ent-wickelt, mit deren Hilfe der Brennstoffverbrauch beiden einzelnen Familien ermittelt werden sollte (Abb.12). Brennstoff kann dabei Holz sein, Ernterückstän-de, oder unter dem Diktat der Armut, Dung. Nur ingeringem Maße kommt bisweilen Gas oder Kerosinhinzu. Der Brennstoff kann gekauft oder gesammeltsein und aus Festholz oder aus dürren Zweigen be-stehen. Ernterückstände, wie Maisstängel oder Ver-schnitt von Kokosnüssen, werden meist nur in weni-gen Monaten des Jahres eingesetzt, dann, wenn sieanfallen. Weil unsere Voruntersuchungen zeigten,dass von den Familien selbst gesammeltes Brennholzbisweilen nicht in den offiziellen Statistiken er-scheint, haben wir diesem Aspekt besondere Auf-merksamkeit gewidmet. Wir haben den Verbrauchan Biomasse selber bestimmt: So in Simbabwe ent-weder jeweils über einen Zeitraum von einem Monatbei bis zu 1000 Familien oder bei zehn ausgewähltenFamilien verteilt über verschiedene Vegetationsge-biete ein Jahr lang, um jahreszeitliche Schwankun-gen zu erfassen.

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Wurden bislang in Afrika Kochfeuer untersucht,so ging es dabei um Energiegewinnung und mög-lichst effiziente Brennstoffverwertung, weniger umEmissionen. Diese Emissionen sind aber wichtig, dadiese entweder selber oder ihre Folgeprodukte klima-wirksam sind (Abb. 13). Der zeitliche Verlauf der Ab-gabe von ausgewählten Emissionsprodukten einesKochfeuers ist an einem Beispiel in Abbildung 14dargestellt. In allen Fällen ist waagrecht die Zeit an-gegeben. Kohlendioxid (CO2) und Kohlenmonoxid(CO) sind die wichtigsten Produkte und ihr Verhält-nis zueinander kann für die Charakterisierung desBrandprozesses verwendet werden. Die abgegebeneMenge an Stickstoffoxiden wird bei Kochfeuerndurch das Brennmaterial bestimmt. Durch Zu-sammenführung der Daten von Spurenstoffabgabeund Brennstoffverbrauch können die Gesamtemis-sionen bestimmt werden.

Die Gesamtemissionen aus dem täglichen Ko-chen sind in der Tabelle mit Spurenstoffabgaben ausanderen Bereichen für das Land Simbabwe ver-glichen. Für solche Vergleiche müssen Savannen-brände, Verkehr und Industrie, Bodenemissionenund eben das tägliche Kochen herangezogen wer-den. Es zeigt sich, dass die einzelnen Spurenstoffe in-dividuell für jede Quelle betrachtet werden müssen.Im landesweiten Vergleich kommt den häuslichenKochfeuern als CO2-Quelle eine vergleichbare Be-deutung zu wie Savannenbränden und der Industrie.Dass Kochfeuer die dominierende CO-Quelle sind,zeigt die vergleichsweise schlechtere Durchlüftungdieser Feuer auf. Für Stickoxidemissionen sind Bö-den die wichtigsten Quellen. Diese Zuordnung, wiesie hier gegeben ist, ist verständlicherweise nur fürSimbabwe gültig. Sie kann in anderen Ländern mitanderen Vegetationszonen und anderen Bodentypenstark abweichen. Insgesamt haben wir gelernt, dassEmissionen aus dem täglichen Kochen nicht ver-nachlässigt werden können. Betrachtet man den ge-samten afrikanischen Raum, dann erreichen sie überdas Jahr gerechnet etwa ein Drittel der Quellstärkeder großen Vegetationsbrände. Abb. 14.

Der zeitliche Emissionsverlauf der Mischungsverhältnisse von CO2,CO und NO in der Abluft eines typischen Kochfeuers wird ge-zeigt. Außerdem sind die Temperatur T an der Probenahmestelleund die Emissionsverhältnisse ∆CO/∆CO2 und ∆NO/∆CO2 darge-stellt. Hier wurde Pinienholz als Brennmaterial eingesetzt. Spuren-gaskonzentrationen sind rot angegeben; ppm bedeutet ein Teilauf eine Million Teile (hier Luft). Die gestrichelte Linie markiert denZeitpunkt, bei dem neues Brennholz aufgelegt wurde.

Emissionen aus Hausbrand und aus anderen Quellen in Simbabwe

Teragramm Kohlenstoff Gigagramm Stickstoffpro Jahr in pro Jahr in

Quelle CO2 CO CH4 NO

Hausbrand 3,8 0,33 0,04 6,8Savannenbrände 2,0 0,12 0,01 8,9Böden -*) - - 22Industrie 3,8 0,001 - -Verkehr 0,8 0,11 - -Zementproduktion 0,05 - - -

Tera = 1012 , Giga =109 . - *) Steht im natürlichen Gleichgewicht.

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Computermodelle spielen beider Erforschung der Atmosphäreeine wichtige Rolle. Allerdingsgibt es noch kein allumfassen-des Modell, das fähig wäre, diesehr verschiedenen Zeit- undRaummaßstäbe, die charakteris-tisch sind für die Chemie derAtmosphäre und die Verteilungihrer Spezies, zu beschreiben.Aus diesem Grunde wurde eineReihe von Modellen unter-schiedlicher Komplexität in derBehandlung von Transporteffek-ten oder der Chemie entwickelt.

Modellierung in der Ozonchemie

Für globale Untersuchungen, diesich z.B. mit der Ozonchemie inder Stratosphäre oder Klimafragenbeschäftigen, wurden dreidimen-sionale, zeitabhängige Modelle er-stellt, bei denen das Gewicht ent-weder auf der Chemie der Strato-sphäre oder der Troposphäre liegt.In solchen Modellen werden so-wohl die Dynamik als auch dieChemie der Atmosphäre berück-sichtigt, doch müssen wegen be-grenzter Computerressourcen ver-schiedene Vereinfachungen (Para-metrisierungen) eingeführt wer-den. Eine Reihe solcher Modelleist in der Abteilung Atmosphären-chemie entwickelt worden. Siewerden anhand von Messdatengetestet und erlauben, anthropo-gene Veränderungen des Ozons(positiv in der Troposphäre, nega-tiv in der Stratosphäre) und eineKlimabeeinflussung aufgrundstrahlungsaktiver Treibhausgasevorherzusagen. Daten aus denSatellitenexperimentenHALOE/UARS und GOME (sieheSeite 28) dienen der Bestätigung

und Verbesserung der Modelle.Weitere Möglichkeiten sind zonalgemittelte Modelle und Strah-lungskonvektionsmodelle.

Andererseits wurden (null-dimensionale) zeitabhängigeKastenmodelle entwickelt, dieausführlich die Chemie der Atmo-sphäre beschreiben. Dazu werdenHunderte bis Tausende von Reak-tionen in der Gasphase, inWolkentröpfchen und an oder inAerosolpartikeln berücksichtigt.Die meteorologischen Bedingun-gen und die (zeitabhängige)Position des Luftpakets sind dabeivorgegeben. Modelle dieser Art er-lauben z.B. die Behandlung derChemie der Halogene in der mari-nen Grenzschicht, der Oxidationvon Kohlenwasserstoffen in derGrenzschicht über dem tropi-schen Regenwald sowie derschnellen, katalytisch ablaufen-den Ozonzerstörung durch Chlor-atome und -radikale bei sehr tie-fen Temperaturen der unterenpolaren Stratosphäre im spätenWinter und Frühjahr, allgemeinbekannt als „Ozonloch“.

In unserem Institut wurdeMATCH-MPIC, ein globales drei-dimensionales (3D)-Modell für dieChemie der Troposphäre und denTransport chemischer Spezies ent-wickelt. Ein Vergleich der damitmodellierten Daten mit Messwer-ten ist in Abbildung 15 zu sehen.Obwohl das Modell im Großenund Ganzen die mittleren Konzen-trationen und die Verteilung vonOzon, wie sie in der Troposphärebeobachtet werden, wiedergibt,zeigt der Vergleich doch auch, dassa) der Zustrom von Ozon aus derStratosphäre durch das Modellwahrscheinlich überschätzt wirdund b) die photochemische Erzeu-gung am Boden wahrscheinlichunterschätzt wird; dies wiederumdeutet darauf hin, dass bestimmteParametrisierungen in dem Modellüberprüft werden müssen. DieKorrekturen sollten zu einem ver-bessertem Modell und zu einembesserem Verständnis der Prozesse,die die Photochemie in der Tropo-sphäre bestimmen, beitragen.

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Die Bedeutung von Computermodellenfür die Atmosphärenchemie

Abb. 15.Ein Vergleich troposphärischerOzonmischungsverhältnisse,berechnet mit Hilfe des drei-dimensionalen Chemie-Trans-port-Modells MATCH-MPIC,mit Ballonbeobachtungen an35 weltweit verstreuten Orten.Jeder Punkt zeigt das model-lierte Ozonmischungsverhält-nis zur selben Jahreszeit undam selben Ort wie die Mes-sung. Punkte auf der diago-nalen 1:1-Linie zeigen voll-kommene Übereinstimmungan; mehr als die Hälfte derPunkte liegt innerhalb von±20% zu dieser Linie (ange-zeigt durch gepunktete Li-nien). Die fett gedruckte Ge-rade ist eine lineare

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In Abbildung 16 wird derOzongehalt, der mit ECHAM-CHEM, einem allgemeinen Zirku-lationsmodell für die Chemie derTroposphäre und der Stratosphäre,ermittelt wurde, mit Satellitenda-ten verglichen. Dieses Modell re-produziert die wichtigsten Eigen-schaften von Ozon und stelltdamit ein Werkzeug zur Vorher-sage künftiger Entwicklungen derOzonschicht und ihrer Dynamikin der Stratosphäre dar.

Modellierung atmosphärischerHalogenchemie in der marinenGrenzschicht

Wir haben das chemische Boxmo-dell MOCCA (Model Of ChemistryConsidering Aerosols) entwickelt.Es beschreibt chemische Reaktio-nen, die innerhalb eines Luftpake-tes ablaufen. Dabei werden sowohldie Gasphase als auch Aerosolteil-chen berücksichtigt (Abb. 17). Ne-ben der üblichen Chemie von Me-than, Stickoxiden und Ozon ent-hält das Modell auch einen aus-führlichen Reaktionsmechanismusder Halogenchemie.

Die Modelläufe zeigten, dassaus dem Natriumchlorid und -bro-mid (NaCl, NaBr) des Seesalzes re-aktive Gasphasensubstanzen ent-stehen. Bromatome (Br) katalysie-ren zusammen mit Bromoxid(BrO) und hypobromiger Säure(HOBr) die Zerstörung von Ozon.Dieser Zyklus ist in Abbildung 18mit dicken Pfeilen gekennzeich-net. Teilweise wird HOBr auchvon den Aerosolteilchen aufge-nommen und aktiviert dort einweiteres Bromidion (rote Pfeile inAbb. 18). Enthält das Seesalzaero-sol nicht mehr genug Bromid, so

Abb. 16.Zeitreihen zonal gemittelter Ozonsäulen-werte in Dobson-Einheiten (D.U.; 100 D.U.entsprechen einer Ozonsäule von 1 Milli-meter Dicke bei Standarddruck und -tem-peratur). Oberer Teil: GOME-Satellitenda-ten, gewonnen zwischen Februar 1996und Dezember 1997 (Dr. M. Bittner, Deut-sches Fernerkundungsdatenzentrum,DFD). Unterer Teil: Ozonsäulenwertezweier Jahre, modelliert mit ECHAM-CHEM.

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wird stattdessen Chlorid aktiviert(blaue Pfeile in Abb. 18). Reaktio-nen der Bromatome mit Formal-dehyd (HCHO) oder Alkenen stel-len Abbruchreaktionen der Ozon-zerstörungszyklen dar (grüne Pfei-le in Abb. 18).

Modellrechnungen mitMOCCA wurden für reine und füranthropogen verschmutzte Mee-resluft durchgeführt. In beidenFällen zeigte sich die Halogenche-mie (insbesondere die Bromche-mie) als signifikant. In der aller-neuesten Modellversion wird auchdie Chemie des Iods berücksich-tigt.

Inzwischen gibt es auch expe-rimentelle Hinweise aus Feldmes-sungen, die im Einklang mit denmodellierten Ergebnissen stehen:Seesalzaerosolteilchen enthaltenoftmals geringere Chlorid- undBromidkonzentrationen als See-wasser. Tageszeitliche Schwankun-gen von Kohlenwasserstoffen deu-ten auf Chlorchemie hin. Chlor-moleküle sind auch bereits direktüber dem Ozean nachgewiesenworden.

Die Auswirkungen für denMenschen sind nicht so groß wiebei der Chlorchemie, die das stra-tosphärische Ozonloch verur-sacht. Außerdem ist die tropo-sphärische Halogenchemie einüberwiegend natürlicher Effekt.Dennoch ist sie von Bedeutungfür das Verständnis der in der ma-rinen Grenzschicht ablaufendenProzesse.

Abb. 18.Übersicht der wichtigsten Halogenreaktionen im MOCCA-Modell.

Abb. 17.Schema des Boxmodells MOCCA. Innerhalb des Luftpaketes werden che-mische Reaktionen in der Gasphase und in Aerosolteilchen berücksichtigt.Austausch mit anderen Luftmassen und mit der Meeresoberfläche sind inparameterisierter Form enthalten.

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Kinetische und photochemische Laboruntersuchungen

Hypohalogenige Säuren und ihre Rolle für die Ozonzerstörung

Die hypohalogenigen Säuren, HOCl, HOBr und HOI,spielen eine wichtige Rolle in der Chemie unsererAtmosphäre und stellen einen besonderen Schwer-punkt unserer Forschung der letzten Jahre dar. DieseMoleküle absorbieren in der Gasphase Sonnenlichtund sind deswegen photochemisch aktiv. Darüberhinaus können sie auf bzw. in den in der Atmosphä-re vorhandenen Aerosolteilchen reagieren. So wirdzum Beispiel HOBr in einer Gasphasenreaktion zwi-schen den besonders reaktiven Wasserstoffperoxyra-dikalen (HO2) und Bromoxidradikalen (BrO) gebil-det (Reaktion 1).

HO2 + BrO ➞ HOBr + O2 (1)

Im vorliegenden Beitrag zeigen wir experimentelleErgebnisse, die die Bedeutung der hypohalogenigenSäuren für die Chemie der Troposphäre und Strato-sphäre unterstreichen. Diese Moleküle tragen näm-lich zur Ozonzerstörung bei.

Um HOBr und HOI in der Gasphase zu erzeugen,haben wir neue experimentelle Methoden entwickelt.Mittels intensiver Laserlichtpulse von sehr kurzerDauer wird Wasserstoffperoxid (H2O2) in Hydroxylra-dikale (OH) gespalten (Reaktion 2). Die OH-Radikalebilden rasch mit molekularem Brom oder Jod das ge-wünschte HOBr oder HOI (Reaktion 3).

H2O2 + Laserlicht ➞ 2 OH (2)OH + Br2 (oder I2) ➞ HOBr + Br (oder HOI + I) (3)

Einige Millisekunden nach der Erzeugung von HOBrund HOI wird die Lichtabsorption dieser Molekülegemessen. Die resultierenden Absorptionsspektrensind zusammen mit dem relativen Sonnenintensi-tätsspektrum in Abbildung 19 dargestellt. Da diesedrei Spektren stark überlappen, werden HOBr undHOI innerhalb von 10 Minuten durch das Sonnen-licht zerstört.

HOBr (HOI) + Sonnenlicht ➞ OH + Br (I) (4)

Abb. 19.Die ultraviolett/ sichtbaren Absorptionsspektren von HOBr undHOI und die Abhängigkeit der relativen Intensität des Sonnenlich-tes von der Wellenlänge.

Abb. 20.Experimenteller Aufbau zur Messung der Reaktion von HOBr mitwässrigen NaCl/NaBr Lösungen.

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Die resultierenden Bruchstücke OH und Br rea-gieren mit Ozon zu HO2 und BrO zurück,

OH + O3 ➞ HO2 + O2 (5)Br + O3 ➞ BrO + O2 (6)

und schliessen dadurch einen Reaktionszyklus(Reaktionen 1 + 4 + 5 + 6), der Ozon zerstört.

HOBr und HOI können auch mit Seesalzaero-solen in der marinen Grenzschicht reagieren. SolcheReaktionen sind von besonderem Interesse, da siestabiles Halogen, das als NaCl und NaBr im Meer-wasser vorkommt, in elementares Halogen, zum Bei-spiel in Br2, und in BrCl umwandeln können. Des-halb wurden Untersuchungen mit dem Ziel durchge-führt, die Transfergeschwindigkeit des HOBr von derGasphase in einen dünnen fließenden Film vonNaCl/NaBr an der Innenseite eines Strömungs-reaktors zu bestimmen (Abb. 20).

Simultane zeitabhängige Messungen der Kon-zentrationen von HOBr und der halogenierten Pro-dukte in der Gasphase mit der Methode der Massen-spektrometrie zeigten, dass Br2 das Hauptproduktder Reaktion zwischen HOBr und angesäuertemSeesalzaerosol ist. Bromchlorid (BrCl) wurde auchgefunden, aber in niedrigeren Konzentrationen(Abb. 21). Der erste Schritt in der Reaktionsfolge istdie Reaktion von HOBr mit gelösten Chloridionen(Cl-) und Wasserstoffionen (H+) zu Bromchlorid(BrCl), das dann mit Br- zu Br2 reagiert:

HOBr(Gas) + Cl- + H+ ➞ BrCl(gelöst) + H2O (7)BrCl(gelöst) + Br- ' Br2(Gas) + Cl- (8)

Das freigesetzte Brom kann in der Atmosphäre dasSonnenlicht absorbieren und zwei Bromatome er-zeugen, die mit Ozon reagieren und das BrO-Radikalbilden.

Br2 + Licht ➞ 2 Br (9)Br + O3 ➞ BrO + O2 (10)

Wie in Reaktion (1) schon gezeigt, kann BrO zumHOBr reduziert werden. Dadurch wird der Reaktions-zyklus geschlossen, wobei Ozon katalytisch zerstörtwird.

Erforschung des Mechanismus atmosphärischerReaktionen im „Kugel“-Reaktor

Die chemische Zusammensetzung der unteren Tropo-sphäre über ländlichen Gegenden wird beträchtlichdurch die Emission verschiedener biogener und an-thropogener Substanzen bestimmt. Besonders„Nicht-Methan-Kohlenwasserstoffe“ (flüchtige orga-nische Verbindungen; Volatile Organic Compounds;VOCs) gelangen von der Biosphäre in die Atmosphä-re und unterliegen dort einem photochemischen Ab-bau, der durch Hydroxylradikale (OH), Nitratradikale(NO3) und Ozon (O3) ausgelöst wird. In Gegenwartvon Stickoxiden aus natürlichen (z.B. Emissionen ausBöden) oder anthropogenen Quellen (z.B. Verbren-nungsprozessen) können die hochreaktiven natür-lichen VOCs, wie das Isopren und die Terpene, einebedeutende Rolle in der globalen Klimaänderungspielen. Die Oxidation der VOCs verursacht nichtnur eine Zunahme des Ozons und anderer photo-chemischer Oxidationsmittel in der Troposphäre,sondern führt auch zur Bildung von lichtstreuendenorganischen Aerosolen. Die Aufklärung dieser Prozes-se ermöglicht, das Aerosolbildungspotential derVOCs zu ermitteln und deren Einfluss auf zukünftigeklimatische Entwicklungen abzuschätzen.

Faszination Forschung 25

Abb. 21.Massenspektro-metrische Signalevon Br2 und BrClwährend derReaktion vonHOBr mit NaClund NaBr in derwässrigen Phase.

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Max-Planck-Institut für Chemie26

Untersuchungen solcher Reaktionen könnennur sehr schwer in Feldversuchen durchgeführtwerden. Zur Simulation der in der Natur ablaufen-den Prozesse wurde ein Glasreaktor (die „Kugel“) miteinem Volumen von 570 Liter aufgebaut. Wie inAbbildung 22 gezeigt, ist dieser mit einer Reihe vonAnalyseinstrumenten ausgestattet, die Informatio-nen zur Zusammensetzungen sowohl der Gasphaseals auch der gebildeten Aerosolphase geben. Opti-sche (FTIR und UV-VIS Absorption) und chromato-graphische (GC, GC/MS, HPLC und IC) Methodenwerden zur Bestimmung der Reaktionsprodukte ein-gesetzt. Zur Charakterisierung der gebildeten Aero-sole stehen dem Laboratorium verschiedene Verfah-ren zur Bestimmung der Anzahl und der Größe derPartikel zur Verfügung.

Die meisten Untersuchungen, die bisher in demKugelreaktor durchgeführt wurden, befassten sichmit den Reaktionen von Ozon mit Alkenen (z.B.Monoterpenen). Diese Gasphasen-Ozonolyse ist einewichtige Senke sowohl für Ozon als auch für Alkene.Bei niedrigen OH-Radikalkonzentrationen (im Win-ter, nachts und unterhalb der Baumkrone) spielen

diese Reaktionen eine wichtige Rolle. Grundsätzlichentsteht bei der Addition von Ozon an eine Alken-Doppelbindung ein instabiles fünfgliedriges primä-res Ozonid (PO), das in eine Carbonylverbindungund ein so genanntes Criegee-Intermediat (CI*) zer-fällt. Wie in Abbildung 23 dargestellt, kann dasCriegee-Intermediat entweder in verschiedene Mole-kül- oder Radikalfragmente (z.B. OH) zerfallen, oderes wird durch Kollisionen mit Luftmolekülen stabili-siert. In letzterem Fall besitzt es eine ausreichendeLebensdauer, um mit atmosphärischen Spuren-stoffen zu reagieren.

Genaue Untersuchungen der Produkte, die ausverschiedenen Alkenen entstehen, haben gezeigt,dass diese Zwischenprodukte vorwiegend mit Was-serdampf reagieren und eine wichtige troposphäri-sche Quelle für Wasserstoffperoxid (H2O2), organi-sche Hydroperoxide und organische Säuren sind.Das Ziel dieser umfangreichen Studien ist die Auf-stellung eines verallgemeinerten Mechanismus fürdie Reaktionen von Ozon mit Alkenen, der inComputermodellen für die Chemie der Troposphärebenutzt werden kann.

Abb. 22.Das „Kugel“-Labo-ratorium.

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Die Untersuchung der Reaktionen von Ozon mitbiogenen Alkenen, typischerweise Monoterpenen,hat eindeutig die Bildung von Aerosolen mit hohenAusbeuten aufgezeigt. Unsere Erkenntnisse über denMechanismus der Ozonolyse haben neue Informa-tionen über die Natur dieser sekundären organi-schen Aerosole ergeben. Eine Reihe von Monoterpe-nen (α-Pinen, β-Pinen, Sabinen, ∆3-Caren und Limo-nen) wurde mit Ozon umgesetzt, und die Partikelbil-dung wurde mittels eines Kondensationskeimzählersverfolgt. Die resultierenden Partikelzahl/Zeit-Profilesind in Abbildung 24 dargestellt. Nach einer Induk-tionszeit (Keimbildungszeit) wurde ein sprunghafterAnstieg der Partikelzahl beobachtet, die von derStruktur und Reaktivität der untersuchten Monoter-

pene abhängt. Mit dem Fortschreiten der Partikelbil-dung geht das Ausmaß der homogenen Keimbildungzurück, und das Wachstum der Partikel durch Kon-densation und Koagulation wird begünstigt. DieAnalyse der Partikel, die auf Filtern gesammelt wur-den, führte zur Identifikation einer Reihe vonMono- und Dicarbonsäuren niedrigen Dampfdrucks.So wurde z.B. die Pinensäure als Produkt der Ozono-lyse von α- und β-Pinen in der Aerosolphase identifi-ziert (Abb. 25). Es wird deshalb angenommen, dassinsbesondere Dicarbonsäuren ursächlich an der Bil-dung von Aerosolen beteiligt sind. Die Dampfdruckedieser Dicarbonsäuren sind kleiner als 10-8 Torr unddamit ausreichend niedrig, um eine Partikelbildungunter troposphärischen Bedingungen zu erklären.

Faszination Forschung 27

Abb. 25.Bildung von Pinen-

säure durch dieOzonolyse von α-und β-Pinen führt

zu Aerosolen.

Abb. 24.Partikelbildung

während der Reak-tion von Ozon mitbiogenen Mono-

terpenen.

Abb. 23.Mechanismus derReaktion von Ozonmit Alkenen.

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GOME – Ozonmessungen per Satellit

Wichtige Prozesse in der Atmo-sphäre lassen sich nur von Satel-liten aus kontinuierlich undweltweit verfolgen. Die Ozon-zerstörung über der Antarktis istdafür ein Beispiel.

Die jährlich wiederkehrendenMeldungen über das „Ozonloch“über der Antarktis und den be-nachbarten Gebieten sind eindeutliches Zeichen für die allge-meine Besorgnis, die die räumli-che und zeitliche Veränderung derlebensschützenden Ozonschichtin der oberen Atmosphäre hervor-ruft. Bei diesen Veränderungenhandelt es sich um globale Pro-zesse, an denen neben dem Ozonverschiedene Spurenstoffe betei-ligt sind. Die permanente undweltweite Messung der Ozonkon-zentrationen in Stratosphäre undTroposphäre durch das GlobalOzone Monitoring Experiment(GOME) erfolgt seit April 1995von dem ErderkundungssatellitenERS-2 der Europäischen Welt-raumagentur (ESA) aus, der miteiner Ariane 4-Rakete von Kourou(Guayana) aus auf eine sonnen-synchrone Umlaufbahn in 780

Kilometer Höhe geschossen wur-de. Planung und Realisierung desvon unserer Abteilung vorgeschla-genen Experiments hatten fast 10Jahre in Anspruch genommen.

Grundlage des Experiments istdie Beobachtung des von der Erderückgestreuten Sonnenlichts, ausdem im Vergleich mit dem einfal-lenden Sonnenlicht die Absorp-tionssignale (spektralen Fingerab-drücke) der interessierenden Spu-rengase ermittelt werden können.Der Satellit trägt vier fest einge-stellte Spektrometer, auf die miteinem Schwenkspiegel das rückge-streute Sonnenlicht gelenkt wird.Innerhalb von sechs Sekundenwird eine Fläche von 40 x 960Quadratkilometern in vier Spek-tralbereichen zwischen 240 und790 Nanometern (Bereich vonUltraviolett bis Nahes Infrarot) ab-getastet. Innerhalb von drei Tagenkann so die gesamte Erde erfasstwerden. Die Messdaten werdenvon den Bodenstationen der ESA,z.B. in Kiruna (Schweden), emp-fangen und im Deutschen Zen-trum für Luft- und Raumfahrt inOberpfaffenhofen weiterver-arbeitet.

Max-Planck-Institut für Chemie28

Abb. 26.Die Spektralbe-reiche der vier

Spektrometer, an-gezeigt durch

unterschiedlicheFarben. Obere

Linie, reines Son-nenlicht; untere

Linie, rückge-streutes Licht.

Abbildung 26 zeigt das einfal-lende und rückgestreute Sonnen-licht in den vier gemessenenSpektralbereichen. Deutlich ist imrückgestreuten Licht die starkeAbsorption des Ozons im Ultra-violetten (unter 300 Nanometer)zu sehen. Abbildung 27 zeigt dieaus dem zweiten Spektralbereichgewonnenen Daten, nämlich dieräumliche Verteilung der strato-sphärischen Ozonkonzentratio-nen über der Antarktis währendder Bildung des Ozonlochs 1998.Neben Ozon wird durch GOMEauch Stickstoffdioxid (NO2) ge-messen. Abbildung 28 zeigt dieglobale troposphärische Vertei-lung von NO2. Deutlich zu erken-nen sind vereinzelte hohe Kon-zentrationen an NO2, verursachtdurch anthropogene Aktivitätenauf der Nordhalbkugel. Die Farb-tupfer östlich von Südamerikasind durch eine elektromagneti-sche Störung von GOME (Erdano-malie) verursacht.

Weiter werden mit GOME dieKonzentrationen von Sauerstoff(O2), Disauerstoff (O4), Schwefel-dioxid (SO2), Formaldehyd(CH2O), Chlordioxid (OClO),Brommonoxid (BrO), Wasser-dampf, Aerosolteilchen und dieWolkenbedeckung erfasst.

GOME ist ein wichtigerSchritt in Richtung auf eine lang-fristige Erkundung der Erdatmo-sphäre. Für das Jahr 2000 ist derStart des Satelliten ENVISAT an-gekündigt, der eine Weiterent-wicklung von GOME tragen wird.Damit wird zusätzlich im Bereichder infraroten Strahlung die Mes-sung von Methan und Kohlen-monoxid ermöglicht.

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Abb. 27.Entwicklung des antarktischen Ozonlochs1998 beobachtet durch GOME. Die Ozon-säulenwerte sind gegeben in Dobson-Ein-heiten (100 Dobson-Einheiten entsprecheneiner Ozonsäule von 1 Millimeter Dicke beiStandarddruck und -temperatur).a) Juli, Beginn des Sonnenaufgangs in derAntarktis. Der stratosphärische Polarwirbelist ausgeprägt, aber der Ozongehalt ist imNormalbereich. Weißer Bereich bedeutet:keine Daten aufgrund der andauerndenDunkelheit im polaren Winter.b) August, die Ozonzerstörung im kaltenWirbel ist in vollem Gang, erste Anzeicheneiner Abnahme der Ozonsäulendichtewerden sichtbar.c) September, die Ozonzerstörung dauertan, und das Ozonloch hat am 19. bereitssein größtes Ausmaß erreicht. Die Ozonzer-störung ist damit weitgehend beendet.d) Oktober, das Ozonloch ist weiterhin sta-bil. Von Norden kommende Strömungenbeginnen den Wirbel mit dem Ozonlochzu bedrängen und drücken ihn zusam-men.e) November, noch hält sich der Wirbelüber der Antarktis, aber das Ozonloch istbereits zum Teil wieder aufgefüllt mit Luftaus mittleren Breiten, so dass dort dasOzon abnimmt (z.B. in Australien, Neusee-land, Argentinien, Chile). Die Gefahr fürdie Menschen aufgrund der UV-B-Strah-lung besteht gegen Mittsommer nun auchin der Südhemisphäre. f) Dezember, nur noch schwache Restedes Ozonlochs sind vorhanden. Die strato-sphärische Ozonschicht hat aufgrund derVerdünnung deutlich bis in mittlere Breiten

Abb. 28.Identifikation troposphärischer NO2-Quel-len durch GOME. Es sind deutlich anthro-pogene Belastungen auf der Nordhalb-kugel im Sommer 1995 zu erkennen.

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Max-Planck-Institut für Chemie30

stimmt wird. Aus dem Verhältnisder von der Probe mit und ohneSpurengas transmittierten Laser-leistung lässt sich dessen Konzen-tration berechnen. Fast alle für dieChemie der Atmosphäre wichtigenSpurengase haben reich struktu-rierte Absorptionsspektren im mitt-leren Infrarot (3 bis 12 Mikrome-ter), die sich für den spezifischenNachweis nutzen lassen. Am Max-Planck-Institut für Chemie wurdenin den vergangenen Jahren TDLAS-Systeme entwickelt, die in einerReihe von boden-, schiffs- undflugzeuggestützten Messkampag-nen zur quantitativen Messung derSpurengase Kohlenmonoxid (CO),Methan (CH4), Lachgas (N2O),Formaldehyd (HCHO), Wasser-stoffperoxid (H2O2) und Stickstoff-dioxid (NO2) in der Atmosphärebenutzt wurden. Darüber hinauswurden spezielle Messgeräte entwi-ckelt, mit denen sich die Verhält-nisse stabiler Methanisotope(13CH4/12CH4 und 12CH4/12CH3D)in atmosphärischen Proben mit

Zur Validierung dreidimensionalerChemie- und Transportmodellebedarf es umfangreicher Kennt-nisse der räumlichen und zeit-lichen Verteilung umweltrelevan-ter Spurengase in der Atmosphäre.Diese Daten werden mit Hilfe flug-zeuggetragener oder erdgebunde-ner Messsysteme gewonnen.Hochempfindliche, selektive undschnell ansprechende Messgerätesind für solche Studien notwendig.Laserspektroskopische Messverfah-ren, wie die Absorptionsspektros-kopie im mittleren Infrarot mittelsabstimmbarer Diodenlaser (TDLAS:Tunable Diode Laser AbsorptionSpectroscopy), bieten sich hier auf-grund ihrer hohen Spezifität, ihrerEmpfindlichkeit im nmol/mol Be-reich (d.i. ein Mischungsverhältnisvon 1 : 1 Milliarde) und ihrerhohen zeitlichen Auflösung imSekundenbereich an. Die TDLAS-Technik basiert auf der konventio-nellen Absorptionsspektroskopie,bei der ein Laser auf eine Absorp-tionslinie eines Gasmoleküls abge-

Abb. 29.Kohlenmonoxid (CO)-Profile, gemessenan Bord des niederländischen Forschungs-flugzeuges Cessna Citation II. GrünePunkte: Messung über Kiruna (Schweden)vom 9.3.97; blaue Punkte: Messung überHamburg vom 29.7.94.

Optische Messmethoden zum Nach-weis atmosphärischer Spurengase

hoher Präzision im Promille-Be-reich bestimmen lassen.

Abbildung 29 zeigt Kohlen-monoxid (CO)-Profile gemessenmit der TDLAS-Technik an Borddes niederländischen Forschungs-flugzeuges Cessna Citation II. Diegrünen Datenpunkte zeigen einungestörtes Profil, das am 9. März1997 über Kiruna (Schweden) auf-genommen wurde. Man erkennt,dass das CO-Mischungsverhältnisan der Tropopause in etwa 9 Kilo-meter Höhe drastisch abnimmt.Im Gegensatz hierzu zeigen dieblauen Punkte ein stark gestörtesProfil, das am 29. Juli 1994 überHamburg gemessen wurde. Derungewöhnlich starke Anstieg derCO-Konzentration auf bis zu 150nmol/mol in der Tropopausenre-gion bei Höhen um 10 Kilometerist auf ein starkes Gewitter zurück-zuführen, währenddessen ver-schmutzte Luft aus der planetarenGrenzschicht über Hamburg bis indie Tropopausenregion transpor-tiert wurde.

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erlauben damit Messungen aufeiner globalen Skala. An die Zu-verlässigkeit und Sicherheit derMessapparaturen werden dabeihöchste Anforderungen gestellt.

Die weltweit ersten erfolg-reichen Messungen von Staubteil-chen (Aerosolen) und einergroßen Anzahl von Spurengasenan Bord eines Passagierflugzeugeswurden im Rahmen des For-schungsprojekts CARIBIC verwirk-licht. CARIBIC wurde durch dieFluggesellschaft LTU InternationalAirways (Düsseldorf) ermöglicht,die eine BOEING 767-ER füratmosphärische Messungen zurVerfügung stellte. Das Projekt wirdvon unserem Institut koordiniertund die Messungen in Zu-sammenarbeit mit Wissenschaft-lern aus Deutschland (Institut fürMeteorologie, Karlsruhe, Institutfür Troposphärenforschung,Leipzig), Schweden (Lund Univer-sität) und den Niederlanden(Königlich-Meteorologisches Insti-tut, Utrecht) durchgeführt. DieMessinstrumente und ein Be-hältersystem zur Sammlung vonLuftproben sind zusammen mitder Stromversorgung und einerComputereinheit in einem Luft-frachtcontainer (Abb. 30) unterge-bracht. Nach Erreichen der Flug-höhe werden die Instrumenteautomatisch eingeschaltet undüber ein speziell gefertigtes Ein-lasssystem am Flugzeugrumpf mitAußenluft versorgt. Gemessenwerden Aerosole, Ozon, Kohlen-monoxid, Schwefelhexafluoridund ca. 30 weitere Spurengase.

Verglichen mit der atmosphäri-schen Grenzschicht nahe derErdoberfläche gibt es für eineHöhe von ca. 10 Kilometer nurwenige Messdaten über die che-mische Zusammensetzung derAtmosphäre und über die dortigeDynamik. In ca. 10 bis 12 Kilome-ter Höhe treffen zwei Luftschich-ten mit stark unterschiedlicherchemischer Zusammensetzungzusammen, die Stratosphäre unddie darunter liegende Troposphä-re; die Grenzschicht zwischenbeiden wird Tropopause genannt.Obwohl diese Region von größterBedeutung ist, sind unsere Kennt-nisse über die hier ablaufendenchemischen und physikalischenProzesse nur sehr lückenhaft. Dieshat verschiedene Gründe: Zumeinen wird diese Region durchchemisch äußerst unterschiedli-che Luftmassen beeinflusst, z.B.von „sauberer", jedoch ozonrei-cher Luft aus der Stratosphäreund von verschmutzter Luft vomErdboden, die während Gewitterbis in Höhen von über 15 Kilome-ter transportiert werden kann.Zum anderen ist die ultravioletteStrahlung, der Initiator für diemeisten chemischen Reaktionen,deutlich stärker als am Boden, da-gegen ist der Einfluss von Wolken,die einen stark reinigenden Effekthaben, deutlich geringer.

Um die Wissenslücke über dieTropopausenregion zu verringern,wurde – neben dem Einsatz von(teuren) Forschungsflugzeugen –ein neuer Weg zur Untersuchungder Atmosphäre eingeschlagen,die Nutzung von Passagierflug-zeugen während regulärer Linien-flüge. Diese haben eine großeReichweite und erreichen allewichtigen Regionen der Erde und

Wissenschaft im FerienfliegerCARIBIC – Messungen von Spurengasen mit einem LTU Passagierflugzeug

Abb. 30.Messcontainerbeim Verladen indie Boeing 767-ERvon LTU.

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Max-Planck-Institut für Chemie32

Ein interessantes Beispiel der CARIBIC-Messun-gen zeigt ein Flug von Colombo (Sri Lanka) nachMünchen vom Juni 1998 (Abb. 31). Die Flughöhebetrug 10 Kilometer. Entlang der Küste von Indienwurden einige Konvektionszellen durchflogen, sicht-bar an den erhöhten Konzentrationen von Aerosol-partikeln. Diese Konvektionen haben relative saube-re, wahrscheinlich ozeanische Luft in die obereTroposphäre transportiert. Verschmutzte, bodenna-he Luft mit hohen Konzentrationen von Kohlenmo-noxid (CO) und Methan (CH4) wurde nach etwahalber Flugzeit angetroffen. Im Folgenden wurdestratosphärische Luft durchflogen, erkennbar an denhohen Ozonkonzentrationen und den niedrigerenCO-, CH4- und SF6-Konzentrationen. ZusätzlicheInformationen erhält man durch einen Vergleichverschiedener Spurengase. Die Zunahme von Me-than in höheren Breiten ist eine Folge der dort anzu-treffenden starken, meist anthropogenen Quellen.Ähnlich die Zunahme von Schwefelhexafluorid(SF6), welches nicht natürlich vorkommt, es ist einreines Industrieprodukt. Durch das CARIBIC-Projektwerden außerdem auch viele natürlich vorkommen-de Spurengase, die z.B. vom Ozean abgegebenwerden, gemessen.

Seit dem ersten CARIBIC-Flug im November1997 wurden in den folgenden zwei Jahren weitere23 Flüge erfolgreich durchgeführt, alle von Deutsch-land aus zur Südspitze Indiens. Dieses weltweit ein-malige Projekt soll weitergeführt werden und in ei-ner nächsten Phase ab dem Jahr 2001 durch neueMessinstrumente erweitert werden.

Abb. 31.(a) Flugroute von Colombo nach München, markiert mit den 11Probensammlungen während des Fluges. (b) Profile der Flughöhe von ca. 10 Kilometer, der geographi-schen Breite von 6° N nach 48° N und der Außentemperatur von-30 bis -60 °C. (c) Konzentrationen von Kohlenmonoxid (CO), Ozon (O3) undAerosolen. (d) Konzentrationen von Methan (CH4) und Schwefelhexafluorid(SF6) in den 11 Proben.

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Neue Erkenntnisse belegen, dass die durch Ge-birgsketten in die Stratosphäre ausgesandte Wel-lenenergie zu erheblichen lokalen Abkühlungender Luft führen kann, bevor sie durch Dissipationdie Luft erwärmt. Dadurch kann eine sehr effi-ziente Umwandlung des Chlors von reaktionsträ-gen in ozonzerstörende Spezies stattfinden.

Bereits kurz nach der Entdeckung des Ozonlochsüber der Antarktis im Jahre 1985 wurde die Hypo-these aufgestellt, dass chemische Reaktionen aufAerosolteilchen für die Aktivierung des hauptsäch-lich durch menschliche Einflüsse in die Atmosphäreeingebrachten Chlors verantwortlich sind, das danndie lebenswichtige stratosphärische Ozonschicht an-greift. Diese Hypothese wurde seitdem durch zahl-lose wissenschaftliche Feldbeobachtungen, Labor-untersuchungen und Modellstudien belegt. Die Ant-arktis erschien zunächst als der einzige ausgezeich-nete Platz für diese Vorgänge, da sich nur hierwährend des Winters hinreichend niedrige Tempera-turen einstellen, die die Aerosolteilchen durch Was-seraufnahme und Wachstum zur reaktiven Umset-zung der beteiligten Chlorspezies befähigen. Beun-ruhigend starke Ozonverluste werden seit Beginn derneunziger Jahre aber auch über der Arktis registriert,trotz ihrer im Vergleich mit der Antarktis höherenTemperaturen.

Während die Antarktis wie eine Insel von einemOzean umgeben ist und in der winterlichen Atmo-sphäre eine stabile Zirkulation die Luft auf extremniedrige Temperaturen abkühlen lässt, ist die Arktisein Eismeer umgeben von Gebirgsketten, die dieLuftzirkulation während des Winters stören, indemsie Energie in Form atmosphärischer Wellenbewe-gungen einkoppeln. Gebirgsbedingte Wellenbewe-gungen können große Amplituden erreichen. Abbil-dung 32 zeigt Messungen an Bord des amerikani-schen Höhenforschungsflugzeugs ER-2 westlich derAntarktischen Halbinsel. Die gestrichelte Linie gibtdie Flughöhe der ER-2 an, und die durchgezogenenLinien beschreiben die Flächen, auf denen sich ein-zelne Luftpakete bewegen. Es zeigen sich gebirgsbe-dingte vertikale Verschiebungen von mehr als 1,5Kilometer. Dies entspricht Temperaturfluktuationenvon etwa 15 °C, da sich die Luft beim Anheben um100 Meter durch adiabatische Expansion um etwa

1 °C abkühlt. Die erniedrigten Temperaturen kön-nen zur Entstehung von polaren stratosphärischenWolken (Polar Stratospheric Clouds, PSCs) und zurschnellen chemischen Aktivierung von Chlor füh-ren.

Abbildung 33 zeigt stratosphärische Eiswolkenüber den skandinavischen Alpen im Januar 1995, be-obachtet mit einem flugzeuggetragenen Lidar, d.h.einem nach oben ausgerichteten Laser, dessen vonden Aerosolteilchen zurückgestreutes Licht man inBezug auf Teilchenanzahl, -größe und -form analy-siert. Solche durch die Gebirgstopographie verur-sachten Wolken sind seit mehr als hundert Jahrenals Perlmutter-Wolken bekannt. Allerdings werdenwir erst jetzt auf ihre atmosphärenchemischen Aus-wirkungen aufmerksam. In einer Zusammenarbeitmit Kollegen des Deutschen Zentrums für Luft- undRaumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen, die die Lidar-messungen durchführten, haben wir die geschichte-ten Strukturen im Rückstreuverhältnis der Wolke alsPartikelstreifen interpretiert und für die Konstruk-tion von Luftpaket-Trajektorien genutzt, siehe weißeLinie in Abbildung 33a. Dies erlaubt uns in einzigar-tiger Weise die Konstruktion der gesamten Lebens-

Selbständige Nachwuchsgruppe: Heterogene Chemie und Mikrophysik atmosphärischer Aerosolteilchen (1995-1999)

Die Rolle von Gebirgen bei der Ozonzerstörung

Abb. 32.Querschnitt derdurch die Bergeder AntarktischenHalbinsel angereg-ten Schwerewel-len, beobachtetam 22. September1987 an Bord desamerikanischenHöhenforschungs-flugzeugs ER-2.

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Max-Planck-Institut für Chemie34

wieder entschärft zu werden und treibt währenddieser Zeit die Ozonzerstörung voran. Die kleinräu-migen (wenige hundert Kilometer), natürlichenPSCs verhelfen somit zu einer großräumigen (einigetausend Kilometer), durch anthropogenes Chlor be-dingten Ozonzerstörung.

Die unmittelbare Nachbarschaft von Eisteilchenund salpetersäurehaltigen Tröpfchen ist ein eigen-ständiges, sehr interessantes Resultat dieser Analyse.Die thermodynamisch stabile Phase des Salpeter-säure/Wasser-Systems ist bei diesen Temperaturenkristallines Salpetersäure-Trihydrat (Nitric Acid Tri-hydrate, NAT), nicht aber die beobachteten flüssigenTröpfchen. Die mit dem Lidar beobachteten Teil-chen liegen also nicht in der thermodynamischstabilen Phase vor, offenbar weil sie nicht gefrieren.Andererseits kann die Bildung großer fester Teilchendie Ozonzerstörung erheblich beschleunigen. Anzei-chen für die Bildung solcher Teilchen findet manstromabwärts der Eiswolke: nachdem zunächst bei450 Kilometer Eis und flüssige Partikel durch einestarke Erwärmung fast völlig verdampfen, führt ab600 Kilometer eine nachfolgende Abkühlung zueinem langsamen Wachstum von kristallinen Parti-keln mit starkem Depolarisationssignal. Unseremikrophysikalischen Rechnungen weisen daraufhin, dass etwa 2% der Eispartikel als Hydratkernedienen. Dies bedeutet, dass die Bildung von Eis einewesentliche Voraussetzung für die Entstehung vonHydraten ist. Auch hier wird die tragende Rolle derGebirgsketten bei der Forcierung der Chloraktivie-rung und Ozonzerstörung sichtbar.

Abbildung 34 zeigt 190 berechnete Luftpaket-Trajektorien, die im Dezember 1994 in etwa 23 Kilo-meter Höhe starten und im April 1995 enden (in Zu-sammenarbeit mit Kollegen des meteorologischenInstituts der FU Berlin und des Naval Research Labo-ratory, Washington). Bei geeigneten meteorologi-schen Bedingungen (z.B. starker Jetstream) lösen dieGebirgskämme starke Temperaturfluktuationen ent-lang der Trajektorien aus, die die Luft unterhalb derTemperatur für Eisbildung abkühlen (rote Punkte inAbb. 34). Das hierbei gebildete Salpetersäure-Tri-hydrat kann weit stromabwärts transportiert werden(schwarze Punkte) und die Chemie der Stratosphäreüber lange Zeiträume beeinflussen, bevor es ver-dampft.

geschichte der Wolkenteilchen. Innerhalb der Pro-jektionsebene strömt die Luft etwa von links nachrechts (so genannte quasi-Lagrange'sche Beobach-tung). Die Trajektorie offenbart Temperaturfluktua-tionen von über 13 °C. Das sehr hohe Rückstreuver-hältnis bei Kilometer 250 (gelber Fleck) deutet aufdie Bildung von Eispartikeln hin und wird von unszur Kalibrierung der Temperatur entlang der Trajek-torie benutzt. Gleichzeitige Depolarisationsmessun-gen (hier nicht dargestellt) zeigen, dass die Eiswolkedirekt von einer Wolke salpetersäurehaltiger Tröpf-chen umgeben ist (dunkelgrüne Region bei 0 bis 450 Kilometer). Mikrophysikalische Rechnungenentlang der Trajektorie, gekoppelt mit Rückstreu-rechnungen für asphärische Teilchen, ergeben eineausgezeichnete Simulation der beobachteten Ver-hältnisse (Abb. 33b). Daraus lassen sich direkt dieTeilchenoberflächen und dann auch die Reaktionsra-ten für die Chloraktivierung und anschließendeOzonzerstörung berechnen. Dabei wird offenbar(Abb. 33c), dass trotz der kurzen Lebensdauer derEisteilchen das komplette Chlor-Inventar der Luftinnerhalb weniger Stunden von den reaktionsträgenReservoirsubstanzen HCl und ClONO2 in ozonzer-störende, aggressive Formen (Clx) umgewandeltwird. Das aktivierte Chlor benötigt bis zu einigenWochen, um durch andere chemische Reaktionen

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Abb. 33. Lidar-Messungen der DLR/Oberpfaffenho-fen während eines Fluges über die Skandi-navischen Alpen am 15. Januar 1995. (a) Beobachtetes Rückstreuverhältnis S inFalschfarbendarstellung. Die nachfolgen-den Abbildungen beziehen sich auf dieTrajektorie, die als weiße Kurve dargestelltist. (b) Schwarze Kurven: berechnetes Rück-streuverhältnis der einzelnen Teilchenspe-zies entlang der Trajektorie; rote Kurve:Messung. (c) Resultate eines chemischen Modellsmit Chlor-Reservoirspezies HCl undClONO2 und aktiviertem, ozonzerstören-dem Chlor Clx.

Abb. 34. Trajektorien von Luftpaketen über der Ark-tis zwischen 1. Dezember 1994 und 31.März 1995 mit kleinskaligen Temperatur-fluktuationen durch Wellenbildung überGebirgszügen. Rote Punkte: gebirgsbe-dingte Eisbildung mit anschließender Bil-dung eines Salpetersäure-Hydrats.Schwarze Punkte: Überlebensstrecke vonSalpetersäure-Trihydrat-Teilchen vor derenendgültigem Verdampfen.

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Die Inseln von Hawaii sindschnellwachsende Riesen: Ge-waltige Basalteruptionen för-dern hier so viel Lava an dieErdoberfläche, dass die Vulkan-schlote innerhalb von einerMillion Jahren auf bis zu zehnKilometer Höhe anwachsen –und so auch mehrere tausendMeter hohe Inseln bilden kön-nen. Danach erlöschen sie undsinken schließlich unter ihremeigenen Gewicht immer tiefer inden Meeresboden ein, bis siewieder unter der Meeresoberflä-che „verschwinden“.

Dieser Vorgang hat sich inden letzten 70 Millionen Jahrenetwa hundertmal wiederholt –allerdings niemals an der gleichenStelle. So entstand eine etwa 7 000Kilometer lange Kette geologischkurzlebiger Vulkane, die von derInsel Hawaii inmitten des Pazifi-schen Ozeans bis nach Kamtschat-ka reicht (Abb. 35).

Wie entsteht eine solche Vul-kankette? Was ist die Wärmequel-le, die zur Bildung solcher vulka-nischer Schmelzen führt? Undwas verrät die chemische Zusam-mensetzung dieses Glutflussesüber Aufbau und Entwicklung destieferen Erdinneren?

Wenn Vulkane wandern

Tatsächlich werden vom jüngstenaktiven Vulkan Kilauea aus alleVulkane entlang der Kette Rich-tung Kamtschatka fortlaufendälter. Das beweisen geochemischeAltersbestimmungen. Die Ursache:Im Erdmantel befindet sich in etwa100 Kilometer Tiefe ein stationärer„Hotspot“, der wie ein Schweiß-brenner wirkt. Er erzeugt basalti-sche Gesteinsschmelzen, die her-aufquellen und sich durch die festeKruste fressen. Diese dünnflüssigeLava eruptiert mitunter in spekta-kulären Lavafontainen (Abb. 36).

Faszination Forschung 37

Globales Recycling:Wie sich die Erde runderneuertDer Ursprung von Hawaiis Vulkanen birgt den Schlüssel zu einem neuen Verständnis unseres Planeten

Die Vulkane, die dabei vomMeeresgrund emporwachsen, er-reichen imposante Höhen undüberragen sogar den MountEverest: Der heute noch aktiveMauna Loa auf Hawaii, der jüng-ste Vulkan in der Kolonne, ist miteiner Gesamthöhe von etwa zehnKilometer vom Meeresboden aus– eigentlich – der heute höchsteBerg der Erde.

Doch dem Koloss ist geolo-gisch gesehen nur ein kurzesLeben beschieden. Denn dieozeanische Erdkruste schiebt sichunablässig – mit einer Geschwin-digkeit von etwa zehn Zentimeterpro Jahr – nach Nordwesten überden Erdmantel und wandert soallmählich aus dem Einfluss desSchweißbrenners heraus, bis derLava-Nachschub irgendwann aus-bleibt. Nach etwa einer MillionJahren wird sich der Vulkan be-reits um 100 Kilometer von demHotspot entfernt haben. Er wirdlangsam erkalten und – wie seine

Abb. 35.Kette der etwa 100 Vulkane, die sich vonder Insel Hawaii im Pazifischen Ozeannach Nordwesten bis zu der HalbinselKamtschatka hinziehen. Nur die jüngerenVulkane bilden noch Inseln; die anderensind unter die Meeresoberfläche versun-ken. Die Zahlen oberhalb der Vulkankettegeben die Alter in Millionen Jahren an: Jeweiter entfernt von der Insel Hawaii, destoälter sind die Vulkane.

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Vorgänger – unter der Last seines eigenen Gewichtesund der Kraft der Meeresbrandung zusammenbre-chen.

Über dem Hotspot indes wird sich ein neuerVulkan bilden und bald auch eine neue Insel – unddamit eine neue Perle in der pazifischen Vulkanket-te. Der Verlauf dieser Kette zeigt genau, welchenWeg im Lauf der Jahrmillionen die ozeanische Plattezurückgelegt hat.

Der Blub aus der Tiefe

Warum aber gibt es im Erdmantel solche „Hot-spots“? Heute sieht man ihre Ursache in so genann-ten Mantel-„Plumes“: das sind bis zu 100 Kilometerdicke, zylindrische Säulen von heißem – aber den-noch zunächst nicht geschmolzenem – Mantel-gestein. Ähnlich einem Stück Butter in einem mitheißen Wasser gefüllten Kochtopf steigt der zäheKlumpen aus großer Tiefe, vielleicht sogar von deruntersten, 2 900 Kilometer tiefen Grenze des Erd-mantels zum Erdkern, langsam auf. In etwa 100Kilometer Tiefe beginnt er durch Druckentlastung zuschmelzen. Die Schmelze trennt sich von dem ver-

bleibenden Gestein und quetscht sich, weil sie einegeringere Dichte hat, in Rissen oder selbstgebahntenKanälen durch die relativ kalte Erdkruste („Litho-sphäre“) weiter nach oben bis zur Erdoberfläche: EinVulkan entsteht.

Wegen der enormen Ursprungstiefe der „Plumes“können geochemische Untersuchungen dieser Vul-kangesteine Auskunft geben über die Zusammenset-zung und Entstehungsgeschichte des sonst für unsvöllig unzugänglichen tiefen Erdmantels.

Deshalb arbeiten zahlreiche Geochemiker seitvielen Jahren an den frischesten Boten aus dieser un-vorstellbaren Tiefe – den Basalten von Hawaii. Dabeierhärtet sich immer mehr der von unserem Team be-reits vor Jahren ausgesprochene Verdacht, dass essich bei diesen „Plumes“ um eine gigantische Re-cycling-Maschine handelt: Ozeanische Kruste, die anden mittelozeanischen Spreizungsrücken entstehtund an den Rändern der Ozeane in so genanntenSubduktionszonen wieder in den Erdmantel zurück-versenkt wird, lagert sich an einer Grenzschicht destiefen Erdmantels ab und steigt nach einigen hun-dert Millionen Jahren in einem „Plume“ wiedernach oben.

Abb. 36.Lavafontäne einerEruption des Vul-kans Kilauea aufHawaii. Die heißeSchmelze bildetsich in 100 km Tiefe,wird in einer etwa3-4 km tiefen Mag-makammer imBauch des Vulkanszwischengelagertund eruptiert vondort in einer Lava-fontäne, die bis zu700 m hoch wer-den kann.

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Was Spurenelemente verraten

Für diese These ergaben unsere neuesten Unter-suchungen nicht nur neue Belege. Sie erlauben unssogar, den genauen Gesteinstypus näher zu identifi-zieren, der im Erdmantel recycelt wurde. Die detekti-vischen Helfer dabei sind Spurenelemente: Ihre Kon-zentrationen in den verschiedenen Gesteinstypender Ozeankruste bilden jeweils eine Art unverwech-selbaren geochemischen Fingerabdruck, der bei derVersenkung der Gesteinskruste in den Erdmantelund den darauf folgenden vielfältigen Gesteinsum-wandlungen erhalten bleibt. Selbst in einer Schmel-ze, die sich nach vielleicht einer Milliarde von Jah-ren wieder aus diesem recycelten Material bildet,sind die ursprünglichen, charakteristischen Spuren-elemente noch erkennbar.

Um jedoch die entscheidenden erdgeschicht-lichen Botschaften herauslesen und damit denCharakter des Gesteins bestimmen zu können,müssen die Konzentrationen der Spurenelementevereinfacht und graphisch dargestellt werden (mehrdazu siehe Beitrag „Botschaften aus dem Erdman-tel“). Solche normierten Konzentrationsdiagrammemancher Gesteine haben auffällige Zacken, so ge-nannte Anomalien, in ihrem sonst eher glattenErscheinungsbild. Sie verraten besondere Anreiche-rungen bestimmter Minerale.

Der tiefere Teil der ozeanischen Kruste etwabesteht aus so genanntem Gabbro, einem Gestein,das aus einer basaltischen Schmelze in der Tiefe er-starrt und meist stark mit dem Mineral Feldspat an-gereichert ist. Die Feldspatanreicherung verursachtbei vielen Gabbros stark ausgeprägte und für diesenGesteinstyp charakteristische Spurenelementanoma-lien – insbesondere eine Anreicherung (positive An-omalie) für das Element Strontium und Verarmun-gen (negative Anomalien) der Elemente Thoriumund Uran (Abb. 37).

Genau diese Anomalien finden wir nun in denBasalten von Mauna Loa wieder, wenn auch in starkabgeschwächter Form. Daraus entwickelte sich derVerdacht, dass ein Teil des Mantel-Plumes, dessenSchmelze auf Mauna Loa eruptiert, aus recyceltemozeanischen Gabbro besteht.

Abb. 37.Geochemischer Fingerabdruck des Magmas von Mauna Loa,dem größten Vulkan von Hawaii. Der Fingerabdruck ergibt sichdurch die unterschiedlichen Konzentrationen von vielen Spuren-elementen (siehe auch den Beitrag „Botschaften aus dem Erd-mantel”). Besonderheiten des Mauna Loa Fingerabdrucks sinddie relativ hohe Konzentration des Spurenelements Strontium (Sr)und die niedrigen Konzentrationen der Elemente Thorium (Th)und Uran (U). Ähnliche Fingerabdrücke haben sonst nur die Ge-steine („Gabbro”) im unteren Teil der Ozeankruste (ca. 3-5 kmtief), in denen sich größere Mengen des Minerals Feldspat an-häufen. Ein solcher Gabbro hat vermutlich einen mehrere hun-dert Millionen Jahre währenden Marsch durch den tiefsten Erd-mantel angetreten und tritt heute im „Hot Spot” von Hawaii wie-der zu Tage.

Um diesem Phänomen weiter nachzugehen,untersuchen wir möglichst „primäre“ Basaltschmel-zen, deren Zusammensetzung noch so ursprünglichist, wie sie bei ihrer Ankunft aus dem Erdmantel inden Magmakammern tief im Bauch des Vulkans war– also bevor sie durch mannigfache Mischungs- undKristallisationsprozesse in der Magmakammer che-misch verändert werden.

Reste solcher primärer Schmelzen sind in winzi-gen Einschlüssen erhalten, die man in dem MineralOlivin findet. Es ist das Mineral, das bei langsamerAbkühlung einer äußerst heißen basaltischenSchmelze als Erstes kristallisiert. Dabei passieren derNatur öfters kleine „Fehler“: Geringe Mengen derSchmelze werden im Inneren des Kristalls einge-schlossen. Diese Schmelzeinschlüsse, die bei derEruption zu Glas erstarrt sind, kann man unter demMikroskop beobachten und mit mikroanalytischenMethoden chemisch analysieren (Abbildung 38 zeigteinen solchen glasigen Schmelzeinschluss in 100fa-cher Vergrößerung). Diese Untersuchungen werdenin Zusammenarbeit mit dem russischen Gastwissen-schaftler Prof. Alexander Sobolew durchgeführt.

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Einige seltene Olivin-Einschlüsse von BasaltenMauna Loas zeigen nun in der Tat die geochemischeSignatur der recycelten, ehemaligen Ozeankruste inganz eindeutiger und unmissverständlicher Klarheit.Die positiven Zacken für Strontium (und die negati-ven für Thorium und Uran) in den Schmelzein-schlüssen sind von denen der gabbroischen Gestei-nen der Ozeankruste kaum zu unterscheiden. DieseSchmelzeinschlüsse bestätigen also auf eindrucks-volle Weise die These der recycelten Ozeankruste.

Hawaii hat viele Mütter

Das Beispiel von Mauna Loa lässt sich in abgewandel-ter Form auf vielen anderen Vulkaninseln wiederfin-den. Die dort auftretenden geochemischen Fingerab-drücke können aber recht unterschiedlich sein. Dieswird vor allem auch durch eine weitere Art geochemi-scher Fingerabdrücke belegt: den Isotopenverhältnis-sen. In allen Gesteinen gibt es neben den normalenSpurenelementen auch solche, die radioaktive Isotopeenthalten, und die im Laufe der Zeit zu „radiogenen“Isotopen anderer chemischer Elemente zerfallen. Sozerfällt Uran-238 zu Blei-206, Kalium-40 zu Argon-40und Rubidium-87 zu Strontium-87. Aus dem be-sonders seltenen Isotop Samarium-147 wird Neodym-143. Bei all diesen radioaktiven Elementen sind dieZerfallsgeschwindigkeiten extrem langsam: Es dauerthunderte von Millionen, mitunter sogar MilliardenJahre, bis die Hälfte der anfangs vorhandenen radio-aktiven Isotope dieser Elemente zerfallen ist.

Wie hoch der Anteil der radiogenen, also durchradioaktiven Zerfall der Mutterisotope entstandenen

Tochterisotope ist, ermitteln Geochemiker aus demVerhältnis des radiogenen zu einem nicht-radioge-nen Isotop desselben Elementes – zum BeispielStrontium-87 zu Strontium-86 oder Neodym-143 zuNeodym-144.

Durch den stetigen radioaktiven Zerfall in derNatur wachsen diese Verhältnisse langsam aber un-aufhaltsam in jedem Gestein – abhängig von derZeit und dem Verhältnis von Mutter- zu Tochter-element (zum Beispiel Rubidium zu Strontium oderSamarium zu Neodym).

Weil nun beispielsweise Rubidium in der konti-nentalen Kruste relativ zu Strontium angereichert ist,besitzt diese durch dessen radioaktiven Zerfall auchimmer mehr Strontium-87 – und damit hohe Ver-hältnisse zum nicht-radiogenen Strontium-86. ImGegensatz weist sie relativ niedrige Verhältnisse vonSamarium zu Neodym auf und deshalb auch niedrigeVerhältnisse von Neodym-143 zu Neodym-144.

Eine Ozeankruste wiederum besteht aus ganzunterschiedlichen Gesteinen: Basalt, Gabbro, undSedimente, die von den Kontinenten stammen.Taucht sie in die heiße Schmelze des Erdmantelshinab, führt sie diesem auch isotopisch unterschied-liches Material zu. Dieser Mix lässt sich nun in denzu Tage getretenen Vulkangesteinen der Ozeaninselnvon Hawaii nachweisen – durch unterschiedlicheisotopische Fingerabdrücke (Abb. 39).

Abb. 38.Glasig erstarrter Einschluss einer basalti-schen Schmelze in einem Kristall aus Olivin(in 100facher Vergrößerung). SolcheSchmelzeinschlüsse werden durch denumgebenden Olivin isoliert und könnendeshalb Aufschluss geben über dieursprüngliche Zusammensetzung derSchmelze, bevor sie durch mannigfacheMischungsprozesse in Magmakammernverfälscht wurde.

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Abb. 39. Isotopendiagramm für Basalte von mehreren Vulkanen der Hawaii-Inseln im Vergleich mit Ozeanbodenbasal-ten des Pazifischen Ozeans. Das Isotop 87Sr entsteht durch radioaktiven Zerfall von 87Rb, 143Nd durch Zerfallvon 147Sm. Die unterschiedlichen Isotopenwerte der verschiedenen Hawaii-Vulkane zeigen, dass ihre Magmenaus einer anderen Mantelregion stammen als die heutige Ozeankruste. Die Ursprungsregion der Hawaiibasalteenthält jedoch alte Ozeankruste mit unterschiedlich hohen Zutaten von altem Sediment.

Einige der Feuerberge, zum Beispiel der Koolau-Vulkan bei Honolulu, haben besonders niedrigeNeodym-143 zu Neodym-144-Verhältnisse – einHinweis darauf, dass sie wahrscheinlich eine Priseeines ehemaligen Sedimentes enthalten.

All diese Indizien sprechen dafür, dass die Vul-kankette Hawaii-Kamtschatka aus einer Schmelzeentstand, die sich aus einer heterogen zusammen-gesetzten ozeanischen Kruste speist, die im unterenErdmantel recycelt wurde.

Mit Hilfe unserer geochemischen Methodenkönnen wir die einzelnen Zutaten des im Erdmantelentstandenen Magmen-Eintopfes erkennen undderen Herkunft zurückverfolgen. Unsere Analysenhelfen, künftig besser zu verstehen, wie sich unsereErde stetig erneuert – letzten Endes, wie sie über-haupt funktioniert.

Stichwort: Isotop

Isotope sind verschiedene Varian-ten eines chemischen Elementes.Ihre Atomkerne besitzen die glei-che Anzahl von Protonen unddamit die gleiche Ordnungszahl.Isotope unterscheiden sich jedochin der Anzahl der Neutronen imAtomkern und damit in ihrerMasse voneinander. Somit könnenIsotope nur physikalisch, nichtaber chemisch unterschiedenwerden.

Charakterisiert wird ein Isotopdurch die Angabe der Massenzahlseines Kerns am Elementsymbol:zum Beispiel 87Sr = Strontium-87.

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Die Elemente werden hierzuin einer bestimmten Reihenfolgeaufgetragen: Üblich ist die Anord-nung nach dem Grad der Inkom-patibilität (siehe oben). Die Abbil-dung 43 zeigt ein so genanntes„normiertes Häufigkeits-Dia-gramm“: Dabei werden die Ele-mente von links nach rechts im-mer kompatibler. Das Beispielzeigt die auf den Erdmantel nor-mierten Elementhäufigkeiten vonozeanischer Kruste im Vergleichzur kontinentalen Kruste.

Je inkompatibler die Elemen-te, desto weiter auseinander liegenozeanische und kontinentaleKruste. Während in Letztererhochinkompatible Spurenelemen-te wie etwa Rubidium um bis zum60fachen angereichert vorliegen,sind diese Elemente in der ozeani-schen Kruste charakteristisch ver-armt. Dieses Auseinanderklaffender Elementhäufigkeit lässt sichdadurch erklären, dass sich diekontinentale Kruste aus einemprimitiven Erdmantel entwickelteund dieser Prozess den oberenErdmantel (Abb. 41) verarmte, derwiederum das Ausgangsgesteinder ozeanischen Kruste ist.

Woher stammen die Ozeaninseln?

Konzentrationsverhältnisse in-kompatibler Spurenelemente kön-nen ebenfalls Aussagen über geo-logische Prozesse liefern. Sie cha-rakterisieren nicht nur die Gestei-ne selbst, sondern auch derenursprüngliches Ausgangsgesteinim Erdmantel. Zum Beispiel kanndas Konzentrationsverhältnis derzwei chemisch sehr ähnlichen Ele-mente Niob (Nb) und Tantal (Ta)

Botschaften aus dem ErdmantelMit Hilfe des Funkenmassenspektrometers lassen sich ausSpurenelementen geologische Prozesse im Erdinneren ablesen

Um Spurenelemente als „Finger-abdrücke“ geologischer Prozesseverwenden zu können, mussman sie sehr genau messen. AmMax-Planck-Institut für Chemiewurde dafür in den letzten Jah-ren ein modernes analytischesInstrument entwickelt: ein Fun-kenmassenspektrometer mitMulti-Ionenzählung, mit demsich die Konzentrationen sehrvieler Spurenelemente bis einMillionstel Promille exakt undmit hohen Messgenauigkeitenbestimmen lassen (sieheKasten).

Die Erforschung des Erdman-tels, einer etwa 2 900 Kilometerdicken Schicht zwischen Krusteund Kern unserer Erde, ist einewichtige Aufgabe der Geochemie(Abb. 40, 41). Als chemische „Son-den“ des Erdmantels eignen sichdazu vor allem vulkanische Ge-steine des Ozeanbodens und derHotspot-Vulkane – zum Beispieldie der Hawaii-Inselkette.

Wichtige Informationen lie-fern bestimmte Spurenelemente,genauer: ihre Konzentrationenund Konzentrationsverhältnissezueinander.

Entscheidend sind so genann-te lithophile Spurenelemente(Abb. 40), die in der Lithosphäre,das sind die äußeren 100 Kilome-ter des Erdballs (Erdkruste undoberer Erdmantel), angereichertsind. Sie kommen in diesen vulka-nischen Gesteinen in Konzentra-tionen von weniger als ein Hun-derttausendstel vor.

Viele dieser lithophilen Spu-renelemente passen mit ihrenIonenradien und Wertigkeitennicht mit den lithophilen Haupt-elementen Silizium, Magnesium,

Eisen, Kalzium, Aluminium undSauerstoff zusammen und könnendaher auch nicht mit diesen kris-tallisieren. Man nennt sie daher„inkompatibel“.

Gelangt das aus dem Erdman-tel stammende Gestein durchthermische Konvektionsströme indie Nähe der Erdoberfläche, be-ginnen die zunächst festen Silika-te wegen der Abnahme des Drucksteilweise zu schmelzen. Dabei ge-ben sie die inkompatiblen Spuren-elemente an die Schmelze ab, diespäter das vulkanische Gestein ander Erdoberfläche bildet. Zudiesen Spurenelementen gehörenRubidium, Barium, Thorium,Uran, Niob, Tantal und Lanthan,deren Konzentrationsverhältnissesich bei der Schmelze nur gering-fügig verändern.

Warum die Erdkruste so verschieden ist

Um ein Gestein geochemisch zucharakterisieren, muss der Geo-wissenschaftler die große Anzahlder Spurenelementdaten stark ver-einfachen und graphisch über-sichtlich darstellen können. Dazubedient er sich eines Tricks: Er teiltjeden gemessenen Konzentra-tionswert durch den entsprechen-den Wert eines Standardgesteins.Zur Standardisierung werdenmeist Meteoritendaten oder dieaus Meteoriten hergeleitete mittle-re chemische Zusammensetzungdes Erdmantels verwendet. Dennes gilt als wissenschaftlich ge-sichert, dass die Erde vor 4,5 Milli-arden Jahren aus meteoritischemMaterial entstand. Dadurchwerden die Spurenelementkon-zentrationen normiert.

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Aufschluss darüber liefern, obund wie ozeanische Erdkruste inden tiefen Erdmantel abgetaucht– subduziert – ist und wie da-durch Hotspots entstehen (sieheauch Beitrag „Globales Recycling:Wie sich die Erde runderneuert“).

Mit Hilfe funkenmassenspek-trometrischer Untersuchungenwurde erkannt, dass Hotspot-Vul-kane verschiedener Ozeaninselnwie Hawaii, Reunion oder Samoaein geringeres Niob-Tantal-Ver-hältnis haben als der primitiveErdmantel (Abb. 43). Das bedeu-tet: Ozeaninseln können somitnicht aus dem primitiven Mantelstammen. Ihr Ausgangsmaterialscheint vielmehr ehemalige ozea-nische Kruste zu sein, die in denErdmantel versenkt wurde.

Ursache des kleinen Unter-schieds ist offenbar das MineralRutil, das beim Subduktionspro-zess Niob weniger stark einbautals Tantal.

Demnach scheinen in derchemischen und physikalischenEntwicklung der Erde großräumi-ge geologische Prozesse in Erd-kruste und Erdmantel eine weit-aus wichtigere Rolle zu spielen alsbislang angenommen.

Abb. 40.Querschnitt durch die Erde. Die chemi-schen Elemente des Periodensystemsreichern sich in Kruste, Mantel, Kern undAtmosphäre der Erde unterschiedlichan. Man nennt sie daher lithophil (vomgriechischen lithos: „Stein” und philein:„lieben”), siderophil (sideros: „Eisen”)und atmophil (atmos: „Dunst”). Die fettumrahmten Felder zeigen die Elemente,deren Konzentration mit dem Funken-massenspektrometer (Abb. 42) gemes-sen werden kann.

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Abb. 42.Den Spurenelementen auf der Spur. Mitar-beiterin Brigitte Stoll am Bedienungspultdes Funkenmassenspektrometers bei derAnalyse von Gesteinen. Die schematischeDarstellung zeigt die Ionisierung der Ele-mente in einem Funkenplasma. Die Ionenwerden entsprechend ihrer Atommasseim Magnetfeld auf unterschiedliche Kreis-bahnen gelenkt und mit so genanntenChanneltron-Detektoren gezählt.

Abb. 41. Eine Erdkruste taucht ab. Das Tiefenprofildes Erdinneren zeigt das Absinken - dieSubduktion - der ozeanischen Erdkruste inden Erdmantel und deren mutmaßlichesRecycling im Erdmantel. Vulkanische Ge-steine der Ozeaninseln und der ozeani-schen Kruste eignen sich besonders zur Er-forschung des Erdmantels.

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Abb. 43. Die geologische Entwicklung der Erde –graphisch vereinfacht. Das „normierteHäufigkeits-Diagramm” oben zeigt, dasskontinentale und ozeanische Kruste sichvor allem in der Zusammensetzung ihrerinkompatibler Elemente (links) erheblichunterscheiden. In dem unteren „Element-verhältnis-Diagramm” entlarvt das Kon-zentrationsverhältnis der SpurenelementeNiob (Nb) und Tantal (Ta) gegen die Niob-Konzentration die Herkunft des untersuch-ten Gesteins. So sind die meisten gemes-senen Werte von Ozeaninseln, wie zumBeispiel Hawaii, deutlich niedriger als derWert des primitiven Erdmantels. Somit istdieser als Ausgangsgestein des Hotspot-Vulkanismus auszuschließen – was wieder-um für dessen Recycling aus der Ozean-kruste spricht (Abb. 41).

Wie funktioniert das Funken-massenspektrometer?

Wie alle Massenspektrometer ist dieses Gerät ausden drei Hauptbestandteilen Ionenquelle, Ana-lysator und Ionen-Nachweissystem aufgebaut(Abb. 42).

Ionenquelle: In der Ionenquelle wird einegepulste Hochfrequenzspannung zwischen zweietwa sieben Millimeter langen Stiften (Elektroden)angelegt, die aus einer Mischung von etwa 60Milligramm Gesteinsprobe und 30 MilligrammGraphit bestehen. Dadurch wird ein Plasma er-zeugt – ein heißes Gas aus hauptsächlich einfachpositiv geladenen Atomen (= Ionen), Elektronenund Neutralteilchen. Die Ionenverteilung in demFunkenplasma entspricht in etwa der Elementver-teilung in den Probenelektroden und ermöglichtsomit eine einfache Gesteinsanalyse sehr vielerElemente (Abb. 40). Die Ionen werden mit einerHochspannung beschleunigt, ehe sie in den Ana-lysator gelangen.

Analysator: Er besteht aus einem elektrischenZylinderfeld und einem homogenen Magnetfeld.In dem Magnetfeld werden die Ionen – je nachihrer Masse – auf verschiedene Kreisbahnen ge-lenkt. Dies bedeutet, dass Elemente mit großen

Massenzahlen – wie zum Beispiel Uran-238 oderThorium-232 – viel weniger abgelenkt werden alsElemente mit kleinen Massenzahlen wie etwa Alu-minium-27. Die Geometrie der Felder ist so ge-wählt, dass alle Ionen längs einer geraden Ebenefokussiert werden (Abb. 42).

Ionennachweis: Die Fotoplatte, das konven-tionelle Ionennachweissystem eines Funkenmas-senspektrometers, wurde in den letzten Jahrendurch ein im Institut entwickeltes, neuartigesMulti-Ionenzählsystem ersetzt. Zwanzig so ge-nannte Channeltron-Detektoren – Elektronenver-vielfacher, bei denen jedes Ion eine Lawine vonElektronen auslöst –, nur 1,8 Millimeter breit undsehr empfindlich, werden verwendet, um jedesankommende Ion zu zählen. Bis zu zwanzig Ele-mente können dadurch gleichzeitig gemessenwerden. Das gewährleistet ein schnelles und mo-dernes analytisches Verfahren, wobei ein PC dieSteuerung der verschiedenen elektronischen Kom-ponenten, das Auslesen und die graphische Dar-stellung der Zählraten sowie die Berechnung derElementkonzentrationen übernimmt.

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Black Box der ErdgeschichteWas Krusten und Knollen aus Eisenmangan überurzeitliche Ozeane verraten

Am Boden der Ozeane finden sich häufig Krustenund Knollen aus Eisen- und Manganerz. DasMetall stammt aus dem Meerwasser, das seinenNachschub aus vulkanischen Quellen und Dämp-fen und aus der Zulieferung von Flüssen bezieht.

Die schwarzen Eisenmangankrusten wachsenSchicht um Schicht – aber nur wenige Millimeterpro Jahrmillion (siehe Abb. 44): Manche sindbereits 30 Millionen Jahre alt. Das macht sie für Geochemiker höchst interessant. Denn dieKrusten sind steinerne Tonbänder der Erdge-schichte: Das darin enthaltene Spurenelement Bleihat in seinen Isotopenverhältnissen sowohl dieStrömungen als auch die Zusammensetzungen derOzeane vergangener Zeiten aufgezeichnet.

Messbar werden diese erdgeschichtlichen Ver-änderungen durch den natürlichen radioaktivenZerfall mancher Elemente. So zerfallen die Uran-isotope 238U und 235U zu zwei verschiedenen Blei-isotopen, nämlich 206Pb und 207Pb (Pb = plum-bum ist das chemische Symbol für Blei, siehe auch„Globales Recycling: Wie sich die Erde runderneu-ert“). Deshalb ändern sich im Laufe der Zeit, jenach Urangehalt, die Anteile der „radiogenen“Isotope 206Pb und 207Pb im Vergleich zum norma-len, nicht radiogenen 204Pb. Demzufolge zeigenIsotope aus der Erdkruste (mit hohem Urangehalt)und aus dem Erdmantel (mit niedrigem Urange-halt) unterschiedliche Zusammensetzungen.

Und die Gesteine „färben“ ab auf die Meere.So ist das im Atlantikwasser gelöste Blei relativ ra-diogen: Es stammt von Flüssen aus den alten,uranreichen Kontinenten, die den AtlantischenOzean umgeben und viel radiogenes Blei produ-ziert haben.

Im Gegensatz dazu enthält der Pazifik wenigerradiogenes Blei; denn der Pazifische Ozean ist vonjungen Vulkanen umringt. Diese stammen direktaus dem Erdmantel, und sie enthalten wenig Uranund deshalb auch nur wenig radiogenes 206Pb und207Pb. Die verschiedenen Isotope des ElementsBlei liefern also gewissermaßen Fingerabdrücke ih-rer Herkunft. Kleine Mengen von Blei werden ausdem Meerwasser in Eisen-Manganknollen und -krusten Schicht um Schicht mit eingebaut. Damitwird der isotopische Fingerabdruck des jeweiligenMeerwassers auf die sich ablagernde Schicht über-tragen und so im Gestein festgehalten, und solässt sich die Geschichte der Meere in die Vergan-genheit zurückverfolgen.

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Abb. 44. Querschnitt einer Eisenmangankruste ausder Tiefsee. Solche Krusten wachsen lang-sam mit einer Geschwindigkeit von eini-gen Millimetern pro Millionen Jahre. In ih-nen ist die Geschichte des Ozeans ge-speichert.

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Als sich Amerika in Panama zusammenschloss

Die heutige Meereszirkulation (siehe Abb. 45) wirdgesteuert von der Wärme und dem Salzhaushalt derOzeane. Wichtig dabei ist, dass in Richtung der Poledem Meer Frischwasser zugeführt wird, während umden Äquator die Verdunstung des Meerwassers do-miniert.

Die große Meereszirkulation bestimmt entschei-dend das lokale und globale Klima, das „Verhalten“des Meeres und – nicht zu vergessen – der Atmo-sphäre. Schließlich können auch tektonische Bewe-gungen die ozeanische Zirkulation beeinflussen,indem sie den Meeresströmungen Wege öffnen oderschließen können. Das zeigt eines der folgenschwer-sten Ereignisse der letzten zehn Millionen Jahre: DieEntstehung der Landbrücke zwischen Nord- undSüdamerika. Die Schließung des panamaischen Toreszwischen Atlantik und Pazifik beendete hier vor dreibis vier Millionen Jahren den Wasseraustausch zwi-schen Atlantik und Pazifik. Die Folge: Die Salzzirku-lation verstärkte sich ebenso wie die „Förderung“des Tiefenwassers im Nordatlantik – das ergaben Mo-dellberechnungen der Meeres- und Luftströmungen

sowie Studien an stabilen Isotopen des Sauerstoffsund Kohlenstoffs aus Sedimenten des Urozeans.

Gleichzeitig veränderten sich nachweisbar dieBlei-Zusammensetzungen im pazifischen Ozean: Dieintensivere Pumparbeit des Atlantiks brachte letzt-endlich mehr Atlantikwasser in den Pazifik – überden Umweg der ebenfalls verstärkten zirkumantark-tischen Strömung. Nachweisen lässt sich dies durchden seit 10 Millionen Jahren wachsenden Anteil desradiogenen Bleis in den Mangankrusten des Pazifiks.

Versteinerte Zeugen für Meeresströme

Unsere neuesten Untersuchungen einer Mangan-kruste aus dem östlichen äquatorialen Atlantikzeigen nun ein besonders differenziertes Bild derStrömungsgeschichte des atlantischen Tiefenwasserswährend der letzten 13 Millionen Jahre. Der radioge-ne Anteil des Bleis, gemessen durch das 206Pb/204Pb-Verhältnis zeigt ein abwechselndes Abfallen und An-steigen, mit einem ersten Tiefpunkt vor 8 und einemZweiten von 3 Millionen Jahren. Seither steigt dasVerhältnis wieder an (siehe Abb. 46). Möglicherweise

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Abb. 45.Das weltweite Um-wälzungssystemder Ozeane. Diewichtigste Pumpedieses Systems liegtim Nordatlantik.Dort sinkt dasOberflächenwas-ser des Golfstro-mes, das auf demWeg nach Nordendurch Verdunstungsalzhaltiger unddeshalb dichtergeworden ist, in dieTiefe und beginntseinen Weg alskalte Tiefenströ-mung bis in denNordpazifik.

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ist dieses zyklische Auf und Ab durch strömungsbe-dingtes Mischen von Wassermassen zu erklären, dieaus dem Norden stammen und radiogenes Blei ent-halten, mit solchen, die aus dem Süden stammenund weniger radiogenes Blei enthalten.

Ein Blick auf Abbildung 47 zeigt jedoch einwesentlich komplizierteres Bild. Durch Verfeinerungder Messgenauigkeit der 207Pb/204Pb -Verhältnisse,die über den gesamten Zeitraum von 13 MillionenJahren nur zwischen den Werten 15,69 und 15,72schwankten, können wir den Mischungsprozessunterschiedlicher Wassermassen wesentlich genauerverfolgen. Auf diesem Diagramm liegen unterschied-liche Mischungen von zwei Wassermassen immerauf einer geraden Linie. Eine solche gerade Linie bil-den die Bleiisotope in dem Zeitraum zwischen 12,5und 6,5 Millionen Jahren. Die beiden sich mischen-den Wassermassen stammen zum einen aus dem öst-lichen Nordatlantik zwischen Grönland und Nor-wegen und zum anderen aus dem Südatlantik oderdem Mittelmeer. Danach kommt eine neue Wasser-masse ins Spiel, vermutlich ebenfalls aus dem Süden,die das 207Pb/204Pb -Verhältnis zunehmend verrin-gert und zwar bis zum Beginn der Eiszeiten vor etwa

Abb. 47. 207Pb/204Pb aufgetragen gegen 206Pb/204Pb in derselben Man-gankruste wie in Abb. 46. 207Pb (ausgesprochen „Blei-207”) wirddurch radioaktiven Zerfall von Uran-235 produziert. Die Zahlen-werte in dem Diagramm sind die Alterswerte der jeweiligenSchicht innerhalb der Kruste (beginnend mit 12,5 Millionen Jahrenrechts oben bis zur Jetztzeit, null Millionen Jahre rechts unten).

Abb. 46.Veränderung der Bleiisotope, bezeichnet als 206Pb/204Pb, mitdem Alter in einer Eisenmangankruste aus dem östlich äquatori-alen Atlantik. 206Pb (ausgesprochen „Blei-206”) wird durch radio-aktiven Zerfall von Uran-238 produziert. 204Pb („Blei-204”) ist „nor-males” Blei, das nicht durch radioaktiven Zerfalls produziert wird.

3 bis 4 Millionen Jahren. Danach tritt eine vierteWassermasse auf, dieses Mal aus dem LabradorMeer, und verstärkt ihren Einfluss kontinuierlich biszum heutigen Tage.

Noch sind die hier gewonnenen Erkenntnisseüber die Entwicklung der Weltmeere unsicher.Eisenmangankrusten haben – wie ein Tonband – dieMeeresgeschichte aufgezeichnet: In ihrer charakte-ristischen Zusammensetzung von Isotopen habensie deren unterschiedliche Quellen zu jedem Zeit-punkt in den letzten 15 Millionen Jahren unaus-löschlich gespeichert. Wir müssen aber noch vielesolcher Tonbänder aus verschiedenen Regionen undMeerestiefen abhören, bis wir diese Geschichte voll-ständig rekonstruieren können.

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Geowissenschaftler produzieren, wie andere For-scher auch, in immer kürzerer Zeit immer mehrDaten und Zahlen. Um die wachsende Faktenfluterfassen, miteinander vergleichen und auswertenzu können, hat das Max-Planck-Institut für Che-mie eine geochemische Gesteinsdatenbank aufge-baut, in der Tausende von chemischen Analysenvon Gesteinen aus aller Welt zusammengestelltund auf elektronischen Abruf verfügbar sind.

Die Auswertung eines kontinuierlich anwach-senden Literaturvolumens ist ein zentrales Problemzahlreicher Fragestellungen innerhalb der Geowis-senschaften. Wie hilft sich zum Beispiel ein Geoche-miker, der Isotopenhäufigkeiten in Hawaii-Basaltenuntersucht und neue eigene Messungen vergleichenmöchte mit älteren Daten (siehe Abb. 39), die zuunterschiedlichen Zeiten mit verschiedenen Metho-den bestimmt wurden und in verschiedenen wissen-schaftlichen Zeitschriften publiziert sind? Er benutztGEOROC, die geochemische Gesteinsdatenbank desMax-Planck-Institutes für Chemie, und erspart sichdadurch mühseliges Suchen. Sozusagen auf Knopf-druck erhält er eine Auswahl von Datensätzen ent-sprechend den von ihm genannten Kriterien. EineDatenbank dieses Umfanges ist bislang einzigartigim geowissenschaftlichen Bereich.

Wie funktioniert eine Datenbank?

Eine Datenbank ist eine Sammlung von Informatio-nen aus verschiedenen Datenquellen. Sie besteht im-mer aus zwei Teilen: der Datenbasis, in der die Datengespeichert werden, und einem Datenbank Manage-ment System, das die gespeicherten Daten verwaltetund gezielte Veränderungen der Datenbank und derdarin enthaltenen Daten ermöglicht – etwa durchEingabe, Auswahl oder Berechnungen.

Zur Datenspeicherung dienen Tabellen, die ineiner „relationalen“ Datenbank zusammengestelltsind. Das bedeutet, dass die Daten auf mehrereTabellen verteilt sind, die über verschiedene, festeBeziehungen („relational“) miteinander verbundensind. Damit lässt sich jede Information speichernund in jeder erdenklichen Form und Kombinationwieder abrufen (Abb. 48).

Wie erfolgt der Zugriff?

Der Zugriff auf die Datenbank kann von jedemPunkt der Erde über das Internet erfolgen. Ein Web-Interface verbindet den Internet-Browser mit der Da-tenbank. In einer Abfolge von Web-Seiten kann derNutzer Kriterien für die Datenselektion setzen. DasErgebnis der Auswahl kann zur weiteren Bearbeitungauf den eigenen Rechner gespeichert werden.

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Basalte übers InternetGEOROC: Die neue geochemische Gesteinsdatenbank ist vonjedem Punkt der Welt aus erreichbar

Abb. 48. ZusammenführunggeochemischerDaten von wissen-schaftlichen Artikelnaus aller Welt in dieDatenbank undAuswertung der ge-sammelten Daten.

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Was kann man mit GEOROC machen?

Mit Hilfe der Datenbank GEOROC kann der Wissen-schaftler

• Daten vergleichen, etwa die chemische Zu-sammensetzung junger Basalte, die durch Eruptionheute aktiver Vulkane entstanden sind (wie der Ki-lauea auf Hawaii), mit der sehr alter Basalte, die vormehreren Milliarden Jahren gebildet wurden (solchealten Basalte findet man z.B. in Südafrika);

• Berechnungen durchführen, zum Beispiel diedurchschnittliche Zusammensetzung von Gesteinenbestimmter Regionen ermitteln;

• Diagramme erstellen, mit deren Hilfe etwaUnterschiede in der chemischen Zusammensetzungvon Basalten verschiedener Ozeaninseln erkanntwerden können, zum Beispiel sind die Basalte vonHawaii bei gleichem Magnesiumoxid-Gehalt Tho-rium-ärmer als die Basalte der Azoren (Abb. 49).

Welche Daten sind abrufbar?

GEOROC umfasst die publizierten chemischen Ana-lysen von Gesteinen und Mineralen sowie verschie-dene zur Bewertung dieser Analysen notwendige zu-sätzliche Angaben:- Fundort der Proben- Gesteinstyp und Alter- Messmethode, zum Beispiel Massenspektrometrie

oder Röntgenfluoreszenz- Genauigkeit der Messung

Jeder Datensatz ist eindeutig mit der ursprüng-lichen Literaturquelle verbunden, damit der Nutzerfeststellen kann, wer die Messung gemacht hat undwo die Daten publiziert sind.

Vorerst stehen ozeanische Vulkangesteine imMittelpunkt der Datenbank, später werden auch an-dere Gesteine der Erde berücksichtigt werden.

Abb. 49. Konzentration des Spurenelements Thorium (Th, gemessen inppm = parts per million) aufgetragen gegen die Konzentrationvon Magnesiumoxid (MgO, gemessen in Gewichtsprozent) inBasalten von verschiedenen Ozeaninseln. Insgesamt sind hierDaten von über 500 Gesteinsproben aus 50 Publikationen zu-sammengestellt.

http://georoc.mpch-mainz.gwdg.de

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Gruppe Hochdruck-Mineralphysik

Diamant – Ein Fenster zum ErdinnernEine „kleine” Apparatur simuliert Drücke und Temperaturen wie imtiefsten Erdinnern

des Kerns flüssig und der innere Teil fest ist. Dies be-deutet, dass die Temperatur an der Grenze zwischeninnerem und äußerem Kern der Schmelztemperaturdes Kernmaterials entspricht. Der Druck an dieserStelle errechnet sich relativ genau aus astronomi-schen Daten und der Gravitationskonstante und be-trägt ca. 3,3 Millionen Atmosphären. Für die Ermitt-lung der Temperatur im Erdinnern ist somit dieMessung der Schmelztemperatur von Eisen bei die-sem hohen Druck erforderlich.

Die Erde besteht im Wesentlichen aus einer silika-tischen Hülle, die einen aus Eisen bestehendenErdkern umgibt. Dieser Schalenaufbau und auchdie chemische Zusammensetzung leiten sich ausErkenntnissen der Kosmochemie, den astronomi-schen Daten der Erde und der Seismik ab (s. Abb.50). Die Erde ist kein ruhiger, starrer Körper, son-dern ist ständig in Bewegung. Aus Beobachtun-gen an der Erdkruste wie der Kontinentalver-schiebungen, der Ausbreitung der Seeböden unddem Abtauchen von Platten unter die Kontinen-te, kann man auf großräumige Umwälzungen(Konvektion) im Erdmantel schließen.Der physikalische Grund für dieseKonvektion liegt in der Pro-duktion von Wärme imErdmantel und im Kern,aber der beobachteteWärmefluss lässt sichdurch die Wärmeleitungzur Erdoberfläche alleinenicht erklären. Konvek-tionsströme müssen auch imErdkern angenommen werden,da nur so das Magnetfeld der Er-de erklärt werden kann. Ein Ver-ständnis dieser Bewegungen setztdie Kenntnis der Temperaturvertei-lung in der Erde voraus und dies istdas zentrale Forschungsthema derGruppe Hochdruck-Mineralphysik.

Der Erdkern ab einer Tiefe von 2900 kmbis zum Erdmittelpunkt (6300 km) besteht zumindestens 90% aus Eisen. Die Erforschung derphysikalischen Eigenschaften des Erdkerns istnicht nur Grundlage zum Verständnis der Ursachedes Magnetfelds der Erde. Aus der Schmelztempera-tur des Kernmaterials lässt sich die Temperatur imErdinnern ableiten, eine der bisher am wenigsten be-kannten geophysikalischen Größen: Auf Grund seis-mischer Messungen weiß man, dass der äußere Teil

Abb. 50.Schalenaufbau der Erde, im Wesentlichen ab-geleitet aus den Änderungen der seismischen

Wellengeschwindigkeiten.

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messen und die Temperatur ausdem Planck’schen Strahlungsge-setz abgeleitet. Der Schmelzpro-zess kann dabei direkt beobachtetwerden. Die Versuchsanordnungist schematisch in Abbildung 51dargestellt.

Die Probe befindet sich zwi-schen zwei Diamantstempeln ineiner Druckkammer, die aus ei-nem durchbohrten Metallscheib-chen hergestellt wurde. DasDruckmedium, in dem sich dieProbe befindet, muss weich undlichtdurchläßig sein und sollte diebeheizte Probe thermisch von denextrem gut leitenden Diamant-stempeln isolieren. Edelgase (z. B.Argon) sind hierfür besonders gutgeeignet. Diese werden unterDruck in die Probenkammer ein-gefüllt. Der Druck wird über dieFluoreszenz-Spektrallinie, die miteinem zweiten Laser angeregtwird, gemessen. Abbildung 52zeigt eine laserbeheizte Probe inder Diamant-Hochdruckzelle imDurchlicht. Der Laserstrahl ist de-fokussiert, um Temperaturgradien-ten möglichst klein zu halten.

Grenzschicht Erdkern – Erdmantel

Die Messungen ergaben dieDruckabhängigkeit der Schmelz-temperatur von Eisen bis zu einemDruck von ca. 2 Millionen Atmo-sphären. Aus dieser Abhängigkeiterrechnet sich eine Temperatur ander Grenze zum inneren Erdkernzwischen 4 500 und 5 000 °C undim Erdzentrum von ca. 5 000 °C.

Drücke von 4 Millionen Atmo-sphären und Temperaturen vonüber 4 000 Grad

Zur Erzeugung sehr hoher Drückeim Labor dienen seit über 30 Jah-ren Diamantstempel-Apparaturen.Im Wesentlichen werden hier diezu untersuchenden Proben durchzwei Stempel mit brilliantähnli-chem Schliff komprimiert. Bedingtdurch die extrem hohe Härte vonDiamant und die kleinen Druckflä-chen können Drücke von über 4Millionen Atmosphären erzeugtwerden. Dies ist mehr als der Druckim Erdzentrum (ca. 3,6 MillionenAtmosphären). Durch die hoheLichtdurchlässigkeit von Diamantkönnen dabei optische Untersu-chungen in einem großen Spektral-bereich durchgeführt werden.

Eine schwierigere Aufgabe istdie gleichzeitige Erzeugung vonDruck und Temperatur, da sichDiamant oberhalb von ca. 1 000 °Cin Graphit umwandelt. Tempera-turen von mehreren TausendGrad, wie sie im Erdinnern herr-schen, können nur durch direktesBeheizen der Proben mit leis-tungsstarken Infrarotlasern er-zeugt werden. Im Mainzer Hoch-drucklabor wurde diese ca. 10 Jah-re alte Technik so weit entwickelt,dass damit zum ersten Mal Drückeund Temperaturen des Erdkernserzeugt werden konnten (2 Mil-lionen Atmosphären und über4 000 °C). Zu dieser Entwicklunggehört auch die genaue Messungder Temperatur. Das emittierteLicht der extrem kleinen Probenwird hierbei spektrometrisch ver-

Abb. 51.SchematischerQuerschnitt einerDiamantstempel-Apparatur mitStrahl eines Infra-rotlasers zum Be-heizen der Probeund Strahl einesArgonionenlaserszur Anregungeines Rubinsplit-ters für spektros-kopische Druck-messungen.

Abb. 52. LaserbeheizteMetallscheibe inder Diamant-hochdruckzelleim Durchlicht.

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Ebenso wie der äußere Erd-kern unterliegt der Erdmantel derKonvektion. Nun wissen wir ausder Seismik, dass der Erdmantelfest ist, da er fähig ist, akustischeScherwellen zu transportieren.Festes Gestein allerdings lässt sich,wie in der Geologie beobachtet,bei hoher Temperatur und hohemDruck über geologische Zeiträumehinweg relativ leicht verformen.Aus der Gesteinsmechanik wissenwir, dass diese Verformungen um-so einfacher möglich sind, je hö-her die Temperatur ist, und je ge-ringer der Unterschied zwischender Temperatur des Materials undseiner Schmelztemperatur ist. Fürdas Verständnis dieser Gesteins-verformungen ist daher dieKenntnis der Schmelztemperaturwichtig. Wir haben eine Methodezur Beheizung von Mineralien inDiamant-Hochdruckapparaturendurch CO2-Laser entwickelt. ErsteMessungen der Schmelztempera-turen der Hauptmineralien desunteren Erdmantels, Mg-Fe-Si-Pe-rowskit, Magnesiowüstit (Mg,Fe)Ound Ca-Si-Perowskit, ergaben Wer-

te weit oberhalb der Manteltem-peratur, die sich aus bekanntenPhasenumwandlungen ableitet.Aus diesen Ergebnissen wurde ei-ne starke Zunahme der Viskositätmit der Erdtiefe vorausgesagt, waseine Konvektion erschwert. Neu-este Messungen an realistischenGesteinszusammensetzungen je-doch ergaben im Gegensatz zubisherigen Annahmen niedrigereWerte der Viskosität. An der Kern-Mantelgrenze liegt somit dieSchmelztemperatur des Gesteinsnahe an der Temperatur des Erd-kerns. Der Temperaturverlauf imErdinnern und die entsprechen-den Schmelztemperaturen sindschematisch in Abbildung 53 dar-gestellt.

Diese Ergebnisse haben meh-rere wichtige Folgerungen: Deruntere Erdmantel war mit hoherWahrscheinlichkeit auch in derfrühen Erdgeschichte fest, mitAusnahme einer dünneren Zonean der Kern-Mantel Grenze. Nurdurch eine Kollision der Erde mitsehr großen Körpern hätte er kurz-

Abb. 53.Zunahme der Tem-peratur mit der Erd-tiefe im Vergleichzu den Schmelz-temperaturen imErdmantel und imErdinnern.

fristig aufgeschmolzen werdenkönnen. Chemische Differentia-tion durch partielles Aufschmel-zen war somit nur im oberen Teildes Mantels und an der Kern-Mantel Grenze möglich. Die Vis-kosität, die sich durch Skalierungmit dem Verhältnis der Tempera-tur zur Schmelztemperatur er-rechnen lässt, nimmt mit der Tie-fe im unteren Erdmantel sehrwahrscheinlich nur geringfügigzu. Dies hat wichtige Folgen ingeodynamischen Konvektions-modellen. Die aus der Seismik ab-geleiteten heterogenen Eigen-schaften der Grenzschicht zwi-schen Kern und Mantel sind mithoher Wahrscheinlichkeit eineFolge von partiellen Schmelzer-scheinungen.

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Seit alters her fürchten sich die Menschen vorNaturkatastrophen wie Vulkanausbrüchen undErdbeben, aber auch vor Meteoritenfällen mitihren gewaltigen Schall- und Leuchterscheinun-gen. Lange war jedoch unklar, was Meteoriteüberhaupt sind und woher sie kommen, so speku-lierte Lichtenberg bereits 1797: „Der Mond ist einunartiger Nachbar, weil er mit Steinen nach unswirft“. Heute scheint diese zentrale Frage gelöst.Jetzt wollen wir wissen, was wir von den Meteo-riten über unser Sonnensystem und die Bildungder Planeten lernen können.

Meteorite sind Gesteinsbruchstücke extraterres-trischen Materials, mit dem die Erde kontinuierlichbombardiert wird. Zusammen mit den in den sechzi-ger und siebziger Jahren zur Erde gebrachten Mond-proben stellen sie den Hauptteil außerirdischerMaterie, die für wissenschaftliche Untersuchungenzur Verfügung steht. Bei Meteoriten drängt sich dieFrage auf, woher sie stammen. Ihr Herkunftsortkann aufgrund beobachteter Flugbahnen bestimmtwerden, die bis zum so genannten „Asteroidengür-tel“ zwischen Mars und Jupiter zurückverfolgtwerden können. In diesem Gürtel befinden sichKleinplaneten, die durch Kollisionen zertrümmertwerden. Manche dieser Bruchstücke gelangen dannauf erdbahnkreuzende Orbite und werden so vonder Erde eingesammelt. Nur ein kleiner Teil der be-kannten Meteorite stammt von größeren Körpernwie Mond und vermutlich Mars.

Mit dem Studium der Meteorite werden wichtigeInformationen über die frühste chemische und phy-sikalische Entwicklung des Sonnensystems, über dieProzesse der Planetenbildung, aber auch über die Zu-sammensetzung unserer Nachbarplaneten gewon-nen.

Von besonderem wissenschaftlichen Interessesind vor allem die Steinmeteorite, die in die zweiUntergruppen aufgeteilt werden, Chondrite undAchondrite. Unter dem Begriff „Chondrite“ werdenundifferenzierte bzw. primitive Meteorite zusam-mengefasst. Chondrite bestehen aus kleinen Kügel-chen, den Chondren, und einer feinkörnigenMatrix. Die chemische und isotopische Zusammen-setzung der Chondrite wird intensiv an unseremInstitut untersucht. Als Referenzmaterial für dieGesamtzusammensetzung unseres Sonnensystems

gilt die Zusammensetzung der Sonne, die hinsicht-lich vieler Elemente mittels der optischen Spektral-analyse bestimmt wird. Die Zusammensetzung derChondrite wird mit großer Genauigkeit im Labor ge-messen und mit den solaren Elementhäufigkeitenverglichen. Abweichungen von solaren Häufigkeitenkönnen durch das Flüchtigkeitsverhalten von Ele-menten (Gas-/Festkörperreaktionen) erklärt werdenund deuten darauf hin, dass gerade die frühsten Pro-zesse im solaren Nebel entscheidend die chemischeZusammensetzung der Chondrite beeinflussten.

Aus diesem „primitiven“ Material bestehen dieBaublöcke der Kleinplaneten und Planeten. Wie dieErde wurden die größeren der Kleinplaneten aufge-heizt und dabei teilweise geschmolzen. Achondriteund Eisenmeteorite sind Zeugen dieser Schmelzer-eignisse. Ihre genaue Untersuchung ermöglicht dieErkennung der Differentiationsprozesse und derenQuantifizierung.

Gewöhnlich sind Meteorite (mit Ausnahme derMond- und Marsmeteorite) viel älter als terrestrischeGesteine. Aus dem Alter ihrer primitivsten Kompo-nenten wurde das Alter unseres Sonnensystems auf4,57 Milliarden Jahre bestimmt. Darüber hinauskönnen entscheidende Phasen der Entwicklung dessolaren Nebels datiert und damit in eine zeitlicheAbfolge gestellt werden, wie z.B. die Chondrenbil-dung, die Bildung von größeren Körpern und derenthermische Metamorphose und Differenzierung.

Der Zeitpunkt der Bildung der Meteorite als klei-ne Körper im interplanetaren Raum (dann Meteo-roide genannt), ihre Transferzeiten vom Mutterkör-per zur Erde und ihre Verweilzeit auf der Erdewerden durch spezielle Datierungsmethoden be-stimmt.

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Meteorite – Bausteine unseres Sonnensystems

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Chemismus und Petrologie

Die Zahl der bekannten Meteoriteist in jüngster Zeit ständig gestie-gen, da in Gebieten der Antarktisund Sahara verstärkt nach ihnengesucht wird. Im Jahre 1997 wur-den allein in der libyschen Wüstemehr als 200 neue Meteorite ge-funden. Davon wurden etwa 100von Wissenschaftlern unseres In-stituts genauer untersucht. Einigeseltenere Typen werden im Folgen-den kurz vorgestellt und ihr wis-senschaftlicher Wert beleuchtet.

Einer der „primitivsten“ Mete-orite ist Hammadah al Hamra 237(HaH 237), der zu der seltenenKlasse der CH-Chondrite gezähltwird. In dem Kürzel „CH“ steht Cfür „carbonaceous“ (kohliger)Chondrit und H für „high-metal“(hoher Metallgehalt), was andeu-ten soll, dass diese Meteoritemetallreicher sind als andere koh-

Mehrere Achondrite wurdenuntersucht, unter anderem Mete-orite der primitiven Achondrite,aber auch solche von hochdiffe-renzierten größeren Planeten wieMond und Mars. PrimitiveAchondrite wurden nur begrenztaufgeschmolzen und haben daherviele Charakteristika ihres chon-dritischen Ausgangsmaterials be-wahrt. Wir wissen nichts über dieplanetaren Körper, von denen siestammen, nehmen aber an, dasses sich um Asteroiden handelt.Eine nur wenig verstandene Klas-se primitiver Achondrite sind dieUreilite. Diese Gesteine haben an-scheinend widersprüchliche Ei-genschaften: einige ihrer Vertretersind sehr primitiv und offensicht-lich kaum magmatisch verändert,andere wiederum scheinen einemagmatische Geschichte erlebtzu haben, die nahezu der Kom-plexität von Mond- oder Mars-meteoriten ähnelt.

Zwei neue Ureilite wurden inunserer Sammlung libyscher Me-teorite erkannt. Diese und andereUreilite wurden von uns studiert,um ihre widersprüchlichen Eigen-schaften besser zu verstehen. Da-bei wurde der manchmal sehrunterschiedliche Mineralbestandvieler Ureilite hochpräzise be-stimmt und mit den Ergebnissentheoretischer Modellierungenmöglicher Prozesse, die zu sol-chen Mineralbeständen führen,verglichen. Die Ergebnisse diesesVergleichs deuten darauf hin,dass, falls Ureilite in der Tat sehrprimitive Gesteine sind, die Zu-sammensetzung ihres Ausgangs-gesteins verschieden sein mussvon der bekannter primitiverChondrite. Dies hätte zur Folge,dass die auf der Erde zur Verfü-

Abb. 54.Einschluss im Olivin des Meteoriten QUE 93148, der aus mehrerenMineralen (Chromit, weiß; Pyroxen, dunkelgrau) besteht. Die La-mellenform des Einschlusses ist typisch für Ausscheidungen auseinem Wirtskristall (hier Olivin), seine Zusammensetzung jedochnicht. Es ist daher wahrscheinlicher, dass während der Olivin be-reits wuchs, eine Schmelze eingeschlossen wurde, die dann kris-tallisierte.

lige Chondrite. HaH 237 bestehtaus kleinen Fragmenten einzelnerSilikatminerale und größerer Sili-katklasten, die in einer Matrixvon zumeist zerbrochenenMetallkörnern liegen. Zusätzlichtreten seltene Mineraleinschlüsse,so genannte „CAIs“ (Kalzium-Alu-miniumreiche Einschlüsse) auf,deren Minerale als Erste aus demursprünglichen solaren Nebelkondensiert sind. Mit einemMetallgehalt zwischen 60 und 70Gew.-% ist HaH 237 sogar metall-reicher als andere Vertreter derKlasse der CH-Chondrite. Diesdeutet darauf hin, dass HaH 237eine Akkretionsbrekzie ist, d.h.eine mechanische Mischung vonMetall und Silikat. Beide Kompo-nenten (Metall und Silikat) kon-densierten (vermutlich in unter-schiedlichen Bereichen oder zuverschiedenen Zeiten) im solarenNebel.

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gung stehenden Probensamm-lungen noch immer Lücken auf-weisen.

Erstaunlich ist dies nicht, daMeteoritenforscher immer wiederneue Meteorite entdecken, dienicht in die bestehenden Klasseneingeordnet werden können. ImFalle des Meteoriten Queen Ale-xandra Range 93148 (QUE 93148),einem weiteren primitivenAchondrit, konnten Wissenschaft-ler unseres Instituts seine Einma-ligkeit anhand seiner Spurenele-mentkonzentrationen veran-schaulichen. Der Meteorit bestehtvorwiegend aus dem Mineral Oli-vin (Mg2SiO4). Einzelne Olivinehaben komplexe Einschlüsse mitungewöhnlichen Strukturen undZusammensetzungen (Abb. 54).Wegen seiner Einzigartigkeit fälltes schwer, diesen Meteoriten ineinen zeitlichen Ablauf der Ent-wicklung des Sonnensystems ein-zuordnen. Unglücklicherweise istQUE 93148 sehr klein (1 Gramm),so dass wir nur auf weitere ähnli-che Meteoritenfunde oder -fällehoffen können.

Des Weiteren fanden sich zweibesonders wichtige differenzierteMeteorite, Dar al Gani 400 (DaG400) und Dar al Gani 476 (DaG476). DaG 400 ist der vierzehntebekannte Mondmeteorit und erstder Dritte, der außerhalb derAntarktis gefunden wurde. Mit ei-ner Masse von 1425 g ist er auchder größte jemals gefundeneMondmeteorit. Aufgrund der che-mischen Zusammensetzung, desMineralchemismus und der Texturwurde DaG 400 als Regolithbrek-zie identifiziert, die von denHochlandgebieten des Mondesstammt. Eine Regolithbrekzie istein Gestein, das aus einer Vielzahl

von Mineralfragmenten undStaub besteht. Diese Fragmentebildeten sich durch mehrere Ein-schläge an der Oberfläche desMondes, wobei ursprünglichesMondmaterial zerbrochen, umver-teilt und später zementiert wurde.Die unterschiedlichen Kompo-nenten ermöglichen es, vieleMondgesteine zu charakterisierenund unser Wissen über die geolo-gischen Prozesse auf dem Mondzu erweitern.

Dar al Gani 476 ist der drei-zehnte Meteorit, der zur Gruppeder SNC Meteorite (Shergotty,Nakhla, Chassigny) gehört (sieheSeite 54). Von diesen Meteoritenwird angenommen, dass sie vomMars stammen. SNCs sind kom-plexe magmatische Gesteine, diein vieler Hinsicht terrestrischenVulkaniten und Magmatitenähneln. Der hohe Anteil an demMineral Plagioklas (NaAlSi3O8-CaAl2Si2O8) charakterisiert DaG476 als basaltischen Shergottiten.Im Vergleich zu den basaltischenShergottiten ist sein Chemismusjedoch ähnlich dem Magnesium-reicher Shergottite (lherzolitischeShergottite). Daher ist DaG 476ein Übergangstyp und erlaubt es,die magmatischen Prozesse, diezur Bildung der Shergottite führ-ten, besser einzugrenzen. Textur,Chemismus und Alter deuten aufeine junge Mischung unterschied-licher Ausgangsgesteine hin, diein einem großen Aufschmelzereig-nis nur zum Teil homogenisiertwurde.

Faszination Forschung 57

Edelgase

Im Mutterkörper ist die meteoriti-sche Materie gegen die kosmischeStrahlung abgeschirmt. Erst nach-dem bei einem Einschlag meter-große Stücke als unabhängigeKörper (Meteoroide) losgelöstwurden, können die hochenerge-tischen Teilchen der kosmischenStrahlung im Meteoroiden Kern-reaktionen auslösen. Diese rufenVeränderungen in der Isotopen-zusammensetzung der vorhande-nen Elemente hervor. Das Prinzipeiner solchen Reaktion ist in Ab-bildung 55 gezeigt. Allerdingssind die durch derartige Kernreak-tionen produzierten Mengen soklein, dass sie nur bei Elementenmit sehr geringen natürlichenKonzentrationen nachweisbarsind. Edelgase (Helium, Neon,Argon, Krypton, Xenon), diekeine chemischen Verbindungenin Gesteinen bilden und deshalbin Metall und Silikaten sehr ver-armt sind, sind für Untersuchun-gen dieser Art besonders geeignet.Die massenspektrometrische Mes-sung von Edelgasen in Meteoritenist eines der Arbeitsgebiete derAbteilung Kosmochemie.

Aus den Konzentrationen der„kosmogenen“ Kerne (Nuklide)lässt sich die Dauer des Zeitab-schnitts bestimmen, den ein Me-teoroid im interplanetaren Raumzwischen Auswurf vom Mutter-körper bis zum Fall verbringt.Dieser Abschnitt wird Bestrah-lungsalter genannt. Die Vertei-lung der Alter für verschiedeneMeteoritenklassen spiegelt denletzten Abschnitt in der Ge-schichte der Meteoroide wieder,der mit dem Fall auf die Erde en-det.

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Eisenmeteorite haben Be-strahlungsalter bis etwa 2,3 Milli-arden Jahre, Steinmeteorite hin-gegen nur bis etwa 100 MillionenJahre. Dieses spiegelt die großeWiderstandskraft der Eisenmeteo-roide gegen Erosion durch Zu-sammenstöße mit kleineren Teil-chen im Raum wider; Steinmeteo-roide werden schneller zerstört.Zwischen einzelnen Klassen vonMeteoriten gibt es aber auchUnterschiede in der Bestrahlungs-alter-Verteilung. Als Beispiel ist inAbbildung 56 die Verteilung fürH- und L-Chondrite gezeigt. Für H-Chondrite zeigt sich eine Häu-fung der Alter bei etwa 7 Millio-nen Jahren. Zu diesem Zeitpunktwurden also viele H-Meteoroideerzeugt, wahrscheinlich durch ei-nen großen Einschlag eines ande-ren kosmischen Körpers auf demMutterkörper der H-Chondrite,bei dem viele kleine Bruchstückein den interplanetaren Raum aus-

geworfen wurden. Ein solches Ka-tastrophenereignis hat in den ver-gangenen 100 Millionen Jahrenauf dem L-Chondritenmutter-körper nicht stattgefunden, da de-ren Verteilung der Bestrahlungsal-ter keine eindeutige Häufung auf-weist (Abb. 56).

Auffällig in Abbildung 56 istweiter die geringe Anzahl vonMeteoriten mit kurzem Bestrah-lungsalter. Dieses Merkmal wirddamit erklärt, dass die Bruchstü-cke sich im Asteroidengürtel aufrelativ stabilen Bahnen um dieSonne bewegen. Erst wenn sie indie Nähe einer „Resonanz“ kom-men, also in eine sehr eng defi-nierte Entfernung von der Sonne,wo das Gravitationsfeld desgroßen Planeten Jupiter beson-ders stark ist, werden sie in kurzerZeit auf Bahnen gebracht, die mitder Erdbahn kreuzen. Findet eineKollision mit unserem Planetenstatt, sind die Meteorite schon

einige Millionen Jahre im Aste-roidengürtel unterwegs gewesen.Meteoroide, die direkt nach ihrerErzeugung als kleine Körper auferdbahnkreuzende Bahnen ge-worfen wurden, sind offensicht-lich bei diesen Meteoritenklas-sen selten.

Neben den kosmogenenEdelgasen gibt es eine Reihe an-derer Edelgas-Komponenten, diedurch andere Prozesse im Mete-oriten erzeugt oder in seine Ma-terie eingebracht wurden. Dazugehören radiogene Isotope (sieheBeitrag „Meteoritenmaterie:Schlüssel zum Verständnis derHerkunft der chemischen Ele-mente“), die durch den Zerfallnatürlich vorkommender, zumTeil heute ausgestorbener radio-aktiver Atomkerne erzeugt wur-den. Auch Edelgase, die nachder ursprünglichen Bildung derMaterie im Innern von Sterneneingebaut oder durch die solareKorpuskularstrahlung einge-schossen wurden, werden nach-gewiesen. Alle diese Komponen-ten unterscheiden sich in ihrerIsotopenzusammensetzung. Da-durch ist es möglich, die Kompo-nenten aufzulösen und Rück-schlüsse nicht nur auf die Entste-hung und Entwicklung der Me-teorite zu ziehen, sondern auchauf nukleosynthetische Prozessein Sternen.

Abb. 55.Schematische Darstellung der Kern-reaktionen, die durch die kosmischeStrahlung ausgelöst werden. Hochener-getische Teilchen der kosmischen Strah-lung treffen, hier als Beispiel, auf einen28Si-Kern auf, dabei zerfällt dieser ineinen 21Ne- und 3He-Kern. Die Rest-energie wird in Form von niederenerge-tischen Sekundärteilchen freigesetzt.

Abb. 56. Verteilung der Be-strahlungsalter vonL- und H-Chondri-ten. Die Altersver-teilung der H-Chondrite zeigteine Häufung beisieben MillionenJahren, die bei denL-Chondriten fehlt.Verantwortlich istdafür die Kollisiondes H-Chondriten-mutterkörpers miteinem anderenkosmischen Körper.

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Bei der Bildung des Sonnensys-tems aus interstellarem Gas undStaub wurde die uns zugängli-che Materie weitgehend homo-genisiert. Materie jedoch, diesich sehr früh gebildet hat, undMineralkörner, die den Bil-dungsprozess unbeschadet über-standen haben, erlauben es uns,weiter zurück in die Vergangen-heit zu blicken. Mit ihrer Hilfeist es möglich, die Prozesse zustudieren, in denen die chemi-schen Elemente in Sternen syn-thetisiert wurden.

Elementsynthese und Meteorite

Wie in unserer Sonne, laufen auchin anderen Sternen Kernreaktio-nen ab. Fast alle chemischenElemente, die wir kennen, sindProdukte solcher Kernreaktionen(„Nukleosynthese“) in Sternen.Ausgenommen sind nur die leich-testen Elemente: Wasserstoff undHelium, die ausschließlich bzw.überwiegend während des Urknallsgebildet wurden, und die relativseltenen Atomkerne von Lithium,Beryllium und Bor. Im Verlauf derNukleosynthese in Sternen werdenim Allgemeinen leichtere Elemen-te zu schwereren „verbrannt“.Zum Verständnis der einzelnenProzesse, wie sie im Verlauf einesSternenlebens sowie in aufeinan-der folgenden Generationen ab-laufen (Abb. 57), reicht unsereKenntnis der physikalischen Be-dingungen im Innern von Sternenund der erforderlichen kernphysi-

Meteoritenmaterie – Schlüssel zumVerständnis der Herkunft derchemischen ElementeDas Studium von Sternenstaub im Labor vermittelt Aufschluss über Prozesse im Inneren von Sternen

Abb. 57.Kreislauf der chemischen Elemente („galaktische chemischeEvolution”). Im Urknall werden die Isotope von Wasserstoff undHelium synthetisiert, woraus die Sterne der „ersten Generation”gebildet werden. Die Isotope der schwereren Elemente (für dieAstronomen „Metalle”) sind Produkte der Nukleosynthese inSternen. Sterne „späterer” Generationen enthalten dement-sprechend – wie für die Isotope von Kohlenstoff, Stickstoff undSauerstoff angedeutet – Materie, die in früheren Sterngeneratio-nen synthetisiert wurde. Der detaillierte Verlauf von Sternent-wicklung und Elementsynthese hängt entscheidend von derSternmasse ab.

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kalischen Parameter nicht aus.Man kann (und muss) aus derZusammensetzung der ProdukteRückschlüsse auf die Prozesseziehen – und zusätzlich die Rich-tigkeit der Sternmodelle und an-derer Eingangsgrößen testen. Hierkommt die ganz wesentliche In-formation aus dem Studium der„primitiven“, seit Bildung desSonnensystems vor 4,57 Milliar-den Jahren unverändert gebliebe-nen Meteorite:

a) Die Zusammensetzung derprimitivsten Meteorite entspricht,mit Ausnahme der flüchtigstenElemente wie Wasserstoff undEdelgase (Helium, Neon, Argon,Krypton und Xenon), der der Son-ne. Diese „solaren Häufigkeiten“müssen der Summe der Beiträgeder einzelnen Syntheseprozesseentsprechen. Verglichen mit denBestimmungen von Elementhäu-figkeiten in der Sonnenatmosphä-re („Photosphäre“), sind die Mes-sungen der Elementkonzentratio-nen in Meteoriten jedoch wesent-lich genauer. Zusätzlich kann, imGegensatz zur Photosphäre, wodies nur in seltenen Fällen unddann nur mit relativ großer Un-sicherheit möglich ist, auch dieIsotopenzusammensetzung derElemente bestimmt werden. Diesist wichtig, da in der Regel für dieSynthese der verschiedenen Isoto-pe (die sich durch die Zahl derNeutronen und damit durch ihrAtomgewicht unterscheiden) dieverschiedenen Prozesse derNukleosynthese von unterschied-licher Bedeutung sind.

b) Zusätzlich hat man in denvergangenen zwei JahrzehntenPhasen in Meteoriten gefunden,deren Isotopenzusammensetzun-gen vom Durchschnitt abweichen.

Diese „Isotopenhäufigkeitsano-malien“ können direkte Einblickein einzelne Prozesse der Nukleo-synthese ermöglichen. Gefundenwurden solche Anomalien einer-seits in Kalzium-Aluminium-rei-chen Einschlüssen, deren isotopi-sche Vermischung mit dem Restdes Sonnensystems zumindest füreinzelne Elemente nicht ganzvollständig war, andererseits inKörnern, die älter sind als dasSonnensystem selbst („präsolareKörner“) und sich direkt aus Aus-wurfmaterial von Sternen (Abb.58) gebildet haben („Sternen-staub“). Das Studium von Isoto-penhäufigkeitsanomalien in Ster-nenstaub und Meteoritenein-schlüssen bildet einen Schwer-punkt der in der AbteilungKosmochemie laufenden Unter-suchungen.

Kalzium-Aluminium-reicheEinschlüsse

Kalzium-Aluminium-reiche Ein-schlüsse (CAIs), die in Meteoritenals bis zu etwa zentimetergroßeObjekte vorkommen, bestehenaus refraktären, d.h. hochtempe-ratur-beständigen Materialien wieden Oxiden bzw. Mischoxidenvon Kalzium und Aluminium.Offenbar handelt es sich hier um

die erste im Sonnensystem gebil-dete feste Materie, wie Altersbe-stimmungen anzeigen. Unter an-derem enthalten die CAIs Über-schüsse des Magnesium-Isotops26Mg, die sich eindeutig auf denZerfall von 26Al zurückführen las-sen, das mit einer Halbwertszeitvon 700000 Jahren inzwischenlängst in 26Mg zerfallen ist, aberzur Zeit der Bildung der CAIsnoch vorhanden gewesen seinmuss. Sein Nachweis in den CAIsschränkt den Zeitraum zwischendem letzten Beitrag von in ande-ren Sternen synthetisierten Ele-menten und der Bildung der ers-ten Minerale im Sonnensystementscheidend ein: Dazwischenkönnen nicht mehr als einigeMillionen Jahre gelegen haben,sonst wäre 26Al vollständig zerfal-len gewesen.

Neben solchen „ausgestorbe-nen Radioaktivitäten“ enthaltendie CAIs auch Isotopenhäufig-keitsanomalien, deren Ursprungdarin liegen muss, dass dieDurchmischung der Nukleosyn-theseprodukte im Sonnensystemnicht überall perfekt gewesen seinkann: Produkte mancher Prozessezeigen Überschüsse oder Defiziterelativ zu den für das Sonnen-

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system typischen Häufigkeiten.Von besonderer Bedeutung wardie Entdeckung von Isotopenano-malien im Element Sauerstoff(relative Überschüsse des Isotops16O bis zu 5%) in den CAIs, die imJahre 1973 gelang. Zwar warenvorher bereits Anomalien in denEdelgasen bekannt (verursachtdurch die im nächsten Abschnittbehandelten, seinerzeit nochnicht identifizierten, präsolarenKörner), es war jedoch erst dieEntdeckung von Anomalien inSauerstoff, einem der häufigstenElemente, die dazu führte, dassdie Bedeutung des Studiums isoto-pischer Strukturen in Meteoriten-material allgemein akzeptiert wur-de. Ironischerweise gibt es geradefür die Anomalie in Sauerstoff je-doch auch eine alternative Erklä-rung, und es ist bis heute nicht ge-klärt, ob sie wirklich nukleosyn-thetischen Ursprungs ist. Mit Si-cherheit mit den Prozessen derElementsynthese in Sternen ver-knüpft sind dagegen andere isoto-pische Anomalien in den CAIs,wobei vor allem die korreliertenÜberschüsse in den schweren,neutronenreichen Isotopen vonKalzium, Titan, Chrom, Eisen,Nickel und Zink auffällig sind.

Präsolare Körner(„Sternenstaub“)

Im Gegensatz zu den CAIs, die –trotz der Isotopenhäufigkeitsano-malien – eindeutig Produkte sind,die im Sonnensystem entstandensind, stehen die präsolaren Kör-ner, die sich fein verteilt in derMatrix der Meteorite (außerhalbvon CAIs und Chondren; siehedazu Artikel „Meteorite-Bausteineunseres Sonnensystems“) finden.Zum einen sind sie wesentlichkleiner, mikrometer- oder sogarnur nanometergroß, also im Be-reich von Tausendstel oder sogarnur Millionstel von Millimeter.Zum anderen sind die Häufigkeits-anomalien wesentlich ausgepräg-ter. Es kann kein Zweifel bestehen,dass diese Körner aus Material ge-bildet wurden, welches von Ster-nen entweder in Explosionen(Novae, Supernovae) oder in Formvon Winden emittiert wurde – siesind also „zirkumstellaren“ Ur-sprungs. Die isotopischen Häufig-keiten verschiedener Elemente inihnen lassen dann auf die im je-weiligen Sterninnern abgelaufenenNukleosyntheseprozesse schließen.Bei den bisher nachgewiesenenKörnern handelt es sich um Mine-rale, die thermisch und chemischäußerst beständig sind: Graphitund Siliziumkarbid (Abb. 59) sowie

Korund (Aluminiumoxid), Silizi-umnitrid und Diamant. DiesenUmstand macht man sich bei ih-rer Isolierung zunutze, indemman die restlichen Meteoriten-Minerale (99,9%) mit Hilfe vonSäuren auflöst. Wichtigste Quel-len des zur Verfügung stehendenSternenstaubs sind die Winde vonRote-Riesen-Sternen und das Aus-wurfmaterial von Supernovae –das zeigen die gefundenen Isoto-penzusammensetzungen.

Der Staub der Roten Riesen

Fast alle (mehr als 90%) der Silizi-umkarbidkörner stammen ausRoten Riesen, und ebenso fast alleKorundkörner. Allerdings müssensich die beiden zu verschiedenenZeiten in der Entwicklung derRoten Riesen gebildet haben – dieSiliziumkarbidkörner zu einerZeit, in der die Sternatmosphäremehr Kohlenstoff enthielt alsSauerstoff (anderenfalls wäre allerKohlenstoff als Kohlenmonoxid,CO, gebunden gewesen und hättenicht als Baumaterial zur Verfü-gung gestanden), die Korundkör-ner zu einer Zeit, als die Situationgerade umgekehrt war.

Ein starkes Argument für ei-nen Ursprung der meisten Silizi-umkarbidkörner als Kondensataus den Winden Roter Riesen istdie Verteilung der in einzelnenKörnern gemessenen 12C/13C-Isotopenverhältnisse des Kohlen-stoffs (vgl. Abb. 60): sie entsprichtder Verteilung, wie sie in denAtmosphären von Roten Riesenmit kohlenstoffreicher Atmosphä-re gefunden wird.

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Abb. 58.Bild des supermassiven Sterns Eta Carinae (etwa hundertmalschwerer als unsere Sonne), aufgenommen mit dem Hubble-Space-Teleskop. Dieser Stern befindet sich in unserer Milchstraßein einer Entfernung von etwa 8000 Lichtjahren von der Sonne.Der eigentliche Stern (helles Objekt im Zentrum) ist von einer aus-gedehnten Gas- und Staubwolke umgeben, welche in einer ge-waltigen Explosion emittiert wurde.

Abb. 59. Rasterelektronen-mikroskopaufnah-men eines präsola-ren Graphit-(oben) und einespräsolaren SiC-Korns (unten). Diehier abgebildetenKörner haben ei-nen Durchmesservon einigen Tau-sendstel Millimeternund sind vermutlichim Auswurf einerSupernova-Explo-sion gebildet wor-den.

Die in den Atmosphärender Roten Riesen beobachteteZusammensetzung ist das Er-gebnis von Konvektionsprozes-sen, welche Material aus demSterninneren, wo seine Isoto-penzusammensetzung durchdie Kernsyntheseprozesse ver-ändert wurde, an die Oberflächebringen: zunächst Material, des-sen Zusammensetzung durchden Prozess des Wasserstoff-Brennens (Abb. 57) charakteri-siert ist, später solches, welchesin seiner Zusammensetzungden wesentlichsten Prozess inRoten Riesen widerspiegelt, das„Helium-Brennen“. WichtigsteKernreaktionen dabei sind dieVerschmelzung von jeweils dreiKernen des häufigsten Helium-isotops 4He (2 Protonen, 2 Neu-tronen; Atomgewicht 4) zueinem Kohlenstoffkern 12C(Atomgewicht 12), sowie dermögliche weitere Einfang eines4He-Kerns, wobei ein Teil des12C in Sauerstoff (16O) umge-wandelt wird. Weitere wichtigeReaktionen sind die Umwand-lung von anfangs vorhandenem14N zu 22Ne durch zwei aufein-ander folgende Einfänge von4He-Kernen und die Bildungvon Elementen schwerer alsEisen durch „langsamen“ Neu-troneneinfang (s-Prozess).

Eine Reihe von Erkenntnis-sen hat sich aufgrund der isoto-pischen Analysen von präsola-rem Korund und Siliziumkarbidbezüglich der Prozesse in RotenRiesen ergeben. So erfordertzum Beispiel die Erklärung derin manchen Korundkörnern ge-messenen Isotopenzusammen-setzung von Sauerstoff extensi-vere Mischprozesse zwischen

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Abb. 60.Isotopenverhält-nisse für 12C/13C inder Atmosphärevon Roten Riesenund in präsolarenSiC-Körnern ausdem Murchison-Meteoriten. Die ge-strichelte Linie re-präsentiert das12C/13C-Verhältnisunseres Sonnensys-tems.

mit einer Halbwertszeit von ca. 60Jahren in 44Ca zerfallen ist und alsrelativer Überschuss dieses Zer-fallsprodukts nachgewiesen wird),in Körnern gefunden werden, de-ren Hauptbestandteile eindeutigaus den äußeren Sternbezirkenstammen.

Ergänzt werden diese Einzel-korn-Untersuchungen durch Ana-lysen, die wir an präsolaren Nano-diamanten durchführen. ImGegensatz zu den bisher diskutier-ten Phasen lässt deren geringeGröße (ca. 2 Nanometer, entspre-chend etwa 1000 Atomen) keineAnalyse von einzelnen Körnern

zu. Eine Verbindung zu Super-novae wird jedoch durch dieisotopische Zusammensetzungvon in Diamantkörner-Probenenthaltenem Xenon angedeu-tet, das durch den Prozess desschnellen Neutroneneinfangs(„r-Prozess“) entstanden seinmuss. Zur detaillierten Beschrei-bung der isotopischen Strukturdieses Xenons haben wir einModell entwickelt, welches dieZeitskala und die dynamischenProzesse während der Explosionvon Supernovae und imAuswurfmaterial einschränkt.

Sternhülle und inneren Zonen, alsvon Sternmodellen vorhergesagt.Andererseits hat die von uns ge-messene isotopische Zusammen-setzung von schweren, in der He-Brennschale durch Neutronenein-fang erzeugten Elemente Hinweiseauf fehlerhafte Reaktionsquer-schnitte gegeben und lässt aufeffektive Werte für Neutronendo-sis, Dichte, Temperatur und Neu-tronenfluss schließen. Darüberhinaus kann aus der isotopischenZusammensetzung des Siliziumsin den Siliziumkarbidkörnern dieEntwicklung der Häufigkeiten derSiliziumisotope im Laufe der Jahr-milliarden in der Galaxie abgelei-tet werden („galaktische chemi-sche Evolution“; vgl. Abb. 57).

Supernova-Kondensate

Auch über Vorgänge währendSupernova-Explosionen erlaubenunsere Ergebnisse Rückschlüsse,und im Laufe der jüngsten Zeithat sich unsere Aufmerksamkeitvermehrt den Phasen zugewendet,für die die Isotopenstruktureneine Verbindung zu Supernovaeandeuten. Dazu gehören unter an-derem eine seltene Untergruppeder Siliziumkarbidkörner (ca. 1%),Siliziumnitrid- und eine Reihe vonGraphitkörnern. Eine Schlussfol-gerung aus den bisherigen Unter-suchungen dieser Körner ist, dassdie Mischung zwischen verschie-denen Bereichen einer explodie-renden Supernova wesentlich stär-ker sein muss, als von Modellenvorausgesagt. Es zeigte sich näm-lich, dass Isotope, die nur ganz imInneren von Sternen kurz vor ih-rer Explosion synthetisiert werdenkönnen (z.B. 44Ti, was inzwischen

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Erkundung von Planeten,Kometen und Asteroiden

Was befindet sich hinter demHorizont, haben Abenteurer,Händler und Forscher zu allenZeiten gefragt und sich aufge-macht, Land hinter dem Hori-zont zu erforschen. Bald richtetesich ihr Blick auch an den Him-mel mit seinen Planeten undMonden, deren Oberflächenaber unbekannt blieben. Mit derVerbesserung der Teleskopenahm die Zahl der beobachtetenPlaneten und Monde zu, ebensowie die der kleinen Körper:Asteroiden und Kometen. Trotz-dem wurde es den neuen Aben-teurern bald klar, dass sie künst-liche Späher zu diesen fremdenWelten schicken mussten, umDaten über das Land, zum Bei-spiel seine chemische Zu-sammensetzung, zu erhalten.

Woher kamen bisher Informa-tionen über die chemische Zu-sammensetzung von Materie, dienicht von der Erde stammt? In derKosmochemie wird traditionellextraterrestrisches Material unter-sucht, das in Form von Meteoriten(Gesteinsbruchstücke von Asteroi-den, die auf die Erde fallen) vor-liegt oder als Mondgestein vonAstronauten oder automatischenRückkehr-Sonden zur Erde ge-bracht wurde. Aus dem Studiumder chemischen Zusammenset-zung von extraterrestrischemMaterial lassen sich viele Rück-schlüsse über den Herkunftskör-per (auch Mutterkörper genannt)der Meteorite ziehen. Es besteht

das Dilemma, dass aus der Exis-tenz von verschiedenen Meteo-ritentypen auf verschiedeneMutterkörper geschlossen werdenkann, aber ihre Bahnen im Son-nensystem meist nicht bekanntsind. In den vergangenen zehnJahren wurden Meteoriten ent-deckt und untersucht, die sehrwahrscheinlich vom PlanetenMars stammen, aber bis vorkurzem gab es keine direktenMessungen der chemischenZusammensetzung der Steine aufder Marsoberfläche.

Im Mars-Orbit

Der Bau von interplanetarenRaumsonden ist auch heute nocheine Herausforderung, da extremeKälte, Strahlung und lange Flug-zeit überstanden werden müssen.Als Beispiel für technisches Risikound Fiasko sei die NASA-Raum-sonde „Mars Observer“ angeführt,die 1992 gestartet wurde. „MarsObserver“ war eine der erstenSonden, die neben Kameras zurErkundung des Terrains auch an-dere Methoden der Fernerkun-dung auf dem Mars einsetzensollte. Die Bestimmung der chemi-schen Zusammensetzung einerOberfläche liefert wichtige Infor-mationen über geologische Pro-zesse, wie Vulkanismus, Verwitte-rung und Vorkommen von Was-ser. An Bord befand sich einGammaspektrometer, um diechemische Zusammensetzung der

einzelnen Oberflächenregionenzu messen und daraus Karten zuerstellen. Nach einem erfolgrei-chen Hinflug geschah die Kata-strophe: vor dem Einschwenkenin die Marsumlaufbahn riss derFunkkontakt zur Sonde für immerab.

Zur Vorbereitung der Messun-gen mit dem Gammaspektrome-ter wurden in der Abteilung Kos-mochemie viele Studien durchge-führt. Der gesamte Prozess derProduktion und Emission vonGammastrahlung aus einer plane-taren Oberfläche wurde mit Hilfeeines großen Protonenbeschleu-nigers simuliert. Dies erlaubt,Modellvoraussagen über diechemische Zusammensetzung zumachen. Zusätzlich wurden Ex-perimente gemacht, um denEinfluss der kosmischen Strah-lung auf die Leistungsfähigkeiteines Gammaspektrometers zustudieren. Dieses Wissen wird inZukunft für eine weitere Mars-mission (NASA Mars Surveyor2001) genutzt werden können,bei der wieder ein Gammaspek-trometer zum Einsatz kommenwird (Abb. 61).

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Landung auf dem Mars

Da es auch möglich ist, Messun-gen der chemischen Zusammen-setzung direkt vor Ort auf einerplanetaren Oberfläche durchzu-führen, wurde eine Messmethodein der Abteilung Kosmochemieweiterentwickelt, die in den sech-ziger Jahren erfolgreich auf demMond angewandt worden war, umdie chemische Zusammensetzungseiner Oberfläche vor der Lan-dung von Astronauten zu bestim-men. Bei dieser Methode werdenRöntgenstrahlung und Alphateil-chen gemessen, die von einer mit-geführten Alphaquelle angeregtwerden. Die Messung ermöglichtdie Bestimmungen der Konzentra-tion von Elementen von Kohlen-stoff bis Eisen. Nach mehrjährigerEntwicklung war es möglich, einnur 600 Gramm leichtes Instru-ment mit extrem geringem Strom-verbrauch (350 Milliwatt) zu bau-en: das APXS (A für Alphames-sung, P für Protonenmessung derkosmischen Strahlung, X fürRöntgenmessung (englisch X-Ray)und S für Spektrometer; vgl. Abb.62).

Als am 14. Juli 1997 der MarsPathfinder Lander erfolgreich aufdem Mars im Ares Vallis gelandetwar, befand sich das APXS an Borddes Mars-Rovers Sojourner undfunktionierte einwandfrei. Für die,die dieses Spektrometer entwickeltund gebaut hatten, war es Anlassfür einen Freudenschrei: „Hurra,unser Ding hat Start, Flug undLandung überstanden!“ In dendarauf folgenden Wochen wurdedas APXS von dem Rover zu ver-schiedenen Orten der Landestellegefahren, die von den Wissen-schaftlern im Kontrollzentrum der

Abb. 61.Mars Surveyor 2001-Raumsonde in Umlaufbahn.

Abb. 62. Schematische Darstellung der Spürnase (Alpha-Proton-Röntgen-spektrometer).

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NASA ausgewählt worden waren. Der Rover drücktedas APXS, auch „Spürnase“ getauft, an die ausge-wählte Stelle. Dann wartete der Rover, bis das APXSseine fast zehnstündigen Messungen erschnüffelthatte. Die Daten wurden vom Rover zum Lander ge-funkt, der sie dann während des nächsten Kontakteszur Erde übertrug. Die chemische Analyse des Mars-staubs ergab keine große Überraschung: Der Stauban der Pathfinder-Landestelle ist in seiner Zusam-mensetzung sehr ähnlich dem Staub, der vor 21 Jah-ren an den Landestellen der beiden Viking-Sondengemessen wurde, die etwa 1 000 und 6 500 km vonPathfinder entfernt sind. Heftige Staubstürme hattenoffenkundig für eine weitgehende Durchmischungder Staubschicht auf dem Mars gesorgt.

Mit dem Rover der Marsmission Pathfinderkonnte nun erstmals an einen Stein herangefahrenwerden, um ihn zu untersuchen (Abb. 63). „BarnacleBill“ tauften die NASA-Wissenschaftler den erstenStein, an den Sojourner seine Spürnase drückte. Zurgroßen Überraschung aller mit dem Mars beschäftig-ten Wissenschaftler hatte dieser Stein eine Zu-sammensetzung, die kaum jemand vermutet hätte.Er ähnelt Krustensteinen, wie sie auch auf der Erdehäufig gefunden werden. Die Vikinganalysen imVergleich mit der Zusammensetzung der Marsmeteo-rite hatten zur Ansicht geführt, dass der Mars ein we-nig entwickelter Planet sei. In Wahrheit besitzt derMars – wie die Erde – eine Kruste mit viel Alumi-nium und Silizium. „Barnacle Bill“ und vier weitereSteine, die Sojourner mit dem APXS untersuchte, er-wiesen sich in ihrer Zusammensetzung als rechtähnlich, aber von der Zusammensetzung der Mars-meteorite völlig verschieden.

Nach dem erfolgreichen Einsatz des APXS beiMars Pathfinder ist geplant, es auch bei zukünftigenNASA-Mars-Landemissionen, die einen Rover haben,zu verwenden. Zurzeit laufen bei uns Entwicklungs-arbeiten, die eine Verbesserung des APXS zum Zielehaben.

Abb. 63.Mars PathfinderRover mit Spür-nase am Stein„Yogi”.

Abb. 64. Rosetta Lander auf Kometenoberfläche.

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Landung auf Kometen

Das APXS wird auch für einen Einsatz in einerKometenmission vorbereitet, bei der die EuropäischeWeltraumbehörde ESA einen Lander auf einemKometen absetzen will (Rosetta-Mission). Das APXSsoll die chemische Zusammensetzung der Kometen-oberfläche bestimmen (Abb. 64). In Zusammenarbeitmit anderen Instrumenten können dann Rückschlüs-se über die Entwicklungsgeschichte von Kometen ge-zogen werden, was unser Wissen über diese oft als be-drohlich empfundenen Himmelserscheinungen be-trächtlich erweitern würde. Da Kometen aus denäußersten Regionen des Sonnensystems stammen,waren sie nie aufgewärmt und haben somit eine Zu-sammensetzung, die der ursprünglichen Zusammen-setzung des solaren Nebels entspricht. Allerdingsfindet bei Kometen eine gewisse Aufwärmung statt,wenn sie sich der Sonne nähern. Dann kann man oftmit bloßem Auge den Kometenschweif sehen, deraus verdampftem Eis besteht. Somit kann die äußereSchicht des Kometen eine Veränderung der Zusam-mensetzung erfahren haben, was hoffentlich durchAPXS-Messungen studiert werden kann.

Rendezvous mit dem Asteroiden Eros

In unserem Sonnensystem gibt es kleinere Körper,die im Vergleich zu Planeten eine nur kurze aktiveEntwicklungsgeschichte haben: die Asteroiden. Siebewegen sich auf Bahnen im Asteroidengürtel, dersich zwischen Mars- und Jupiterbahn befindet, oderauf Bahnen, die die Mars- oder gar Erdbahn kreuzen.Einige der erdkreuzenden Asteroide könnten irgend-wann zur Bedrohung werden, wenn sie zu nahekommen und dann auf der Erde einschlagen. Des-halb ist es sehr wichtig, erdnahe Asteroiden genauzu untersuchen und ihre chemische Zusammenset-zung zu bestimmen. Eine solche Gelegenheit bietetdie NASA-Mission NEAR (Near Earth Asteroid Ren-dezvous), die den erdnahen Asteroiden „Eros“ imJahr 2000 anfliegen wird (Abb. 65). Sobald sich dieRaumsonde in einem Orbit um Eros befindet (Ren-dezvous), können optische, topographische, minera-logische und chemische Daten zum ersten Mal voneinem solchen Körper gewonnen und zu Verglei-chen mit Meteoritendaten benutzt werden.

Abb. 65. NEAR-Raumsonde

in Asteroiden-Umlaufbahn.

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Zentrale Einrichtungen

Bibliothek

Die Aufgabe der Bibliothek ist die Bereitstellung bzw.Beschaffung der von den Wissenschaftlern des Insti-tuts benötigten Literatur und sonstiger Informatio-nen in konventioneller (Papier) und elektronischerForm sowie Hilfe bei der Nutzung der zur Verfügungstehenden Informationsangebote (Kataloge, Litera-turrecherche, Online-Zeitschriften, etc.). Sammel-schwerpunkte sind hierbei: Physik, Chemie, Biolo-gie, Mathematik, Meteorologie, Geowissenschaften,Astronomie, Ökologie und Kernphysik.

Im Einzelnen sind vorhanden:• Rund 27 000 Bände (Zeitschriftenbände, Mono-

graphien, Forschungsberichte, Dissertationen) sowieeinige Microfiche-Ausgaben, CD-ROMs, Videos.

• 143 laufende Zeitschriften und Serien (zuneh-mend auch online zugriffsfähig), Microfiche-Lesege-rät (Reader-Printer), Kopiergerät, Personal-Computer(Internet).

• Online-Zugriff auf Literaturdatenbanken(Inspec, Web of Science, Current Contents, Georef,Biosis, etc.).

Außer durch Mitarbeiter und Gastwissenschaft-ler kann die Bibliothek auch durch Externe (vorran-gig Mitarbeiter und Studenten der UniversitätMainz, aber auch andere interessierte Bürger) ge-nutzt werden. Eine Ausleihe ist hierbei im Allgemei-nen nicht möglich (Präsenzbibliothek).

Hinweis: Die Zeitschriftenbestände sind imOnline-Katalog der Mainzer Universitätsbibliothek (URL: http://www.ub.uni-mainz.de) nachgewiesen.

Elektronikgruppe

Elektronisches Labor

Die Schwerpunkte der Arbeit in der Elektronikgrup-pe sind die Entwicklung von Hard- und Software zurDurchführung oder Unterstützung von wissen-schaftlichen Experimenten aus den Arbeitsgebietendes Instituts. Daneben werden die wissenschaft-lichen Abteilungen bei der Instandhaltung und Re-paratur des umfangreichen und vielseitigen elektro-nischen Geräteparks unterstützt.

Diese Experimente werden in der Regel mitkommerziell erhältlichen Geräten durchgeführt. DieVerbindungen zwischen den Geräten sind jedochnur in Ausnahmefällen kompatibel. Vielfach müssenauf die Anwendung abgestimmte Signalumsetzer,Pulsformer, Transformatoren oder Leistungsendstu-fen hinzugefügt werden, die in unserem Labor ent-wickelt werden.

Daneben werden bei vielen Experimenten Reglervon Systemparametern wie Temperatur, Druck oderDurchfluss benötigt, die in der geforderten Genauig-keit oder Charakteristik nicht kommerziell erhältlichsind. Solche Anwendungen, die im Laufe ihrer Ent-wicklung vielen Veränderungen unterworfen sind,werden mit Hilfe eines modularen Baukastensystems– bestehend aus unterschiedlichen Prozessoren, Ein-/Ausgabekomponenten und Softwaremodulen –realisiert (Abb. 66). Diese Modularität erlaubt es,schnell und flexibel auf Wünsche von Seiten derWissenschaftler zu reagieren, die während derErprobungsphase aufkommen.

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Abb. 66.Modulares Prozess-steuerungssystem.

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In den letzten Jahren hat die Nachfrage nachmodularen, hochgradig skalierbaren Prozesssteue-rungen zur Regelung, Datenerfassung, Archivierungund Visualisierung stark zugenommen, die unab-hängig von einem PC den sicheren Ablauf von Pro-zessen überwachen können. Solche Geräte werdeninsbesondere bei Experimenten im Feld eingesetzt,wo es auf Robustheit, geringen Stromverbrauch undgeringe Größe ankommt. Hier werden wegen meistsehr spezieller Anforderungen nur selten kommer-ziell erhältliche Laborgeräte eingesetzt. So wurden inden letzten Jahren viele automatische Sammler zurEntnahme von Umweltproben entwickelt und ge-baut.

Oft erfordern spezielle Anwendungen sogar Ein-griffe in die internen Abläufe von kommerziellenGroßgeräten wie z.B. Massenspektrometern, um die-se komplexen Geräte den wissenschaftlichen Aufga-benstellungen anzupassen.

Schließlich und endlich muss nach wie vor Steu-erungs- und Auswertesoftware geschrieben werden,die von kommerziell erhältlichen Paketen nicht ab-gedeckt wird. Hier wurde in den letzten Jahren Soft-ware zum Betrieb von Gas- und Ionenchromatogra-phen sowie Massenspektrometern kombiniert mitden unterschiedlichsten Reaktorsystemen, Luft- undAerosol-Probensammlern und anderen Systemenprojektiert und erstellt.

EDV-Gruppe

Die EDV-Gruppe ist eine Service-Einrichtung, diezentrale EDV-Aufgaben für das Institut übernimmt.Zu ihren Aufgaben gehören u.a.

• Planung, Organisation, Hard- und Software-Betreuung zentraler Komponenten wie Server fürDatenspeicherung, elektronische Post, Internetzu-gang, PC- Service und Druckdienste,

• Installation von allgemein genutzter Software,• Planung, Administration und Betrieb des

lokalen EDV-Netzes (LAN),• Beratung der Benutzer und Hilfe bei abtei-

lungsübergreifenden EDV-Problemen.Nahezu alle Rechner des Instituts (ca. 300) sind

mit dem lokalen Datennetz (LAN) verbunden undkönnen hierüber miteinander kommunizieren, aufzentrale Server und Ein-/Ausgabegeräte zugreifenund den Zugang zu weltweiten Datennetzen (WAN)benutzen. Während das bisherige lokale Datennetzaus einer Vielzahl von Ethernetsegmenten und ei-nem FDDI-Ring zwischen den Institutsgebäuden be-stand, ist ein neues Netz mit wesentlich höhererBandbreite auf der Basis von Gigabit- und FastEthernet im Aufbau.

Die meisten der wissenschaftlichen EDV-Aufga-ben werden auf den lokalen Rechnern bearbeitet,große und sehr rechenintensive Projekte auf exter-nen Höchstleistungsrechnern, wobei der Zugangüber die Datennetze erfolgt.

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Abb. 67. Lokales Datennetz des MPI für Chemie.

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Werkstätten

Viele Messapparaturen, die für die Forschungsvorha-ben des Instituts benötigt werden, sind nicht aufdem Markt erhältlich. Sie müssen also selbst gebautwerden, dazu sind gut ausgerüstete Werkstätten not-wendig. So besitzt das Institut eine feinmechanischeWerkstatt, in der in Zusammenarbeit mit den Wis-senschaftlern Messinstrumente entstehen, die auchspezielle Anforderungen, wie sie beispielsweise durchdie Verwendung in Satelliten, Flugzeugen oder Schif-fen auftreten, erfüllen. Ein breites Tätigkeitsspek-trum, vom Schweißen spezieller Werkstoffe, Schnei-den großer Eisenmeteorite, Verspannen aller gängi-gen Metalle bis zur Galvanik, wird von den Mitarbei-tern dieser Werkstatt gefordert.

Die zum Teil sehr komplizierten Glasapparatu-ren werden in der glastechnischen Werkstatt gefer-tigt. Graphische und fotografische Arbeiten für wis-senschaftliche Dokumentationen werden im Zei-chenbüro durchgeführt.

Das Institut beteiligt sich seit 1949 auch an derLehrlingsausbildung. Der erste Lehrling ist heutenoch in der mechanischen Werkstatt beschäftigtund begeht in diesem Jahr sein 50-jähriges Dienst-jubiläum. Die Ausbildung zum Maschinenbaume-chaniker erfolgt heute in der separaten Mechanik-lehrwerkstatt. Im Rahmen der Ausbildung werdenÜbungswerkstücke angefertigt und institutsinterneAuftragsarbeiten ausgeführt. Die Auszubildenden er-halten weiterhin Fachausbildungen in CNC-Tech-nik, Pneumatik/Hydraulik und Schweißtechnik, zumTeil in überbetrieblichen Lehrgängen. Die Mechanik-lehrwerkstatt ging aus den Leistungswettbewerbender Handwerkerjugend bisher mit sieben Kammer-siegern, vier Landessiegern und einem Bundessiegerhervor.

Kommunikationselektroniker, die in der Elektro-nikgruppe ausgebildet werden, erhalten in dermechanischen Lehrwerkstatt die metalltechnischeGrundausbildung. Des Weiteren werden in der Lehr-werkstatt Betriebspraktika für Schüler und Grund-praktika für verschiedene Studiengänge durchge-führt.

Abb. 68.Stefan Viehl, Leiter der Mechaniklehrwerk-statt, mit seiner Mannschaft.

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Abteilung Biogeochemie

Dissertationen

Amman, C.: On the applicability of relaxed Eddy Accumulationand common methods for measuring trace gas fluxes. Zürich 1998.

Beck, J.: Organische Säuren in der Atmosphäre. Untersuchungen zuGlyoxylsäure, Brenztraubensäure, Oxalsäure und weiteren organi-schen Säuren in der Gasphase und der wässrigen Phase von Wolkenund Regen in der Troposphäre. Mainz 1998.

Gabriel, R.: Charakterisierung des pflanzlichen Apoplasten als Austauschfläche zwischen Pflanze und Atmosphäre am Beispiel von organischen Säuren. Frankfurt 1997.

Hilse, C.: DMSP-Gehalt und -Produktion der marinen NanoalgePrymnesium parvum in Abhängigkeit von Umweltfaktoren und derStoffwechselaktivität. Mainz 1998.

Kuhn, U.: Spurengasaustausch klimarelevanter reduzierter Schwefel-verbindungen zwischen Biosphäre und Atmosphäre: COS Transferder Flechten und anderer biotischer Kompartimente. Mainz 1997.

Schäfer, L.: Untersuchungen zur Abgabe von Ameisen- und Essig-säure sowie Form- und Acetaldehyd durch mediterrane Pflanzen andie Atmosphäre. Mainz 1997.

Diplomarbeiten

Buchholz, G.: Modellierung von durch Menschen verursachtenWaldbränden in borealen Wäldern der Region Krasnoyarsk(Sibirien) auf Basis logistischer Regressionsmodelle. Freiburg 1997.

Gerlach, C.: Die Auswirkungen von physiologischen Manipulatio-nen auf die Emission von Ameisen- und Essigsäure sowie Form- undAcetaldehyd durch ausgewählte Laubbaumspezies unter Labor-bedingungen. Mainz 1997.

Resch, F.: Modellierung des Feuerverhaltens mit Hilfe eines geogra-phischen Informationssystems und BEHAVE für die Sithonia-Halb-insel in Nordgriechenland. Freiburg 1997.

Tennigkeit, T.: Auswirkungen von Feuerausschluss auf Verjüngung,Bestandesstruktur, Oberboden und die Feueranfälligkeit von trocke-nen, degradierten Dipterocarpazeenwäldern in Westthailand.Freiburg 1997.

Teusch, N.: Austausch des klimarelevanten Spurengases Carbonyl-sulfid (COS) zwischen Böden und Atmosphäre. Mainz 1998.

Wagner,S.: Quantifizierung der Konzentration organischer Säurenin verschiedenen Blattmatrizes – Analyse-Möglichkeiten undGrenzen. Mainz 1997.

Abteilung Chemie der Atmosphäre

Habilitation

Peter, Th.: Microphysics and heterogeneous chemistry of polarstratospheric clouds. Mainz 1997.

Dissertationen

Arnold, Th.: Die Rolle von Peroxyradikalen bei atmosphärischenOxidationsprozessen. Mainz 1997.

Biermann, U.-M.: Gefrier- und FTIR-Experimente zur Nukleationund Lebensdauer stratosphärischer Wolken. Bielefeld 1998.

Campuzano-Jost, P.: Laboruntersuchungen zur atmosphärischenChemie der Halogenverbindungen Methylhyperchlorit und Iod-wasserstoff. Mainz 1997.

Fickert, S.: Laboruntersuchungen zur Freisetzung photoreaktiverHalogenverbindungen aus Seesalzaerosol. Mainz 1998.

Grendel, A.: Flugzeuggetragene Messungen stratosphärischerSpurenstoffe mittels DOAS in den Wintern 1992/93 bis 1994/95.Mainz 1997.

Koch, S.: Zur Photochemie von Methylglyoxal in der Gasphase.Mainz 1997.

Landgraf, J.: Modellierung photochemisch relevanter Strahlungs-vorgänge in der Atmosphäre unter Berücksichtigung des Einflussesvon Wolken. Mainz 1998.

Limbach, S.: HPLC-Analytik und anreichernde Probennahme zurBestimmung der Verteilung von Alkylhydroperoxiden und H2O2 ineinigen troposphärischen Domänen. Mainz 1997.

Martínez-Harder, M.: Messungen von BrO und anderen Spuren-stoffen in der bodennahen Troposphäre. Heidelberg 1998.

Röckmann, Th.: Measurement and Interpretation of 13C, 14C, 17O and 18O Variations in Atmospheric Carbon Monoxide.Heidelberg 1998.

Schade, G.: CO-Emissionen aus abgestorbener, pflanzlicherBiomasse. Mainz 1997.

Steil, B.: Modellierung der Chemie der globalen Strato- und Tropo-sphäre mit einem dreidimensionalen Zirkulationsmodell. Hamburg 1997.

Waibel, A.: Anomalien ozonchemisch relevanter Spurengase.Heidelberg 1997.

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Habilitationen, Dissertationen undDiplomarbeiten 1997/98

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Tekley, M.: Petrology, Geochemistry and Geochronology of Neo-proterozoic Magmatic Arc Rocks from Eritrea: Implications forCrustal Evolution in the Southern Nubian Shield. Mainz Dez. 1996.

Tschauner, O.: Stabilität und chemische Eigenschaften vonNi,Co:(Mg,Fe)SiO3-Perowskit. Köln 1997.

Diplomarbeit

Buchwaldt, R.: Geochemistry, geochronology and isotopic investiga-tion on the Galway Granite Batholith, Western Ireland. Mainz 1998.

Abteilung Kosmochemie

Habilitation

Ott, U.: Isotopische Strukturen in interstellarem Siliziumkarbid undRückstoßverluste bei Spallationsreaktionen: zum Lebensalter inter-stellarer Körner. Mainz 1997.

Dissertationen

Bogdanovski, O.: Development of highly-sensitive techniques forSm-Nd isotopic analysis and their application to the study of terres-trial and extraterrestrial objects. Mainz 1998.

Krestina, N.: Sm-Nd isotope system in individual chondrules fromthe different meteorites. Mainz 1998.

Diplomarbeiten

Carstensen, M.: Erkennung der Phase polarer stratosphärischerWolken aus SAM-II-Messungen. Hamburg 1998.

Colberg, Ch.: Ramanspektroskopie an individuellen H2SO4/H2O-Aerosoltröpfchen in einer elektrodynamischen Teilchenfalle.Tübingen 1997.

Schäfer, H.: Meteorologische Analyse für Spurengasmessungen amObservatorium Izana (Teneriffa) unter Verwendung von Rückwärts-trajektorien. Mainz 1998.

Abteilung Geochemie

Dissertationen

Jaeckel, P.: U-Pb Zirkon Datierungen von magmatischen und meta-morphen Gesteinen der Zentralzone des Limpopo Gürtels und desnordöstlichen Kaapvaal Kratons, Südafrika. Mainz 1998.

Schramm, A: Uranium series and 14C Dating of Lake Lisan (Paleo-Dead Sea) Sediments: Implications for 14C Time-Scale Calibrationand Relation to Global Paleoclimate. Göttingen 1997.

Tchameni, R.: Evolution tectono-magmatique à l'archéen et au pale-oproterozoique du Craton du Congo. Region d'Ebolowa, SudCameroun. Paris 1998.

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Faszination Forschung 73

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Personal und Ausgaben

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Kooperationen mit Forschungs-einrichtungen des Auslands

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Viele Wege führen zumMax-Planck-Institut für Chemie

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